1895 / 21 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 24 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 5. Sißung vom Mittwoch, 23. Januar.

In der fortgeseßten ersten Berathung des Staats- haushalts-Etats (s. den Anfangsberiht in der gestrigen Nummer d. Bl.) spricht der Abg. von Eynern (nl.) wie folgt, weiter :

Auch dem Antrage Kaniß gegenüber nehmen wir dieselbe Stellung ein wie der Freiherr von Erffa, d. bh. wir wollen denselben prüfen. Wir wollen abwarten, ob uns neue Gründe vorgeführt werden, wonahch die frühere Beurtbeilung des Abg. von Bennigsen über den Antrag nicht gerechtfertigt ift. Aber hat denn der Antrag Kaniß, außer daß er einen agitatorischen Werth hat, die geringste Aussicht, auch in der bescheidensten Form im Reichstag angenommen zu werden? -Der ganze Westen, auch die Mitglieder des Zentrums aus diefen Landestheilen, werden gegen thn stimmen. Wir sind gar nicht abgeneigt, mit Ihnen (nach

rets) eine gemeinsame Thätigkeit zu versuchen tin Bezug auf die ]

Regelung der Börsenverhältnisse; wir wollen uns auch sehr gern der Führung unterwerfen, die von seiten der Königlichen Staatsregierung beansprucht wird und werden darf. Wenn wir jeßt an der Spike der landwirthschaftlihen Abtheilung einen Mann finden, der in der Pro- vinz, in der er bis jeßt thätig war, das Vertrauen aller seiner Fat genossen genießt, fo hoffen wir, daß dur die Thätigkeit des Freiherrn von Hammerstein-Loxten unserer Thätigkeit eine bestimmte. feste und durchzuführende Richtung gegeben wird, und daß wir von den Phantasien und Utopien, mit denen vielfach eine Agitation im Lande getrieben wird, hier im Hause nihts mehr erfahren. Der Krone fteht das Recht zu, die Minister zu ernennen und zu entlassen. Die Ausführungen des Abga. Richter über die Berantwortlichkeit der Minister hierbei haltè- 1h weder für bübsch noch nüßlih, aber das Recht dazu muß mar ihm zuerfennen. Es fommt dadurch auch ein frisches Element ia die Debatte. Ueber einen der ersten Schritte, die der neue Minister-Präsident gethan hat, nämlich den Fürsten Bismarck in Friedrihsruh zu besuchen, ist im ganzen Volk kein Zweifel, daß diese Annäherung an den größten lebenden Staatsmann fegenbringend für unfer Vaterland sein wird; denn wir \{öpfen daraus die Ueberzeuguùg, daß die deutsche Nation in den jeßigen schwierigen Fragen der Rathschläge des Fürsten Bismarck nicht zu entbehren brauht. Wenn die Dinge im Neichstag so weiter gehen, wird sih der Reichstag sein eigenes Grab graben. Wenn der NReichêtag die Bedürfnisse der Staaten nicht be- friedigt und uns in finanzielle Kalamitäten hineinsftellt, wird die Noth uns dazu drängen, eine preußische Partei zu bilden. Ich habe die Ueberzeugung, daß dann das deute Bürgerthum \ich zu!ammen- thun und sih von dem zersezenden Einfluß frei machen wird, den beute die Agitationspolitik des Abg. Eugen Richter in unserem Vaterland und allen bürgerlichen Parteien auéübt. Wenn wir uns auf den gemeinsamen Boden der Liebe zum Vaterlande stellen, fo werden wir in diesem Zeichen siegen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich will im allgemeinen auf die hochpolitischen Bemerkungen des Herrn Abg. von Eynern nicht eingeben, sondern mich an mein Ressort halten, aber da ih der erste Minister bin, der ihm in der Rede folgt, will ih doch davor warnen, daß in dieser Weise die \pezifisch preußi- schen Interessen durch Ankündigung einer preußischen Partei gegen die im Reich durch den Reichstag legal vertretenen Anschauungen betont werden. (Sebr wahr! links.) Meine Herren, ih halte ein solches Vorgehen, daß die eine Volksvert:etung in der Weise über die Ver- tretung des Deutschen Reichs \priht, für viel gefährlicher als das, was damit bekämyft werden soll.

Meine Herren, ih persönlich hätte mih ja wohl über den Reichs- tag und seine Voten bisher am meisten zu beklagen gehabt, aber ich würde mich do hüten, solWe Dinge auszusprechen, ja in eine solhe Stimmung zu gerathen. Jch hoffe, {ließlich werden die Macht der Gründe und die Nothwendigkeit, die in den Dingen kiegt, auch inm Reichstage noch zu einem guten Ziel führen, und man würde dann um so mehr bereuen, sich in einen solhen unnöthigen Gegensaß gegen denselben geseßt zu haben. (Sehr gut! links.) Meine Herren, im übrigen muß ih fagen, daß ich eigentlich feine Veranlassung hätte, dem Abg. von Eynern viel zu erwidern, weil ih annehmen muß nach der bis- herigen Geschichte seiner politishen Freunde und na ihren Abstim- mungen, daß er in wesentlichen Beziehungen allein steht, und ich hätte daher wenig Veranlassung, mih um ihn zu kümmern. (Heiterkeit.) Aber, da ih sehe, daß Herr von Eynern so übel und melancholish gestimmt ist und gegen alle Parteien, gegen alle Minister seine sehr spizen Be- merkungen auszustreuen fich bewogen findet, fo halte ih mich einem so angesehenen Mitgliede dieses hohen Hauses gegenüber dtoch ver- pflichtet, ihm einige tröftende Bemerkungen zu machen. (Heiterkeit.)

Meine Herren, der Herr Abgeordnete plaidiert gegen die Ein- kommensteuer und die Deklaration. Es waren seine politischen Freunde, die dafür am allerentshiedensten eingetreten sind. Er be- flagt die üblen Folgen des Kommunalsteuergeseßes und er erwartet- daß nach zehn Jahren sich zeigen werde, was das für ein verkehrtes Gese sei, während er selbst es war, der für dieses Gefe eingetreten ift und in diesem Gese einen großen Fort- schritt erblickt hat. Er beklagt, daß wir eine außerordentliche Schulden- tilgung haben, während der Herr Abg. Dr. Hammacher unter Unter- stüßung seiner ganzen Partei in einer Zeit, wo ich weder Minister noch Abgeordneter war, zu meiner großen Genugthuung diese außer- ordentlihe Schuldentilgung durhgeseßt hat.

