1895 / 27 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

verseßt. Dr. Wolf, Assist. Arzt 1. Kl. vom 10. Inf. Re Nr. 134, zum Stabs- und Bats. Arzt des 2. Bats. dieses Regiments befördert. Schichhold, Asfist. Arzt 1. Kl. vom 11. Inf. Negt. Nr. 139, zum 19. Inf. Regt. Nr. 134 versetzt. Die Affist. Aerzte 2. Kl.: Dr. Näther vom 2. Feld-Art. Regt. Nr. 28, Dr. Thalmann vom 1. Ulan. Regt. Nr. 17 Kaiser Franz anten von Oesterrei, König von Ungarn; die Assist. Aerzte 2. Kl. der: Ref.: Dr. Winkler des Landw. Bezirks Zittau, Herold, Ruderisch des Landw. Bezirks Plauen, Dr. Melzer des Landw. Bezirks Schneeberg, Dr. Francke, Dr. Panse, Dr. Büchel, Dr. Degenkolb, Dr. S(hloessing, Dr. Stürenburg, Dr. Schmidt 111, Schmidt IV., Dr. Hügelmann, Dr. Segelken, Martens des Landw. Bezirks Leipzig, Dr. Bärwald des Landw. Bezirks Borna, Fischer des Landw. Bezirks Annaberg, Dr. Drey- dorff, Dr. Stolzenbach, Dietel des Landw. Bezirks Dresden- Altst., Dr. Boldt des Landw. Bezirks Dresden-Neust.; die Assist. Aerzte 2. Kl. der Landw. 1. Aufgebots: Köhler des Landw. Bezirks Feen, Dr. Stock, Kröger des Landw. Bezirks Leipzig, zu sist. Aerzten 1. Kl., Dr. Schippan, Unterarzt vom 11. Inf. Regt. Nr. 139, Dr. Schacht, Dr. Menz; Unterärzte der Res. des Landw. Bezirks Leipzig, v. Grabowski, Unterarzt der Res. des Landw. Bezirks Dresden-Alist., zu Assist. Aerzten 2. Kl., befördert.

Kaiserliche Marine.

Offiziere x. Ernennungen, Beförderungen, Ver- sezungen x. Berlin, 27. Januar. Ottow, Sec. Lt. vom 2. See-Bat., zum überzähl. Pr. Æ. befördert.

Karcher, Kontre-Admiral, Direktor des Marine-Departements des Reichs-Marineamts, zum überzähl. Vize-Admiral, Bendemann, Kapitän zur See, Inspekteur des Torpedowesens, zum Kontre-Admiral, Frhr. v. Lyncker, Korv. Kapitän, Ausrüstungs-Direktor der Werft zu .Wilbelmshaven, zum Kapitän zur See, Bru sfsatis, Kapitän-Lt. von S. M. Jo! „Hohenzollern“, zum Korv. Kapitän, befördert. Frhr. v. Secken dorff, Kapitän zur See z. D., den Charakter als

ontre-Admiral, unter Belassung in seiner Stellung à la suite der Marine, verliehen erhalten.

Deutscher Reichstag. 25. Sißung vom Dienstag, 29. Januar.

Ueber den Beginn der Sißung ist bereits in- der gestrigen Nummer berichtet worden.

In der Fortseßung der zweiten Berathung der Aller- höchsten Verordnung, betreffend die Erhebung eines Zoll- zushlags für aus Spanien und den spanischen Kolonien kommende Waaren, vom 25. Mai 1894, nimmt nah dem Abg. Dr. Hammacher das Wort

Abg. von Salisch (dkons.): Jch erkenne an, daß der Zusatz des Abg. Hammacher eine Verbesserung meines Antrags ift. Aber ich glaube, daß die einfahe Prozentrehnung niht den rihtigen Maßstab giebt. Es giebt Zollsäße, die fo gerina sind, daß auch èine Erhöhung um 100 9% nichts bedeutet, während beispielsweise beim Weinzoll {hon eine Erhöhung um 40 % sebr empfindlih ift. Dem Abg. Barth erwidere ih, daß halbe Maßregeln allerdings die \{hlechte|ten sind. Die bisher stattfindende Zollerböbung mag dazu beitragen, die spanishen Chauvinisten zu erregen. Darum müssen wir für empfind- lichere Maßregeln sorgen, damit die besonnenen Elemente in Spanien, die einen Schaden für ihr Land niht wollen, über die hauvinistishen das Uebergewicht erlangen. Si vis pacem, para bellum!

Abg. Dr. Barth (fr. Vg.) legt nohmals feine Auffassung dar, an der er festhält.

Abg. Freiherr von Stumm-Halberg (Np.): Ih möchte doch den Abg. Barth fragen, ob nicht der Zollkrieg mit Rußland das Zu- standekommen des russischen Handelsvertrags erbeblich gefördert hat. Dieser Vertrag war doch niht etwa ein Erfolg der protektionistischen Bestrebungen, sondern er lag weit eher in der Richtung der frei- bändlerishen. Das Beispiel dieses Vertrags beweist also, daß es O criege giebt, deren Ziel und Ergebniß Vortheile im Sinne der

nshauungen des Abg. Barth sind. Mit dem Antrage des Abg. von Salisch und mit dem Zusaßantrage des Abg. Hammacher bin ih vollkommen einverstanden, ebenso mit der Ueberweisung dieser Anträge an die Kommission für die Zolltarifnovelle.

Abg. von Salisch (dk.): Spanien gegenüber hat sich gezeigt, daß der vom Abg. Barth empföhlene Weg uns niht weiter bringt, und daß es auf einem andern versucht werden muß. Und wenn uns Spanien später handelspolitishe Schwierigkeiten bereiten möchte, fo sollte es doch auch wissen, daß wir scharfe Waffen bereit haben, und nicht bloß stumpfe. | L

Die Vorlage wird angenommen. Die Anträge über- weist 4 Haus an die Kommission für die Zolltarif- novelle.

Das Haus geht sodann zur ersten Berathung des Gesetzes,

betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, in Verbindung mit. der ersten Berathung des von den Abgg. Gröber und Gen. (Zentr.) eingebrachten Geseßentwurfs, der ebenfalls eine Abänderung der Gewerbeordnung bezweckt, über.

