1895 / 33 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

‘Tönnten. Nur auf solchem Wege werde man die Massen wieder- gewinnen; nicht durch die bloße Bekämpfung der Sozialdemokratie, die nur e Symptom des Uebels, der Krankheit der Gesellschafts- ordnung, sei.

Darauf ergriff der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe das Wort.

(Schluß des Blattes.)

In der heutigen (13.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten, welcher der Minister für Landwirthschaft 2c. reiherr von Hammerstein beiwohnte, wurde die zweite erathung des Staatshaushalts-Etats bei dem Etat der Forstverwaltung fortgeseßt. E Der Minister für Landwirtbschaft Freiherr von Hammerstein, dessen Rede wir morgéèn im Wortlaut nachtragen werten, leitete die Verbandlung mit statistishen Mittheilungen ein, die eine Zunahme des fiskalischen sowohl als des privaten Forstareals in dem Zeitraum von 1883 bis 1893 für alle Provinzen ergaben, mit Ausnahme West- falens, das eine nit erbeblihe Abnahme aufweist. Die Gesammt- bodenfläche des Privatforstbesißes beträgt 8 153 900 ha und hat eine E von 38500 ha erfahren, die Gesammtfläche des fiéfalifhen rorstbesites beläuft sih auf 2284000 ha und bat um 10000 ha zugenommen. Der Minister {loß mit der Bemerkung: fowohl die Privat-Forstverwaltungen wie die ftaatlichen seien bemüht gewefen, wo nur irgend möglich, Aufforstungen vorzunehmen. i Abg. Krauz c- Waldenburg (fr. kons.) bat, in der Anstellungs- weise der Forst-Assessoren eine Aenderung eintreten zu lassen. Der frühere Landwirthschafts-Minister von Heyden habe sich auf eine diesbezügliche Anregung aus dem Hause {on bereit e:tlärt, dieser Frage näher zu treten. Die höheren Stellen in der Forstverwaltung würden mit Angehörigen des Feldjäger - Korps und mit Zivil-Affessoren beseßt, die sämmtlich auf dem Gebiete des Forstwesens die gleiche Vorbildung genossen bätten. Von den 35 durhs{nittlich freien Stellen würden 28 mit Zivil-Assessoren, 7 mit, den An- gebörigen des Feldjäger-Korps besetzt, die leßteren nähmen alfo ein ünftel aller Stellen ein. Im Jahre 1894 hätten nun 459 Zivil- Affsessoren und 48 Angehörige des Feldjäger-Korps zur Verfügung ge- standen. Na dem jetzigen Anstellungömodus werde mithin der leßte dieser Feldjäger nah 7 Jahren, der leßte der Zivil-Affsessoren erst nah ungefähr 17 Jahren zur Anstellung gelangen. Man müfse außerdem noch bedenken, daß unter den Angehörigen des Feldjäger- Korps sich vielfa no@ Studierende befänden; der jüngste diefer Feldjäger, der beute noch Student sci, gelange also eine Reihe von Jahren früher zur Anstellung als der jüngste der Assrfsoren, der sein Examen bereits gemacht babe. Dies sei auch für die weitere Carrière von wichtigen Folgen. Die Unzufriedenheit der Zivil-Assefsoren und ihr Wunsch, daß der jetzige Anstellungömodus geändert werde, sei darum durchaus berechtigt. Er boffe, daß der Minister diesen Verbältnifsen mit Woblwollen gegenübertreien werde. : i T Abg. von Schöning (konf.) bittet um Ueberlafsung von A an fleinere Besißer seitens der Forstverwaltung gegen Er- tattung der Aushebungskosten. Zugleich ersucht er, bei Abgabe dieser Pflanzen obne Berücksichtigung des Instanzenzuges zu verfahren. Regierungëkommifsar Ober - Landforstmeister Donner erklärt, zu einer unentgeltlichen Abgabe von Forstprodukten fei die Forstver- waltung vit berechtigt, dieselben würden jedo zu billigen Preisen abgegeben. Ein Inftanzenzug komme dabei nit in Betradt, und wenn ein Besißer nit berücksihtigt worden sei, so könne das nur daran liegen, daß er ih nicht rehtzeitig gemeldet habe. | Abg. von Kardorff (fr. kons.): Der Vertreter der Regierung bat nicht darauf geantwortet, ob es nicht möglich sei den Instanzenzug zu verkürzen. Um Zeit zu gewinnen, könnte die Abgabe von Forst- produftten den Oberförftern allein überlassen werden. : Regierungékommifsar Ober-Landforstmeister Donner erwidert, daß auch jetzt son die Oberförster allein über Abgabe von Pflanzen verfügen könnten. : E : : Abg. von Schöning (kons.) erklärt, er habe nicht von einer unentgeltliden Hergabe der Pflanzen gesprochen, fondern nur ge- wünscht, daß nit mebr als die Anshebungökoîten zur Anrechnung kämen. i Regieruneskommissar Ober - Landforstmeister Donner theilt mit, daß ein besonderer Fonds im Landwirtbschafts - Ministerium dafür vorhanden sei, um ftleineren Besißern bei Anschaffung von flanzen bebilflich zu sein. E Abg. Knebel (nl.) daß die Art und Weise, wie die- Abgake von Laub aus den Königlihen Forsten erfolge, zu Bedenken Anlaß gçebe. Es werde bei kleineren Leuten Miß stimmung erzeugt, da fie glauben müßten, in Zeiten einer Notblage würden die Preise erhöht. Vielleiht fei es

