1894 / 267 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Nov 1894 18:00:01 GMT) scan diff

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über verpflichtet sein, die Vollziehung eines Vermächt-

E Mes einer Auflage nur mit Einwilligung des Erben zu

ewirken. :

sri ey Ergänzung erfuhr der Entwurf dur folgende Vor- riften:

„Der Testamentsvollstrecker kann die Eröffnung des Kon- kurses über den Nachlaß beantragen. Der Konkurs über den Nachlaß kann nur gegen den Erben beantragt werden. Wird der Antrag von dem Vollstrecker gestellt, so ist er zuzulassen, wenn die Uebershuldung glaubhaft gemaht wird. Das Gericht hat den Erben nah Maßgabe des 8 97 Abs. 2, 3 der Konkurs- ordnung zu hören. Jn gleicher Weise ist der Vollstrecker zu hören, wenn der Erbe die Eröffnung des Konkurses beantragt.

Der Vollstrecker kann das e der Nachlaßgläubiger beantragen. Der von ihm gestellte Antrag und das von s erwirkte Ausschlußurtheil kommt auch dem Erben zu tatten.“

Die Vorschrift des § 1901, der zufolge der Erbe über einen zum Nachlaß gehörenden, der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Gegen- stand nicht verfügen kann, gelangte nah dem Entwurf ur Annahme. Man war einverstanden, daß, wenn über einen Flchen Gegenstand von dem Erben gleihwohl verfügt wird, die Vorschriften des 8 153 des Entwurfs 11 über die Kon- valescenz der von einem Nichtberehtigten vorgenommenen Ver gung sowie die Vorschriften zu Gunsten gutgläubiger Dritter, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten (vgl. S8 810, 846 ffff. des Entw. TT), Anwendung finden.

Der § 1903 regelt die Befugniß des Testaments- vollstreckers zur Führung der auf den Nachlaß sich beziehenden Rechtsstreitigkeiten. Soweit der Abs. 1 bestimmt, daß cin der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterworfenes Recht nur von dem Vollstrecker gerichtlich “ai “gemaht werden kann, erhob sich gegen denselben

ein Widerspruch. Abgelehnt wurde dagegen die Auf- fassung des Entwurfs, wonach der Vollstrecker den Rechts- streit als geseßliher Vertreter des Erben zu führen hat. Andererseits entschied sih die Mehrheit für die Aufnahme des Zusatzes, daß, soweit der Vollstrecker über das in Streit be- angene Recht verfügen kann, das Urtheil auch für und gegen en Erben wirkt. Anlangend die gegen den Nachlaß gerichteten Ansprüche, bestimmt der § 1903 Abs. 2, daß ein Nechtsstreit Über einen solhen Anspruch gegen den Erben zu erheben ist. Demgegenüber wurde beschlossen, daß cin fsolher Anspruch auch gegen den Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden kann, das ihm gegenüber erwirkte Urtheil aber nur in Ansehung der seiner Verwaltung unterworfenen Gegenstände vollstreckbar ist; betrifft jedoch der Rechts- streit einen Pflichttheilsanspruh, so soll das Urtheil auch in Ansehung dieser Gegenstände nur dann vollstreckbar sein, wenn zugleich ein vollstreckbarer Titel gegen den Erben vor- liegt. Einvernehmen bestand darüber, daß Erbschaftsansprüche ear 8 2080) nur gegen den Erben geltend gemacht werden önnen, ebenso darüber, daß das Urtheil, welches wegen eines den Nachlaß treffenden Anspruchs gegen den Erben erlangt ist, dem Testamentsvollstrecker gegenüber in Ansehung der seiner Os unterworfenen Nachlaßgegenstände unwirksam sein soll.

Nach dem § 1904 Abs. 1 is zur Zwangsvollstreckung in den Nachlaß ein gegen den Erben vollstreckbarer Titel erforderlih und genügend; soweit jedoch die Zwangsvollstreckung in die im Besiße des Testamentsvollstreckers befindlichen Nachlaß- sachen erfolgen soll, bedarf es außer dem vollstreckbaren Titel gegen den Erben eines vollstreckbaren Titels gegen den Testaments- vollstrecker auf Gestattung der Zwangsvollstreckung, falls durch diese der Besiß desselben aufgehoben werden würde. Weiter bestimmt der § 1904 Abs. 2, daß der Testamentsvoll- streckder auch berechtigt ist, gegen die Zwangsvollstreckung inso- weit Widerspruch zu erheben, als die Zwangsvollstreckung wegen einer anderen Verbindlichkeit als einer Nachlaßverbindlichkeit betrieben wird und die Erfüllung der Nachlaßverbindlich- keiten beeinträhtigen würde. Mit Rücksiht auf die zu

1903 Abs. 2 gefaßten Beschlüsse einigte man sich dahin, den 1904 zu streihen und zum Ersaß desselben in ie Zivilprozeßordnung die Vorschrift aufzunehmen, daß zur Zwangsvollstreckung in die der Verwaltung eines Testaments- vollstreckers unterworfenen Nachlaßgegenstände ein gegen den Testamentsvollstrecker erlassencs Urtheil erforderlih und ge- nügend ist, wegen eines Pflichttheilsanspruchs aber die Zwangs- vollstreckung gegen den Testamentsvollstrecker nur auf Grund eines gegen ihn und ‘den Erben erwirkten Urtheils betrieben werden kann.

