1895 / 25 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Das „Marine-Verordnungsblatt“ veröffentlicht in - jeiner gestern ausgegebenen Nummer Allerhöchste Ordres vom 27. Januar, wonach die Offiziere der Marine-Jnfanterie an Stelle der bisherigen die Schärpe der Sceoffizicre zu tragen haben, während die als Adjutanten fungierenden Offiziere die bisherige Schärpe weiter traen, und ferner die als Bootsgäfte der Kaiserlihen Gig kommandierten Mann- schaften der Yacht „Hohenzollern“ ein besonderes Abzeichen er- [ten. - s Unter demselben Datum haben Seine Majestät der Kaiser bestimmt, daß aus dem jeßigen Steuermannspersonal bei den Matrosen-Divifionen ein „Signal- und Steuermannsperfonal“ ebildet werde, und die der bezüglichen Ordre beigefügte Vor- chrift über die Organisation und Ausbildung diejes Personals genehmigt. Danach soll das Signal- und Steuermanns- personal der eir 2: a in der selbständigen Handhabung des ignaldienstes sowie beim Steuern und Lothen, Beobachten und bci der “Anfertigung nau- tischer Berechnungen Verwendung finden. ESteuerleute und Ober-Steuermannsmaate sollen befähigt sein, in Erman- gelung von Wachtoffizieren im Wachtdienst an Bord verwendet zu werden. Das Signal- und Steuermannspersonal erhält besondere Abzeichen und seßt sih zusammen aus: Signalgasten, Ober-Signalgasten, Signalmaaten, Ober-Signa@naaten, Signal- meistern; Ober-Steuermannsmaaten, Steuerleuten und Ober- Steuerleuten. Das gesammte Perfonal wird bei jeder

Matrosen-Division in einem besonderen Verband vereinigt. Die Signalagäste ergänzen fich aus allen Kapitulanten, welche die Laufbahn einschlagen wollen, sowie nach Maßgabe des Bedarfs aus sonstigen durch Gewandtheit und Jntelligenz fich auszeihnenden Mannschaften der Matrosen-Divisionen.

Die Feier des Allerhöchsten Geburtstages SeinerMajeität des Kaisers und Königs

wurde gestern Morgen 8 Uhr durch einen vom Musikkorps des 2. Garde-Dragoner-Regiments von der Schloßkuppel berab geblasenen Choral und das „große Wecken“ eingeleitet, welches die sämmilichen Spielleute der 2. Garde-Jnfanterie-Bri- gade mit den Hoboisten des Garde-Füsilier-Regiments, aus dem inneren Schlosse durch die Mittelpromenade der Linden nah dem Brandenburger Thor und zurück marschierend, ausführten. Das prachtvolle sonnighelle Winterwetter, welches den Festtag verschönte, vereint mit dem Umstande, daß der- selbe diesmal auf einen Sonntag fel, hatte eine zahlreiche Menschenmenge herausgelockt, welche die Hauptstraßen der Stadt, besonders die Gegend um das Schloß und die „Linden“ vom frühen Morgen an mit ihrem dihten Gewoge er- füllte, das bei der An- und Abfahrt der Fürstlichen Herrschaften und der anderen hohen Gratulanten seinen Höhepunkt erreichte. Von allen öffentlihen und vielen Privatgebäuden wehten Fahnen und Flaggen mit den preußishen und deutschen

appen und Farben. Die zahlreichen, zum theil mit erlesenem Geschmack dekorierten Schaufenfter, welche stets die Büste oder das Porträt Seiner Majestät als Mittelpunkt einer reichen Ausstattung mit Blumen, Draperien 2c. zeigten, waren von Beschauern dicht umringt, und überall kam in Kleidung und Stimmung die Festfreude zu sihtlihem Ausdru. Um 111/25 Uhr fündigten 101 Salutschüsse, welhe von der im Lustgarten aufgestellten Leib-Batierie des 1. Garde-Feld- Artillerie - Regiments abgegeben wurden, den Beginn der Gratulationscour im Königlihen Schlosse an. Nach Schluß derselben, kurz vor 121/, Uhr, begaben Sich Seine Majestät der Kaiser unter dem lauten Jubel der dichten Menschenschaaren, welche den ganzen Weg besegt hatten, zu Fuß naÿ dem Zeughaufe, wo ih inzwischen die Generale und das gesammte Offizierkorps der Garnison Berlin ver- sammelt hatten. Dort erfolgte in der an diesem Festtage herkömmlichen, feierlihen Weise die Parole-Ausgabe, wobei der Kommandant des Hauptquartiers, General-Lieutenant von Plessen den oben mitgetheilten Allerhöchsten Armeebefehl verlas. Auf dem Rücgange Seiner Majestät nach dem Schlosse wiederholten sih die herzlihen Ovationen des Publikums.

Jn den Kirchen gedachten die Geistlichen in ihren Pre- digten beim Gottesdienst des Allerhöchsten Geburtstags mit Pelondever Fürbitte. Die Universität und andere Hochschulen, Akademien (f. u.) und Konservatorien hatten, soweit dies nicht bereits in Vorfeiern geschehen war, zu Ehren desselben würdige opa mit Gesang und Festreden veranstaltet. Nachmittags anden bei den Chefs der Reichs- und Staatsbehörden Fest- mahle statt.

