1913 / 282 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Nov 1913 18:00:01 GMT) scan diff

R dea E M1 rig S B Aa 1 Dre Ea a t E E S N IRIE

: Justizministerium. : E Dem Oberlandesgerichtsrat, Geheimen Justizral Dr. Col-

berg in Naumburg a. S., dem Landgerichtsdirektor, Geheimen Justizrat Kalau vom Hofe in Glaß, dem Landgerichtsrat,

men Justizrat Hüpeden in Osnabrück und dem Amts- gerihtsrat Zenker in Hirschberg ist die nahgesuhte Dienst- entlassung mit Pension erteilt.

em Notar, Geheimen Justizrat Schroeder in Eisleben ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Amte erteilt.

Der Notar Dr. Ziemssen in Demmin ist aus dem Amte geschieden.

n der Liste der Rechtsanwälte sind gelösht die Rechts- anwälte: Rieß bei dem Oberlandesgericht in Frankfurt a. M., Dr. Hermann Voß bei dem Landgericht T in Berlin, Lammers bei dem Landgericht in Düsseldorf, Dr. Tecklen- burg bei dem Amtsgericht Berlin-Mitte und Klemme bei dem Amtsgericht in Bütow.

Jn die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen die Nechts- anwälte: Martin Glaser vom Kammergericht und Dr. Tecklen- burg vom Amtsgericht Berlin-Mitte bei dem Landgericht T in Berlin, Dr. Hermann Voß vom Landgericht T bei dem Land- gericht 11 in Berlin, Ri aus Frankfurt a. M. bei dem Land- geriht IIT in Berlin, Prym aus Düren bei dem Land- geriht in Düsseldorf, die Gerichtsassessoren: Vohssen bei dem Oberlandesgericht in Düsseldorf, Anton Flamm und Willy Rheinhold bei dem Landgeriht T in Berlin, Hermann Müller bei dem Landgericht Il in Berlin, Dr. Julius Rosenfeld bei dem Landgericht IIT in Berlin, Dr.. Max Riedel bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Breslau, Dr. Ferdinand Staß bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Cöln, Brühl bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Saarbrücken, Georg Jaeger bei dem Amts- geriht und dem Landgericht in Ly, Friedrich Haas e bei dem Amtsgericht in Stallupönen, die früheren Gerichtsasse\ssoren: Henke bei dem Landgericht T in Berlin, Dr. Poltrock bei dem Landgericht IT in Berlin und Dr. Schl immer bei dem Amtsgericht in Gütersloh.

Ministerium der öffentlichen Arbeiten. __ Dem Regierungsbaumeister Planeth in Stadthagen ist die nachgesuchte Entlassung aus dem preußischen Staatsdienste erteilt worden.

Ministerium der geistlihen und Unterricht s- angelegenheiten.

Dem dirigierenden Arzte am Deutschen Hospital in London, Sanitätsrat Dr. Ernst Michels ist das Prädikat Professor beigelegt worden.

Dagegorvnuüung für die Sizgung des Landeseisenbahnrats am Mittwoh, den 10. Dezember 1913, Vormittags O

1) Verlängerung der Geltungsdauer des Ausnahmetarifs 7 8 für Eisenerz in vertraglihen Sonderzügen vom Sieg-, Lahn- und Dillgebiet nah Oberschlesien.

2) Frachtermäßigungen für Eisenerz und Koks usw. zugunsten der Hochofenbezirke und Einzelwerke, die von den geplanten M leth dden für Eisenerz und Koks im Ruhr- Moselverkehr berührt werden.

3) Von der ständigen Tarifkommission vorberatene, für die Beschlußfassung der Generalkonferenz der deutschen Eisen- bahnverwaltungen vorbereitete Anträge, betreffend

D: Rie von Marinaden in den Eilgutsspezial- arif,

þ. Frachtermäßigung für gebrauchte leere Mineral- wasserflaschen oder Kasten (Kisten) mit gebrauchten leeren Mineralwasfserflaschen.

4) Uebersicht der Normaltransportgebühren für Personen und Güter.

9) Mitteilung über genehmigte Aus nahmetarife.

Berlin, den 27. November 1913.

Der Vorsißende des Landeseisenbahnrats : Stieger, Unterstaatsfekretär, Wirklicher Geheimer Rat.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 45 der Preußischen Geseßsamm lung enthält unter Nr. 11 321 die Verordnung, betreffend das Inkrafttreten des Geseßes vom 16. Juni 1909, vom 3. November 1913. Berlin W. 9, den 28. November 1913. Königliches Geseßsammlungsamt. Krüer.

BDEVCEn n tut Gu n g.

Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Geseßsamml. S. 357) find bekannt gemacht :

1) der Allerhöchste Erlaß vom 7. Juli 1913, betreffend die Ver- leihung des Enteignungsrechts an die Insterburger Kleinbahn-Aktien- gesellschaft für die Anlage einer Kleinbahn von der Statton Kauschen der Kleinbahnstrecke Insterburg—Juckeln—Mehlauken—Pipltn nah dem Dorfe Wirbeln, durh das Amtsblatt der Königlichen Negierung in Gumbinnen Nr. 31 S. 285, ausgegeben am 2. August 1913;

2) der Allerhöchste Erlaß vom 22. Juli 1913, betreffend die Genehmigung der von dem Brandenburgischen Provinziallandtag am 9. März 1913 beschlossenen Aenderungen dér Satzung des Branden- burgischen Pfandbriefamts für Hausgrundstücke, durch die Arntsblätter

der Königlichen Regierung in Potsdam und tex Stadt Berlin Nr. 44 Sonderbeilage S. 24, ausgegeben am 1. November 1913, und

der Königlichen Regierung in Frankfurt a. O. Nr. 44 Sonder- beilage S. 24, ausgegeben am 1. November 1913;