Ferner soll die Zivilprozeßordnung dahin ergänzt werden, daß, wenn cin Urtheil für den Testamentsvollstrecker ergangen ist, auf die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für den Erben, und, wenn für oder gegen den Erblasser ein Urtheil ergangen ist, auf die Ertheilung einer für und gegen den Testamentsvollstrecker vollstreckbaren Ausfertigung die Vor- schriften dér S8 665 bis 668, 671 der Zivilprozeßordnung ent- sprehende Anwendung finden.

Nach der im Reichs-Eisenbahnamt aufgestellten Na ch- weisung der auf deutschen Eisenbahnen aus- {ließlich Bayerns— im Monat September d. J. beim Eisenbahnbetriebe (mit Ausshluß der Werkstätten) vor- gekommenen Unfälle waren im ganzen zu verzeichnen: 15 Entgleisungen auf freier Bahn, 20. Entgleisungen und 16 Zusammenstöße in Stationen und 214 sonstige meist geringere Unfälle. Dabei sind im ganzen, und zwar größtentheils durch eigenes Verschulden, 218 Personen zu Schaden ge- kommen, sowie 27 Eisenbahnfahrzeuge erheblich und 106 un- erheblih beschädigt worden. Von den beförderten Reisenden wurden 8 getödtet und 12 verlezt, und zwar entfallen: eine Tödtung auf die Hessische Ludwigs-Eisenbahn, zwei Tödtungen auf den Verwaltungsbezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion in Hannover, je eine Tödtung auf die Verwaltungsbezirke der Königlichen Efsenbahn - Direktionen in Breslau und in Köln (rechtsrheinisch), zwei Tödtungen auf den Verwaltungs- bezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion in Bexlin und eine Todtung auf oie Königlih sächsishen Staatseisenbahnen, je wei Verlezungen auf die Königlich württembergischen und

roßherzoglih badischen Sa agu sowie auf die Ver- waltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn-Direktionen in Köln ee) und in Magdeburg, je eine Verleßung auf den Verwa O der Königlichen Eisenbahn-Direktion in Frankfurt a. M., auf die Königlih sähsishen Staatseisen- bahnen und auf die Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisen- bahn-Direktionen in Hannover und in Berlin. Von Bahnbeamten

und Arbeitern im Dienst wurden beim En Eisenbahn- betriebe 29 getödtet und 134 verleßt, von Postbeamten 1 getödtet, von fremden Personen (einschließlich der mcht im Dienst befind- lihen Bahnbeamten und Arbeiter) 17 getödtet und 17 verleßt. Außerdem wurden bei Nebenbeschäftigungen 40 Bahnbeamte und Bahnarbeiter verleßt. Von den sämmtlichen Unfällen beim Eisenbahnbetrieb entfallen auf: A. Staatsbahnen und unter Staatsverwaltung stehende Bahnen (bei zu-

ea 39 345,11 km Betriebslänge und 1 029 032 027 ge-'

örderten Achskilometern) 254 Fälle; davon sind verhältniß- mäßig, d. h. unter Berücksichtigung der geförderten Achs- kilometer und der im Betriebe gewesenen Längen, in den Ver- waltungsbezirken der Königlichen Eisenbahn - Direktionen in Köln E bai und in Frankfurt a. M., sowie auf den Großherzogli badischen Staatseisenbahnen die meisten Unfälle vorgekommen. B. Privatbahnen e zusammen 2299,05 km Betriebslänge und 34158909 geförderten Achskilometern) 11 Fälle, davon sind verbütinikmäßia auf der Krefelder Eisenbahn, auf der Hessishen Ludwigsbahn und auf der Werra- bahn die meisten Unfälle vorgekommen.

Der Kaiserlihe Botschafter in Konstantinopel Fürst von RNadolin ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen.

Der General der Kavallerie von Krosigk, à la suite des Leib - Garde - Husaren - Regiments und Jnspekteur der 1. Kavallerie-Jnspektion, ist hierher zurückgekehrt.

Der hiesige französische Botschafter Herr Jules Herbette ist vom Urlaub nah Berlin zurückgekehrt und hat die Ge- schäfte der Botschaft wieder übernommen.

Der hiesige Kaiserlih russishe Botschafter Graf Schu- walow hat sich zu den Beisezungsfeierlichkeiten weiland Seiner Majestät des Kaisers Alexander TIT. nah St. Peters- burg begeben. Während seiner Abwesenheit fungiert der Bot- schafts-Rath von Tcharykow als Geschäftsträger.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Ministkerial-Nath von Heller ist hier angekommen.

Laut telegraphischer Meldung an das Ober-Kommando der Marine sind S. M. S. „Moltke“, Kommandant Kapitän zur See Koch, am 9. November in St. Thomas (West- indien), S. M. S. „Gneisenau“, Kommandant Korvetten- Kapitän da Fonseca-Wollheim, am 9. November in Malta, und S. M. Kbt. „Jltis“, stellvertretender Kom- mandant Lieutenant zur See Schmidt von Schwind, am 10. November in Chingkiang angekommen.

Bayern.

Dem am Sonnabend in der griechishen Kirhe zu München abgehaltenen feierlichen Tra uergottesdienst für den: ver- storbenen Kaiser Alexander von Rußland wohnten Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent mit den Prinzen und Prinzessinnen Ludwig, Leopold, Arnulf, Ludwig Ferdinand und Alfons, die Prinzessinnen Therese, Adelgunde und Marie, der Erzherzog Joseph August und der Herzog Ludwig, die gesammte Diplomatie, mehrere Standesherren, sämmtliche obersten Hofhargen und Staats- Minister, Generale, Kämmerer und Stabsoffiziere bei.

