1913 / 47 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 22 Feb 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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vor Jahren dieser Verfassungsvorschrift nahgegangen, so hätten wir diese Kalamität micht zu erleben brauen. Der E des Reichs- eisenbahnamtes ist dem preußischen Eisenbahnminister niht unter- geordnet, sondern übergeordnet. Bei den leßten Kaisermanövern find Verkehrsstockungen in großem Umfange eingetrèêten. Hier kann man Nnch nicht damit entschuldigen, daß man die große - Verkehrssteigerung nicht hatte vorhersehen können. Hier kannte man zu jeder Zeit und Stunde das Eintreffen der Züge. Ebenso wie man aber hätte dafür sorgen können, daß das Militär nicht zu warten braucht, hätte man auf der andern Seite niht Züge ausfallen lassen dürfen, so daß man warten mußte, bis die Strecke wieder frei war. Hier zeigt es si, daß die Schuld nicht allein an dem Mangel an Verkehrsmitteln liegt, sondern daß der ganze Apparat nicht klappte. Man sollte nur häufiger Inspek- tionen abhalten, dann würde man bald merken, wo Bahnhöfe oder andere Einrichtungen fehlen. Durch diese Verkehrs\stockungen find in Sachsen zahllose kleine Gewerbetreibende shwer geschädigt worden, in- dem ihnen einfah die Waren, die sie während des Manövers verkaufen wollten, nicht zugestellt werden konnten. Schmerzens\schreie aus diesen Kreisen standen zahlrei selbst in konservativen Blättern. Der Hauptgrund, daß so etwas eintreten kann, liegt aber darin, daß die Eisenbahn überall im Deutschen Reiche einzig im fiskalischen Interesse arbeitet. Dabei muß der Verkehr zu kurz kommen. Die Reichs- verfassung enthält aber auch einen Paragraphen, wonach auf Gleich- máäßigkeit und Herabseßung der Gütertarife hinzustreben it. Heute wartet Landwirtschaft und Industrie noch immer auf eine Herabseßung. Wenn man einmal irgendwo die Tarife verbilligte, dann war es nur vorübergehend bei außerordentlihen Notständen. Durch die Tarife werden die Herstellungskosten verteuert und die Konkurrenz der deut- \chen Waren mit denen des Auslandes unnôötig erschwert. Stellte man bei schlechten Zeiten den Antrag auf Verbilligung, dann fam die Ant- wort, daß man dies mit Nücksiht auf die Finanzverhältnisse des Staates nicht könne. Tat man es zu Zeiten der Hochkonjunktur, dann bekam die Industrie die Antwort, daß sie bei ihren guten Einnahmen die vollen Preise bezahlen könne. Man sollte sich das Beispiel Vester- reichs zum Muster nehmen, das in dieser Beziehung mehr den Bedürf- nissen des Handels und Gewerbes entgegentommt. Die preußische (Fijenbahnverwaltung hat ja mit Oldenburg und Mecklenburg einen Generaltarif abgeschlossen. Es sollen auch Verhandlungen mit süd- deutschen Staaten im Gange sein. Es ist also möglich, daß eine der- artige Vereinigung zustandekommt. Wenn aber die preußische Ver- waltung hierbei ihren Herrenstandpunkt herauskehrt und die anderen zwingt, daß sie sich dem preußischen Generaltarif beugen, dann muß das ganze Werk scheitern. Hier sollte das Reichseisenbahnamt regu- lierend eingreifen. Wie nötig das ist, zeigt ja, daß wir zurzeit allein 26 verschiedene Gütertarife haben. Aber auch an der nötigen Sicher- heit auf den Eisenbahnen fehlt es an vielen Stellen. Immer wieder treten Unfälle ein, die nur zum kleinsten Teil in der Veffentlichkeit bekannt werden. Sie sind meist auf die Unzulänglichkeit des Materials zurückzuführen. Es fehlt an der nötigen Materialprüfung, ganz be- sonders des Oberbaues. Die Verwundeten- und Totenliste ist hierbei größer als bei manchèr Schlacht. Daß 181 Fuhrwerke im vergangenen Jahre überfahren wurden, zeigt doch die Mangelhaftigkeit des Schran- fcndienstes, an dem das Fehlen des nötigen Personals {uld ist. Die (Fisenbahnverwaltung operiert immer mit Verhältniszahlen, die einen gewissen Eindruck machen, aber diese Zahlen helfen über die Tatsache nit hinweg, daß Hunderte und Tausende verunglücken. Soll es da- mit besser werden, so darf das Cisenbahnpersonal nicht überbürdet wer- den. Diese Ueberbürdung besteht tatsächlich. Die Betriebssicherheit wird bedingt durch die Ruhe und die Arbeitsfreudigkeit der Beamten und das Bewußtsein, daß ste freie Staatsbürger find. Es liegt eine Denkschrift der königstreuen Eisenbahnbeamten vor, worin man sich über die 14—16stündige Dienstzeit und über die Nachtarbeit beklagt. Der Präsident des Reichseisenbahnamtes hat Versprehungen abge- geben; ih muß sagen: die Botschaft hör? ih wohl, allein mir fehlt der Glaube. Wir wissen ja au, was von den Versprehungen des preußi-

\c{en Eisenbahnministers zu halten ist. Notwendig sind vor allem ge- börige Nuhepausen.

Der Práäsident sagte im vorigen Jahre, die meisten Unfälle kämen im Anfang der Dienstzeit vor. Was beweist das? Gar nichts! Denn die Beamten kommen eben nicht genug aus- aeruht in den Dienst. Darum möge der Präsident diese Verhältnisse genau fontrollieren. Der Redner trägt dann noch einige Lokal- wünsche vor.