Nach diesen Beispielen, die ih noch sehr vermehren könnte, kann ih unmöglich annehmen, daß der Herr Abg. von Eynern namens feiner politishen Parteifreunde hat sprechen können. Ich will aber auf das Einzelne doch mit -ganz kurzen Worten eingehen. Der Herr Abg. von Eynern sagt: man klage doch über die Durhh- führung dieser neuen Steuern viel im Lande. Nun, meine Herren, ih möchte den Künstler sehen, der eine so große Umgestaltung des Steuerwesens durchführen könnte, ohne daß nit von der einen oder anderen Seite geklagt würde. Diejenigen was ja namentlich am Nhein vielfa der Fall if —, die nun erheblich stärker zur Steuer auf Grund einer gerechteren Veranlagung herangezogen werden, daß die nicht in einer besonders günstigen Stimmung \sich befinden, ver- denke ih ihnen gar niht. (Heiterkeit.)

Aber, der Reformator wird \ih von vornherrin immer auch auf die andere Folge gefaßt machen müssen, daß diejenigen, die entlastet sind, nicht rühmen, sondern schweigen. (Sehr richtig!) Sie nehmen das als etwas Angenehmes hin. Die allgemeinen Staätsinteressen treten überhaupt in den Augen der Menschen, namentlich wenn sie Steuern bezahlen müssen, nur zu leiht zurück. Daß mannigfach geklagt wird, das wird immer so sein, das wird nie aufhören; das ist kein berechtigter Vor- wurf gegen eine Reform. Bei andern großen Reformen ich will Sie nur erinnern selbst an die Reformen nah den Jahren 1805 und und 1806 wurde da nicht auch geflagt ? nur daß von einer andern Seite geklagt wurde. Geklagt wind bei solchen eingreifenden Reformen immer werden, und das beste ift, man läßt sie klagen. (Heiterkeit.)

Meine Herren, der Herr Abg. von Eynern hat sich au darüber unwillig geäußert und auf die üblen Folgen hingewiesen, daß die

1 Eirkommensteuer jeßt heruntergehe oder wenigstens niht wesentli

steige. Nun, kommt das von der Steuerreform? Das kommt von dem Niedergang, dem Stillstand wenigstens der gewerblihen Ent- widckelung, an welhem die Steuerreform keine Schuld hat. Im Gegentheil, es i ein Vorzug einer rihtigen Besteuerung, daß das Steuererträgniß heruntergeht mit dem Einkommen der betreffenden Zensiten. Die Grundsteuer mußte bezahlt werden ohne Rücksicht auf die Schulden und ohne Nüsicht auf das Erträgniß (Sehr wahr !); Gebäudesteuer mußte 15 Jahre gezablt werden ohne Rücksiht auf das jeweilige Einkommen von den Gebäuden, und bei der Gewerbesteuer geht es gerade so. Das ift gerade der Vorzug dieses ganzen Steuersystems, welches wir jeßt ein- geführt haben, und es ist merkwürdig, daß, nachdem diese Dinge, ih möchte sagen, zum Ueberdruß hier verhandelt find, man immer wieder mit solchen verkehrten Vorwürfen kommt. (Heiterkeit.)

Meine Herren, der Herr Abgeordnete beklagt sich darüber, daß die Staatsregierung in einer Zeit des wirthschaftlihen Rückgangs das Eisenbahnwesen ins Stocken gerathen lasse, was sehr üble Folgen in Beziehung auf die Bestellungen in_ der großen Industrie habe, wo dann gerade in Zeiten, wo die Industrie durch Privataufträge nicht genügend beschäftigt sei, auch der Staat nit einträte, und nun, wenn mal wieder die Privatindustrie stärker in Anspruch genommen werde durch private Bedürfnisse, der Staat au} käme und dadurch gewaltige Schwankungen entständen. Meine Herren, es ist auch dies eine höchst wihtige Frage für die Staatsverwaltung, und ih behaupte, daß gerade der Minister der öffentlihen Arbeiten mit meiner Unterstüßung alles gethan hat, was in seiner Macht stand, um diefe großen Shwankrngen, die allerdings in sehr übler Weise gewirkt haben, thunlichs autzugleihen. Das Einzelne wird bei Gelegenheit der Berathung des Eisenbahn-Etats noch näher erörtert werden können.

Auch ift es nicht richtig, daß der Eisenbahnbau ins Stocken ge- rathen sei. Wir haben, troßdem in vielen Beziehungen die Selbst- hilfe und Selbstverroaltung beim Kleineisenbahnwesen an die Stelle des Staats treten kann und getreten is, und auch das Klein- eisenbahnwesen in sehr erfreulicher Weise sich entwickelt, auch dadur die Nachfrage nach Schienen und Eisenmaterial erhöht ift, doch keineswegs die Forderungen für Sefundärbahnen plöylich ein- gestellt oder ganz übermäßig vermindert, wir fahren auch damit in diesem Jahre Sie werden ja das Geseß bekommen in der gewohnten Weise fort.

Endlich haben wir uns nicht darauf beschränft, nur 200 000 M4 einzustellen für die Förderung des Kleineisenbahnwesens, sondern ich habe doch deutli fenug ausgesprochen, daß wir einen erheblichen Betrag für die Förderung des Kleineisenbahnwesens durch cine Anleihe Ihnen zu beschaffen vorschlagen.

Das sind also alles ganz unzutreffende Vorwürfe. Nur eins muß ich ablehnen: Wenn hier und da bei mangelhafter klarer Unter- scheidung von der Großinduftrie gefordert werden follte, daß, wenn sie keine Beschäftigung hat, der Staat ihr Beschäftigung schaffen muß, so weit kann ich der Großindustrie niht entgegenkommen. Der Staat muß doch eine gewisse Neutralität beachten dabei, zwar nicht gegen die allgemeine Wohlfahrt, aber gegen die Interessen einzelner. Er muß im allgemeinen dann beftellen und dann kaufen, wenn es auch mit seinen eigenen Interessen harmoniert; aber bestellen und kaufen und machen lassen, ohne daß seine eigenen Bedürfnisse es for- dern, das wâre allerdings zu weit gegangen.

