1913 / 50 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 26 Feb 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 13 des Reichsgeseßblatts enthält unter Nr. 4181 die Verordnung über Geschäftsgang und Ver- fahren der Rentenausschüsse, vom 14. Februar 1913. Berlin W. 9, den 25. Februar 1913. Kaiserliches Postzeitung3amt. Krüer.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der Kaiser und König haben Aller- gnädigst geruht :

Allerhöchstihren bisherigen außerordentlihen Gesandten und bevollmächtigten Minister am Großherzoglich hessischen Hofe Freiherrn von Jenisch von diesem Posten abzuberufen und unter Verleihung des Charakters als Kaiserliher Wirk- licher Geheimer Rat mit dem Prädikat „Exzellenz“ seinem Antrage gemäß in den Ruhestand zu verseßen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den bisherigen Oberlehrer, Professor Friedrih Becker aus Saarbrücken zum Seminardirektor zu ernennen.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Bei dem Oberbergamte zu Breslau ist der Gerichtsassessor r. Werner zum Berginspektor ernannt worden.

Ministerium der geistlihen und Unterrichts- angelegenheiten.

Dem Seminardirektor, Professor Be cker ist das Direktorat des Lehrerseminars in. Usingen verliehen worden.

Finanzministerium. Die Rent meisterstelle bei der Königlichen Kreiskasse in Sagan, Regierungsbezirk Liegniß, ist zu beseßen.

Betanntmacmuna.

Königliche Technische Hochschule Breslau. Abteilung für Maschineningenieurwesen und Elektrotechnik, _, Chemie und Hüttenkunde,

i Allgemeine Wissenschaften.

Die Studierenden der Technischen Hochschule sind berechtigt, an den Vorträgen und Uebungen der Universität teilzunehmen. Einschreibefrist 1. März bis 21. April 1913. Beginn der Vorlesungen Mitte April. Programm für 60 Z (nah dem Ausland 1 6) vom Sekretariat.

Breslau, den 20. Februar 1913.

Der Rektor. Dr. phil. R. Schenck.

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Nichfamflicßes. Deutsches Reich.

Preußen, Berlin, 26. Februar 19183.

Jhre Majestät die Kaiserin und Königin, Maslestät die Königin von Dänemark und Jhre Na erliMe «Und KonmtaliGe Hoheit die Kron- prinzessin begaben sih gestern vormittag nah Charlotten- burg, um das Kaiserin Auguste Victoria - Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit zu besihtigen. Jm Anschluß hieran besuchten Jhre Majestät die Königin von Dänemark noch mit Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin

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das Kaiser Friedrichh-Museum.

Ihre

Seine Majestät der König vonDänemark empfingen gestern nahmittag im hiesigen Königlichen Schloß den Neichs- fanzler Dr. von Bethmann Hollweg und den Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Jagow.

Zu Ehren Jhrer Majestäten des Königs und der Königin von Dänemark fand gestern abend im Weißen Saale des Königlichen Schlosses Galatafel statt, in deren Verlauf Jhre Majestäten der Kaiser und der König herzliche Trinksprüche wechselten.

Seine Majestät der Kaiser und König sagte laut Meldung des „W. T. B.“:

„Eure Veajeftäten beiße Ih im eigenen und im Namen der Kaiserin von Herzen wilikommen und biite, versichert sein zu wollen, daß Wir Uns glücklich s{chäßen, so liebe Gäste in Unserer Mitte weilen zu sehen.

Der warme Empfang yon seiten Meiner £ stadt wird Euren Majestäten ein Beweis sein, daß auch Unser Volk aufrichtigen Anteil nimmt an der Ehre und Freude des Hohen Besuches, den Wir hier heute fegrüßen dürfen.

Ich weiß es voll zu würdigen, daß Eure Majestät zu Uns ge- kommen find, noch unter dem wehmütigen Findruc des tief \{chmerz- lichen Verlustes, den tas erlauchte dänische Königshaus und ganz Dânemark durch das Hinscheiden Gurer Majestät Hochseligen Herrn NVaters erlitten hat. Von ganzem Her en danke Ih Eurer Majestät für diefen Beweis persönlicher Zunetgung und freundnachbarlicher Gesinnung. Daß Ih diese warm erwidere, daß es auch Mein und Meiner Regierung aufrichtiger Wunsch und fester Wille ift, die Be- ziehungen Unserer Länder zu pflegen und aus8zugestalten in gegen- feitigem Interesse und zum Wohle beider Vêlker, dessen dürfen Cure Majeität geryiß sein.

Um Eurer Majestät auß ein äußeres Zeichen Meiner freund- schaftlichen Gesinnung zu geben, habe Ih Mir erlaubt, Eure Majestät à la suite Meiner Marine zu stellen. Bei den regen nachbarlihen Beziehungen Unserer Flotten wird es Meiner Marine cine Ehre sein, wenn Eure Majesiät diese dur Eurer Majestät verehrten Herrn Vater bekleidete Stellung freundlichst annehmen wollten.

Fndem Fch jeßt Mein Blas erhebe, gedenke Ih noch besonders

)aupt- und Nesidenz-

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mahlin und die Kronprinzessin, Meine geliebte Schwiegertochter, ums{lingt; der herzlichen Freundschaft, die Eurer Majestät Hoch- seligen Vater und Mich verbunden hat, und nicht zuleßt der ver- ehrungswürdigen Gestalt Eurer Majestät unvergeßlichen, in Gott ruhenden Herrn Großvaters. Möge der Segen der Vorsehung Eure Majestät immerdar geleiten auf dem verantwortungsvollen Pfade der Ecfüllung Eurer Maiestät erhabenen Berufs.

