1895 / 33 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

ftellung eines Widerspruchs zwishen der Reihs- und ter mecklen- burgischen Verfassung, um auf diese Weise Mecklenburg zu zwingen, seine Verfaffung zu ändern. Herr Dr. Pachnicke will uns bier eine Brücke bauen zum Parlamentarismus weine Herren, zu eben demsäben Parlamentarismús, von welhém hier noch vor wenigen Tagen ein Kollege des Herrn Dr. Pachnicke sagte: Das ganze Elend und Unglück kommt vom Parlamentarismus (Heiterkeit), wo- jeder nur an. seine eigene Partei und an seine eigenen Interessen, nicht aber an das allgemeine Wohl denkt. Jh will hier nur andeuten, wie zweifelhaft es mir erscheint, ob die verbündeten Regierungen zu einer so weitgehenden Kompetenz- erweiterung des Reichs, wie fie hier geplant wird, die Hand bieten werden. Meines Wissens sind seit der letzten Ablehnung dieses Antrags im Bundesrath weder Verhältnisse noch Thatsachen eingetreten, welhe die Annahme rechtfertigen könnten, daß die verbündeten Regierungen inzwishen anderen Sinnes geworden wären. Ebenso dürften die Ansichten über die be- kannte Frage, ob das Reich kompetent ist, seine Zuständigkeit in der vorliegenden Richtung zu erweitern, dieselben geblieben sein, wie sie früher gewesen find, und davon hängt das Schicksal dieses Antrags ganz allein ab. Es ist au in den früheren Verhandlungen über den- selben Gegenstand, ich meine von dem Herrn Dr. Windthorst, darauf hingewiesen worden, daß si aus diesen: Antrag überhaupt gar nicht er- kennen lasse, welche Art von Wahlen gemeint sind, und was eine aus Wahlen der Bevölkerung bervorgehende Volksvertretung ist. Ein Theil der mecklenburgishen Landtagémitglieder wird von der Bevölkerung ge- wählt, die Landschaft; genügt das etwa Herrn Dr. Pachnie oder sollen alle Mitglieder gewählt werden? Jn diesem Fall würde es im Deutschen Reih unter den Bundesstaaten nur sehr wenige Ver- fafsungen geben, welche vor diesem Antrag bestehen könnten. Das ist eben das Bedenkliche bei diesem Antrag, daß er ein ganz allgemeines Schema für die Verfassung giebt (sehr richtig!), so gewisser- maßen ein Normalkleidungsstück, woran jeder nah Belicben je nach seinem Staatskörper herumschneidern kann. Die Folge davon wird sein, daß die Verfassungsfrage, welhe bisher in Mecklenburg allein bestand, künftig auch in alle übrigen Bundesstaaten wird hinein- getragen werden.

Meine Herren, die mecklenburgishe Regierung lehnt jede Ein- mishung des Reichs in die Verfassungsangelegenheiten der Bundes- staaten auf das entshicdenste ab. Mecklenburg is seiner Zeit ein- getreten mit seiner Verfassung, wie sie jeßt besteht, in den Nord- deutschen Bund und in das Deutsche Reih. Beide Male haben Ver- handlungen darüber stattgefunden, ob die mecklenburgishe Verfassung mit der Reichs- resp. Bundesverfassung in Widerspruch stehe. Diese Frage ift verneint, die mecklenburgishe Verfassung is als gültiges Verfassungsrecht im Sinne der Reichsverfassung anerkannt worden. Wenn es nun im Eingang der Reichsverfassung heißt: „Seine Majestät der König von Preußen u. \. w. {ließen einen ewigen Bund zum Schuße des Bundesgebiets und des innerhalb desfelben gültigen Rechts“, fo wird die zu Recht bestehende Verfassung Mecklen- burg diésem Schuße unterstellt sein. (Sehr rihtig! rechts.)

Die neueren Verfassungsangelegenheiten der Bundesf\taaten, meine Herren, sind im Art. 4 der Reichsverfassung nit zur Kompetenz des Reichs gestellt. Wollte man die Tragweite dieses Artikels so weit ausdehnen, wie es dieser Antrag beabsihtigt, so würde die Stellung der Bundesstaaten in ihren Grundlagen erschüttert werden. (Sehr richtig ! rechts.) Würde man dem Reih die Befugniß zugestehen, über Verfassungsangelegenheiten der einzelnen Bundesstaaten zu ent- scheiden, so würde das einer Mediatisierung der deutschen Bundes- fürsten sehr ähnlih sehen. (Sehr wahr! rets.)

