1895 / 27 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Privatgrundbesißer an einer Krisis wie die gegenwärtige zu Grunde -

gehen. (Bravo! rets.)

Wenn man vom Zuckerrübenbau spricht, so darf man da mit so banalen Redensarten eine Frage, die so tief in unsere Wirthschaft ein- greift, niht abmachhen. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, was die Spiritussteuer betrifft, so wird eine Aenderung der bestehenden Gesetzgebung auf etwa folgenden Grund- Tagen in Frage kommen: zunächst Aenderung des Kontingentierungs- verfahrens, insbesondere Ginführung einer fünfjährigen Kontingen- tierungsperiode anstatt der jeßigen dreijährigen; ferner . Ginshränkung der Ucberproduktion und zwar durch Beschränkung ganz großer Ginzel- Tontingente in besonderen Fällen, namentlich bei der Neuverarlagung, durch Erhebung einer nicht erstattbaren Brennsteuer in Staffelform mit möglihster Berücksichtigung des Kleinbetriebes, durch Grhebung der Maischbottichsteuer nur noch in den lTandwirth\schaftlihen Brennereien und niht mebr in denen, die Melasse, Rüben und Nübensaft ver- arbeiten, und {ließli durch Erhöhung der Ausfuhrvergütung. Da- bei ist in Aussicht zu nehmen, daß ein Nichtbrennen des Kontingents bei Mikßernten, eventuell die Verwendung von Mais zur Erfüllung des Kontingents ohne Schaden für die künftige Kontingentierung der betreffenden Brennereien stattfinden darf.

Meine Herren, ein Gesezentwurf auf dieser Basis if bereits ausgearbeitet und ih gebe mich der Hoffnung hin, daß er unter allen Umständen beim Reichstag eingebracht werden wird. Dies Gefeß Tommt den geringeren Böden zu gute, auf denen, wie ich nachge- wiesen habe, unsere Kartoffelproduktion ganz folofsal zugenommen hat; und aus den Nachweisungen, die ih vorhin gab, geht hervor, daß besonders für die ostlihen Provinzen bei ibrec großen Kartoffel- produktion das Brennereigeseß von außerordentliwer Wichtigkeit ift.

Meine Herren, dann komme ih auf das Erbrecht und die Verschul- dungsgrenze. Ih unterfchreibe alles, was der Herr Finanz-Minister bei der Agrarkonferenz über diese Dinge gesagt hat. In diesen Fragen muß dem Grundbesiß sein Recht gewahrt werden, und zwar durch eine Ver-“ {{uldungsform und ein Erbrecht, das dem Grundbesiß angemessen ist. Aber, meine Herren, das ift keine Arbeit von heut zu morgen. Da- mit helfen wir der augenblicklichen Noth nicht ab (sehr richtig! rechts); im Gegentheil, . ich bin der Meinung, daß es im bohen Grade ge- fährlich wäre ich will den Ausdruck mal gebrauchen jeßt mit einem Mal die Vers{buldungsgrenze auf vielleidt zwei Drittel des Wertbs zu beshränken. Das mürde eine Operation fein, wobei der Patient stirbt, aber dieOveration gelingt. (Heiterkeit.) Das ift unausführbar. Man kann es in guten Jahren langsam prüfen und erwägen; dazu tverden aber Dezennien nothwendig sein. Bei der Feststellung und Erwägung eines umfassenden Agrarrehts werden auch andere Dinge gestreift und gründlich geprüft werden müssen, unteranderem die Frage der Fideikommifse, die neuerdings auch in der Presse vielfach ventiliert worden ift. Ich bin für die Fideikommisse; ih will aber Auswüchse, die daran sind, beseitigen. Ih will Fideikommisse über die ganze Monarchie vertheilen, ih will fie erleihtern; wo sie aber in agrarisher Be- ziehung nachtheilig sind, will ich fie eins{hränken. Kurzum, ih bin der Meinung, daß in dieser Beziehung allerdings die Staatsregierung ein Recht haben muß, alles das, was nothwendig is, zu machen. Aber das if nicht fofort zu erreichen, das wird eine Aufs- gabe derer sein, die vielleiht bequemer auf dem landwirthschaft- lien Sessel fißen als ich. Meine Herren, der Entwurf eines Geseßes über das Anerbenrecht bei Renten- und Ansiedlungs- gütern wird Ihnen vorgelegt werden. Darin liegt gewissermaßen ein Versuch, wie die Sache zu machen ift, und bei Ansiedlungsgütern, vor allem aber bei Rentengütern, halte ih diesen Versuch mit einem Erbrecht und einer Vershuldungs8grenze für unbedenklich, weil aus allen Theilen Deutschlands Leute als Ansiedler sih niederlassen, die die ver- \chiedensten Rechtsanschauungen haben.

Meine Herren, dann gestatte ih mir noch die Fischerei zu streifen. Im Ganzen find durch den Etat im Laufe der Jahre zur Snlage von Fischereihäfen 10 205 500 #4 verausgabt. Im laufenden Etat sind zur Förderung der Fischerei 85 000 # bereit gestellt, wozu 87 000 6 aus Provinzialfonds hinzutreten. Der Reinertrag von der Fischerei Binnen- und Hochseefisherei is veranschlagt zu 3078000 A Beschäftigen wird Sie noch ein Vertrag mit Luxemburg, abgeschlossen zur Erhaltung der Fischerei.

Ueber Forstkulturen werde ih mir gestatten beim Etat der Forst- verwaltung Mittheilung zu machen.

Ich darf noch daran erinnern, daß für landwirthschaftlihe Fach- bildung im Etat 1894/95 278 000 4 eingestellt waren. Der Betrag ist jeßt um 100 000 46 erhöht. Ueber die Verwendung des verstärkten Fonds für Wanderlehrer und Winterschulen soll in Uebereinstimmung mit dem Landes-Oekonomie-Kollegium vorgegangen werden.

Nun will ich noch erwähnen, daß in Aussicht steht, daß land- wirthschaftlihe Attahés bei der Reichsregierung eingestellt werden, die die Aufgabe haben follen, Veränderungen in dem Zustande der landwirths{aftlihen Verhältnisse in den auswärtigen Staaten, nament- lih in England, Amerika, Frankreich u. st. w. zu ermitteln. Die Frage ist im Reichstage noch nicht zum Abschluß gebraht. Sofern sie aber zum Abschluß gelangt, hat die Reichsregierung in Ausfiht genommen, dem landwirthschaftlißhen Ministerium bei der Personenfrage eine wesentlihe Mitwirkung einzuräumen. Es wird aber außerordentli schwierig sein, die geeigneten Personen für eine so intrikate shwierige Aufgabe zu finden. Meine Herren, über die Rentengüterbildung habe ich Ihnen nur ganz kurz mitzutheilen, daß im ganzen 6962 Renten- güter vertheilt sind. Die Gesammtflähe der Rentengüter beträgt 74311 ha und repräsfentiert einen Werth von 52 Millionen. Auf die Ansiedelungen will ich nicht weiter eingehen.