Ich trinke auf das Wohl Seiner Majestät des Königs von Dänemark, Ihrer Majestät der Königin und des gesamten erlauchten Königlichen Hauses.“

Seine Majestät der König von Dänemark ant- wortete mit folgenden Worten:

„Für die herzlißhen Worte, die Eure Majestät im cigenen und im Namen Ihrer Majestät der Kaiserin an die Königin und Mich gerichtet haben, danke Jh in Unserer beider Namen aufs wärmste. Es ist Mir ein Bedürfnis, damit einen tiefgefühlten Dank zu verbinden für den Beweis aufrichtiger Teilnahme und Freundschaft, welcher Uns durch die Anwesenheit Meines geliebter Schwagers, des Kronprinzen, von seiten Eurer Majestät in den für Uns so {weren Tagen des verflossenen Jahres zuteil geworden ist.

Boll zu shägzen weiß Ich die hohe Ehre, die Eure Majestät Mir erwiesen dur) Meine Ernennung an Stelle Meines Vaters zum Chef des preußischen Husarenregiments Nr. 14, und ganz besonders dankerfüllt bin Ich dafür, daß Eure Majestät soeben geruht haben, Mich à la suite Ihrer siolzen Marine zu stellen, welhe Eure Mojestät immer mit so warmem Interesse umfaßt haben.

Ich füge hierzu Unsern berzlihsten Dank für den Uns in Gurer Majestät Havyt- und Residenzstadt bereiteten überaus glänzenden Empfang, an dem die ganze Bevölkerung so sichtbaren Anteil ge- nommen hat. h

Indem JIch in Eurer Majestät den erhabenen Monarchen exblide, dessen nie ermüdende Friedenslicbe der bald fünfund- zwanzigjährigen Regierung das Gepräge aufgedrükt hat, hege Ich die freudige Zuversicht, daß Eure Majestät die Meinem Großvater und Metnem Vater bewiesene Freundschaft auf Mich übertragen möchten. E :

Zu dieser Hoffnung gesellt sich noch der innige Wunsch, daß die Beziehungen zwischen Unseren Ländern auch feraerhin fich auf der festen Grundlage gegenseitigen Vertrauens und freundschaftlicher Verständigung Unserer beiden stammverwandten Völker mit ihren volfkstümlihen Eigenarten entwideln mögen. i

Zu Meinem wiederholten Danke für den herzlihen Empfang, den die Königin und Ich hier gefunden haben, füge Ich noch die innigsten Glücfwünshe zu der erfreulihen Verlobung, die kürzlich in Eurer Majestät Hoher Familie stattgefunden hat. i

Ic trinke auf das Wohl Seiner Majestät des Kaisers, Ihrer Majestät der Kaiserin und des gesamten erlauchten Kaiserlichen und Königlichen Hauses,“

Gestern vormittag ist, wie „W. T. B.“ meldet, der bevollmächtigte Minister und außerordentlihe Gesandte von Chile Augusto Matte hier an Herzlähmung gestorben.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie der Aus- \{huß für Zoll- und Steuerwesen hielten heute nachmiitag

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Sißzungen.

Potsdam, 2. Februar. Aus Anlaß der Anwesenheit Seiner Majestät des Königs von Dänemark wurde heute vormittag auf dem Bornstedter Felde bei Potsdam eine Gefechtsübung gemishter Waffen abgehalten, zu der die Potsdamer Garnison ausgerückt war. Jhre Majestäten der Kaiser und der König Christian trafen, wie L B mad von Berlin bommend gegen 10 Uhr an dem Gehölz in der Nähe der Artillerie- kasernen bei Nedliß ein und ritten \ofort auf das Feld. Punkt 10 Uhr fiel der erste Kanonenshuß vom Ruinen- berge her, von wo aus sich die rote Partei entwickelte, während die blaue Partei von Nedliß aus vorging. Es ent- spann sich ein lebhaftes Gefecht mit Reiterattacken, Maschinen- gewehrfeuer und abgesessener Kavallerie in der Schüßen- linie. Nach 11 Uhr endete das Gefecht, während dejsen auch Flugzeuge und das Zeppelinluftshif}} „Hansa“ über dem Bornstedter Felde erschienen waren. Es folgte ein Vorbei- marsch der Potsdamer Garnison. Seine Majestät der Kaiser ritt darauf mit Seiner Majestät dem König an der Spiße des ersten Garderegiments zu Fuß in die festlih geschmüdckte Stadt Potsdam ein. Um 12/4 Ühr trafen die Majestäten mit dem Regiment vor dem Regimentshause ein, wo Frühstückstafel war.

Frankreich. Der russische Botschafter Jswolski hat gestern mittag dem Präsidenten Poincaré den St. Andreasorden und ein Handschreiben des Kaisers von Nußland über- reicht, das nach einer Meldung des „W. T. B.“ folgenden Wortlaut hat: Herr Präsident! Erhabener guter Freund! Aus Anlaß Ihrer Wahl zum Präsidenten und der Uebernahme Ihr:s hohen Amtes rihte ih meine herzliße Gratulation und meine besten Wünsche an Sie. Es liegt mir am Herzen, in diesem Augenblick Ihnen von neuem zu versiherrn, wie sehr ich von dem Gedanken durchdrungen bin, daß das franz8fi\ch- ru}\sis{e Bündnis ebenso den Gefühlen wie den Interessen der beiden Völker entspriht und nie aufgehört hat, ein wirksamer Faktor für den Frieden Europas zu sein. Dieses Bündnis, das dem Herzen der beiden großen Nationen enispringt und dur ein zwanzigjähriges fruchtbares Bestehen geheiligt ift, bildet die Grund- lage der auswärtigen Politik, die ich meiner NRegiecung vor- gezcihnet habe. Damit dieses Bündnis alle Früchte trage, die es zu bringen vermag, erscheinen mir ein beständiges Zu- fsammenarbeiten und etne stete Fühlungnahme zwischen den Kabinetten in Paris und St. Petersburg unerläßlih. In diesem Sinne haben Sie, bevor Ste die höchste Würde der Republik be- Tleideten, das Amt des Chefs der französishen Negterung ausgeübt. Glauben Sie, bitte, Herr Präsident, ih weiß Ihnen in ganz be- sonderer Weise Dank dafür. Da ih wünsche, ein neues Zeugnis meiner aufrichtigen Anhänglichkeit an Frankreih zu geben 1nd ebenso meine Hochachtung und ._ meine persönliche eFreundschaft für Sie auszudrücken, so gestatte ich mir das Vergnügen, Ihnen heute meinen St. Andreasorden zu verleihen, dessen Insignien ich Ihnen hierbei mit metnen besten Wünschen für das Gedeihen Frankreihs und das Gelingen der Aufgabe, die Sie auf sich’ genommen haben, überreichen laße. Ge- nehmigen Sie, Herr Präsident, metn erhabener guter Freund, die Versicherung meiner vollkommenen Hochahtung und meiner hohen Wertschäßzung. Ihr guter Freund Nikolaus.