Atg. Li s - Eßlingen (nl.): Der Abg. Graf Kaniß hat gesagt, das Wort „Eisenbahngemeinschaft" fei ein hohles Schlagwort ge- worden. Jch glaube, dieser Gedanke ist so national, daß er troß des Grafen Kaniß seinen Weg gehen wird. Er wird aber nur dann in Fluß fommen und fih entwickeln, wenn Preußen sih auf seine nationale Pflicht, den anderen Eisenbahnen voranzugeheu, im Sinne Bismarcks besfinnt. Leider ist na den Worten des Präsidenten des Neichseisenbahnanits die Hoffnung nur eine geringe, daß wir eine Denkschrift über die Wirkungen des Staatsbahnwagenverbandes be- fommen. Geheimer Rat Kirchhoff hat gesagt, daß der Staatswagen- verband seine s{chweren Mängel habe. Gegen den preußishen Eiscn- bahnminister ist nuri noch ein Kronzeuge aufgetreten in der Person des Wirklichen Geheimen Rats Wehrmann, der ebenfalls auf die großen Mängel des Staaiswogenverbandes hinwies. Er hat in feiner Schrift darauf aufmerksam gemacht, daß wir heute noch viel zu viel Leerläufe haben, und daß heute noch feine Zentralbebörde besteht, welche cinen Einfluß auf die Betriebsleistunaen der einzelnen Bahnsysteme hat. Auf die richtige Verteilung der Wagen kommt es doch zunächst an ; die Wagenbedürfnisse müßten endli) befriedigt werden, das Zentral- wagenamt genügt nicht. Nur eine Betriebsgemeinichaft der deut- \ch2n Staatseisenbahnen kann etnen befriedigenden Zustand schaffen. Aber auch die Betriebsgemeinschaft würde nicht volle Abhilfe schaffen, da die Sonderinteressen noch fortbestehen würden. Man fommt eben immer wieder zurück zu dem Kirhhoffschen Gedanken der Betriebs- und Finanzgemetinschaft. Dem steht allerdings die Aeuße- rung des preußischen Eiferbahnministers gegenüber, daß auf materiellem (Bebiet alles erreiht sei. Das ift allerdings eine Unfehlbarkeit. und Selbstzufriedenheit, über die man erstaunen muß. Wie vieles ist nit verbesserungsbedürftig! Der preußische Minister hat selbst ge- fühlt, daß nicht alles in Ordnung ist, denn er hat im Nbgeordneten- hause Vereinbarungen unter den Eisenbahnverwaltungen zugesagt. Welche Wirkung in finanzieller Beziehung der Staatsbabnwagen- verband gehabt hat, darüber wissen wir auch noch nihts. Angeblich hat Preußen dabei Einbußen gehabt, die sich nah Millionen beziffern ; ist das der Fall, dann ist der Verband ein unglückseliges Gebilde, das so bald wie möglih durch ein besser:s erseßt werden muß. Der Präsident des Reichseisenbahnamtts sollte uns dahér doch die verlangte Denkschrift noch vorleaen. Die Berfafsung \{hreibt vor, die deutschen Etsenbahnen seien wie ein einheitlihes Neß zu verwalten. Das preußische Staa:sbahngebiet zeigt einen ausgezeichneten Zustand ; anders aber liegt es bei den süddeutschen Bahnen. Süddeutschland umfaßt 440 000 km, in die fih 6 getrennte Eisenbahnverwaltungen teilen. Da zeigt sich die betrübende Tatsache, daß die Konkurrenzierung so weit geht, daß man den Verkehr sogar dem Auslande zuschiebt, weil man ihn etnanter nit gönnt. Die Strecke Freiburg—Mül- hausen, eine Entfernung von nur 53 km, - hat nur langsam fahrende Züge. Wenn sich im Elsaß die Agktation eines Wetterlé fo un- angenehm bemerkbar macht, so liegt das viellei@t an dieser mangel- haften Verbindung mit Deutschland. Ebenfo steht es mit dem Ver- kehr zwischen Südwestdeutschland nah dem Engadin ; der Rivieraerpreß nimmt seinen Weg über Frankfurt und Basel, anstatt über Mannheim und Konstanz. Ueverall titt das Bestreben hervor, bie Schweiz gegen- über Süddeutschland zu begünstigen. Heilbronn hat noch immer keine direkte Berbindung mit Karléruhe. Gegen die Etnrichtung neuer Züge Berlin— Heilbronn—Stuttgart sträubt ih Bayern. Den Verkehr München— Bodensee—Schweiz leitet Bayern über Kempten und Lindau statt über Ulm. BeiBetriebsstörungen in Lindau muß der nähere Weg benußt werden, sonst hat der weitere sonderbarerweise den Vorzug. Auf dem Gebiet der deutshen Eifenbzhneinheit ist also noch sehr viel zu tun. Graf Kaniß hat ret, der Gedanke der Neichseisenbahn läßt fih heute nicht verwirtlihen; das Anlag-fapital in den vershiedénen Bahngebiectea it ein außzrordentlich verschi-denes, und die Ermittlung des richtigen Weges für die Entschädigung cine der shwiercigsten Aufgaben. Wir

können also nur auf allmählihe Verbesserungen hinarbeiten mit dem Endziel einer Finanz- und Betriebsgemeinschaft. Dabei denken wir gar nit daran, an den Erträgnissen der Pen Sen Bahnen, so wie sie jeßt sind, uns einen Anteil zu ens: ein Ang iff auf Preußen liegt also in diesem Wunsche niht. Damit würden doc; 2uch die Haupt- bedenken gegen diese doppelte Gemeinschaft wegfallen. (Zurufe rehts.) Haben Sie jemals einen großen Gedanken gesehen, dessen Ausführung niht etne Menge von Aerger und Verstimmung mit sich bringt? Also Weiterbestand der einzelnen Eisenbahnunternehmungen, aber Zu- sammenschluß zu einem Syndikat mit gemeinsamen Einnahmen und Ausgaben; jede Verwaltung wäre dann an der Entwicklung des Verkehrs interessiert. Leider hat das NReichseisenbahnamt keine brauchbaren Waffen, mit denen man dieses Ziel erkfämpfen könnte ; seine Machimittel find wirklich zu geringe. Bismarck würde heute noch auf dem Standpunkt steben, daß Preußen auf diesem eminent nationalen Gebiet die Führung übernehmen, vorangehen müßte. Die Einführung di:ser Doppelgemeinschaft brauchte ja nicht alsbald zu er- folgen, aber an die Vorarbeiten sollte herangegangen werden, Zu diesem Zweck hat ja Kirhhoff die Einscuung einer Kommission vorgeschlagen. Ich freue mich, darin mit der „Kreuzzeitung“ übereinzustimmen. Wenn erst einmal in Süddeutschland die Kanalprojctte durhgeseßt find, wird man wohl auch in dieser Frage nahgeben. Unser Ztel ift es, wie die politische Einheit auch in Deutschland allmählih eine wirt- schaftliche Einheit zu schaffen.

Abg. Dr. Bl un ck (fortshr. Volksp.) : Im Oktober v. J. sind auf einmal die Tarife für Mischfuiter erhöht worden. „Dadurch trat auf einmal eine Erhöhung um das Drelfache cin. Diese Maßnahme ist um so unverständlicher, als sie gerade zu etner Zeit erfolgte, wo die Reichsregierung angesichts der Fleishteuerung alles zu tun ver- \prah, um die deutshe Viehhaltung zu stärken. Und gerade dieses Mischfutter wird von einer großen Anzahl von Landwirten als für die Viehhaltung uncnt1behrlich bezeihnet, sodaß sie ohne dieses niht mchr auskommen. Diese Maßregel wurde damit be- aründet, daß die Gefahr von betrügerishen Wanipulationen bestehe. Alle Eingaben um Wiederherabseßzung der Tarife wurden abgelehnt. Man sagte, das Mishfutter dürfe nicht in den Genecaltarif auf- genommen werden. Es scheint fast, als ob man auch hier wieder dem Großgrundbesiß nur den Gefallen tun will, die Konkurrenz mög- lichst auszuschalten. Der Beschluß des vergangenen Jahres muß einer Revision unterworfen werden. Deéthalb müssen alle Vorschläge wohlwollend geprüft werden, in erster Linie der, eine Zwangsdektlaration hierfür einzuführen.

