1895 / 28 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 31 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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frei. Die Ausdruck2weise war in den Balladen besser als in den Liedern; auch is dem Sänger anzurathen, auf die Ausgleichung des Falsetis mit den Töônen der Bruststimme noch mehr zu achten. Das nicht eben zahlreich erschienene Publikum spendete wobhlverdiente Bei- fallsbezeugungen. : L i È Die Konzertsängerin Rosa D Es ließ sih gestern im Saal der Sing - Akademie zum zweiten Mal hören. Sie hatte diesmal Gesänge von Marcello, Bach, Pergolese, Beethoven, Schubert, Saint- Saëns, Brahms, Rubinstein und anderen auterwählt, in denen ibre flangvolle und umfangreiche Stimme sowie ihre ver- ständnißvolle- Vortragsweise gut zur Geltung kamen. Am besten ge- langen der sehr begabten Künstlerin u. a. die Arie aus „Samson und Delila“ von Saint-Saëns, „Es blinkt der Thau“ von Nubinstein und Little Dorry von A. Seppilli, welches leßtere da cap0 verlangt und gewährt wurde. Sgchuberi's „Erlkönig" gelang ihr weniger. Lebhafter Beifall folgte allen ihren Vorträgen. Herr Hugo Scch{lemüller aus Leipzig unterstüßte das Konzert durch einige Cellosoli, unter denen er ein felbst komponiertes Wiegenlied auf Wunfh wiederholte. Auch er fand viele Anerkennung.

Im Königlihen Opernhause gelangt morgen Auber's „Fra Diavolo“, Text von Scribe, neu einstudiert unter Kapellmeister Weingartner's Leitung, zur Aufführung. Die Beseßung is folgende: Fra Diavolo: E Philipp, Lord Cookburn: Herr Schmidt, Pamela : räulein Rotbauser, Lorenzo: Herr Sommer, Zerline: Frau Herzog, Matteo : Herr Krasa, Banditen: Herren Krolop, Liban. In Scene geseßt ist die Oper vom- Ober-Regisseur Teßlaff; die dekorative Einrichtung hat der Ober-Inspektor Brandt besorgt. Die neuen Dekorationen find in dem Atelier von Wagner und Bukacz hergestellt.

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Karl Niemann's „Wie die Alten fungen“ gegeben. Frau von Jage- mann - Baumeister vom Königlichen Theater in Hannover

gastiert darin als Hanne. Jn dem Lustspiel „Zum wohl- thätigen Zweck“ von Schönthan-Kadelburg, welhes am Sonnabend zum ersten Mal in Scene geht, sind die Damen Schramm, von May- burg und die Herren Keßler, Klein, Vollmer, Blencke in den Haupt- rollen beschäftigt. «

Am Sonntag wird im Lessing - Theater das neue, „Thielemanns* betitelte Lustspiel von Hans Olden zur ersten Auf- führung kommen. Die im Mittelpunkt der Handlung stehende Rolle der Frau Thielemann wird von Marie Meyer dargestellt werden. Franz Guthery, der das Werk auch in Scene seßt, Marie Reisen-

ofer, Tilly Waldegg, Carl Waldow und Oskar Sauer geben die übrigen Hauptrollen des Stücks.

Der für morgen angekündigte Klavierabend des Fräulein Rosa von Sudarska fkann infolge eingetretener Hinder- nisse nicht stattfinden. Bereits gelöste Karten werden bei Bote u. Bock, Leipzigerstraße 837, zurückgenommen. Für das am 4. Februar im Saal Bechstein stattfindende Kon- zert des Cellovirtuosen Heinrich Kiefer haben die Pianisten Herren Eduard Behm und Georg Buddéus ihre Mitwirkung zugesagt.

Mannigfaltiges.

Troßdem wiederholt vor den vonSpanien ausgehenden, unter dem Namen entierros bekannten Schwindeleien nahdrücklich gewarnt worden ist, sind auch in leßter Zeit wieder leihtgläubige Leute diesem so offenjichtlihen Betruge um Opfer gefallen, indem fie auf den Brief eines unbekannten terfassers hin, der angiebt, sih in bedrängter Lage zu befinden und zur Hebung eines vergrabenen Schaßes gegen einen ent- sprechenden Antheil daran um einen Vorschuß bittet, wirklich Geld nah Spanien gesandt haben. Es ijt vorgekommen, daß derartige Werthbriefe dort ihres Jnhalts beraubt, wieder ver- \hlossen und dann als unbestellbar an den Absender zurück- gesandt worden sind.

Der gegenwärtig ausliegende, in Ein- und Ausgabe mit

91 739 025 Æ schließende Haus halts-Etat der Stadt Berlin für das Verwaltungsjahr 1895/96 umfaßt nur die zum engeren Stadt- aushalt gehörigen Verwaltung8zweige; die städtisHen Werke sind

darin nur soweit einbegriffen, als Üebershüsse aus Denselben dem Stadthaushalt zu gute kommen oder Zuschüsse dem Stadthaushalt zur Last fallen. Rechnet man die Einnahmen und Ausgaben der Werke, welche mit 52 176 166 Æ balancieren, den Einnahmen und Ausgaben

des engeern Stadthaushalts hinzu, fo schließt der Stadthaushalis-Etat

von lin für erwaltungsjahr 1895/96 in Ginnahme und Aus- gabe mit 143 915 191 A ab.

_ Die gemischte städtishe Deputation zur Auswahl einer Trace für eine elektrishe Shwebebahn (Langen'shes System) hielt am Mittwoch unter Vorsiß des Ober-Bürgermeisters Zelle eine mehrftündige Sitzung ab, in welher indessen die Berathungen nit beendet wurden ; vielmèhr sindédieselben abgebrochen und beschlossen worden, zu einer demnächst in dieser E anzuberaumenden Sitzung den Geheimen Kommerzien-Rath Langen in Köln ein- zuladen, um einige noch offenstehende Fragen zu beantworten.