Meine Herren, wenn ich noch einmal auf diese sogenannte außer- ordentlihe Schuldentilgung der Name ist verkehrt, und ih werde in dem nächsten Etat beantragen, diesen Namen zu streichen (Heiterkeit) zurückfomme, so beruht diese sogenannte außerordentliche Schuldentilgung darauf, daß man sagte: wenn wir die Privateisenbahn verstaatliht haben, wenn wir die Prioritäts-Obligationen, die diese amortisieren mußten, konvertieren in Staatspapiere dann sollten wir doh wenigstens so solide sein, wenn wir au leider alle anderen Staatspapiere niht amortisieren, wenigstens diejenige Amortisation fortzuseßen, welche bestand, als wir diese Privateisenbahn unter Be- rücsichtigung dieser stattfindenden Amortisation der Prioritäts- Obligationen in das Staatseigenthum überführten. Das ift doch wohl das Nothdürftigste, was eine solide Staatsverwaltung thun muß, und ih babe immer bedauert, möchte ih sagen, daß nit das Staats- Ministerium damals diesen Antrag ftellte, sondern daß er aus dem Hause hervorgehen mußte. Ich habe mich wohl gehütet, troß unseres Defizits, troßdem es momentan gleichgültig ist, ob ih das Defizit vermehre oder vermindere durch Einstellen oder Einführen einer Schuldentilgung, in diesem Defizitjahre diese Position fallen zu lassen, weil es dann s{chwieriger gewesen wäre, sie in guten Jahren wieder aufzu- nehmen. Jh will lieber jeßt eine Anleihe machen, als daß ih diese Position für Schuldentilgung vermindere.

Die Frage der Schuldentilgung is das muß jeder Beobachter dieser Dinge zugeben für einen Staat, und namentlih für einen parlamentarisch geregelten Staat, ganz anders zu be- urtheilen als für einen Privatmann. Man hat mir soviel vorgeworfen, daß ih suche, finanzielle Fragen auf geseßlihe Grundlage zu bringen, man hat sogar die Finanzreform im Reich, die weiter nichts bedeutet, als eine angemessene Auseinandersezung zwishen Reich und Einzel- staaten, einen Automaten genannt. Das können nur solhe Leute thun, die von der Sache nihts verstehen. Einer Schuldentilgung kann nan sich wohl ents{lagen, wenn man in jedem Augenblick seiner selbs Herr i, aber ein parlamentarisch regierter Staats- körper hängt weit mehr von der augenblickliden Stimmung, von dem Druck der Bedürfnisse, von den momentanen Mehrheiten ab, als das selbs bei einem wohlorganisierten Privat- mann der Fall ist. Wenn wir keinen Zwang zur Schuldentilgung haben, dann wird immer die Gefahr vorhanden fein, daß bei Ueber- schüssen diese Uebershüsse für andere Zwecke als zur Schuldentilgung verwendet werden (fehr richtig! rechts), und umgekehrt, beim Defizit erft ret keine Schulden getilgt, sondern neue gemacht werden. Daß das \{hließ- lich zu einer Uebershuldung des Staats führen muß, ift klar, und gerade für mich ist diefe Frage viel weniger eine rein finanzielle, oder welchen Auêdruck soll ih gebrauchen ? sondern eine psyhologishe Frage. Wir find au in unseren Parlamenten und in den Regierungen Menschen ; es ist gut, wenn die Menschen bisweilen vor feste Schranken kommen, die fie nicht nach augenblicklichen Stimmungen beseitigen können. (Sehr richtig! rechts.) Soviel also über den Vorshlag des Herrn von Eynern, diese sogenannte außerordentlihe Schuldentilgung fallen zu lassen.

Nun kommt der Herr Abgeordnete \{hließlich auf die Gemeinden. Er scheint nicht behaupten zu wollen, daß die_Ueberweisungen neuer

Steuerquellen im Betrage von etwa 100 Millionen Mark gar feine Wirkung gehabt haben, oder gar eine s{hädigende. Aus einigen seiner Aeußerungen könnte man allerdings annehmen, als wenn er für die kleineren Gemeinden besorgt sei, daß man ihnen die Grund- und Gebäudesteuer überwiesen hat. Der Herr Abgeordnete giebt allerdings zu, daß er nicht für die großen Gemeinden zu \prechen brauhe. Wenn er dies nicht anerkannt hätte, so würde ih ihn auf seine eigene Vaterstadt Barmen verwiesen haben, und daß nah seinen eigenen Mittheilungen allerdings dur die Kommunalabgaben-Geseßgebung durch die Ueberweisung der Real- steuern eine sehr erheblihe Verminderung der Zuschläge zur Ein- fommensteuer eingetreten ift, und daß diejenigen Herren, die etwa durch das neue Steuersystem überhaupt höher in der Staatsfteuer zu stehen fommen, \ih doch einigermaßen dadur trôöften Tönnen, daß sie um fo niedriger in der Kommunalsteuer stehen. . Und das war auch einer der Zweck2 dieser Vorlage. Der Herr Abg. von Eynern will nun hauptfählich der Tröster der ganz kleinen Ge- meinden sein und sagt, gerade füc diese hâtten die Getränkesteuern eine so große Bedeutung; die Setränkesteuern haben für die Dörfer keine wesentlide Bedeutung; die Getränkesteuer ist im wesentlichen ein Interesse der großen Städte. (Sehr rihtig!) Deswegen bin ih durhaus nicht dagegen; im Gegentheil, ih bin ein Freund davon in all’ den Fällen, wo eine ganz erheblihe Belastung der direkten Per- sonalfteuer, wie das in den großen Städten vielfah der Fall ift, vor- handen ift.