Der Präsident Poincaré erwiderte auf das Handschreiben

Teurer, erhabener Freund!

Soebên habe ih aus den Händen des Botschaäfte1ns Eurcx Majestät die Insignien Ihres St. Andreas-Ordens erhalten, und es liegt mir am Herzen, Eurer Majestät ohne Verzug den Ausdru meines lebbaftesten Dankes zu übermitteln. Ich bin tief gerührt dur die Worte des Schreibens, durch das Eure Majestät mix dieses glänzende Zeichen der Freundschaft und einen neuerlichen Beweis Ihrer Gefühle Frankreich gegenüber geben. Eure Majestät können versichert sein, daß ich wie in der Vergangenheit treu an dem Bündnis festhalten werde, das Nußland und Frankreich einigt. Indem ih meine aufrichtigsten Wünsche für das Glück Eurer Majestät und Ihrer Majestät der Kaiserin sowi- der ganzen Kaiser- lien Familie darbringe, bitte ich Sie, die Versicherung meiner Hotachtung und meiner beständigen ¿Freundschaft entgegenzunehmen.

Poincaré.

Die Deputiertentammer hat gestern das dritte provisorishe Budgetzwölftel bewilligt und durh Hand- aufheben einen Zusaß zum Finanzgeseß angenommen, der von der Regierung bereits genehmigt worden ist. Wie „W.T. B.“ meldet, unterwirft der Zusaß vom 1. Juli d. J. ab die fremden Reisenden und auswärtigen Handels- vertreter, die ihren Beruf dauernd oder vorüber- gehend auf franzöfishem Gebiet ausüben, denselben Be- stimmungen und Abgaben, denen die französischen Reisenden im Auslande unterworfen sind. Die Zollverwaliung wird nach dem Grundsaße der Gegenseitigleit und gemäß den Be- stimmungen der Zollgeseße von 1892 und 1910 die Abgaben nah der Nationalität des Reisenden und nicht nah der Her- kunft seiner Waren berechnen.

Jn der Budgetkommission der Deputiertenkammer erklärten gestern der Finanzminister Kloß und der Kriegs- minister Etienne, sie würden am Montag eine Kredit- vorlage im Betrage von 500 Millionen Francs ein- bringen, die dazu bestimmt sei, gewisse für die Kriegszwecke er- forderliche Arbeiten zu beschleunigen.

Der frühere Kriegsminister Millerand hat gestern in seinem Wahlkreise eine Rede gehalten, in der er, obiger Quelle zufolge, ausführte:

Das gegenwärtig für Frankreißh am meisten beängstigende Problem fei die Entvölkerung Frankreis und ihre Folgen für die nationale Verteidigung. Die Verwirklichung der militärishen Pläne Deutschlands, von denen man kürzlih Nachriht bekommen habe, würde unmittelbar das Ergebnis haben, das Gleichgewicht der deutshen und französishen Streitkräfte zu zerstören. Dies könnte Sranfkreih nit zulassen, das sei eine Lebensfrage für das Land. Frankreichß babe dies vollkommen begriffen, und es ct bereit, alle nötigen Opfer für das Heer zu bringen, vm es auf der Höhe seiner Verpflichtungen zu erhalten. Die Regierung werde ihre PfliGt tun. Die militäris@e Macht Frankreichs sei die erste und grundlegende Bedingung der französischen Tätigkeit in der Welt. Seit dem ersten Auftauczen des Konflikts auf dem Balkan habe Frankreich in voller Uebereinstimmung mit seinem Verbündeten und mit seinem Freunde nicht aufgehört, seinen Einfluß zugunsten einer friedlichen Lösung geltend zu machen. Das Festhalten an der Tripleentente mit ibrem System des Gleichgewichts der europäishen Kräfte und ihr mäßtgender Einfluß als Gegengewicht scien* die Hauptsache und dat ganze Geheimnis der auswärtigen Politik Frankreichs.

Rußland.

Dem Ministerrate sind zwei Gesetvorlagen des Generalgouverneurs von Finnland zugegangen über die Einführung der russishen Sprache im schriftlichen Verkehr des finnischen Landtages und Senats sowie der finnishen Be- hörden mit den Reichsbehörden. Die Vorlagen fordern ferner, wie „W. T. B.“ meldet, daß die Kenninis der russtschen Sprache für alle Itegierungsbeamten Finnlands und für die Studierenden an der Universität von Helsingfors obligatorisch sein soll.