Sachsen. Jhre Mazestäten der König und die Königin sind gestern früh von Sibyllenort wieder in Dresden eingetroffen und haben sih gestern Abend nah Baden-Baden begeben.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog ist am Freitag von seiner Reise nah Jtalien hier wieder in Weimar ein- getroffen.

Elsaß-Lothringen.

Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe is in Beglei- tung der Fürstin, der Prinzesfin Elisabeth und des Prinzen Alexander am Sonnabend Abend um 101/, Uhr in Straß- burg eingetroffen und am Bahnhof von den Spißen der Be- hörden empfangen worden. Das Publikum brachte . dem Reichskanzler lebhafte Ovationen dar.

Der Kaiserlihe Statthalter Fürst zu Hohenlohe- Langenburg traf gestern Nachmittag in Straßburg cin und wurde am Bahnhof von dem Neihzen Alexander zu Hohenlohe-Schillingsfürst, dem Staatssekretär von Puttkamer, dem Unter-Staatssekretär von Schraut, dem Bürgermeister Bak und mehreren anderen hochgestellten Persönlichkeiten empfangen. Nach einer kurzen Vorstellung begab sich der Fürst in das Statthalterpalais. Das zahlreih erschienene Publikum be- grüßte den Statthalter auf das lebhafteste.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kronprinz von Schweden und Norwegen ist gestern früh in Wien eingetroffen und hat Mittags die Neise nah St. Petersburg fortgeseßt.

Das österreichische Abgeordnetenhaus nahm vor- gestern mit großer Mehrheit das Rekrutenkontingent an und lehnte eine von dem Abg. Schleicher beantragte Reso- lution ab, worin die Regierung aufgefordert wurde, in entsprehender Weise bei den befreundeten Regierungen die Jdee der allgemeinen Abrüstung und die Ein- seßung eines Voölkerschiedsgerihts anzuregen. Der Landes- vertheidigungs-Minister Graf Wel fersheimb bezeichnete im Laufe der Debatte die ungeheueren Rüstungen als ein Uebel der Zeit, dem gegenüber Desterreih die Jnitiative nicht er- greifen könne. Oesterreich sei gewiß nicht an der Spiße der Bewegung und würde die Beendigung der schweren Belastungen und unaufhörlichen Rüstungen nur Héubia begrüßen können. Die Abgg. Coronini, Gregorcic und Genossen interpellierten das GesanmbMinifieeium wegen der Vorgänge bei der An- bringung der zweispra chigen Tafeln in Jstrien. Der Handels-Minister Graf Wurmbrand beantwortete sodann die Jnterpellation über die von Frankreich geforderte Er- mäßigung des Weinzolls, indem er ausführte, die österreichishe Regierung halte an dem wiederholt dargelegten

ta ndpunkt fest, daß der von Frankreich zur Begründung der rw ähnten N erne beanspruhte Mitgenuß des Jtalien ein- geräumten Grenzbeguünstigungszolls niht berechtigt sei. Der Standpunkt der ungarischen Regierung sei mit dem der österreichischen Regierung im Einklang. Wenn auch zur Zeit die Differenz in den diesbezüglichen Ansichten zwischen Oesterreih-Ungarn und Frankrei noch nicht beseitigt sei, so

wünsche er doh, daß unter gerehter Würdigung des unver-

ändert gebliebenen Standpunkts Oesterreih-Ungarns die Herbeiführung einer Verständigung gelingen möge, welche selbsiverständlih die \hwierigiten Verhältnisse des öster- reichischen Weinbaues vollauf berücksichtigen müsse, Die Auf- findung einer solhen Verständigung bilde zur Zeit den Gegen- stand von Verhandlungen.

Großbritannien und JFrland.

Infolge einer Einladung des Kaisers Nikolaus reist der Herzog von York heute von London nah St. Petersburg ab, um den Beisezungsfeierlichkeiten beizuwohnen. :

Frankreich.

In der vorgestrigen Sißung der Deputirtenkammer wurde eine Vorlage wegen Gewährung eines Kredits von 120 000 Fr. für die Kosten der zu den Beisezungsfeierlichkeiten nah St. Petersurg zu entsendenden Gesandtschaft einge- braht. Der Sozialist Lavy interpellierte die Regierung über die Abseßung des Direktors des Waisenhauses in Cempuis, Robin. Der Unterrichts - Minister Leygues recht- fertigte die Absezung und hob hervor, der Direktor habe die Zöglinge nicht hinreihend überwacht und Jnternationalismus und Antipatriotismus gelehrt. Die Kammer nahm darauf mit: 466 gegen 40 Stimmen eine Tagesordnung an, worin das, Verhalten der Regierung gebilligt wird. :

Nach Meldungen aus Tlemcen (Algerien) kam es da- selbst am Sonnabend Abend zwischen Turkos und Juden zu einem Handgemenge, wobei A oe mehrere Personen ver- wundet wurden. Ein Jude erlag den Verleßungen; in mehreren Cafés wurden die Fensterscheiben eingeschlagen.

Rußland.

Der Ka iserl iche Trauerzu g seßte, wie der „Regierungs- bote“ meldet, am Sonnabend über Kursk, Orel und Tula die Fahrt nah Moskau fort; der Zug hielt außer bei den ge- nannten noch bei anderen fleineren Städten an, um den Deputationen die Möglichkeit zu gewähren, an dem Sarge des Kaisers zu beten und Kränze niederzulegen. Die Menge der Kränze ist so groß, daß besondere Waggons für die Fort- schaffung derselben eingestellt werden mußten.