Der Herr Abgeordnete beklagt sich, daß wir zwar im Bundesrath

Vorlage eingebraht bätten, nah welcher eine gleihmäßige Be-

aber des Biers, und er meint, das Bier wäre die Hauptsache, und es wäre durhaus berechtigt, das Bier in den Kommunen \{ärfer heranzuziehen. Meine Herren, über die Frage läßt fich streiten, ob man die Grenze, die jeßt der Bierbesteuerung der Kommunen gestellt ist, demnächst noch wird etwas erweitern fönnen:; aber Sie wollen doch auch die Lage der Regierungen in Erwägung ziehen und die allgemeinen Staatsinterefsen. Darüber ftkann doh kein Zweifel sein, daß namentli die staatlihe Besteuerung des Biers gegenwärtig in den Staaten des Norddeutschen Bundes eine niedrige ist, und daß die Forderung, in dieser Beziehung demnächst zu einer Reform zu kommen, die auch den Staaten einmal zu gute kommt, durchaus berechtigt ift. (Sehr wahr! rechts.) Wenn nun die Ge- meinden vorab, und namentlich große Städte, die es viel- leiht am allerwenigsten gebrauchen, sehr hohe Bierbesteuerung in iesem Augenblick einführen, wo wir zu einer Reform der staatlichen Biersteuer noch nicht gelangen fönnen, fo ist das dech wirkli, darf ih sagen, eine sehr große Bescheidenheit nicht. (Heiterkeit.) Ih mache jeßt ja die Erfahrung, daß die Kommunen überall geneigt find, Steuern aller Art zu erfinden, und ich wenigstens bin ein wahres Kind gegen diese Bestrebungen (Heiterkeit); dabei mache ih überhaupt die Erfahrung, daß, troßdem wir den Gemeinden Grund-, Ge- bâude-, Gewerbe- und Bergwerkssteuer überwiesen haben, die Gemeinden vielfah damit noch nicht zufrieden find, sondern ganz einfach durch ihre Vorschläge beispielsweise in die staatliche Erbschafts\teuer eingreifen : manche Städte möchten sich nebenbei auch noch die Erbschaftsfteuer überweisen lassen. In das Stempelsteuer- wesen durch die Umsaßsteuer wird ja auch sehr berzhaft eingegriffen. Daß da auch {hon einigermaßen seitens der allgemeinen Staats- verwaltung Halt geboten werden muß, daß man die Gemeinden darauf hingewiesen hat, daß in feinem Lande der Welt jemals fo viel für die Gemeinden geschehen ift, wie durch diese Kommunalsteuerreform, von welcher der Herr Abgeordnete jeßt so üble Folgen fürchtet, das, glaube i, kann uns niht verdacht werden.

Meine Herren, natürlich glaubt jeder an die gute Wirkung des Werkes, an dem er mitgearbeitet hat, und wenn Herr von Eynern auf die Entscheidung über diese Fragen nah zehn Jahren verweist, so reie ih ihm die Friedenshand und sage: dann wollen wir den Streit bis über zehn Jahre vertagen! (Heiterkeit.)

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Wenn ih mir erlaube, Sie für einige kurze Be- merkungen um Ihre Aufmerksamkeit zu bitten, so habe ih damit ab- fichtlih gewartet, bis die großen Gesichtspunkte, von denen aus bier die gesammte finanzielle Lage unseres Vaterlandes an der Hand des Ihnen vorgelegten Etats erörtert sein würde, hier zur Aussprache gelangt sind; ih bin aber gestern und vorgestern von einigen der Herren Redner so bestimmt auf einzelne Fragen meines Ressorts an- geredet worden, daß ih es für eine Pflicht der Loyalität halte, die Antwort darauf ihnen nicht s{chuldig zu bleiben, und ih werde mih dabei mit Nücksiht auf die späte Zeit der Debatte, in der ih das Wort ergriffen habe, fo kurz wie möglich fassen.

Von verschiedenen der Herren Vorredner if als eine der wih- tigsten Angelegenheiten meines Ressorts die Frage berührt worden, wie es mit der Vorlegung des Lehrerbesoldungsgeseßzes stehe. Die Sache liegt mir in der That dergestalt am Herzen, daß ih unmögli ftillschweigend über diese Anfrage hinweggeben fann. Ih habe im Lufe der vorigen Etatsdebatte die Gründe wiederholt entwidelt, aus denen die Vorlegung eines all- gemeinen Bolks\hulgeseßes zur Zeit weder thunlih noch zweckmäßig ersheint. Nach dieser Richtung hin hat \ich die Situation nicht geändert. Sie is aber auch noch nach einer anderen Richtung bin dieselbe geblieben. Gewisse Unebenheiten, Mißstände und Unzuläng- lihfeiten auf dem Gebiet unseres Lehrerbesoldungswesens find heute noch gerade so in demselben Maße vorhanden, wie das im vorigen Jahre der Fall war; und, meine Herren, im vorigen Jahre wurde von allen Seiten dieses Hauses zu meiner großen Genugthuung anerkannt, daß es dringend wünschenswerth sei, diesem Mißstand und Uebelstand abzuhelfen. Da ih nun nit in der Lage bin, dies im Wege eines Volks\chulgesezes thun zu können, fo ‘habe ich mit aller gebotenen Vorsicht in der vorjährigen Etatsdebatte erklärt: ih werde den „Ver- such“ machen, ob man nicht im Wege eines Lehrerbesoldungsgefetes vorgehen fann, welches diesem Bedürfniß abhelfen kann, ohne dam den ganzen großen und verderblichen konfessionellen Streit bei dieser Gelegenheit wieder aufzurühren; und dieses Versprehen wenn man es ein Versprechen nennen «will; ich habe niht versproWen, ein Lehrerbesoldung8geseß vorzulegen, sondern ih habe ver sprochen, den Versuch zu machen, ob ich auf diesem Wege zum Ziel kommen könnte habe ich infoweit eingelöst, day ! unmittelbar nah Schluß der vorigen Landtagssession Grundzüge eines solhen Gesetzes aufgestellt habe. Jch habe sie dann, nachdem 1 wiederholt im Kultus-Ministerium der Durchberathung unterworsen