Schweiz. Der Bundesrat hat an die Bundesversammlung einen

L C neuen Bericht, betreffend die Gotthardbahn, gerichtet, da die Frage der Annahme oder Verwerfung des Staatsvertrages zu einer großen politischen Frage geworden und die Opposition so angewachsen ist, daß die Verwerfung des Vertrages zu

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be fürchten war. Ja dem Bericht wird laut Meldung des „W. D.B.“ auf Grund der Ergebnisse der lezten Jahre berechnet, daß di Goltthardbahngesellschaft 10 Prozent Dividende gegeben hätte, wenn die Verstaatlichung nicht eingetreten wäre, weil das Konto der Nonvaleurs {hon binnen zwei oder drei Jahren nach der

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Verstaatlichung abgeschrieben worden ist. Dann hätten gemäß dem alten Gotthardvertrag den Subventionsstaaten von dem 7 Prozent übersteigenden Dividendenbetrag eiwa 2,6 Millionen ausgezahlt werden und die Taxen herabgeseßt werden müssen. Die im neuen Vertrag zugestandenen Taxeherabsezungen sind niht so groß. Verbliebe die Schweiz bei dem alten Vertrage, so müßten die Bundesbahnen über die Gotthardlinie getrennte Rechnung führen, da die Subventionsstaaten das Recht auf einen Rechnungsbericht haben. Dies wäre praktis undurhführbar und würde zu fremder Einmischung in die Ver waltung der Bundesbahnen und zu mißlihen Verhandlungen führen, ebenso wie auch die Pflicht zu den gegebenenfalls itetigen Taxeherabseßungen. Daß die Tarifherabsezungen des neuen Vertrages dauernde seien, wäre ungefährlih, da die Tarife aller Länder die Tendenz zur Verbilligung haben. Die Ausficht, durch neue Verhandlungen bessere Bedingungen zu bekommen, sei gering, da dur die Tilgung der möglichen Ab schreibungen die Ansprüche der anderen Staaten gesteiger! worden seien. Die Souveränität der Schweiz werde nicht ein g'\chränkt, eher sei dies bei dem alten Vertrage der Fall. Wenn der Vertrag auf die verstaatlihte Bahn angewende! werden müßte, so sei der neue Vertrag gegenüber dem alten vorteilhafter. Der Bundesrat stügt sih auf die Gutachten der Professoren Paul Speiser-Basel und Eugen Borel-Genf sowie auf den Bericht der Generaldirektionen der Bundesbahnen.

Türkei.

Nach einem amtlichen türkischen Kriegsbericht hat sich infolge des herrschenden Schneesturmes vor Ts\chataldscha, Adrianopel und Bulair nichts Neues ereignel. ;

Die bulgarischen Meldungen, daß die Türken in der leßien Schlacht bei Tscharköj über 1000 Tote gehabt hätten, werden, wie „W. T. B.“ mitteilt, in Konstantinopel als un zutreffend bezeichnet. Bei Tscharköj seien nur zwei Kompagn!en gelandet worden, die durch einen Flankenangriff zwei bulga- rische Bataillone zum Rückzug gezwungen hätten. Es L darauf sechs weitere Bataillone bulgarischer Truppen zur Ver- stärkung herangerüdckt, doch sei es den Türken gelungen, le in Schach zu halten. Sodann sei in voller Ordnung die E einschiffung erfolgt, wobei Munition und Lebensmittel mlt genommen worden seien. Die Bulgaren hätten 240 Tote Lie zahlreihe Verwundete, die Türken 35 Tote und 56 Verwun e

des Bandes s{westerliher Uebe, das Eurer Majestät Hohe Ge-

mit folgendem Telegramm :

gehabt.

Jn Stambuler Moscheen und einigen mohammeda- nishen Theologieshulen sind vorgestern naht Aufrufe ge- funden worden, in welchen laut Meldung des „Wiener K. K, Telegraphenkorrespondenzbureaus“ das jeßige Kabinett sowie die Fortseßung des Krieges getadelt und die Politik des früheren Kabinetts als richtig bezeihnet wird. Der Aufruf betont, daß, da die europäishe Türkei niht mehr zu halten sei, es unnüg wäre, Söhne Anatoliens dafür zu opfern. Die Aufrufe sollen auch unter der Armee verteilt worden sein. Die Polizei hat eine strenge Untersuchung ein- geleitet. i ; Amerika.

Der amerikanische Senat hat nah einer Meldung des M L D die Borlage angenommen, dié zu elner Bewertung der Eisenbahnanlagen nah ihrem physischen Merte ermächtigt. Die Vorlage ist auch hon vom Reprä}entanten- hause angenommen worden.

Wie „W. T. B.“ aus Mexiko meldet, ist wenig Hoffnung auf einen sofortigen Frieden vorhanden. Die Tätig- feit der Aufständischen nimmt im Norden zu, im Süden haben die Zapatisten mehrere Haciendas in Brand gesteckt und ge- plündert; sogar ein Militärzug wurde von ihnen angegriffen.

Das peruanische Kabinett ist obiger Quelle zufolge zurückgetreten.

Ma R: T A M ACA A I MOEPE D U E 2E

Parlamentarische Nachrichten. Die Schlußberichte über die gestrigen Sizungen des Reih3- tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Erftien Beilage.

Auf der Tagesordnung der heutigen (120.) Sizung des Reichstags stand zunächst der von den Nationalliberalen (Abgg. Bassermann und Genossen) am 15. Februar 1912 ein- gebrachte Jnitiativantrag, die verbündeten Regierungen um Vorlegung eines Geseßentwurss zur Regelung des Suhb- missions8wesens im Deutschen Reiche zu ersuchen.

Ein Antrag der NReichspartei, eingebraht am 16. Februar 1912, der dasselbe Ziel verfolgt und außerdem einige Leitsäße aufstellt, wurde auf Antrag des Abg. Schul §-Bromberg (Rp.) gleichzeitig verhandelt.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten sezte in der heutigen (141.) Sißzung, welcher der Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow beiwohnte, zunächst die zweite Beratung des Etats der Handels3- und Gewerbeverwaltung fort.