Breslau, 30. Januar. Die „Shlesishe Zeitung" schreibt : Nah Mittheilungen Reisender rannte der Berlin - Wiener Schnellzug, welcher um 4 Uhr 54 Minuten in Berlin eintrifft, auf ósterreihishem Gebiet in einen auf offener Strecke liegenden Güterzug. Die vier leßten Wagen des Güterzugs wurden zertrümmert, die Maschine des Stnellzugs wurde erheblich beshädigt. Der Durchgangs- wagen Wien-Berlin konnte die Fahrt fortseßen. Dem Schaffner des Sélußwagens des Güterzuges wurden beide Beine abgefahren; der- selbe starb unter den Händen eines im Zuge befindlichen Breslauer Arztes. Der Lokomotivführer und der Heizer des Schnellzugs retteten sich durch Abspringen.

Bremen, 31. Januar. Ein sch{weresUnglück zur See wird aus Lowestoft gemeldet: Der Pafsagierdampfer „El be“ des Nord- deutshen Lloyd, der am 29. Januar von Bremerhaven abgegangen war, ist infolge eines Zusammenstoßes - mit dem englishen Dampfer „Crathie“, der von Rotterdam nah Aberdeen ging, gestern Morgen zwishen 5 und 6 Uhr untergegangen und soweit bis jeßt zu über- sehen ist, haben weit über 200 Personen den Tod in den Wellen gefunden. Nah den vorliegenden Telegrammen des „W. T. B.* erfolgte der Zusammenstoß der Schiffe 47 englische Meilen südwestlich von Haak's Leuchtschiff oder, wie aus Maas}fluis nach den Angaben der Bemannung des „Crathie*" ‘gemeldet wird, 30 Meilen von Hoek van Holland. Es war fehr dunkel, aber flare Luft. An Bord war alles zu Bett. Der Stoß war farchtbar; er {lug tief mitten in den Maschinenraum; sofort überfluthete das Wasser das Hintertheil der „Elbe“. Kein einziger Passagier der ersten Kajüte und nur fünf Passagiere der zweiten Kajüte wurden ge- rettet. Dem Stoß folgte eine große, \hreckliche Verwirrung. Alles eilte nah den Booten. Der gerettete Pafsagier A. Hofmann theilt mit : Es warden zwei Boote herabgelafsen, «ven denen eines fogleih unterging ; von den Passagieren in diesem Boot wurde nur Frau Anna Boecker in cin anderes Boot gerettet. Nach 29 Minuten, während sich Frauen und Kinder in den Booten einschifften, ging die „Elbe“ plößlich unter. Das Rettungsboot mit den 20 Geretteten wurde während ß Stunden hin und hergetrieben und endlich von dem Fischerboot „Wildflower“ an Land gebrahi. Der Dampfer „Crathie“ is ein fleiner Kohlendampfer von 479 Tonnen; “er ist vorn stark beschädigt, leckt aber niht; er begiebt sich morgen zur Reparatur nah Rotterdam. An Bord der „Elbe“ befanden ih, dem „W. T. B. zufolge, nachstehende Kajütépafsagiere: die Herren Friß Appel-München, Hugo Becker- Chemnitz, Regisseur A. Baumann-Berlin, Henry Castle: Honolulu, Dr. Dittrih-Domingo, Furrer-Guatemala, Frank-Amerika, Jake e A Anton Pee Bang, Gerlicher-Winona, Ernst

eeren-New- York, Carl A. Hofmann-Grand Jsland, Adolf Jslaub- New-York, Peter Komierski-Amerika, Kurt Kleinshmidt-Helena Mont, A. E. Lock@art-New-York, Ernst Maseberg-Louisiana, Carl Nußbaum- Berlin, Peter Pomierski - Kazaniz, Eugen Rhodes - Washington, Julius Rosenbaum-Amerika, Walther Schüll-Düren, Eugen Schlegel- Fürth, Simon Schweigter-Berlin, August Sander-Cfsen, Louis Thewett- Mien, J. B. Vinke - St. Charles, Jan Vevera - Böhmen, Charles Wir - New-York ; die u Frau Andrew Brierbah-Amsterdam, Frau M. C. Conners-South Dacota, Dowtby Castle - Honolulu, Srank-Améètita, Anna Hofmann nebst Sohn - Grand Island, Haupt-

mannsfrau Klipfel - Brandenburg, Louise Kühn - New-York, Lillie -

Nattier Kraane-Amsterdam nebs Sohn, Sophie Nhodes-Washbington, Hermine Sander - Falmouth, Emma Swlegel - Fürtb, Clara Wein- gärtner-Fechingen; für Southampton waren folgende Passagiere ein- geschrieben : Frau Barxendahl nebst Sohn, Fräulein Anna Böder, Frau Helene Lorenz nebst Sohn, Fräulein BUEs Wernaer. Außerdem waren 138 Zwischendeckspafsagiere an Bord: au ein deutsch-ameri- fanishes Seepostamt befand sich auf dem Schiff. Die Besaßung der