__ Abg. Schhaedler (Ztr.): Der Vorlage gegenüber kann ih zu- nächst nur sagen : Endlich! den Hausierhandel gepflogen, und es hatte den Anschein, als ob die- selben nie abgeschlossen werden würden. bayerischen Regierung is nunmehr die Angelegenheit in Fluß ge- braht. Die bayerishe Anregung is hervorgerufen worden Uy die dringende Nothwendigkeit einer Aenderung der jeßigen Verhältnisse. Lange genug hat es gedauert, bis die gegenwärtige Borlage zu stande gekommen ist, der Antrag Bayerns war vom De- zember 1893 bis Januar 1895 ohne Erfolg. Wir haben keineswegs die Absicht, die Hausierer persönlich zu benahtheiligen, sondern wir wollen nur unter allen Umständen das Kleingewerbe {üßen. Die Kolportage ist vor allem einzuschränken. Auch die Aus\hließung von N und Kindern vom Hausierhandel halte ich für nothwendig.

ie Regierungsvorlage bietet dem Hausierhandel gegenüber viel zu wenig.

Abg. Krüger (nl.): Die dem Handwerk freundlichen Kreise sind darüber einig, daß die Gefahr, die dem seßhaften Handwerk durch den Hausierhandel droht, eine große ist. Die gegenwärtige Vorlage geht in der Vorbeugung dieser Gefahr niht weit genug. Den Ver- waltungsbehörden muß ein größerer Spielraum gelassen werden. Jch perfönlich würde dem Antrag Gröber vor der Regierungsvorlage den Borzug geben. Mit den Bestimmungen über die Konsumvereine bin ih durhaus einverstanden. Ich beantrage, die Vorlage und den Antrag Gröber einer Kommission zu überweisen.

__ Abg. S neider (fr. Volksp.): Bei der Beurtheilung der gegen- wärtigen Vorlage muß man unterscheiden zroischen wirklichen Schäden und unmotivierten Klagen folcher, die unter dem Vorwand der Fürsorge für den Mittelstand gern jede Konkurrenz fern halten möhten. Was die Einzelheiten des Entwurfs anlangt, so halte ih die Bestimmungen über die Schauspielunternehmungen für viel zu rigoros. Für bedenklich halte ich es auch, daß den Landesregierungen die Befugniß zustehen foll, die Konsumvereine unter die Bestimmungen über Schankwirthschaften und Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus zu tellen. Der Kolportagebuhhandel würde s\owohl durch die Regierungs- vorlage wie durch den Antrag Gröber zu Grunde gerichtet werden. Ungereht if die Gleichstellung der Detailreisenden mit den Hausierern; die Zahlen, welche die Motive zu diesem Punkt an- führen, find niht maßgebend. Für sehr {ädlich würde ih die in der Vorlage E Beschränkung der Waaren halten, die dem Hausierhandel noch zugänglih sein sollen. Dagegen halte ich die Einschränkung des Umherziebens mit Zuchtbengsten für rihtig. Wenn alle Beschränkungen perfönlicher und materieller Natur, die der Geseß- entwurf e Al de angenommen würden, so würde das zur Folge baben, daß so viele Ausnahmen geshaffen werden müßten, daß das Gesey nußlos fein würde, oder man brächte eine höchst bedenf-

Seit Jahren werden Erbekungen über !

Dank der Initiative der |

lie Vermehrung des Proletariats zu Wege. Wir halten an unserem früheren Standpunkt feft und-sind der An daß die. gegenwärtige

irth schaftlich nicht; dazu angethan: i des ‘Er- wêi ae e, N Lng 5 » Aba: von Holleufer (dk.): Meine politischen nde steben

d d thi über ; denn „dieselbe bewegt fi pr TRa Se L R BEN Wdie Bb Be b rTanlu

a i eine Besch ng des Hausierhandels im Interesse des; sezhaften Ge- werbes für durchaus geboten, ebenso auch die Einschränkung der Waaren, die dur den Hausierhandel vertrieben werden dürfen. Die eraufsezung .des Alters, in welchem der Hausierbetrieb gestattet it, erahten wir für absolut nothwendig. Vielleicht bietet sh hier die Handhabe, um den s{chmählicen Mißbrauch von Kindern zum Verkauf von allerlei Sachen zur Nacht- zeit auf den Straßen Berlins lahmzulegen. Es wäre zu überlegen, ob für den Vertrieb mit Droguen niht eine Art von Befähigungs- nachweis einzuführcn wäre. Wer die Verhältnisse kennt, wird die Gleichstellung der Detailreisenden mit den Haufierern für durchaus aérechtfertigt erachten. Der Antrag Gröber is uns in manchen

Punkten genehmer, wie die Regierungsvorlage, und wir hoffen, daß

die Regierungsvorlage im Sinne des Antrags Gröber in der Kom-

tnifsion ergänzt werden wird. y : Die weitere Berathung wird um 5 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

7. Sißung vom Dienstag, 29. Januar.

Ueber den Anfang der Sißzung if in der Dienstags- Nummer d. Bl. berichtet worden.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats, und zwar zunächst des Etats der Landwirthschaftlihen Verwaltung. Hierzu nimmt das Wort der

Minister für Landwirthschaft, Freiherr von Hammerstein:

Meine Herren! Sie wollen mir zunächst geftatten, ein paar per- fönlihe Bemerkungen zu machen.

Seit Jahren gehöre i verschiedenen Vereinigungen an, die agrarische Interessen vertreten. Jh babe dort Gelegenheit gehabt, zu allen den Fragen, die uns auch heute beschäftigen, öffentlich Stel- lung zu nehmen. Jch würde dieses Umstandes niht gedaht haben, wenn nicht eine Aeußerung dés Herrn Abg. Richter, die bei der Generaldebatte gefallen ist, und Aeußerungen, die über meine Agrar- stellung in der Presse mitgetheilt sind, mich zu diesen Bemerkungen veranlaßten. Jn einer Beziehung muß ih nämlich die Angabe des Herrn Abg. Richter für rihtig erklären; er hat gesagt, ih sei prin- zipieller Gegner aller Handelêverträge.

Meine Herren, ih bin ein entshiedener Gegner des österreichischen Handelsvertrags gewesen. Sie wissen auch alle, daß ich denselben im Landes-Oekonomie-Kollegium mit einem sehr weitgehenden Antrag be- kämpft habe und, soweit ich mich erinnere, ift dieser Antrag derzeitig einstimmig angenommen, aber nicht berücksichtigt wordén.