Bei dem Fonds zur Förderung der nicht gewerbs- mäßigen Arbeitsvermittlung und Rechtsberatung für die minderbemittelten Bevölkerungs kreise bemerkt

Abg. von der Osten (konf.): Das Problem der Regelung der Frage von Arcbeitsanzgetot und Arbeitsnachfrage ist von eminenter Bedeutung. Durch die Fortschritte der Kultur und des Verkehrs ift diese Bedeutung noH rapid gewachsen. Bisher ist diese Frage immer stiefmütterlich behandelt worden. Es ist höchste Zeit, daß darin endlich etne Aenderung eintritt. Im Laufe der Zeit bemäßtigtee H der gewerb8mäßige Stellenvermittler dieses Gebiets. Das Stellenvermittlungsgeses hat nun versucht, diese Frage etwas der privaten Inttiative zu entziehen. Die Konzentration der Arbeitnehmer in den Großstädten, ferner die ungebühtlihe Steigerung urd Belastung der Arbeitsuchenden und Ärdbeitnehmenden mit Gebühren und endlich die dolose Behandlung, die stellenweise eingerissen war, zwang den Staat, einzugreifen. Wir sehen hier den ersten Schritt des Staats, aber in negativer Nichtung; ihm müssen auch positive Maßnahmen folgen. Bisher find diele beshränkt. Es3 find nur die Mütel, die dem Minister zur Verfügung stehen zur Förderung der nihcht gewerbs- mäßigen Arbettévermittlung. Zwischen Arkeitnehmern und Arbeit- gebern herrscht leider beständig ein latenter Kampf, der obne Zweifel auf das Schuldkonto der Sozialdemokratie zu setzen ist. Mit den Verbandsbüchern soll ein rücksiht1sloser Terro- rismus auêgeübt werden. Wenn hier Ausschreitungen vorgekommen sind, so find fie doch nur die Folge des Terrorismus, den die gewaitshaftlichen Organisationen in rüccksihtsloser Welse durchführen. Gegenüber den nichtsoztalistish organisierten Ar- beitern wurde durch das Mittel der Sabotage, Vernichtung des Arbeitsgerätes ein Zwang auszeübt. (Zuruf der Sozial- demokraten: W5 ?) Das brauche ich hier nicht anzuführen, das pfeifen die Spaten von den Dächern. Gestern hat Abg. Leinert bittere Beschwerde geführt über die Stellungnahme des Ministers gegenüber den Klagen gegen die Magdeburger Bäckerinnung. Er meinte, dies sei cin Eingrelfen der Staatsgewalt zugunsten einseitiger Arbeitzeberinterefsseun. Es handelt #|ch hier doch aber um einen Konflikt, bei dem auf der einen Seite die Bäcer- meister und die gewe:kêötreuen Gesellen, auf der anderen Seite die im sozialistischen Verbande organisierten Arbeiter sih befanden. Es handelt sich also nicht um einen bloßen Konflikt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Daraus leitet nun der Abg. Leinert den - Borwurf {b daß die Staatsgewalt eln- seitig gegen die Arbeiterinteressen Stellung genommen habe. Woher dîiese Begrisfsverwirrung? Der Abg. Letnect seßt eben Sozialdemokratie gleich Arbeiter|chaft; daß dies Gott sei Dank in weiten Kreisen unseres deutschen Vaterlandes niht der Fall ift, weiß der Abg. Leinert selbst. Wir danken dem Minister dafür, daß er gegenüber der Sozialdemokratie den preußischen Grundsatz auch in dieser Beziehung aufrecht erhalten hat, daß der preußische Staatsgedanke über den Parteien steht. Der Abg. Leinert hat zu Unrecht verlangt, daß die Staatsgewalt einseitig für die Arbeiter Partei nehmen foll, indem fie die gewerkschaftlichen Arbeltersekretartate untersiügen soll. Wir glauben, daß aus diesen wentgen Vorfällen, die gestern hier zur Sprache gekommen sind, eins zur Evidenz erwiesen ist, nämlih daß es Pflicht des Staates ist, díe Negelung des Arbeits- nac):oœtfes den politischea und wirts{aftlißen Parteien zu entzieben. Pfliht des Staates muß es sein, möglihst unpartetische 16 s1ge nidit: paritätische Stellen zur Regelung -des Arbeits- nachweises zu finden, die namentlih jeder wirtschaftspolitishen Ein- wirkung entzogen sind. Der deutsche Arbeitsnachweisverband hat sich bemüht, das unpartetishe Prinzip durch das sogenannte paritätis{he Prinz!p zu erseßen. Das paritätishe Prinzip bedeutet ja, daß die Regelung der Arbeitsnachweise zu gleichen Teilen von Arbeitern und Arbeitgebern vorgenommen wird und das Schiedsgericht in Streit- fällen entscheidet. Es bedeutet cine zahlenmäßige Gleichheit betder Wirtschaftsfaktoren. Ju der Theorie klingt dies ja sehr \{chön, aber in der Praxis ist dieses Prinzip sehr {wer durchzufühien. Hier seßt auf der etnen Seite die gewaltige agitatorische Macht der Arbeiter cin, auf der anderen Seite die große Zerfahrenheit zwischen unseren Arbeitgebern. Der paritätishe Arbeitsnahweis wird zu einem sozialdemokratischen Acbciténachweis. Es sind ja Bestrebungen im Gange, die eine Aenderung in der Organisation der Arbeitsnachwecise bezwecken. Aber nach den mir zugegangenen Nachrichten ist etne endgültige Entscheidung über diese Frage erst in einigen Jahren zu erwarten. Innerhalb des deutschen Arbeitsna@weisverbandes hat fh cine Gruppe abgezweigt, die fi mit preußischen Arbeitênachweifen befeßt. Diese preußishe Gruppe be-