Im Opernhause war Abends Festvorftelluna, und in den Theatern wurden die Aufführungen der Repertoireftüccke vielfach durch die Klänge der Jubelouvertüre von Weber und Fest- prologe eingeleitet. Mit einer glänzenden Jllumination, bei welcher dicsmal die elefktrishe Beleuchtung mit ihren bunten neuerfundenen Lichtkörpern vielfah prächtige Ueberrashungen darbot, {loß der Festtag.

Die Königliche Akademie der Künste feierte den Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers gestern Vormittag 11 Uhr durch eine Festhzung im großen Saal der Sing- Akademie, der mit der Koloßjsalbüste des Kaisers in der Gardes- du-Korps-Uniform und mit frishen Blumen s{chön ges chmüdckt war. Unter den Ehrengästen befanden sich die Geheimen Räthe Dr. Köpke und von Moltke aus dem Ministe- rium der geistlihen 2. A enen der Ober- Regierungs - Rath Friedheim, der General - Arzt Grasnick und der Direktor des Kaiserlihen Gesundheitsamts Köhler. Der Akademische Senat war fast vollzählig vertreten. Die Feier begann mit der großen Krönungshymne von Händel, welche von den Sängern und Musikern der Hochschule unter Leitung des Kapellmeisters der Akademie Professor Joachim vorgetragen wurde. Nachdem der Gesang verklungen war, nahm der Erste auvige Sekretar und Senator der Akademie, Professor Dr. Haris Müller das Wort zur Festrede, welche die Beziehungen des ersten Königs von Preußen zur Kunst behandelte. (Wir Cid “roi den Wortlaut dieser Rede in der Ersten Beilage.) it der vom Orchester der gie ausgeführten C-dur-Ouvertüre von Gade s{chloß die Feier.

Die Kaiser-Geburtstag-Feier der Königlichen Friedri Wilhelms-Universität fand gestern Mittag unter großer Betheiligung in der Aula, die mit der von blühenden Gewächjen umgebenen Kaiserbüfste und prächtigen Pflanzen deforiert war, statt. Als Ehrengäste wohnten der Feier der Minifter der geistlihen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse

mit dem Ministerial-Direktor von Barish und den Geheimen Räthen Althoff und Naumann, der Generalftabs- Arzt von Coler und andere hohe Beamte bei. Unter dem Gans der Motette „Herr, der König“ erfolgte der Einzug des Senats. Die Festrede des Rektors Professors Pfleiderer hatte zum Thema „Das deutsh-nationale Bewußtsein in Ver- gangenheit und Gegenwart“. (Ein Auszug aus dieser Fest- rede ift in der Ersten Beilage zur heutigen Nummer d. Bl. abgedruckt.) Mit dem G.sang der Hymne .„Salyum fac regem“ ¡chloß die Feier.

Auch die Technische Ho hs hu le haite schon am Vorabend eine Kaisergeburtstagsfeier in der mit der Büste Seiner Majestät und Palmen und laitBaes reich dekoriertén und glänzend erleuhteten Aula veranstaltet, an deren Seiten sich die Chargierten der ftudentishen Korporationen mit ihren Fahnen aufgestellt hatten. Die ordentlihen Mitglieder der fünf Lehr - Abtheilungen erschienen in ihren braunen Talaren und nahmen mit den Ehrengästen, den Vertretern der Regierung, der Stadt Charlotten- burg u. A. auf den ersten Sißreihen Plaß. Der Gesang „Gott, du bist meine Zuversicht“ eröffnete den Aft. Dann betrat der zeitige Rektor, Geheime Regierungs-Rath, Professor Dr. Slaby die Tribüne, um die Festrede „über das Geseh von der Erhaltung der Energie und seine Bedeutung für die Technik“ (vgl. die Erste Beilage zur heutigen Nr. d. Bl.) zu halten. Jn dem Gefang des Liedes „Schwing dich auf du Lied der Lieder“ klang die Feier ffftimmungsvoll aus.

Wie in Berlin, so wurde auch außerhalb, in Preußen wie im Reich, der Kaiserlihe Geburtstag festlich begangen. Es liegen darüber bereits Meldungen vor aus München, Dresden, Leipzig, Darmstadt, Weimar, Braunschweig, Ham- burg, Lübeck, Breslau, Köln, Königsberg, Hannover, Posen und zatlreihen anderen Orten. Ueber die Feier in Straß- burg i. E. wird berichtet :

Straßburg i. Els., 27. Januar. Die Feier des Ge- burtstages Seiner Majestät des Kaisers war vom s{hönsten Wetter begünstigt. Der gestrigen Universitätsfeier folgten heute Festgotteëdienste in allen Kirhen. Dem Gottesdienst in der Neuen Kirche wohnte der Statthalter Fürst zu Hohenlohe- Langenburg mit Gemahlin bei; alsdann besuchte der Statt- halter noch den Militärgottesdienst in der Thomaskirhe. Um 1 Uhr war Parade auf dem Kaiserplaze, welche vom Statt- halter abgenommen wurde. Bei dem um 3 Uhr folgenden Festessen, an welhem die Mitglieder des Ministeriums, die Generalität, viele Beamte und Offiziere sowie zahl- reihe Angehörige der Bürgerschaft theilnahmen, hielt der Statthalter nah dem Bericht des „W. T. B.“ folgende Rede: „Es ist heute das erste Mak, daß mir die Ehre zu theil wird, in Jhrer Mitte an dem Freudentag der deutschen Nation dem Geburtstage Seiner Majestät des Kaisers, den Toast auf Allerhöchstdenselben auszubringen. Vor wenig Tagen erst war s mir vergönnt, aus dem Munde unseres aller- gnädigsteu Herrn selbst erfahren zu dürfen, mit welch warmem Interesse Allerhöchstderselbe die Entwickelung der Reichslande verfolgt, wie innig er denselben zugethan is, wie er sich über jede frohe Botschaft reub, Die. - von hier an Un gelangt, und wle gerne er der Tage seines Aufenthalts in Elsaß-Lothringen gedenkt. Wir, die Angehörigen der Neichslande, dürfen mit froher Zuversicht auf das landesväterlihe Walten unseres Kaisers bauen, das nur auf die Wohlfahrt des Landes ge- rihtet ist, und müssen in treuer Anhänglichkeit und Ergeben- heit dankbarst zu ihm aufblicken. Gott segne und beschirme unseren Kaiser auch in feinem neuen Lebenjahre zum Heile des Deutschen Reichs und unseres Landes. Mit diesem innigen Wunsch bitte ih Sie, mit mir in den Ruf einzu- stimmen: „Seine Majestät der Kaiser lebe hoh!“ Die Ver- sammlung stimmte begeistert dreimal ein. Weitere Fest- mahle und Festlihkeiten wurden von den Offiziekrorps der Garnijon, den Landwehr-Offizieren, verschiedenen Vereinen und Kreisen der Bürgerschaft veranstaltet. Die Stadt prangt im Flaagenschmuck.