Dagegen, meine Herren, ift die Aeußerung des Herrn Abg. Richter infofern unrichtig, als ih späterhin wiederholt öffentli ausgesprochen habe, daß, nachdem der öôsterreihische Handelsvertrag abgeshlofsen sei, der Abschluß der weiteren Handelsverträge Selbstfolge sei, und ich bin auch der Meinung, daß ein Zollkrieg mit Rußland, namentli für den Osten der preußischen Monarchie auf die Dauer einen unhalt- baren Zustand herbeigefühct haben würde. Das zur Berichtiguug dessen, was der Herr Abg. Richter in dieser Beziehung über mich ge- fagt hat.

Meine Herren, ih erlaube mir dann eine weitere persönlidbe Be- merkung. Ich bin nicht gern auf den Posten getreten, der bier mir jeßt dur die Gnade Seiner Majestät übertragen is. An \ich aus dem Grunde, weil die augenblicklihe Lage der Landwirthschaft eine hervorragend s{hwierige ist. Aber es war für mich noch ein fernerer Grund maßgebend. Jch glaube wohl, daß ih behaupten darf, die agraren Verhältnisse im Westen der Monarchie ziemlich genau und gründlich zu kennen. Aber, meine Herren, ih mußte mir sagen, daß gerade in den oftelbishen Provinzen die Verhältnisse am s{chwierigsten lagen, daß mir dort die Verhältnisse weniger bekannt waren, und nun es vielleiht wohl richtiger und zweckmäßiger gewesen wäre, das Porte- feuille der Landwirthschaft einem Herrn zu übertragen, der den ostelbishen Provinzen angehört, weil von dem zuerst zu erwarten war, daß er die dortigen Verbältnifse genau kennt. Meine Herren, nach- dem ih den Posten überncmmen hakte, kann ih aber nur an die Herren aus den ostelbischen Provinzen die Bitte richten, mir Ver- trauen entgegen zu bringen. Jh meinerseits lege das Versprechen ab, daß ih mich bemühen will, .mich mögli rasch in den ostelbishen Verhältniffen zurechtzufinden, und ih gebe daher die Versicherung, daß es mein ernster Wille ist, tobjektiv nah allen Richtungen die land- wirthshaftilihe Verwaltung zu führen. (Bravo! rets.)

Meine Herren, ih wende mich nun mit einigen Worten wieder zu den Handelsverträgen. zu dürfen, daß die geographische, die politishe und die wirthshaftliche Lage auf den leßten Punkt komme ich nachher noch einmal wieder zurück Deutschland nicht gestattet, eine Wirthschaftspolitik lediglich nach Interessenstandpunkten zu führen. Meine Herren, es entzieht fich meiner Kenntniß, wie weit beim Abschluß der Handelsverträge poli- tishe Gesichtspunkte maßgebend gewesen find; ih will mir auch kein Urtheil darüber erlauben, ob es nicht möglich gewesen wäre, selbst wenn man die Handelsverträge abshloß, doch für die Agrarverhältnifse in den Handelsverträgen günstigere Bedingungen zu erlangen, als sie erlangt find.

Aber, meine Herren, bei der Generaldiskussion ist auch die Frage gestreift, ob es nicht, nachdem die Wirksamkeit der Handelsverträge für beide Kontrahenten, für Deutschland, Oesterreihß und Rußland, doch nicht die Früchte gezeitigt hat, die man davon erwartet bat, denkbar

Domänen und Forsten

sei, an eine Revision dieser Verträge heranzutreten und nach dieser ! E

das Wort | die man beim Abschluß gemacht hat, nicht | j breitet ift, daß die system allein die

Richtung hin zu 0 Wil Nu, 0 niht gebrauchen will wieder gut machen kann. Meine Herren, ih bin nicht in dec Lage, mich darüber zu äußern, ob ein solcher Weg gangbar ist; jedenfalls

versußen, ob man die ausdrücken, obgleich ich

wird er der Erwägung bedürfen; aber daß das außerordentlih {chwierig | | anderer Natur; i Person. Diejenigen Herren, welche glauben, daß man dur Festhalten | an dem monovolistishen System u. f. w. die Krisis würde beseitigen } können, täuschen fich, wie es die Erfahrungen in allen übrigen Ländern lehren, daß mit den verschiedenartigsten Wirthshaftssystemen doch die- die in dieses Gebiet Hhineingehören, - gehört zur Zuständigkeit des

ist, meine Herren, darüber fann wohl kaum ein Zweifel bestehen. Dann möchte ih noch einen allgemeinen Satz mittheilen, der, glaube ich, nicht zu bestreiten ist. Die föôderative Verfassung des Deutschen Reichs ershwert es außerordentlich, eine klare, zielbewußte Wirthschaftspolitik zu treiben. Ein großer Theil derjenigen Fragen,

Ich glaube den allgemeinen Say aufstellen |

Reichs, ein anderer Theil der Fragen gehört zur Zuständigkeit e

Einzelstaaten, hier in concreto des preußishen Staats.

Meine Herren, darüber kann, glaube id, auch nah der Er- klärung, die der Herr Reichskanzler neulich ‘abgegeben hat, ein be- rehtigter Zweifel überall nit existieren, daß über die Ziele, die man auf dem Gebiet der Wirthschaftspolitik zu befolgen hat, sowohl bei der Reichsregierung wie bei der Königlich preußishen Staatsregierung vollständiges Einverständniß besteht. Jh bin auch zweifellos darüber, daß nach der Zusammenseßung des hohen Hauses mit Sicherheit zu erwarten ift, daß diejenigen Maßnahmen, die im Gebiet der Zu- ständigkeit des preußischen Staats liegen, hier eine Majorität finden werden; und, meine Herren, ich gebe mihch guch der Hoffnung bin, daß das, was in der gegenwärtigen ftritisGen Zeit im Interesse der Landwirthschaft nothwendig ist, auch im Reichstag s{ließlih die Zu- stimmung bekommen wird. Denn die Verhältnisse sind so ernster Natur, daß ih nit glaube, daß eine Reichsvertretung, die das Wohl unseres gesammten deutshen Vaterlandes zu vertreten berufen ift, si dem entziehen wird, der Landwirthschaft, dem ersten Berufsstand des Deutschen Reichs, der Grundlage des Deutschen Reis, das zu gewähren, was nothwendig ist, um die Landwirthschaft aufrecht zu erhalten.