waren, hinausgehen laffen, und zwar vertraulich an die Regierungs- Präsidenten und Ober-Präsidenten, um ihr Urtheil über die Prin- zipien, nah denen der Entwurf aufgestellt werden sollte, zu erbitten. Jch habe sie ausd.ücklich als vertrauli bezeichnet, und zu meinem großen Bedauern if gleihwohl bei dieser Gelegenheit ein Theil dieser Grundzüge, ‘wenn auch etwas verstümmelt, aber doc in wesentlichen Punkten richtig, in die Oeffentlichkeit gelangt, und es hat das den großen Nachtheil gehabt, den ih sehr gern vermieden gesehen bätte, daß in die Lehrerwelt eine gewisse Bewegung gekommen ist, und daß nunmehr, nahdem bei der Landtagseröffnung das Gese nicht glei vorgelegt ift, in den Preßorganen der Lehrer häufig von ciner Ent- täushung gesprochen wird. Es thut mir das sebr leid, aber ich bin daran vollständig unshuldig. Nun liegt die Sache fo, daß, nahdem die Gutachten der Regierungen und der Ober - Präsidenten, die ja vielfa auch die Landräthe und die Lofalbebörden darüber gehört haben, bei mir eingegangen sind, dieses sehr umfangreiche Material zunächst hat durgearbeitet. werden müffen, denn in den Grundzügen waren immer nech Punkte genug, bei denen ih sehr wohl eine andere Lösung oder eine Abweichung von dem, was dort vorgeschlagen war, acceptieren konnte. Das ift geschehen, und nunmehr habe ich diese Grundzüge in der Gestalt, wie fie bei mir festgestellt worden sind, an meinen Kollegen, den Herrn Finanz- Minister gehen lassen und mir dessen Aeußerungen über dieses Lehrer- besoldungsgeseß erbeten. Darüber {weben zur Zeit noch die Ver- handlungen, und ih bin deshalb au noch nit in der Lage, auf den materiellen Jnhalt dieses Lehrerbesoldungsgeseßes, wie wir es geplant haben, hier einzugehen ; es muß das erst so weit vorbereitet werden, daß fowobl an die Allerhöbste Stelle als auch an das Staats- Ministerium diese Dinge gelangen können. Dann werde ich bereit sein, sehr gern jede Auskunft zu geben, zu“ der ich in der Lage sein werde. Ih bin aber auch beute noch der Zuversicht, daß es bei dem drückenden Bedürfniß, das auf tiefem Gebie® vorliegt, gelingen wird, zu einem Lehrerbefoldungsgeseß zu kommen und auf diesem Wege wenigstens cinen großen Theil der Uebelstände, unter denen jeßt das Volksshulwesen und unser Lebrerstand leiden, zu be- seitigen. Ih würde niht meinen, daß aués{ließlich die zu geringe Bemessung der Lehrergehälter den wesentlihen Grund bildet, weshalb wir diese Regelung in Angriff nehmen müssen, sondern es bandelt sich namentlich darum, eine Ausgleihung herzustellen. Wir baben jeßt oft in den unmittelbar benachbarten Gegenden und Ortschaften eine so bunte Musterkarte und eine folde Verschiedenheit in den Be- foldungen, daß dadurch bei denen, die ctwas geringer steben als ibre

T,

Nachbarn, Unzufriedenheit erregt wird. Diese Unzufriedenheit und nicht dadurch, at

s nannte Land 8 1s ganze Lan zee,

U n Verhältnissen die Regelun

Ungerechtigkeit möchte ih in erster Linie beseitigen daß ih eine große Schablone über d dadur, daß ih je nah den örtlichen & Lehrerbesoldung vornehme.

Meine Herren, ih hofe, wenn ich das Lehrerbesoldungsgeseß vorlege, daß ih dann noch auf allen Seiten dieses hohen Hauses die Bereitwilligkeit finden werde, unserer Volksshule den Dienst zu leisten, daß endli einmal unsere Lehrer so gestellt werden, wie sie es beanspruchen können. (Bravo! links.)

Sodann, meine Herren, muß ich ein paar Worte dem geehrten Herrn Abg. Bachem erwidern. Jch will niht noch einmal auf alle die Punkte, die er berührt hat, eingeben, namentli nit auf den großen Gesichtépunkt der Parität. Der Herr Finanz-Minister hat gestern schon die Güte gehabt, nah dieser Richtung bin das Nöthige zu sagen; ich bin damit vollkommen in jedem Punkte einverstanden. Ich will nur darauf aufmerksam machen, daß einzelne Ausführungen des Herrn Abg. Bachem doch au der Billigkeit nicht vollständig ent- sprechen. Er hat sih namentlih beklagt, daß wir in dem Etat wiederum die Nate haben für den Berliner Dombay, und daß etwas Aehnliches für den fkatholischen Kirchenbau nicht ersichtlich ist. Jh will ganz davon atsehen, daß der Berliner Dombau nit aus\ließlich auf das Konto zu segen ist, daß damit der evangelischen Kir&e ge» dient werden, soll; es steht ausdrücklich darin, daß es si bier auch um eine Gruft für unser Fürstenhaus handelt, und daß diese S:che au) die Seite eincs nationalen Denkmals an \ih trägt. Aber ih will davon ganz shweigen ; ich will nur darauf hinweisen, daß für den Kölner Dom (sehr rihtig!) 6 345 252 4 lediglih dur Staatsunter- stüßung, die jährli mit 150000 Æ eingestellt war, aufgewendet worden find ganz abgesehen von den Prämienkolleften und dem Dombaurverein, zu dessen Sammlungen nit nur Katholiken, s\ondern au andere Konfessionen beigesteuert haben. Jch finde es ganz in der Ordnung, daß das geschehen is; aber wir wollen doch nicht so rechnen, als wenn jeder Thaler und jede Mark, die einmal die eine Konfession in diesem Jahre mehr bekommt, ein Unrecht gegen die andere wäre. So liegen die Dinge hier niht. Hier entscheidet das Bedürfniß, wie gestern {hon hervorgehoben worden ist. Und darauf fönnen Sie si verlassen, daß es niht aus Animosität gegen die katholische Kirche gesehen ist, wenn ähnliche große Aufwendungen für katholische Kirchen- gebäude in dem diesjährigen Etat nicht erscheinen.