übrt aus,

Wetterbericht vom 6. Februar, 8 Ubr Morgen®.

peratur um mehr als 20 Grad unter Null liegt; Schneeböhe zu Memel 26, zu Neufahrwasser 48 cm.

mögli, von Versteigeiungen abzusehen und die Laubstreu nur zu billigen Taxpreisen «abzugeben. Auch für eine Verbreitung der Be- nußung von Torfstreu, namentlich durch Anlegung von staatlichen Torfstreufabriken, zu sorgen, sei vielleicht angebracht. i i

egierungskommissar Ober - Landforstmeister Donner weist darauf hin, dos Versteigerungen von Laubstreu keineswegs allgemein üblih seien. er Torfstreu mehr Eingang zu - verschaffen, sei die ep erung unablässig bemüht und werde in diesen Bemühungen nit nachlassen.

(Schluß des Blattes.)

Kunft und Wissenschaft.

Der von Seiner Majestät dem Kaiser und König gestiftete Wanderpreis zur Hebung des Nudersports an den höheren Lehranstalten Berlins ist gemäß dem Allerhöchsten Erlaß vom 27. Januar d. J. auf einige Wochen im Königlichen Kunstgewerbe-Museum ausgestellt. Das Prachtgefäß is na cinem Entwurf von Professor Emil Doepler d. J. von dem Leiter der Ziselierklasse des Königlichen Kunstgewerbe-Museums Otto Roloff in Silber ausgeführt. Es hat die Gestalt einer gothishen zweihenkligen Weinkanne. Der Körper ist in spiegelnden, leiht gewun- denen Flächen nah unten erweitert und trägt am oberen Rande die eingravierte Jnschrift: Ehrenpreis Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm IL., gestiftet 1895. Darunter ist ein Sirecifen, auf welchem sih in leihtem ver- goldeten Nelief die Kaiserlichen: Jnsignien und Lorbeerzweige abseßzen. Auf dem Deckel thront der preußishe Adler mit weitgespreizten Flügeln und mit dem goldenen Ruder und Lorbeerkranz in den Fängen. Die beiden Henkel laden als kräftige senkrehte Bügel aus; Knäufe und Spißzen sind von Bernstein, dem Kleinode des Meeres, gebildet, auch der untere Rand der Kanne ist mit cinem goldenen Wellen- ornament abgeschlossen. Die Kanne steht mit drei Knopffüßen auf einem profilterten Sockel von graugeadertem Pavonazetto- Marmor und mißt bis zur Spiße 66 cm.

Verkehrs-Anstalten.

Ueber Verkehrsstörungen, die durch die Witterung8verhbält- nisse bervorgerufen sind, und ihre Beseitigung, liegen heute folgende Meldungen des ,W. T. B.* vor:

Das Königliche Eifenbahn-Betriebsamt Stralsund macht be- kannt: Die Strecken Altefäßhr—Bergen und Velgast—Barth sind wieder frei. «Lie Strecken Bergen—Krampas und Bergen— Lauter- bach find bis auf weiteres noch gesperrt.

Aus Schwerin wird vom gestrigen Tage gemeldet: Die Strecken Warnemünde—Lalendorf, Wismar—Rostock, Wismar Goldberg, Grevesmühlen— Parhim— Karrow sind vorausfihtlic) für 24 Stunden wegen Schneeverwehungen gesperrt.

St. Petersburg, 6. Februar. (W. T. B.) Der neue Tarif für den russisch - belgish -französfishen Verkehr tritt nah amtlider Bekanntmachung am 1. März neuen Stils in Kraft.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause gelangt morgen Richard Wagners „Siegfried“ (,Der Ring des Nibelungen“, 11. Abend) unter Kapellmeister Dr. Muck's Litung zur Aufführung.. Die Be- seßung ist folgende: Siegfried: Herr Gudehus, Mime: Herr Lieban, Wanderer: Herr Stammer, Brünnhilde: Frau Sucher, Erda: Frau Göte, Alberih: Herr Schmidt, Fafner: Herr Mödlinger, Waldvogel : Fräulein Dietrich. : :

Im Königlihen Schausvielhause wird morgen der Schwank „Zum wohlthätigen Zweck“ von Schönthan-Kadelburg ge- aeben (Damen Schramm, von Mayburg, Seebach, Herren Vollmer, Blencke, Klein, Keßler, Oberländer, Herter, Hartmann). -

Das Deutsche Theater veranstaltet am Sonnabend eine Vor- tellung zu wobltbätigem Zweck; der Reinertrag des Abends soll den notbleidenden Webern im Eulengebirge zu gute kommen. Zur Auf- führung gelangen Gerhart Hauptmann’s „Weber“. Der Villetverkauf für diese Vorstellung hat bereits begonnen; etwaige Ueberzahlungen

werden dankbar entgegengenommen und ihrer Bestimmung zugeführt.

Residenz - Theater.

Deutsche Seewarte.

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Stationen. | Wetter.

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ift in Bayero

Theater-Auzeigen.

Königliche Schguspiele. Donnerétag: Opern- baus. 35. Vorstellung. Der Ning des Nibelungen. Bühnenfestspiel von Richard Wagner. Aberd: Siegfried in 3 Akten. Dirigent: Kapell- meister Dr. Vêèuck. Anfang 7 Uhr. von Hugo Wittmann und Julius Bauer.