Jn Moskau kündigten am Sonnabend Mittag 12 Uhr Herolde in Begleitung des Senatssckretärs in voller Trauer, geleitet ‘von einer Kavallerie-Abtheilung mit 4 Trompetern, auf den Hauptpläßen und in den Hauptstraßen an, daß die Leiche des Kaisers Alexander in Moskau am Sonntag Vor- mittag 10 Uhr eintreffen werde. Jn allen Straßen bewegte sich eine überaus große Menschenmenge. Die Facaden der ‘meisten Häuser zeigen vollen Trauerschmuck, an vielen Häusern is das in Trauer gehüllte Bildniß des Kaisers Alexander angebracht; die Gerüste der im Bau besindlihen Häuser an der Trauerstraße tragen ebenfalls Trauershmuck. Vor den Schaufenstern der Magazine, in denen die Büste des verstorbenen Kaisers zwischen tropischen Pflanzen in Trauer E ausgestellt ist, sammelten sich bis zum späten Abend große Menschenmengen an. Bei Faelliht wurde in der Nacht zu Sonntag von Tausenden von Arbeitern der Trauer- {mudck in den Straßen beendigt und diese mit mehrfarbigem Sand ‘bestreut. Um einen guten Plaß zu erlangen, von wo aus sie den Leichènzug sehen könnten, verbrachten viele Menschen die Nacht auf der Straße. Von 4 Uhr Morgens an versammelten sich ungeheure Menschenmengen auf den Straßen, durch die der Trauerzug gehen wird. Die Straßen waren mit Tannenlaub dicht bedeckt. Auf der einen Seite des Weges stand Militär. Um 61/2 Uhr ging von der Nicolai- bahn bis zur Station Semarnaja ein Dienstzug dem uge ent- gegen, der aus St. Petersburg die Kaiserlihen Regalien brachte. Um 7 Uhr kam General Schukowsky in Begleitung zweier Hofbeamten und des Hoflieferanten Juweliers Bolin mit den Regalien an. General Schukowsky übergab sie dem Zeremonienmeister Korf, der sie alsdann dem Grafen Koma- rowsky überreichte. Jn dem Trauerpavillon wurden sämmt- liche Regalien auf Kissen niedergelegt. Die Wache bei den- selben versehen aht Leibgrenadiere mit einem Offizier. Die Zahl der angemeldeten Kränze ist so groß, daß die Deputationen, die sie überbringen, sich an dem Tage, da der Sarg weiterbefördert werden wird, an einer besonderen Stelle im Kreml versammeln müssen, um nah Beendigung der Feierlichkeiten ihre Kränze in dem Tshudow-Kloster abzu- geben! Von dort werden die Kränze mittels Separatzuges nach St. Petersburg befördert werden. Gestern und heute werden in Moskau über 25 000 Arme an verschiedenen Punkten der Stadt gespeist.

Um 8 Uhr Vormittags traf der erste Zug des Kaiser- lihen Gefolges, eine Stunde später der zweite und um 10 Uhr 35 Minuten der Zug mit der Leiche des Kaisers in Moskau ein. Mit demselben kamen außer dem Kaiser Nikolaus, der Kaiserin-Wittwe, der Großfürstin Alexandra Feodorowna, den Großfürsten Alexis, Michael, Alexander Michailowitsh mit Gemahlin ferner an: der Prinz und die Prinzessin von Wales, die Herzogin von Sachsen- Coburg und Gotha, endlich noch der Minister Graf Woronzow-Daschkow, die Generale Richter und Tscherewin. Ein feierliher Choral, ausgeführt von der Musikkapelle der auf dem Bahnperron aufgestellten Ehrenwache, empfing den Leichenzug; hierauf folgte dumpfer Trommelwirbel. Alsbald traten der Kaiser und die Großfürsten an den Waggon und trugen den Sarg, nachdem die Decke abgenommen war, zum Trauerwagen. Jm Pavillon erwarteten den Trauerzug der Großfürst Michael Nikolajewitsh, der Großfürst und die Großfürstin Sergius, der Minister Durnowo, der Prinz von * Oldenburg, General Stalipin, Hofdamen, eine Anzahl Generale und die dazu abkommandierten Offiziere, sowie sämmtliche Geistlichen der Haupt-Kathedralen und der Kirchen Moskaus. Um 11 Uhr segte sih der Trauerzug vom Pavillon nah dem Zeremonial in Bewegung. Sämmtliche - Gloen der Kirchen läuteten, die Geistlichkeit, die brennende - Kerzen trug, stimmte Trauergesänge an. Hinter dem Leichenwagen schritten der Kaiser Nikolaus mit dem“ Prinzen von Wales, die Großfürsten Michael Nikolaje- witsh , Alexis, Sergius und Michael Alexandrowitsch, - die Generale Richter und Tscherewin und die Generale der Suite. Die Kaiserin, die Großfürstin Alexandra-

