1895 / 23 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

; Geburts- Name. | oder

Heimathsort.

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VI. Ju Heffen.

Körne.

Alberti, Heinrich, f sls Stettin.

Böhm, Otto, t

Ehlert, Otto, | Siegen.

uhr, Adolpb, Oppenheim. eheeb, Otto, | Geifa.

Giesen, Karl, : Bislich.

Haas, Jakob, | Perl a. b. Mosel. ennemann, Franz, | Darmstadt. ofmann, Adam, | Tiefenklein in

D | Kastel. | Ran

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Jordan, Josepb, Keil, Wolf, Kratz, Karl, | Lich. Kreuter, Karl, |. Gießen. Lohnes, bi 4 Wald-Michelbach. Paëscoe, Friedrich, Gießen. Helepmann, Joseph, | Dieburg. Rödiger, Hugo,

Urschel, Hermann,

Weinedel, Georg, Werner, Otto, Wollweber, Alfred,

| Steinwenden in | Bayern.

| Danzig.

| Wiesbaden.

{ Nieder-Ramftadt.

VIL. Jn Meeckleuburg-Schwerinu.

Becker, Theodor, i | NRostock. Burmeister, Hans, | Rosto. Erdmann, Gustav, Badendiek. Evers, Albert, Rosto. Be Arthur, Berlin.

einricti, Walter, Sondershausen. Dit M Tes

itsch, Morig, lsedom. Rocholl, Marx Köln a. Rh. Schmidt, Willy, Wismar. Schneider, Kurt, Arnsberg. Schwieger, Wilhelm, Kammermark. Varges, Johannes, Altona. Zernin, Eugen, Schwerte.

Im Großherzogthum Sachsen und den sächfischeu Herzogthüämern.

Schwerin.

VIHTI,

Abe, Eduard, Agner, Richard, Fischer, Paul, Ju Hans,

| Westenfeld(Sachsen- Meiningen).

| Wasseralfingen

| O | Neustadt in West- | preußen.

Elbing. uchs, Eduard, | Berlin. iese, Max, | Jena.

Grüber, Carl, | Suhl. Iunge, Carl, | Groß-Glogau. Kläbre B Diet zelébe

encer, Pau | Pferdingsleben

| (Sachsen - Coburg : | und Gotha). Matthes, Hermann, Eisenach.

Do NR O N.

Müller, Friedri, Doberan.

Nunge, Franz, ürstenberg.

Schröder, Richard, : | Stettin. :

Sönnichsen, Theodor Auguft, | Heide (Provinz

| Schleswig - Hol-

| stein).

| Caffel.

| Worbis. Stadt-Sulza.

| Gllenserdamm

(Oldenburg).

Steindecker, Georg, Steuber, Carl, Weilinger, Hermann, | Winckel, Wilhelm,

LIX. In Brauuschweig.

Burkardt, Ioseph Peter, | Montigny b. Mey. d Otto Hans Reinhold, | Sorge a. H. iemann, Conrad Hermann Werner, | Dberförsterei Sad- | low b. Bischofs- : burg (Oftpr.). Schmidt, Carl Auguft Friedriß Maria, | Schwerin i. Meckl. Sieloff, Ernst Theodor Siegfried, | Tilsit in Ostpreußen. | von Toenges, Hugo Friedrich, | Braunschweig. | Ulrich, Ernst Rudolf Gerhard Albrecht, | Braunschweig. 8 Wiebeliß, Hans Eduard August, | Magdeburg. 9 | Zahn, Franz Friedri Carl, | Braunschweig.

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O-A B N G3 D _—_

X. Jr Elsaß-Lothringen. Carbiener, Alfred, Geiépolsheim im i _ Unter: Elfaß. Erichson, Paul, | M erber,

aß. Gebenroth, Rudolph, Ichtershausen (Co- burg-Gotha). berkorn, Paul, Markirh. aushalter, Karl, | Niederbetshdorf im | Unter-Elsaß. Hauth, Alfred, Hellringen in Loth- i ringen. Hens, Karl, Weißenburg. * evy, Alfred, Mes. Posth, Karl Vischweiler. Rieder, Richard Josepb, Kayseröberg imOber- aß. Riehl, Achilles, | Schaffhausen im | Unter-Elfaß. Schattner, Guftav, | Pfalzburg. Wadck, Emil, | Straßburg.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Nach Art. 176 Abf. 3 des Handelsgeseßbuchs is in der An- meldung des Gesellshaftsvertrags einer Kommandit- gesellschaft auf Aktien behufs Eintragung in das Handelsregister die Erklärung abzugeben, daß auf jede Aktie, soweit niht andere als durch Baarzahlung zu leistende Einlagen gemacht sind, der ein-

eforderte’Betrag baar eingezahlt und im Besitze der per-

önlih haftenden Gesellschafter a Die Einforderung muß min- destens } des Nominalbetrages umfassen. In Bezug auf diese Be- Fimmung hat das Reichsgericht, 11. Strafsenat, durch Urtheil vom 12. Juli 1894 ausgesprochen, daß die erwähnte Erklärung auch dann falsche Angaben rücksichtlih der Einzahlung des Gesammtkapitals Der Kommanditisten enthält und aus Art. 249 a Nr. 1 des Handels-

| Berka a. d. Werra.

geseßbuchs zu bestrafen ift, wenn zwar nit auf jede cinzelne Altie Ein- blungen geleistet sind, aber du durch die Summe aller eingezahlten eträge der von sämmtlichen Aktien eingeforderte Betrag Cees ist. „Der erste Richter ist davon ausgegangen, daß es nah der Vorschrift des Art. 176 Abs. 3 H.-G.-B. niht genüge, wenn die Gesammt- fumme der Einzahlungen die eingeforderten REOIe repräfentiere, vielmehr diefe Beträge auf jede einzelne Aktie eingezahlt sein müßten. Diese Auslegung steht völlig im Einklang mit dem Wortlaut und Zweck des Gesezes, welhes in der Erwägung erlassen ist, daß zu geringe Einzahlungen keine genügende Gewähr für die spätere Ein- zahlung des ganzen Grundkapitals bieten, solhe Gründungen, wel zum Zweck der Agiotage unternommen werden, begünstigen, und in Kreisen, die sich mit Nücksicht auf ihr Vermögen und ihre Geschäfts- unkenntniß von Afktienunternehmungen fern halten sollen, in der Ra auf schnelle Weiterübertragung des Aktienrechts zu leicht- nnigen Zeichnungen verleiten.“ (2376/94.)