Schauspielhaus. Zorstell 1 thätigen Zweck. Lustspiel in 4 Aufzügen von Franz von Schönthan und Gustav Kadelburg. An-

Freitag : Opernhaus. 36. Vorftellung. Cavalleria L arent fa 2e Oper in 1 Auf- ug oon Pietro Mascagni. j Sale Bolkéftück von G. Verga. Vajazzi. (Pagliacci.) Oper in 2 Aften und einem Proïog. MNufit und Dichtung von R. Leoncavallo, deu von L. Hartmann. Schauspielhaus. Alten sungen. nfang 74 Uhr.

Berliner Theater. Anfang 7# Uhr. Freitag (22. Abonnements - Vorstellung): Der

guon. . Sonnabend: Der Pfarrer von Kirchfeld.

Lessing-Theater. Donnerstag: Thielemauns. Anfang 7# Uhr. Freitag: Ghi#m Sonnabend: Die wilde Jagd. Sonntag: Der Geizige. ven Molière. Hierauf: Niobe.

Friedri - Wilhelmflädtisches Theater. Ghauficeitrafie 25/26. nnerétog: Der Obersiteiger. ezn von M. West und L. Held. Regie: Herr Frety. Favelimeister Abolph Ferron. Freitag: Der Oberfiteiger.

arbeitung von Benno Jacobson. Freitag und folgende Tage: fontraft.

Zweiter

37. Vorstellung. Zum w9hk- | von

Freitag: Der Probekuf:.

Tert nah dem gçlei&-| Bentral-Theaiter.

Thomas a. G. Anna Bâckers. E t Dae: d d 38. Vorstellung. ie die | Salinaré's Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl A LOY 74 Uhr. j L: O, diese Berliner!

Donnerstag: Madame n Vorbereitung:

mit der „Elbe“ Verunglückten. Gesindeball.

früheren Possen. Anfang 7#4 Uhr. Freitag: Keine Vorstellung.

Konzerte.

onda.

ustspiel in 5 Akten

Konzert. OQuv.

Operette in | „Die diebishe Elfter“. Musif von Dirigent: Herr

Anfang 74 Uhr.

Blumenftraße Nr. 9. Direktion: Stamund Lautenburg. Donnerstag: Fer- nand’s Ehekontraft. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutsher Be- Anfang 7# Ubr.

Feruaud’s Che-

TheaterUnter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Frische. Donnerstag: Mit neuer Ausftattung: Der Probekuß. Operette in 3 Akten

arl Millôcker. In Scene gefeßt von Julius Fritsche. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Hierauf: Tanz-Divertifsement. Anfang Uhr.

lie Jakobstraße Ir. 30. Direktion : Richard Sulz. Leßte Woche. Emil

Donnerstag: Zum 158. Male: O, diese Berliner ! Große Pofse mit Gesang und Tanz in 6 Bildern (nah „Reise durch Berlin“) ven Julius Freund. Musik von Julius Einödshofer. Anfang

Unsere Rentiers. Poffe mit Gesang und Tanz in 4 Akten.

Adolph Ernfst-Theater. Donnerstag: Wohls- thätigkeits-Vorstellung für die Hinterbliebenen der Zum ersten Male: Fastnahtésherz in 1 Aft von Ed. Jacobson und Jean Kren. Hierauf : Ein fideles Corps. Mit Gesangs-Finlagen aus den beliebtesten

Konzert-Haus. Donnerstag: Kar! Meyder- „Santa Chiara“, E. H. z¿. S Rossini. ahl“ Flotow. Phantasie a. „Il Trovatore® v. Verdi. Hochzeitélieder“, Walzer (neu) v. Strauß. Berzeuse f. Vicline v. Godard (Herr (Cainier) chord f. Piston v. Sullivan (Herr Werner).

Im Friedri - Wilhelmstädtishen Theater übt dic Zeller’she Operette „Der Obersteiger*® eine derartige Zugkraft aus, daß die Erstaufführung der Wiener Posse „Ein armes Mädel“ ver- schoben werden mußte.

Herrn Direktor Ernst is die Ehre zu theil geworden, von Seiner Königlichen On! dem Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha eine Einladung zu erhalten, mit dem Personal des Adolph-Ernt- Theaters am Freitag, den 8. d. M., am Hof-Theater zu Gotha den Shwank „Ein fideles Corps“ zur Auf{ührung zu bringen. Die Vorstellung im Adolph Ernst-Theater am Freitag fällt daher aus.

Maunigfaltiges.

Zum I ergena des Bremer Schnelldampfers „Elbe“ meldet ,W. T. B.* aus Lowestoft: Die Besichtigung der Se des bei dem Untergang der „Elbe“ ums Leben gekommenen Fried- rich Ernst wurde am Dienstag eröffnet. Der Leichenbeschauer erklärte, die Unter!uhung würde sich wahrscheinlih auf den gesammten Sachverhbalt erstrecken. Der Vize-Konful Bradbeer und der Agent des Lloyd Syashett waren bei dem Verhör anwesend. Aus den Ausfagen ging hervor, daß die Brieftashe des Verstorbencn Papiere enthielt mit dem Namen „Friedrih Ernst“ und dem Vermerk, daß Ernst am 27. Januar 1875 in Magdeburg geboren sei. Nachdem eine photographische Aufnahme der Leiche zu ihrer Identifizierung durch Verwandte angeordnet war, wurde die Untersuhung bis zum 26. d. M. vertagt. de einer bei Lloyd’'s in London eingegangenen“ Depesche i der Postsack Nr. 1 des Dampfers „Elbe“ bei Southwold aufgefunden worden. Der Kapitän der „Cratbie“ ift, wie aus Rotterdam gemeldet wird, nah Aberdeen abgereist. Die Bemannung des Schiffs, die in Freiheit belassen war, bleibt vorläufig in Rotterdam. Der Dampfer löscht, um in Reparatur zu gehen.