zweckt eine grundsäßlihe Dezentralisation gemeinnüziger, öffentlicher Vermittlungen von Arbeitskräften, und zwar auf einer Grundlage, die wirkli unparteiisch zu sein {int und die wirtishaftlihen Interessen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsäßglichß ausschalten will. Sie bezweckt ferner, die großstädtishen Arbeitsnahweise hinaus auf das platte Land zu verpflanzen. Der Vorwurf, daß die Arbeitsnahweise aus dem Lande und in den kleinen Städten den Zuzug der Be- ori v nach den Großstädten fördern, ist unbegründet. Der deutsche Arbeitsnahweisverband will ja gerade dieser Gefahr entgegen- wirken. Dies beweisen die Zahlen der landwirtschaftlihen Arbeiter, die von den Arbeitsnahweisen nachgewiesen worden sind. So hat der Arbeitsnahweis in Wiesbaden im Jahre 1912 610 land- wirtschaftliße Arbeiter nachgewiesen. Die Statistik über die Arbeitsnachweise ergibt, daß diese eine zielbewußtz Tätigkeit ent- falten. In verhältnismäßig kurzer Zeit find die Arbeits- nahweise in der Lage, den Arbeitsuhenden in weitgehendem Maße Arbeitsgelegenheit zu verschaffen. Um die Tätigkeit. der Arbeits- nachweise völlig unparteiisch zu gestalten, if es wünschens- wert, daß öffentlihe Arbeitsnahweise geschaffen werden. Ich glaube, daß es die einzig rihtige Lösung i, wenn die Kreise und Städte |ch dieses Arbeitsfeldes annehmen. Entweder nehmen sie die Sache direkt in die Hand, oder sie belassen die bestehenden Arbeitsnahweise in ihrer Tätigkeit und beteiligen ih finanziell daran, um fich den erforderlihen Einfluß zu sichern, damit die Arbeitsvermittlung tatsählich unparteiisch geschieht. Ih sehe darin ein allerdings mühevolles, aber ersprießlihes sozialpoliti- hes Tätigkeitsgebiet der Kommunen. Mit der Einrichtung von öôffentlihen, unparteiishen Arbeitsnachweisen wird ein weiterer Schritt getan auf dem Gebiete, das uns allen heute als brennende Frage erscheint, auf dem Gebiete der Vermittlung zwischen Arbeit- gebern und Arbeitnehmern.

(Schluß des Blattes.)

Nr. 7 des „Eisenbahnverordnungsblatts“, herausgegeben im Köni{iglichen Ministertum der öffentlihen Arbeiten, vom 24. Fe- bruar 1913, hat folgenden Inhalt: Allerhöchste Konzessionsurkunde vom 30. Dezember 1912, betr. den Bau und Betrieb einer voll- spurigen Nebeneisenbahnstrecke, von Priebus nah Lichtenberg (Kreis Sagan) durch die Lausiger Eisenbahngesellschaft. Erlaß des Ministers der öffentlihen Arbeiten: 5. vom 8. Februar 1913, IV. 46. 108/55, betr. Ausübung des staatlihen Aufsihtsrechts über die Elsenbahn von Priebus nach Lichtenberg (Kreis Sagan). Nachrichten.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Tarifvertrag im Bauklempnergewerbe läuft am 31. Mârz ab. In mehreren Verhandlungen konnten sch, wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Erneuerung des Vertrages nicht verständigen. Es wurde daher das Eintigung3amt des Berliner Gewerbegerichts angerufen. Auh dort gelang es nicht, einen Vergleich zwischen den Parteien zustande zu bringen. Das Einigungs- amt fällte deshalb unter dem Vorsiß des Magistratsrais von Schulz einen Schiedss\pruch, in dem es entschied, den bestehenden Tarifvertrag ohne Abänderungen auf weitere dret Jahre bis zum 31. März 1916 ¡U Verlangen, 1D U am 1. Aptil 1913 und am 1. April 1914 eine Erhöhung des Stundenlohnes um je einen Pfennig erfolgen. Bis zum 3. März haben |ich der Arbeiterverband tm Bauklempnergewerbe und der Deutsche Metall- arbeiterverband über die Annahme des Schiedsspruchs zu erklären. Zu den Verhandlungen im Baugewerbe teilt dasfelbe Blatt mit, daß diese unter dem Vorsiß des Magistratsrats von Schulz Berlin im NReichstagsgebäude begonnen haben. Ueber eine allgemeine Aussprache ist man bisher nit hinausgekomnien.

Zum Ausstand bei der italienischen Dampfschiffahrts- aesellshaft Puglia (vgl. Nr. 46 d. Bl.) wird dem „Berl. Lok.-Anz.* aus Rom gemeldet: Nahdem die Dampfschiffahrts- gesellshaft Puglia die Abrüstung ihrer zwanzig in verschiedenen Adriahâäfen wegen Arbeitsverweigerung der Mannschaft fest- liegenden Schiffe beschlossen hat, trifft aus Venedig die Nachricht ein, daß die Mannschaft von sechs dort liegenden Schiffen es abge- lehnt hat, sih auszushiffen und die Ladung löschen zu lassen. Jn Catania, Bari und Brindisi sind die Ladungen shon gelöscht. Das Personal is abec noch nicht ents{chlossen, der Auëschiffungs- order Folge zu leisten. Man befürchtet ernste Zwischenfälle und hat alle Vorkehrungen getroffen. Die Negierung sandte einen Torpedojäger mit Po!t von Barletta nah der Insel Tremiti ab, die durch die Pugliaangelegenheit seit Tazen von der Verbindung mit der Außenwelt abgeschnitten war.

(Weitere „Statistishe Nachrichten" \. i. d. Ersten Beilage.)

Kunft und Wiffenschaft.

Ein drahtloses Telegramm der antarktishen Expedition Mawson, deren Aufgabe darin bestand, die 2500 Meilen lange antarktishe Küste zu durchforshen, meldet aus Adelens - Land „W. T. B." zufolge, daß der englishe Leutnant Ninnes und der Schweizer Arzt Mert gestorben seten. Man habe öftlich und westlich von «der Commonwealth-Bucht neue Gebiete in weiter Auétdehnung erforscht und wihtige Einzelheiten auf zahlreichen Stationen ganz nahe beim magnetishen Pol festgestelt. Mawson hat ein Telegramm an den König von England gesandt und gebeten, dem großen neuentdeckten Lande den Namen König Georg V.-Land geben zu dürfen.