Dann habe ich noch kurz mitzutheilen, daß das Gesetz über die Landwirthschaftskammern augenblicklich #sch in den Verhandlungen der Provinzialverbände befindet. Nah dem Stande der kommissarishen Berathungen steht in Aussiht die Bil- dung von 13 Landwirthschaftskammern; davon werden voraussihtlich 9 oder 10 die Zustimmung der Provinzialvertretungen erhalten, und bei dreien wird wahrscheinlih die Zustimmung nit ertheilt werden. Meine Herren, wie ih mich zu der Frage zu verhalten haben werde, ob man auch gegen das Votum der Provinzial-Landtage die Land- wirthschaftskammern bilden soll, darüber kann ich mich nicht äußern; das hängt auh wesentlich von der Stimmenmehrheit ab, mit der ab- gelehnt ift, sowie von einer ganzen Reihe anderer Umstände. Nur ungern würde ih gegen den Willen der Provinzial-Landtage mit solchen Bildungen vorgehen.

i Dann will ich kurz noch erwähnen, daß cine Aenderung der Gewerbeordnung im Reich erwogen wird, wonach der Hausierhandel

mit Schweinen, Geflügel, Sämereien u. st. w. im wirths{aftlihen und veterinärpolizeilihen Interefse beshränkt werden kann. Das ift ja au von nit geringer Bedeutung.

Damit habe ich nun .so zu sagen das leere Stroh, wie Herr von Schalscha sih ausdrückte, ausgedroschen, und ih wende mich jeßt zu der weit s{wierigeren Frage der Erhöhung der Preise für die Er- zeugnisse der Landwirthschaft. (Ah! ah!) Nun, meine Herren, werde ich gleich auch Ihrem Wunsche entspreWen und über die Meonopolisierungêfrage mich äußern; aber einen Augeublick müssen Sie noch Geduld haben. Meine Herren, dger JIdentitätsnahweis ist aufgehoben, und die landwirthschaftliche Verwaltung hat sich bemüht, darüber nun Auskunft zu erlangen, welhe Wirkung diese Maßnahme gehabt hat. Im allgemeinen ist von den Handelskammern und den Ober-Präsidenten berichtet, die Zeit sei noch zu kurz, um genaue Auskunft darüber zu geben. Aber ein Interessantes ist mir speziel aus dem Osten mitgetheilt worden. Es wird bestimmt gesagt: während der Zeit, wo die Kampfzölle gegen Nußland auf den Getreideimport bestanden hätten, während der Zeit, wo wir 75 4 Eingangszoll hatten, sei niemals im Osten diè Wirkung der Zölle in den Getreidepreisen au nur annähernd zum Ausdruck gelangt, dagegen habe immer ein außerordentli hoher Unter- ied des Preisstandes zwischen dem Often und dem Westen bestanden. Dagegen ist augenblicklih der Preisstand überhaupt so gut wie aus- geglichen, und das ift, glaube ih, auf die Aufhebung des Identitäts- nahweifes zurückzuführen, weil eine-Mafse von Getreide, Mehl x. jeßt niht nah dem Westen abgeshoben, sondern ausgeführt wird und der Zoll zurükerstattet wird. Daraus erklärt sich meiner Meinung nach au, daß jeßt der geringere Zoll von 3,35 4 voll zum Aus- druck kommt. Es wird ganz bestimmt bezeugt: im Osten kostet jeßt das Getreide annähernd daëselbe, wie im Westen, zuzüglih der Transportkoften, und das ausländishe Getreid- ist um Zoll und Transportkosten theurer wie das inländishe. Gine abs{ließende Er- klärung kann man darüber aber vielleiht noch nit abgeben.

Ja, meine Herren, jezt komme ich zu dem Antrag des Grafen Kaniß. Ich kenne eigentlich noch keinen Antrag Kaniß. Es wird in der Presse überall von einem solchen Antrage gesprochen; foviel ih weiß, hat erst seit gestern in der Konferenz der freien wirthschaftlichen Vereinigung sih der Graf Kaniß mit den übrigen Herren, die si für diese Frage interessieren, über eine konkrete Formulierung eines beim Reichstage einzubringenden Antrages verständigt. Also vom „Antrag Kaniß" kann ih überall nicht reden; aber ich will die Ge- danken, die dem Kaniß’schen Antrag zu Grunde liegen, einschließli einer Reibe von anderen Vorschlägen, hier kurz darlegen.

Soweit ih die Sache verfolgt habe, steht generell die Mono- polisierung der Getreideeinfuhr in Frage. (Nufe: Lauter!) Meine Herren, ih glaube, die bloße Monopolisierung der Einfuhr, ohne daß die Verkaufspreise dabei bestimmt werden, würde zweifelles auf den Preisstand hier in Deutschland einen géwissen Ginfluß üben. Ferner aber foll nah der Absicht des Grafen Kaniß ein 40 jähriger Durchschnitt der leßten Jahre dem Verkaufspreis zu Grunde gelegt werden, wofür das monopolifiert eingeführte Getreide im Inlande abgegeben werden foll. :

Ein noch weiter gehender Vorschlag wäre die Monopolifierung der gesammten Getreideprodufktion, auch also der iu Inlande er- zeugten jawohl! Sie s{ütteln mit dem Kopf: aber der Gedanke ist allerdings in der Presse mehrfach ventiliert. (Abgeordneter Freiherr von Crfa: Vom Grafen Kaniß nicht!) Das behaupte ih nit, ih sprehe nur von Vorschlägen, die in der Presse erörtert werden. Zu diefen gehört weiter der Gedanke einer Monopolisierung der Einfuhr und der Grhebung einer Verbrauchsfteuer für ausländisches Getreide im Innern, ferner der Plan einer Kontingentierung der Getreideeinfuhr, und s{ließlich ist noch in leßter Zeit in der Presse das Projekt eines Brotmonopols aufgetreten. Auf einem etwas anderen Gebiet liegt der Antrag Gamp, der, wenn ih mich richtig erinnere, auch monopoliesieren und dann das mono- polisiert eingeführte Getreide auf Staatsmühlen verarbeiten und als Mebl wieder in Handel geben oder nah auswärts ausführen will.