Nbg. Werner - Hersfeld (d. Reformp.): Betreffs der Dienst- und Nuhezeit muß eine reichêgeseßlihe Regelung Plaß greifen. Notwendig ist ganz besonders die _geseulihe iFest- legung einer Höchstdienstzeit. Dies ist ganz besonders für das Fahrpersonal und die Lokomotivführer notwendig. Gerade leßtere baben einen besonders s{chweren und aufreibenden Dienst. Auch Klagen über niht genügende Urlaubszeit werden laut. Häufig wird der Urlaub auch aus nihtigen Gründen verweigert. Das Lokomotivpersonal wird 20 Jahre früher invalide und muß deshalb frühzeitiger pensioniert werden. Dadurch werden sie natürlich in der Pension schlechter gestellt. Hier wär? doch zu erwägen, ob man diese Beamten nicht an anderen Stellen verwenden könnte. Indem man Heizer als Lokomotivführer beschäftigt, wird bewiesen, daß nit genug Lokomotivführer vorhanden sind. Sollten die Ruhepausen geseßlich geregelt werden, dann muß aber auch für die nôtige Kontrolle gesorgt werden, ob sie auch überall gewährt werden. Die Lokomotiy- führer wünschen denn auch für Preußen Ausbildungsschulen, wie sie in Württemberg bestehen. -

Präsident des Neichseisenbahnamtes Wacckerzapp: Troßdem ich die Wichtigkeit der Frage nah Festseßung einer, Dienst- und Ruhe- zeit nicht verkenne, so muß ih doch auf meinem vorhin schon ge- äußerten Standpunkt stehen bleiben. Der Abg. Stolle hat auf die Forderung der Reichsverfassung hingewiesen, wona die Tarife für Massengüter auf den Einpfennigtarif herabgeseßt werden sollen. Diese Forderung ist durch den Spezialtarif längst überholt. Was die billigen Baumwolltarife von Triest nah Süddeutschland gegenüber den nord- deutschen Häfen betrifft, so handelt es sih hier um Separatüberein- kommen der óôsterreihishen Bahnen mit den süddeutshen. Daß dabei die deutschen Interessen gewahrt werden, ist zunächst Aufgabe der be- teiligten Bundesverwaltungen resp. Eisenbahnverwaltungen. Es ist zu empfehlen, diese Frage zuerst im eigenen Landtage vorzutragen. So- lange das nicht geschehen ift, kann auch das Cisenbahnamt nichts unter- nehmen. Die Abgg. List und Stolle haben sich über den Wettbewerb der Cisenbahnverwaltungen bei den vorgekommenen Umleitungen be- \hwert. Jch kann diese Frage eigentlih nicht begreifen. Für die Interessenten kann sie gleichgültig sein, da durch diese Umleitungen weder eine Crhöhung des Tarifes eintritt noch die Beförderungs- \chnelligkeit leidet. Bedeutung hat die ganze Frage nur für die be- teiligten Verwaltungen selbst, als ihnen durch die Umleitungen viel- leiht Einnahmen entgehen. . Zwischen den Eisenbahnverwaltungen liegi ein dahingehendes Abkommen vor, daß die Verwaltung Tranês- porte, über die sie felbst verfügt, auch selbst befördern kann. Die (Grenzen, innerhalb welcher das geschehen darf, sind in der Verein- barung festgelegt. Soweit das zu Unstimmigkeiten Veranlassung gibt, scllen dieje abgestellt werden. Dann is Beschwerde geführt worden, daß die nicht an den Hauptlinien gelegenen Orte in bezug auf die Durchgangszüge weniger gut abschnitten. Allerdings entstehen dadurch manchmal Schwierigkeiten und Schäden für die betreffenden Orte, aber der Verkehr ist auf diesen Linien und in diesen Orten nicht be- deutend genug, um besondere Züge dazwischenlegen zu können. Daß Württemberg und ganz besonders Stuttgart in dem Verkehr mit der Schweiz \chlechter gestellt is als die anderen Länder, ist nicht zu be- streiten. Aber daran würde auch ei

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eine Betriebsgemeinschaft nichts ändern, die Schuld liegt an der ungünstigen geographischen Lage, da ja immer der Bodensee zu umfahren ist. Nicht richtig ist es ferner, daß die Betriebssicherheit auf den deutshen Eisenbahnen niedriger ge- worden ist. Das ergibt sih nicht nur, wenn man unsere Zahlen mit denen des Auslandes vergleicht. Bergleiht man die Anzahl der Unfälle in den leßten 5 Jahren, so ist sie von 33 % bis auf 108 beruntergegangen. Aehnlich steht es mit den Todesfällen. Diese sind von 1,22 auf 0,28 zurückgegangen. Das ist um so bemerkenswerter, als der Berkehr in dieser Zeit ganz bedeutend gestiegen ist. Der Abg. List hat sih dann über die zu hohe Tarifierung des Gemischtfutters beschwert. Diese für die Landwirtschaft sehr wichtige Frage ist von der Tarifkommission einem besonderen Aus\huß überwiesen worden, wo fie nechmals funditus geprüft werden foll. Es wird abgewartet werden

müssen, welches Resultat die weitere Untersuchung demnächst haben

wird.

Abg. Auch für die Arbeiter ist Zeit Geld. Sie emvfinten recht \{chmerzlich, daß nit bei allen Schnellzügen Wagen 111. Klasse, und daß bei einzelnen Eilzügen nicht Wagen 1V. Klasse eingestellt sind. Der Präsident würde sih ein großes Verdienst erwerben, wenn er jeinen Cinfluß in dieser Beziehung einsegte. . Die Arbeiter haben wirkli ein Neht auf diese Einstellung, denn fie sorgen ja in erster Unie für die Erzielung der großen VBetriebs- übershüsse der Eisenbahnen. In Preußen wurden 1899 in der I. Klasse befördert 1900000 Personen, 1909 : 1600000, in der 11. Klasse 1899 : 54,4 Millionen, 1909 : 100 Millionen, in der II1. Klasse 1899: 270 800 000, 1909: 456 Million-n, in derx IV. Klasse 1899 : 219 400 000, 1909 : 470,2 Millionen. Man sieht hieraus, welche Bedeutung die 1V. Klasse in bezug auf die Ein- nahmcn hat.

Das Gehalt des Präsidenten des Reichseisenbahnamts wird bewilligt und der Rest des Etats ohne Debatte an -

genommen. Darauf vertagt sih das Haus. Schluß 53/4 Uhr. Nächste Sißung Dienstag 1 Uhr. (Wahlprüfungen und Petitionen.)

Fis cher - Hannover (Soz.):

Preußischer Landtag, Haus der Abgeordneten. 138. Sigzung vom 21. Februar 1913, Vormitiags 11 Vhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)

Ueber den Beginn der Sipung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Bei der wiederholten Beratung des vom Herrenhause in abgeänderter Fassung zurücgelangten Entwurfs eines Rawageseßes wird dieser ohne Debatte in der ihm vom Herrenhause gegebenen Fassung angenommen.