Meine Herren, ih gestatte mir nun einige Bemerkungen zu der kritishen Lage. Die Königlich preußische Staatsregierung erkennt im weitesten Umfang an, daß die Landwirthschaft sich in einer höchst be- denklichen, fritishen Lage befindet. Ich will ’mal sagen, daß vielleicht diejenigen Landestheile, die jenseits der Elbe liegen, zur Zeit noch nicht in dem Umfange von der Krisis ergriffen sind, wie das im Osten der Monarchie der Fall ist. Aber, meine Herren, täuschen Sie ih darüber niht: wenn der Nückgang im Rübenbau, in der Zuekerindustrie in dem Umfange weiter fortschreitet, wie das bis jeßt der Fall ift, dann wird nah meiner Auffassung die Krisis in den westlihen Landes- theilen afuter und vielleiht gefährliher werden, als es die langsamere Krisis in den östlichen Landeëtheilen ist. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, darüber kann gar kein Zweifel sein, daß im Osten an sich die Verhältnisse s{chwieriger sind; aber, ist denn die agrare Krisis auf Preußen, auf Deutschland beschränkt ? Nein, meine Herren, das ist sie nicht! Sehen Sie sich in Rußland, England, Frankreich, Oesterreich, Amerika, Jtalien um, überall finden Sie dieselbe, ja, vielleicht in einzelnen Ländern noch eine gefahrdrohendere Krisis! Jch will nur ein paar Zahlen binsichtlich Rußlands geben. Während bei uns bei den ôffentlihen Hypothekenbanken, bei den öffentlichen Kredit- instituten die Zinsrückstände sich zwischen 2 bis 6% bewegen, liegt mir eine Notiz aus Rußland vor, wonach diese Zinsrückstände im vorigen Jahre fage 695 o betragen haben! (Hört! bört!)

Meine Herren, in England das ist eine bekannte Thatsache liegen die agraren Verhältnisse ebenso {limm wie bei uns, und doch verfolgt England schon seit Jahren ein von dem unsrigen völlig ver- \hiedenes Wirthschaftésystem; Rußland, wo der Protektionismus bis zur Spitze getrieben ist und noch getrieben wird, befindet si in einer \{limmeren Lage als wir. England mit seiner - Manchestertheorie, geradeso Frankrei, das einen autonomen Zolltarif hat, was seine freie Bewegung auf wirth\chaftlihem Gebiet bewahrt hat, befinden fich in derselben kritishen Lage. Daraus glaube ih mit Recht den Schluß ziehen zu dürfen, daß nicht Personen, wie man hier in Déutshland in der öffentlichen Presse u. #. w. vielfach glaubt, oder ein einzelnes Wirthschaftssyftem an der Krisis \{uld is. Die Ursachen sind inter- nationaler Natur, (sehr richtig! rechts) und daraus folgt aud), daß die Mittel zur Beseitigung der Krisis fo leiht nicht zu finden sind, daß so leicht dagegen niht vorzugehen ist. Meine Herren, ih fage: internationaler Natur, und bemerke dabei, daß die landwirthschaftliche Krifis auch nicht ifoliert dasteht, sondern daß die wirtbschaftlihe Krisis sowohl die Industrie wie das Gewerbe, wie den Handel mit ergriffen bat; und daraus folgere ich, meine Herren, daß, wenn wir Maßnahmen er- wägen, um der Krifis zu begegnen, wir uns doch auch hüten müssen, solche zu ergreifen, die dem einen Uebel abhelfen, dagegen das andere vielleicht vershlimmern oder unberüdcksictigt lassen. (Hört! hört!) Meine Herren, aber die agrare Krisis balte ih für viel bedenklicher als die allgemein wirthschaftlid)e Krifis. Die Ursachen der agraren Krisis sind leider nicht ras vorübergehender Natur. Deutschland, Preußen muß auch auf dem Weltmarkt konkurrieren mit folhen Staaten, die weitaus billigere Produfktionsfosten haben als wir. Ob es uns gelingt, so rasch die Produktionsfosten auf ein Niveau zurückzuführen, wie es ih in Staaten erbalten hat, die noch nicht in die hobe Entwickelung übergegangen sind wie wir, s{heint mir doch außerordentlih z"veifel- haft. Meine Herren, die ganze Produktion hat sih durch Elektrizität, dur Eisenbahnen, dur Dampfkraft, durch die Fortschritte auf dem Gebiete des Düngerwesens, in der Maschinentechnik u. #. w. verändert, und daß der Uebergang von der alten Produktionsart zu der neuen sehr bedenktlihe Folgen zeitigt und diese Ausgleichung nicht so ras gehen wird, das ift zweifellos anzunehmen.

Und, meine Herren, der allerschwerwiegendste Umstand ist nah meiner Auffassung der, daß es Entfernungen eigentlih garniht mehr giebt. Amerika, das bis ins Jnnerste des Westens und Ostens mit Wasserstraßen durchzogen ist, if im stande, seine Produkte aus dem fernen Westen auf unsern Markt gegenwärtig zweifellos zu billigeren Frachtsäten zu bringen, als der Often der preußishen Monarchie nah dem Westen die landwirthschaftlihen Produkte verwerthen kann. (Sehr rihtig!) Plößlih steigen neue Produktionsgebiete auf, an die man gar nicht gedacht hat. Ih will nur Argentinien erwähnen, das mit seiner doppelten Ernte, mit seinem fkfoloffalen Weizenimport alle die- jenigen Staaten, mit denen wir Verträge abgeschlossen haben, über- trumpft, während Argentinien zu den meistbegünstigten Staaten gehört. Ja, meine Herren, das sind Dinge, die zu sehr ernsten Er- wägungen Anlaß geben, welhe Mittel man ergreifen kagn, die aber auch zeigen, daß in der gegenwärtigen Krisis, deren Gcünde, wie ih Ihnen dargelegt habe, mehr oder weniger internationaler Natur sind, es außerordentlich {wer sein wird, in diese Dinge einzugreifen, und ih möchte nochmals auêdrüdcklich dem allgemein verbreiteten Glauben in Deutschland, der bis in die kleinste Hütte leider Gottes ver- Staatsregierung oder ein , Wirthschafts- Schuld an der gegenwärtigen Krisis tcage, Entschiedenheit entgegentreten. Die Gründe find die liegen nicht an dem System und nicht an der

mit voller

selbe Krisis dort besteht. (Sehr richtig!)