s ® A s Elbe“ betrug etwa 165 Mann; erster Piper Mlaman, zweiter llmers, dritter Stollberg, vierter Buhr, Arzt Dr. Gehbrels, erfter aschinist Neußel, zweiter Budelmann, dritte Maschinisten Stebje und Albig, vierte Maschinisten Lots, Kriete und Wille, Zahlmeister MWefer, Zahlmeister - Assistent Schlutius, die Ober - Stewards Pschunder und Bundtzen. Laut einer Depesche aus Lo- westoft von gestern Abend 10 Uhr sind gerettet: die Zet enpafsagiere Karl A. Hofmann FBHOO Island), Jan Vevera (Böhmen), Eugen Schlegel (Fürth), Anna Boecker (Bremen) ; der Ed Dato ier Bothen; der Weser-Lootse de Harde und der englische Lootse Robert Greenham; der dritte Offizier Stollberg, erster Maschinist Neußel, Zahlmeister Wefer und Zahlmeister-Assistent Shlutius. Von der Mann- haft sind gerettet : Linfkmeyer, Sittig, Fürst, Noebe, Wennig, Finger, Sibert, Drefow, Battke. Der gerettete dritte Offizier Stollberg sagt aus: „Die „Elbe“ wurde in der Backbordseite in der Nähe des Postraums getroffen und sank nach zwanzig Minuten bei stürmishem Wetter. Die Wacht und der Ausguck befanden fich in bester Ordnung. Ich hoffe, daß die Insassen eines zweiten Boots, welches herabgelafsen wurde, gerettet wurden, da verschiedene Fischer- fahrzeuge und ein Dampfer in der Nähe waren. Bei guter Disziplin wurde alles gethan, um Menschenleben zu retten“. Ferner wird berichtet, es fei wahrscheinli, daß drei Boote von dem verunglückten Dampfer ins Wasser gelassen wurden; von dem dritten sei aber bi8her keine Nachricht eingegangen. Ueber das untergegangene Schiff selbst endlich wird gemeldet: Die „Elbe“ war der erste Schnell- dampfer des „Neorddeutschen Lloyd“ und wurde im Jahre 1881 auf der Werft von John Elder ú. Co. in Glasgow erbaut. Die Länge des Schiffs betrug 128 m, die Breite 133 m und die Tiefe 103 m. Die Geschwindigkeit des Dampfers belief sich auf 16 Knoten in See bei einer Maximalleistung von 5000 indizierten Pferdekräften. Das Schiff, welches 1130 Passagiere fassen konnte, war ausgerüstet mit einer dreizylindrigen. Compoundmaschine. Die Besaßung bestand bei vollbeseßten Kajüten aus 168 Personen, während K der Kohlen- verbrauh in 24 Stunden auf etwa 115 Tonnen belief.

Wie dem „W. T. B.“ ferner gemeldet wird, - haben Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin der Direktion des „Norddeutschen Lloyd“ das nachfolgende Beileids-Telegramm zugehen lassen: „Seine Majestät der Kaiser und Ihre Majestät die Kaiserin find durch das shrecklihe Unglück, das die „Elbe“ betroffen, aufs tiefste ershüttert und fprechen Allerböä\tihr wärmstes Mitgefübl und ap anes Beileid aus. I. A. A.: von Scholl, Flügel-Adjutant vom Dienst.“ :

Lübeck, 30. Januar. „W. T. B.*® meldet: Seit heute Abend 8 Uhr herrscht hier bei starkem Nordostwind große Ueberschwemmung der niedrig gelegenen Stadttheile. Die Bewohner fliehen aus ihren Behausungen, die Kaufleute bergen mit zahlreichen Arbeitskräften die in den Hafenspeichern lagernden Waaren. Allstündlih ertönen War- nungs\{üfe. An der Ostseeküste sind dur die Eispackung viele Ver- wüstungen angerichtet.

Wien, 30. Januar. Das Comité zur Unterstüßung und Förderung der von Payer geplanten Nordpol-Expedition erläßt einen Aufruf, welcher die Bedeutung des Unternehmens für die Wissenschaft und die Kunst betont und zur Förderung und Unter- stüßung des unter dem Schuße des Kaisers stehenden Unternehmens zum Ruhm des Vaterlandes auffordert.

i Aus Toulon, Marseille, Per- pignan, Bayonne und San Sebastian wird starker Schneefall gemeldet. In Tunis sind die Straßen mit Eis bededt: fast im ganzen Lande liegt Schnee.

Paris, 30. Januar.

__St. Petersburg, 30. Januar. (W.T.B.) Vier Dampfer, die von hier ausgelaufen waren, find 20 km von Reval entfernt im Treibeis stecken geblieben, hoffen aber bei dem erften günftigen Wind wieder freizukommen.

Rom, 30. Januar. In der leßten Naht scheiterten im Hafen von Licata drei fleine italienische Fahrzeuge und das russishe Schiff „Selonia“ mit insgesammt 16 Personen infolge Unwetters. Sämmtliche Personen wurden gerettet.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

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31. Januar,

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Auch in Südfrankreih und Oesterrei - Ungarn | Epstein. berrs{t ziemlich strenge Kälte. Fortdauer der falten | Anfang 74 Uhr. Witterung wahrscheinli.

Deutsche Seewarte.

Temperatur in ® Celfius 59G, =49N

Stationen. etter.

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Belmullet . . O 2 heiter Aberdeen . . | 779 3\wolkig Christiansund | 784 beiter Kopenhagen . | 771 Schnee Stodckholm . | 780 bedeckt aranda L ill/heiter DRtauU l 182 bededt

Cork, Queens- Own «l C4 3\wolkig Cherbourg . | 767 halb bed. elder... | 766 |DNOD E O9 edi |—- Dura... | 108 | 5/halb bed. [ck winemünde | 770 |O 3 halb bed. 1)|— Neufahrwasser] T1 ¡SO Dunst |— Memel ... |_ 773 |O bene E «} O8 R 3\bedett |— ünster. . . | 763 |ONO Karlsruhe . . | 762" |O 9 woltenl.2) |—16 Wiesbaden . | 762 |OD wolfenln#s |--10 München . |- 758 |SO Schnee?) |—15 Chemniß . . | 765 |NO Z3/bededt |—12 Merlin... | 767 [O 3bedeck ©) |¡— 8 Met 02 [I bededt [— 8 Breslau . .. | 766 |NO 1!bedeckt [— 9 Sle d'Aix .. | 7688 |ONO Sa 1 004 2D

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Dirigent : 74 Uhr.

Anfang 7F Uhr.

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E R E R A dla S E A E E E A R A 0 Theater-Auzeigen.

Königliche Schauspiele. haus. 29. Vorstellung. Diavolo. Komische Oper in 3 Akten von Auber. Text von Eugène Scribe, bearbeitet von Carl Blum. | kontrakt. In Scene gesezt vom Ober-Regisseur Teßlaff. Dekorative Einrichtung vom Ober-Inspektor Brandt. Kapellmeister

Schauspielhaus. | sungen. Lusispiel in 4 Aufzügen von Karl Nie- mann. In Scene geseßt vom Grube. Anfang 7F Uhr.