Dann folgt die erste Beratung des Geseßzentwu rfs betreffend die Verbesserung der Oderwasserstraße unter halb von Breslau, in dem für den Ausbau derx Oder unterhalb Breslaus 18,5 Millionen Mark und für die An- legung von Staubecken, und zwar zunächst eines Staubetens an der Glaßer Neisse bei Ottmachau, 18,2 Millionen Mark ges fordert werden. j

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Die Königliche Staatsregierung hat es für angezeigt, ja, ih darf sagen, für notwendig erachtet, daß das Geseg über ten Ausbau der Oderwasserstraße unterhalb Breslau noch in dieser Session an das hohe Haus zu bringen, obwohl ihr die Schwierigkeiten, die ch qus der Geschäftslage, aus der Häufung von Arbeits\toff ergeben, voll- kommen gegenwärtig waren. Aber, meine Herren, die Einbringung des Gesetzes vertrug keinen weiteren Aufs{Gub, und zwar ganz über- wtegend aus dem Grunde, weil der Ausbau der Oderstraße oberhalb Breslau einshließlich der großen Bauten, die um Breslau bis zu Staustufe bei RNansern, für die in dem vorliegenden Etat eine Nate angefordert worden ist, ausgeführt werden sollen, die Gefahr ent- stehen ließ, daß das Verhältnis zwischen der Oder oberhalb und unter- halb Breslau sih zu ungunsten der Wasserstraße unterhalb Bicélau bezüglich threr Leistungsfähigkeit verschob.

Dazu kam noch eln weiterer niht unwihtiger Gesichtspunkt, Die Oder ist der einzige unter unseren größeren Strömen, der aus- \chließlich auf preußishem Staatshohettsgeblet verläuft. Die Staatss- regierung legte Wert darauf, den Beweis zu führen, daß die Verab- shiedung des Neichswasserstraßengeseßes mit erkennbaren Vorteilen und starkem Nußen für unsere Ströme und alle die, die ein Interesse an ihnen haben, verbunden ist, verbunten sein kann. (Abg. von Arniün- Züsedom: Sebr gut!) Die Sitiaatsregierung war fich auf der anderen Seite vollkommen klar darüber, daß es angesichts der außerordentlihen Aufwendungen, die in dem letzten JIalr- zehnt für den Ausbau der Oder staatsseitig gemaht sind, keinesfalls zu rechtfertigen gewesen wäre, wiederum erhebliche Kayi- talien es handelt ih hier um rund 40 Millionen in die Oder hineinzubauen, ohne sier zu sein, daß die Zinsen und Amortisationcn dieses großen Kapitals Deckung finden würden. Wir haben in den Vorbereitungs\stadien des Geseßes unter Zuziehung von Interessenten sehr eingehende Ermittlungen darüber angestellt, welhe Frachtvorteile den Schiffahrtsinteressenten aus dem Ausbau der Oder unterhal Breslau erwahsen werden. Die Negierung ist davon überzeugt, daß der Teil, den wir in Form von Schiffahrtsabgaben von diesen Fracht- vorteilen beanspruchen, doch nur ein verbältnismäßig so geringer daß den Schiffahrtsinteressenten noch genug übrig bleibt. Die Oder ist ein rein preußis{cher Strom; aber wir sind der Ueberzeugung, nah seinem völligen Ausbau, wie er sich auf Grund dieses Gesetzes vollziehen kann und wird, die Wirkung des Auéëbaus weit über die preußischen Grenzen hinausreihen wird. (Abg. von Arnim-Züsedom: Sehr wahr !)

Ueber den Inhalt des Geseßes brauche ich mich einleitend nitt des näheren zu verbreiten. Es sind verhältnismäßig einfache Gefichts- punkte, die hier au8einanderzuseßen wären. Die Oder soll auf Grund eines Verfahrens reguliert werden, das bei Proberegultierungen im Laufe mehrerer Jahre sich als zweckmäßig erwiesen hat, Probe regultierungen die auf Grund des Wasserstraßengeseßes vom 1. April 1905 ausgeführt worden find. Der Wasserstand . der Oder soll auf- gehöht. werden, und das Zushußwasser wollen wir einem großen Stau- beckden entnehmen, das im Tal der Glaßer Neisse gebaut werden wid, Dieses Staubecken wird gleichzeitig dem Hcchwassershußz dienen und die Möglichkeit geben, die dort aufgespeicherten Kräfte in Elektrizität umzuseßzen und im Interesse der umliegenden Gebiete nüßlich zu ver- wenden. Die Vorteile, die wir erhoffen, sind ganz außerordentlich.

Ih darf aber fesistelen, um von Anbeginn irzigen Auffassungen entgegenzutreten, daß die große Verbesserung, tie wir beabsichtigen der Oderwasserstraße zuzuführen, nichk aus\{liezliich im SInterefse eines cinzelnen Verkehrsgcbiets gewährt werden soll, nicht aus\{ltßlich im Interesse von Ober- {lesien fo groß die Vort-ile au für Oberschlesien sein werden - sondern auch aller Schiffahrtsinteressenten und aller derjenigen, die an der Schiffahrt wirtschaftliches Interesse nehmen können, also aler unserer großen Pläße wie Breslau, Stettin, Berlin und alles, was um Berlin liegt, der Zwischenpläte, die auh von der neuen Schöpfung großen Nuten haben werden. Ih hoffe daher, daß das hohe Haus in Anerkenuung aller dieser wirts{haftlihen Vorteile und des groß? Segens, den wir weiten Verkehrsgebieten durch diese Anlage zuführen wollen, dem Gesetze freudig zustimmen wird. (Bravo!)

Abg. von der Osten (kons.): Meine Freunde stimmen mit dem Minister darin überein, daß der weitere Ausbau der vniercn Oder ein unbedingtes wirtschaftlihes Bedürfnis, und zwar nicht nur für die an der Oder liegende Bevölkerung, sondern für die gefam Industrie ist. Meine Freunde billigen es au, daß in diesem Falle dargetan werden soll, daß die Erhebung von Schiffahrtsabgaben 1chr wohl mit den Interessen der Schiffahrt verträglich ist und sehr wobl geeignet ist, die Kosten, die der Gesamtheit entstehen, etwas herab» zumildern. Ich gehe auf die wirtschaftlichen Einzelheiten der Vor!agf

i y / : ; tnalie nicht näher ein, sondern weise nur darauf hin, daß es eine Ancmalle sein würde, wenn in dem oberen Lauf des Stromes für 400 Lee eine Fahrtiefe von 1,50 m fanalmäßig ausgebaut ist und der C Teil des Stromes von Lebus ab ebenfalls in absehbarer Zeit cbigkeit auêégebaut wird, der mittlere Teil aber eine T Leistungsfd 8 i aufweisen sollte, die keineswegs den Bedürfnissen entspricht A Mißverhältnis zu den anderen Leilen stehen u!