Meine Herren, der Herr Finanz-Minister hat neulich bei der Generaldiskussion {hon hervorgehoben, daß die Anträge in der Richtung des Grafen Kaniß einem Gebiete angehören, auf dem wir wohl berathend mitwirken können, das aber eigentlih zur Zuständigkeit des Reichs gehört. Ich könnte deshalb ja sehr leicht ein weiteres Eingehen auf diese Fragen ablehnen. Das halte ih aber nicht für richtig. Ich kann im Einverständniß mit der Staatsregierung Jhnen über diese Anträge Folgendes sagen. Neben der Frage, ob überall ein folcher Antrag im Reichstag angenommen wird oder nicht, auf die es ja zunächst ankommt, und die erst die Zukunft beantworten wird kfommtentscheidendinFrage: wieweitsind diese vershiedenenAnträge mit den Handelsverträgen vereinbar? Denn, meine Herren, ih habe im Eingang \hongesagt: die Handelsverträgesind abgeschlossen, unddie Staatsregierung ist verpflichtet und gewillt, sie vollständig aufrecht zu erhalten. Also ein Bruch mit den Handelsverträgen ist undenkbar. Jch glaube okne allerdings darüber namens der Staatsregierung ein entscheider.des Urtbeil abgeben zu können —: die Monopolisierung der Einfuhr an sich steht mit den Handelsverträgen niht in Widerspru. Dagegen sind die weitergehenden Vorschläge, die ih genannt habe: Mono- polisierung mit einer besonderen Verbrauchsabgabe für ausländische Getreide, Monopolifierung mit Einführung eines nach 40 jährigem Preisdurch\chnitt festgeseßten Verbrauchspreises, für das das monopolisiert eingeführte Getreide wieder verkauft werden foll, auch der Gamp’\he Antrag soweit ih den richtig verstanden habe; Herr Gamp sieht mich erstaunt an und s{hüttelt mit dem Kopf ; mit den Handels- verträgen nach meiner Auffassung nicht vereinbar. Aber ih {ließe hieran das an, was Herr von Erffa gesagt hat: die Staatsregierung steht zu der Sache so, daß sie durhaus keinen Anlaß findet, hier heute im Abgeordnetenhause zu erklären, daß sie aus materiellen, politishen oder sonstigen Gründen alle diese Anträge für unannehmbar hält. Im Gegentheil, damit nicht der Verdacht im Lande, -der leider {hon viel verbreitet if, noG mehr Nahrung gewinnt, daß die Staatsregierung die Mittel zur Abhilfe des land- wirthschaftlihen Nothstandes in der Haud habe, sie aber niht ge- brauchen wolle oder könne damit diesem Verdachte keine neue Nahrung gegeben wird, ist \{chon aus diesem Grunde die Staats- regierung gewillt, auf das allersorgfältigste wie Herr von Erffa beantragt hat in .eine Prüfung der Frage einzutreten, ob es wirth-

\chaftlih ausführbar ist und ob der Erfolg, den Sie alle wollen, wirk-

lich dabei erreiht wird, ob es ferner mit den Handelsverträgen verein-

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bar ift, diesen Monopolisierung8pläneu in der einen oder der anderen Form näher zu treten. Sie wissen ja, es ist in Aussicht genommen, daß Seine Majestät der König den Staatsrath berufen wird das Programm dafür steht zwar noch nicht fest, aber ih möchte glauben, daß leßtere Frage einen der wichtigsten Gegenstände der Berathung für den Staatsrath bilden wird. ;

Dann, meine Herren, möchte ich hervorheben: je erregter die öffent- liche Meinung ift, je extremer die Forderungen find, die von den Be- theiligten an die Staatsregierung gestellt werden, um \o besonnener muß die Staatsregierung bei Prüfung dieser zweifellos nah allen Richtungen sehr weit gehenden Anträge vorgehen. (Sehr richtig! links.) Das will auch die Staatsregierung, sie kann aber heute bindende Er- klärungen nit geben, sie will die Wünsche, welche aus den Kreisen der Landwirthe bervorgetreten find, nach allen Richtungen hin s\org- fältig prüfen. Es ift ja denkbar, daß doch etwas Erreichbares aus diesen Gedanken sih herausshälen läßt. Ih habe z. B. angedeutet: die Monopolisierung allein würde schon eine gewisse Einwirkung auf die Preise haben. Mit dieser Erklärung, glaube ich, müssen Sie vorerst zufrieden sein, denn Sie können von der preußischen Staatsregierung nicht verlangen, ein endgültiges U-theil und eine bestimmte Erklärung über Anträge abzugeben, die noch keine feste konkrete Gestaltung an- genommen haben. Nicht einmal, meine Herren, die Frage kann man prüfen und entschieden beantworten, ob die Handelsverträge entgegen- stehen oder nit, ohne bestimmte Pläne vor sich zu haben. Je nah der verschiedenen Formulierung der Pläne wird die bezeichnete Frage verschieden zu beantworten sein.

Damit, meine Herren, verlasse ih diese Angelegenheit, und ih hoffe, daß sie zu einem glücklihen Ende führen wird, daß die Er- regung, die in den breitesten Schichten der landioirthschaftlihen Be- völkerung leider Gottes um sich gegriffen hat, si wieder beruhigt, daß au dann, wenn sich herausstellen sollte, sei es aus formalen oder aus materiellen Gründen seien die Anträge nicht realisierbar das Vertrauen zur Staatsregierung, die helfen will, wenn sie kann, nit noch mehr ershüttert wird. Denn das würde das Shlimmste sein, was der Landwirthschaft in gegenwärtiger Lage widerfahren kann das habe ih ja im Eingange meiner Rede schon gesagt —: Arbeit, die nicht vom Vertrauen des Landes getragen wird, kann in der jeßigen {weren Zeit nicht von Erfolg sein.

Meine Herren, dann kommt hier in Frage die Aufhebung der Transitläger. Der Zollkredit ist {on von ses auf drei Monate abgekürzt, man wird sorgsam erwägen müssen, ob man die Transitläger ganz aufheben kann. Die Frage wird bei der landwirthschaftlichen Ver- waltung geprüft; aber es ist zu erwägen, ob niht durch Aufhebung das landwirth\chaftlihe Müllergewerbe ges{hädigt werden würde.

Dann, meine Herren, gestatten Sie mir noch kurz und das wird Sie gewiß interessieren einzugehen auf die Börsenreform und die Währungsfrage. Die Staatsregierung hat sich eingehend mit der Börsenreform beschäftigt; es hat bekanntli eine eingehende Enquête stattgefunden. Eine konkrete Gestaltung hat der Geseßentwurf über die Börsenreform insofern noch nicht genommen, als er noch nicht alle Stadien im Reich und bei den Einzelministerien passiert hat; aber in Aussicht fleht die Einbringung einer Gesezes8vorlage beim Reichstag, in welher im wesentlihen den Anträgen des Deutschen Landwirtbhschaftsraths entsprohen wird. Meine Herren, ver- sprechen Sie sich nit aus einer solhen Geseßgebung eine Steigerung der Preise; aber wenn was ich für ebenso wichtig halte die Auswüchse der Börse beseitigt werden, dann werden wir zu einer Stabilität der Getreidepreise kommen, und das ist {on ein fehr wichtiges Ziel.