Bei einer Körperverleßung mittels einer Waffe wird, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, ITT. Strafsenats, vom 24. Sep- tember 1894, der Vorsaß niht dadurch ausgeschlossen, daß der Thäter sih ver sehentlich einer gefährliheren Waffe, als er Feabsihtigt hatte, dabei bedient und demzufolge eine erheblihere Ver- 4 als beabfichtigt, zufügt. Herr von S. hatte in der event. Absicht, den vor ihm fliehenden V. mittels eines -Schrotshusses körperlich zu verleßen, sein mit mehreren geladenen Läufen versehenes Gewehr gegen V. abgefeuert, dabei jedoh \sich im Lauf vergriffen, statt eines nur mit Schrot geladenen, einen mit einer Kugel ge- Tadenen Lauf abgeshossen und dadurch dem V. nicht unerheblihe Ver- leßungen zugefügt. Herr von . wurde wegen gefährlicher Körperverleßzung verurtheilt. Die Revision des ngeklagten wurde vom MNeichsgeriht verworfen, indem es begründend ausführte: „. ._. Der hier untergelaufene Irrthum betrifft weder das Objekt no die Substanz der Handlung selbst, sondern lediglich für das Delikt unwesentliche, dessen objektiven wie subjektiven Thatbestand nicht berührende Nebenumstände. Wenn troßdem die Revision geltend macht, mit einem Schrotkorn würden fi niemals folche An haben bewirken Iassen, wie sie V. durch die Kugel erlitten hat, so übersieht sie, daß die objektive Er - heblichkeit folher Verleßungen immerbin bei der Strafabmessung eine Rolle spielen mohte, u den Thatbestand selbst aber begrifflih abfolut irrelevant war. ngeklagter unterlag der Strafandrohung der §8§ 223, 223a Str.-G.-B. nicht, weil er gerade die konkreten, dem V. thatfächlih zugefügten Verwundungen, Knochenverleßungen 2c. gewollt hat, fondern weil sein Vorsay überhaupt auf Körperverleßungen gerihtet war.“ (2527/94.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Ist ein Ba u auf Grund eines ordnungsmäßig ertheilten Kon - senses bereits begon nen, so hat, nah einem Urtheil des Ober- Verwaltungsgerihts, 1V. Senats, vom 28. November 1894, der Bauende ein Recht auf Weiterführung und Vollendung des genehmigten Baues; eine nachher eingetretene Veränderung des Rechts- zustandes, welche eine Versagung des Baukonsenses rehtfertigen würde, hat für ihn in der Regel keine Geltung. Unter dem 28. Februar 1891 war der Handelsgesellshaft R. zu M. von ‘dem zuständigen Amtsvorsteher auf Grund der Polizeiverordnung der Königlichen Ne- gierung zu Magdeburg vom 2. April 1875 die Genehmigung ertheilt worden, auf ihrem in der Gemeindeflur G. liegenden Aer ein Pulverhaus zu errihten. Die Handelsgesellschaft begann auf dem Bauterrain mit dem Erdeauswerfen zu dem Bau. Ehe sie aber mit ihren Bauarbeiten weiter kam, zog der Amtsvorsteher durch Verfügung vom 16. August 1891 die ertheilte Baugenehmigung wieder zurück, weil er inzwischen zu der Ueberzeugung gelangte, daß der in einer Entfernung von 77 m an der Baustelle vorbeiführende Weg ein öffentlicher sei. Diese Verfügung wurde dur Endurtheil des Ober-Verwaltungsgerihts vom 16. Mai 1893 E Kraft gefeßt, indem festgestellt wurde, daß der gedachte eg nicht die Eigenschaft eines öffentlihen habe, der Amtsvorsteher aber nah § 2 der maßgebenden Verordnung nicht berechtigt sei, die Genehmigung zu versagen, weil ein Privatweg innerhalb der Ent- fernung von 225 m an der Baustelle vorbeiführe. Auf Veranlassung des Amtsvorstehers wurde hierauf jener Privatweg in einen öffent - lihen umgewandelt, und jegt erließ er an die Handelsgesellschaft eine Verfügung, in welcher er die Anlegung des Pulverhauses verbot weil nunmehr der fraglihe Weg ein öffentlicher geworden sei. Auf die Klage der Handelsgesellschaft gegen - den Amtsvorsteher wurde die Verfügung desselben von dem Bezirksausshuß in der Berufungsinstanz aufgehoben. Die Revision des Beklagten wurde vom ODber-Verwaltungsgeriht zurückgewiesen, indem es begründend ausführte: „Die Klägerin hat fich darauf berufen, da der Bau des Pulvermagazins bereits vor Erlaß der Verfügung vom 16. August 1891 begonnen sei, und daß ihr deshalb ein Recht zustehe, den Bau fortzuseßen. Dem ist beizupflihten. Es leidet nah dem Inhalt der Akten keinen Zweifel, daß die Klägerin zu der ge- nannten Zeit auf Grund der ihr ertheilten polizeilihen Genehmigung jedenfalls mit der Ausschahtung, mit den Erdarbeiten zu dem Bau be- gonnen hatte, was genügt, um darin den Beginn der Ausführung des Baues zu Ln Ist aber so mit dem Bau auf Grund eines ordnungsmäßig ertheilten Konjsenfes bereits begonnen, der Bau alfo in der Ausführung begriffen, so kann eine naher eingetretene Veränderung des Nechts- zustandes in der Regel keine Geltung für ihn haben. Die Klägerin hatte demnach insofern ein Recht auf Weiterführung und Vollendung des en S ermaganins erworben, als - der durch die spätere Erklärung des L i zu einem öffentlichen geshaffene neue Rechts- zustand für den in Ausführung aegen Bau eine Wirkung nicht haben kann. Das Bauverbot des Beklagten seßte sih deshalb mit dem bestehenden Recht in Widerspruch.“ (IV. 1466.)