Am 4. Februar ist die Unfallstation X, Hirtenstraße 22, in Verbindung mit der unter Leitung des Stadtraths Mielenz stehenden Sanitätswache 11, die sich bisher in der Prenzlauerstraße befand, in Wirksamkeit getreten.

A a. M., 95. Februar. Die Stadtverordneten be- \{lossen, wie ,W. T. B.“ meldet, mit 29 gegen 23 Stimmen die Eingemeindung Bockenheims.

Darmstadt, 5. Februar. Die biesige Polizei verhaftete ciner Meldung des „W. T. B.* zufolge eine aus 5 Mitgliedern bestehende Falshmünzerbande, die seit längerer Zeit Zweimarkstücke an- fertigte und in Umlauf seßte.

Wien, 6. Februar. Das „N. Wien. Tgbl." weldet aus Marsala: Vorgestern Nachmittag |ürzte während des Gottes- dienstes die Domkirche von San Carlo ein; 75 Leichen und 35 s{chwerverwundete Personen wurden bis 10 Uhr Nachts aus den Trümmern hervorgezogen. .

Montceau-les-Mines, 5. Februar. Ueber denGrubenbrand in Sainte Eugénie wird weiter berichtet : eute Morgen besuchte der Kommandant Lombard die Arbeiten zur Verhinderung weiterer Unglücksfälle und der Weiterausdehnung der Fern und ging au in die Häuser der Bergleute. Nach einem Beschluß des Ministerraths findet, wie der „Köln. Ztg.“ telegraphiert wird, die Beerdigung ter Opfer des Grubenunglücks auf Staatskosten statt. Der Minister der öffent- lichen Arbeiten Dupuy-Dutemps wird die Regierung dabei vertreten. Der König von Serbien hat gestern vor seiner Abreise von Paris 1000 Fr. für die Hinterbliebenen der Verunglückten gespendet.

Christiania, 5. Februar. Aus Christianssund, Molde, Aale- sund und Bergen laufen Nachrichten von Erd ößen ein, die heute Nacht in der Zeit von 12 Uhr 15 bis 12 Uhr 42 Minuten verspürt wurden. Die Fenstersheiben klirrten, die Oefen zitterten. Das Erdbeben hatte die Nichtung von Südost nach Nordwest. Bei ns in Koärnangen (Finmarken) kamen 11 Perfonen ums Leben.

Algier, 4. Februar. Der Hamburger Schnelldampfer „A ugu sa Victoria“ traf auf feiner Orientfahrt heute bei herrlichem Wetter wohlbehalten hier ein. Etwas früher war der Hamburger Schnelldampfer „Normannia “, von Genua nach New-York be- stimmt, hier angelangt. Die gleichzeitige Anwesenheit der beiden größten deutshen Schnelldampfer im Hafen von Algier erregte, -wie „W. T. B.* meldet, lebhaftes Interesse.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Sing-Akademie. Donnerstag, Anfang 74 Uhr: Klavier-Abend von Josef Hofmaun,

Saal BKedhstein. Linkstraße 42. Daonrerstag, Anfang 8 Ubr: Lieder-Abend von Felix Krans a. Wien.

Birkus Renz (Karlstraße). Donnerstag: 2 Vor- stellungen, Nachmittags 4: Uhr: Auf Aller- höchsten Wunsch Gala - Vorstellung: „Uuf, auf zur fröhlihen Ta Außerdem: Gala - Fest - Akt, wie solher zu Ehren des Allerhöchsten Geburtsfestes stattfand. Die zum Besien der Hinterbliebenen der Verunglückten der „Elbe“ am Abend stattfindende grofc Parade: Vorftellung beginut demzufolge erft um S Uhr. Aufführung des Gala-Fest-Akts. In beiden Vorstellungen Auftreten des Schulreiters Herrn Gustav Hüttemann (als R fowie Auf- treten der hervorragendsten Künstlerspezialitäten. E A Res Clowns. Auf, auf ur fröhlichen Jagd! s gran: Große Vorstellung.

Sonntag: 2 Vorstellungen, Nachmiitags 4 Ukr (ermäßigte Preise) und Abends 75 Uhr.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Lili von Lattorff mit Hrn. Amis rihter Axel von Pochhammer (Berlin). Frl. Ella von Katte mit Hrn. Lieut. Ernst Frhrn. von Lüttwit (Berlin). i /

Geboren: Eine Tochter: Hrn. NRegierungs- Affsessor Frhrn. von Massenbah (Mobrungen).

Gestorben: Fr. Regierungé-Asessor Annie Berg, geb. Halle (Berlin). Fr. Pauline von Schmeling, geb. von Tornow (Lieberose).

Musik

úIosefine Dora.