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(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger,

v 47.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

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@ ist deshalb eln wirtshaftliches Bedürfnis ersten Nanges. die qittlere Oderstrecke von Breslau bis Lebus ent]prechend dem Ober- j und Unterlauf auszubauen und zu vertiefen. Wir halten es für angezeigt, die zweifelhaften Wasserverhältnisse in trockenen gren durch Anlegung etnes Staubeckens zu verbessern und dadur 4 Beweis zu liefern, daß solche Staubecken in der Lage sind, den Fasserstand zu hebea und im Interesse der Landeskultur Wasser auf- jspeichern. Stimmen wir also den wirtschaftlißen Grundlagen der orlage Unbedingt zu, so kann ih das nicht bezüglich aller inzelheiten sagen. Wir haben Bedenken gegen die Art und die \nlage des Staubeckens gzradé an dieser Stelle geltend zu nohen. Wir find etwas verwundert darüber, daß hier in einem sesonderen Speztalfall der Apparat der Enteignung in Bewegung ge- et werden foil, um die Baumaterialien zu: annehmbaren, mit den pirtshaftlihen Grundlagen des Unternehmens im Einklang stehenden Yreisea erwerben zu können. Es is uns zweifelhaft, ob diese Aus- dehnung des Enteignungsprinzips mit dem Sinn und Wortlaut des EnteignungSgeleßes vereinbar tit, das eine Enteignung lediglich aus Gründen des öffentlichen Wohles zuläßt und das in den Verhand- lungen des Yaufes von 1883 ausdrüdlih dahin interprettert ist, daß niemals das Enteignungsrecht beansprucht werden darf, um unter cinem Vorwande lediglich private Zwecke auf einem Umwege zu. er reihen, Es 1 do zweifelhaft, ob es sich in diesem Falle nicht lediglih um Privatzwecke des Staates handelt. Wir haben des- halb Bedenken, ob tier die Enteignung angewendet werden kann: Meine Freunde haben grundsäßlih {were Bedenken gegen eine Juédehnung der Guteignung. Was die Kostenverteilung anlangt, fo i es unzweifelhaft, daß die geplanten Arbeiten vorwiegend im JIulter- esse unserer „FFndultrie vorgenommen werden; ebenso {eint cs un- ¡weifelhaft zu sein, daß die Provinz Schlesien in diesem Falle nicht mch den Grundsäßen des Wasserstraßengeseßes zu einer Beitrags- leistung von einem Drittel herangezogen werden kann, weil es fich niht um provinzielle Interessen, sondern um Interessen des ganzen Undes handelt, auch um die Interessen von Berlin, Stettin, Magde- hurg und selbst Hamburg. Gs ist ferner zu erwägen, daß von der aus ¡ubauenden Vderttrecke 217 km in der Provinz Schlesien liegen, während [0 km auf die Provinz Brandenburg entfallen. Unter diefen Um- ständen |cheint es meinen Freunden durchaus gerechtfertigt zu sin, wenn von den Grundsäßen des Wasserstraßengeseßzes bezüglich der Kostenverteilung hier abgewihen wird. Freilich wird in einer Kommissionsberatung im einzelnen festzustellen sein, ob und inwieweit die Kostenvertzilung für die Interessenten in diesem Falle angetnesser geregelt ist. Der § 4 enthält eine Bestimmung, wonah die Per sonen, die durch die Anlage des Staubeckens Vorteile haben, in ingeinessenem Umfange zu Voraus[leistungen herangezogen werden fimen. Dicse Bestimmung entspricht ja den Bestimmungen des Visserltraßengeseßes, aber es fehlt für den Fall, daß dieser Gesetz- ntwurf hier ohne das Wassergesetz“ in- Kraft treten follte, an einer Winmung, wonach. die Schadensersaßtpflicht des Staates analog dn Vettrimmungen des Wasserstraßengeseßes geregelt werden sol, Es scheint mir darin- eine gewisse Disparität zu liegen. Nu sitte diese B:stimmungen aus dem Geseß herausnebmen fönnen, wen das Wassergeseß nicht zustande kommen follte. Auch hierfür (eint mir eine Kommissionsberatung notwendig zu fein. Was den t des Staubeckens anbetrifft, so weise id darauf hin, daß nach der Ayründung durch die Anlage des Staubeckens an der geplanten Glele etwa 9000 Morgen Land der Bebauung entzogen twerden. Des gibt do zu Bedenken Anlaß, die mindestens einer ernsten zlfung dahin bedürfen, ob der Ort des Staubeckens ridt'g gewählt | Meine Freunde fassen. ihr Urteil dahin zusammen: wir stehen ten wirtschaftlichen Grundlagen des Gesegentwurfes durchaus \mpathish g- genüber, wir glauben, daß die Ausführung eines solchen Veseg-8 eine Notwendiz„keit ist, wir glauben aber, daß im etnzelnen e Unterlagen und die Art der Ausführung ciner eingehenden Müfung bedürfen. Wir beantragen deshalb, den Gesetzentwurf der Wumission zu überweisen, die das Schleppmonopolgeset beraten hat. Abg. S tull (Zentr.); Jh bin dem Minister dafür dankbar, daß it troß der s{hwierigen Geschättslage des Hauses ih nicht gefcheut hat, (as Geseg einzubringen. Ich hoffe, daß der Geseßentwurf ncch in dieser Selsion zur Verabschtedung gelangt. Das Geieß tit nit bloß sir den oberschlesishen Sn duftriet zirk von Bedeutung, nicht bloß für e großen Städte Berlin, Breslau, Stettin, sondern für dte ge- unten Dstprovinzen. Durch die Schaffung dieses Gesetzes geschieht fin weiterer Schritt, um den Osten zu stärken und ihn zu befähigen, em Wenen würdig an die Seite zu treten. Nicht nur für die Wlesische_ Industrie, sondern auch für die gesamte Landwi-tschafr ap Gef: ßentwurf von großer Bedeutung. Der Vorredner hat denken quegesprodhen gegen die Anlage etnes Staubeckens an der laper Neisse bei Ottmachau. Jch gebe zu, daß es im Interesse der kandwirtschaft bedauerlih ist, wenn 5000 Morgen Kulturboden i Zandwirt|chaft entzogen werden. Aber ih glaube, die Vorteile, N wir aus dem ganzen Gesezentwurf für die gesamte Provinz Eten Und darüker hinaus für weitere Kreise erwarten sind be- L nd höher einzushäßen. Daß das Staubecken gerade bei Ottmachau ritet werden joll, schemt mir wohl“ üborlegt zu sein. Ih wüßte via besseren Plaß für das Staubeen zu finden. Bezütglich der Ent- gung ann ih der Auffassung des Vorredners nicht zustimmen. Der dr Se, in diefem Fall keineswe,s als Privatunternehmer aufzufassen. i A handelt ja nit im Interesse etner einzelnen Person, h «Phare l im Interesse Der Jegiecung, sondern im Interesse n pes Und des Laudes. Von diesem Gesichtspunkte aus kann an alfo wohl gegen die Cnteignung keine Einwendungen haben. (t Enteignung fommt doch auch- indirekt unserer Landwirtschaft ee, einmal durch die Regulierung des Hochwasser s, denn das fe - en hat die Bestimmung, den Wafserabfluß nach der unteren L u regulieren, dadur wird die anliegende Landwirtschaft vor lse raefahren geshügt. Einen weiteren Nutzen hat die Land- N durch die Anlegung ‘eines großen Elektrizitätswerkes n, elses Gerade davon versprehen. wir uns: für die dortige hi d: sehr viel, _Das ganze Unternehmen hat den Vorteil, Ee obershlesischen Kohlen einen billigeren Transport nile t und- dadur konkurrenzfähiger gemacht werden. Ferner wiet „2 obers{le\isck{e Koblenrevier ein erweitertes Absay- lin us den Anschluß an den Großschiffahrtsweg Stettin— 4A ußerdem erhält die oberschle}ishe Judustrie für ihre he gialien aus diesen nordischen: Ländern. einen billigeven Fracht- h uen wir aber die Industrie ftärken, dann stärken wir auch tit ei irtschaft. Wir sorgen dafür, daß die s{hlesishe Landwirt- Men fig gut zahlendes Absaßgebict bekommt. Wir hoffen, daß: der Bie h die großen Vorteile des neuen Geseßes in umfangreiher zu nuße macht. Deshalb hoffe ich. au, daß es gelingen möge, escßentwurf noh in dieser Session zu beraten. bute T: Dr. Schaube (fceiköns,): Jm Namen meiner Fraktion iht as unsere Zustimmung zum neuen Gesetz aus. Das Gesetz M E wertvolle Ergänzung des Wasfserstraßengesetzes von 1905 wt Oder zu einer wirklih leistungsfähigen Schiff- | e. Darin 4 unzweifelhaft eine hohe Bedeutung. S lind wir dec einung, baß alle diejenigen, die an Viffahrt auf der Dder ein Interesse haben, nunmehr in 3 tin „ihrer Hoffnungen ein wenig Wasser gießen müssen. " mache darauf aufm am, daß die Dder do nit für alle