odorowna und die N Großfürstinnen fuhren in

rauerequipagen. Militär {loß den Ug Bei vier Kirchen wurde gehalten zur Verrichtung von Gebeten. An dem JZwersky-Gottesbild wurde gleichfalls Halt gemacht, der Kaiser und die Großfürsten küßten das Gottesbild. Um 1 Uhr traf der Leichenzug in der Archangelsk-Kathedrale ein. Während des Zuges ertönte niht nur Kirchengesang, sondern auch die Militärmusikkapellen spielten Trauermärshe und Choräle, die Tambours s{hlugen Trauermarsh und die Artillerie feuerte den Trauersalut, dazu ertönte das Geläute aller Kirhenglocken. Nach dem Gottesdienst begaben sich der Kaiser und die Großfürsten mit der Suite A der Uspensky- Kathedrale und dem Tschudow- Kloster, wo fih alle an den heiligen Reliquien zum Gebet niederwarfen. Bald darauf gingen der Kaiser und die Groß- fürsten in das Palais. Die Kaiserin-Mutter, die Großfürstin Alexandra Feodorowna und die übrigen Großfürstinnen be- gaben sich durh die Blagoweschtschensky - Kathedrale in die inneren Gemächer des Palais. Sodann wurde das Publikum in die - Arhangelsk - Kathedrale hinein- gelassen, Der Trauerzug machte auf die in den Straßen dicht gédrängte Menge einen tiefen Eindruck; beim Heran- nahen des Leichenwagens ließ sih dieselbe auf die Kniee nieder und befreuzigte sih andächtig. Viele weinten. Lange noch drängte fich das Volk in den Straßen und vor dem Kreml, sodaß bis 6 e Abends der Verkehr fast unterbrochen war, indessen herrshte überall tiefes Schweigen und musterhafte Ordnung. Die Länge des vom Zuge durh- messenen Weges betrug ungefähr fünf Werst.

„Nach einem Bericht des „Regierungsboten“ ist auf dem Sarge des Kaisers der Säbel befestigt, den Allerhöchstderselbe im Kriege trug. Von der Kaiserin-Wittwe sagt der Bericht, daß sie festen Schrittes an der Spige ihrer verwaisten Familie bei der Ueberführung des Sarges in die Kirche von Livadia dem Sarge gefolgt sei. Es heißt dann: „Jedermann begreift, wie tief der Kummer der Kaiserin ist, aber die treue Gefährtin des großen Monarchen trägt mit Festigkeit ihr Kreuz und dient allen Frauen als Musier in ihrem wahrhaft chuistlichen Ertragen des Verlustes ihres theueren Gemahls.“

Die Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, der Erbgroßherzog von Oldenburg und die Herzogin Wera von Württemberg sind gestern in St. Petersburg eingetroffen.

Die Ankunft des Trauerzuges in St. Petersburg und die feierlihe Ueberführung der Leiche des Kaisers Alexander nah der Peter Pauls-Kathedrale ist auf morgen Vormittag festgeseßt worden.

__ Der „Regierungsbote“ veröffentliht das Zeremoniell für die Ueberführung der Leiche des Kaisers Alexan- der vom Moskauer Bahnhofe in St. Petersburg zur Peter Pauls-Kathedrale. Dasselbe besteht aus dreizehn Abtheilungen und 156 einzelnen Nummern. Der Trauerzug wird \ih vom Moskauer Bahnhofe über den Newski- und Admi- ralitätsprospekt, bei der Jsaaks-Kathedrale und dem Senat vorbei, den Englishen Quai entlang, über die Nikolaibrücke, Wasilij Ostrow, längs der Börse durch den A H zur Peter Pauls - Kathedrale be- wegen. Der Beginn der Prozession wird durch Kanonensignale angezeigt. Während der ganzen Dauer des Zuges läuten die Glocken, und die Peter-Pauls-Feste giebt jede Minute einen Kanonenshuß ab. Den Zug eröffnen Militär und Hof- bedienstete; es folgen das Leibroß des Kaisers, Vertreter der Stände, Vereine und Behörden, Beamte mit den Orden des Kaisers und den Kaiserlihen Jnsignien. Die dreizehnte Abtheilung bilden der Leichenwagen und sein Gefolge. Dem Wagen gehen Kirchensänger und die Geistlich- feit mit brennenden Kerzen jowie der Beichtvater des heim- gegangenen Kaisers voran. Den Wagen umgeben die General- Adjutanten, die Suite, die General-Majore und 16 Pagen mit Fackeln. Dem Trauerwagen folgen: der Kaiser, hinter ihm der Hof - Minister , der Kriegs - Minister, der Komman- dant des Kaiserlichen Hauptquartiers, die du jour habende Kaiserlihe Suite, der König von Griechenland, der Prinz von Wales, der Erbgroßherzog von Olden- burg, die anderen ausländishen Fürstlichkeiten, die Mit- glieder des Kaiserhauses und die Gefolge. Dann kommen die Trauerkutshen mit der Kaiserin-Wittwe, der Königin von Griechenland, der Großherzogin von Mecklen- burg-Schwerin, der Herzogin von Sachsen-Coburg und Gotha, der Drlatéssin von Wales, den Groß- fürstinnen, Prinzessinnen und Hofdamen; zu Fuß Ie dann noch die Hofchargen und die nächsten Bediensteten des verewigten Kaisers; Militär schließt den Zug. “Auf dem Bahn- hof ‘sind als Ehrenwache Garde-Marinetruppen aufgestellt. Auf dem Wege zur Peter-Pauls-Kathedrale bilden andere Truppen und die Angehörigen der Militärshulen Spalier. Der Zug hält vor dem Anitshkow - Palais, der Kasanschen und der JZsaaks-Kathedrale, wo eine kurze Traucrandacht gehalten wird. Wenn der Zug vor der Peter-Pauls-Kathedrale angekommen ist, bringen der Kaiser, die Großfürsten und die ausländischen Fürstlichkeiten, der Hof-Minister und die General-Adjutanten die Leiche in die Kathedrale. Die Ehrenwache an der Bahre bilden Gärde-Offiziere, Kammerpagen, Militärschüler und Garde-Unteroffiziere ; ferner halten Ehrenwache je ein General-Adjutant, die Suite, ein General-Major und ein

lügel - Adjutant, je zwei P z g elhargen verschiedenen Jranges, drei Kammerpagen, jechs Pagen und zwölf Garde- Offiziere. An der Kirchenthür stehen Doppelposten, vor der Kirche eine Ehrenwache des Preobrashenskishen Negiments und anderer Garde-Regimenter. Das diplomatishe Korps nimmt an der Seelenmesse theil, die am Tage der Ankunft der Leiche zelebriert wird. An der Bahre werden wiederholt Seelen- messen abgehalten werden, denen die Hof-, Staats- und Militär-Würdenträger und das Offizierkorps beiwohnen.