3) das am 26. September 1913 Allerhöhft vollzogene Statut für die Schirnau-Entwässerungsgenossenshaft in Nützen im Kreise Segeberg durch das Amtsblatt der Köntglichen Regierung in Schleswig Nr. 46 S. 505, ausgegeben am 8. November 1913;

4) das am 13. Oktober 1913 Allerh8ch{ch\#t vollzogene Statut für die Friedrihshöhe-Gogulkowoer Dratinagegenossenshaft in FKriedrihs- höhe im Kreise Znin durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Bromberg Nr. 45 S. 377, ausgegeben arn 8. November 1913;

5) die am 13. Oktober 1913 Allerhöchst vollzogene Satzung für den Deichverband der Bredeauniederung in den Kreisen Tondern und Hadersleben zu Ballum im Kreise Tondern durch das Amtsblatt der Königlichen Negterung in Schleswig Nr. 46 S. 509, ausgegeben am 8. November 1913;

6) das am 13. Ofktobex 1913 bödst- vollzogene Statut für

| die Meerbusdèr Mühleubachgenossenfchaft in Kaarst im Kreise Neuß

dur das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Düsseldorf Nr. 45 S. 489, ausgegeben am 8. November 1913; f

7) das am 13. Oktober 1913 Allerhsch\ vollzogene Statut für die Genossenschaft zur künstlihen Entwässerung der Hackeboeer und Alte Wilster-Niederung in Wilster im- Kreise Steinburg durch das Amtsblatt der Königl. Regierung tn Schleswig Nr. 45 S. 497, aus- gegeben am 1. November 1913;

8) der Allerhöchste Erlaß vom 29. Oktober 1913, betreffend die Verleihung des Enteignungsrehts an die Gemeinde Attendorn im Kreise Olpe für den Bau eines Weges von der Kreis\ftraße Olpe— Attendorn bei dem Bahnhofe Listernohl über die Bigge nah Atcker- ott und Imminghau!en, durch das Amtsblatt der Königl. Negterung in Arnsberg Nr. 47 S. 643, ausgegeben am 22. November 1913.

Nichkauilliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 29. November 19183.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundes8rats für Zoll- ind Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Rechnungs- wesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Justizwesen sowie der Ausschuß für Zoll- und Steuer- wesen hielten heute Sißzungen.

Der Landrat von Zastrow ist aus dem Kreise Falken- berg, Regierungsbezirk Oppeln, in gleiher Amtseigenschaft in den Kreis Glaß, Regierungsbezirk Breslau, versetzt worden.

Der Regierungsrat Zoberbier in Gumbinnen ist der Königlichen Regierung in Münster zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Dem Regierungsafsessor von Sybel in Goslar ist die lommissarishe Verwaltung der landrätlichen Hilfsbeamtenstelle in Wilhelmshaven übertrager. worden.

Die Negierungsreferendare von Flügge aus Stettin, Volkening und von Sydow aus Münster hoben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Goeben“ mit dem Chef der Mittelmeerdivision am 27. November in Beirut und S. M. S. „Breslau“ am 28. November in Port Said eingetroffen.

Sachsen.

Jn der gestrigen Sitzung der zweiten Kammer gab der Kultusminister Dr. Beck vor Eintritt in die Tagesordnung laut Meldung des „W. T. B.“ etwa folgende Erklärung ab:

In der Sißung vom 20. November habe ich auf eine Anfrage des Abg. Hofmann die Auskunft gegeben, daß auf Grund der Fest- stellungen und nach fast übereinsiimmender Meinung der Kunist- gelehrten die Holbein] che Madonna in der Gemäldegalerie eine etwa hundert Jahre nach der Entstehung des Originalgemäldes hergestellte Kopie set, daß sh das Original in Darmstadt befinde, und daß die Holbeinshe Madonna ein ausgezeichnetes Werk set, was schon daraus hervorgehe, daß man sie lange Zeit für eht gehalten habe. Gestern abend ist mir nun ein Ausschnitt aus der „Staatsbürger - Zeitung“ vorgelegt worden, in dem fett gedruckt zu lesen ist, daß die Sixtinische Madonna unecht set. In der Notiz wird gesagt, daß bei den Landtagäverhandlungen vom sächsischen Kultusminister erklärt worden sei, die Sixtinishße Madoana sei eine Falschung, das Dresdener Bild sei eine Kopie, die um etwa hundert Jahre jünger sei als das Original. Die Kammer wird mit mir das größte Befremden und das tiefste Bedauern empfinden über diese den Wert und die Anziehungskraft der Dresdener Gemäldegalerie empfindlih treffende Meldung und mit mir Einspruch erheben gegen eine folhe Bertchterstattung, die in unverantwoortliher Weise den Ruhm eines der größten Kunstwerke aller Zeiten zu zerstören geeignet ist. Man muß erwarten, daß diese tief bedauerlihe Entstellung des Berichterstatters mit der größten Beschleunigung zur Ehre der Dresdener. Galerie widerrufen werde.

Darauf trat das Haus in die Tagesordnung ein.

Baden.

Seine Majestät der Kaiser und König ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern abend mit Gefolge von Primkenau in Donaueschingen eingetroffen und auf dem Bahnhof vom Fürsten zu Fürstenberg empfangen worden. Nach der Be- grüßung fuhr Seine Majestät mit dem Fürsten unter lebhaften Kundgebungen der Bevölkerung nah dem Schlosse, an dessen Portal er von der Fürstin zu Fürstenberg empfangen wurde.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog empfing der „Karlsruher Zeitung“ zufolge gestern in Gegenwart des Staatsministers Dr. Freiherrn v. Dusch den bayerischen außer- ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Grafen v. Moy zwecks Notifikation der Thronbesteigung Seiner Majestät des Königs Ludwig TI1. von Bayern und Ueber- reichung des neuen Beglaubigungs\chreibens. Nachdem Abends auch Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin den bayerischen Gesandten émpfangen hatte, fand ihm zu Ehren im Großherzoglichen Palais Tafel statt.

Die Zweite Kammer wählte gestern nahmittag zum Ersten Präsidenten den Abgeordneten Rohrhurst (Natl.) mit 37 von 73 abgegebenen Stimmen wieder. Der Zentrums- abgeordnete Dr. Zehnter hatte 35 Stimmen, der national- liberale Parteivorstand Rebmann eine Stimme erhalten. Zum Vizepräsidenten wurde der Abgeordnete Geiß (Soz.) wieder- gewählt, nachdem Dr. Zehnter (Zentr.), der im ersten Wahl- gange gewählt worden war, abgelehnt hatte. Geiß nahm die Wahl an.

Desterrcicch-Ungarn.

Der König der Bulgaren ist gestern vormittag von Wien nah Sofia abgereist.

Der Heeresaus\chuß der österreichischen Dele- gation hat in der gestrigen Sißung das Heeresordinarium angenommen und die Beratung des Extraordinariums be- gonnen.

Wie „W. T. B.“ meldet, leitete der Berichterstatter Graf Clam-Martintiß die Verhandlung ein, indem er bémerkte, er möchie ni{cht verabsäumen, der Arinee seinen Gruß zu éntbieten und warme Worte der Anerkennung zu widmen für die große aufopferungs- volle Haltung, die die Armee als treue Wacht an der Grenze : be-

1 Armee, die aus ihrem

wiesen habe. Dieser Dank beziehe fich auch auf jene Mitglieder der ufsleben hinaus dem Nufe der Fahne ge- folgt seien. Es sei [eider zu vereinzelten traurigen Erscheinungen ge- kommen, die aber Gott set Dank nur vereinzelt geblieben wären. Îm allgemeinen hätten sich “die Einberufungen mit großer Begeisterung vollzogen. i

Der Heeresaus\{huß erledigte am nahmittag auch das Extraordinarium.

Im Laufe der Debatte hob der Kriegsminister Ritter von Krobatin die Treúe und hingebungsvolle Auédauer aller Völker der Monarchie während der vergangenen Krise rühmend hervor. Dte Kriegsverwaltung habe alles getan, um den Bedürfnissen der ein- berufenen Reservisten nah jeder Rihtung Rechnung zu tragen. In seinem Schlußworte stellte der Berichterstatter Graf Clam-Martini 8 seinerseits fest, daß die Truppen und dite Bevölkerung die harte Prüfung während der Krise im vorigen Fahre in glänzender Weise ertragen hätten. Nicht die Vorkehrungen der Kriegsverwaltung könnten die Vorausseßung der Opferwilligkeit der Massen untergraben, fondern vielmehr die Tätigkeit der Partet des Delegterten Leuthner, die auf die Verbetung der Bevölkerung in der Stunde, wo die Truppen aus- rüden sollen, gerichtet sei. Das Wort von der Kriegspartei set ein Märchen; eine \ölhe im Sinne der Ausführungen des Delegterten Leuthner erxistiere weder in den höchsten Kretsen, noch in irgend einer Kamarilla.

Das österreihische Abgeordnetenhaus seßte gestern die Debatte über die Personaleinkommensteuer-

novelle fort. Zu Beginn der Sißung kam der Landesverteidigung8minister Freiherr von Georgi obiger Quelle zufolge auf eine vorgestern in

einem ts{echishen Blatte ershienene Meldung zu sprehen, wona sh.

angebli Offiziere in Kremsier in Mähren Sittlichkeitsdelikte hätten zushulden kommen lassen. Der Minister erklärte, er werde Erhebungen darüber vornehmen. Er könne aber jegt {on betonèn, daß, wenn in den Reihen der Armee ein derartiger Unhold existiere, er uns{hädlih gemacht und aus den Reihen des Heeres entfernt werden würde. Des weiteren wandte fich der Ministec gegen eine am Schlusse der vor- gestrigen Sitzung von dem polnishen Sozialdemokraten Dr. Liebermann gestellte Anfrage, betreffend die in der leßten Zeit vorgekommenen zahl- reichen Fälle von Soldatenselbstmorden beim Korps von Przemysl. Er betonte, er werde auch in dieser Beziehung die Daten vorlegen. Er müsse sih nur entschieden dagegen wenden, daß der Abg. Dr. Lieber- mann den Kommandierenden General von Przemysl dem Nufe der Lächerlichkeit ausgeseßt habe. “Im weiteren Verlaufe der Sitzung lam der Landesverteidigungsminister auf die Zeitungsnotiz über Sittlichkeitsdelikte in Kremsier zurück und stellte an der Hand ein- gelaufener Telegramme die vollkommene Unwahrheit der Berichte fest.

Frankreich.

Einer vom „W. T. B.“ verbreiteten offiziösen Mitteilung zufolge wartet der Präsident Poincaré, der auf Ersuchen Bulgariens in der Angelegenheit der in Griechenland gefangen gehaltenen Komitatshis das Schiedsrichhteramt über- nommen hat, vor der Erteilung einer Antwort noch die Zu- stimmung Griechenlands ab.

Die Deputiertenkammer seßte gestern die Debatte über das Anleihegeseß fort.

Der Abg. Augagneur (Unabhängiger Sozialist) erklärte, nab dem Bericht des genannten Telegraphenbureaus, den Anleiheentwu1f für ein ganz törihtes Unternehmen, würdig kleiner Staaten ohne eigene Hilfsquellen. Eine Anleihe möge unvermeidliY sein, aber ihr zur Deckung oder vielmehr zur Verdeckung des Defizits bestimmter Teil sei unentschuldbar. Es sei eine Art von Wahlanleihe für die über- triebenen Miltitärausgaben infolge der dreijährigen Dienstzeit und des Marokkounternehmens. Auch bei Bewilligung der Anleihe würde man für das Defizit von 1915 700 Millionen Francs neuer Steuern aus- findig zu machen haben. Als der Redner Sparsamkeit empfahl, ant- wortete ihm einstimmiges Gelähter. Augagneur warf denen, die das Dreijahrgeseß vorgeshlagen und angenommen haben, vor, daß sie dessen finanztelle Folgen verborgen gehalten hätten. Der Kriegs- minister Etienne erwiderte, die Negierung habe dem Lande gesagt, welche Opfer sie von ihm verlange, und das Land habe sie auf sich genommen. Augagneur erinnerte sodann den Finanzminister Dumont daran, daß er als Kandidat für die Wahlen von 1910 das Zwetjahrgéseß gerühmt habe. Der Finanzminister Dumont antwortete, die patriotishe Bevölkerung, zu der er im Jahre 1910 gesprohen habe, habe unter den gegenwärtigen Umständen und angefihts der neuen Rüstungen Deutschlands be- griffen, daß die Verhältnisse fich geändert bätten. Bevor er Minister geworden sei, habe er übrigens seine Wähler darauf aufmerksam ge- macht, daß er für die Verlängerung der Dienstzeit stimmen werde, und seine Wähler hätten dtesen Beschluß einstimmig gebilligt. Der Finanzminister erklärte weiter, es fei unmöglih, das Gesetz über die Deckung des Zinsendienstes und die Amortisation der An- leihe mit dem Arnlethegeseß zu verbinden; er werde alsbald nah Annahme des Anleihegeseßes das Budgetzrwoölstel für Januar einbringen, das die Erbschaftssteuer bereits in si begreifen werde. André Lefèvre erklärte, er werde für die Anklethè stimmen, au wenn fie noch 200 Millionen höher angefordert werden würde, die für das Kriegsministertum notwendig seien. Er werde auch für die Steuerfreiheit der Rente stimmen. Es wäre unverzethlich, wenn man Hilfsquellen, die für soztale Neformen oder für militärische Ausgaben bestimmt feien, nit bewilligen würde. Die Kredite würden eine gute Verwendung für die nationale Vertetdigung finden. Keine europäische Armee besißze ein Gewehr, das seit 27 Jahrea im Dienst sei, keine eine Kanone, die bereits seit 18 Jahren gebraucht werde. Der MNedner erinnerte sodann an den Besuch des Deutschen Kaisers in Tanger und an die Konferenz von Algeciras, wohin Frankreich habe gehen müssen, weil es seiner Armee an Munition gefehlt habe, sodaß sie habe zu Hause bleiben müssen. Lefövre fügte hinzu: manchmal wäre Sparsamkeit recht kostspielig; hätte man sie früher niht zu sehr geübt, so brauhte man heute niht um so viel s{werere Lasten zu tragen. Als der Nedner von neuem betonte, daß 1903/04 die auswärtige Politik niht angemessen hätte behandelt werden Tönnen, rief er Lärm auf der äußersten Linken und das Ein- greifen des Ministerpräsidenten Barthou hervor, der lebhaft er- flärte, die Regierung nehme ihre eigene Verantwortlichkeit auf \ih, aber nit die anderer. Barthou machte einige Vorbehalte gegenüber Lefòvres Ausführungen, gestand aber zu, daß niht immer die nötigen Anstrengungen gemacht worden seten, und sagte, die a:6wärtige Lage und die Rüstungen anderswo hätten die neue Anstrengung gefordert, eine An- strengung, die der Kammer zur Ehre gereihe. Die neuen Opfer feien von dem Lande gerne überüommen worden, das wisse, daß seine Sicherheit darauf beruhe. Um Streitereten kurzerhand zu beenden, erklärte Lefèvre, er denke keineswegs daran, die Verantwortlichkeit einer Partei oder einer Person aufzubürden. Er wolle nur für die Au Belehrung aus der Vergangenheit {öpfen. Der Minister Berteaux habe übrigens ähnlihe Erklärungen im Jahre 1905 ab- gegeben, als er Verpflichtungen füc bedeutende Summen ohne die Bewilligung der geseggebenden Körperschaften eingegangen set. Lefovre sagte zum Schluß, man müsse mit der Vergangenheit voll- kommen bveGen und die Kredite für Kriegszwecke von 900 auf 1100 Millionen Francs brtngen. Hierauf führte der Generalberihterslatter Noulens aus, daß in zwei Punkten zwischen der Regierung und der Kommission keine Ueberein- stimmung bestehe. Erstens wolle die Kommission die Anleihe auf neunhundert Millionen Francs beschränken, das heißt auf die Summe, die nah der Ansiht der Regierung für die militärishen Ausgaben genüge. Zum ‘andern béestéhe eine Meinungöverschiedenheit über die Bedingungen, unter denen die neue Anleihe ausgegeben werden sollte. Weiter gab Noulens einen geschichtliGzen UÜeberblick über die Anleihefrage, der bis zu der im März d. Js. bewilligten An leiße von 420 Millionen Francs zurückgrif. Die Autgaben

für Marokko vor dem 1. Januar 1913 seien auf den betreffenden Budgets verrehnet worden ; die Ausgaben für 1913 würden den Gegenstand einer besonderen Geseßesvorlage bilden. Sodann wandte Noulens si in heftiger Form gegen das Verfahren, durch das mau ein den öffentlien Kredit kompromittierendes- Defizit verdecken wolle. Die Steuerfreiheit der Rente bedeute einzig und allein, daß die Rente niht den Gegenstand einer besonderen, Steuer bilden könnte, jedo niht, daß fie von den allgemeinen Steuern befreit sei. Die Mehr- heit der Kommission würde wahrscheinlih auch noch die 400 Millionen bewilligt haben, sie wollte aber nicht die-Finanz- gebarung aufgeben, die das Gedeihen der Republik gesichert habe. Caillaux bekämpfte den Anleiheentwurf. Er fkritisierte die Klausel der Steuerfreiheit der Rente und erklärte, daß nur eine Reform, durch die die Reichen entsprewend zur Steuerletstung herangezogen würden, eine gesunde Finanzpolitik ermöglichen könnte. Der Redner wies auf das Beispiel Englands hin und hob hervor, wie opferfreudig das deutsche Volk die Vermögensf\teuer auf fih genommen habe. Die An- [leihe solle nur den Zweck haben, einige Zeit zu gewinnen, um die Einkommenstever hinauszuschieben. Der Ministerpräsident Habe diese Steuerreform erst vor kurzem in einer Bankettrede zu unter- graben gesucht. Minlsterpräsident Barthou, -unterbrehend: Ich babe gesagt, was Sie selbst seinerzeit von der Cinkommensteuer gesagt haben. Caillaurx fortfahrend: Das sei in einem Bericht gewesen, den er im Jahre 1898 erstattet habe. Er sei seither zu der Ueber- zeugung gelangt, daß die Einkommensteuer unerläßlich set, und daß es für das französis{We Bürgertum ein verhängniévoller Fehler wäre, - in der Politik der Gesättigten zu verharren.

Die Debatte wird Montag vormittag fortgesezt werden.

Der Ministerpräsident Barthou hielt gestern abend bei dem Bankett der Unterrichtsliga eine Rede, in der er, wie „W. T. B.“ meldet, seiner Bewunderung für die Lehrer- schaft der Laienschule Ausdruck gab, die ihre Aufgabe troß der gegen sie angezettelten Machenschaften aller Art in so be- wundernswerter Weise erfülle, und sagte, die Regierung werde erst dann aufhören, die Laienschule zu verteidigen, wenn die Gegner ihre Angriffe eingestellt hätten. Schließlich sprah ih Barthou gegen den Gedanken des staatlichen Unterrihtsmono- pols aus. Denn abgesehen davon, daß es eine sahlihe Un- möglichkeit sei, bilde die Privatschule einen unerläßlihen An- sporn für die öffentlihen Schulanstalten.

Nuß;laud.

Der Kaiser hat gestern in Livadia die mongolische

Son.dermission in Audienz empfangen.

In der Reichs8duma wurde gestern Nodzjanko mit 272 gegen 70 Stimmen zum Präsidenten der Duma wiedergewählt. Nach seiner Wahl, die in den Reihen des Zentrums und der Opposition mit langanhaltendem Beifall begrüßt wurde, hielt Rodzjanko eine Rede, in der er laut Meldung des „W. T. B.“ ausführte :

Er rechne auf die Mitwirkung seiner Kollegen und auf Gottes Beistand, wenn er das ihm übertragene verantwortungsvolle Amt an- nehme. Die Tätigkeit des Präsidenten der Duma müsse getragen werden pon dem Geiste unerschütterliher Loyalität gegen den Kaijer, von uneigennüßiger Liebe zum Vaterlande, von der Treue gegen die von dem Monarchen gegebene Verfassung und von dem Streben, die militärische Macht des Landes und die moralischen und produktiven Kräfte des Volkes zu fördern. Die Duma müsse entshlossen auf die Verwirklichung der großen Grundsäße des Manifestes vom 17. Oktober zinarbeiten, ohne fich durch entgegenstehende Hindernisse beirren zu lassen. Rußland habe feste und klare Geseße nôtig, die für alle in gleiher Weise bindend sein müßten.

Zum ersten Vizepräsidententen wurde der Groß- industrielle Konovaloff (Progressist) gewählt. Die Wahl des zweiten Vizepräsidenten wurde vertagt.

Italien.

Jn der Deputiertenkammer wurde gestern die Prä- fidentenwahl vorgenommen. Wie „W. T. B.“ meldet, er- hielt der ministerielle Kandidat Marcora 304, der Sozial- demoïrat Prampolini 81 Stimmen. Zersplittert und ungültig waren 89 Stimmen. Die Verkündung der Wahl Marcoras zum Präsidenten wurde mit lebhaftem Beifall begrüßt. Jm weiteren Verlaufe der Sizung erfolgte die Wahl der vier Vizeprästdenten, acht Schriftführer und zwei Quästoren. Alle sind Ministerie lle.

Griechenland.

Das französische Geschwader ist gestern in Phaleron Und das englische in Keraßim eingetroffen. Die Admirale mit ihren Stäben haben Nachmittags ihre offiziellen Besuche abgestattet.

Rumänien. Der König Carol hat gestern die parlamentarische

Session mit einer Botschaft eröffnet, die nah einer Meldung Des L D, L Tultlett

Bei der Eröffnung des Parlaments im Jahre 1877 sagte ich den damaligen Vertretern der Nation: Unser Erhaltungbtcieb machte uns zur Aufgabe, dahin zu eilen, wo uns Gefahr droht, und an der Spitze unserer jungen Armee überschritt ih die Donau. Die Art, wie die rumäntsche Armee ihre Pfliht auf dem Schlachtfelde erfüllt hat, ist bekannt im Lande und selbst von unseren Feinden anerkannt. Unsere Soldaten verleugneten niht das edle Blut, das in ihren Adern rinnt. Heute nah 36 Jahren empfinde ih zum zweiten Male die tiefe moralishe Genugtuung, die neue Par- lamentsfession mit denselben Worten des Lobes und des Dankes für die Armee eröffnen zu können. Wenn unsece Soldaten diesmal nicht Gelegenheit hatten, ihre Tapferkett in blutigen Kämpfen zu beweisen, so konnten sie nihtêdestoweniger eine Probe thres Elans, threr Tüchtig- keit, ihres Geistes und ihrer Disziplin geben, die sie fähig machen, mit der größten Raschheit und Vollständigkeit allen Forderungen, die die Lage an sie stellen könnte, zu entsprehen. Die dank der Voraussicht meiner Negterung und Ihres erleuchteten Beistandes wohl vor- bereitete und recht ausgerüsiete Armee wurde in einem günstigen Augenblick in Bewegung geseßzt und hat neuerlich die Donau überschritten und uns damit die Macht gegeben, dem Balkan den von ganz Europa so sehr gewünschten Frieden aufzu- erlegen und unsere Grenzen jenseits der Dobrudsha dur deren Aus- dehnung bis Turtukai im Westen und Egrene im Süden zu sichern. Die gemäß dem Frieden von Bukarest vom 28. Juni durchgeführte Einverleibung des neuen Gebietes wird demnächst {m Sinne der Verfassung der Genehmigung des Parlaments unterbreitet werden. Infolge der politishen Haltung meiner Regierung während des Balkankriegee waren und sind die internationalen Be- ziehungen NRumäniens die besten. Einerseits fonnten die Großmächte unseren Beistand bei ihren Bemühungen um den Frieden {häßen lernen, andererseits hat der Friede von Bukarest die außerordentli engen Freundschaftsbeziehungen zwischen Rumänien und den Staaten jenseits der Donau besiegelt. Die Protokolle mit den Geseßzen über die Einverleibung der neuen Gebietsteile sowte zahl- reie Akten unserer vorhergehenden Berichte, die gesondert zu Jhrer Kenntnis werden gebraht werden, werden in etngehender Weise den ganzen Gang der auswärtigen Politik der Regierung darlegen. Wir find berehtigt, beständig darüber zu wathen, daß die Ruhe nicht gestört werde. Wir hatten daher ein ganz besonderes Interesse, daß der Friede auch zwischen denjenigen, dle noch Krieg führten, wieder hergestellt werde. Wir haben eifrigst in dieser Nichtung ge- arbeitet, und unsere Bemühungen sind nicht erfolglos geblieben, Wir

können nunmehr der Zukunft mit größerem Vertrauen entgegensehen und werden alle unsere Kräfte E um dasjenige, was wir gewonnen haben, zu wahren und zu festigen. Die s{hmerzlihe Geißel, die von jedem Kriege unzertrennlih zu sein s{cheint, hat avch in unferem Heere gewütet und ist ins Land gedrungen. Dank den von der Wissenschast und Erfahrung vorgeschriebenen Maßnahmen konnte der Ansteckungsherd troß aller Schwierigkeiten isoliert und die Seuche erstickt werden. Der Staat und Privathilfe unterstützten und werden auch in Zukunft die Familien der Opfer unterstüyen. Ungeachtet der großen Mobilisfierungskosten gestattet uns die aus- gezeihnete Finanzlage des Staates, den wirtshaftlihen Bedürfnissen zu entsprechen und vor allem den Wagenpark der Eisenbahnen zu er- gänzen. Weiter konnten die Anforderungen der Armee während der Meobilisierung und der Demobilisierung erfüllt werden, und wir waren in der Lage, noch besser auch den Erfordernissen des Handels zu genugen.

Die Botschaft kündigt sodann Geseze an, die mit der dur die jüngsten Ereignisse geschaffenen Lage im Zusammenhang stehen, und im besonderen Geseßentwürfe über die Organisierung des neuerworbenen (Kebietes.

Der König wurde bei seiner Ankunft und bei seiner Ab- fahrt von den Parlamentsmitgliedern und auch von dem überall zahlrei auf den Straßen versammelten Publikum in lebhaftester Weise begrüßt. Der Verlesung der Thronrede wohnten au der Thronfolger Ferdinand, der Prinz Carol und die Prin- zessinnen Marie und Elisabeth bei.

Die konservativen Parlamentarier traten heute bei dem Präsidenten des Senats Lahovary zu einer Beratung zusammen, in der obiger Quelle zufolge die Wahl des Ministerpräsidenten Majoresco zum Führer der Partei bestätigt wurde. Der Ackerbauminister Arion sprach sih dagegen aus, daß die Agrarfrage auf dem Wege der Enteignung gelöst werde.

In einer Beratung ‘dex konservativ-demo- kratishen Partei trat der Minister des Jnnern für ein Disziplinarreht für die Beamten, für die Schaffung zweier Wahlkörper mit Proportionalvertretung und für die Lösung der Agrarfrage auf dem Wege der Enteignung ein, wobei zu vermeiden wäre, daß die Zerstückelung der ländlichen Güter weiter Fortschritte mache.

eTbien.

Der König hat vorgestern den österreichish-ungarischen Gesandten von Ugron in Abschiedsaudienz empfangen und ihm das Großkreuz des St. Sava-Ordens verliehen.

Bulgarien.

Auf Einladung des Ministers des Auswärtigen Ghenadiew traf der türkishe Minister des Jnnern Talaat Bei, wie „W. T. B.“ meldet, heute in Mustapha Pascha mit ihm zu einer Besprechung über die noch strittigen Fragen wegen Be- handlung der Flüchtlinge zusammen, über die eine beide Teile befriedigende Einigung erzielt wurde.

Albanien.

Aus Anlaß des gestrigen Jahrestages der Unah- hängigkeitserflärung Albaniens hatten die öffentlichen Gebäude und die Konsulate Flaggenshmuck angelegt. Jn Valona fand, der „Agenzia Stefani“ zufolge, eine große Massenkundgebung statt. Vor dem Regierungsgebäude hielt Jsmail Kemal eine Ansprache an die Menge. Eine Deputation begab sih nah dem italienishen Konsulat, um dem Konsul für sein Eintreten für die Sache Albaniens Dank abzustatten.

Amerika.

Der amerikanische Marineminister Daniels hat nah einer Meldung des „W. T. B.“ der vierten Division der atlantishen Flotte den Befehl gegeben, vom Mittelmeer an die Ostküste Merikos zu gehen, um die zweite Division dort zu verstärken.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Reichstag erledigte in seiner heutigen (178.) Sißung, welcher der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco und der Staatssekretär des Reichs\haßzamts Kühn beiwohnten, in erster Beratung zunächst die RNech- nung über den Haushalt der afrikanishen Schuß- gebiete, des Shußgebietes Neu Guinea, der Ver- waltung der Karolinen, Palau, Marianen und Marshallinseln sowie des Schubgebietes Samoa für das Rechnungsjahr 1908 und die Reichshaushalts- rechnung 1912 durch Ueberweisung an die Rechnungs- ommission ohne Debatte und ging dann über zur ersten Be- ratung der Bemerkungen des Rechnungshofes zu der Allge- meinen Rechnung über den Reichs haushalt für das Rechnungsjahr 1909.

Abg. Noske (Soz.): In der Denkschrift des Rechnungshofes sind einige verschleierte Vorwürfe gegen die Nechnungskommission des MNeichstags enthalten. Im Reichstag ist wiederholt der Wunsch auf schnellere Rechnungéprüfung ausgesproGßen worden. Da das aber nicht geschehen ist, so hat der Rehnungshof ein vereinfahtes Ver- fahren vorgenommen, das im gewissen Sinne nur begrüßt werden kann. Es kann bei dem jeßigen Tempo der Verabschiedung von Rech- nungen seitens des Reichstags nicht bletben, da der Neichstag si sonst seines wichtigen Kontrollrehts begibt. Man muß dafür sorgen, daß dem Rechnungshof seine Arbeit nicht erschwert wird. So haben wir auf diese Weise erst erfahren können, daß seitens der Marinever- waltung vor 5 Jahren Verstöße gegen den Etat gemacht worden sind. Wir müssen dem Nechnungshof Gelegenheit ea: uns {nell davon in Kenntnis zu seßen. Das kann vielleiht geschehen, wenn den Sißungen der Nehnungskommission ein Mitglied des Nechnungs- hofes beiwohnt. i

Abg. Erzberger (Z): Würde an den Verhandlungen der Rech- nungskommission etn Vertreter des Nehnungshofes teilnehmen, fo würde die Sache sih viel s{neller erledigen. Es handelt sich doch hier um eins der wichtigsten Nehte des Reichstags, um sein Ausgabe- bewilligungsrecht. Die Herren vom Rechnungshof usw. sollten doch nicht bloß erscheinen, um Geld zu verlangen. In diesem Zusammen- bange möchte ich das Neichs\hagamt fragen, wann wir endlich das Eiatsbewirtschaftungsgesez erhalten. Die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes ergibt sich aus allerlei Mißständen, die immer noch vor- kommen. So hat z. B. die Budgetkommission 1912 500 000 4 von den Reisekosten abgeseßt. Die Verwaltung hat diese nit nur aus- gegeben, fondern noch 50 000 mehr mit der Begründung, es habe fih als notwendig herausgestellt, dies Geld zu gebrauchen. Das ist eigentlih keine Begründung. Dem Reichstage hätte genau dargelegt werden müssen, wie es komme, daß troß des R N des Neichs- tags die betreffenden Kosten überschritten worden sind. Aehnlich liegt die Sache bei den Pférdegeldern eines Adjutanten, für die im Etat keine Summe bewilligt war, und wo sich der Staatssekretär einfa über das Budgetre{t des Reichstags hinweggeseßt hat. Auch die ewigen Vorbehalte des Rechnungshofes in bezug auf die verloren-

gegangenen Belege oder Quittungen fn den Kolonien follten endli aus der Welt geschafft werden. s

Staatssekretär des Neichsshazamts Kühn: Der Vorredner hat eine unmittelbare Frage an mi gerichtet, die ih beantworten mödhte, soweit es mir im Augenblicke möglich ist. Er hat eine Auskunft darüber gewünscht, ob und wann dem Reichstage das Etatsbewirtschaftungsgeseß vorgelegt werden würde. Dieses Gesetz ist nit so leiht aufzu- stellen, wie es ten Anschein haben könnte. Wie rihtig das ist, beweist der Umstand, daß der Reichstag wiederholt eine derartige Vorlage ge- fordert hat, ohne daß dies zu einem Erfolge geführt hat, das .bewtist auch die Fülle der Fragen, die bei folchen Anlässen gestellt werden. Aber ich kann dem Vorredner versichern: das Reichsschaßamt hat dasfelbe Interesse an tem Zustandekommen eines Etatébewirt- schaftungsgeseßes wie der Neichstag selbst. Wir werden das Steuer- feierjahr benuyen, um das Geseg fo shnell wie irgend möglich zu präparieren. Es wird dann, wenn nit in diesem Jahre, so vielleicht im nächsten, vorgelegt werden.

Die Vorlage wurde an die Rechnungskommission über- wiesen.

Es folgte die einmalige Beratung der Anleihe- dentschrift für das Reich für 19183.

Abg. Bernstein (Soz.): Das gesamte Sculdkapital des Reiches in Anleiben betrug am 30. September d. F. 4897 Millionen Mark. Diese Belastung mit Schulden {s volkswirtschaftlih außerordentlich ver- hângnisvoll, weil fie auf tie Lage des Geldmarktes ihren Einfluß aus- übt. Hinzu kommt noch die riesige Belastung auf Grund des neuen Militär- geseßes, die auch wieder ihre Wirkung auf den Geldmarkt ausüben wird. Der Zinsfay für die Neichsanleihen beträgt durchshnittlich 3,6 9%; bei der großen Sicherheit, die die Neichsanleihen bieten, und bei dem Zwang, der auf die Anlage von Kapital in NReichsanleihen ausgeübt wird, tis das ein außerordentlich hoher Zinsfay, Wir müssen nah einer Herabseßung der Zinsenlast des Reiches streben.

Der Präsident Dr. Kaempf erklärte darauf, daß mit der Vor- legung dieser Denkschrift den geseßlihen Vorschriften genügt sei.

Jn dritter Beratung wurde der Geseßzentwurf, betreffend die Beschäftigung von Hilfsrihtern beim Reichs- gericht, ohne Debatte angenommen.

(Schluß des Blattes.)

__ Dem Reichstage ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Handelsbeziehungen zum Britischen Reiche, nebst Begründung zugegangen.

Wohlfahrtêpslege.

__ Innerhalb des Verbandes deutscher Arbeitsnahweise, für den im neuen Reichshaushaltsetat die Subvention von 30 000 auf 50 000 6 erhöht worden ist ein Zeichen dafür, welche Be- deutung die Reichèregierung der vom Verband entfalteten Tätiakeit beilegt —, wurde am 22. d. M. ein Verband preußischer Arbeitsnachweise begründet. Diesem Verbande gehören alle preußischen Unterverbände an mit Ausnahme derjenigen von den Provinzen Pommern, Westpreußen und Schlesien. Sein Zweck ist, die gemein- samen Interessen der preußischen Arbeitsnahweise bei der preußischen Staatsregierung zu vertreten und die öffentliche, gemeinnützige Arbeits vermittlung in Preußen nah Kräften zu fördern. Zum Vorsißenden des Verbandes ist der Oberpräsidialrat Breyer, zu dessen Stell- vertreter Landeshauptmann Hammerschmidt und Stadtrat Dr. Flesch gewählt worden.

Kunst und Wissenschaft.

Die philosophisch-historische Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften hielt am 13. d. M. unker dem Vorsiß ihres Sekretars Herrn Roethe eine Sizung, in der Herr Seler úber das Manuscrit Mexicain Nr. 22 der Biblio- thèque Nationale de Paris Ias. Die Handschrift besteht aus zwei Teilen. Ein erster enthält die Nethen der Könige von Tlatelolco und Tenochtitlan; der zwelte eine Darstellung der Geschichte von Tlatelolco, fortgeseßt bis in die erste spanische Zeit. Aus Eigentüm- lichkeiten der Orthographie geht hervor, daß dieser Tert sehr alt ist, das älteste Literaturdenkmal der mexikanishen Sprache, das wir kennen. Herr Sachau legte den I. Band des von der Akademie unterstüßten „Thesaurus Japonicus“ von Dr. N. Lange (Berlin 1913) vor; Herr Koser überreihte den 1. Band feiner „Geschichte der brandenburgis-preußishen Politik“ (Stuttaart 1913).

In der an demselben Tage unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Waldeyer abgehaltenen Sißung der physikalisch- mathematischen Klasse las Herr Struve über die Be- stimmung von Sternparallaren am Königsberger Re- fraktor. In den Jahren 1902—1904 wurde am Königsberger NRe- fraktor eine Beobachtungsreihe zur Bestimmung der Parallarxen einiger Sterne mit starker Eigenbewegung in Angriff genommen. Ein jeder Parallaxenstern wurde am Fadenmikrometer durch Defklinations- differenzen an mehrere (6—7) benachbarte Vergleichsterne 9—11. Größe angeschlossen. Mtt Benugung einer Gitterblendung, durch welche die Helligkeit des Parallarensterns auf die durchschntitlihe Helligkeit der Vergleichsterne gebraht werden konnte, gelang es, den Besttmmungen eine befriedigende Genauigkeit zu geben, wie am Beispiel von 61 Cyani nachgewtesen wird. Die betreffenden Messungen werden in den Annalen der Königsberger Sternwarte Aufnahme finden.

Am 20. d. M. hielt die Akademie unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Noethe eine Gesamtstzung. Herr Zimmermann las über den Einfluß des Windes auf Bauwerke und eine Vor- rihtung zum Messen der Winddrucke auf Flächen und Körper. Die Bedeutung des Winddruckes für die Standsicherheit ist bei verschiedenen Bauwerken sehr ungleich. Sie tritt besonders hervor bei hohen Bauten auf kleiner Grundfläche, wie z. B. Türmen, Fabrikshornsteinen u. dergl. Der Gießensche Winddruckmesser soll dazu dienen, die erfahrungsmäßiaen Unterlagen E die Berechnung solher Bauwerke zu sammeln. Er eignet sich aber auch dazu, den Druck nach Größe und Richtung zu bestimmen, den ein Luft- strom auf beliebig geformte Körper ausübt. Herr Rubens legt eine Mitteilung des Professors Dr. Johann Stark in Aachen vor: „Beobachtungen über den Effekt des elektrishen Feldes auf Spektrallinien“. Die Arbeit enthält die wihtige Entdeckung des elcktrishen Añalogons zu dem bekannten magnetishen Zeemaneffekt. Durch Wahl einer geeigneten Versuhs- anordnung ist es dem Verfasser gelungen, Serienltnien verschiedener Elemente, insbesondere des Wasserstoffs und Heliums, mit Hilfe etnes starken elektrishen Feldes in {arf getrennte, vollkommen linear polarifierte Komponenten zu zerlegen. Die Untersuhung beschränkt sih zunächst auf den Transversaleffekt. Dieser ist bet den sogenannten diffffusen Linten besonders stark ausgeprägt, nimmt innerhalb derselben Serie mit abnehmender Wellenlänge an Größe zu und scheint der Intensität des Feldes angenähert proportional zu sein. Herr Brunner überreibte die 6. Auflage seiner „Grundzüge der deutschen MNechtsges{ichte" (München 1913), Herr Kuno Meyer die 2. Auflage seiner „Selections from Ancient Irish Poetry“ (Sondon 1913).

Die Akademie hat das korrespondierende Mitglied der physikalish- mathematischen Klasse Hubert Ludwig in Bonn am 17. Ncvember dur den Tod verloren.

Der Briefwechsel zwishen Goethe und Zelter wird im Auftrage des Goethe- und Scillerarhivs von Max Hedcker im Insel-Verlag in Leipzig neu herauégegeben, und zwar wird der erste der geplanten vier Bände {hon in ben nächsten Tagen erscheinen. Die Bedeutung dieser Neuausgabe der einst von Riemer besorgten gegen- über liegt in ihrer Volljtändigkeit und wissenschaftlichen Vetläßlich«