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Berlin, Sonnabend, den 22. Februar

Zeiten die vorgesehene Wassertiefe von 1,50 m erbält. Jn ungünstigen Jahren, die niht so ganz selten sind, ist die Wafssertiefe keineswegs gesichert. Jh hoffe, daß es vielleicht in späterer Zeit noch mögli sein wird, geeignete andere Maßnahmen zu treffen. Für die technischen Maßnahmen hat die Regierung allein die volle Verantwortung zu tragen. Durch das Wasserstraßengesez von 1905 wurden an drei ver- schiedenen _ Stellen der Doer große Negulierungen vorgesehen. Die Arbeiten sind bis 1911 ausgeführt worden. Die Regierung ist der Auf- fassung, daß, wenn diese Resultate voll befriedigend find, der Ausbau der Oderregulicrung vorzunehmen ist. JIch möchte der Regierung darin beistimmen. Im Gesetz von 1905 war die Anlegung von kletneren Staubecken vorgesehen, zunächst follte ein Probestaubeckén ausgeführt werden. Die egierung hat aber davon abgesehen. Ich stimme der Negierung darin bet. Es ist bereits darauf auftnerksam gemacht worden, daß Bedenken gegen die Staubecken bestehen. Die Stau- beden sollen verschiedenen Zwecken dienen. Einmal sollen sie dem Ovochwasserschusz dienen, dann sollen sie die Anfammlung von Zuschuß- wajjec ermöglichen, ferner foll ein großes Kraftwerk angelegt werden usro. Ich habe zunächst das Bedenken, ob diese Zwecke wirklich erreicht werden. Ich hoffe, daß diese Frage in der Kommission genügend ge- klärt wird. Bezüglich der Heranziehung der Provinz Schlesien zu. den Kosten mit Rücksicht tarauf, daß die Provinz an der Borlage sehr stark interesfiert ist, made i darauf aufmerksam, daß im Jahre 1905 ausdrücklich) festgeseßt worden ist, daß man über die Leistungen der Provinz Slesien, zu denen sle sih damals bereit erklärt hat, nit hinausgehen foll. Bei der Kürze der Zeit bin ich nicht in der Lage gewesen, mich genau über diese Fragen zu informieren. Jedenfalls wird man in der Kom- mission au darüber Klarheit {hafen müssen, wie weit diese Ver- sprehungen der Regierung gegenüber der Provinz gehalten worden find. Aus der Vorlage geht hervor, daß in der Tat die Errichtung cines Staubeckens ins Auge gefaßt ist, und daß auch Verhandlungen {weben über den. Ort des Staubeckens. Die Hoffnung, daß dur das Gesetz ein wtrksamerer Hochwassershuß erretcht werden tann, scheint mir do zi-mli gering zu sein Ich {ließe mit dem Wunsch, daß die wohlmeinende Absicht der Regierung mit Erfolg belohnt wird, und daß alle Hoffaungen, welche an das Gesey geknüpft werdên, ich in vollem Umfange erfüllen werden.

/ Abg. Dr EChlérs (fortshr. Volksp.): Kein Teil der preußischen Mona1hie wird Oberschlesien darum beneiden, daß cs in allererster Linie den Hauptnußen aus der Verbesserung der Oder unterhalb Breslaus schöpfen wird. Jch kann mich den Vorredner durhaus anschließen. ch begrüße mit Freuden die Absicht der Negierung, in möglihst kurzer Zeit die Vorteile den Interessenten zuzuwenden, Was die Beiträge der Provinz Schlesien anbetrifft, so {eint mir in dieser Beziehung kein Widerspruch zu herrschen. Diese Abgabe wird ja bemessen mit Nücksiht auf die Steigerung bes Verkehrs und den Nugyen, der den Interessenten gewährt wird. . Es ist ja s{chwer, eine genaue Nachrechnung des Nutens vorzunebmen, der der Schiffahrt und der Industrie gewährt wird. Jedenfalls muß diefe Berechnung noch in der Kommission einer ernstea Prüfung unterzogen werden. Fch will mih niht in- Einzelheiten der Vorlage vertiefen, weil es unnüß wäre, {hon in diesem Stadium auf tehnishe Fragen einzu- gehen. Ich spreche die Hoffnung aus, daß die Regulierung in kürzerer Zeit als in zehn Jahren erfolgt.