Große

Verantwortlicher Redakteur : F. V.: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagé- “Anstalt, Berlin 8W., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen (einschliezlich Börsen-Beilage).

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Königreich Preußen.

Auf den Bericht vom 19. Dezember d. J. will Jch gemäß 8 2 des Geseßes vom 17. Juni 1833 dem Provinzial- Perbande der Provinz Westfalen zur Ausstellung auf den Jnhaber lautender Anleihescheine bis zum Betrage von 2% Millionen Mark und der erforderlichen Zinsscheine und Anweisungen auf Grund des nebst Anlagen zurückfolgenden Regulativs dur gegenwärtiges Privilegium die landesherr- lihe Genehmigung ertheilen. Die Ertheilung erfolgt mit der rechtlichen Wirkung, daß ein jeder Jnhaber dieser Anleihe- scheine die daraus hervorgehenden Rechte geltend zu machen befugt ist, ohne zu dem Nachweise der Uebertragung des Eigen- thums verpflichtet zu sein. Uebrigens wird dieses rivilegium vorbehaltlich der Rechte Dritter und ohne dadur für die Befriedigung der Jnhaber der Anleihescheine eine Gewähr- leistung seitens des Staats zu übernehmen, ertheilt.

Neues Palaïs, den 31. Dezember 1894. Wilhelm k. Miquel. von Köller. von Hammerstein.

An die Minister der Finanzen, des Jnnern und für Landwirthschaft, Domänen und Forsten. !

Megqul ett.

betreffend die Ausgabe auf den Inhaber lautender

Anleihescheine des Provinzial-Verbandes der Provinz

Westfalen durch Vermittelung der Landesbank der Provinz Westfalen.

S L Der Provinzial-Verband der Provinz Westfalen hat die Befugni

zur Verstärkung der Betriebsmittel der Landesbank der Provinz Weit falen in Münster, und „Zwar durch Vermittelung der Landesbank, Geld anzuleiben und darüber auf den Inhaber lautende , seitens der Gläubiger unkündbare Schuldverschreibungen unter der Bezeichnung

„Anleiheschein des Provinzial-Verbandes der Provinz Westfalen“ auszustellen und nah Bedarf, über welchen der Provinzial-Aus\{huß zu entscheiden hat, auszugeben. _ Der Gesammtbetrag der auézugebenden Anleihescheine darf die Summe von 25 Millionen Mark nicht überschreiten.

S 2:

Die Anleihescheine werden in von dem Provinzial-Aus\{usse fest- zuseßenden Abschnitten, deren Nominalbetrag auf A 900 1 sih belaufen muß, nah dem beigefügten Muster (Anlage T) aus- gefertigt. Die Unterschrift des Gabe nend und zweier Mit- glieder des Provinzial-Aus\husses sowie des Kontrolbeamten ist erforderlich und genügend. Der Landeshauptmann hat insbesondere darüber zu wachen, daß die fünfundzwanzig Millionen Mark nit überschritten werden.

Die Ausfertigung ist öffentlih bekannt zu machen.

S D. Die Anleibescheine werden alljährlih je nach Bestimmung dur

den Provinzial-Aus|huß, mit drei, dreieinhalb oder vie vom L A verzinst und die Zinsen halbjährlich am 1. April und 1. Oktober ge- zahlt. e O R ee Zweck Zinsscheine auf je zwanzig balbe Jahre ne nwetisungen nah dem beigefü Muster (Anlage I1 und 111) beigegeben. : N S

__Die Zablung der Zinsen erfolgt gegen Nückgabe der betreffenden Zinéscheine vom Verfalltage ab durch die Landesbank der Provinz Westfalen in Münster oder an den von dieser bekannt gegebenen Zahlstellen. j L

_Das Forderungsrecht aus einem folchen Zinsschein erli t, wenn derselbe innerhalb vier Jahren, vom Ablauf des Pai ab, in welchem er fällig geworden ift, nit zur Zahlung vorgezeigt wird. Mit dem Ablauf der zehnjährigen Zeiträume werden nah vorheriger offentliher Bekanntmachung die neuen Zinsscheine dem Einlieferer der Anweisung ausgereicht. neu N E E Le elun as die Aushändigung der

1en Zinsscheine na auf der für die Umwehhselung befti 1 Frist an den Inhaber des Anleihescheins. V RRE

E 8 4. Die Tilgung der Anleihescheine geschieht durch allmählihe Ein- löfung aus etnem zu diesem Zweck gebildeten Tilgungsstock mit jähr- lih mindestens einhalb vom Hundert der ausgegebenen Anleihescheine unter Zuwachs der Zinsen von den getilgten Anleibesceinen.