Der am Freitag in der Jsaaks-Kathedrale zu St. Peters- burg abgehaltenen feierlihen Seelenmesse für den ver- storbenen Kaiser wohnten mit den hier anwesenden Mitgliedern des Kaiserhauses auch der Prinz und die Prinzessin Wilhelm von Baden bei. :

Der finländishe Senat sowie viele finländische Korporationen haben Kränze nah St. Petersburg Pp die am Sarge des Kaisers Alexander niedergelegt werden sollen.

__ Der Minister für Volksaufflärung Graf Deljanow hat, wie „W. T. B.“ meldet, nachstehendes Telegramm vom Kaiser Nikolaus erhalten :

__ „Die Kaiserin, ih und meine Braut danken Ihnen, dem alten Diener des Throns und des Vaterlands, für Jhr warmes Telegramm. Mein in Gott ruhender Vater interessierte sih besonders für die heranwachsende shulpflichtige Generation und hegte bis zu den leßten Tagen seines Lebens den heißen Wunsch, die- selbe zur Freude ußlands zu erzichen. Uebermitteln Sie den

Kindern und Jünglingen meinen herzlichen Wunsch, daß das ¿bie Bild des hochherzigen Monarchen ihnen als leitende utte zur

sittlihen Vervollkommnung dienen möge.“

__ Der Ackerbau-Minister Yer molow erhielt folgende Kaiser- lihe Antwort: -

„Ich danke Ihnen, den Beamten des Ministeriums sowie den Schülern der landwirthfcaftlihen Lehranstalten sehr für das herzlihe Beileid und den Ausdruck der Ergebenheit. Mein Vater, gesegneten Andenkens, \{chuf, indem er die Mittel zur Hebung des Wohlstands des theueren Vaterlands suchte, ein neues Ressort mit der Weisung, für die Förderung der Landwirthschaft zu sorgen als der vornehmsten, dem russishen Bürger am meisten natür- lien Quelle des Wohlstands. Ich bin überzeugt, daß alle Beamten von dem allgemeinen Wunsch beseelt sind, die Weisungen des Kaisers S E des Gedeihens der von ihm geliebten Heimath zu erfüllen.“

Ftalien. Der Minister-Präsident Crispi hat vorgestern den Tag über seinen Geschäften im Ministerium des ZJnnern obgelegen.

Spanien.

Zn einer Versammlung der. Kammermajorität hat nach einer Meldung des „W. T. B,“ der Minister - Präsident Sagasta darauf hingewiesen, daß sich die Einnahmen in größerem Maßstabe, als im Budget vorgesehen sei, vermehrt hätten. Bezüglich der Hand elsverträge werde die Regierung mit Rücksicht auf die auswärtigen Mächte ein autonomes System aufstellen, das die Festseßung von Spezialtarifen ge- statte. Eine Kommission, der Vertreter aller Narieién ange- hören würden, werde die von der Regierung vorgeschlagenen Tarife prüfen. Es werde beabsichtigt, ein stabiles Regime ohne differentielle Behandlung zu schaffen.

Schweiz.

Der Bundesrath beabsichtigt mit Rücksiht auf die mögliche Kündigung der lateinischen Münzunion in den nächsten Jahren die Prägung von Goldmünzen höheren Betrags vorzunehmen; es sollen daher im künftigen Jahre vorläufig für 4 000 000 Fr. Zwanzigfrancsstücke in Gold geprägt werden.

Griechenland.

Die Deputirtenkammer hob vorgestern ihre Sizung wegen Beschlußunfähigkeit auf. Alle Versuche, eine Einigung der verschiedenen Oppositionsparteien herbeizuführen, scheinen gescheitert zu sein. Die Wahl des Präsidenten der Kammer ist auf heute festgeseßt. Die Opposition beschloß unbeschriebene Zettel abzugeben.

Der Bürgermeister von Athen is vor Gericht ge- laden, weil er den auf die Stadt fallenden Antheil an den Ausgaben für die Primärschulen niht in den Schaß einge- liefert hat. Der Bürgermeister protestierte hiergegen und er- klärte seinen Rücktritt.

Rumänien.

Der Prinz Ferdinand von Rumänien wird auf seiner Reise zu den Beisezungsfeierlihkeiten in St. Petersburg von dem General Lahovary und einem Adjutanten begleitet sein.

Bre der Hoftrauer für den Kaiser Alexander werden die Festlichkeiten und Zeremonien, die für die silberne Hochzeit des Königs und der Königin in Aussicht N waren, bedeutend eingeschränkt werden." Nur

ei der Ankunft des Königs und der Königin in Bukarest am nächsten Mittwoch wird am Bahnhof ein feierlicher Empfang und Abends ein Damenempfang stattfinden. Am Donnerstag werden nah einem Tedeum das diplomatish Korps, die Würdenträger und Deputationen der geseßgebenden Körper- schaften empfangen werden. Am Freitag werden die Empfänge fortgeseßt; Abends kehren dann der König und die Königin nah Sinaja zurück. Am Sonnabend roird die durch die Festlichkeiten unterbrohene Hoftrauer wieder aufgenommen.