Schauspielhaus. _erste 5 j Male: Zum wohlthätigen Zweck. Lustspiel in Ausstattung: Der Probekuß. woltenloa (— 9 {4 Aufzügen von Franz von Shönthan und Gustav | von Qugo Wittmann und Julius Bauer. Musik Kadelburg. Anfang 7# Uhr. von

Sonnabend: Die Weber. M L Sonntag, 2} Uhr: Die Weber. Uhr: 4‘halb bes. |— 3 .| Weh dem, der lügt!

Residenz - Theater.

Freitag:

Neues Theater.

Weingartner. Anfang reitag: Das liebe Geld.

31. Vorstellung. Wie die Alteu | Sonnabend: Das liebe Geld.

olfgang L Tert von Lorenzo Daponte.

32. Vorstellung. Zum ersten | Direktion: Julius Fritsche.

Sonnabend: Der Probekufß.

Bentral-Theater. Direktion: Richard Schulß. Thomas a. G. Anna Bâckers. E um 151. Male:

Dirigent: Herr Kapellmeister Baldreich.

Sonnabend: Der Obersteiger.

Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. nand’s Ehekontrakït. (Fil à la patte.) Schwank Opern- | in 3 Akten von Georges Fevydeau, in deutsher Be- | Lavater Le in ibren wirkungsvollsten Entrées. Neu einstudiert: Fra | arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7F Uhr.

Sonnabend und folgende Tage: Fernaud’s Ehe- | Nillaud.

4 Akten von Elsa von Schabelski. Anfang 7#§ Uhr.

; Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: nnal! ber-Regifseur Max | Barnhelm. Abends 72 Uhr: Das liebe Geld. | von Kaisers Geburtstag. Gala - Fest - Akt. Auf, L In Vorbereitung: Liebe von Heute. Schau- | auf zur fröhlicheu Jagd.

Sonnabend: Opernhaus. 30. Vorstellung. Don | spiel in 4 Akten von Robert Misch.

Juan. Oper in 2 Akten mit Tanz von L E

A 8 Mozart. radelt otar Theater Unter den Linden. Behrenftr. 55/57.

reitag: Mit neuer perette in 3 Akten

Frißshe. Dirigent : Herr Kapellmeister Federmann. Deutsches Theater. Freitag (20. Abonne- | ierauf: Tauz-Divertifsement. Anfang Uhr. ments-Vorstellung) : Weh dem, der lügt! Anfang

Alte Jakobstraße Nr. 30.

O, diese Berliner! Große und Tanz in 6 Bildern (nah

Saal Bechstein. Linfstraße 42. Freitag, An- (a7 Ubr: Klavier-Abend von Rosa v. Su- arêfa.

: Birkus Renz (Karlsiraße). Freitag: Große Freitag: Fer- Komiker-Vorstellung. Humor! Wiß! Laune! Auf- treten sämmtliher Clowns und des August Mr.

Großer Ringkampf zwis{en den Clowns Gebtüder Bislav Außerdem: Auftreten sämmtliher Spe- zialitäten, Damen und Herren, Vorführen und Reiten der bestdressierten Freiheits-, Spring- und

Séiffbauerdamm 43./5- | Schulpferde. Zum Schluß der Vorftellung: Tjo

Schauspiel: in | Ni En. Sensationelle Tänze, u. a. Vriginal, le grelots vivants, jeu des barbichons 2c. Original! Neue Musik-Einlagen. Anfang 7# Uhr.

Miuna vou Sonnabend: 3. Wiederholung der Parade-Borftellun

Sonntag: Zwei Vorstellungen. Nachmittags 4 Uhr (ermäßigte Preise): Die lustigen Heidelberger. Abends 74 Uhr: Tjo Ni En.

E R E L A E R E S L E B LLEs SAPCIEAELR Familien-Nachrichten.

arl Millöcker. In Scene geseßt von Julius | Verlobt: Gräfin Emmy Hahn mit Herrn Hans

von Burgsdorff-Markendorf (Schl. Kuchelmiß in Meckl.). Frl. Elly Poensgen mit Hrn. Negie- rungs-Affsessor Paul Daubenspeck (Düsseldorf). Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem.-Lieut. Leo von Gottberg (Hannover). Hrn. Prem.-Lieut. itag: Emil | 22M Conta (Kiel). Ls o Dra Gestorben: Fr. Gräfin Marie Charlotte zu Lvynar- ofefine Dora. | Lübbenau, geb. von der Marwitz, aus dem Hause Friedersdorf (Haus Meinbeim, Bielefeld).

Stiel... 757 |ONO beo |— 3

1) Abends Schneetreiben. 2?) Bis 6 Uhr Abends Schnee. 3) Nachts Schnee. 4) Nahm. Schneefall. Uebersicht der Witterung.

Die Luftdruvertheilung hat fich im allgemeinen wenig geändert. Das barometrische Maximum hat sich ohne Aenderung der Höhe nordostwärts nach

inland verlegt, während das Minimum an der

dria ih etwas verflaht hat. Das Wetter im Nord- und Ostseegebiete ift ruhiger geworden, nur am Kanal sowie am Skagerack dauern die stürmischen Nordostwinde noch fort. Bei meist schwacen, vorwiegend östlihen und nordöstlichen Winden ift das Wetter in Deutschland kälter, im Osten trübe, an der Küste liegt die Temperatur 4 bis 8, im Binnenlande 72 bis 184 Grad unter dem Gefrierpunkte. Am Fältesten ist es im südwestlihen Deutschland.

Berliner Theater. Freitag (21. Abonnements- | Posse mit Gesan Borstellung): Marieuburg. Anfang Uhr.

Sonnabend: Madame Sans-Gêne.

Sonntag, 24 Uhr: Madame Sans-Gêue. 74 Uhr: Marienburg.

Lessing-Theater. Freitag: Niobe. Unter vier gen, Anfang 7# Uhr.

Sonnabend: Zwei Wappen.

Sonntag: Zum ersten Male: Thiclemanus, Lustspiel in 4 Akten von Hans Olden.