Meine Herren, die mecklenburgishe Verfassung mag ihre Mängel haben; aber welches Gesetz, welche Institution hat keine Mängel ? (Lachen links.) Und bei aller Hochachtung, die ich vor Ihrer parla- mentarischen Verfassung habe, bestreite ih do, daß sie die allein seligmachende ist, und daß ihr niht auch zahlreiche Fehler anhaften. Es ift nicht Mangel an Erkenntniß gewisser Uebelstände, weshalb die Mecklenburger so zähe an ihrer Verfassung hängen, sondern es ist die Erkenntniß, daß sie nur die Fehler wechseln würden. (Sehr aut! rets.)

Meine Herren, ih darf Sie erinnern an ein Wort, welches der Fürst Bismarck bei der erstmaligen Berathung über diesen Antrag hier gebraucht bat; er rieth Ihnen ab, sich in die medcklenburger Ver- hältnisse zu mischen, und sagte:

Eine Verfassung, die durch Jahrhunderte bestanden und einge- wachsen ist in das ganze Volksleben und in die Bevölkerung, läßt sih nit abstreifen wie ein altes Kleidungsstück; sie ist gewisser- maßen zur Haut geworden, die mit ärztlicher Vorsicht getrennt werden muß, wenn nicht der ganze Körper erkranken soll.

Meine Herren, diese Operation scheuen wir nicht; wovor wir ¡urückshrecken, das ist die neue Haut, deren Schäden und deren kranke Stellen ofen zu Tage liegen, da, wo wir noch gesund sind. (Sehr gut! rets.)

Meine Herren, überlassen Sie es den Mecklenburgern, ihre Ver- fassung zu revidieren, wenn sie es für rihtig halten! Der Grundsaß, daß man an dem Bestehenden nit rütteln soll, so lange man nit genau weiß, daß dasjenige, was man an seine Stelle seßen will, abfolut besser ift, hat sid wie ein rother Faden dur alle Verhand- lungen zur Modifikation der mecklenburgischen Verfassung hindurch- gezogen und wird auch bei künftigen Verhandlungen, wenn folche stattfinden follten, als Leitmotiv vorangesezt werden. Wenn Sie die Sache hindern wollen, fo lehnen Sie den Antrag Pacnicke ab und warten Sie, bis Mecklenburg allein das thut, was es für nothwendig hält. (Lachen links. Sehr richtig! rets.)

Meine Herren, dic mecklenburgische Regierung weiß ganz genau, was sie will; sie steuert ihren alten Kurs und läßt sih aus diesem Kurs nicht abdrängen; sie wird, wenn sie die Zeit für gekommen er- achtet, aus eigener Entschließung (Lachen links) das Ruder umlegen. Werfen Sie ihr soviel Anträge Pachnicke ins Fahrwasser, wie Sie wollen Sie s{chädigen damit nur die Anträge, den Kurs nicht! (Bravo! Sehr gut! rets.)

Abg. von Buchka (kons.): Der Antragsteller hat gesagt, daß sein Antrag ein altec Bekannter sei. I kann nicht bebaupten, daß dieser Antrag dadurch, daß er so lange abgelagert ist, besser geworden sei, Der Antrag wird in feiner allgemeinen Hastung auch in anderen Staaten als in Mecklenburg die Verfässungéfrage aufwerfen. Man wird fih fragen, ob die ersten Kammern mit ihm verträglich sind. Wenn man einmal auf dem Wege ift, so kann man ja auch weiter gehen und auch gicich das Wahlgeseg, welhes Fürst Bismarck einmal als das elendeste aller Wahlgesetze

j genannt hat, daß preußische, Anträge Ancker

revidieren. Die und Auer haben

e

vor dem des Herrn“ Pachnicke, immerhin: den Vorzug, daß sie deutlichéë sagèn, Fe sie wollèn. Die Rodi Lis Sineichs f dur die Verfassung genau abgegrenzt. Ein Eingriff in die Ver-