Abg. Woblfahrth (nl.): Wir stehen der Vorlage durchaus freundlih ge. enüber und sind bereit, mitzuarbeiten. Auf die Einzel- heiten will ih nicht weiter eingehen, das wird Sache der Kommission sein. Die Regulierung liegt nit allein im Interesse der Schiffahrt, sondern auch im Interesse der Landeskultur. Die Wirtschaftlichkeit der Anlage ist ebenfalls nadgewiesen. Alle Fragen müssen aber noch eingehend geprüft we den. Ich shlage deshalb auch vor, die Borlage der Schleppmonopolkommission zu überweisen. Zum Schluß möchte ih noch meine Befriedigung darüber aus\prechen, daß tn der Denk- schrift erwähnt ist, daß durch die Verbesserung der Schlffahrtsstraßen auh für die Eisenbahnen eine Erleichterung: herbeigeführt wird. Ich bitte, diesen {chönen Grundsaß au auf alle übrigen Landesteile anzuwenden. j

Abg. Leinert (Soz.): Wir bedauern, daß dte Vorlage der Schleppmonopolkommission überwiesen werden soll, da wir in dieser nicht vertreten sind. Ueber die Zweckmäßigkeit des Schiffahrtsabgaben- gef: bes kann man verichiedener Meinung fein. Es liegt kein Grund vor, Schiffahrtsabgaben zu erheben. Vie Bauausführung soll zehn Jahre dauern, weil nah der Denkschrift eine \{hnellere Ausführung eine übermäßige Steigerung der Arbeitslöhne im Gefolge haben würde. Aher ließli muß man doc auch berücksichtigen, je länger ih die Negulierung der Oder hinzieht, desto länger müßen au nußlose Zinser gezahlt werden. Wir wün schen, daß die Interessenten bei der Ausführung der Anlagen mindestens gehört und ibre Interessen nah Möglichkeit be: ücksihtigt werden. Es sollen von dem Wasser- straßengeicß von 1905 nur die Bestimmungen der 88 7 bis 14 auf dieses Gesey Anwendung finden. Warum wendet man nicht dea § 17, betr. die Wasserstraßenbeiräte, und niht auch den S 18 mit den Bestimmungen über das S{leppmonopol an? Der Ausbau der Oder liegt tatfächlid im agrarischen Interesse. Ich wundere mi, daß der Abg. von der Osten jeßt auf cinmal Bedenken gegen die Enteignung geltend maht. Sie sind doch sonst nit so, wenn es sih um die Enteignung von polnishem Grundbesitz handelt. Gs besteht fein Untershied, ob zugunsten einer Eisenbabn oder einer Wasserstraße enteignet wird. Beide licgen doch- im Interesse des Berkchrs. Man muß in der Kommission unbedingt die Frage prüfen, ob der Ausbau der Oderwasserstraße rentabel it ohne Ver- bindung mit dem Mittellandkanal. Es i1t geradezu unverständlich, weshalb man nicht die fehlenden 150 km von Hannover nach Magde- burg baut und damit das öôstlihe und westliche Wasserstraßennetz ver- bindet. Wir wünscben, daß diefe Verbindung von Hannover nach Magdeburg hergestellt wird. Der Vorlage stimmen wir durhaus zu.

Abg. Li Pp mann (fortshr. Volksp.): Die Frage, ob der Mittel- landkanal vervollständigt werden soll, jezt zur Entscheidung zu stellen, halte ih für unpraktish, Ist das östliche und westliche Wasserstraßen- ne erst einmal zweckmäßig und zweckentsyrehend ausgebaut. und betont sich dann das Bedürfnis nach der Verbindung der beiden Wassser- neße, so wird das Haus wohl dieser Verbindung zustimmen. Es ist ein verkehr8widriger Zustand, wenn man das Mitteluck eines Stromes weniger [chiffbar macht als seinen Anfang und sein Ende. Wir steben der Vorlage durchaus \ympathish gegenüber. Ich teile die Anschauung des Abg. Leinert, tatsähli@ würde sid der Bau billiger stellen, wenn er niht so lange dauern würde. Für die neu auézubauende Strecke besteht noch Fein Wasserstraßens beirat, er Tonnte ja auch im Gesek von 1905 für diese Strecke nod nicht vorgefehen werden. Für die übrigen Strecken der Oder besteht der. Wasserbeirat. Berücsihtigt werden müssen hier auch die Interessen der Kleinschiffer. Bei dem Veichsgeseß über die Schiffahrtsabgaben hat die Oder keine Nolle gespielt, weil sie nur ein preußischer Fluß ist, für die anderen Ströme 1st aber im 9eichögeseß festgestellt, daß die fleinen Schiffsgefäße, beim Rhein bis zu 200 t und bet den anderen &lüssen entsprehend, von Abgaben frei bleiben sollen. Wir werden die Befretung für die kleinen Schiffsgefäße auch auf der Oder ein- führen müssèn. Der große Vorteil der Swiffahrt wird durch die Schiffahrtsabgaben wieder wettgemacht, aber die kleinen Schiffer haben von der Vertiefung der Oder keinen Vorteil, es ist also nit einzusehen, weébalb diefe zu Abgaben herangezogen werden sollen. Wir müssen die preußishe Oder ebenso behandeln, wie das MRetch8gesetz

1913.

Nhein, Weser und Elbe behandelt hat. Der Minister will auf der preußischen Oder zeigen, wie die Schiffahrtsabgaben segenéreich wirken können, es handelt sid also um eine Reklame für die Schiffahits- abgaben. Bei der Reklame muß man ein bißchen große Borteile zeigen. Es würde mir sehr sympathich scin, wenn die rein preußische Oder den Segen der Shiffahrtsabgaben beweisen könnte. Dazu gehört eine große Milde in den Abgaben Sehr große Abgaben können den Borteil wieder wettmahen. Wir in Stettin haben leider die Be- fürchtung, daß das bei dem Großschiffahrtsweg der Fall sein wird, weil er mit weit größeren Abgaben belegt ist, als die anderen Wasser stcaßer. Ich hoffe, daß sie bei der neu zu kanalisierenden Oder geringer jein werden. Wir werden prüfen, ob die 40 „§4 Schiffahrtsabgaben auf dieser Strecke gerechtfertigt find. Dabei ist zu erwägen, ob die Landeskulturinteressen und die Schlffahrtéinteressen wirkli in dem Verhältnis n1ehen, wie die Regierung berechnet Die Regierung erkennt an, daß, soweit durch die Regulierung Landeskulturinteresseu gefördert werden, Schiffahrtsabgaben nit auferlegt werden follen. Es wird also zu prüfen sein, was da übrig bleivt und mit Schiffahrtsabgaben belegt werden kann. Wenn die Fracht sich um 1,28 pro Tonne vermindern würde, fo wäre eine Abgabe von 40 „4 erträglih. Aber das wird alles nahzuprüfen sein, sowohl im Interesse des Verkehrs, den wir fördern wollen, wie im Interesse des Ministers, der Deutschland die Schiffahrtsabgaben s{chmackhaft machen will. Wenn die Abgaben Uebershüsse ergeben würden, fo fehlt eine Bestimmung, was damit zu machen ist. Die Ueberschüsse würden allerdings ein unwahrscheinlihes Greignis fein, aber wenn fie da wären, würden sie dem Schiffahrts- abgabengeseiz entsprechend nur für weitere Verbesserungen des Flüß- laufes, aber nit für allgemeine Staatsauêëgaben zu verwenden fein. Wir haben dafür auch Zusicherungen erhalten. Hoffen wir, daß ih Neberschüsse ergeben werden. /