Meine Herren, nun noth kurz zur Münzfrage. Die Reichsregierung hat, wie Sie wissen, eine Kommission für die Währungsfragen ein- berufen, um zu untersuchen, auf welchem Wege es mögli und durch- führbar erscheine, dèn Silberpreis zu heben. Die Kommissionsverhand- lungen sind noch nit abgeschlossen, die Staats- und Neichsregierung hatte si über die Resultate noch nicht {lüssig gemacht. Wenn eine Steigerung des Silberpreises und dessen Stabilisierung zu erreichen wäre, so würde das wesentlich auch dem deutschen Interesse ent- sprechen.

Wie ih perfönlih zu der bimetallistishen Frage stebe, babe ih wiederholt öffentlich ausgesprohen: ich bin der Meinung, daß die Frage, ob eine andere Gestaltung unseres Münzwesens im Interesse unserer Landwirthschaft läge und ausführbar wäre, sehr der Erwägung bedarf. Aber darüber sind doch jeßt auch wohl die entschiedensten Bimetallisten zweifellos, daß Deuts{land niht- allein vorgehen kann, und so lange wir also nicht in der Lage sind, in dieser Nichtung uns mit England oder Amerika oder anderen Staaten zu einem gemein- samen Vorgehen zu verständigen, ist diese Frage, welche in der Presse und in landwirthschaftlißen Vereinen wieder erwogen wird, nit zu lösen. Die Aufbaushung dieser Frage, meine Herren, ift augenblickliß wohl mehr vom Standpunkt der Agitation aus zu betraten (sebr richtig! links), als von dem der sahlihen Erwägung, und ich möchte glauben, daß es nit richtig ist, diese so schwierige Frage in Kreisen zu verhandeln, die die so schwierige Frage zu be- urtheilen kaum in der Lage sind.

Dann will ih noch kurz die Frage der Silogenofsenschaften streifen. Die Staatsregierung is gewillt, und zwar in der Weise, daß als Rechtsträger eine der zu bildenden Landwirthschaftskammern auftritt, mit Zustimmung des Herrn Finanz-Ministers, die hoffentlichß niht aus- bleiben wird, den Versuch zu machen, ob die Durhführung folcher Projekte mit Mitteln des Staats und einzelner Genossenschaften aus- führbar und nüßlich sich erweist.

Die Frage der Kündigung des Handelvertrags mit Argentinien, die wiederholt angeregt ist, will ich nicht näher berühren, da die deutsche Handelspolitik nah verschiedenen Richtungen hin betheiligt ist.

Meine Herren, es kommt fodann das Margarinegefeß in Frage. Es wird, soviel ich weiß, von der Regierung beabsichtigt, ein solches Geseß dem Reichstag vorzulegen, das aber nit den Zweck verfolgt, die Margarinekonsumtion und -Fabrikatiou allgemein einzuschränken, sondern nur in soweit, als die Margarine unter dem Deckmantel der Butter in den Handel kommt, ähnlich dem Geseh in Dänemark.

Die Quebrachozollfrage, die im Reichstag ausführlih behandelt ist, die Woll- und Flachszollfrage will ih nicht weiter berühren; Woll- und Flahszoll find dur die Handelsverträge ausgeschlossen, ob auch die Quebrachozollfrage, ist vielleiht zweifelhaft. Auf die vielfa an- géregte Frage der Notierung der Marktpreise für Vieh nah lebend Gewicht will ih hier nicht eingehen.

“Nun, meine Herren, bin ih am Schluß. Jch habe gewarnt, bei der landwirths{haftlihen Bevölkerung zu sehr den Pessimismus ein-

reißen zu lassen. Die Krisis ist \{limm, aber sie wird über-

wunden; würde sie nicht überwunden, so wäre das mehr öder weniger der Staatsruin. Deshalb bitte ich vor allem, mit einem gewissen Selbstvertrauen und einem gewissen Selbst- bewußtsein und mit der Anwendung vollere deutsher Energie und Kraft zu versuchen, über die jetzige mißlihe Lage der Land- wirthschaft hinwegzuklommen. Das, meine Herren, bin ih zu erklären berechtigt und verpflichtet: bei der Staatsregierung werden Sie für alle ausführbaren Maßnahmen die weitgehendste Unterstüßung und das weitgehendste Entgegenkommen finden. (Bravo! rets.) Was wir nit machen können, müssen Sie von uns nit fordern! Es muß jeder, der an dieser Stelle sißt, das, was er ausführen soll, auch mit seiner Veberzeugung, mit seinem Gewissen vereinbaren können. Wenn die Staatsregierung nach ernster Prüfung diese oder jene Maßnahme ablehnt, dann darf man deshalb im Lande nit glauben, die Staats- regierung Tôönne helfen, sie wolle aber nit helfen! So liegen die Sachen niht; fie will helfen, soweit sie kann! Und auf dem Standpunkte stehe auch ich. (Bravo! links.)

Meine Herren, noch eine Bemerkung. Kein Gewerbe is so abhängig von Gottes Schuß und Gnade wie die Landwirthschaft. (Sehr richtig!) Arbeiten wir fleißig, seien wir nüchtern und sparsam, und wirken wir dahin, daß in die weitesten Kreise der nüchterne, spar- same Geist von früher wieder eindringt; dann wird uns der Segen von oben nicht ausbleiben!

Wenn ich nun einzelne kleine Mittel genannt habe, so möthte ih doch glauben, unter diesen Mitteln findet sih au eine große Zahl, die von großer, weittragender Bedeutung sind, die man nit als leeres Stroh betrachten kann. Und zum Schluß, meine Herren, möhte ih noch einmal auf eins hinweisen. Seit 20 Jahren verfolge ich mit hohem Interesse ich will mal sagen: die emsige Thätigkeit des westfälishen Bauernvereins auf wirthshaftlihem Gebiete, welche ohne erheblihe Staatshilfe unter der bewährten Leitung meines Freundes, des Herrn von Schorlemer, ausgeführt wird. Dieser Verein hat mit solchen kleinen Mitteln mit großem Erfolge die Landwirths(aft in West- falen, den Mittelstand gesund erhalten. Es dient das zum Beweis und spornt zur Nachahmung an, daß auf dem Wege der Selbsthilfe mit Verwendung kleiner Mittel, wenn alle emsig und thätig vor- gehen, Großes zu erlangen ift. Meine Herren, möge es uns gelingen, in der gegenwärtigen chweren Zeit die rihtige Bahn zu betreten, auf der wir mit Besonnenheit und mit Erfolg der {weren agraren Krisis zu begegnen befähigt werden; das walte Gott! (Lebhafter Beifall.)