Aus dem Auslande sind folgende Festberichte eingegangen :

Wien, 28. Januar. Zur Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Deutschen Kaisers fand gestern ein Hofdiner statt, bei welchem der Kaiser Franz Joseph den Toast auf Kaiser Wilhelm ausbrahte. An dem Diner nahmen theil: der deutsche Botschafter Graf zu Eulenburg, die Mitglieder der Botschaft, die Gesandten der deutshen Bundesstaaten, die gemeinsamen Minister Graf Kälnoky, von Kallay und von Kriegshammer, der Admiral von Sterneck, die Minister-Prä- sidenten Fürst Windishgräß und von Banffy, der Minister Graf Welsersheimb, der Genera!stabs-Chef von Beck, zahlreiche Generale und die Hofchargen.

Triest, 27. Januar. Gestern Abend feierten über 100 Angehörige des Deutshen Reichs den Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers unter Theilnahme der Mehrzahl der Offiziere und vieler Kadetten von S. M. Schulschiff „Stein“. Heute hatte S. M. Schulshiff „Stein“ anläßlich des fest- lihen Tages Flaggengala gehißt. Da seit gestern Nacht unter beftiger Bora starker Schneefall statifindet, so ist die für heute Nachiniitag auf S. M. Schulschiff „Stein“ beabfichtigte Feier abgesagt worden.

Paris, 27. Januar. Auf der deutshen Botschaft war gestern zu Ehren des Geburistages Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm ein großer Empfangsabend veranstaltet, welhem zahlreihe Mitglieder der deutshen Kolonie beiwohnten. Der deutsche Quartettverein trug mehrere Chöre vor. Graf Münster brachte ein Hoh auf Seine Majestät den Kaiser aus, in welches die Versammelten begeistert einstimmten. Die hiesige deutshe Kolonie beging das Geburtsfest Seiner Majestät des Kaisers mit einem Bankett im „Hôtel Continental“, zu dem sich etwa 160 Theilnehmer eingefunden hatten. Der deutshe Botschafter Graf Münster hielt die Fest- rede. Er theilte, dem „W. T. B.“ zufolge, mit, ihm sei jüngst die hohe Auszeihnungz und das Glü beschieden gewesen, einige Stunden im Kreise der Kaiserfamilie zu weilen; er habe ein Bild genossen, welhes das Herz jedes Deutshen innig erfreuen und erheben müsse. Die Deutschen im Auslande seien nicht durch Par- teiungen zerrissen, sie seien glülih, daß ihr Kaiser die von den Vorfahren überkommene Wacht zu erhalten und zu stärken wisse, um den Frieden zu s{hüßzen. Graf Wiünster shloß mit einem jubelnd aufgenommenen Hoh auf Seine Majestät den Kaiser und das Kaiserliche Haus.

Rom, 27. Zanuar. Zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Deutschen Kaisers fand heute Vormittag in der

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Kapelle des Palazzo Caffarelli Festgottesdienst statt, wel der deutsche Boticha er B. von Bülow mit C das Personal der tshaft, der Königlih preu he Gesandte bei dem päpsilihen Stuhle O. von Bülow der Königlich bayerishe Gesandte beim Quirinal Freiherr von Podewils, sowie viele Deutsche beiwohnten. Nach dem Gottesdienst erschienen der italienishe Minister des Auswärtigen Baron Blanc, die Chefs der Vertretungen der auswärtigen Mächte, sowie viele italienishe Würdenträger und hervorragende Persönlichkeiten in dem Botschaftspalais, um ihre Glückwünsche darzubringen. Zu dem heute in der Botschaft stattfindenden Fee waren über 300 Reichsangehörige geladen. Der deutsche otschafter von Bülow brachte dabei in zündenden Worten das Hoch-auf Seine Majestät den Kaiser aus, das von der Versammlung mit stürmischer Begeisterung aufgenommen wurde. —- Der Deutsche Künstlerverein hatte den Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm bereits gestern Abend durch einen Fesikommers gefeiert, zu welhem auch der deutshe Botschafter von Bülow, der preußishe Gesandte von Bülow und der bayerishe Gesandte Freiherr von Podewils erschienen waren.