Der Herr Abg. Bachem hat mir gestern sein und seiner Freunde Vertrauen zu meiner großen Genugthuung ausgesprohen. Ich bin dafür dankbar, und ih darf wohl sagen, daß ih es mir angelegen fein lasse, dieses Vertrauen zu verdienen. Ich darf abzr auch ernst dinzufügen, daß ih dieses Vertrauen im vollsten Maße erwidere, und daß ih davon tief durhdrungen bin, daß namentlich im Staatsleben nichts tödtender und lähmender wirkt, als gegenseitiges Mißtrauen von solhen Leuten, die auf einander angewiesen find. Allein, so fügte Herr Abg. Bachem hinzu, zum Minister haben wir wohl Vertrauen, aber nicht zu seinen Räthen. Meine Herren, das beklage ih aufs tiefste. Denn ih bin auf die Mitarbeit meiner Herren Räthe angewiesen, und ih habe allen Grund, mit dieser Mitarbeit, mit den angestrengten, bhingebenden treuen und erfolgreichen Diensten meiner Räthe vollkommen zufcieden und ihnen lehr dankbar dafür zu sein. Jh vermag nur nicht einzusehen, was 2 Stellung meiner Räthe gerade der Landesvertretung gegenüber zu T. Meine Herren, ih weiß nicht, wie es zur Zeit der daf E theilung gewesen ist, ob es Ea damals so gewesen ift, lautet va E Räthe nach den Anweisungen des Ministers, L er Minifter nach den Anweisungen der Räthe geatbeitet ders Le Ich glaube das nicht. Das kann ih Ihnen aber wie ih L mir ist es nit so; bei mir arbeiten die Räthe so i h E ag ih arbeite nicht etwa wie meine Räthe es wollen. s Ra L [nicht die Me sind der Landesvertretung s tres j jondern ih; ich trage die Verantwortung Seiner Majestät

“mge gegenüber, und ih trage die Verantwortung Ihnen gegen-

über, und diese Verantwortung nehme ih ganz und voll auf. mi. Ich will nit durch meine Räthe gedeckt fein. Meine Rätbe können mih au nicht decken; ih kann meine Rätbe decken, aber nicht um- gekehrt. (Bravo!)

Meine Herren, ich will nicht noch einmal auf die Forderung der fatholishen Abtheilung tiefer eingehen. Ich“ habe im vorigen Jahre sehr ausführlich den Jrrthum widerlegt, als ob die katholishe Ab- theilung dazu dienen könnte, das Verhältniß zwishen dem Ministerium und der katholischen Kirche zu bessern. J bin im Gegentheil der Meinung, daß der Schnitt zwischen den beiden Konfessionenen durch die Wieder- einrihtung einer fatholishen Abtbeilung viel größer gemacht werden würde, als er jeßt ist. (Sehr richtig!) Nun aber, meine Herren, worauf kommt es an? Darauf kommt es nach meiner Auffassung an, daß wir diese Trennung, diesen Doppelkonfessionalismus, der doch nun einmal in unserem Vaterlande vorhanden ist, zwar anerkennen: er ist eine geschihtliche Thatsache, die nit zu bestreiten ist, und wird auh dur Menschenwiß und durch Menschenmaßregeln nit aus der Welt zu schaffen sein; da müssen wir Gottes Zeit abwarten. Solange aber die Sache besteht, ist eines mögli: wir können uns gegenseitig die Hände reihen. Der Staat fann gerecht sein gegen beide Kon- fessionen, und beite Konfessionen können gemeinsam die Ziele ver- folgen, die im Staat ihnen vorgesteckt sind. (Bravo!) Darauf hinzuwirken, meine Herren, ist vom ersten Augenblick an, wo ih hierher getreten bin, mein sebnli&es Verlangen und Streben ge- wesen, und ih habe die große Genugthuung, daß ein großer Theil der Herren vom Zentrum dies auch allmählich eingesehen hat und daß wir jeßt mit den Herren Bischöfen Gott sei Dank auf einem durchaus freundlichen und entgegenkommenden Fuß stehen. Meine Herren, das ist nur möglich unter der Vorausseßung, daß jeder Theil seines Glaubens und seines Bekenntnisses sicher ist. Ich habe vom ersten Augenblick an, wo ich Ministcr geworden bin, kein Hehl daraus gema@t, daß - ih mit meinem Herzblut an meinem evangelishen Bekenntniß hänge, und ih hoffe zu Gott, daß ih weder im Leben noch im Sterben es jemals verleugnen werde. Abcr das {ließt nicht aus, sondern ermöglicht gerade, daß ih auch für die Anderédenkenden und namentlih für die kfatholishe Kirche Verständniß haben kann, daß ih Ibnen di Hand reichen fann, daf ih mir vorstellen kann, wie aus der katholischen Anschauung heraus gewisse Dinge, auf die weniger Gewicht bei uns gelegt wird, als wesentlice Dinge erscheinen, und daß wir Jbnen darin belfen müssen, soweit wir fönnen, das ist mein guter redliher Wille. Und wenn das geschieht, meine Herren, so hofe ich, daß auch Sie mit uns Schulter an Schulter kämpfen werden, den irrefübrenden traurigen Mächten der Zeit gegenüber, und zwar zu Gunfîten der christlichen Religion, Sitte und Ordnung, die wir vertheidigen müssen, ver- theidigen müfsen bis aufs Blut. (Lebhaftes Bravo.)

_ Abg. Gothe in (fr. Vrgg ): Die Rede des Abg. von Eynern war weiter nihts, als ein Liebeswerben um die Gunst der Konservativen. Das Defizit im Etat wird sich nur dur erhöhte Einnahmen aus den Eis nbaÿnen abstellen lassen. Jn der Verwaltung dieser herrscht noch viel zu viel Affessorismue. Der Bau der Kleinbahnen wird dadur aufgehalten, daß man dem Unternehmvngsgeist der Privaten nit ent- gegenfommt, ja ihn oft dur fiéfalishe Rücksichten hemmt. Der Bau der Wasserstraßen muß mehr gefördert werden, die Kanäle werden fich vollauf rentieren. Jn Bezug auf die Börsenenquête gebe ich zu be- denten, daß der Terminhantel gar nicht zu entbehren ist. In Slesien tit gerade die Genosjenschaft s{lesischer Landwirthe der Vauptspekulant im Terminhandel. Die Agrarier agitieren mit fal- schen Statistiken über Getreide- und Brotvreife gegen die Handels- verträge und für den Antrag Kaniß, der unserer bisherigen Handels- politik widerspriht und entschieden zu verwerfen ist.

__ Abg. Wallbrecht (nl.) bedauert die Folgen der Reform der Eisenbahnverwaltung, durch welche 80 Regierungsbaumeister auf die Straße geleßt worden seien. Er fordert Reformen im Eisenbabn- tariswe]en und den Ausbau der Wasserstraßen. Um der Noth der Landwirthschaft abzuhelfen, s{lägt Redner in erster Linie eine Reform des Zuckersteuergesezes vor.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

È Meine Herren, i beabsi&tige niht, mi über die von dem Herrn Vorredner und dem Herrn Abg. von Eynern angeregte Frage der Abtrennung ter allgemeinen Bauverwaltung von dem Ministerium der öffentlichen, Arbeitern zu äußern. Jh halte es auch nichi für zweckmäßig, auf alle diejenigen Punkte heute zurückzukommen, welche im Laufe der Verhandlungen hier der Eisenbahnverwaltung zum Vorwurf gemacht worden sind, auf die Kritik zu antworten, die an der Eisenbahnverwaltung und dem von ihr aufgestellten Etatsentwurf geübt worden ist. Dahingegen halte ih mich für verpflihtet, einer Legende entgegenzutreten, die, wie ih aus der wiederholten Erwähnung entnehme, hier im Hause einige Beunrubigung hervorgerufen hat. Es ift das die Legende von den 80 Baumeistern, die der grausame Eisenbahn- Minister am 1. April, wie der Herr Abg. Wallbrecht sagt, auf die Straße set. Meine Herren, thatsächlih liegt die Frage folgender- maßen: Infolge der Neuorganisation wurden von den vorhandenen zahlreihen Baumeistern 64 diêponibel. Durch die inzwischen ein- getretene Pensionierung, Zurdispositionstellung älterer technischer Beamten, durch freiwilliges Ausscheiden und anderweite Unterbringurg einzelner Beamten reduziert sich diese Zahl schon heute auf 43. Von diesen 43 werden vorauésihtlich noch einige bis zum 1. April 1895 aus- fallen. Diese 43 vertbeilen sich nun folgendermaßen: Es werden von seither bei der Eisenbahnverwaltung beshâftigten NRegierungs-Bau- meistiern 12 nach § 3 des Geseßes vom 4. Juni 1894 mit Wartegeld zur Verfügung gestellt. 31 werden unter Belassung ihres gegen- wärtigen Einkommens bei der Verwaltung, und zwar in Bauführer- stellen, weiter beschäftigt. Den Herren is auch eröffnet worden, daß sie bei sih darbietender Gelegenheit und diese Gelegenheit wird sich bei dem großen Umfang der technischen * An- forderungen innerhalb der Eisenbahnverwaltung in verbältnißmäßig kurzer Zeit finden wieder in die Baumeisterstellung einrücken sollen. Von den 12 nah § 3 des Geseges zu behandelnden Regierungs- Baumeistern ift ein Theil niht mehr verwendbar, weil ihre körper- lichen oder geistigen Kräfte nicht mehr für die Aufgaben ausreichen, wie sie sih nah der Neuorganisation vom 1. April herausstellen. Neben dem Wartegeld, welches den zur Verfügung gestellten Herren nah § 3 des Gesetzes zugebilligt ist und welches sich bei den älteren Herren auf etwa 900 bis 1000 Æ erstreckt, ist in Aussicht genommen und es sind dafür auch die nöthigen Mittel im Etat vorgesehen —, im Falle des Bedürfnisses außerdem angemessene Beihilfen zu gewähren.

Meine Herren, das is die thatsählide Lage der Baumeister, welche zum 1. April innerhalb der Eisenbahnverwaltung nicht mehr verwendbar sind. Es ift also von dem § 3 nur bei 12 Baumeistern Gebrau gemacht worden.

Was die rehtlihe Frage anbetrifft, so möchte ich mich bezüglich derselben hier um so weniger äußern, als mir in Aussicht gestellt ist, daß diese Rechtsfrage vor den Gerichten ihren Austrag finden foll. Ih möchte hier nur bemerken, daß jeter Baumeister bei Aus- bändigung seines Patents ausdrücklich und \chriftlich auf den § 51 der Ausbildungs- und Prüfungsvorsriften vom 6. Juli 1886 bin- gewielen wird, welcher die Bestimmung enthält:

„Ein Anspruch auf dauernde entg:ltlibe Beschäftigung fteht dem NRegierungs-Baumeister niht zu: do kann er auf feinen An- trag der Provinzialbehörde zur unentgeltliten Beschäftigung, soweit sich zu folher Gelegenheit bietet, überviesen werden“. j __ Abg. Schwarze (Zentr.) hält die preußischen Finanzen für gar-

nit fo schlecht, wie fie geschildert würden; man habe ja noch die 38 Millionen, die auf die Ei

; isenbabnshuld abgeshrieben worden. Im übrigen bittet Redner, bei den Kleinbahnbauten gerade die ärmeren Kretse zu unt rstüßen, überhauvt den nothleidenden Distrikten im Westen wirthschaftlich mehr zu Hilfe zu kommen Finanz-Minister Dr. Miquel: Ich will nur zwei Bemerkungen gegenüber den-L Herrn Vorredners machen, zumal ich nit betaupten f ihn in allen Beziehungen habe verstehen fönnen. Er hat zuerst ausgesprochen, der Staat wäre eigentlich sehr von einem Defizit wäre gar keine Rede wenn ih i standen habe —, und in einigen ü die Rede sein. Meine Herren, sich in so guten Verhältniffen befänt wi redner sie ansieht, und wücde wünschen, daß | den- selben freudigen Glauben von er Finanzlage Preußens hätte; aber mit den Gründen, die der Herr Vorrednt wenn ih ihn richtig verstanden habe angeführt hat, fann ich mir wenigtens diefen shönen Glauben nicht beitrin Wenn er darauf hinweist, daß ja 3! üsse ab- b und daß man da nur diese hätte man s{on 4 Millionen Mark Uebershüsse bei den allgemeinen Staatsfinanzen, ein Defizit ja, meine Herres, wenn er nicht tiefer in die Fin fo möchte ch d:m Hause den Rat

01 7 io 20 B eN enn diefe 38 Mil

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Preußens eindring ochte ! j auch auf anderen Gebieten nit zu fol; sind leider shon verbraucht, die existieren gar diejenigen : li ( l Staat8zn

in Gemäß erdings sehr s{chwer verständlihen und unflaren, widerspruchsvollen Garantiegeseßes vom uf dem Papier hinterher noch abgeschrieben werden : dasjenige, ie Staatseisen- bahn über die Verzinsung der Skt: binaus aufbringt und zu allgemeinen Staatszwec alío rit mebr da ift, niht zur Deckung eines der Eisenbahnen auf dem Papier abgeschrieben.

Abschreibung immer so geht, dann wird

eine Zeit kommen, wo die Staatseisenbahn-Kapitalschuld

Papier niht mehr erxistiert, aber statt dessen bat sie die Genera

fasse. Wenn man eben daraus so freudige Anschauungen i Finanzlage hernimmt, dann muß ich do sagen: das i

gebaut.

Der Herr Vorredner hat dann aber ein wahres Wort gesagt, was indessen mit seinen eigenen Worten in Widerspru stebt : tenn er hat gesagt: der Staat muß auch an die Unbemittelten und Schwachen denken und an diejenigen Kreise, die nit in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Darin hat er durchaus Ret, aber die erste Voraussetzung dazu ist, daß das von der Gesam! s auch von den befsersituierten Einzelnen und Bezirken, dem geben wird, was erforderlich ist, um diese hob Ich bedaure im täglichen praktischen Leben oft genug, daß ich dringende Bedürfnisse niht befriedigen kann, und Lf nicht verstehen können,

3E ¿Rees Ut mehr:

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ien Tann, das wird zu Gunst

e Mission zu

pabe wie diejenigen, welche selbst, wenn sie selbst nit an diese boben Aufgaben des Staats denken, sondern an ihre eigenen Ver- hältnisse, dem Staat am allerersten diejenigen Mittel vestreiten, die unbedingt erforderli sind, damit diese hohe Aufgabe des Staats erfüllt werden kann. Der Herr Vorredner möge glauben, daß solche dringenden Bedürfnisse, die, wie mir vollständig bekannt, in den in \{hwierigsten Verhältnissen stehenden Gebirgêgegenden im Westen vor- handen sind, eher erfüllt werden können, wenn der Staat mit Ueber- s{hüfsen arbeitet, als wenn er gezwungen ift, jahraus ijahrein Anleihen ¿u machen, um nur die nothwendigsten laufenden Ausgaben zu decken.

_ Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Einem neuen Schulgeseß werden wir alle Unterstüßung zu theil werden lassen: allerdings werden wir die Unterstüßung des Herrn von Eynern dabei entbehren müßen. Herr von Eynern hat sich heute wieder an die Spite der großzn preußishen Partei gestellt, bei der er die Vorhut, Herr Sattler d-n Paupttrupp und Herr von Beanigsen vielleicht die Nahhut führt. IZch weiß niht, was der König Gustav Adolf mit dem Schulgeseß zu thun hat. Wenn dieser König im Reichstag von meinem Freunde Gröber angegriffen worden ist, fo ge- hört doch die Vertheidigung vor dasselbe Forum. Wenn von Herrn Gröber dieser scharfe Ausdruck gegenübec Gustav Adolf ge- fallen ift, so war er ein Echo der Feier, die uns in unserm Innersten erregt hat. Sie konnte uns gar nit unberührt laffen. Herr von Eynern hat gesagt, daß dem preußischen Bewußtsein damit ins Ge- sicht geschlagen worden sei. Seit langer Zeit ist dem fatbolischen Bewußtsein nicht so {wer ins Gesicht geshlagen worden wie damals, als ein nit unerbeblicher Theil der Bevölkerung die Gastav Adolf-Feier in Scene segte. Die Geschichte allein wird über Gustav Adolf entscheiden. Schon in der Elementarschule haben wir gelernt, daß durch Gustav Adolf, den Sie als Heros feiern, ein Theil deutshen Landes losgerissen wurde und auh der Große Kurfürst die Schweden erst in den Schlachten von Rathenow und Fehrbellin hat besiegen müssen, damit nicht ein weiteres Stück deutschen Landes abgetrennt wurde. Dara erinnere ich an Stralsund; erft 1875 ift es gelungen, diee deutsche Stadt wiederzugewinnen. Herr von Eynecn hat ge- jagt: wenn Sie von Mordbrennern sprehen, so gehen Sie zu Tilly. Tilly war Kaiserlicher General, der im Interesse der Reichs- einheit im Interesse des Kaisers gekämpft hat egen die Einmischung ' eines Fremden in unserem Lande. Man muß die nationalen und religiösen Gesihtspunkte ausêein- ander halten. Es ist eine moralishe Pflicht des Staats, die Zinsen der \äkularisierten Güter der fatholishen Kirhe zu aute kommen zu lassen. Jm Kultus-Miristerium giebt es eine Masse von Nebenfonds, die für kirhliche Zwecke verwendet werden sollen, über deren Verwendung wir aber nichts erfahren. Der Kultus-Minister hat es übel vermerft, daß ih vom Berliner Dom gesprochen habe. Dieser Dom hat eine protestantische, r.ationale und auch monarhische Bedeutung; aus diesem Grunde haben wir die Mittel dafür bewilligt. Wenn er aber darauf hinweist, daß au für den Kölner Dom Staatsmittel verwendet wurden, fo erwidere i, daß im Besiß des Staats sich viel rentbares Gut befindet, das dem Kölner Domkapitel gehört. Der Fuldaer Dom wird nit restauriert; der Staat beschränkt sich darauf, ibn unter Dach und Fach zu bringen. Wir bringen dem Herrn Kultus-Minister Ver- trauen entgegen, aber nicht seinen Räthen. Unter den Ministerial-

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