A. F. Zu dem bewährten Programm der „Brandenburgia“, Gesellschaft für Heimatkunde, gehört es, ihre Mitglieder mit bervor- ragenden Bauten genauer bekannt zu machen, als eine gelegentliche, flühtige Jnaugenscheinnahme ermögliht. Seit lange war in diesem Sinne ein Besuch der „Kaiser Wilbelm-Gedächtniskirche" beabsichtigt. Dieser Plan wurde unter Teilnahme zahlreiher Mitglieder und Freunde der „Brandenburgia" an einem der leßten Sonnabende aus- geführt. Bedauerlicherweise hing an diesem Morgen der Himmel voll dunkler Wolken, fodaß in der Kirche, deren Inneres so \{chöône Lichtwickungen zeigt, wenn Sonne und heller Himmel durch die bunten Glasfenster hineinblicken, eine der Besichtigung wenig vortetlhafte Dämmerung herrschte, die auch während der Zeit des Nundganges anhtelt. An den zum Altar hinaufführenden Stufen unterhalb der Kanzel gab zunächst der Vorfißende, Geheim- rat Friedel cine gedrängte Uebersicht über die Entstehung des herr- lihen Kirhenbaues. Der Redner bertef sih dabei auf cine zum hundertsten Geburtstag des ersten Deutshen HohenzoUlernkaisers vom Fretherrn Ernst von Mirbach verfaßte Festschrift sowie auf ein im Besiß des Märkischen Museums befindlihes Sonderhbeft, das viele genauere Aufschlüsse enthält. Eine erste grundlegende Befprehung im Vorstande des „Kirchenbauvereins“ fand am 1. Mai 1890 statt, wobei Richard von Hardt und die eigentlihe Seele des Baues, Fret- herr von Mirbach, die Gründung etner Kirhe zum Andenken an Kaiser Wilhelm anregten. Sie sollte ein Gegenslück bilden zu der dem Andenk.:n der Kaiserin Augusta geweihten Kirche.

Anfänglich war für den Bau der Wittenbergplaß ins Auge gef=#ßt, im September 1890 gelang es aber den städtishen Behörden Char- Tlottenburgs, den jeßigen Plaß zu erhalten. Er wurde am 22. Ok- tober 1890, dem Geburtstage Ihrer Majestät der Kaiserin, überwiesen und zur Erinnerung an diefen Tag Auguste Victoria-Plat genannt. Ein erster Aufruf zur Beteiligung erfolgte im Juni des folgenden Jahres, nahdem {on am 22. März 1891 durch das Kaiserpaar die Grundsteinlegung mit je drei Hammershlägen erfolgt war, wobei Seine Majestät der Kaiser mit bewegter Stimme an die Worte Seines unvergeßlichen Großvaters erinnert hatte: „Ih will, daß meinem Volke die Religion erhalten werde.“ Ausführender Architekt nah dem von ibm hergestellten Entwurf war Baurat F. Schwehten. Im März 1894 konnte mit Abrüsten und Abschleifen der fertigen Bautetle der Anfang gemacht werden. Wiederholt hatte während dieser Zeit das Kaiserpaar den Bau besuht und hierdurch zur Be- \{leunigung der Arbeiten im Aeußern und Jnnern wesentli bei- getragen. Die in Apolda aus 78 9/9 Kupfer und 22 9% Zinn her- gestellten, auf D, F, A, B und C abgestimmten fünf Glocken wurden am 18. Juni 1895 getauft, die Kirhweihe fand Sonntag, den 1. Sep- tember 1895, unter großen Feterlichkeiten statt. Die Beschaffung der Mittel zu den gesamten Kosten des Baues, welhe nah der im März 1908 erfolgten Schlußabrehnung 6 410 000 # betrugen, hat, wie bekannt, alle Kräfte, die sich teils religiôs, teils patriotisch, teils funst- sinfig für den Bau interessierten, in Bewegung geseßt. Zur genannten Summe hat das Kaiserhaus fast eine Million, der evangelische Kirchenbauverein übzr drei Millionen Mark gespendet. Das Lang- \ckiff und die beiden Querschiffe enthalten 1107, die Emporen 643 Sitpläße, im ganzen also 1750 feste Sißpläße; durch Stühle können fe auf über 2000 gebracht werden.

Die viel erörterte Frage nach dem Baustil der Kirche beant- wortet die Mirbachshe Festschrift ershöpfend: „Die Kirche ist im \spätgermanishen, sogenannten Uebergangsstil entworfen. Ger- manisch, niht fälschlich romanisch follte man diesen Stil be- zeichnen, der fich bei germanischen Volksstämmen eigenartig und großartig herausbildete und in den deutshen Gauen seine lieblichste und vollendetste Blüte erreihte. Sein Ursprung reiht in die aus der antiken hervorgegangene altchristliche und byzantinishe Baukunst, entstanden aus der \teten Wechselwtirkung zwishen Italien und Byzanz, deren herrlihe Werke wir niht nur in den Bauten christlih-röômlisher Kaiser, sondern als Deutsche vor allem auch in denen des fTunstsinnigen, großen Ostgotenkönigs Theoderih in Ravenna bewundern. Von hier nahm Karl der Große die Muster für Deutschland: für den Dom in Aachen, für die große Kaiserburg bei Ingelheim am Rhetn. Aus diesen byzantinischen und ostgotischen Vorbildern entwickelte sich im 10. Jahrhundert bei den A Stämmen, vorzugsweise in der Lombardei, in Deutschland und tin der Normandie . . . . der unübertroffen dastehende, erhabene, eigenartige germanishe Baustil! . . . Bis in den Norden Deutschlands, namentlich im Braunschweigischen, im Harz, vereinzelt sogar in der Mark Brandenburg, haben wir aus jener Zeit herrlihe Bauwerke.“