Serbien.

Der König Alexander wird auf seiner Reise nah St. Petersburg, die - von der gesammten Presse des Landes sympathisch begrüßt wird, von dem Metropoliten Michael be- gleitet fein.

Bei einem gestern zu Ehren des neuen Kabinets gegebenen Galadiner toastete der König auf die Minister, dankte für die Opferwilligkeit der Regierung und betonte die Nothwendig- keit der Stabilität des heutigen neutralen Systems.

Der „Mir“, das Organ des Belgrader Metropoliten, be- stätigt die Meldung von der Demission des ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel.

Amerika.

Das „Reuter’she Bureau“ meldet aus Washington, daß, nachdem die chinesische Regierung die Vereinigten Staaten ersuht habe, mit den curopäishen Mächten, darunter England, zusammenzuwirken, um den Krieg zu beendigen, diese Sage am Freitag eingehend in einer Kabinetssißung erörtert worden sei. Der Präsident Cleveland werde dem Staatssekretär des Auswärtigen Gresham seinen ee demnächst mittheilen. Der chinesischen Re- gierung sei sehr daran gelegen, daß die Regierung der Union an der Konferenz zur Bestimmung der von China an Japan zu leistenden Kriegsentshädigung theilnehme, selbs wenn die Regierung der Vereinigten Staaten es ablehne, sih einer ge- meinsamen Aktion der Mächte anzuschließen.

Asien.

Jn Hiroshima eingetroffene amtliche Depeschen des Generals Oyama melden, wie das „Reuter’she Bureau“ be- richtet, die erste Brigade habe Kinschow am 6. und Ta- lienwan am 7. d. M. eingenommen. Die chinesischen Streit- kräfte in Kinshow hätten aus 1000 Mann Junfanterie und 100 Mann Kavallerie, in Talienwan aus 3000 Mann Jnfanterie und 180 Mann Kavallerie bestanden. Die Chinesen hätten die Pläye nah kurzem Widerstande geräumt und sich gegen Port Arthur zurückgezogen. Die Japaner. hätten 10 Mann verloren, der Verlust der Chinesen sei ebenfalls gering.

Nach einem Telegramm des „Reutershen Bureaus“ aus Shanghai war gestern daselbst noch keine amtliche Be- stätigung des aus Chefoo herrührenden Gerüchts von der Einnahme von Port Arthur durh die Japaner ein- gegangen. Die „Times“ erfährt aus Chefoo von gestern, der Kaotai Kung und mehrere Truppenchefs hätten am 6. d. M. Port Arthur verlassen, woraus hervorgehe, daß der Plaß übergeben werden solle. Am 10. d. sei das Peiyang-Geshwader, aus 6 Schiffen e n auf der Rhede von Taku geschen worden, wo es Proviant und Munition eingenommen habe. /

Nach einer Meldung aus Tientsin vom 6. d. M. hätten,

wie das „Reuter he Bureau“ aus Shanghai erfährt, der

Kaiser und der Kaiserliche Hof die Abreise nah Sinjanfu (Provinz Kiangsu) vorbereitet. A i Aus Chemulpo vom 5. d. M. meldet dasselbe Bureau, der Vize-Präsident des koreanishen Staatsraths Kimhaku, der Sidfen Posten dur japanischen Einfluß erhalten habe, sei am 30. Oktober ermordet worden. Die Stimmung sei den Zapanern äußerst feindlih, infolgedessen . seien 500 Mann japanisher Truppen nah Söul zurücgekehrt. Auch seien weitere japanische Truppen südlih von Soul gelandet worden, um die aufständishen Tonghaks zu unterwerfen. : Aus dem Haag meldet „W. T. B.“ zwei weitere Bataillone sollten von Java nah Lombock abgehen. Jhre Ankunft in Ampenan dürfte am 17. d. M. erfolgen.

Afrika. Nach einer Meldung des „Reuter\hen Bureaus“ aus Tamatave hätte der Premier-Minister der Hovas seine Absicht erklärt, den Methodisten auf Madagaskar Schuß zu gewähren. Die Hovas konzentrierten ihre Streitkräfte um Diego-Suarez. Der Abgeordnete Le Myre de Vilers befindet sich noch in Tamatave.

Land- und Forstwirthschaft.

Saatenstand in Rumänien.

Während des Monats Oktober is wiedergolt leihter Regen niedergegangen, mit welchem mehrere warme sonnige Tage wechselten. Der rückständige Anbau der Wintersaaten konnte daher fast überall unter günstigen Umständen beendigt werden. Der Stand der Felder ist im allgemeinen befriedigend.

Ernte in Nord-Amerika.

Der amtliche Novémber-Bericht des Ackerbaubureaus \hägßt, wie „W. T. B." aus Washington berichtet, die Durchs\chnit ks- ernte pro Acre, wie A Baumwolle 191,7 Pfd., Mais 19,7 Bushels, Buchweizen 16,1 Bushels, Kartoffeln 62,3 Bushels, Heu 1,15 Tonnen. Die Maisernte ift die geringste seit 1881.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Spanien.

Dur Königliche Verordnung vom 6. d. M. ist die gegen Canton nebst Umkreis angeordnete Quarantäne unter den üblichen Bedingungen aufgehoben worden. ie Nr. 158 vom 7. Iuli d. J.)

ortugal.