Friedrich - Wilhelmstädtisches Theater. (I haufseestraße 25/26.

reitag: Der Bettelstudent. Operette in

3 Aften von F. Zell und Richard Genée. Musik

von Carl Millöcker. Regie: Herr Ober-Regisseur

Salingré’s „Reise dur Berlin“) von Julius Fran. Musik von Julius Einödshofer. Anfang r

Sonnabend: O, diese Berliner! Adolph Ernst-Theater. Freitag: Auftreten

der ersten Pirouette- und Courbette-Tänzerin Eng- lands Miß Rose Batchelor vom Prince of Wales- 7e U in London. Ein fideles Corps. Anfang A Sonnabend: Dieselbe Vorftellung.

Konzerte.

Konzert-Haus. Freitag: Karl Meyder- Konzert. Operctten- nud Walzer-Abend.

Berw. Fr. Hauptmann Anna Herwarth von Bitten- feld, geb. Franke (Berlin). Hr. Pastor em. L. G. Tomfohrde (Benthe). Hr. Amtégerichté- Rath Richard Freßdorff (Berlin).

Verantwortlicher Redakteur:

J. V.: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Sch olz) in Berlín. Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags- Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Sieben Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage),

und die Amtliche Gewinulifte der Negens- burger Domfreiheits-Lotterie, |

M 28,

: Deutscher Reichstag. 26. Sißung vom Mittwoch, 30. Fanuar.

Auf der Tagesordnung steht der von den Abgg. Auer u. Gen. (Soz) ugen te Geseßentwurf wegen Auf- hebung der dem Statthalter in S O Ringen übertragenen außerordentlichen Gewalten zur ersten Berathung, und in Verbindung damit zugleich der von den Abgg. Colbus u. Gen. (Els.-Lothr. u. Zentr.) eingebrachte A A wegen Abänderung des Gesetzes, be- treffend die Verfassung und die Verwaltung Elsa ß- Lothringens, vom 4. Juli 1879. Das Wort hat zunächst der Abg. Bebel (Soz.). Ueber den Anfang seiner Rede is bereits gestern kurz berichtet worden. Des Zusammenhangs wegen geben wir nachstehend den Jnhalt der Rede noch einmal vollständig wieder. Abg. Bebel (Soz.): Seit der Eroberung Elsaß-Lothringens sind 25 Jahre verflossen. Damals feierte man die „wiedergewonnenen Brüder“ in lauten Dithyramben. Gleich naher aber {uf man den Diktaturparagraphen für Elsaß-Lothringen. Der Fürst.Bismarck und andere, so der Abg. von Kardorff , gaben freilich der Hoffnung Ausdruck, daß die Ausnahmebestimmungen nur kurze Zeit in Kraft bleiben würden, und daß es bald: gelingen werde, Elsafß- Lothringen als vollberechtigtes Glied dem Deutschen Reich einzu- verleiben. Troßdem besteht der Ausnahmezustand fort, der dem Statthalter größere Befugnisse ertheilt, als sie sonst irgendwie erxistieren. Wie weit diese Befugnisse gehen, läßt sih aus dem § 2 des Geseßzes vom 4. Juli 1879 ersehen, der dem Statthalter die Befugniß ertheilt, im Falle der Gefahr für die öffentlihe Sicherheit alle Maßregeln zu treffen, die er für angezeigt erachtete. Dabei ist ihm die Unterstüßung der in Elsaß-Lothringen garnifonierenden Truppen gesichert. Das ganze soziale und wirthschaft iche Dafein der Bevölkerung ist dem Statthalter überantwortet. Der leßte Polizift in Elsaß-Lothringen hat größere Rechte als ein hoher Regierungsbeamter bei uns. Ein folher Zustand muß deprimierend auf die ganze Bevölkerung wirken, und es ist der Regjerung ganz unmögli gemacht, die wahre Stimmung im Lande kennen zu lernen. Elsaß-Lothringen wird heute noch behandelt wie ein erobertes Land. Dazu kommt, daß 2/10 der Geseße und Verordnungen, die in Elsaß-Lothringen zu Recht bestehen, aus den verschiedensten Zeiten der französischen ergangenheit datieren. In Frankreich hat die Republik mit diesen Geseßen und Berordnungen aufgeräumt, in Elsaß-Lothringen werden sie von deutschen Beamten in einer Weise angewandt, wie es in den gefährlichsten Mis in Frankreih nicht der Fall war. Es ist die hôchste eit, diesen unglaublihen Zündstoff zu beseitigen. Die Unterdrückung der Presse wird in Elsaß-Lothringen svstematish betrieben. 1881 hat man die Presse für Elsaß-Lothringen verboten ; 1882 das Volksblatt ; 1883 wurde die Gründung eines Blattes in Met untersagt, 1884 wurde die Katholishe Union unterdrückt, und die Gründung von zwei neuen Zeitungen dur eine einfahe Verordnung verhindert. Und dann die Ausweisungsbefugniß! Nicht nur Elsaß-Lothringer werden aus- gewiesen, die für Frankreich agitiert haben, sondern au Altdeutsche, die irgendwie bedenflich gefunden werden. Im Jahre 1884 genügte es, daf: zwei Freunde aus Elsaß-Lothringen mit mir in Offenburg in Baden spazieren gingen, um ihre Ausweisung zu bewirken. Der Presse gegenüber hat die Verwaltung in Elsaß-Lothringen die weit- gehendsten Vollmachten. Nah einem Dekret vom 13. Februar 1852 muß jede Tageszeitung eine Kaution von 20000 Æ leisten, jedes Wochenblatt eíne solche von 10000 A Dann bestehen befondere Vorschriften für die Ertheilung einer Konzession zum Be- triebe einer Buchdruckerei. Es existieren Gefängnißstrafen und Geldstrafen für Preßvergehen in einer Höhe, wie wir fie gar nicht kennen. Dabei darf keine Zeitung über Preßprozesse berihten. Das Vereinsrecht wird dur die Behörden illuforisch gemacht. Ich er- innere nur an den Fall Feihter. Der Beamte, der den Verein Fedelta aufgelöst hatte, wurde zwar mit Pension verabschiedet, aber der Verein wurde niht wieder erlaubt. Die Versammlungen werden außerordentlih beshränkt, und das Konzessiontwesen bezüglih der Schankwirthschaften wird in einer Weise gehandhabt, daß es häufig zum wirthschaftlihen Ruin der Betroffenen führt. Die Voll- machten des Statthalters gehen auch dahin, daß er die Bürgermeister, einen Theil der Geistlichkeit und die Lehrer ernennt Tkurzum, in jeder Beziehung is ein Zustand in Elsaß-Lothringen vorhanden, der eines Kulturstaates unwürdig is. Wie haben einstmals liberale deutshe Blätter über die Unterdrückungsmaßregeln in Savoyen und Nizza, in Venetien, in Schleswig-Holstein sih empört ! Heute kann man, davon bin ich überzeugt, dieselben Zustände in Elsaß-Lothringen finden. Die Herren am Negierungstisch bestreiten das, aber es ist do so. Und das beweist, wie tief der öffentlihe Geist in Deutsch- land gesunken ist. Wir werden unsern Antrag, wenn“ er abgelehnt wird, wieder einbringen. Wenn Sie die Elfaß-Lothringer zu deutschen Brüdern machen wollen, wie Sie fie ja nennen, fo heben Sie die