Abg. von Puttkamer-Plauth (kons.): Wir haben die Auf- abe, die {weren Klagen der Landwirthschaft hier zum Ausdruck zu ringen. Die Stimmung im Lande is sehr erregt, und wir sind

häufig in der Lage gewesen, eine \{harfe Polemik mit den Vertretern der Regierung führen zu müssen. Jch bin erfreut, daß die Ver- handlung E in eine ruhigere Bahn eingelenkt ist, und daß wir uns einem Minister gegenüber sehen, der unser volles Vertrauen hat. In allen Parteien, mit Ausnahme der äußersten Linken, hat die Landwirthschaft warme Freunde. Aber es ms Klarheit geschaffen werden, und wir werden dieselbe am besten dadur erzielen, daß wir hier und im Reichstage das Parlament vor be- E Abstimmungen siellen. Nicht die Landwirthschaft allein leidet oth; auch Handwerk und Kleingewerbe ist in Mitleidenshaft gezogen ; selbst der Großbetrieb fängt an zu merken, daß der Vortheil der Me itelweriräge für ihn nicht groß ift. Wer soll den Kampf für die tonarhie, von dem Herr von Bennigsen im Reichstage Aláivans hat, auékämpfen, wenn die Landwirthschast zu runde geht? Der Herr Minister hat von der Erregung gesprochen, welhe in der Landwirthschaft herrs{cht. Zweifellos ift manches gesehen, was der Landwirthschaft Schaden zugefügt hat, und wir können das Vertrauen, das wir dem Herrn Minister ent- gegenbringen, niht auf die frühere Regierung ausdehnen. Wir sind dankbar für die kleinen Mittel, die der Herr Minister emyfohlen hat. Aber dieselben treffen niht das Uebel an der Wurzel. Dazu sind die großen Mittel nothrvendig, und diese liegen leider auf dem Gebiet des Neichstags. Der Herr Minister hat den Antrag des Grafen Kaniß in die Erörterung gezogen. Ih hatte darauf nicht gerehnet, da der Antrag noch nicht vor- liegt. Daß er zu meiner Befriedigung darüber gesprochen habe, kann ih nit sagen; sein Ton erinnerte lebhaft an ein Begräbniß, das man zu einem Begräbniß erster Klasse gestalten will. Man will die Angelegenheit im Staatsrath prüfen: ih habe niht dea Eindruck, daß man dort mit der Absicht, etwas zu stande zun bringen, an die Berathung herantreten wird. Wir werden im Reichstage weiter darüber reden. Man hat die Vereinbarung des Antrags des Grafen Kaniß mit den Handelsverträgen in Zweifel ezogen. Ich bin jedenfalls der Ueberzeugung, daß die in Betracht ommenden Vertragsstaaten, namentlih Oesterreich-Ungarn und Ruß- land, folhe Erfahrungen mit den Handelsverträgen gemaht haben, daß sie gern in eine Revision einwilligen werden. Die Abänderung des Zuckersteuergeseßes und des Spiritusgeseßzes muß unbedingt be- Cms werden. Erfreut bin ih darüber, daß bet beiden eine Er- öhung der Ausfuhrprämien in Ausficht genommen ist. Die Frage der Remonetisierung des Silbers hat der. Herr Minister mit platonischer Auelbaltung behandelt, indem er darauf hinwies, daß Deutschland allein niht vorgehen könne. Die frage ist aber, ob Deutschland die Jnitiative ergreifen will. Der err Minister hat uns auch die Vortheile der Kommunalsteuerreform borgehalten; bei diefer ha: die Landwirthschaft nihts gewonnen. Für die zum Bau von Kleinbahnen ausgeworfenen Beträge sind wir dankbar. Diese Bauten sind aber auch vollkommen gcrehtfertigt. Für die Kanal- bauten haben wir im allgemeinen kein grofes Interesse. Unsere Kanäle dienen niht, wie die amerikanischen, dem Export. Der Landwirthschaft bringen sie infolge der langsamen Transporte wenig Nußen. Den asurishen Kanal könnte man wohl auch bauen, ohne unentgeltliche Abtretung des Grundes und Bodens von den Interessenten zu ver- langen, da der Forstfiskus 4 bis 5 Millionen Nutzen jährli davon haben wird. Durch die Aufhebung der Staffeltarife sind wir im Often von dem Verkehr mit unseren Produkten nah dem übrigen O abgeschnitten; wir Mee für unseren Absay Tarif- trmäßigung haben. Wenn der Herr Minister einmal zu uns käme, so würde er sehen, daß wir seit langen Jahren das anstreben, was er zur s der Landwirthschaft empfiehlt, aber die Noth ist so groß, daß, wenn nit das Gottvertrauen noch da wäre, hon mandher die Flinte ins Korn geworfen hätte. Die Hebung der ferdezuht kann uns erst in ferner Zukunft Hilfe bringen, unsere iugenblicklihe Noth lindert sie kaum. Was die in Uebereinstimmung mt dem Herrn Finanz-Minister Miquel gefaßten Pläne der Agrar- lonferenz etrifft, so erwarte ich auch von ihnen feine ausreichende ilfe, da das Uebel [don einen zu großen Eng angenommen hat. inen kranken Körper foll man nit durcheine {chwereOperation chwächen, ondern man foll ihn fräftig machen. Von der Börsenreform erwarte wud ih niht eine Steigerung der Getreidepreise, aber ich erwarte durch die SEEns der Auswüchse an der Börse eine moralische Virkung. Das Rentengütergesey is allerdings mit unferer Unter- bung zu stande gekommen, aber wir halten die sprungweise und tapide usdehnung der Zerschlagung großer Güter für eine große efahr; zwei Dupend kleine“ ländlihe Proletarier sind ein größerer debelitand, als ein bankerotter Großgrundbesißer. Auch halten wir a große Bêè Ang der Zahl der Großgrundbesißer fr fals, er Junker is ja heutzutage der Prügelknabe öffentliden Meinung, aber doch hat er eine ret

| trhebliche politishe Bedeutung und kommunale und soziale Aufgaben,

die {werlich durch andere Leute erfüll: werden könnten. ODbwokT die Ausföhrungen des Herrn Ministers niht ganz unseren Erwartungen entsprochen haben, werden wir doch den Versuch maGen, in ernîter

Krisis heraushelfen, so- werden wir ihm dankbar sein; sein Name wird dann unter den preußischen Staatsmännern eine gute Stelle bewahren, und auch das Vaterland wird ihm Dank wissen.