, Abg. Strofsfer (kons.): Au ih danke dem Minister, daß er

die Vorlage noch in dieser Session eingebraht hat. Da aus ter Mitte des Hauses nur verhältnismäßig geringe Bedenken geltend gemacht sind, wird es auch mögli sein, die Vorlage noch in dieser Session zu erlediaen. Ich freue mich besonders, daß durch diese Vorlage die große Uebershwemmungsgefahr, die für Breslau bestand, wieder wesentlich berabgemtndert wird. Das ist ja hon gesehen durch die Kanalisierung der oberen Oter und den Umgehungsfanal von Breslau, aber diese Gefahr wird noch weiter verringert werden dur dieses Gesez. Wenn darauf hingewiesen ist, daß in den Motiven ausdrücklid bervorgehoben wird, daß auch die Eisenbahn eine Forderung durch die Kanalisierung der Oder erfährt, so ist das eine Binsen- wahrheit; die fennen wir {hon vom Rhein her feit vielen Jahren. Aber wenn daraus der Schluß gezogen ist, daß deswegen eigentlich alle Flüsse fkanalisiert werden müßten, jo ist dieser Schluß doch sehr voreilig, denn es sind noch ganz andere Rücksichten bei der Kanalisierung von Flüssen zu nehmen. Die Abgg. Leinert und Lippmann haben auch die Weiterführung des Mittellandkanals er- örtert, aber Oerr Lippmann selbst hat anerkannt, daß hier eigentlich nicht die richtige Stelle dafür sei. Wenn die Weiterführung des Mittellandkanals in der Kommission eröctert werden soll, so gehöut fie in den Rahmen dieser Vorlage überhaupt nicht hinein: wenn sie aber in der Kommission eingehend erörtert werden soll, so kônnen wir uns heilig darauf verlassen, daß diese Vorlage hier im Laufe dieser Session ganz siher nicht zustande kommt; Ih möchte dringend davor warnen, daß dies geschieht. Der Abg Leinert meint weiter, die Lantwirtshaft habe ein ganz befonderes Interesse daran, aber das Interesse der Landwirt- [haft ist Hier viel geringer, als das der {weren Industrie. Die Perren Leinert und Lippmann wünschen, daß s{chneller gebaut werden möge, und der erstere meinte, daß dic Regierung deshalb, weil die Löhne allzu fehr in die Höhe geschraubt werden würden, von dem shnelleren Bau Abstand nehmen dürfte. Wir können bei den Er- fahrungen, die die Regierung auf tiesem Gebicte in langen Jahren er- worben hat, uns darauf verlassen, daß sie die Zeit, die für den Bau dieses Projekts notwendig ist, auch richtig bemessen hat. Es wird kaum deshalb nottg fetn, aus dem Hause herous dem Wunsch nah Beschleunigung Aus- druck zu geben. Auch die Negierung hat ein besonderes Iuteresse daran, und zwar gerade des Landes wegen, wirtshaftliÞ zu bauen. Vas ist ein Interesse, das niht außer aht aelassen werden fann, und deshalb sehe ih davon ab, etnen folchen Wunsch auszusprechen. Ich habe das Vertrauen zu der Negierung, daß sie diese Vorlage, die sie selbst als außerordentlich wid1ig anerfannt hat, nah Möglichkeit weiter fördern wird. Daß die Rechte nur Wert auf die agra1ischen Interessen lege, ist eine ungebeuerliche Behauptung des Abg, Leinert ; es lohnt sich nicht, sich auf eine Widerlegunz einzulassen. Die Rechte arbeitet hter {on seit langen Jahren und hat gezeigt, daß fie nicht allein agrarishe Juteressen, sondern auch die Interessen des ganzen Landes und aller seiner Cinzelheiten vertreten hat und heute noch vertritt. Die Herren Sozialdemokraten sollten fi hüten, ein solches Odium unausgeseßt auf meine Parteifreunde zu werfen, denn man könnte wahrhaftig den Spieß sehr leiht umdrehen, aber ih tue es niht, obwohl fie felbst von sich nur die Vertretung der Arbeiter- interefsen behauptet baben. Ih bin also dem Minister außer- ordentlich dankbar für die Vorlegung des Geseßes und hoffe, daß es zum Segen des Landes zur Durchführung gelangen wird. :

_ Abg. Leinert (S25z.): Ih bedaure, daß der Minister keine Grklärung über die Foriführung des Mittellandkanals abgegeben hat. Die Arbeiterlöhne dürfen niemals ein Grund sein, um die Fertig- stellung eines Kulturwe:kes um Jahre zu verzögern. In der Be- gründung steht aber ausdrücklich, daß eine s{chnellere Bauausführung ctue übermäßige Steigerung der Arbeitslöhne herbeiführen würde. Diese Begründung halten wtr für böchst bedauerlih. Fe früher eine Wasser- straze hergestellt wird, desto eher wird sie au wirtscaftlihh ausgenußzt werden können. Die Weiterführung des Mittellandfanals aehört gerade hierber, weil durch die Verbindung der Wasserstraßennetßc auch die Millionen, die hier aufgewendet werden, rentabler Jemadt werden können. Herr von Oldenburg hat einmal gesagt, die Militär- vorlagen kämen fo Électerweise; auh die Wasserstraßenvorlagen kommen flederweise, es fehlt an einem großzügigen Programm. Die Negierung sollte einmal mit ihren Plänen für die nächste Zukunft hervortreten, in diefe Pläne gehört anch die Verbindung der Elbe mit dem Rhein. Die Landwirtschaft hat auch großen Nutzen, cs kommt nur darauf an, wi? hoch man ihn bewertet. Die Landwirtschaft kann das Getreide billiger nah Stettin bringen, und die Einfuhrscheine begünstigen die Verkrachtung na Stettin. Aber es würde im Interesse der Be- völkerung liegen, daß das Getreide im Inlande bliebe, um die Er- nährung des Volkes zu verbilligen. Ob ih gesagt habe, daß die Kon- servativen nur für agrarishe Interessen cintreten, weiß ih im Augen- blid nicht, jedenfalls meinte ih es nur mit Bezug auf die Kanal- vorlage von 1905. Daß die Konservativen die agrarischen Interessen höher stellen, als die des ganzen Landes und der Industrie, haben si: hier wiederholt bewiesen. Damit schließt die Diskussion. ___ Die Vorlage wird der Schleppmonopolkommission über- wiesen. i Es folgt die erste Beratung des Geseßentwurfs, be- treffend Veränderung der Grenzen der Kreise Calbe und Jerichow [l im Regierungsbezirk Maade- burg und Aenderung der Amtsgerichtsbezirke

Gommern und Schönebeck, wonach die Landgemeinden