Ausnahmegesetze auf.

Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe.

Meine Herren ! Der Herr Vorredner hat in lebendiger Weife die tyrannishen Zustände, unter denen Elsaß-Lothringen s{chmachtet, dargelegt, sodaß ich mich wirklich fragen mußte, ob ih, der ih neun Jahre an der Spiße der dortigen Regierung gestanden habe, ein Tyrann gewesen bin. Auf die einzelnen Thatsachen will ich nicht eingehen. Der Herr Staatssekretär von Elsaß-Lothringen wird dem Vorredner auf die Einzelheiten seiner Rede antworten. Ich be- \hränke mich auf einige allgemeine Bemerkungen.

Das Gesey vom 30. Dezember 1871, welhes dem Ober- Präsidenten, beziehungsweise dem Statthalter, die ausgedehntesten Befugnisse beilegte, wurde zu einer Zeit gegeben, wo unmittelbar nah der Einverleibung Elsaß-Lothringens in Deutschland in manchen Kreisen noch eine gewisse Mißstimmung über die Abtrennung von Frankreich herrschte. Man glaubte deshalb ih zu der Annahme be- rechtigt, daß Ausschreitungen stattfinden könnten, und hielt Sicherheits- Damals konnte man sagen, daß die Maß- regeln gegen die Bewohner von Elsaß-Lothringen gerichtet waren beute ist dies anders, heute hat der sogenannte Diktaturparagraph nur noch eine theoretishe Bedeutung. (Heiterkeit links.) In der ganzen Zeit, in der ih in Elsaß-Lothringen war, is er nur zweimal angewendet. Die Verhältnisse haben sih geändert ; Elsaß-Lothringen hat sih daran gewöhnt, den dur den Frankfurter Frieden geschaffenen Zustand für einen dauernden anzusehen. Sehr viele Elsaß- Lothringer sind von Herzen gute Deutsche, alle find arbeit- same, ruhige Leute und, wie seinerzeit der Abg. Kablé sagte, eine Geseg und Religion chrende Bevölkerung. Troßdem halte ih es niht für räthlich, den sogenannten Difktaturparagraphen aufzuheben. Die Regierung von Elsaß-Lothringen bedarf einer ge- wissen Sicherheit niht gegenüber der Bevölkerung, sondern gegen-

maßregeln für nöthig.

“4A | : Ersie Beilage | | zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

1895.

Berlin, Donnerstag, den 31. Januar

über auswärtigen Agitationen. (Sehr richtig! rechts.) Jch weiß wohl und erkenne es rüdckhaltlos an, daß die französishe Regierung zu allen Zeiten in ihren Beziehungen zu Deutschland in der forrektesten und loyalsten Weise verfahren ist; das hindert aber niht, daß es. in Frank- reih zahlreihe Menschen giebt, die sich niht von dem Gedanken einer Wiedergewinnung der verlorenen Provinzen trennen können, und die alles anwenden, um ihre Anschauungen in Frankreich und in Elfaß- Lothringen zur Geltung zu bringen. Wenn Sie-annehmen, daß. diese französischen Agitationen au} nach Elsaß-Lothringen hinübergetragen werden können, so werden Sie auch zugeben, daß Bewohner des Landes von Agitatoren zu unbefonnenen Schritten verführt werden können. Gegen diefe Verführung bildet das Geseß vom 30. Dezember 1871 eine wirffame Warnungstafel. Und wenn das Gesey auch gar keine anderen Folgen hätte, als Unbesonnene vor Landesverrath zu bewahren und vor der darauf stehenden Zuchthausftrafe, so wäre es gerechtfertigt.

Ich gebe den Herren Antragstellern zu, daß der Diktaturparagraph für dié Bevölkerung von Elsaß-Lothringen peinlich ist. Ich wünsche au von ganzem Herzen, daß Elsaß-Lothringen den übrigen deutschen Staaten gleichgestellt werde, daß es gleiche Rechte habe, wie es gleide Pflichten hat. Diese Gleichstellung kann aber erft dann erfolgen, wenn die Verhältnisse sich soweit geklärt haben, daß wir vor fremden Einwirkungen sicher gestellt sind. Bis dahin müfsen wir das Geseß behalten, und ich rathe deshalb, den Antrag abzulehnen. (Beifall rets.)

Nba. G uerber (b. k. F.): Vor 24 Jahren stellten wir zum ersten Male den Antrag auf Aufhebung des Diktaturparagraphen, jeßt ist unser Antrag mit in das neue Haus herübergekommen, und unsere ewig junge Diktatur wird auch wohl dieses Reichstagshaus überdauern; sie sheint nit eine Maßregel, sondern eine Institution für unbegrenzte Zeiten zu sein. Der Reichskanzler sagt: wir brauchen den Diktaturparagraphen, aber wir gebrauchen ihn niht. Das ift doch ein Widerspruch; aber es ist auch beides niht rihtig Man hat von dem Paragraphen Gebrau gemacht Mes eien Geistlichen, der eine fatholishe Schule aus eigenen Mitteln unterhalten wollte.

Man hat den ann auêgewiesen. Die Zustände in Elsaß-

Lothringen gleihen denjenigen in der Türkei, wo der Sultan jeden verbannen fann, der der Polizei \taatsgefährlih s{eint. Man Poffte in Elsaß-Lothringen, als der Statthalter nah Berlin übersiedelte, nun werde das Land vom Diktaturparagraphen befreit werden. Nun muß ich fragen: Wann wird denn der Messias einmal kommen, auf den wir schon seit 24 Jahren warten? Der Reichskanzler weist auf die Agitationen aus Frankreih hin; aber die machen uns nicht warm, nit falt, wenn Sie uns im Lande zufrieden stellen. Auch dieser Grund if nur ein Scheingrund.

O im Ministerium für Elsaß - Lothringen von Púttkamer:

Meine Herren! Nachdem der Herr Reichskanzler zu den vor- liegenden Anträgen Stellung genommen, nachdem derselbe dar- gelegt bat, in welhen Fällen unter seiner Statthaltershaft in Elsaß- Lothringen das Geseß vom Jahre 1871 zur Anwendung gekommen ist, und Ihnen das Nähere auseinandergeseßt hat, daß niht besondere Zustände in diesem Lande, niht die Lage der Beölkerung, nit die Unzufriedenheit der Stimmung, sondern lediglich Einwirkungen von außen der Grund seien, weshalb die Regierung zur Zeit noch an der weiteren Geltung dieser außerordentlichen Gewalten festhalten müsse, kann ih mich darauf beschränken, im wesentlihen nur eine Nachlese aus den Aeußerungen der beiden Herren Vorredner, die zur Begründung der Anträge gesprochen haben, zu halten.

Meine Herren, der Herr Abg. Guerber is nur in den allerleßten Sägen, die er gesprochen hat, auf die Aeußerung des Herrn Reichs- fanzlers in Betreff der etwaigen Einwirkungen von außen zurückgekommen. Er glaubte das mit einer leihten Bemerkung abmachen zu können, indem er sagte: {aft nur Zufriedenheit, dann wird die Agitation von außen obne Wirkung sein so ungefähr war der Sinn seiner Worte. Nun, meine Herren, will ih doch glei, um bei diesem Punkt einzugreifen, einiges mittheilen, was immerhin doch nahweist, daß die Verhältnisse bei uns nicht so völlig harmlos sind, als der Herr Abg. Guerber \childert.

Wir haben zum leßten Mal im Jahre 1885 über die Aufrecht- erhaltung der außerordentlihen Gewalten des Statthalters für Elsaß- Lothringen in diesem Hause uns unterhalten. Damals bestand die Ligue des patriotes, Herr Déroulède spielte eine große Rolle, und der Herr Abg. Guerber, in vollständiger Verkennung der Stellung jenes Herrn in Frankreich, glaubte auch damals sich leicht damit abfinden zu fönnen, indem er fagte, das sei ein halbverrückter Poet, von dem niemand im Lande au nur zwei Verse gelesen habe. (Sehr richtig !) Ja, meine Herren, es is die nationale Bedeutung dieses Mannes in Frankreich niht so völlig von der Hand zu weisen, wie es hier geschieht. Die Einwirkungen von Frankreich her, von Vereinen und von Einzelnen, sind außerordentlih groß. Sie wissen alle, daß sicher- li an hunderttausend Elsaß-Lothringer das Land verlassen haben und nach Frankreich gegangen sind; Sie wissen, daß in der franzô- sischen Armee, in der Magistratur, in der Verwaltung ihrer Tausende angestellt sind, und daß alle diese dur Tausende von Fäden aller Art mit ihrer Heimath Elsaß - Lothringen, mit Verwandten und Freunden verknüpft sind. Es liegt ja in der Natur der Sache, daß die Beziehungen zwischen Elsaß-Lothringen und den Emigranten in Frankrei außerordentli zahlreich sind. Nehmen Sie die geographische Lage, die langgestreckte Grenze von Basel bis Luxemburg, die Möglichkeit des leichten täglihen Verkehrs, die Anziehungskraft, die auf der anderen Seite unver- fennbar in der hochentwickelten französisben Zipvilifation, in Kunst « und Literatur, in Hunderten von Dingen liegt, so werden Sie mir zugeben müssen, daß ein so großer historischer Prozeß, wie der war, der \sich durch die Ablöfung Elsaß-Lothringens von Frankreih und dessen Einverleibung in Deutschland vollzogen hat, niht so rasch in seinen Wirkungen spurlos hat vershwinden fönnen: daß nicht die Bevölkerung, wie man einen Hand: {uh wechselt, hundertjährige Erinnerungen so leiht von sih abstreifen kann eine Bevölkerung zudem, die zum großen und in ihrem maßgebenden Theil zur Zeit der französischen Herrschaft

groß geworden und auf französishem Boden erzogen ist, und deren Anschauungen, Denken und Empfinden auf französisher Bildung beruht.

Meine Herren, die elsaß-lothringishe Emigration ift in der That nach meiner Ueberzeugung der Pfahl im Fleish, der uns nit ge- sun den läßt, und wir haben alle Verpflichtung, auf die Agitationen aufmerksam zu sein, die von der Emigration her fort und fort im Lande unterhalten werden. Ich- weiß nicht genau, wie viele Vereine in Frankrei existieren, in denen die Emigration sich zusammen- geshlossen hat, 47 \ind mir im gegenwärtigen Augenblick bekannt, es werden aber wahrscheinlih viel mehr sein. Nun weiß ih, daß viele dieser Vereine Wohlthätigkeitsbestrebungen haben oder ühnlihe Zwecke verfolgen; allein, ich weiß auch, daß fie sammt und sonders ihr Augenmerk unausgesezt auf unser Land gerichtet haben, und Sie werden wohl niht glauben, daß ihre Mit- glieder nur zusammenkommen, um s\sich wehselseitig an ibren {önen Augen zu erfreuen; sondern sie kommen zusammen, um zu berathen, wie die Zukunft zu gestalten ift, und wie sie in der Er- reihung ihrer Ziele vorwärts kommen können.

Meine Herren, der vornehmste aller dieser Vereine is die „Association Générale d’Alsace-Lorraine“. Diese ift bereits im Jahre 1871 gegründet, fie hat eine außerordentliche Wirksamkeit ent- faltet. Sie ist, wie h anerkennen muß, im großen und ganzen in vornehmem Geist geleitet und ihre Bestrebungen find vielfach an- erkennenswerth humanitärer Natur. Die Bedeutung dieser Gesell- schaft wird Ihnen klar, wenn ih Ihnen mittheile, daß in dem Jahres- beriht 1894 festgestellt ift, daß die Gesellshaft an 3 Millionen Francs bisher ausgegeben, und daß sie 33 745 Männern und 17 146 Frauen, die nah Frankreich ausgewandert waren, Unterkommen und Arbeit vershaft hat. - Der Einfluß dieser Gesellschaft ist ein außerordentlich großer; daß er aber in einer der gegen- wärtigen s\taatsrehtlihen Lage unseres Landes günstigen Weise ausgeübt werden würde, wird niemand von Ihnen glauben. Wenn aber wirklich irgendwo eine solche Anschauung bestehen sollte, so will ich Ihnen doch noch aus dem Bericht Mittheilungen machen, aus denen Sie sehen, wie fortwährend die Fäden hinüber- und her- übergeschlungen werden und wie man dort über die Emigration \spriht. Es wird erwähnt, daß die Gesuche um Unterstüßungen und Rechtshilfe mehr und mehr zunehmen, daß abermals in dem be- treffenden Rechnungsjahr deren Zahl zugenommen habe, und dazu bemerkt : -

die Vermehrung, welche wir Jhnen nachweisen, beweist deutlih, daß die Emigration fortfährt, und daß besonders die Kinder unserer Landsleute dort im Lande, de nos compatriotes restés là-bas der Abg. Guerber gehört auch dazu, er wird als Landsmann von diesen Franzosen in Anspru genommen, er mag wollen oder nicht obwohl fie nah der Annexion geboren sind, nicht zögern, die ihren Eltern 1871 entrissene französische Nationalität zu erwerben, um sich dem Deutschwerden zu entziehen. Wir müssen bedauern, daß ihre Eltern, dur die deutschen Behörden terrorisiert, nur selten, besonders auf dem Lande, es wagen, die Formalitäten zu erfüllen, welhe das Reichsgeseß über die deutshe Staatsangehörigkeit fest- stellt, indem sie für ihre Kinder vor Erreichung des 17. Lebens- jahres den Auswanderungsschein verlangen. Hieraus ergiebt \sich die traurige Lage, daß unsere jungen Landsleute, die sich dem Dienst in der deutshen Armee entziehen, mit Ver- urtheilung verfolgt werden, so daß fie nicht in ihr Land zurückehren können, ohne Gefahr zu laufen, arretiert und in die deutshe Armee gesteckt zu werden. Troß aller dieser strengen Maßregeln weichen sie niht zurück u. #. w. Sie sehen, meine Herren, daß hier zweierlei konstatiert wird : einmal das fortdauernde Bestreben dieser Gesellschaft, die Emigration zu fördern, namentli die jungen Leute zur Auswanderung nah Frank- rei zu verleiten, und ferner fort und fort dahin zu wirken, daß eine Gesundung unserer Lage nicht eintritt, sondern daß die Wunde ofen bleibt wie denn in der That die Bestrebungen aller dieser französishen Vereine mit den Worten zu charakterisieren find, die dort ausgesprohen find: maintenir la question d’Alsace- Lorraine ouverte, die elsaß-lothringische Frage nit einshlafen zu lassen, sie ofen zu halten, so lange es geht, bis ein Augenblick kommt, wo man zugreifen und etwas thun kann. Die genannte Gesellschaft ist nun immerhin in einem Geiste geleitet, der mehr vorwärts \trebenden Elementen niht energisch genug gewesen ist, und so hat sih im Jahre 1892 es sind keine alten Sachen, die ih Ihnen erzähle, sondern ganz neue eine neue Gesellschaft gebildet, die Fédération des sociétés Alsaciennes-Lorraines de France et des colonies. Man empfand das Bedürfniß, den elsaß-lothringishen Gesellschaften eine mehr ein- beitlihe und energishe Leitung zu geben, um ihre Aktionsfähigkeit nach außen zu stärken und sie im entscheidenden Augenblick so in der Hand zu halten, wie man wollte. Meine Herren, bis jeßt sind, glaube ich 16 Vereine dieser Federation beigetreten. Die Statuten liegen mir vor, man muß solche Statuten eben mit etwas diplo- matishem Auge lesen, es liegt viel zwischen den Zeilen, weil natürlich die legten Ziele niht enthüllt werden aus Rücksicht auf die eigene Regierung. :

In diesem Statut sind zwei Bestimmungen, die recht interessant sind. Als Zweck der Gesellschaft ist vorzugsweise bezeichnet :

De créer un lieu fraternel entre toutes les sociétés Alsa- ciennes-Lorraines existantes; d’amener par ces velations une unité d’action et de propagande.

Also man empfindet, daß die einzelnen Gesellshaften zu sehr zer- splittert find; ihr Aktionsgebiet ist niht sharf genug, und zu diesem Zweck werden sie zusammengeshlossen unter eine Zentralleitung, die über sie alle zu kommandieren hat, und damit recht flar wird, in welchem Sinne diese Leitung erfolgt, erwähne ih nur noch den Art. 28 der Statuten, der ausdrücklich vorschreibt, daß keine andere Frage besprohen werden darf in den Vereinigungen

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