_Der Provinzial-Verband hat das Recht, den Tilgungs\tock zu

e H ; le Ulgung beginnt nach Ablauf des auf die ers - getan E TLIres 9 | | Uer G Die Einlöfung wird im Wege der Aufkündigung nach vorkberiaer Bestimmung durch das Loos t A S Bas Vanherider Die Ausloosung erfolgt durch die Landetbank, unter Zuziehung von mindestens zwei Mitgliedern des Kuratoriums, während des Monats Februar, die Bekanntmachung der ausgeloosten und zu kündigenden Anleihescheine, welche die leßteren nah Reihe, Nummer und Betrag bezeihnen muß, innerhalb der Monate März und Juni, de Einlösung am 1. Oftober desselben Jahres. Der Provinzial- A E Me das Recht, sämmtliche noch umlaufenden Anleibescheine L Anstatt der Ausloosung können Anleihescheine auch im Wege des Q B wieder erworben und zur planmäßigen Tilgung verwendet Im Falle des Rükkaufs zum Zweck der Tilgung hat auch die

Bekanntmachung des stattgehabten Ankaufs unter An ube des Betra der angekauften Anleihescheine stattzufinden. : ONE

i 8 5,

. Die Auszahlung des Kapitals für die ausgeloosten Anleihescheine erfolgt nah dem Nennwerth derselben dur die “Al ok oon e die bon dieser zu bezeihnenden Zahlstellen an den Vorzeiger der Anleihe- Ves gegen Anlei

it den Anlethesheinen sind zuglei die au8sgereihten, nah dem

Dahlungêtermin fällig werdenden Zinsscheine M M is Der Betrag der fehlenden Zins\ceine wird vom Kapital gekürzt a zur Einlösung dieser Zinsscheine verwendet. Die Nummern der u8geloosten, nicht zur Einlösung eingereichten Anleihescheine sind in den nach § 4 zu erlassenden Bekanntmachungen in Erinnerung zu bringen. T Naa die Anleihescheine dessen ungeachtet binnen dreißig L ren nach dem Zahlungstermin nicht zur Einlösung vorgezeigt, ift ist deren Aufgebot und Kraftloserklärung 7) innechalb diefer M nicht beantragt worden, fo werden die Anleihescheine nah Ab- ! der gedachten Frist zum Besten des Provinzial-Berbandes als

i getilgt angesehen.

§6. Alle die Anleibescheine betreffenden Bekanntmachunge l Lud den „Deutschen Reichs- und Vrensischen Staate Ac der die „Berliner Börsenzeitung“, die „Kölni'he", „Rheinisch- estfälishe Zeitung“ und den «Münsterschen Anzeiger“,

Erste Beilage E | | zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 6. Februar

Sollte eins dieser Blätter eingehen oder die Landesbank andere Blätter für die Veröffentlihung wählen, so müß die Wahl anderer Blätter in den bisher benußten und noch ers{einenden Blättern bekaunt geinaht werden.

Das Aufgebot und die Kraftloserklärung verlorener oder ver- nihteter Anleihescheine erfolgt nach Vorschrift der §8 838 ff. der Zivilprozeßordnung für das Deutsche Reih vom 30. Januar 1877 (Reichs - Gefegblatt S. 83), beziehungsweise nah § 20 des Ausführungs8gesetzes zur Deutschen Zivilprozeßordnung vom 24. März 1879 (Gesez-Samml. S. 281). Zinsscheine und Anweisungen können weder aufgeboten noh für kraftlos erflärt werden. Es fann jedoch nah dem Ermessen der Landesbank demjenigen, welcher vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist 3) den Verlust eines Zins\cheins bei der Landesbank anmeldet und bescheinigt, der Betrag des Zins- scheins, wenn e bis zum Ablauf der Verjährungsfrist nit vor- gezeigt worden ijt, nah Ablauf derselben ausgezahlt werden.

8&8.

, Für die Sicherheit der ausgegebenen Anleihesheine und ‘deren Zinsen haftet der Provinzial-Verband mit seinem s A und mit seiner Steuerkraft.

__ Der Gesammtbetrag der ausgegebenen Anleihescheine muß jeder- zeit gedeckt sein durch Forderungen aus Darlehen, welche die Landes- bank nah Maßgabe ihrer statutarischen Bestimmungen gewährt hat.

8 9. Der Landeshauptmann überwacht die Befol der d - bank überwiesenen Geschäfte. Y A e

So beschlossen in der Sitzung des Provinzial-Aus\hu}es am 14. November 1894 auf Grund der Ermächtigung des 35, Wat Provinzial-Landtags vom 20. Februar 1894. Münster, den 24. November 1894. Der Landeshauptmann der Provinz Westfalen. (S) . Overweg, Geheimer Ober-Regierungs-Rath.

Anlage I.

_Anlethefschein des Previnzial-Verbandes der Provinz Westfalen

¿e r AUsgabe Bucftabe . über : i «_. « Mark Reichswährung.

Ausgefertigt in Gemäßheit des landesherrlihen Privilegiums vom 31. Dezember 1894 (Amtsblätter der Regierungen Münster, ‘Minden und Arnsberg für 189 . . Seite . . . bezw. ... und... und Geseß-Sammlung für 189 . . Nr. . . Seite . . laufende Nr. . L

Auf Grund des von den Herren Ministern des Innern und der O bestätigten Beschlusses des 35. Provinzial-Landtags der Provinz Westfalen vom 20. Februar 1894, beziehungsweise des Provinzial-Aus\chusses vom 14. November 1894 wegen Aufnahme einer Schuld im Betrage bis zu 25 Millionen Mark be- kennt sich der Provinzial-Verband von Westfalen durch diefen, für jeden Inhaber gültigen, seitens des Gläubigers unkündbaren Anleiheschein zu einer Darlehns\{uld von

Mark, welhe an den Provinzial-Verband baar gezahlt worden und mit Prozent jährli zu verzinsen sind. ; Die Bestimmungen des umseitig abgedruckten Regulativs finden auf diese Darlehnsshuld Anwendung. Münster, den Namens des Provinzial-Verbandes der Königlich preußischen Provinz Westfalen. Der Landeshauptmann. Mitglieder des Provinzial-Aus\hu}ses. (Unterschriften.)

falen Blatt . Der Kontrolbeamte. (Unterschrift.)