Kunft und Wissenschaft.

In der Januar-Sigzung der Anthropologishen Gesellschaft wurde der Ausschuß für das Geschäftsjahr 1895 neu gebildet. Gewähblt wurden die Herren Geheimer Regierungs-Rath, Professor Dr. Adolf Bastian, Dr. Paul Ehrenreih, Geheimer Regierungs- und Stadtrath

. Friedel, Dr. Fedor Jagor, Professor Dr. W. Joest, Geheimer Regierungs-Rath, Professor Dr. von Kaufmann, Sanitäts-Rath Dr. Lifsauer, Privatdozent F. von Luschan, ( Professor Dr. Karl von den Steinen.

_ Der Vorsißende, Geheime Medizinal-Rath, Professor Dr. Nudolf Virchow machte zunächst folgende Mittheilungen: Am 12. Februar feiert die wenige Monate nah der hiesigen Gesellschaft begründete Wiener Brei eroniive Geselischaft ihr 25jähriges Jubiläum, zu der an die Berliner Schwestergesellshaft eine Einladung ergangen E: durch den Geheimen Medizinal-Rath, Professor Dr. Waldeyer, den zweiten Vorsißenden der Berliner, gleichzeitig ersten Vorsitenden der Deutschen anthropologischen Gesellshaft, und durch den Sanitäts- Rath Dr. Bartels, den Schriftführer der hiesigen An epo gg en Gesellschaft, wird Berlin offiziell in Wien vertreten sein. Aus Breslau wird die Bildung einer Shlesischen Gesellschaft für Volks- kunde gemeldet.

, Geheimer Rath Virchow sprach sodann über die arhäolo- gische Konferenz in Serajewo vom August 1894, an welcher der Vortragende zusammen _mit dem Direktor der vaterländischen Abtheilung des Museums für Völkerkunde Dr. Albert Voß theil- genommen hat. Seitdem das Land dur den Berliner Frieden unter österreichische Verwaltung gekommen, is eine große Menge gemein- nügiger Anstalten geschaffen worden. Schulen aller Art sind begründet, neue ausgezeihnete Krankenhäuser, Bäder, Kirchen für alle Kon- fessionen gebaut worden. Ein naturwissenschaftliches, ein prähistorisches, ein bistorisches Museum und ein Museum für Volkstrachten find er-

standen, in denen män einen vollftändigen Ueberblick gewinnt über das was in Bosnien war und ift. Au zwei starke Bände Abhandlungen, die das vorhandene Material zusammenfafsen, sind bereits erschienen Der erste Band is prâäbistorish, der zweite miitelalterlih und volks. kundlich; ein dritter Band ift in Aussicht gestellt. Alle Beamten, mit denen die Mitglieder der Konferenz zu thun hatten, waren gegen die O sehr zuvorkommend, sodaß es möglih wurde, in dem kurzen

eitraum von aht Tagen ungemein viel zu sehen und kennen zu lernen.

Archäoiogisch sind im Lande besonders zwei Pläße wichtig: der eine in der Cbene von Serajewo, der andere hoch im Gebirge bej Glasinaß auf dem Holhplateau, wo 20 000 Gräber gelegen sind. Für die allgemeine europäishe Ge chidte sind beide Stâtten von großer Bedeutung: es handelt sich hierbei vor allem auch um die Frage, in- wieweit dort halbgriechisher Einfluß in der Entwickelung europäischer Kultur na Sudneiión und ob dieselbe auf dem Landwege durch Thefsalien, Thracien dorthin eingeführt ist. Jn einem Tumulus wurde vor einiger Zeit cin Bronzewagen gefunden: man glaubt, an dem Wagen direkte Beziehungen zu Fels nachweisen zu können. Daß der griehische Einfluß über die Gebirgspässe eingedrungen, sei aber nit wahrscheinlich, da die Griechen das Adriatische Meer bis zu den Venetern Lin befahren haben. Andererseits könne es kaum zweifelhaft sein, daß

ier eine alte Kultur felbständiger Art bestanden babe, wie in Stalien.

Direktor Dr. V ergänzte den Vortrag dur Vorlage von Gräber- funden, die das Königlihe Museum für Völkerkunde von dortker er- worben hat : vortreffliche keramishe Arbeiten, u. a; solhe mit merk- würdigen Bandornamenten, die Punktierungen in einer oder mehreren Linien zeigen. :

Geheimer Rath Virchow gab sodann kraniologishe Mittheilungen „zur Anthropologie der Süd-Afrikaner“, der Wahehbe, Wassandani und Bushmänner auf Grund ihm von dort übersandter Schädel. Selbst solche vereinzelte Exemplare bezeihnete der Vor- tragende als für die Forshung sehr werthvoll, und es sei deshalb zu wünschen, daß unsere Landsleute in Afrika häufiger Veranlassung nähmen, Schädel der dortigen Eingeborenen einzusenden.