Meine Herren, ih möhte ‘mir dann not eine Bitte gestatten.

Darüber können wir uns doch gar nicht täuschen: soll in der gegen- '

‘wärtigen, s{chwierigen Zeit geholfen werden, fo kann das nur geschehen, wenn eine Regierung an der Spitze ‘der Verwaltung steht, der vollstes Vertrauen entgegengebracht wird. (Sehr wahr !)

Meine Herren, einer Regierung, von -der man im Lande leider

vielfah sagt: sie hat die Mittel zu helfen in der Hand, oder sie hätte *

dies und jenes in der Vergangenheit nicht thun dürfen, dann wären die Verhältnisse anders geworden, entzieht man das Vertrauen. Damit nährt man einen Pesfimismus, man bringt Beunruhigung hinein während cs do nothwendig ift, daß man geduldig den Verlauf der Krisis abwartet und daß wir mit der Selbsthilfe, mit der Staats- hilfe foweit eingreifen, wie überall Hilfe gewährt werden darf. Wir haben doch \chon in den leßten hundert und in den noch weiter zurückliegenden Jahren agrare Krifen gehabt, die vielleiht ebenso s{limm waren wie die jeßige; die meisten Krisen hat unser Mittel- stand durchgemacht nun, meine Herren, ih habe zu ihm- das feste Vertrauen, daß er mit seiner Energie, mit seiner Zähigkeit, mit seiner Sparsamkeit, mit seinem Fleiß und mit der doch auch erheblih ge- steigerten Intelligenz auch die gegenwärtige Krisis überdauern und überwinden wird, wenn ihm die nöthige Hilfe gewährt wird.

Meine Herren, ih habe ebenso das Vertrauen, daß der Groß- grundbesiß aus der Krisis vielleiht, wo es nothwendig ift, die War- nung nimmt, daß in heutiger Zeit der, der großen Grundbefig hat, \sih mit voller Intelligenz der Bewirthschaftung des Grundbesitzes zu- wenden muß, und habe den Glauben, daß, wenn das geschieht, doh ein großer Theil unserer Großgrundbesißer ebenfalls die Krisis über- stehen wird.

Und wenn in dem mittleren Grundbesiß, meine Herren, nament- lih im Osten, dur die Krisis diese oder jene Existenz vernichtet wird, fo würde es vielleiht nicht |chwer fallen, die Ursache des Unter- gangs nicht allein in der wirths{aftlichßen allgemeinen Lage, fondern au darin zu suchen und zu finden, daß viele mit zu geringem Kapi- tal gekauft haben, daß sie sh in eine Lage bineingebrat haben, die man mehr oder weniger ein Hazardsviel nennen kann. (Sehr wahr! links.)

. Denn foviel if gewiß, meine Herren, jede Krisis fordert ihre Opfer, und

fo wird auch diese Krifis gewiß, leider sage ich ob verschuldet oder unvershuldet, will ich garnicht weiter prüfen oder unter- suchen eine Reibe von Opfern fordern. Die Aufgabe der Staats- regierung wird dahin gehen, mögli die Zahl der Opfer vermindern zu helfen, wo sie helfen kann; und das muß auf dem Gebiete der Staatshilfe und der Selbsthilfe geschehen.

Vor allem aber, meine Hérren, warne ih davor, sich dem

Pessimismus hinzugeben, wie er vielfah jeßt verbreitet ist, fondern *

und das entspricht viel mehr dem deutschen Volkscharakter \ich in der Noth am zähesten zu erweisen und mit Energie, mit Fleiß und Sparsamkeit zu versuchen, daß wir mit Staatshilfe und mit den Mitteln, die überall errcichbar sind, aus der Gefahr, der wir uns befinden, berausfommen. Und dann habe ich das Vertrauen, daß die Krisis auch eine gute Wirkung hat; die mahnt uns einmal wieder, daß wir, wie in der Bibel steht, im Schweiße unseres Angesichts unser Brot essen; fie mahnt, daß die Noth beten lehrt, und das ist vielleicht au hin und wieder vergessen. (Bravo! links.)

Ja, meine Herren, das sind die allgemeinen Bemerkungen, die ich babe voraus\{chicken wollen.

Der Herr Abg. Schalscha hat in seiner Rede neulih zwei Säße ausgesprochen, die ih nicht ganz mit Stillshweigen glaube übergehen zu follen. Der eine lautet :

Meine Herren, wenn Sie von dem Landwirthschafts-Minifter fi die Politik der fleinen Mittel vortragen laffen, so erkläre i, das ift leeres Stroh-Dreschen.

Meine Herren, auf die Gefahr hin, daß der Herr Abg. Schalscha sagt, der Landwirthshafts-Minister hat aber gründlih leeres Stroh gedroschen, werde ich es do nicht unterlassen und nicht unterlassen Éônnen, auf die Politik der fleinen Mittel einzugehen und will es demnächst von Ihrem Urtheil erwarten, ob das nun leeres Stroh-Dreschen war oder nit. |

Meine Herren, eine zweite Bemerkung hat der Herr Abgeordnete am Schlusse seiner Rede gemaht. Auf welchen Minister die Bemer- kung gemünzt war, das will ich dahingestellt scin lassen; ih will sie mir aber ’mal anziehen. Der Herr hat gesagt: „Jh warne den gegen- wärtigen Herrn Landwirthschafts-Minister; es is sehr leicht, auf den hohen Plat zu kommen, es ift fehr leiht, binter den Koulissen diese und jene Aeußerung zu machen, auf die Parteien einzuwirken. Aber fehr rasch werden die Herren Minister von der sella curulis herunter- rutshen und in Vergessenheit gerathen, wenn sie in der gegenwärtigen Nothlage nicht das thun, was sie thun müssen. Meine Herren, das legtere will ich thun. Ich habe es mir zur Pflicht gemahht, und ih glaube, daß die Worte der Thronrede, die Seine Majestät hinsichtlich der Landwirthschaftéfrage geäußert hat, worin er Seiner Staatsregie- rung aufgiebt, mit allem Ernst dem Wohl der Landwirthschaft sich zuzuwenden, vielleicht in erster Linie ‘an die landwirthschaftliche Ver- waltung gerichtet gewesen sind. Alfo ich bin mir der Pflicht voll- ständig bewußt, die speziell in der s{wierigen Zeit jeßt der landwirth- schaftlichen Verwaltung obliegt. Aber, meine Herren, bequem it diese sella curilis, auf der O ict ibe, nit. (Heiterkeit.) Sollte ich mal herunterrutshen, so bin ih doch fest überzeugt, daß jeder andere Sit, auf dem ich dann mich nieder- lassen werde, weit bequemer als der gegenwärtige ift. (Heiterkeit.) Meine Herren, ich will ruhig erwarten, ob vielleicht, wenn ih gerutscht bin, der Herr von Schalscha oder ein anderer den Minifterposten an meiner Stelle erhält, dann hoffe ih, daß es ihm gelingen wird, von heute zu morgen die ganze Krisis aus der Welt zu hafen. (Sehr wahr! links.) i

Meine Herren, ih wende mich jeßt zu dem, was Herr von Schalscha „leeres Stroh dresen“ genannt hat, und ih möchte mir erlauben, Sie nun etwas längere Zeit mit einer ganzen Reihe von Einzelheiten zu belästigen. Ih werde diese Darlegungen unter zwei Gesichtspunkte bringen, einmal: welche Maßnahmen sind möglich und zu ergreifen, um die Produktionskosten herunterzudrücken, und zweitens : welche Mittel sind möglih und zu ergreifen, um die Kosten der land- wirths{aftlihen Produkte zu steigern.

Meine Herren, bei der Generaldiskussion i auch vom Herrn Finanz-Minister der Erlaß der Grund- und Gebäude- fleuer und Gewerbesteuer erörtert und in der General- disfussion ist nah dem Eindruck, den ih gewonnen habe, von den meisten Rednern gesagt: die Steuerreform habe für die Landwirth- schaft keine wesentlihe Bedeutung. Meine Herren, ich will dazu an

der Hand von Zahlen Folgendes sagen; daraus können Sie sih die Berechnung felbst machen, wie hoch die Ermäßigung der kommunalen Belastung der Landwirths{haft und des Grundbesißes vom 1. April d. I. voraussichtlih werden wird. Die Grundsteuer, die erlassen und | den Kommunen überwiesen wird, beträgt 39 600 000 Æ, die Gebäude- steuer 35 882 000 # und ‘die Gewerbesteuer 18 879 000 Æ, “— die kleineren Zablen lasse ih weg. Nun, die Gewerbesteuer ist ja bekannt- li den Gemeinden mit überwiesen, und ih darf darauf hinweisen, daß frei von der Gewerbesteuer Genossenschaften in Verwerthung ihrer eigenen Erzeugnisse sind: Weinbau, Fishzuht, Forstwirthschaft, Fagd, Ackerbau 2c., sodaß also die Gewerbesteuer die Landwirthschaft eigentlich garnicht belastet, tagegen die Kommunen. Nun zahlen die Städte Grundsteuer 3 331 000 M, das Land 36 Millionen Mark. Also dem Lande kommen von ter Gefammtsumme 36 Millionen Mark zu gute. Von der Gebäudesteuer zahlen die Städte 18 Millionen Mark, das Land 8 Millionen Mark. Von der Gewerbesteuer kommen den Städten 11 Millionen Mark ih lasse die anderen Zahlen weg —, . dem Lande 7 Millionen Mark zu gute. Die lex Huene hat bekanntlich in den leßten Jahren 35 Millionen Mark betragen ; die würden davon wieder abgehen. Dann würde abzusetzen sein dieMeu auferlegte Ergänzungssteuer, und nun würde man aus den Zahlen, die ih eben genannt habe, die auf das Land- fallen, fich ein Rechenexempel machen können, wieviel die kommunale Erleihterung, will ih ’mal sagen, auf dem Lande für den Grundbesiß, für die Landwirthschaft beträgt. Wenn ih diese Zahlen nun im allgemeinen gegen einander gruppiere und- feststelle, so kommt nach meiner Berechnung cine kommunale. Er- leichterung für den: Grundbesiß, für die Landwirthschaft von 50 bis 60 Millionen Mark heraus. (Lachen rechts.) Ja wohl, meine Herren!

Nun werden Sie sagen: ja, die lex Huene ift dieselbe Erleichte- rung gewesen. Ein wesentliher Unterschied besteht doch darin. Die Mittel der lex Huene wurden den Kreisen überwiesen, und kein Kreis ich bin sfelbff lange Jahre Landrath gewesen hat die Ein- nahmen aus der lex Huene in feinen ordinären Etat einzustellen ge- wagt (Widerspruch rechts), weil erst am Schluß des nächsten Jahres die Einnahme aus dem Etat als feststehend sh ergab. Und {on daraus, daß gewissermaßen diefe Einnahme außerhalb des Etats sich bewegte das kann ich dreist aussprechen —, ist in sehr vielen Kreisen nit fo sparsam mit dieser Einnahme gewirths{haftet worden, wie es nöthig war. (Sehr richtig! links.) Es sind vielfah Kreis- bäuser gebaut worden, die nicht nöthig waren. (Sehr richtig! links.) Es haben fogar einzelne Kreise, wie mir das ganz genau bekannt ist, es für zulässig erahtet, diese Einnahmen zu kapitalisieren, um sie nah späteren Kriegen zur Deckung von Kriegsfsteuern zu benußen (sehr wahri! links), während sie doch zur Hebung der wirths{aftlihen Verhält- nisse dienen sollten.

Und, meine Herren, ist das zutreffend, so wird man, glaube ih, wobl sagen dürfen dasselbe, was der Herr Finanz-Minister neulich au schon gesagt hat —, daß es doch {on ein wesentlicher Unter- ied ist, daß diese Steuern jeßt den Kommunen überwiesen werden, also den Gutsbezirken u. \. w., die, wie zu hoffen und anzunehmen ift, mit diefen Verhältnissen sparfamer und aufmerksamer wirthschaften werden, als dies vielleiht bei manchen der Kreise geschehen ift.

Meine Herren, eine Thatsache möchte ih hervorheben, wenigstens ist es so bei uns im Westen; wie es im Osten ist, weiß ih nicht. Man hat viel mehr doliert über die kommunale Belastung und deren Umfang, als über die staatliche Belastung. Die kommunale Belastung war dasjenige, was uns am meisten gedrückt hat, und däß die dur UVeberweisnng dieser Summe crleihtert wird, ist zweifellos, Meine Herren, bei der Generaldiskussion ist zwar darauf hingewiesen worden, daß bei der Grundsteuer für den vershuldeten Grundbesiß auch in der kommunalen Belastung eine bestimmte Doppelbesteuerung bleibe. Aber, meine Herren, ich erinnere wieder diejenigen daran, die ältere Mitglieder hier im Abgeordnetenhause sind, wie lange Jahre immer erneute Beschwerden über die Doppelbesteuerung, die durch die Grundsteuer dem Grundbesitz zur Last lag, geführt sind die seit 30, 40 Jahre geführt sind und die viel \{werwiegender waren, denn es mußte zur Staatésfteuer der stark vershuldete Grundbesitzer die volle Grundsteuer bezahlen, und nun wurde er, weil alle anderen Kom- munallasten nah den Staatsfteuern repartiert wurden, auf Grund der eine Doppelbesteucrung enthaltenen Grundsteuer zu allen übrigen Lasten herangezogen. Jetzt kann es doch nur in der Gemeinde ge- schehen, und in der Gemeinde find in der Regel auf dem Lande so großartige wesentlihe Unterschiede zwishen der Verschuldung des Grundbesißes nicht, daß dort die Doppelbesteuerung lästig fallen würde, und ih möchte glauben : wenn die Gemeinden diese Grundsteuer, diese Nealsieuer haben, fo sind sie sehr wohl in der Lage, diefe Ungleich- heit, die eintreten würde, in den Grenzen ihrer Selbstverwaltung zu be- seitigen. Ich babe geglaubt, diefe Fragen hier streifen zu follen und zu dürfen, weil sie Gegenstand sehr eingeßender Behandlung und Be- sprehung bei der Generaldiskussion gewesen find.

Meine Herren, als einen zweiten Gefichtspunkt zur Ermäßigung der Produktionékosten möchte ih hervorheben die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse: die Förderung des Baues von Kleinbahnen, die Herstellung künstliher und Verbesserung natürlicher Wasserstraßen (Widerspruch rets) und die Herstellung von Kunststraßen.

Meine Herren, den leßten Punkt will ich gleich vorweg nehmen. Diese Aufgabe, Kunststraßen zu bauen, liegt den kommunalen Ver- bänden ob, und ih glaube, daß es ernste Pfliht und Aufgabe der fommunalen Verbände is in der gegenwärtigen Zeit, dieser Ver- pflichtung im vollsten Umfange näahzukommen. Jch habe vorhin schon darauf hingewiesen bei den allgemeinen Säßen, daß die Erleichterung des Verkehrs, die Verbilligung des Verkehrs eines der hervorragendsten Mittel ift, um uns aus unserer Krisis emporzuhelfen, und da gehört der Bau der Kunststraßen hin. Und, meine Herren, ih möchte es nit vers{hweigen, ih möchte glauben, wenn ich vorhin gesagt habe, daß im Westen die Verhältnisse nach vielen Richtungen gesundere seien wie im Osten, so liegt das mit daran, daß dort das Ney der Verkehrswege ein viel dicteres, den Bedürfnissen entsprechenderes is, wie das im Osten der Fall ift, und ich will ’mal darauf hinweisen: es ift den Provinzialverbänden des Westens das gar nit leiht geworden. Beispiels8weise hat der Pro- vinzialverband Hannover durch die Ziehung eines Wechsels auf die Zukunft vor etwa zehn Jahren, durch Aufnahme sehr erheblicher An- [eiben diese kommunalen Wege hergestellt. Und das i} dankbar an- zuerkennen; denn dadurch, daß wir jeßt im Besitz solcher Straßen sind, sind wir in der Lage, der fritishen Lage besseren Widerstand zu leisten, als wenn das nicht der Fall wäre, und das wird einstimmig in allen Theilen des Westens in hohem Grade dankbar anerkannt.

Meine Herren, der Herr Abg. Graf zu Limburg-Stirum hat bei der Generaldebatte neulich gesagt ih wende mich jeßt zu den Wasser- straßen —, er sei der Meinung, daß künstlihe Wasserstraßen nur ge- baut werden dürfen, wenn die Zunächstbetheiligten dazu entsprechende Opfer bringen, und wenn diejenigen, die die künstlichen Wasserstraßen benugen, cine entsprechende Kanalgebühr entrichten. (Sehr rihtig! rechts.) Ich trete der Ansicht des Herrn Grafen in dieser Beziéhung vollständig bei und möchte nun glauben, daß der Herr Graf zu Litnburg- Stirum und die hinter ihm ftehende konservative Partei, wenn ihr nachgewiesen wird, daß Kanäle absolut nothwendig und wirths{aftlich zweckmäßig find und damit die hingestellten Voraus\setßungen erfüllt werden, sch- für Wasserstraßen mit interessieren. würde. Meine Herren, ich erinnere Sie daran, was ich {on im Eingange meiner Rede gesagt habe: wodur können die Produkte des fernen Westens so billig zu urs gelangen? Weil in Amerika durch die Wasser- straßen, durch die fabelhaft niedrigen Eifenbahntarife die Frachtsäße fo außerordentlich mäßig find. Und wir, meine Herren, haben im Often ja ein ziemli günstig ausgebautes Kanalneß, auch im Westen ich erinnere ap das Kanalneß in Elsaß-Lothringen —, aber die Ver- bindung dieser Kanalnetze unter einander fehlt, und das werden do alle Parteien hier im Hause anerkennen_ müssen nachdem die einzelnen deutschen Staaten zu einem großen Bunde vereinigt sind, dürfen wir nun nit "wirth\chaftliße Grenzen und wirthschaftliche Theilungen hier in Preußen vornehmen wollen, die gewissermaßen das eine Gebiet abschließen gegen das andere: gleidhes Recht für alle es muß ein einheitlihes Wirthschaftêgekiet, wo alle diejenigen Verkehrs\traßen, auch die Wasserstraßen gleihmäßig zugänglich {ind, die in diesem einheitlihen Verkehrsgebiet nothwendig find, im Auge behalten werden. (Bravo!)

Meine Herren, ih will noch darauf hinweisen, daß der Often bei dem Ausbau von Wasserstraßen ganz hervorragend betheiligt ift, theil- weise durch den Bau folcher Kanäle, die bereits beschlofsen sind und ihrer Vollendung entgegengehen, theils folher, die in Anregung ge- kommen find und deren Ausführbarkeit gegenwärtig verhandelt wird. Ich will hier zunächst den Masurishen Kanal nennen, der neulih in der Generaldisfkussion gestreift ist. Er sollte f{on in den siebziger Jahren gebaut werden; es waren damals die ersten Raten für den Bau im Etat eingestellt unter der Bedingung, daß die Betheiligten den Grund und Boden unentgeltlih hergeben ; damals haben meiner Auffassung nah bedauerliher Weise die Verhandlungen mit den Grundbesißern zum Ziele nicht geführt. Augenblicklich is eine leb- hafte Agitation für den Kanal vorhanden. Es liegt mir eine ganze Reihe von Vorstellungen vor, diese Sache wieder aufzunehmen. Jch will hier nur einige Zahlen nennen, die den Masurischen Kanal betreffen. Abgesehen davon, daß der Werth von 13 000 Pferdekräften, die dur die treppen- förmige Herstellung des Kanals gewonnen werden, von Technikern zu 26 Millionen veranschlagt ist, kommen bei dem Ausbau dieses Kanals bedeutende Interessen der Forst- und Landwirthschaft für ein aus- gedehntes landwirthschaftlichßes Gebiet in Frage. Allein für die-staat- lihe Forstverwaltung ift nah den angestellten Ermittelungen von der Herstellung dieser Wasserstraße durch Ermäßigung der Transportkosten ein fapitalisierter Vortheil von 47 bis 5 Millionen zu erwarten.

Ich will bei dieser Gelegenheit noch hervorheben, daß mir augen- blicklih mehrere Eingaben vorliegen von solchen Leuten, die den Bedarf der westfälishen Gruben an Grubenhölzern befriedigen. Jn thnen wird vorgetragen, daß der Westen nicht mehr im stande it, diesen Bedarf zu decken, daß aber die Eisenbahnfrachten so hoch sind, daß das inländische Holz an jenen Verbrauchsstellen niht konkurrieren kann mit den Hölzern, die aus Norwegen und Schweden pèr Schiffsfracht nach Westfalen gelangen. Meine Herren, {hafen Sie Mittel und Wege, daß aus dem Osten unsere privaten Grundbesißer und die Staatsforsten das Holz zu mäßigen Frachten nah dem Westen bringen können! Dann liegt das Projekt für einen Schiffahrtskanal vor, der von Tschicherzig im Kreise Züllichau von der Oder abzweigen und die Obra weiter verfolgen soll. Er kann zu einer \chiffbaren Verbindung der Warthe und Oder Veranlassung geben, die namentlich für den Verkehr zwishen Schlesien und Posen von Bedeutung werden würde. Ferner wird der Elb-Trave-Kanal gebaut, dann ist die Erweiterung des Ems-Hunte-Kanals in Frage, und ein kleines Land wie Oldenburg ist gewillt, große Opfer für die Kanalisierung der Hunte aufzubringen, weil es überzeugt ist, daß das Großherzogthum großen Nutzen davon haben wird. Dadurch wird die Verbindung der Weser mit der Ems u. f. w. erreiht.

Meine Herren, dann wissen wir, wie es im vorigen Jahre mit dem Dortmünd-Rhein-Kanal verlaufen und daß der Mittelland- Kanal noch ‘nit vorgelegt ist. Jh kann mittheilen, daß augenblicklich unter den betheiligten Ressort - Ministern Verhandlungen über die Förderung dieser Projekte {weben, und daß die Vorarbeiten hon fo weit vorgeschritten find, daß die Königliche Staatsregierung wohl {hon im nächsten Jahre mit dem Mitel- land- und Dortmund-Rhein-Kanal an Sie herantreten wird. (Lebhaftes Bravo links.) Aber, meine Herren, ih möchte auf einen Gesichtspunkt aufmerksam machen. Es sind die beiden von mir oben genannten Kanäle Theile eines großen Kanalneßtes, das bereits die geseßlihe Sanktion bekommen hat. Davon wird der Kanal Dort- mund—Emshäfen schon jeßt ausgebaut. Dieser Kanal {haft eine Wasserstraße von der See her bis mitten in das westfälische Industriegebiet, unser Hauptabsatzgebiet. Wenn wieder so vor- gegangen wird, wie es im vorigen Jahre geplant war, und von Dort- mund aus der Kanal nah dem Rhein beschlossen wird, so wird damit die zweite Wasserverbindung nah der See hin geschaffen. Dann, meine Herren, kann das dritte Glied, der Mittelland-Kanal, die Ver- bindung, wodur erst der Often die Gelegenheit eines billigen Wasser- weges nah dem Westen erhält, niht abgelehnt werden. Das hieße den wirthshaftlihen, besonders den agrarishen Interessen geradezu ins Gesicht hineinshlagen, (Widerspruch rechts; sehr richtig! links.) Wenn wir uns nah der See einen Zufuhr- und Absaßweg ver- schaffen, dann ist es erst recht nothwendig, im Innern diejenigen Wasserstraßen auszuführen, die erforderlih find, um der einheimischen Landwirthschaft die Konkurrenz mit den von außen kommenden Pro- dukten im eigenen Staatsgebiet zu ermöglihen. (Sehr richtig ! links.)

Meine Herren, ih erinnere weiter daran, daß die Verbesserung der künstlihen Wasserstraßen eine Aufgabe ift, die die Staats- regierung mit der größten Energie in die Hand genommen hat und auch weiter ausführen wird. Bei der Generaldiskussion i} gestreift worden, ob es niht richtiger sei, die Bauabtheilung des Arbeits- Ministeriums und damit die ganzen Wafserangelegenheiten an die landwirthshaftliche Verwaltung zu verweisen. Meine Herren, das ist