St. Petersburg, 27. Januar. Jm Laufe des Vor- mittags erschienen bei dem deutshen Botschafter, General von Werder die Botschafter und Gesandten der auswärtigen Mächte, das diplomatishe Korps, zahlreihe Hoshargen und hervorragende Persönlichkeiten, um ihre Glückwünsche zum Geburtstage Seiner Majestät des Deutschen Kaisers - E Heute Abend veranstaltet die deutsche Kolonie eine

ejttasel.

Brüssel, 27. Januar. Die deutshe Kolonie beging das Geburtstagsfest Seiner Majestät des Kaisers durch ein Fest- mahl im „Grand Hôtel“. - Der deutshe Gesandte Graf von Alvensleben feierte Seine Majestät den Kaiser in begeisterten Worten, er drückte die Freude des deutshen Volks über die Erhaltung des Friedens und die Hoffnung auf dessen fernere Bewahrung aus, dank der festen und thatkräftigen Hand, mit der Seine Majestät der Kaiser die Zügel des Staats führe. Die Rede wurde mit begeisterten Hohs auf Seine Majestät den Kaiser aufgenommen.

Konstantinopel, 27. Januar. Zur Feier des Geburts- tages Seiner Majestät des Deutschen Kaisers fand zuerst heute Vormittag in der Botschaftskapelle ein feierliher Gottesdienst ftatt, dem der Botschafter Fürst Radolin, das Personal der Botschaft und zahlreiche Deutsche beiwohnten. Hierauf war Gratulationsempfang auf der deutshen Botschaft. Um 2 Uhr ließ der Sultan durch den ersten General-Adjutanten seine GlückEwünsche ausfprehen, während zu derselben Zeit die im Bosporus liegenden türkishen Kriegsschiffe 21 Salut- schüsse abgaben. Abends war Diner auf der Botschaft, wozu an 110 deuishe Reichsangehörige Einladungen ergangen waren.

Bukarest, 27. Januar. Aus Anlaß des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm wurde in der hiesigen evangelischen Kirche ein feierliches Tedeum abgehalten, welchem der Chef des Militärkabinets General Wladesco in Vertretung des Königs, die Minister Catargi und Lahovary, sowie die Spitzen der Militär- und Zivilbehörden Daa ilde. Nach dem Gottesdienst fand Empfang auf der deutschen Gesandt- schaft statt.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für das Seewesen, für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten heute eine Sißung.

Für die Berufs- und Gewerbezählung, welche nah dem Entwurf eines Gesetzes, der dem Reichstage vorliegt, im Juni dieses Jahres vorgenommen werden soll, find vom Kaiserlichen Statistishen Amt unter Mitwirkung der Vertreter der amtlichen Statistik der Bundesstaaten die nachstehenden Entwürfe zu Erhebungs-Formularen :

1) einer Haushaltungsliste,

2) einer Landwirthschaftskarte,

3) eines Gewerbebogens : ausgearbeitet worden. Diese Formulare sind in der Vierten Beilage zur heutigen Nummer des „Reihs- und Staats-Anzeigers“ abgedruckt.

Der Kommunal-Landtag der Kurmark beschloß in seiner 6. Plenarversammlung über fünf Gutachten des I. und acht des 11. Ausschusses. Die ersteren betrafen die den der Landfeuersozietät der Kurmark und -der Niederlaufiß für 1893, welche vorbehaltlos entlastet wurden, zwei Rekurse der General-Direktion und einen jolchen eines Versicherten gegen Kreistagsentscheidungen, welchen Refursen, dem leßteren aus Billigkeitsrücksihten und auf Antrag der General-Direktion, stattgegeben wurde. Auf gleichen Antrag wurde in einem vierten Falle aus Billigkeitsrüsichten eine Brandentshädigung ge- währt. Nach dem Gutachten des I1. Ausschusses wurden milden Stiftungen in 4 Fällen Unterstüßungen aus dem Dispositions- fonds der Kurmärkishen Hilfskafse bewilligt. Der Landtag nahm von dem Stand dieses Fonds Kenntniß und billigte den Vorschlag seines Ausschusses, die Bewilligungen innerhalb des jeßt zurückgegangenen Zinseinkommens zu halten. Dic Gesd ftsüdersicht der Kurmärkischen Hilfskasse für 1893 und dec Bericht der außerordentlichen Revision der Ständischen Kassen gelangten zur Kenntniß des Landtags, welcher shließlih die Rechnung über den Kurmärkischen Kommunal - Landtags- fonds für 1893 entlastete.

Schleswig, 26. Januar. Heute, Mittags 12 Uhr, wurde der 29. Shleswig-Holsteini Je Provinzial-Landtag von dem Wirklichen Geheimen Rath und Ober-Präsidenten von Steinmann mit einer kurzen Ansprache, unter An- erkennung der energischen und ersprießlihen Erledigung seiner Geschäfte, geschlossen. / :

Nach einem sodann von dem Vorsißenden, Klosterpropfi Grafen von Reventlou-Preeß auf Seine Majestät den Kaiser und König ausgebrachten, begeistert aufge- nommenen dreimaligen Hoch trennte fih die Versammlung.

Der 29. Provinzial-Landtag hat fieben Plenarfißungen abgehalten. Zwei Vorlagen sind demselben von der König- lichen Staatsregierung gemacht worden, darunter das Ers um Abgabe einer Aeußerung über die Errichtung einer Land- wirthshaftskammer für die Provinz sowie über den Ent von Sagzungen für die Kammer. Nach Prüfung dieser Vor- lage durch eine Kommission von neun Mitgliedern hat der Provinzial-Landtag sein Gutachten mit allen gegen eine Stimme

dahin geben, daß er die Errichtung einer Landwirthscha fammer für Sit: halte. Die Sagzungen sind mit len gleichen Stimmenverhältniß nah den Vorschlägen des Ausschusses genehmigt worden. Dana wird die Kammer aus 80 ordent- lichen Mitgliedern bestehen, welche auf die Landkreise nah Maßgabe des Grundsteuerreinectrags und der landwirthschaft- lichen Bevölkerung, jedoch unter der Beschränkung zu ver- theilen sind, daß keinem Kreise mehr als fünf oder weniger als drei Mitglieder zufallen.

Von dem Provinzialausschuß find 20 Berichte und An- träge eingegangen. Davon find hervorzuheben: 1) der Ent- wurf zu cinem Regulativ, betreffend die Bedingungen für dic Gewährung einer provinziellen Unterstüßung des Kleinbahn- wesens in der Provinz mit Ausnahme des Kreises Herzog-

um Lauenburg. Das Regulativ, welches ein Eintreten der

rovinz mit entweder !/4 der Anlagekosten darlehnsweise oder 1/, à fonds perdu vorsieht, ward genehmigt. 2) Ge- währung der Beihilfe zu den Anlagekosten für eine Klein- bahn von Niebüll nach Dagebüll. Eine Beihilfe von 65 000 M ward gewährt. 3) Erweiterung der Räumlichkeiten der Provinzial-Jrrenanstalt. 4) Beschließung eines Provinzial- ftatuts zur eng der S8 87 und 93 der Provinzial- ordnung vom 27. Mai 1888. Das Statut ward in folgender Fassung angenommen: „Die Wahl des Landes-Direktors hat der Provinzialauss{huß vorzubereiten. Dem Landes-Direktor werden nah Maßgabe der Beschlüsse des Provinzial-Landtags vier Fnere Beamte mit berathender Stimme zugeordnet, deren Wahl der Provinzialausshuß ebenfalls vorzubereiten hat.“

Nachdem der Landes-Direktor von Ahlefeld auf seine Emeritierung angetragen hatte, ward von dem Provinzial- L Gg die Ian ae G S auf Je chs „Fahre vorzunehmen. cwählt ward der La t von Graba. G Regt)

Durch diese Wahl war die Neuwahl eines Landes-Raths erforderlih geworden; auch ward die Wahl eines zweiten Landes-Raths beschlossen. Als Landes-Räthe wurden gewählt : hi “S E Wenneker in Kiel und Stadtrath Bachmann in Kiel.

Außer der Kommission zur Prüfung der Landwirth\chafts- kammer-Vorlage sind zwei Aus\{hü}- niedergeseßt worden : der Wahlprüfungsausshuß mit fünf Miigliedern und der Petitions- ausshuß mit sieben Mitaliedern.

Zwanzig Petitionen sind eingegangen. Durch elf von dem Petitionsausshuß erstattete schrifiliche Berichte sind vierzehn etitionen erledigt; vier Petitionen haben in anderer Weise ihre Erledigung gefunden; über zwei Petitionen if von dem Ausschuß mündlich Bericht erstattet worden.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Der Landtag ist gestern durch den Staats-Minister Dr. Freiherrn von Groß in der üblihen Weise eröffnet worden.

ie Propositions\chrift gedenkt zunächst des Todes Seiner Königlichen Hoheit des Erbgroßherzogs und bringt den Dank des Großherzoglichen Hauses für die allge- meinen Kundgebungen der Trauer zum Ausdruck. Was den Voranschlag des Staatshaushalts betreffe, so seien in demselben er- hebliche Verschiebungen eingetreten. Obwohl die eigenen Landes- einnahmen troß der theilweisen Ungunst der wirthschaftlichen Verhältnisse fih auf der früheren Höhe erhalten hätten, sei in- folge der Verhältnisse zum Reich ungeahtet der möglihsten Sparsamkeit eine Erhöhung der Einkommensteuer nicht zu um- gehen. Auch ein weiterer Ausbau der Steuerverfassung sei nöthig. Andere Vorlagen beziehen fich auf eine neue Gemeindeordnung sowie auf die konfessionellen Ver- hältnisse der Kinder aus gemischten Ehen.

Nach der Wiederwahl des Präsidiums gedachte der Präfident Freiherr von Rotenhan des Geburtstages Seiner Ma- jestät des Kaisers und brachte auf Allerhöchstdenselben ein Hoch aus, in das der Landtag begeistert einstimmte.

Oesterreich-Ungarn.

__ Der ungarische Minister-Präsident Baron Ban ffy wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern Vormittag vom Kaiser in längerer Privataudienz empfangen. Hierauf stattete der- selbe den obersten Hofwürdenträgern, dem Erzbischof Gruscha und dem Generalstabs-Chef FZM. Freiherrn von Beck Besuche ab und nahm Abends an der Belafel theil. i

__ Der neuernannte türkishe Botschafter Galib-Bey über- reichte gestern dem Kaiser in feierliher Audienz sein Be- glaubigungsschreiben.

__ Der ungarische Finanz-Minister von Lukacs hat die sein Ressort betreffenden Besprehungen mit dem österreichischen

inanzMinister Dr. von Plener zu einem prinzipiellen

bshluß gebracht.

Wie aus Triest berihtet wird, hat der Kommandant des deutshen Schulschiffs „Stein“, Kapitän zur See von Wietersheim bald nah seiner Ankunft in Triest dem Er z- herzog Carl Stephan, als Kontre-Admiral der deutschen Marine, von der Ankunft S. M. S. „Stein“ zur Feier des Geburtsfestes Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm telegra- phishe Meldung erstattet. Der Erzherzog Carl Stephan telegraphierte sofort an den Schiffs-Kommandanten:

„Ich danke sehr für die mih erfreuende Nahricht. Willkommen in der Adria! Ihnen und den Kameraden meine allerberzlihften Glüd- wünsche. Erzherzog Carl Stephan.“

Vorgestern Vormittag legten der Kommandant und das Offizierktorps des Schulshiffs „Stein“ am Denkmal des Kaisers Maximilian auf der Piazza Giuseppina einen prachivollen Kranz mit {warz - gelbem und 0s - weiß - rothem Bande nieder. Das leßtere trug ie idmung: „Der Kommandant und das Offizier- korps S. M. S. „Stein“ den 26. Januar 1895.“ Später gab der Kommandant des Triestiner Seebezirks, Kontre-Admiral Graf Cassini zu Ehren der deutschen Marine-Offiziere ein Dejeuner, woran auch der Statthalter von Rinaldini und der deutshe General-Konsul Pritsh theilnahmen. Der Kontre-Admiral Graf Cassini brachte einen Toast auf Seine Majestät den Kaiser Wilhelm aus, den der Kapitän z. S. von Wietersheim mit cinem Trinkspruch auf Seine Majestät den Kaiser Franz Joseph erwiderte. Sodann hieß der Kontre- Admiral Graf Cassini die deutschen Offiziere in den öster- reichischen Gewässern willkommen, wies dabei auf die Nieder- legung des Kranzes am Denkmal des Kaisers Maximilian hin, die dem Andenken nicht sowohl des Kaisers, sondern des Marine-Kommandanten gelte, dankte namens der ganzen öster- reichischen Marine und brachte ein Hoh auf die deutsche

arine aus. Der Kapitän zur See von Wietersheim er-

widerte mit einem Trinkspruch auf die österreichishe Marine.

durchgeführt worden seien.

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In der vorgestrigen Sißung des niederösterreihischen Landtags beantwortete der Statthalter Graf Kielmannsegg die Interpellation des Abg. Schoeffel über den Stand der Cholera in Galizien. Er führte aus, von einer Ver- heimlihung der Seuche könne keine Rede sein, da seit April 1894 regelmäßige Mittheilungen über den Stand derselben ver- öffentlichi worden seien, und wies ziffernmäßig nah, daß die Cholera im abgelaufenen Jahre weniger Opfer gefordert habe als in den Jahren 1866 und 1873. Schon darin liege der Beweis, daß auch in Galizien prophylaktishe Maßnahmen Es fei in sanitärer Beziehung ein bedeutender Fortschritt in Galizien zu verzeichnen, das zeige au die Verhinderung der Einschleppung der Cholera nah Schlefien und Mähren. Was speziell Niederösterreih betreffe, so fei die Angst vor der Cholera angesichts der getroffenen Maß- regeln vollfommen ungerehtfertigt. Am Schluß der Sitzung fam es zu einer stürmischen Scene. Der Abg. Gregorig griff den Obmann eines Bezirksarmenraths auf das heftigste an, da dieser nur zu der Stelle gelangt sei, weil ihm ein- zelne Landesausshußrmitglieder persönlich verbunden seien. R drohte der Landmarschall Freiherr von Gudenus dem ‘edner die Wortentziehung an. Der Abg. Gregorig ging hierauf zur Besprechung der Wahl des Landesaus\chuß- mitglieds Granitsch in den Reichsrath über und bezeichnete dieselbe als eine Gemeinheit und Lumperei. Hierauf entzog der Landmarschall dem Redner das Wort und verließ feinen Plah. Unter großem Lärm seitens des ganzen Hauses wurde die Sizung geschlossen. Im böhmischen Landtage begründete am Sonnabend der Abg. Podlipny den Antrag der Jungczechen auf R e- vision und Vorlegung der Staatsakte über die staatsrehtliche Stellung Böhmens und beantragte, den- selben einer besonderen Kommission zuzuweisen. Der Prinz Ferdinand o erklärte, er wolle gegen Podlipny niht polemisieren, er stimme aber für Ueberweisung des Antrags an die Budgetkommission, um zu beweisen, daß der Adel die Dutchforshung der historischen Akte nicht scheue. Der Abg. Podlipny erklärte fih damit einverstanden, worauf der Antrag mit allen Stimmen gegen die der Deutschen der Budgetkommission zugewiesen wurde. Auf den Galerien ertönte lebhafter Beifall zu diesem Beschluß, sodaß der Oberst-Land- marschall die dort befindlichen Zuhörer zur Ordnung verwies. S der Kommission des böhmischen Landtags zur Vor- berathung des Antrags auf Vermehrung der Beisißer des Landesausschusses sprach sich der Abg. Ruß ent- schieden gegen die Wahl von 4 Beisißern aus dem Landtage aus, verlangie einen gerechten Antheil der Deutschen an der obersten autonomen Landesverwal- tung durch Konstituierung nationaler Wahlkurien * und behielt sich vor, einen diesbezüglihen Geseßentwurf vorzulegen. Der Abg. Herold sprach gegen das System der Kurien: Graf Adalberi Schoenborn erkannte der Ein- führung nationaler Kurien eine gewisse Berechtigung zu, doch sei die Durchführung schwierig. Der Prinz Carl Schwarzenberg hielt die gegenwärtigen Zustände für unhalt- bar und sprach fih gegen die Vermehrung der Beisißer im Landesausshuß aus. Der Abg. Brzorad erklärte, die Jungczehen lehnten nichi prinzipiell die Errichtung zweier nationaler Kurien ab, doch könnten sie eine dritte Kurie der Großgrundbesißzer niht zugestehen. Der Abg. Rieger erklärte, den Deutshen müßten nationale Garantien eboten werden. Seine i did sei prinzipiell nit gegen die rrihtung von Kurien, ftehe jedoch unter dem Einfluß der Koalition, welhe die Wahrung des nationalen Besißzstands versprochen habe. Die Punfktationen seien abgethan, aber der e Zwist sei nur im Einvernehmen beider Nationen zu ôsen.

Grofß;britannien und JrlauD.

Zwei englische Journalisten hatten, wie „W. T. B.“ berichtet, von Lord Kimberley Pässe erhalten, die ihnen ermöglichten, nah Konstantinopel zu gehen, um dort Jn- formationen über die armenishe Frage einzuziehen. Die Pässe wurden der türkishen Botschaft zum Zwecke der amt- lichen Visierung vorgelegt. Der Botschafter wies die Jour- nalen an, sh an den türkishen General-Konsul zu wenden, leßterer verweigerte die Visierung. Lord Kim- berley wurde hiervon Mittheilung gemacht.

Frankreich.

Das gestern erschienene „Journal Officiel“ veröffentlicht das Dekret über die Bildung des neuen Ministeriums, dessen Zusammenseßung folgende ist: Ribot Präsidium und Finanzen, Trarieux Justiz, Lans Auswärtiges,

eygues Jnneres, Poincaré Unterriht, Dupuy du Temps Arbeiten, André Lebon Handel, Gadeau Aterbau, Chautemps Kolonien. Zum Kriegs-Minister ist, nahdem der General Jamont die Uebernahme dieses Postens abgelehnt hatte, der General Hervé, zum Marine-Minister der Admiral Bernard designiert. Da die beiden leßieren niht in Paris anwesend find und deren Antwort noch erwartet wird, so ist interimiftisch Ribot mit der Leitung des Kriegs-Ministeriums, Trarieux mit der des Marine - Ministeriums beauftragt worden. s Kultus-Minisierium ift noch nicht vergeben.

Die neuen Minister hatten gestern, wie „W. T. B.“ berihtet, Vormittag in der Wohnung Ribot's eine Zusammen- kunft und einigten sich im Prinzip dahin, eine Amnestie A politishe Vergehen zu empfehlen. Gestern Abend and im Elysée unter dem Vork des Präsidenten der Nepublik

aure der erste Ministerrath stat. Der Präsident eßte die wesentlihsten Punkte seiner Botschaft, die heute im Parlament zur Verlesung kommt, ausein- einander. Das Ministerium wird feine Erklärung gab- geben, eine Aussprache der Regierung über die allgemeine Politik wird erst gelegentlich der hierauf bezüglichen Jnter- pellation Goblet erfolgen. Dies wird von der Regierung beiîi der Einbringung des Amnestieantrags durch den Justiz- Minister nad der Verlesung der Botschaft des Präsidenten Faure mitgetheilt werden. Der Ministerrath beshloß, Kultus und Unterrichtswesen zu einem Ministerium zu vereinigen.

Die Pariser Blätter besprehen die Zusammensezung des neuen Kabinets, sind ihm aber im allgemeinen günstig ge- finnt. Die gemäßigt republikanischen Blätter machen zwar einige Vorbehalte, begrüßen aber das Kabinet und be- glückwünschen Ribot, daß er die schwere Aufgabe übernommen habe. Die radikalen und jozialisiishen Blätter drücken ihre Unzufriedenheit aus und geben sich den Anschein, als sähen sie in e Zeit eine neue Krists voraus.

Der König Alexander von Serbien ist gestern Vor- mittag 9 Uhr in Paris eingetroffen. Zum Enepsrne hatten

Ha König Milan, der serbishe Gesandte und ertreter des Präsidenten „der Republik und des

Minifters des Auswärtigen éingefunden.

Rußland.

Der Minifter des Auswärtigen von Giers ist vorgestern Abend an Brustbräune, zu der Lungenentzündung hinzu- getreten war, gestor ben.

Ueber den Tod des Ministers bringt die „St. Peters-

burger Zeitung“ folgende Einzelheiten: Seit dem 20. De- zember war der Gesundheitszustand bedrohlich, Besse- rungen waren nur vorübergehend, die Entzündung in der linken Lunge und die allgemeine Shwähe nahmen langsam aber unaufhörlich zu. Der Minister starb um 6 Uhr Abends bei vollem Bewutlsein, umgeben von seiner Familie. Um 9 Uhr fand der erste Trauergottesdienst statt, dem außer der Familie der Minister- Adjunkt Schishkin, der Ministeral- Nath Graf Lambsdorf und alle Sektions - Direktoren und Vize-Direktoren, sowie viele Beamte des Ministeriums des Auswärtigen beiwohnten. Zu dem gestern Morgen abge- haltenen Trauergottesdienst erschienen der Kaiser Nikolaus, der Großfürst und die Großfürstin Wladimir; die Mitglieder des Reichsraths und das diplomatische Korps. Die Leiche ist in dem Schlafzimmer des Ministers aufgebahrt. e finden daselbst dreimal Gottesdienste statt. Das Be- gräbniß soll am Mittwoch stattfinden. __ Sämmtliche St. Petersburger Blätter widmen dem ver- storbenen Minister warme Nekrologe und heben namentli seinen hervorragenden Diensteifer Vervos, der sich darin ge- zeigt habe, daß er troß seiner Krankheit bis zu seinem Tode die rusfishe auswärtige Politik geleitet habe. Das „Journal de St. Petersbourg“ schreibt:

„Rußland hat einen seiner bervorragendsten Staatsmänner ver- loren. Seine Ecnennung zum Minister der Auswärtigen Angelegen- heiten datiert vom März 1882, aber bereits seit dem Berliner Kongreß leitete er unabhängig die auswärtige Politik, und es ist bekannt, ein wie treuer, begabter und überzeugter Ausführer der friedlihen Bestrebungen feiner erhabenen Herrscher er unter drei Regierungen gewesen is, deren Dienfte er, getrieben von heißer Vaterlandsliebe, seine Talente, seine Kräfte, seine unermüdliche Arbeitskraft und seine unschäßhare Erfahrung während seiner langen fruhtbaren Laufbahn gewidmet hat. Unter dem s{merzlichen Ein- druce der Todesnachricht beschränken wir uns beute auf diese wenigen Worte zum Gedächtniß des verstorbenen Minifters und behalten uns vor, später auf die Einzelheiten dieses dem Vaterland so nüßlich ge- wefenen Lebens zurückzukommen“. j

Nach amtliher Meldung is der Adjunkt des Ministers des Aeußeren Schishkin zum interimistishen Verweser des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten ernannt worden.

Die St. Petersburger Presse begrüßt den Kaiserlichen Ufas vom 13. d. M. wegen Gewährung von Unter- ffüßungen und Pensionen an Gelehrte, Literaten und Publizisten und betont, der Tag der Unterzeihnung des Ukases bilde ein hehres Fest für die zeitgenössishe Publiziftik.

Spauien.

Der Ministerrath hat gestern über die Frage der Ge- treideshußzölle Beschluß gefaßt. Es soll ein Zoll, und zwar nur auf eine begrenzte Zeitdauer, auf vie Einfuhr feft- ps werden; man wird verlangen, daß die Eisenbahnaesell- schaften die Tarife vom Jnnern des Landes nah der Küste herabsezen und die Tarife von der Küste nah dem Jnnern erhohen. Der Minister für Ackerbau hat seine Absicht, zu demisstionieren, aufgegeben.

Türkei.

Jn. Betreff der Nachricht, daß Korrespondenten auswärtiger Journale daran gehindert worden seien, sicch nah Anatolien zu begeben, erfährt die „Agence de Constantinople“, die türkishe Regierung habe es ledigli abgelehnt, gewissen englishen Korrespondenten, die sih an den Ort der Untersuhung hätten begeben wollen, eine Eskorte beizugeben, weil sie es für vortheilhafter ge- halien habe, daß die Enquête unter Mitwirkung der Deltgirten der drei Mächte freien Verlauf nehme und durch den Liamüdentluß von Personen, die hinderlih sein könnten, nicht beirri werde.

Die „Agence de Constantinople“ ist ferner zu. der Er- klärung ermächtigt, daß die Nachriht, der Sultan habe anläßlih der Unruhen in Sassun dem Papst eine Mit- theilung zugehen lassen, vollständig der Begründung ent- behre. N

Griechenland.

Der Oberst Metaxas ist dem „W. T. B.“ zufolge zum Minister des Jnnern ernannt worden.

Numánuieu.

Gegenüber den Gerüchten von einer angeblih drohenden Minifterkrisis is die „Agence Roumaine“ ermächtigt, zu betonen, daß im Schoß des Kabinets volle Einigkeit und Solidarität herrsche. Die Bedenken, die der Präsident des Senats etwa gegen einzelne Bestimmungen des Berggeseßes erheben könne, wurden von vornherein wirkungslos bleiben. Nichts deute auf Meinungsverschiedenheiten zwischen der Majorität des Senats und dem Kabinet hin. Äm Sonnabend Nachmittag trat die Majorität des Senats vor der öffentlihen Sißung zu einer besonderen Besprechung zusammen, der die Minifter Catargé, Lahovary, Carp und Jonescu beiwohnten. Die Minister traten für das Berggesez ein. Der Präsident des Senats machte einzelne Einwendungen gegen das Gese, widerlegte aber die Kritik Gregor Sturdza's gegen dasselbe. Gestern Abend sollte eine neue Besprehung der Minister mit dem Präsidenten des Senats zur endgültigen Redigierung zweier ftrittiger Artikel stattfinden.

: Amerika.

Das am Freitag vom Senat angenommene Gese über den Nicaragua-Kanal (siehe d. vorgestrige Nr. d. Bl.) verfügt, wie „W. T. B.“ aus Washington berichtet, die Ausgabe von 70 Millionen Dollars Bonds unter Garantie des Kapitals und der Zinsen seitens der Vereinigten Staaten; 30 Millionen Dollars Bonds werden ohne Garantie der Vereinigten Staaten emittier. Die Aufsicht über den Bau des Kanals steht dem Schaßsekretär zu; der Präsident bezeichnet von 15 zu ernenncuden Direktoren 10, welche die unmittelbare Leitung des Baues übernehmen. Die Ver- einigten Staaten erhalten 70 Millionen Dollars in Aktien als Garantie.

_ Aus New-York meldet „W. T. B.“, ein dortiges Blatt bringe die Nachricht, daß am Freitag in Cundinamarca