Anlage II. Reihe : Reihe N. (1 bis 20): / L Nr... (1s 20). Provinz Westfalen

¿0 » LEN Sie - . . « MerDe E : zu dem Anleiheshein des Provinzial-Verbandes der Provinz Westfalen . . « «ter Ausgabe 4 A t Pf M. Uber . …. . Mark . . . Pfg. zu . . . Prozent Zinsen. ___ Der Inhaber dieses Zins\heins empfängt gegen Si Nückgabe in der Zeit vom 189 . . ab die Zinsen des vorbenannten PMeielGens für das Halbjahr vom

“Mit i Ce Ward... Piennig bei der Landesbank der Provinz Westfalen in Münster oder den von dieser bekannt zu machenden Einlösestellen. Münster, den e Namens des Provinzial - Verbandes der Königlich preußischen Provinz

Westfalen. Stempel Der Landeshauptmann. Mitglieder des Provinzial- der Provinz (Faksimile) Ausschusses. Westfalen. N E (Faksimile.) Dieser Zinsschein is ungültig, wenn dessen Geldbetra nicht bis zum 31, Dezember 1. . . . erhoben, oder wenn die Vorderfeite durch- strichen oder eine Ecke abgeschnitten ist.

Anlage IIlI. I. Reibe. Reihe I. Provinz Westfalen. Anweisung zum Empfang neuer Zinsscheine zu dem Anleiheschein des Provinzial - Verbandes der Sonn Westfalen. . « - „ter Ausgabe Buchstabe . …. Nr... l ark zu . . . Prozent Zinsen. Der Inhaber dieser Anweisung empfängt gegen deren Rückgabe zu dem vorbezeichneten Anleiheshein die . . . . Reihe Zinsscheine für die zehn Jahre vom. 1. „bis 1... bei der Landes- bank der Provinz Westfalen in Münster, a von dem Inhaber des Anleihesheins niht rechtzeitig Widerspruch erhoben ist. Münster, den 1 Namens des Provinzial-Verbandes der Königlich preußischen Provinz u Westfalen. Stempel Mitglieder des sa der Provinz Westfalen.

Der Landeshauptmann. (Faksimile.) Ausschusses. (Faks\imile.)

Eingetragen in das Register der Landesbank der Provinz West-

1895.

Deutscher Reichstag. 29. Sißung vom Dienstag, 5. Februar.

Ueber den Beginn der Sigung ist gestern berichtet worden. Nachdem der Antrag Ancker u. Gen. auf - cs neue Ab- grenzung der Wahlkreise von der Tagesordnung abgeseßt worden ist, geht das Haus zu der ersten Berathung der auf die Volksvertretung in den Bundesstaaten bezüg- a E E N dies :

er Antrag des . Dr. Pachnicke (fr. Vg.): Dem Art. 3 der Verfassung den Zusa zu geben : 2