Der hundertste Geburtstag Kaiser Wilhelms 1. wurde in der ¿u seiner Erinnerung gebauten „Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirhe“ am 24. März 1897 mit besonderem Gepränge gefeiert. Nach dem er- reihten \{chönen und einmütig gepriesenen Erfolg dieses in setner Art einzigen Baues war man allseitig geneigt, die großen Schwierigkeiten, die ih seiner Ausführung entgegengest-[lt, zu vergessen. Dennoch er- scheint es als ein Gebot getreuer Geschichtshreibung, die bestandenen Kämpfe nicht ganz unerwähnt zu lassen. Bilden fie doch auch ein Kapitelchen unserer großberliner Heimatkunde, wenn auch nicht gerade ein erfreulihes. Freiherr von Mirbach sagt darüber in einer Schluß- bemerkung seiner Festschrift: „Der Bau der Kaiser - Wilhelm- Gedächtniokirche und die Begründung der Parochie entstand unter den denk- bar \{wterigsten und verwickeltsten aber deshalb doppelt interessanten und lehrreihen Verhältnissen, und troß aller dieser Verhältnisse ist eine so große Kirche mit ihrer neuen Gemeinde wohl noch niemals in so kurzer Zeit begründet worden. . . .. Eine Gemeinde gab es ja nicht. Den Bau und alles, w2s zur Begründung einer Gemeinde nötig war, leitete eine Privatgesellshaft, der Bauplaß mußte in einzelnen Teilen von städtishen Behörden, Gesellshzften, Privat- besißern und dem Fiskus erbeten, stellenweise erkämpft werden. Bei der Begeluna fo schwieriger und wverwickelter Verhältnisse spielten natürlich die Jurislen eine sehr wichtige, unentbehr- lihe Nolle, ein ershwerender Umstand; denn jede Instanz hat ihre Juristen, und man kann oft sagen: soviel Juristen, soviel verschiedene Ansichten. Spißen sch aber die Metnungsverschieden- heiten erst zu, fo entwickeln fih namentlih da, wo soviele Gemeinde- organe und sfonstige Körperschaften mitzureden haben, langatmige Kämpfe und gegenseitige Gereiztheit, und es g2ht dann alles rüdck- wärts, statt vorwärts. Darunter leiden alle Instanzen und Behörden, aber noch mehr das zu \chafffende Gute, gar nicht zu gedenken des unnötigen Kräfteverbrauchs, der ungeheuren Zeit- und Papiervershwendung. Der Gedanke, eine „Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis- kfirhe“ zu bauen, wäre in den hohgehenden Wogen der \chriftlichen und mündlihzn Ausetinandersezungen {hon in den ersten Anfängen untergegangen, wenn das, was der schriftliche bureaukratishe Weg ergeben hatte, als maßgebend angenommen worden wäre und man nit in den meisten Fällen sich über solhe althergebrahten Hinder- nisse unter allfeitiger Zustimmung mit einem großen Sprung hinweg- gelegt hätte.“

Diese Vorgänge sind, dank der kräftigen Leitung des Unter- nehmens, an dem Bauwerk spurlos vorübergegangen. Es ist ohne nennenswerte Abstrihe an dem - ursprünglihen Plan zu der herrlihen Entfaltung gelangt, die wir bewundern. Auch von diesem neuen evangelischen Gottestempel kann dankerfüllten Herzens gesagt werden: „Das Werk lobt seinen Meister und Ende gut, alles gut !"— Htermit beendete Geheimrat Friedel seinen Vortrag und lud zu einem Nundgang durch die Kirche ein, der unter Vortritt des Kirchenbeamtén Herrn Jacob und dessen sahkundigen Erklärungen vor ih ging. Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirhe is indessen so reih an fünsftlerishem Shmuck mannigfaltigster Art, daß in Nach- folgendem nur in äußerster Kürze davon berichtet werden kann.

Der Grundriß der Kirhe mußte den Abmessungen des Platzes und dem evangelishen Gottesdienst als Predigtkirhe angepaßt werden. Daraus ergab fich in der alten Form des lateinishen Kreuzes cin Langschiff von nur 45 m und kurze Querschiffe sowie im Schnitt- punkt eine große quadratische Vierung mit abgestumpften Ecken von 22 m in der Diagonale. Das Lang\chiff wird gegen Osten dur etnen tm halben Zehneck gebauten Chor ges{lossen, dem als Vorbild der Chor des Doms in Gelnhausen gedient hat. Vor das Lang- hi}, an dessen Westseite, ist, fast 20 m breit und 7 m tief, etae Halle, die Gedächtnishalle, vorgelegt. Aus ihr führen die Treppen zur Orgel empor. Durch fünf von Säulen eingefaßte Fenster erhalten Gedächtniëhalle und Treppen Licht. Eine s{chmale, gewölbte Vorhalle, über die sih, auf gewaltigen Pfeilern der drei offenen Portale und der Janenwand der Gedächtnishalle ruhend, der Turm erhebt, bildet den Eingang zur Gedächtnishalle. Die dret rei ornamentierten Türen, die aus der Vorhalle in die Gedächtnis- halle führen, find in Bronze gegossen, die mittlere zeigt Sternbilder und etne merkwürdige Zusammenstellung Maikäfer. Alle übrigen eichenen Kirhentüren tragen \{chmiedeeiserne Verzierungen. Die Bogenfelder über allen Portalen enthalten Reliefs in Sandstein.

Betritt man das Innere der Kirche, so ist der erste Eindruck der ciner märhenhaften Schönheit. Die Pracht der bunten Glas- fenster, des Marmorshmucks, der farbigen Mosaikbilder, des von einem hohen, in Mosaik ausgeführten Triumphbogen abgeschlossenen Chores mit dem Altar in feinet Mitte, über dem unter goldigem Baldachin die leuhtende Christusgestalt steht, zur Rechten die weiße Kalksteinkanzel, zur Linken die reih gezierte Kaiserliche Loge, alles das wirkt überwältigend! Man bedarf der Zeit und Sammlung, um stich nun der Cinzelhetten des Schmuckes zuzuwenden und dort immer neue Feinheiten und Netze zu entdecken. Hierzu gehört vor allem die Behandlung des Chores als des Glanzpunktes und seine dunkle Um- rahmung gegen das Innere der Kirche; ferner die Wabl des Marmors, wobei aufdringlihe Buntheit der Farbe ebenso vermieden ift, wie tas grelle Weiß carrarishen Marmors. Der wetß-grüne Cipoline-Marmor: