1895 / 10 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 12 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

3. Januar. Gebauer, Rechnungs-Rath, Rendant vom Bekleidungëamt des VII. Armee-Korps, auf feinen Antrag mit Pension in den Ruhestand verseßt.

Kaiserliche Marine.

Offiziere x. Ernennungen, Beförderungen, Ver- TJegungen x. Neues Palais, 7. Januar. Lavaud, Kapitän im See, zum Kommandanten S. M. Panzerschiffes 4. Klasse „Heimdall* ernannt.

Schutztruppe für Deutsh-Südwestafrika.

Neues Palais, 7. Januar. v. François, Major, unter Ent- bindung von der Stellung als Kommandeur der Schußtruppe, Tro oft, Sec. Lt., à la suite der Schußtruppe für Deutsh-Südwestafrika ge- Felit. Leutwein, Major à la suite des Inf. Regts: Graf Kirch- es (1. M, Nr. 46, beauftragt mit Wahrnehmung der Ge- schäfte des Landeshauptmanns für Deutsch-Südwestafrika, die Funktionen des Kommandeurs der Schußtruppe für Deutsch-Südwest- afrika übertragen.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 12. Januar.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute Vormittag den Vortrag des Staatssekretärs des Aus- wärtigen Amts, des Chefs des Generalstabs der Armee sowie des Chefs des Militärkabinets entgegen und empfingen die Meldung des Kriegs-Ministers. Um 1 Uhr meldeten si einige Offiziere bei Seiner Majestät. Nachmittags 3 Uhr fand im Weißen Saale des Königlichen S2losses die Vor- itellung der demnächst in die Armee tretenden Kadetten statt.

Gestern Abend nahmen Seine Majestät der Kaiser an dem u Ehren des von Berlin scheidenden Kaiserlich russischen Bot- Mhafters, Generals Grafen Paul Shuwalow von dem Offizier- korps des Kaiser Alexander Garde-Grenadier-RNegiments ver- anftaltieten Abschiedsmahl theil.

Jn der am Donnerstag, den 10. d. M., abgehaltenen lenarsißzung des Bundesraths wurde von dem Vor- enden, Vize-Präsidenten des Staats-Ministeriums, Staats-

jefretär des Jnnern Dr. von Boetticher zunächst dem am 20. Dezember v. J. verstorbenen Königlich sächsischen stellver- tretenden Bevollmächtigten, General - Staatsanwalt, Geheimen Rath Held ein ehrender Nachruf gewidmet. Nach dem Eintritt in die Tagesordnung wurden der Entwurf eines Geseßes für Elsaß- Lothringen, betreffend die Gebäudefteuer, der Geseßentwurf wegen Feststellung des Landeshaushalts - Etats von Elsaß- Lothringen für 1895/96, und der Entwurf einer Verordnung en des völligen Jnkrafttretens der auf die Sonntagsruhe bezüglihen Bestimmungen der Gewerbeordnungs - Novelle vom 1. Juni 1891 den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Eine Nachweisung der Veränderungen im Bestande des als Eigenthum des Reichs festgestellten Grundbesißes wurde vor- gelegt. Von der Denkschrift über die Entwickelung des Schuß- gebietes Togo wurde Kenntniß genommen und über die Wieder- besezungder Stelle eines Mitgliedes bei der Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds Beschluß gefaßt.

Endlih wurden die Ruhegehälter für eine Anzahl von Reichsbeamten festgestelt und dem Entwurf einer Ergänzung der Grundsäße für die Beseßung der Subaltern- und Unter- beamtenstellen bei den Reichs- und Staatsbehörden mit Militär- anwärtern (Anrehnung der Dienstzeit in den Schußzgebieten) die Zustimmung ertheilt.

Nach dem dem Bundesrath zur Beschlußfassung vor- liegenden Entwurf einer Verordnung, betreffend das völlige Jnukrafttreten der auf die Sonntagsruhe bezüglichen Bestimmungen der Gewerbeordnungsnovelle vom 1. Juni 1891 sollen die Bestimmungen der SH 105 a bis 105 f, 105h und 105i des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 (Neichs-Geseßbl. S. 261), soweit sie nicht bereits durch die Verordnung, betreffend das Inkrafttreten der auf die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe bezüglichèn Bestimmungen der Gewerbeordnungsnovelle vom 1. Juni 1891, vom 28. März 1892 (Reichs-Geseßbl. S. 339) in Kraft gesetzt sind, hinsihtlih der zu threr Durchführung étkorderliéhen Maßnahmen mit dem Tage der Verkündigung dieser Verordnung, im übrigen mit dem 1. April 1895 in Kraft treten.

Die Kommission für die zweite Lesung des Ent- wurfs eines Bürgerlihen Geseßbuhs für das Deutsche Reich seßte in den Sißungen vom 7. bis 9. Ja- nuar die am 19. v. M. abgedbrochene Berathung des Er b- rechts fort. ; /

Es wurden zunächst verschiedene, früher zurückgestellte An- träge erledigt, welche die Beschlüsse über die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers in einzelnen Richtungen zu ändern und zu ergänzen bezweckten.

Die Berathung wandte sich sodann den noch unerledigt gebliebenen Vorschriften über den Pflichttheil (§8 1975 bis 2018) zu. i /

Der S 1993 entscheidet die Frage, ob, wenn der Erbe mit Vermächtnissen oder Auflagen beschwert ist, die Pflicht- theilslast den Erben allein oder auch die Ver- mächtnißnehmer und die aus der Auflage Be- rechtigten trifft, dahin, daß der Erbe in Ermangelung einer anderen Bestimmung des Erblassers wegen der ihn treffenden Pflichttheilslast die Vermächtnisse und Auflagen in dem Ver- hältniß kürzen fann, in welhem der nah Abzug der Nachlaß- verbindlichkeiten sich ergebende Werth der Erbschaft L dem Werth der Vermächtnisse und Auflagen steht. Dieje Vor- schrift wurde mit dem Zusaß angenommen, daß einem pflicht- theilsberehtigten Vermächtnißnehmer gegenüber die Kürzung nur insoweit zulässig ist, als sie den ihm gebührenden Pflicht- theil unberührt läßt. Weiter soll hinzugefügt werden, daß der Erbe, wenn er selbst pflichttheilsberehtigt ist, die Erfüllung der Vermächtnisse oder Auflagen insoweit verweigern kann, als ihm infolge des Hinzutretens der Pslichttheilslast nur der Werth des ihm gebührenden Pflichttheils verbleibt.

Gegen die Vorschrift des § 1994, der zufolge mehrere Erben nach Verhältniß ihrer Erbtheile haften, für das Verhältniß der Erben zueinander jedoch eine andere Art der Haftung von dem Erblasser bestimmt werden kann, erhob sich fein Widerspruch. Man war aber einverstanden, den S 1994 durch folgende Zusäße zu ergänzen :

„Hat der Erblasser den Erbtheil des Pflichttheilsberehtigten einem anderen zugewendet, so isi im Zweifel anzunehmen, daß die Pflichttheilslast von diesem getragen werden d l

Soweit einer der Erben selbst pflichttheilsberehtigt ist, kann er die Erfüllung des Pflichttheilsanspruhs insoweit ver- weigern, als das ihm Hinterlassene nach Abzug des ihm ge- bührenden Pflichttheils zur Erfüllung niht ausreiht. Für den Ausfall haften die übrigen Erben nah dem Verhältnisse ihrer Erbtheile.“ :

Die 88 1995 bis 1998, welche für gewisse Fälle nähere Bestimmungen über die Haftung der Erben im Verhältnisse zu einander und zu Vermächtniß- A pphnde treffen, gelangten sahlich nach dem Entwurf zur Annahme.

Die Vorschriften des § 1999 über die Verjährung des Pflichttheilsanspruhs erfuhren keine Anfechtung.

Im Anschluß an die meisten neueren Geseßgebungen, ge- währt der Entwurf (S8 2000 bis 2008) dem Erblasser die Befugniß, in gewissen Fällen den Pflichttheil zu entziehen oder zu beshränken. Die Gründe, aus welchen die Pflicht- theilsentziehung oder die Beschränkung erfolgen darf, sind einzeln und in ausshließender Weise bestimmt. Diese Art der Regelung wurde von verschiedenen Seiten beanstandet. Anlangend insbeson- dere die im 8 2001 unter sieben Nummern aufgeführten Gründe, aus denen der Erblasser einem Abkömmlinge den Pflicht- theil entziehen kann, war beantragt, den § 2001 im Anschluß an die Fassung der S8 475, 1463 des Entwurfs Il durch folgende Vorschrift zu erseßen:

„Ein Abkömmling- kann enterbt werden, wenn er durch

eine chwere Verfehlung gegen den Ealer oder gegen nahe 0 es oder unsittliches

Angehörige desselben, oder durch ehrlo "1 Verhalten eine so tiefe Zerrüttung seines Verhältnisses zu dem Erblasser vershuldet hat, daß dieser das Verhältniß als für immer aufgehoben behandeln darf.“

Ein anderer Antrag ging dahin, an Stelle des § 2001 zu bestimmen: l

- „Der Erblasser kann den Pflichttheil einem Abkömmling entziehen, wenn dieser sich einer shweren Verleßung der ihm gegen den Erblasser obliegenden Pflichten shuldig gemacht hat. Als schwere Verleßung der dem Erblasser gegenüber bestehenden Pflichten gelten nabesónbire die Begehung eines {weren Ver- brehens gegen den Erblasser, dessen Ceganen oder dessen Abkömmlinge sowie die bösliche Nichterfüllung der dem Ab- kfömmlinge gegenüber dem Erblasser obliegenden Unterhalts- verpflihtung.“ S i

Nach einer eingehenden Erörterung entschied sich 1edoch die Mehrheit unter Ablehnung der Anträge für den Stand- punkt des Entwurfs. Im einzelnen wurden sodann zu dem S 2001 folgende Beschlüsse gefaßt: S _ / Gegen die Nr. 1, wona der Erblasser den Pflichitheil einem Abkömmling entziehen kann, wenn dieser dem Leben des Erblassers oder eines anderen Abkömmlings oder des Ehegatten des Erblassers nachgestellt hat, erhob fh kein Widerspruch. | ¿4

Nach der Nr. 2 kann einem Abkömmlinge der Pflicht- theil entzogen werden, wenn sich der Abkömmling einer vor- säßlichen körperlihen Mißhandlung des Erblassers oder dessen Ehegatten, sofern dieser ein leibliher Elterntheil oder Vor- elterntheil des Abkömmlings ist, s{chuldig gemacht hat. Auch dieser Entziehungsgrund fand die Zustimmung der Kommission. Ein Antrag, die Entziehung des Pflichitheils nur wegen einer vorsäßlihen groben Mißhandlung zuzulassen, wurde ab- elehnt.

z ‘Der unter Nr. 3 aufgeführte Entziehungsgrund: „wenn der Abkömmling den Erblasser oder dessen Ehegatten dur Anzeige bei einer Behörde wider besseres Wissen der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens beschuldigt hat“, soll dahin verallgemeinert werden: „wenn der Abkömmling gegen den Erblasser oder gegen dessen Ehegatten ein Verbrechen oder ein \Hweres vorsäßlihes Vergehen begangen hat“. S

In der Nr. 4: „wenn der Abkömmling in einer Straf- sache oder Disciplinarsache vorsäßlich zum Nachtheil des Erb- lassers oder dessen Ehegatten als Zeuge oder Sachverständiger eines Meineids sich s{huldig gemacht hat“, sollen die Worte „in einer Strafsache oder Disciplinarsache“ ge}strihen werden.

Die Nr. 5: „wenn der Abkömmling des Ehebruchs mit dem Ehegatten des Erblassers fih shuldig gemacht hat“, sowie die Nr. 6: „wenn der Abkömmling den von ihm, dem Erblasser zu gewährenden Unterhalt böswillig nicht gewährt hat“, wurden sahlih niht beanstandet. Der Redaktionskommission blieb jedoh die Prüfung vorbehalten, ob nicht die Nr. 5 neben der neuen gassung der Nr. 3 entbehrlich sei. i E

Die Nr. 7, derzufolge einem Abkömmlinge der Pflichi- theil entzogen werden fann, wenn der Abkömmling ohne die erforderliche Einwilligung des Erblassers eine Ehe geschlossen hat, wurde gestrihen. An Stelle der Nr. 7 soll die Vorschrift treten, daß die Entziehung des Pflichtitheils zulässig ist, wenn der Abkömmling einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel gegen den Willen des Erblassers führt. /

Der Entwurf geht im übrigen davon aus, daß die Ent- zichung des Pflichttheils nur zulässig ist, wenn der sie reht- fertigende Grund schon zur Zeit der Anordnung bestand (8 2000 Satz 2). Von einer Seite wurde die Streichung dieser Vorschrift beantragt. Die Mehrheit trat jedoch dem Entwurfe bei. i

Der 8 2002 regelt die sog. Enterbung aus guter Absicht. Die Berathung dieser Vorschriften und der dazu gestellten Anträge wurde niht zu Ende geführt.

Nach der im Reichs-Eisenbahnamt aufgestellten N a ch- weisung über die im Monat November v. J. auf deutshen Bahnen (ausschlicßlih der bayerischen) bei den Zügen mit Personenbeförderung vorgekommenen Verspätungen haben auf 34 größeren Bahnen und Bahnneten mit einer Gefsammtbetriebslange von 38 008,72 km von den fahrplanmäßigen Zügen überhaupt sich ver- spätei: 546 Schnellzüge, 748 Personenzüge und 286 zur üterbeförderung gleichzeitig dienende

üge, zusammen 1580. Von den fahrplanmäßigen Zügen mit Personenbeförderung wurden geleistet: 15245820 Zug- filometer, 293 582 345 Achsfilometer gegen 15 782889 Zug- und 8311443128 Achskilometer im Vormonat un gegen 15912917 Zug- und 280878513 Achskilometer in demselben Monat des Vorjahres. Von den Ver- spätungen wurden 482 durh das Abwarten verspäteter An- ¡chlußzuge veranlaßt, sodaß den aufgeführten Bahnen felbst 1098 Verspätungen zur Last fallen, gegen 1710 im Vormonat und 1405 in demselben Monat des Vorjahres. Von den auf

A sowie zur

eigener Bahn vorgekommenen ätungen entfallen auf 1 Million Zugkilometer 72, 1 ‘Dlillion Achskilometer 4, mithin auf 1 Million Zugkilometer 16 = 18 v. §. weniger als im Monat November des Vorjahres u

36 = 33 v. H. weniger als im Vormonat, und auf 1 Million Achskilometer 1 = 20 v. H. weniger als im Monat November des Vorjahres und ebenso viele weniger als im Vormonat. Jnfolge der Verspätungen wurden 1021 An- schlüsse versäumt (gegen 1264 in demselben Monat des Vor- abres und 1606 im Vormonat). Bei 5 Bahnen find Zug- verspätungen und bei 11 Bahnen Anschlußversäumnisse nicht vorgekommen. Jn der Nachweisung find die nen, auf denen Zugverfpätungen vorkamen, nah der Verhältniß- ahl (geometrishes Mittel) zwishen der Anzahl der von den Mécvplanuéßitn der Personenbeförderung dienenden Zügen auf 1 Million Zugkilometer und der auf 1 Million Achs- filometer entfallenden eigenen Nang geordnet. Danach nehmen die Marienburg - Mlawfaer Bahn, die Bahnen im Bezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion (linksrheinische) zu Köln und diejenigen im Bezirk der Königlichen Eisenvahn-

Direktion zu Frankfurt a. M. die ungünstigsten Stellen ein. .

Wird die Reihenfolge der Bahnen statt nah der Anzahl der Ver- E nah der Anzahl der Anshlußversäumnisse bestimmt, o treten die Bahnen im Bezirk der Königlichen Eisenbahn- Direktion (linksrheinische) zu Köln, sowie diejenigen im Bezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktionen zu Erfurt und zu Franuk- furt a. M. an die ungünstigsten Stellen.

hat, behufs Theilnahme an dem Kapitel des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler, Paris mit Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit fungiert der Erste Botschafts - Sekretär, Legations-Rath von Schoen als interimistisher Geschäfts- träger.

Der Kaiserlihe Botschafter in Paris Graf ga Münster |

S. M. S. „Sperber“, Kommandant Korvetten-Kapitän Walther, ist laut telegraphisher Meldung an das Ober- Kommando der Marine am 10. d. M. von Kamerun nach St. Paul de Loanda in See gegangen.

VBsürttemberg.

Gestern fand in Stuttgart in Gegenwart Jhrer Majestäten des Königs und der Königin, Jhrer Kaiserlichen Poien des Erzherzogs und der Erzherzogin Karl Lud- wig und des Erzherzogs Ferdinand von Oesterreich sowie Jhrer Königlichen Hoheiten des Herzogs und der Herzogin Philipp und der Herzoge Albrecht, Robert und Ulrich von Württemberg, des Prinzen und der PrinzessinJohann GeorgvonSachsen, Jhrer Kaiserlichen Hoheit der Herzogin Wera und Jhrer Königlichen Hoheiten der Prinzessinnen Elsa und Olga die Taufe des jüngst- geborenen Sohnes des Herzogs Albrecht statt. Der Prinz erhielt die Namen Albrecht Eugen Maria Philipp Kar Joseph Fortunatus.

Hefsen.

Die Zweite Kammer bewilligte in ihrer gestrigen Sizung die für Nebenbahnen verlangten 5 Millionen Mark.

Sachsen-Altenburg.

Seine Hoheit der Herzog hat si vorgestern nah Dresden begeben, um fi dori einer Mafsagekur zu unterziehen.

Schaumburg-Lippe.

Seine Durchlaucht der Fürst empfing gestern in feierlicher Audienz den Königlich preußischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigien Minister am Hofe zu Oldenburg, Legations-Rath Grafen Monts, der ein Schreiben Seiner Majestät des Kaisers und Königs überreichte, dur welches derselbe in gleicher Eigenschaft am Fürstlihen Hofe beglaubigt wird. Nach der Audienz fand Galatafel statt, zu der auch der Gesandte zugezogen war.

Oesterreich-Ungarn.

Nach einer Meldung der gestrigen Budapester Abend- blätter dürfte das ungarishe Ministerium demnächst fonstituiert werden. Baron Banff h werde das Präsidium und das Ministerium des Jnnern, der bisherige Handels- Minister von Lufkacs die Finanzen, der Staatssekretär Teleszky das Justiz-Ministerium und der bisherige Minister des Jnnern H ieronymi das Handels-Ministerium übernehmen. Die Minister Freiherr von Fejervary, von Eoetvoes, Graf Festetics und Fossipovih würden ihre Portefeuilles behalten. Die Liste der Mitglieder des Kabinets stehe jedoch noch nicht fest.

Îm böhmischen Landtag begründete gestern, wie

„W. T. B.“ meldet, der Abg. Janda (Jungczehe) einen Antrag auf Revision der Landtagewahlordnung und erklärte, die Jungczehhen als Demokraten würden niemals von dem allgemeinen Stimmrccht ablafsen. Der Antrag wurde einer Kommission überwiesen. Der Abg. Kaften begründete ein Mur auf Aufhebung des Ausnahmezustandes, wies auf die Loyalität des czehishen Volks hin und appellierte an die Deutschen, die» wenn fie wahrhaft liberal seien, für die Aufhebung stimmen müßten. Der Redner beantragte die Ueberweisung des An- trags an eine Kommission. Hierfür stimmten nur die Alt- und die Jungczehen, sodaß der Antrag a limine abgewiesen wurde, was Entrüstungsrufe der Czechen veranlaßte, Bieran wurde ‘die erste Lesung des Antrags Scholz auf Erla eines Geseßes über den Gebrauch der beiden Landes- sprachen seitens der öffentlihen Behörden Böhmens be- onnen. Am Schluß der Sizung brahte der Abg. Rieger im Namen der Altczehen einen Antrag ein, welcher besagt, das Landtagswahlrecht solle auf alle bisher unvertretenen Volksklassen ausgedehnt und allen wichtigen Volksschichten Vertretung im Landtag gewährt werden; ferner sollten die Wahlbezirke nah einem für beide Nationalitäten gleihen Maßstab eingetheilt und in den Landgemeinden direkte Wahlen abgehalten werden. Die Regierung solle aufgefordert werden, das Recht des Landtags zur Beschickung des Reih® raths wiederherzustellen.

S

Das in Triest erschei nende slovenishe Blatt „Edinost“ veröffentlicht eine Zuschrift der vier slovenishen Abge- ordneten des Triester Landtags an den Bürgermeister

itteri, worin erklärt wird, sie würden von den Landtags-

erhandlungen fern bleiben, weil sich die kompakte italienische Mehrheit gegenüber den Jnteressen der slovenishen Bevölke- rung prinzipiell ablehnend verhalte, und weil sie im Landtag Jnsulten von seiten der Galerien shußlos ausgeseßt seien.

In Parenzo versammelte sich vorgestern Abend eine große Volksmenge vor dem Landtagsgebäude, brachte den italienishen Abgeordneten eine Ovation und durh- og, ein italienishes Lied singend, die Stadt. Um 10 Uhr

errshte wieder vollsiändige Ruhe.

Frankreich.

Jn der gestrigen Sißung des Senats übernahm Challemel-Lacour den Vorsiß und führte, wie „W. T. B.“ berichtet, in einer Ansprache aus, das Land vertraue darauf, daß der Senat in seiner Weisheit und Festigkeit die Utopien bekämpfen werde, die seit einiger Zeit sowohl in Frankreich, wie in der ganzen Welt auftauhten. Challemel-Lacour er- wähnte alsdann die jüngste Deputirtenwahl in Paris und be- tonte, wenn dergleichen Wahlen häufiger werden sollten, würden sie zu einer Beunruhigung des Landes führen.

Die Deputirtenkammer nahm die Berathung des Budgets für die Eh renlegion wieder auf.

Clémenceau hat die ihm im Arrondissement Tonnerre angebotene Kandidatur zur Deputirtenkammer abgelehnt.

Der Pariser Gemeinderath konnte gestern bei der Verhandlung über die Stadtbahn zu keinem Einvernehmen fommen und beschloß, an den Wahlkörper zu appellieren. Der Präfekt machte gegen diesen Beschluß Vorbehalte.

Spanien.

Der Minister des Auswärtigen soll, dem „W.T. B.“ zufolge, erklärt haben, es sei möglih, daß das Handels- übereintommen zwishen Spanien und den Vereinigten Staaten betreffs Cubas heute zu stande käme. Sechzig Senatoren und Deputirte, welhe die an der Woll- und Getreidefrage betheiligten Distrikte verträten, billigten die ver- söhnlihe Haltung der Regierung.

Rumänien.

___ Der Kriegs-Minister Poënaro isst in Turn Magurelli einstimmig zum Senator gewählt worden. . Jm ersten Gemeinde-Wahlkollegium in Braila if die konserva- tive Liste durhgedrungen ; gestern fand die Wahl im zweiten Kollegium statt; Vormittags kam es dabei zu Zusammen- stößen, infolge deren drei Personen verhaftet wurden.

Bulgarien.

Der „Politishen Korrespondenz“ wird aus Sofia ge- meldet, daß von gut unterrichteter Seite versichert werde, eine ge- richtliche Anklage gegen Stambulow sei wegen der Angelegen- heit der Ermordung Beltschew's gänzlich ausgeschlossen. Wahr- scheinlich sei die Untersuchung bereits eingestellt worden.

Dänemark.

Das Befinden der Königin ift nach einer Meldung des „W. T. B.“ besser, do entstehen mitunter heftige neuralgische Schmerzen, die eine s{hnellere Entwickelung der Rekonvalescen hindern, obgleih der Appetit ein wenig besser und der Schlat genügend ift.

Amerika.

Wie „W. T. B.“ aus Washington berichtet, brachte West in der gestrigen Sißung des Senats eine Finanz- vorlage ein, Aimtaih jährli eine Anzahl von Noten, die in Gold und Silber einzulösen seien, eingeführt und alle jeßigen Schaßnoten und Silberzertifikate getilgt werden sollen.

Wie die „Times“ aus Buenos Aires von gestern meldet, wurden die Geseßze wegen Gewährung eines fünfjährigen Moratoriums an die e Pete und Er- mächtigung der National-Regierung zur Uebernahme der Schul- den der Mootatn veröffentlicht.

Afien.

_ Das „Reuter she Bureau“ meldet aus Yokohama von

geitern, nah weiteren Berichten habe die bei Kaiping ge- schlagene Mei Streitmacht aus 3000 Mann mit zioólf Kanonen bestanden. Etwa zweihundert Chinesen seien getödtet und 150 zu Gefangenen gemacht worden. Die Verlufie auf japanischer Seite seien in der Meldung nicht erwähnt. Nah einem Telegramm aus Kintshu vom 11. d. M. berichteten japanische Kundschafter, daß eine große hinesische Division, die sih auf Kaiping zu bewegt habe, um die dortigen Truppen zu A jeßt, nicibean sie die Einnahme von Kaiping erfahren, auf Niutshuang zurückgehe. _ Dasselbe Bureau berichtet aus Tientsin von heute, die Zapaner rückten energish gegen Tsin-t\hou vor, während 1h die Chinesen langsam nah der Großen Mauer zurü- zogen, wo sie, wie man erwarte, Halt machen und dem Feind entgegentreten dürften. Der Schnee ershwere den Marsch der Truppen. Mehrere kleinere Gefechte hätten stattgefunden, bei denen die Chinesen zahlreihe Verwundete gehabt hätten.

Afrika.

Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Massovah, General Baratieri befinde sich bei Adisadi am Mareb. Ras Mangascha stehe mit seinen Mannschaften bei Belesa. In Kassala herrsche Ruhe.

Parlamentarische Nachrichten.

_ Der Bericht über die gestrige Sißung des Reichstags befindet sih in der Ersten Beilage.

In der heutigen, 13. Sißung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, der Staats- sekretär, Staats-Minister Freiherr von Marschall, der Staatssekretär Nieberding, sowie die Staats - Minister von Köller und Schönstedt beiwohnten, wurde die erfte

Berathung des Geseßentwurfs, betreffend Aenderung und

Ergänzungen des Strafgesezbuchs, des Militär- Strafgeseßbuchs und des Geseßzes über die Presse,

fortgeseßt.

Abg. Lerno (Zentr.) trat als bayerishes Mitglied des Hauses den Ausführungen der Mfg Kröber und Sigl entgegen, welhe auf

eine angebli erregte Stimmung in Bayern Bezug genommen hatten. Eine gewisse Aufregung werde lediglich durch die ungünstigen wirth\{haftliGen Verhältnisse hervorgerufen; in Bezug auf das vorliegende Gesey werde von der bayerishen Bevölkerung Sa ber Zentrumspartei getbeilt, daß eine kommissarische üfung der Vorlage wünschenswerth sei. Im übrigen bemerkte der edner, daß, was die Stellungnahme seiner Partei anlangt, diese jedenfalls für weitere Einschränkungen der Presse nicht zu baben sein werde; den in der Presse zu Tage tretenden Uebelftänden würde am besten durch einen journalistishen Befähigungsnachweis und einen Chrenrath für die Zeitungsredafteure abzuhelfen sein. Der vom Abg. Sigl an der bayerishen Geseßze8handhabung und Rechtsprehung ge- übten Kritik und der von der Fuhémühler Angelegenheit Aeeebonen Darftellung trat der Redner mit Entschiedenheit entgegen. Der dabei gebrauchte Ausdruck „grobe Unwabrbeiten* zog ihm von Seiten des Präsidenten von Leveßow einen Ordnungsruf zu. __ Der Abg. Spahn (Zentr.) führte aus: Es handle sich im vor- [liegenden Gefeß troy der gemeinrechtlichen Form desselben do in der Sabe um ein neues Ausnahmegeseß. Die Zentrumspartei beabsichtige bei dieser Gelegenheit feineswegs, wie ihr im- putiert werde, eine do ut des -Politif zu treiben. Sie werde unbefangen an die Prüfung des in Aussicht gestellten Materials herantreten. Das Vertrauen zu den Richtern könne für die Zu- stimmung zu einem solGen Geseze nicht maßgebend sein; das Ent- scheidende fei, daß die Volksvertretung Waffen geben solle, auf deren Gebrauch sie keinen Einfluß habe. Ein Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft habe dem ersten Redner der Zentrumspartei fern ge- legen; die Partei verlange nur, daß die vom Staat angestellten Lehrer die Jugend im Sinne des Glaubens der Väter erzögen.

Li Darauf nimmt bei Schluß des Blattes der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe das Wort.

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Die Polizeibehörde is, nach einem Urtheil des Ober-Ver- waltungsgerihtis, IV. Senats, vom 11. Juïi 1894 befugt, das Auf- shlagen der Thürflügel von Sheunen, Thorwegen 2c. nah der Verkehréstraße hinaus îm verkehrépolizeilichen Interesse zu ver - bieten, dagegen fann sie niht zugleih vorschreiben, daß die Thür- flúgel nah innen aufshlagen müssen. „Die polizeilide Anordnung, insoweit sie das Aufschlagen der Thorflügel na außen verbietet, ist jedenfalls begründet, wenn der jetzige Zustand nachallgemeinen polizeilichen Gesichtépunkten nicht länger geèuldet werden kann. In dieser Beziebung steht fest, daß der Bürgersteig jeßt näher, als früber der Fall war, an die Scheune berangelegt worden ist, und daraus ergiebt sich von selbst, daß, da der Bürgersteig für den öffentlichen Verfz2hr bestimmt ist, für diesen eine Ershwerung und unter Umständen selbst eine Ge- fabr für das den Bürgersteig benußende Publikum vorliegen würde, wofern die Thorflügel beim Aufslägen in letzteren bineinragen. Solchen Uebelständen vorzubeugen, insbesondere für „Ordnung, Sicher heit und Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen, Wegen und Pläßen“ zu forgen und die nöthigen Anstalten zu treffen «¿zur Abwendung der dem Publikum oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr“, ist Sache und Aufgabe der Polizei 10 II 17 A.-L-R., § 6 Polizeigesey vom 11. März 1850.) That- sähli ragen die geöffneten Thorflügel in den Bürgersteig hinein ; darauf, ob dies mehr oder weniger der Fall ist, komnit es nicht an. Wird überhaupt die Passage auf dem Bürgersteig, der als folcher in vollem Umfang für den öfientlihen Verkehr frei erbalten werden muß, erschwert oder gefährdet, so lag für die Polizeibehörde genügende Veranlafsung vor, einem solchen Zustand entgegenzutreten und seine Abänderung zu verlangen. Dagegen geht die polizeilihe Verfügung insofern zu weit, als sie nit bloß das Aufshlagen des Scheunen- thors nach außen verbietet, sondern zugleich vorschreibt, daß die Oeffnung des Thores nah innen geshehen müsse. Damit wird dem Kläger die Möglichkeit benommen, dem vorhandenen polizeiwidrigen Zustand in anderer und für ihn vielleiht weniger lästigen Weise ab- zuhelfen. Es könnte z. B. sein, daß Kläger Schiebethüren oder eine

der Scheuer zur vollen Verfügung bleibt. Dies muß ihm, soweit niht etwa einer von ihm beabsichtigten Abänderung andere polizeiliche Gesichtspunkte entgegenstehen, unverwehrt bleiben.“ (IV. 903.)

Auf die von den Adijacenten an einer neuen, zur Be- bauung bestimmten Straße zu leistenden Beiträge zu den Straßen- herftellungskoften finde, nah einem Urtbeil des Ober-Verwal- tung8gerihts, IT. Senats, vom 24. Oftober 1894, weder das Gesetz vom 18. Juni 1840 über die Verjährungsfristen bei öfent- lichen Abgaben noch das Geseß vom 31. März 1838, wegen Ein- führung FTürzerer Verjährungéfristen, Anwendung. „Während das Ober - Verwaltungsgeriht s{chon in dem Endurtbeile vom 16. September 1892 fich dafür ausgesprohen bat, daß das Geseh vom 18. Juni 1840 auf die Anliegerbeiträge des Fluchtliniengeseß vom 2. Juli 1875 keine Anwendung finde, ift seitens des Vertreters des Klägers auf den § 2 Nr. 8 des Gesezes vom 31. März 1838 wegen Einführung kürzerer Verjährungsfristen ver- wiesen worden, wonach mit dem Ablauf von vier Jabren verjähren die Forderungen auf Nachzablung der von den Gerichten, General- kommissionen, Revisionskollegien und Verwaltungsbebörden gar nicht oder zu wenig eingeforderten Kosten mit Einshluß der Stempel- und Portogefälle, sowie ferner auf den § 3 a. a. D. Aber {hon aus dem Wortlaut des § 2 Nr. 8 geht hervor, daß derselbe sih lediglich auf die Kosten der Verfahren beziebt, welche bei den dort bezeihneten Behörden geschwebt baben. Demnach ist die Forderung des beklagten Magistrats felbst dann durch Verjährung nicht erloshen, wenn der Beginn der Frist bereits von der im Jahre 1884 erfolgten Errichtung des Baues, welcher zu der Heranziehung Anlaß gegeben hat, und nit erft von der, späteren Vollendung der Straße oder der Feststellung der Anlegungskoften ab zu rechnen sein follte.*“ ‘TI 1434.)

Statiftik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

_Aus Münster wird dem „Vörwärts* mitgetheilt, daß die Bürstenmacher einer dortigen Bürsftenfabri? infolge einer Lohnkürzung ausftändig feien. 7

In Leipzig beschäftigte sh eine Versammlung der Stein- arbeiter am Donnerstag mit der angeblichen , Maßregelung“ einiger Marmorschleifer dur die Leitung einer Leipziger Marmorfabrik. Vor Weihnachten hatte, wie die „Leipz. Ztg.* berichtet, eine gleiche Ver- sammlung die Ausarbeitung eines Lohntarifs für die Marmorschleifer beshlossen. Die erwähnte Fabrik foll nun die Entlaffung derjenigen Arbeiter verfügt haben, die sih bereit erklären, den Tarifentwurf mit auszuarbeiten. Die Versammlung beschloß, die Entlassenen zu unterstützen, und ernannte ein Comité, das wegen der Wiedereinftel- lung mit der Geschäftsleitung unterhandeln foll. :

_ In Eittlingen haben die Schneider über die Werkstätte des Herrn Eberle die Sperre verbängt. :

Hier in Berlin fand vorgestern eine Versammiung der Mit- glieder der fozialdemokratishen Berliner Gewerkschafts- fommission statt. Ueber den Ausstand der Weißgerber wurde, wie dem „Vorwärts“ zu entnehmen ift, berichtet, daß die An- elegenheit bis auf die Werkstatt Krüger geregelt sei; die Unter- tütßung hoffe die Gewerkschaft ohne fremde Hilfe durchzuführen. Die Gewerkschaftskommission gab ihre nachträgliche Zustimmung zu dem Ausstand. Die Lage der Arbeiter der Pianoforte-Fabrik von Görs u. Kallmann is nah den Ausführungen des Berichterstatters wenig verändert; unferstüßungsbedürftig \ind 71 Musikinstrumenten-

arbeiter.

andere Konstruktion anbringen wollte, bei welcher ihm der Innenraum;-

In Pet ift nah demselben Blatt in der Werkftätte Magyrius ein Ausstand der F eilenarbeiter ausgebrochen.

Aus Südwales wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß der A us-

stand der Weißblecharbeiter am 1. Januar nah einer Dauer von sech3 Wochen beendet worden sei. Statt der ursprünglich auf 25 Prozent festgeseßten Lohnverkürzung werden die Arbeiter nur eine Kürzung um 12k Prozent zu tragen haben. _ Nach Mittheilung des Statistishen Amts der Stadt Berlin find bei den hiefigen Standesämtern in der Wohe vom 1. Januar bis inkl. 5. Januar cr. ¿zur Anmeldung gekommen: 825 Lebendgeborene , 215 Ebeschließungen, 27 Todtgeborene, 470 Sterbefälle.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

/ Griechenland.

Zufolge Königlicher Verordnung vom 27. v. M. unterliegen die aus den zwishen Kap Anemourion und Samos gelegenen türkischen Hâfen kommenden Schiffe, mit Ausnahme folcher, welhe von Mersina kommen, in Griechenland einer zehntägigen Effektivquarantäne.

Brasilien. =- - je

Durch Verordnung des brasilianishen Ministers des Innern vom 11. v. M. findtdie argentinischen Häfen Rosario und Santa cholera- verseucht und alle übrigen Häfen der Argentinishen Republik für verdächtig erflärt worden. Alle aus diesen Häfen seit dem 28. No- vember v. J. abgegangenen Schiffe haben sich bei ihrer Aukunft in den brasilianishen Gewässern zunächst in dem Quarantänelazareth auf la Grande einer gesundheitspolizeilihen Behandlung zu unter- werfen.

: ___ Argentinien. __ Durch Regierungsdekret vom 30. Novemb-r v. I. sind die brasi- lianishen Häfen Rio de Janeiro und Santos für choleraverdähtig erklärt worden.

Durch Regierungsdekret vom 5. v. M. sind die gegen Herkünfte aus den Niederlanden und Belgien angeordneten Quarantäne- bestimmungen aufgehoben worden. Schiffe, welche seit dem 15. v. M. aus holländischen und seit dem 18. v. M. aus belgishen Häfen ab- gegangen sind, follen in Argentinien zum freien Verkehr zugelassen werden. (Vergl. „R.-Anz.* Nr. 219 vom 17. September und Nr. 244 vom 16. Oktober v. J.)

Uruguay.

Durch Verfügung der Regierung zu Montevideo sind sämmtlichz brasilianishen Häfen für choleraverdähtig erflärt worden. Infolge- defsfen unterliegen die aus einem brasilianishen Hafen seit dem 5. v. M. abgegangen Schiffe einer ahttägigen Quarantäne. (Vergl. „N.-Anz.“ Nr. 305 vom 29. v. M.)

Theater und Musik. Lessing- Theater.

Zum erften Mal erschien gestern das Shauspiel , Nach dem Manöver“ von Georg von Ompteda auf diefer Bühne und trug seinem Verfasser einen glatten Erfolg ein. Das Stück behandelt eine in Offizierskreisen sich abspielende Ehe-Episode in einfacher und interessanter Form. Bei der Heimkehr aus dem Manöver er- bält der vertrauensvolle Oberst von Horsbüll aus dem Munde seines jüngeren Bruders Friy selbs die Kunde von der tiefen, aber reinen Liebe, die er für die junge Gattin des alternden Bruders empfindet. Der Oberst zeigt dem Eindringling in das Heiligthum seines Hauses den einzigen Ausweg, der cinem Ehrenmann ziemt, nämlich die Entfernung. In dem Augenblick, als es dann zwischen den Ehegatten zur Aussprahe kommt, erfahren sie den freiwilligen Tod des Bruders und Geliebten. Was aus den beiden Gatten werden wird, läßt der Dichter unentschieden, wenn auch vorber von einer Nückkehr der jungen Frau zu ihrer Mutter die Rede ift. Der Verfasser hat im ersten Aft den Konflikt kurz und bündig dargelegt und die Wsung in zwei großen Scenen herbei- geführt, die sich durch etwas weitschweifige fkameradschaftliche Unterhaltungen und verwandtschaftlihe Anklagen zu je einem Aufzuge ausdehnen. Der Einblick, den man in das intimere Seelenleben der drei Hauptperfonen gewinnt, hätte unschwer vertieft werden fönncn und dann sicherlich eine noch lebendigere Antheilnahme erwedckt; troßdem ift aber anzuerkennen, daß alle Charaktere, auch die Nebenfiguren , durhaus den Stempel der Natürlibkeit und einfaher Lebenswahrheit tragen. Ein großer Theil an der guten Aufnahme des Stücks ist auf die Rehnuäg der trefflichen Darstellung des Herrn Sommersto rff zu seyen, der der Entrüstung und dem Scbmerz des gekränkten Ehegatten eine lebendige und warme Sprache verlieh. Herr We hrlin fam in der Rolle des jüngeren Bruders Friß aus dem fklagenden Ton der Reue nicht heraus, und Frau Geßner verlieh der etwas beschränkten jungen Frau einen rübr- seligen Ausdruck kindliher Unschuld. s

Als zweite Gabe des Abends folgte das âltere Lusispiel „Ein goldenes Herz“ von Labiche und Delacour in einer Ueber- seßung von Wilhelm Wolff. In diesem Lustspiel wird sehr fomisch die Umwandlung eines alten gutmütbigen Herrn in einen mißtrauishen_ Tyrannen und die Rücckwandlung zu seiner alten Vertrauenéseligkeit geschildert. Herr Waldow spielte die Hauptrolle des alten Herrn mit dem „goldenen Herzen“ zumeist mit wirksamem Humor und ursprüngliher, scherzhafter Charafteristik; auch Herr Horn brachte als Gegenstück die derbe Spießbürgermoral des geshäftékundigen Bruders, der allen mißtraut, glücklich zum Ausdruck, Das Lustspiel rief wiederholt ungezwungene Heiterkeit8ausbrüche hervor und hâtte wobl noch stärker gewirkt, wenn das Zusammenspiel im allgemeinen etwas flotter gewesen wäre.

Konzerte.

Die mit Spannung erwartete Aufführung des großen Requiems von Hektor Berlioz fand gestern im Saal der Philharmonie vor einem sehr zahlreih ershienenen Publikum statt. Es war die vierte Berliner Aufführung dieses Riesenwerks, das mit seiner über- reihen Verwendung von Chormaffen und erhestralen Mitteln wohl einzig dasteht. Außer den sehr zablreih vertretenen Chören waren vier Nebenorchester thätig, die theils in Gemeinschaft, theils abwedselnd mitwirkten. Ein besonderes Blaseorchefter, das in den oberen Saallogen placiert war, verhalf dem „Dies irae“ zu im- ponierender Wirkung. In dem zart gehaltenen „Quid sum miser“, dem Rex tremendae majestatis“ undim „Lacrymosa“ weselt die homo- phone Kompositionsweise öfters ab mit geistvoll .behandelter polyphoner Stimmenbewegung ; in dem melodiös gehaltenen „Sanctus“ war das von dem Tenoristen Herrn Paul Kalisch mit klangvoller Stimme und feelenvellem Ausdruck vorgetragene Solo von tief ergreifender Wirkung. Auch das „Agnus dei“ am Schluß des Werks hinterließ einen nahbaltigen Eindruckd. Das Publikum nahm das Werk mit entbusiastishen Beifallsbezeugungen auf und nöthigte den Dirigenten Herrn Siegfried Ochs mehrmals zu besonderem Erscheinen. Für die umsihtige und energische Leitung des im einzelnen wie in der Zusammenwirkung der Chor- und Orchestermassen sorgfältig einstudierten Werks gebührt dem begabten Dirigenten noch ganz besonderes Lob. Hoffentlich läßt sih eine Wiederholung ermöglichen.

Am Donnerstag gab der Herzoglih sächsische Hofpianist Herr Georg Liebling îm Saal der Sing-Akademie einen Klavier- abend, in welchem er Beethoven's fünfzehn Variationen in Es-dur, Schumann’s aht Phantasiestücke, op. 12, drei beliebte Piècen von Chopin und Liszt’s „Don-Juan“-Phantasie vortrug. Den vielseitigen Anforderungen, welche diese Werke an den Pianisten stellen, genügte der Spieler in höchst anerkennenswerther Weise. Sicherheit in der Behberrschung tehnisher Schwierigkeiten war vereinigt mit {wung- voller Ausdrucksweise, sodaß der ibm reichlih gespendete Beifall als ein woblverdienter zu bezeihnen ist. Ein fklangvoller Flügel von Duvsen kam der Wirkung seines Spiels sehr zu statten.