Abg. Gamp (fr. konf.): Au ih kann versichern, daß wir volles Vertrauen zu dem Herrn Minister und seiner Sachkenntniß haben und hoffen, daß er uns über die s{hwierige Lage, in der sch unsere Land- wirthschaft befindet, binwegbringen wird. Wenn der Herr Minister meint, die Nothlage sei eine Folge der allgemeinen Krisis, so meine ih vielmebr, daß sie in engster Verbindung mit unserer Steuergesep-

ebung, der Uekterlastung der Landwirthschaft mit Steuern steht. Auch Pró- feffor Schmoller hat diefe Auffassung bestätigt. Eine Ungerechtigkeit ist namentlich gegen die Landwirthschaft in den Ln Provinzen dur die Einführung der Grundsteuer verübt worden. Auch die Schul- lasten und die Alterêversorgung bürden der ländlichen Bevölkerung in diesen Provinzen shwere Lasten auf, während die Ausnußung der Ar- beitskräfte der Industrie und den großen Städten zu Nute kommt. Auch zu den Lasten -der öffentlihen Volksschulen trägt die ländliche N runs 54 Millionen Mark bei, während fie nach threr Leistungsfähigkeit nur 22} Millionen Mark zu zahlen brauchte. Es ist daher dankbar anzuerkennen, wenn. der Staat einen Theil dieser Lasten übernommen hat. An Armenlasten trägt das platte Land 50 Millionen, während es nah seiner Leistungsfähigkeit nur 30 Millionen zu zahlen hätte. Daß eine Verschiebung des Grund- besißes dur eine so ungerehte Steuervertheilung eintreten mußte, ist niht zu verwundern. Wollte man diese Ueberbürdung kapitalisieren, fo würde dies {on in einem Zeitraum von 30 Fahren die Summe von 4400 Millionen Mark ergeben: eine Summe, die so erheblich ist, daß ih zu meiner Behauptung wohl berechtigt bin. Daß #sich dur die Ueberweisung der Grundsteuer gewisse Vortheile für die ländliche Bevölkerung im Osten ergeben haben, gebe ih zu; aber damit ift nur ein altes Unrecht wieder gut gemaht. Bei dieser Gelegenheit möchte ih jedoch bitten, daß man für den westlihen Grundbesiß diese Vor- theile niht durch kommunale Zushläge wieder aufhebt; Sie sehen daraus, daß wir auch Interesse für den Grundbesiß in anderen Landes- theilen haben. Wenn man die Landwirthschaft auf Selbsthilfe ver- weist, so kann das entweder so gemeint sein, daß der einzelne fich felbst helfen soll dann is das ebenso, als wenn ih einem im Sumpf Steckenden empfehle, sich an den Haaren herauszuziehen oder so, daß durch das Zusammenthun der besser Situierten dem einzelnen geholfen wird. Kann man aber dem einzelnen solche Hilfe zumuthen, wo die Gesammtheit eintreten müßte? Soll er seine Mittel für die Gesammtheit opfern? Das geschieht doch auch in anderen Gewerben nicht. Man fagt der Landwirthschaft Verfolgung von Sonderinteressen nah. Ja, zeigen Sie mir doch eine Position im Etat, bei welcher nicht Sonderinteressen obwalten. Die Eisenbahnen, die Kanäle ‘erfüllen Souderinteressen, und die Ab- wägung der Einzelinterefsen gegeneinander ergiebt das allgemeine Inter- esse. Auf keinem Gebiete sind so viel allgemeine Interessen in Frage, wie auf dem der Landwirthschaft. In Bezug auf die Handelsverträge stehe ich auf dem Boden des Herrn Ministers; i halte den österreichischen Ver- trag für einen Febler, defsen Konsequenzen wir tragen mußten. Wenn aber jeßt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung* sagt, daß die Ver- träge geschlossen sind, um der Industrie über eine Krisis hinwegzu- helfen, so trifft das doch nicht zu. Im Jahre 1890 exiftierten in Deutschland Aktiengesellschaften, die 5642 Millionen Kapital reprä- sentierten und durchschnittlich 10,1 9/4 Dividende vertheilten. Fn- sonderheit gab es 230 Bergbau, Hütten und Salinen hbetreibende Aktiengesellshaften mit 863 Millionen Kapital, die 12,82 9% Rein- ertrag ergaben; 187 Aktiengesellshaften für Metallarbeit und Maschinenbau mit 358 Millionen Kapital und 12,68 9/0 Rein- ertrag; 178 Aktiengesellshaften der Textilindustrie, die mit 280 Millionen Kapital betrieben wurden und 8,21 0%/% Dividende ergaben. An solche Ergebnisse haben die landwirthschaftlihen Betriebe selbst in den günstigsten Zeiten -niht berangereiht. Für 1894 veranschlagt man die Durchschnittsdividende der Aktiengesellshaften auf 6—7 9/0; also auch jeßt befindet sih die Industrie noch in keinem Nothstande. Solche Argumente darf man mithin nicht für die Handelsvertragspolitik verwenden. Dazu sind noch die Tantièmen der Verwaltungs- beamten und die Gründergewinne zu berechnen. Wenn folhe Mittel den Agrariern zu Gebote ständen, so würden sih die Gegensäße erheblich mildern. Jn dieser Beziehung möchte ich der Regierung die Aufnahme einer Stati\tik empfehlen. Zur Hebung der Landwirthschaft halte auch ih eine Steigerung der Getreidepreise für nothwendig. - Der Getreidebau ist das Rückgrat der Landwirthschaft; an feiner Rentabilität hängen alle übrigen Zweige der Landwirthschaft. Aber in der ländlihen Bevölkerung der östlichen Provinzen werden niht nur landwirthschaftlihe Interessen für den Staat vertreten, sondern diese Bevölkerung is auch in mili- tärisher Beziehung drei bis vier mal so leistungsfähig als die der Industriebezirke. Wenn wir also auf dem Wege sind, ein Industriestaat zu werden, so würde damit unsere mili- tärishe Leistungsfähigkeit um ein Viertel oder ein Drittel reduziert. Wo wollen Sie denn aber mit den vielen Arbeitern bleiben, die in der Landwirthschaft entbehrlih werden, wenn fie weiter zurückgeht? Keine einzige Industrie kann G! auh nur 100 000 Arbeiter mehr unterbringen. Ob der Antrag Kanit gegen die Verträge verstößt, werden wir prüfen müssen ; am besten mußten das doch aber die eh zwischen- denen der Vertrag abgeschlossen ist. Billigerweise konnte man vom Herrn Minister kein weitergehendes Entgegenkommen gegenüber dem Antrage erwarten. Es ift unsere Aufgabe, die «Landwirthschaft gegenüber dem Handel a Ben, ber Wr Den auptgewinn abnimmt; dazu wird der Antrag Kaniß esonders dienen. Er will eine gleitende Skala einführen, nah der das Ausland eigentlich keinen Zoll, sondern eine Abgabe zahlen soll, die die Differenz zwischen dem Auslandspreis und dem fixierten Preis (also etwa 160 Æ oder auch 140 6) ausmacht. Von einem Monopol kann dabei keine Rede fein. Ein Monopol wird bedingt durch die ang der Verwaltun an den Staat und Aufwendung eines (ne taatskapitals. Na diesem Antrage bekommt das Reih aber keinen Zentner Getreide in feinen Besiß und wendet auch kein Kapital auf. Dem Hercn Kriegs-Minister möchte ih nahelegen, der Landwirthschaft dadur zu helfen, daß er Depots in den einzelnen Provinzen errichtet, die sih ihrerseits mit den Produzenten in Ls seßen, und daß er sih dann nicht an den allgemeinen Marktpreis hält, sondern wirkli lohnende Preise zahlt. Dem Kanalbau möchte ih nit fo sehr das Woct reden, weil er den Import begünstigt. EinezBe- [werde habe ich noch gegen den Berliner Magistrat zu erheben, daß er eine nohmalige Untersuhung des geshlahteten Fleishes verlangt ; das macht den auswärtigen Produzenten die Einfuhr von geshlahtetem leisch unmöglich. Bei Gelegenheit der Zuckersteuer möchte ih dem errn Minister auch eine solhe auf Saccharin nahe legen. Zur ebung des Flahsbaus müßte etwas geschehen, das liegt im Interesse der Landwirthschaft, der Industrie und der Arbeiterbevölkerung. Man müßte den Muth haben, einen Flachszoll „einzuführen; i bin überzeugt, daß der Bedarf der Industrie dur die inländische Pro- duktion gedeckt werden kann. Der Staat könnte au dur Errichtung von Röstanla en zu Hilfe kommen. Ich komme zur Kreditfrage. Es ist richtig, daß die Landschaften in vorzügliher Weise dem Bedürfniß des Realfredits für den Großgrundbesiß gerecht werden. Daß sie das- selbe für den kleinen ländlihen Grundbesiß auf eigenes Risiko leisten, kann nicht verlangt werden; hier müßten sie aus Staatsmitteln entshädigt werden. Daß in Nothjahren von der Amortisation Abstand genommen werden foll, hat der Herr Minister ausgesprohen, und ich freue mi darüber; aber ih meine, daß, soweit kein Nothstand vorliegt, mit größerer Rigorosität auf der Amortisation bestanden werden muß, als A send der Landschaften jeßt geschieht. Ih möchte dem Herrn Minister eine weitergehende Ueberwachung der Hypothekenbanken dringend empfehlen. Einige

dieser Banken haben, angeblih im Interesse der Landwirthschaft, Konversionen eintreten lassen, aber der Grundbesiy hat davon ehe

Arbeit die uns gestellten Aufgaben zu lösen. Kann er uns aus der“

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wenig zu spüren bekommen. Wenn ich mich dagegen ausfpreden mufi, daß man die Sparkassen für den Ju Ret nußbar mat, weil ih glaube, daß dadurch die Sparkassen in: Zeiten ernster Krisen in erhebliche Nothlagen gerathen könnten, so meine ich doch, I ihre sehr bedeutenden Kapitalien dem landwirtbschaftlichen Personal=-

Einer staatlichen Zentralstelle wird man zum Ausgleich dieser Bedürf-- nisse nit entbehren fönnen, und ich glaube, es wäre zweckmäßig, hier- für die Seehandlung zu bestimmen. Der Herr Minister erwähnte das-

weisen, daß zum Schaden des Grundbesitzes zwischen den Feuerversiche- rungs-Gefellshaften Koalitionen abges&lossen werden. . follte man doch der Frage näher treten, ob niht zur Konkurrenz gegen dieVersicherungsgesell]schaften einInfstitut zu errihten wäre, das sich dieVer- sicherung zur Aufgabemachte. Die Frage der ländlichen Arbeitskräfte ist für den Osten von erhebliher Bedeutung. Ich stehe auf dem Stand- punkt, daß ich eine Einschränkung der Freizügigkeit für erforderlich halte, und zwar dahin, daß die Gemeinden das Recht erhielten, vont den Zuziehenden eine Abgabe zu erheben, und daß der Zuzug nur ge- stattet würde, wenn der Betreffende niht nur eine Wohnuna wie e& jeßt im Gesetze heißt —, fondern eine auskömmlihe Wohnung nahwiese. Eine Einshränkung folcher Art wäre um so MEIIert ter, als die Städte, wie der bekannte Berliner -Säulenanshlag beweist, anfangen, zuziehenden Arbeitern die Beschäftigung zu Wrsagen. In den ländlihen Bezirken des Ostens haben es die Arbeiter ungleih besser als in den großen Städten. Jch will keine weiteren Ausführungen darüber machen, wie si der Reallohn und auf den kommt es an in den östlichen Provinzen gegenüber den westlichen {tellt. Dort hat der ländliche Arbeiter eine Wohnung, die ihm in Berlin mindestens 300 bis 400 4A kosten würde. Allein die Milch, die er bezieht, hat nah Berliner Sen einen Werth von 200 6 Ich meine, daß der Mythe, die

rbeiterfrage sei deshalb s{chwierig, weil der Grundbesiß im Osten für die Arbeiter nicht genügend sorge, energisch ent- gegengetreten werden muß. Das Shlafstellenwesen in den großen Städten müßte eingeschränkt werden; gerade die un- verheiratheten Arbeiter finden in folchen sittlih verwahrlosten Herbergen ein nothdürftiges Unterkommen, wo sie gesundheitlich und moralisch zu Grunde icbén. Wenn man die Grundsätze, die in einzelnen Re- gierungs8bezirken, z. B. in Düsseldorf, gelten, einführen wollte, wenn man verordnen würde, daß jede Schlafstelle einen bestimmten Raum- inhalt habe, daß die Schlafburschen nicht mit den Angehörigen der Familie, namentlich des anderen Geshlechts, zusammen wohnen dürfen, so würde der Zuzug nach den großen Städten sicher nah- lassen. Die militärishe Leistungsfähigkeit der industriellen Be- völkerung ift wesentlich UTLS agung dadur verschiebt \sich die Militärlast ganz erheblich zum Nachtheil der ländlihen Gemeinden. Viel trägt dazu auch der Umstand bei, daß durch das im vorigen Jahr erlassene Reichsgeseß die Grundsäße der Aushebung vollständig verändert wurden. Zu bedauern ist ferner die stetig zu- nehmende Zusammenfassung des Militärs in großen Garnisonen; das hat zur Folge, daß die Soldaten vom platten Lande diesem vielfa entzogen werden. Denn wenn sie nah zwei Jahren entlassen werden und in ihre Heimath zurückkehren, finden sie alle Stellen beseßt. Die Militärverwaltung müßte eine Arbeitsvermittelung einrihten, wodurch es den entlassenen Soldaten ermöglicht wird, sofort auf dem Lande wieder Beschäftigung zu finden, und sie niht gezwungen werden, in den großen Städten zu bleiben. Die Militärverwaltung müßte auch nah der MNRihtung hin mehr Rücksicht auf die Landwirthschaft nehmen, daß sie in der Erntezeit Soldaten zur Verfügung stellt. Gerade im vorigen Jahr, wo die Witterungs- verhältnisse so ungünstig waren, wäre vielleiht eine bessere Ernte erzielt worden, wenn man der Landwirth\chhaft Soldaten zur Ver- fügung gestellt hätte. Es müßte eine generelle Verordnung erlassen werden, in welhem Umfang man die Soldaten zu Erntezrwecken der Landwirthschaft überlassen will. Auch die Gefangenen könnten mehr zu landwirthschaftlichen Arbeiten zugezogen werden. Das Handwerk beshwert sih mit Neht über die Konkurrenz der Gefangenen, während die Landwirthschaft sich vergebens um deren Arbeits=- kraft bemüht. So wurde von der Gefängnißverwaltung verlangt, daß die Gefangenen nur 10 Stunden beschäftigt werden dürfen, während die freien Arbeiter 15 Stunden lang arbeiten, und os sie viermal die Woche Fleis) bekommen. Außerdem wurde ein so hoher Preis ver- langt, daß man auf ihre Hilfe verzichten mußte. Um das Land zu be- vöôlkern, sollte man diejenigen Kinder, für die eine öffentlihe Fürsorge stattfindet, auf dem Lande erziehen lassen. Dadurh werden diele haltlosen Existenzen auch dem Laster ap a dem sie in den großen Städten {nell verfallen. Die Eisenbahnverwaltung möchte ih bitten, die Eisenbahnarbeiten in der Erntezeit möglichst einzushränken. Es kommt jeßt manhmal vor, daß die Leute plôöulich von der Arbeit weglaufen“ und sagen, sie bekämen von der Eisen- bahn-Verwaltung mehr Lohn. Für verständige Maßnahmen auf dem Gebiet der Agrarpolitik und der Fürsorge für die Landwirth- haft wird sih in diesem Hause eine erheblihe Majorität finden. Ich sprehe den Wunsch aus, daß es uns im Zusammenwirken mit dem Staats-Ministerium gelingen möge, der Landwirthschaft über die {were Krise hinwegzuhelfen. Wenn von der linken Seite gesagt wird, die Landwirthe könnten dur andere erseßt werden, so zeugt das von einer sehr naiven Auffassung der Ver- hältnisse. Aus welchen Elementen wollen Sie denn die Groß- grundbesißer s{hnißen? Es gehört dazu Sachkenntniß und Kapital. Wenn der Großgrundbesiß von der Bühne abtritt, dann ist man auf die Kapitalisten, die keine Sachkenntniß haben, oder auf die Ad- ministratoren angewiesen, die wieder kein Kapital besißen. Dann kommen wir zu Zuständen; wie sie in Irland herrshen. Ich möchte Deutschland dies ersparen, deshalb wünsche ih, daß es uns gelinge, mit der Staatsregierung zu einer Verständigung über die Mittel zu kommen, die in der That der Landwirthschaft zu helfen geeignet find.

a wird um 43/4 Uhr die Berathung auf Mittw o ch 11 Uhr vertagt.

Hdhe der Schneedeckcke in Zentimetern am Montag, den 28. Januar 1895, um 7 Uhr Morgens.

Mitgetheilt j vom Königlich preußishen Meteorologishen Institut. (Die Stationen sind nah Flußgebieten geordnet.)

Oestlihe Küstenflüsse. '

Memel (Dange) 17, Tilfit (Memel) 20, Insterburg (Pregel) 15,

Heilsberg (Pregel) 4, Königsberg i. Pr. (Pregel) 10. Weichsel.

Groß - Blandau (Bobr, Narew) 14, Czerwonken , (Bobr, Narew) —, Marggrabowa (Bobr, Narew) —, Klaussen (Pisa) —, Neidenburg {Wfra) 24, Osterode (Drewenz) 12, Altstadt (Drewenz) 10, Thorn 12, Koniy (Brahe) 25, Bromberg (Brabe) 14, Berent (Ferse) 20, Marienburg (Nogat) 19.

Kleine Flüsse zwishen Weichsel-und Oder. Lauenburg i. P. (Leba) 18, Köslin (Mühblenbach) 38, Schivelbein (Rega) 20. Sk er.

Leobshüg (Zinna) 1, Ratibor 7, Beuthen (Klodniß) 7, Oppeln 4, Habelschwerdt (Glatzer Neisse) 20, Brand (Glatzer Neisse) 86, Reinerz (Glaßer Neisse) 54, Glaß (Glater Neijse) —, Görbersdorf (Glaßer Neisse) —, Friedland (Glaßer Neiste) —, Weigelsdorf (Glaßzer Neiffe) 5, Rosenberg (Stober) 10, Breslau 10, Liegniy (Kaßbach) 5, Fraustadt (Landgraben) 13, Grünberg 16, Krummhübel (Bober) 2, Wang (Bober) 75, Eich- berg (Bober)- 20, reiberhau (Bober) 23, Warmbrunn (Bober) 3, Bunzlau (Bober) 9, Görlitz (Lausißer Neisse) 10, Frankfurt 16, Oftrowo

(arie 4, Posen (Warthe) r14, Tremesfen (Warth:) —, Samter (Warthe) 9, Paprotsch (Warthe) 22, Neustettin (Warthe) 2,

kredit, für den noch viel zu thun ift, zu statten fommen fönnten..

Versicherungswesen, und das giebt mir Veranlafsung, darauf hinzu-

Demgegenüber-

R aen E t A E «rine 24 a E a Ra 2E D riet G . 4 nitt) B G Mt E dd E « tee rep S E S

Et Z E E L R e Ep d L E Dn a0 ch A L E L M E i es L s Fen ici is Fre E Gai 2h He Ep itir EL ai A E E A A ad Ee v Bij S

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