Ueber einen von dem niederländishen Militärarzt Dubois entdeckten „großen menschenähnlihen Affen* sprach Professor Dr. Wilhelm Krause. Dubois stüye seine Ansichten, so führte Redner aus, dur drei auf Java in einem Flußbett, im oberen Pleistocän gefundene, fehr alte Knochen, die einer Zeit angehören, welche hinter unserer Eiszeit liegt. Zunächst hat man den Zahn einer Art von Gibbon gefunden, dann 1891 das Schädeldah eines großen Affen, dessen Raum nach Dubois? Rechnung 1000 ccm ausmache, also dem Kubikinhalt des Schädels der Wahehe z. B., der 1055 betrage, fehr nabe stehe, während der des Orang nur auf 500 si beziffert. Im Jahre 1892 endlich wurde ein Oberschenkelknohen gefunden. Während das Scädeldah von dem Zahn 1 m entfernt lag, befand sich der Oberschenkelknohen davon in einem Abstand von 15 m. Dubois berehnet nun in der kürzli von ihm hierüber herausgegebe- nen Schrift eine' Größe des Thieres von 1,70 m, nimuit einen aufrechten Gang und aufgerihtete Kopfhaltung an. Der Zahn sei zweifellos ein Affenzahn, wenn er auch wie ein Menschen- zahn auésehe. Das Städeldach, 100 : 70 Länge zur Breite, habe wohl 900 cem Kapazität und sei dolihocephal: es gehöre offenbar einem großen Affen an, habe aber feine Hervorragungen. Der Oberschenkelknohen sche aus wie der eines Menschen, zeige aber eine Erostose, eine große Knochengeschwulft. Professor Kraufe meint nun: was Dubois konstruiert hat, sci ein menschliher Numpf mit einem Affenkopf; denn es sei nit erwiesen, daß der Afenkopf wie der Zahn mit dem 15 m entfernt gefundenen Ober- \chenkelbein zusammengehören. Immerhin sei die Entdeckung Dubois? eine bedeutende: er habe 1) einen großen Affen entdeckt, mit ungewöhnlich großem Gehirn, mehr menshenähnlih als alle bisher bekannten Affenschädel : 2) habe er Menschenknochen entdeckt, die vielleicht die ältesten bisber bekannten sein dürften. Es sei sehr wünschenswerth, daß diese merk- würdigen Funde von Java nah Amsterdam gebracht und hier in Europa noch genauer wissenshaftlih untersuht würden. Auch Professor Dr. Wal deyer ift der Ansicht, daß der Schädel am meisten zur Hylobates-Art stimme. Ebenso ist Professor Virhow überzeugt, daß das Schädeldah einem Affen angehörte; den kubishen Inhalt n aber nah zwei Dimensionen zu berechnen, sei ganz unstatthaft.

Handel und Gewerbe,

__ Vom oberschlesischen Eiseñ- und Zinkmarkt berichtet die „Schles. Ztg.“ : Auf dem obersclesishen Eisenmarkte war in der leßten Berichtswoche eine Aenderung der bisherigen Lage nit zu ver- zeihnen. Die Roheisenproduktion hat eine weitere Einschränkung zwar nicht erfahren, doch hat der Absaßz im In- wie Ausland mehr ab- als zugenommen. Die Bestände an Gießerei- wie Puddelroheisen haben bereits eine beträhtlihe Höhe erreiht, und wenn si der Bedarf nit bald hebt, so dürfte cine Verminderung ‘der im Feuer stehenden Hochöfen kaum zu vermeiden sein. Die Walz- werke sind nach Beendigung der Inventur infolge ‘zahlreicher eingehender Aufträge aus dem Inland etwas besser beschäftigt, Sd niht in ausreihender und befriedigender Weise. Der ober- {{lesische Walzwerkverband, welher am 17. d. M. in Königshütte setne Generalverfammlung abhielt, hat in Nüksiht auf die gegen- wärtig obwaltenden ungünstigen Absaß- und Konkurrenzverhältnifse an den bisherigen verlustbringenden Preisen feine Aenderung eintreten lassen. Das Geschäft in Grob- und Feineisen vollzieht ch äußerst matt; nur die mittleren Walzeisensortimente begegnen noch einiger- maßen befriedigender Nachfrage. Die Blehwalzwerke befinden si in keiner günstigeren Lage, weil sie bei verlustbringenden Preisen eben- falls ungénügend beschäftigt sind; es fehlt sowohl für Fein- wie für Grobblehe an ge eren Aufträgen, und besonders nah Rußland hat der Absaß sehr nachgelassen, Die Stahlwerke ruhen fast gänzlich. Selbst die kleineren Stahlfabrikate sind zu wenig ge- fragt, um einen regelmäßigen und lohnenden Betrieb aufrecht erhalten zu können. Bei den Maschinen- und Kesselfabriken hat sih der Be- shäftigungsgrad nit gebessert, und auch die Eisenkonstruktions- und NReparatur-Werkstätten sind mit Aufträgen nur mäßig versehen. Jn der Lage der Röhrenwalzwerke, Drabt- und Nägelwerke hat ih nihts geändert; dieselben ärbeiten weiter auf Vorrath. Die Gießereien fristen meistentheils ihr Dasein von heut zu morgen; nur die fiskalishe Gießerei in Gleiwiß wird seitens der fiskalishen Berg- werte mit Aufträgen noch ziemli versehen. Ebenso sind diejenigen Eisengießereien noch in besserer Lage, die auf fremde Kundschaft weniger angewiesen sind. Auf dem Zinkmarkt ist in verflossener Woche eine Aenderung niht bekannt geworden. Zum Preise von 28 #4 Breslau, aber \{chwerlich darunter, dürften gute gewöhnliche Marken abgegeben werden. Georg von Giesche's Erben W. H.-Marfte ist in größeren Posten à 30 4, in kleineren zu etwas edel Preife umgegangen. Für Zinkweiß und Zinkstaub it, wie alljährlich in den Wintermonaten, die Nachfrage gering. Ebenso ist das Geschäft in Blei und Bleifabrikaten gegenwärtig fehr ruhig. .

St. Petersburg, 25. Januar. (W. T. B.) Der russische Müllerkongreß wurde heute durch den Direktor des Handelé- Parlaments, owalewsfi, mit einer Rede eröffnet, in der. er den Kon- greß im Namen des Finanz-Ministers begrüßte und dessen Aufgaben und seine Bedeutung für die Verwirklichung einer regulären E russischen Mehls erläuterte. Der Kongreß drückte dem Minister eine Dankbarkeit für die Theilnahme an dem Müllereigewerbe und die Ein- berufung des Gewerbes aus. Behufs Erledigung des Programms bildete die Versammlung eine tehnishe, cine ökonomische und eine Organisations-Kommission.

Bei dem Departement für Eisenbahn- Angelegenheiten wurde unter Theilnahme von Vertretern der Landwirthschaft und des Muüllereigewerbes eine Kommission gebildet behufs Revis ion der Eisenbahntarife für den Transport von Mebl im direkten und inneren Verkehr.

Dem Vernehmen nach is beschlossen worden, bis zum Jahre 1898 allmählih den Seezolltarif Finlands mit dem des Ge- sammtreihs gleizustellen.

Dritte Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 23.

Deutscher Reichstag. 23. Sißung vom Freitag, 25. Januar.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die privatrehtlihen Verhält- nisse der Binnenschiffahrt. :

Staatssekretär des Neichs:-Justizamts Nicberding:

Meine Herren! Die Vorlage über die Binnenschiffahrt und in Verbindung damit diejenige über den Flößereiverkehr find Vorläufer, und, ich darf auch wohl sagen, ein Stück des großen Geseßgebungs- werks über das bürgerlihe Necht, welhes, wenn unsere Erwartungen in Erfüllung gehen, im Laufe des nächsten Jahres den Reichstag be- schäftigen fol. Wenn wir gegen das ursprünglihe Arbeitsprogramm, wonach auch die Binnenschiffahrt ihre Regelung finden follte im Rahmen des bürgerlichen Rechts, jeßt mit einer gesonderten Vorlage hierüber vorausgehen, so hat das mehrfahe Gründe. Zum theil liegt {es darin, daß die Arbeiten für das Vürgerlihe Gesezbuh sich do längere Zeit hinaus erftreckt haben, als bei der Aufstellung des Arbeitéprogramms für dieses Werk vorausgesehen werden konnte; dann liegt es aber auch in der besonderen rechtlichen Lage df Binnenschiffahrtsverkehrs und in den dringenden Wünschen der an diesem Verkehr interessierten Kreise. Jch glaube, man darf sagen, daß es kein Gebiet des bürgerlihen Rechts bei uns giebt, welches fo viel Rechtsungleichheiten, Rechtsunklarheiten und, ich möchte sagen, eine solche Nechtsunordnung aufweist, wie dasjenige des Binnen- schiffahrtsrechts. Wir haben für einzelne Ströme internationale Ver- träge, welhe Theile des Stromrehts, und diese Theile au nur ungenügend, regeln. Wir haben ferner gewisse landeêrechtlide Vor- schriften, die sich auf den Stromverkehr beziehen und die den Strom- verkehr, je nachdem das Wasser den einen oder den anderen Staat durhläuft, verschieden behandeln. Wir haben endlich Rechtsverhält- nisse, die in dem bestehenden Recht überhaupt keine Regelung finden und die an den Gerichtshöfen infolge dessen nothgedrungen nah einem ziemlich weitgehenden und eben, deshalb auŸ nicht unbedenklihen Er- messen abgeurtheilt werden. Diesen Verhältnissen gegenüber steht ein Verkehr, der jedes Jahr mehr sich zu früher ungeahnten Dimensionen entwidckelt, und Sie werden begreifen, wenn die Kreise, die an diesem Verkehr betheiligt sind, die Mängel des bestehenden Rechts und, ich wiederhole es, die Unordnung des geltenden Rechtszustands, worunter sie lêiden, {wer empfinden und dringend nah Abhilfe rufen. In der That, meine Herren, kann man sagen, daß das Binnenschiffahrts- recht von den geseßgebenden Faktoren in Deutschland bis dahin recht stiefmütterlißh behandelt worden ist. Daß hier eine Regelung noth thut, wurde bereits bei der Schaffung des deutschen Handelsgeseß- bus erkannt, und man beschloß damals au, an diese Regelung heranzutreten; allein dem guten Willen folgte die That niht. Die Schwierigkeiten, welhe bei der Schaffung des Handelsgeseßbuhs ju, überwinden gewesen sind, waren s\{chließ- lih so groß geworden, daß der Muth und die Kraft fehlten, um an eine neue Aufgabe der Gesetzgebung, trog ihrer Dringlichkeit, heranzutreten, und so, meine Herren, ift es, obwohl vor mehr als 30 Jahren das Bedürfniß einer legislatorishen Regelung erkannt wurde, doch bis auf den heutigen Tag bei dem alten Rechts- zustande verblieben. Was damals vor 30 und mehr Jahren er- tragen werden konnte, ift heute unerträglich geworden; die Ver- hältnisse unseres Schiffsverkehrs hatten sich in einer- Weise erweitert, entwickelt und umgestaltet, wie niemand es in jenen Jahren voraussehen konnte. Die Verbesserung unserer Wasserstraßen, der Ausbau unseres Kanalnetes , die Fortschritte der Technik, welche zu immer größeren Schiffsbauten drängen, die Entwickelung des Dampfschiffverkehrs, welche Kahn und Segelshiff immer mehr in den Hintergrund schieben, alle Verbesserungen der Tauerei und Ketten-Schiffahrt, mit denen die Dampfer arbeiten all dieses hat in unseren Schiffahrts- verhältnifsen auf den Strömen und Seen ein vollständig verändertes Bild geschaffen, und wie gewaltig die Entwickelung auf ‘diesem Gebiete gewesen is, wollen Sie aus ein paar Zahlen erkennen über die Zunahme des Schiffsverkehrs in den leßten 15 Jahren.

Während im Jahre 1877, wo eine ftatistishe Aufnahme des Binnenschiffahrtsverkehrs stattfand, die Tonnenzahl sämmtlicher auf den Strömen verkehrender Schiffe sih auf 1 377 000 belief abge- rundet —, stellte sih bei der leßten Aufnahme des Jahres 1892 die Tonnenzahl auf 2 760 000, also auf mehr als das Doppelte, und während die Zahl der auf den Strömen Deutschlands verkehrenden Dampfer im Jahre 1877 nur 570 bétrug, war diese Zahl im Jahre 1892 gestiegen auf 1530, also auf fast das Dreifache. Sie werden es verstehen, wenn die Interessentenkreise bei einem so riesig ge- wachsenen Verkehr dringend wünschen, endlich zu einer geregelten Rechtsordnung zu gelangen.

Es war für die verbündeten Regierungen niht s{wer, an diese Regelung heranzutreten ; denn aus den Kreisen der Betheiligten selbst waren in den leßten Jahrzehnten Arbeiten geliefert worden, die diese Regelung vorzubereiten bezweckten und in einer gründlichen und ge- diegenen Weise vorzubereiten auch geeignet waren. Bereits in den sechziger Jahren hatte der deutshe Handelstag sich mit den ein- schlagenden Verhältnissen befaßt und durch eine Kommission den Entwurf eines Schiffahrtsgesezes für den Binnenstromverkehr auf- stellen lassen. Am Ende der achtziger Jahre ergriffen die rheinishen Handelskammern die Initiative, um auf diesem Wege weiter zu gehen, indem auf ihre Veranlassung eine Anzahl von Delegirten zusammentrat und abermals, vorzugsweise angepaßt an die Bedürfnisse und aufgestellt nah den Erfahrungen des Rhein- \stromverkehrs, den Entwurf eines Binnenschiffahrtsgesezes aufstellten, und ihnen {loß sich Anfang der neunziger Jahre der deutsche Verein für die.Hebung der Kanal- und Flußschiffahrt an, indem er dur sahverständige Vertrauensmänner den Entwurf einer Betriebs- ordnung für die östlihen Ströôme, also vorzugsweise für die Elbe, die Oder und die Weichsel, aufstellen ließ, welhe dazu dienen follte, der Orbnung der Frachtverhältnifse unter den Betheiligten zu Grunde

Berlin, Sonnabend. den 26. Januar

gelegt zu werden, fo lange als ein einheitlihes Frahtrecht für die Strôme nicht geschaffen war.

Alle diefe Arbeiten, meine Herren, waren nicht nur ein beredtes Zeugniß für das dringende Bedürfniß einer gesezlihen Regelung, wie es in den nächstbetheiligten Kreisen empfunden wurde, fondern auch eine geeignete Grundlage, auf welcher die verbündeten Regierungen ihren Entæœurf aufbauen konnten. Nichtsdestoweniger haben fie es für nöthig gehalten, diesen neuen Entwurf, um ihn nah allen Seiten den praktishen Verbältnifsen, namentlich auch West- und Süd-

veutshlands, anzupassen, einer erneuten Sachverständigenprüfung zu |

unterzießen, und sie haben deshalb vor Jahr und Tag zunächst eine große Kommission von Vertrauensmännern des Handelsstandes, des Schiffahrtsgewerbes und der an dem Verkehr betheiligten Versiche- rungszweige berufen, um mit ihnen den Entwurf zu erörtern. Die auf diese Weise geschaffene Arbeit is demnächst nochmals an die Oeffentlichkeit gebracht worden, um au auf diefem Wege neue Mittel der Prüfung und Kritik zu gewinnen.

Im großen und ganzen, meine Herren, stellte sich die öffentliche Meinung dem Entwurf günstig gegenüber; nah einer Seite hin sticß er aber auf mancherlei Bedenken, und das veranlaßte die NReichsverwaltung, noch einmal eine Enquête über seinen Inhalt zu veranstalten. Die Bedenken, die gegen den Entwurf erhoben wurden, bezogen sih auf die Regelung der Verhältnisse des Kleinschiffahrt- verkehrs. Meine Herren, der Stromverkehr auf unseren Flüssen be- wegte sih bis etwa vor zwei Jahrzehnten in den engen Grenzen eines Kleinschiffahrtverkehrs, der hauptsählich sch vollzog durch Schiffahrtskähne, die einzeln oder zu mehreren im Eigenthum von Privatinteressenten sih befanden. Es hatte sich auf dieser Einrichtung ein ehrenwerther Stand von Kleinschiffern entwickelt, der in zahlreichen kleinen Orten des Stromnetes seine Niederlafsungen besißt. Aber, meine Herren, unter der gewaltigen Entwickelung, die wir in den leßten Jahren erlebt haben, eines großen Verkehrs auf den Strömen, an den man früher niht dachte, unter dem Einfluß einer Technik, die zu immer größeren Schiffsbauten drängt Anforderungen, denen der Kleinschiffer niht genügen kann unter der Entwickelung endlih des Dampfschiffahrtverkehrs mußte die Stellung der Kleinschiffer von Fahr zu Jahr s{chwieriger werden, und es ist niht zu verkennen, daß unter den gegenwärtigen Zuständen die Aufgabe, ihre Existenz in dem alten Gewerbe aufrecht zu erhalten, eine recht bedrüdckte ift. Meine Herren, die verbündeten Regierungen haben es für ihre Pflicht gehalten, auch nach dieser Seite hin die Verhältnisse sorgsam zu er- wägen, und, soweit es irgend möglih ershien, der beson- deren und schwierigen Stellung der Kleinschiffeer Rechnung zu tragen. Um dies mit voller Sachkenntniß thun zu können, haben fie eine Anzahl von Kleinschiffern, Vertrauens- männern dieses Gewerbes, vorzugsweise aus dem Oder- und Elbestrom- gebiet, auf dem die Kleinshiffahrt vor allem sih bewegt, einberufen, um mit diefen Männern den Entwurf nochmals zu berathen; und die Ergebnisse dieser Berathungen einshließlich der von der Oeffent- lichkeit an dem Entwurf“ geübten Kritik liegen nunmehr vor Jhnen. Im Bundesrath selbs hat der Entwurf Abänderungen von größerer prinzipieller Tragweite nicht erfahren. Er hat nur eine formelle Abänderung infofern erfahren, als dasjenige Material, welches früher in einem Entwurf zusammengefgßt war und die Schiffahrt und Flößerei gleichzeitig umfaßte, jeßt in zwei Entwürfe getrennt ist vorzugsweise aus dem Wunsche heraus, den Flößerei-Interessenten, welche im allgemeinen niht gewöhnt sind, sich mit dem Studium der Gesetze zu befassen, die Kenntnißnahme der sie betreffenden ge- seßlihen Bestimmungen mehr zu erleichtern.

Nun, meine Herren, der Entwurf umfaßt ein so großes Gebiet rechts- und gewerbetechnischer Bestimmungen, daß ih es nicht für richtig halte, auf das einzelne in diesem Augenblick einzugehen. Jch möchte den materiellen Inhalt der Vorlage nur nah einer Richtung hin hier berühren. Der Entwurf liegt auf dem Gebiet des bürger- lihen Rechts, is vornehmlich bestimmt, Privatrechtsverhältnisse zu ordnen. Er ist eben ein Theil des bürgerlihen Rechts und hält fich infolge dessen auch im großen und ganzen in den Grenzen, die da- durch gegeben sind. Er regelt die Rechte des Eigenthümers der Schiffe, der Kapitäne und sonstigen Offiziere, der Schiffs- mannschaften, er regelt die Rechtsbeziehungen der Fracht- interessenten, er regelt die Anforderungen und Verpflichtungen, die sich bei Schiffsunfällen ergeben, und die Beziehungen, die sich aus den Verschuldungsverhältnissen herausbilden. Das staatsrecht- lihe Gebiet Liegt ihm fern, ebenso das Polizeireht. Nur nah zwei Beziehungen hin ist der Entwurf in legterem Punkt über den Nahmen seines eigentlichen Gebiets hinausgegangen, und diese beiden Beziehungen möchte ih noch kurz erwähnen. Der eine Punkt betrifft die Schiffsmannschaften, der andere die Schiffsoffiziere. Meine Herren, was die Schiffémannschaften anlangt, so lag im allgemeinen kein Bedürfniß vor, hier eine umfassende, ershöpfende Regelung ein- treten zu lassen. Die Bemannung der Binnenschiffe steht unter den Vorschriften der Gewerbeordnung: die Schiffsleute sind gewerb- liche Arbeiter, ihre Arbeitsverhältnisse und ihre Rechte und Pflichten rihten sich nach den Vorschriften der Gewerbeordnung, wie sie für jeden gewerblichen Arbeiter maßgebend sind, fie nehmen - Recht wie die übrigen gewerblihen Arbeiter vor den Gewerbegerihten. Nah allen diesen Nichtungen ift für sie gesorgt. Der Entwurf hatte nur die Aufgabe, solche beson- dere Verbältnifse zu berücksichtigen, die in den Eigenthümlichkeiten des Stromschiffsbetriebs liegen, und da war er denn genöthigt, auhch eine polizeilihe Bestimmung zu treffen. Das ist die Vorschrift, nah welcher die Polizeibehörden berehtigt sein sollen, in solhen Fällen, in welchen ein Schiffsmann widerrechtlich fein Arbeitsverhältniß verläßt, also seine Kameraden und das Schiff im Stich läßt, diesen Mann im Zwangswege wieder in den Dienft zurückzuführen. Im allge- meinen gehört ja die Regelung der Verhältnisse zwischen Schiffsmann und Schiffsführer in das Gebiet des privaten Rechts. Wenn Sie aber die Verhältnisse berücksichtigen, die hier in Betracht kommen, wie durch das böswillige Ausbleiben

1895.

eines Schiffsmanns die Befrachtung und die Entlöshung eines Schiffs in verhängnißvoller Weise für alle Betheiligten gestört werden fann, wie durch das Verlassen eines Schiffs der Verkehr in den Häfen und auf dem Strem aufs äußerste gefährdet sein kann, wenn der Schiffsführer niht in der Lage ift, sofort geeigneten Ersaß für den Flüchtling zu beshaffen; wenn Sie daran denken, daß in Fällen, in welchen ein Mann beispielsweise ein großes Floß verläßt, durch die ungenügende Beseßung des Flofses eine gemeine Gefahr für den ganzen Verkehr auf dem Strom, für die Brücken und Lande-Einrih- tungen, ja selb für Menschenleben fi ergeben kann: dann werden Sie es gerehtfertigt finden, daß hiek ber Sfaat mit polizeilihem Zwang eingreift, um zu verhindern, daß die Laune und die Willkür des Einzelnen so große Gefährdungen der öffentlihen Interessen berbeiführt.

Auf der anderen Seite, meine Herren, will der Entwurf auch die Verhältnisse der Schiffsführer in gewiffer Beziehung einer poli- zeilihen Regelung zu unterstellen gestatten, und zwar dadur, daß er dem Bundesrath die Befugniß verleihen will, den Befähigungs- nachweis für die Schiffer einzuführen. Wenn ih sage „einzu- führen“, so treffe ih die Sacklage niht vollständig; denn für einen erheblichen Theil unseres Stromverkehrs ift dieser Befähigungsnahweis in der That bereits vorhanden. Er besteht auf der Elbe, auf der Weser und auf der Donau; er hat auf dem Rhein bestanden und ift dert in den 60 er Jahren beseitigt worden, wie jeßt die Mehrzahl der Vertreter der sachverständigen Kreise zugiebt, nicht zum Vortheil des ganzen Schiffsverkehrs. Wir wünschen nun die Möglichkeit zu ge- winnen, auf denjenigen Strömen, auf denen nach der Gestaltung des Verkehrs die Führung von Schiffen und Flößen durch unbewanderte, tehnisch niht geshulte Leute zu großen Gefahren führen fann, den Befähigungsnahweis einzuführen. Wir wünschen es zunächst im Interesse des ganzen Stromverkehrs, um Gefahren zu vermeiden. Die Schiffsinteressenten, meine Herren, die Rheder, wünschen es mit uns aber au, um sih sicher stellen zu können gegenüber den Lasten, die ihnen der Entwurf auferlegt. Der Entwurf steigert die Verpflichtungen der Schiffseigenthümer für einen großen Theil des Landes, insofern als er sie in bedeutendem Umfang verpflihtet, für diejenigen Schäden zu haften, welhe während der Fahrt des Schiffs verursaht werden können. Daraus folgt, daß die Schiffseigenthümer das größte Interesse haben, tüchtige erfahrene Leute an die Spitze ihres Fahrzeuges stellen zu können, und es ift eine weit verbreitete Klage, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen es eine äußerst schwierige Sache für die Schiffs8eigenthümer is, befähigte und zuverlässige Leute für die Schiffsführung zu gewinnen. Dieses Bedürfniß will der Entwurf befriedigen, indem er es in die Hand der Bundesregierungen legt, auf einzelnen Strömen, wo das Be- dürfniß hervorgetreten ist, oder auf einzelnen Strecken der Ströme Anordnung dahin zu treffen, daß keiner ein Schiff führen darf, obne seine Qualifikation nahgewiesen zu haben.

Meine Herren, ih beschränke mich auf diese Bemerkungen. Ich glaube, daß, wenn Sie diesem Entwurf zustimmen, Sie nah mehr- fachen Richtungen dem öffentlihen Wohl einen Dienst erweisen werden. Sie gewinnen unserem deutshen Neht wieder ein großes Stück Boden, und zwar auf einem Gebiet, auf dem die Rechtsverwir- rung bis dahin besonders \{chmerzlich empfunden wurde; und auf der anderen Seite {hafen Sie für einen hohwichtigen bedeutsamen Zrwoeig unseres Gewerblebens die Unterlagen, auf denen dieser Betrieb

- seine geshäftlihen Operationen mit Vertrauen aufbauen fann. Sie

werden daher unserem nationalen Recht und unserem nationalen Gewerbefleiß einen großen Dienst erweisen, wenn Sie Ihrerseits dazu beitragen wollen, diese Vorlage zur rashen Erledigung zu bringen.

(Bravo!)

Abg. Let ocha (Zentr.): Die Vorlage is von den Handels- kammern und den interesfierten Kreisen mit großer Freude begrüßt worden,, sie entspriht den auf dem Binnenschiffahrts-Kongrekß ge- äußerten Wünschen. Es ift geklagt worden, daß man bei der Fest- stellung des Entwurfs nur auf die großen Schiffer Rücksicht genommen habe, niht aber auf die kleinen, die ihr Fahrzeug selbft führen müssen. Diese Klage, die übrigens meist von sozialdemokratischer Seite erhoben wird, ist unbegründet ; denn der Zentralverein zur Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt- zählt viele fleine Schiffer zu Mitgliedern und hat die Interessen dieser bei den Vorberathungen fehr lebhaft ver- treten. Jch beantrage, den Entwurf an eine Kommission von 21 Mit- gliedern zu überweisen. : : / E

Abg. Nicker t (fr. Ver.): Auch ih erkenne ein Bedürfniß für diese Vorlage an; ja, ih halte dieses Bedürfniß für ein hervorragend dringendes. Die von dem Vorredner angedeutete Befürchtung, das die kleinen Interessenten niht genügend berücksihtigt würden, theile ih nicht. Vie Vertreter dieser kleinen Interessenten sind ja {hon vernommen worden, und wenn das nicht genügte, so hätte die Kom- mission jeßt noch in den Monaten Januar und Februar, wo die Schiffer unthätig sind, Gelegenheit zu folhen Vernehmungen. Die Kleinschiffahrt ist durch die Konkurrenz der Dampfschiffe und der Schleppschiffahrt in große Bedrängniß gerathen, in der ihr jeßt gebolfen werden soll. Jn einer Beziebung hat man aber den kleinen Schiffern zu harte Be- dingungen aufgelegt, nämlih im Punkte der P flbroes Sollen auch Frau und Kinder des Schiffseigners oder Schiffsführers, die sih auf dem Schiff befinden, zu den angestellten Personen zählen und haftbar sein? Alle Personen auf dem Schiff will man haftbar machen, nur die Zwangslootsen sollen es nicht sein. Es wäre aber billig, daß für deren Verfahren der Staat haftete. Es ist vorgekommen, daß ein im Kurischen Haff geshlepptes Schiff durch ein holländishes, von einem Zwangslootsen geführtes Schiff in den Grund gebohrt wurde. Nur der Lootse war an dem Unglück schuld, er konnte nicht zum Schadenersaß herangezogen werden. Man verweist die Schiffer auf die Versicherung; die Prämien sind aber so hoch, daß das Geschäft sie niht trägt. Solche Vorkommnisse find grausam und barbarish. Post únd Eisenbahn find für vershuldeten den regreßvflihtig, der Grundbuchrihter ift es für seine Eintragungen, und hier will der Staat die Haftpfliht ablehnen. Von der zwangs- weisen Zuführung des kontraktbrüchigen Schiffers zur Arbeit durch die Sebi, versprehe ich mir nicht viel; diese Maßregel hat auf anderen

ebieten auch nichts genüßt. Bedenken sind ferner gegen die Ein- führung des Befähigungsnachweises zu erheben. Fast jeder Es im Osten, in der eihselgegend, if auf dem chiffe se stff eboren, hat dort seine Jugend verlebt und fast keine qu - Pildacs genossen. Diese Leute sind meist neun Monate des Jahres unterwegs. erjenige, der bei den Gefahren und Zufälligkeiten, die dem Swiffer begegnen, die größte Geistesgegenwart besißt, ift der