_ eIn jedem Bundesstaat muß eine aus Wahlen der Be- völkerung hervorgegangene Vertretung bestehen, deren ustimmung zu jedem Landesgeset und “zur Feststellung des Staats- aushalts erforderli ift.“ der Antrag der Abgg. Aner u. Gen. (fr. Volksp.) : = pOn sodem Bundesstaat muß eine aus allgemeinen, gleihen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervorgegangene Ver- tretung bestehen, deren Zustimmung zu jedem Landesgeseß und zur Feststellung des Staatshaushalts erforderlich ift.“ und der Antrag der Abgg. Auer u. Gen. (Soz.): „In jedem Bundesstaat und in Elsaß-Lothringen muß eine auf Grund des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts gewählte Vertretung bestehen. Das Recht zu wählen und gewählt zu werden, haben alle über 20 Jahre alten Reichsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts in dem Bundesstaat, in dem fie ihren Wohnsiß haben. Die Zustimmung dieser Vertretung ist zu jedem Landesgeseß und zur Feststellung des Staatshaushalts-Etats er- forderlich.“ __ Abg. Dr. Pachnie (fr. Vg.): Mit der vorliegenden Angelegenheit ist bereits der Reichstag des Morbbeutithen Bundes befaßt E Damals ift ein Antrag, wie der meinige, mit großer Mehrheit an- genommen worden. Cbenfo im Deutschen Reichstag im Jahre 1875. Troßdem ist bis jegt nichts geschehen, und Medcklenburg is noch immer das einzige Glied des Deutschen Reichs, welches bis heute einer Volks- vertretung entbehrt. Nicht allein das; die gesammte staatlihe Ein- richtung entbehrt der Einheitlichkeit und beruht auf den veralteten Grund- lagen von 1735. In Mecklenburg herrscht heute noh das ritterschaftliche Element; zwei Drittel der Bevölkerung entbehren jeder Vertretung und sind in der Gesepgebung völlig rechtlos. Die mecklenburgischen Stände verdienen den Namen eines Parlaments in keiner Beziehung. Wird vielleicht der Geist des zwanzigsten Jahrhunderts stark genug sein, um mit diefen Resten der Vergangenheit aufzuräumen? Es heißt die Mecklenburger demüthigen, wenn man sie niht für fähig hält, ebenso wie die anderen Deutschen an der Leitung threr Geschicke theilzunehmen. Die Beseitigung des Staatsgrundgeseßes von 1849, welches eine Volksvertretung in Aussicht nahm, ist . auf recht8widrigem Wege erfolgt. Das einzige Hinderniß für die Einführung einer neueren Verfassung is die Selbstsuht der Ritterschaft. Die Ritterschaft rühmt ih dessen, was sie für die Bauernschaft in Mecklenburg gethan habe. Freilih besißt Mecklenburg einen in materieller Hinsicht blühenden Bauernstand, aber politisch is} er mundtodt. Anzuerkennen ist, daß die Ständevertretung ein gutes eret geschaffen hat, aber das ift ers auf Andrängen der Liberalen geschehen. Die innere Kolonisation macht keine Fortschritte, weil die Ritterschaft die Regulierung des Erbrechts verhindert. Auch die Entwicklung des Schulwesens hindert die NRittershaft; Mecklen- burg allein kennt noch Lehrer erster und zweiter Klasse. Die Regie- rung hat eine Verbesserung der Lehrergehälter in Vorschlag gebracht, aber die Ritterschaft hat davon noch 50 M4 heruntergehandelt. Der hohverdiente Schulmann, der diese Dinge mit mix bos sprochen_ V, de: D fet man wie bee Maa einer Volksvertretung wirkt es fehlt das mahnende Ge- wissen. Die Verwaltungsorganisation in Mecklenburg sieht eine gewisse Selbständigkeit der Gemeinden vor. Die Ritterguts- besißer aber sind vollständig jedem Einfluß der Gemeinde entrüdt; fie find auf ihren Gütern völlig felbstherrlih. Das Ee und Vereinsrecht ist auf das äußerste eingeschränkt. Die Beschlüsse, welche der Neichstag in der m2cklenburgischen Frage bereits gefaßt hat, werden von den beiden mecklenburgishen Regierungen ignoriert. Es handelt sich niht um Personen, fondern um Institutionen. Die Personen find vielfa ganz wohlmeinend, aber sie hängen alten Vorurtheilen an. Unser Vorgehen wird in Mecklenburg anerkannt; eine Versammlung Nostocker Bürger hat uns ihre volle Zustimmung erflârt. Ein Einwand wird von den Gegnern besonders angeführt; sie erklären, der Parlamentarismus werde neue Steuern nach sich ziehen, und Medcklenburg habe gegenwärtig die geringste Steuer. Ist denn die Einführung einer Verfassung nothwendig mit neuen Steuern ver- knüpft? Gewiß niht. Jn den Motiven zu dem Geseß über die Landeëvextretung von Elsaß-Lothringen ist ausgeführt, daß die Reichs- verfassung es zwar nit ausdrücklich ausspreche, daß sie aber das Be- stehen von Volksvertretungen in allen Bundesstaaten voraus- seße. Der Bundesrath selbst hat am 20. Oktober 1875 ausgesprochen, daß er positiv erwarte, es werde der mecklenburgishen Regierung gelingen, mit dem Landtag eine Einigung über die Schaffung einer _ Volksvertretung zu erzielen. Aber die Versuche scheiterten am Starrsinn der Ritterschaft, und im Jahre 1880 spra der Groß- herzog Friedrih Franz sein Bedauern darüber aus, daß seine Be- mühungen mißlungen feien. Die Schuld an den jetzigen Zuständen trägt also einzig und allein die Ritterschaft. Der jeßige Finanz- Minister Dr, Miquel hat als Abgeordneter einen ähnlichen Antrag, wie den vorliegenden, eifrig unter tüßt; hoffentlich mat er seinen Einfluß im preußishen Staats-Ministerium jetzt in unserem Sinne geltend, um eine Einwirkung auf Mecklenburg herbeizuführen, der au die Ritterschaft sich nicht entziehen kann. Wir werden unsere Be- strebungen fortseßen, wir werden an dem alten Bau weiterrütteln ; einmal muß er do fallen.

Melenburgischer Staats-Minister von Oerßgten:

Der Herr Abg. Dr. Pachnicke hat Jhnen zur Begründung seines Antrags ein Bild von Mecklenburg, der mecklenburgischen Verfassung und der mecklenburgischen Verhältnisse entworfen. Ich überlasse es Ihrem Geshmack, meine Herren, wie weit Sie diese Bilder ver- werthen wollen; für mich sind es alte, gute Bekannte. (Leider! links.) Es sind sozusagen Prunkstücke aus der festlihen Zeit der Neichstags- wahl. (Sehr gut!) Jh selbs versage es mir, Jhnen hier einen Vortrag zu halten über die mecklenburgishe Verfassung und mecklen- burgischen Verhältnisse; denn ih bin der Meinung, daß es nicht Sache dieses hohen Hauses ist, über mecklenburgishe Interna zu entscheiden, und daß die mecklenburgishe Regierung es nicht nöthig hat, dem Neichstag Rechenschaft über ihre inneren Angelegenheiten zu geben! (Hört! hört !)

Das einzige, worüber sich hier streiten lassen könnte, wäre das, ob die mecklenburgishe Verfassung im Einklang steht mit der Neichs- verfassung. Diese Frage ist {hon im Jahre 1869 erörtert und bejaht, also erledigt. Uebrigens scheint Herr Dr. Pachnicke diese Frage auch

nit verneinen zu wollen, denn sein Antrag bezweckt ja eben die Her-