Durch Verfügung des Königlich portugiesishen Ministeriums des Innern sind der Hafen von Amsterdam und alle anderen Häfen Süd- hollands für rein von Cholera erklärt worden. (Vgl. „R.-Anz.* Nr. 255

vom 29, M) Scchweden.

Eine Bekanntmachung des Königlich \{chwedischen Kommerz-Kol- legiums vom 7. d. M. erklärt die Stadt und das Gouvernement St. Petersburg, sowie die Stadt Brest nebst den übrigen Theilen des Departements Finistère für rein von Cholera. (Val. „R.-Anz.“ Nr. 124 vom 29. Mai b. J. und Nr.-157 vom 6. Juli d. F)

Cholera.

Königsberg, 10. November. In Timber, Kreis Labiau, ift, wie die „Ostpr. Ztg.“ mittheilt, am 9. d. M. ein Cholerafall fest- gestellt worden.

Danzig, 10. November. In Tolkemit sind zwei neue Cholera- fälle vorgekommen.

Wien, 11. November. Nach den am 9. d. M. hier eingetcofenen Nachrichten über den Stand der Cholera kamen in Galizien 49 Erkrankungen und 36 Todesfälle vor. Am 10. d. M. wurden aus Galizien 70 Erkrankungen und 43 Todesfälle gemeldet.

Theater und Musik,

Königliches Opernhaus.

Fräulein Edyth Walker, die gestern Abend als Gast der Königlichen Bühne die Rolle der Fides in Meyerbeer's großer Oper „Der Prophet“ sang, ist eine vielverheißende junge Künst- lerin. Ihre Stimme besißt eine glatte Höhe und klare Tiefe, eine Kraft und einen Wohllaut, die geradezu überraschend auf die Hörer wirkten; dabei besißt das Organ das Vermögen zum Aus- drud warm quellender Empfindung in reihem Maße. Die Schulung und Ausbildung der Stimme is beinahe ' tadel- los, sodaß sh ihre Schmiegsamkeit allen Anforderungen des Koloraturgesangs gewachsen zeigt, wie niht nur die große Arie vor der Krönungsscene, sondern besonders die des fünften Akts bewies, die in ihrer ganzen Ausdehnung noch mit auffallender Tonfülle vorgetragen wurde. Was der Stimme zur Vollendung fehlt, ift die bildnerishe Gestaltungsfülle, die bei Fortsezung der Bühnenthätigkeit {nell gewonnen werden kann, die aber am gestrigen Abend, an dem die Sängerin zum ersten Mal auf der Bühne gestanden haben foll, besonders in den Ausbrüchenn dramatischer Leidenschaft vermißt wurde. Das Spiel zeigte im übrigen eine be- merkenswerthe Sicherheit und Gewandtheit und wies nicht entfernt auf eine Anfängerin hin. Die Gesammtvorstellung zeigte die r fünstlerishe Abrundung und Vollendung. Fräulein Hiedler war befonders gesanglich vorzügli als Bertha und Herr Sylva fand in der Rolle des Propheten für die Kraftentfaltung seiner Stimme den

weitesten Spielraum. : Berliner Theater.

Gestern Abend trat Herr Gustav Kadelburg in dem von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Franz von Schönthan - verfaßten und dur zahlreiche Aufführungen am Deutschen Theater wohlbe- kannten Shwank „Zwei glüdckliche Tage“ zum ersten Mal als Gast an sdieser Stätte auf. Bei seinem Erscheinen lebhaft begrüßt, wurde ihm im weiteren Verlauf der wohlgelungenen Aufführung des heiteren Werks für die vortreffliche Darstellung des gemüthlichen Wieners Joseph Freisinger der wärmste Beifall gespendet. Die Leiden und Freuden eines Billenbesißers in einem Vorort unterhielten die zahlreih versammelten Zuschauer auf das beste, was neben den lustigen Einfällen der Verfasser auch dem flotten Spiel der Darsteller zuzuschreiben war. Für die Erheiterung des Publikums forgten namentlich die Damen Retty als Backfish Else, Marie Méyer als gutmüthige, aber allen lästige Tante Christine Hollwiß und Tilly Waldegg als Gertrud Witte. Von den Herren wirkten überaus komisch Herr Guthery als Onkel Lüttchen, der dur seine Treuherzigkeit überall anstößt, und Les Rieckhoff als Ingenieur Witte. Doch gebührt auch den übrigen Mitwirkenden die Anerkennung, daß sie fich um das Gelingen der Aufführung mit Erfolg bemüht' zeigten.

Theater Unter den Linden. ;

Am Sonnabend wurde die dreiaktige Vaudeville - Operette „Gaukler“ (Les Forains) von Maxime Boucheron und Antony Mars, deutsch von L. Herrmann und Julius Freund, Musik von Louis Varney, zum ersten Mal gegeben. * In der nicht uninteressanten ' Handlung wird das Leben von herumziehenden Akrobatengefellshaften vorgeführt. Der Direktor einer _ solchen Gesellshaft Toulouse und seine beiden Töchter Olympia und Clorinde sind die Helden bezw. Heldinnen der Operette. Olympia’ss Hochzeit mit dem Löwenbändiger Julius Cäsar soll gefeiert werden, nahdem fie standesamtlich bereits stattgefunden hat. Da lernt Olympia den Mann ihrer Träume kennen, dem es

gelingt, ihren athletishen Vater im Ningkampf zu werfen. Dieser,