éntspricht. au fit den Verträgen. auf Gruñb derén diz:Eif elf dêm Deutschèn Réih beigetreten sind. Au materiell liegt da Bedürfniß vor. Die mecklenburgischea Stände stehen an Patriotismus und Loyalität keiner Votkover ttetung in Mt sdtaad nach. Die Mit-

edèr der Rechtspartei, obwohl sie persönlih angesehene Leute

, ‘haben politis keinen Einfluß, und “ih telle die Behauptung auf, daß die NReichsgesezgebung in keinem anderen Lande loyaler aufrecht erhalten und gehandhabt wird, als in

ecklenburg. Der Abg. Pachnicke hat eine Reihe von UÜebelständen, welche dort herrschen follen, angeführt. Aber ich will mih anheischig machen, je nach dem Parteistandpunkt aus jedem Bundesstaat eine Reihe unerfüllter und vielleih:r unerfüllbarer Wünsche zusammen- zustellen. Es fehlt jeder Nachweis, daß das Fortbestehen der mecklen- burgischen Stände irgend welhe Gefahr für das Reich mit sich bringe. Die Modifikationen der Verfassung, welche in den siebenziger Jahren aagestrebt worden find und auf die der Abg. Pachnicke Bezug nahm, gingen ja den Herren eben _nicht weit genug; man will Mecklenburg eine konstitutionelle Verfassung aufdrängen in einem Augenblicke, in welhem dec Konstitutionalismus seinen Höhepunkt bereits überschritten hat. Und wie denkt man fih die Ausführung eines folchen Antrags? Soll der mecklenburgische Landesherr eine neue Verfassung ofktroyiren ? Das wäre ein Staatsstreich. Oder sollen Reichstag und Bundesrath eine Verfassung für Medcklenburg aus- arbeiten ? Auch nach dieser Seite betrachtet, flößt mir der Antrag keine besondere Achtung ein. Jch bitte, ihn abzulehnen.

Abg. von Frege (konf.) beántragt, über die drei vorliegenden Anträge zur Tagesordnung überzugehen.

Abg. Singer (Soz.) beantragt darauf: die Debatte zu ver- geg u bezweifelt gleihzeitig die Beshlußfä igkeit

es Hauses.

Der infolge dessen vorgenommene Namensaufruf ergiebt die Anwesenheit von nur 166 Abgeordneten. Das Haus ist demnah nit beshlußfähig.

Präsident von Leveßow bemerkt, däß das Ergebniß ein anderes gewesen sein würde, wenn niht eine Anzahl geordneter beim Namensaufruf den Saal verlassen hätte.

Schluß 43/4 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

12 Sigung vom Dienstag, 5. Februar.

Ueber den ersten Theil der Sißung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Im weiteren Verlauf der Berathung des Etats der Gestütsverwaltung nimmt zu dem Titel: Errichtung eines Zuchtgestüts in Neustadt a. D., das Wort der

Abg. Lamprecht (kons.): Jh bezeuge meine lebhafte Befriedigung über bie neue Einrichtung, die wiederholt von uns gefordert worden ist. Ich bin zwar ein Freund der Körordnung, aber ih muß gestehen, daß mir eine so rigorose Ausführung ihrer Bestimmungen durch die ganze Provinz nicht gefällt. Bei dem feststehenden gang unserer provinziellen Pferdezucht kann i nit billigen, daß man die Bauern in eine einseitige Zucht hineintreibt. Wegen der verschiedenen Boden- verhältnisse der Provinz Brandenburg ist es nit gerathen, nur Armee- pferde zu züten ; es scheint vielmehr angezeigt, auch den {weren kaltblütigen Schlag zu pflegen. Es nuß aber für eine größere An- zahl von Stuten dieses Schlages und für eine Vérmehrung der Deck- stationen gesorgt werden.

Abg. Freiherr von Dobeneck (konf.): Auch ih erhoffe von der Wiedererrihtung des Gestüts in Neustadt großen Nutzen für die Pferdezucht der Provinz Brandenburg. Entgegen dem Herrn Vor- redner, halte ih die Zucht eines warmblütigen, stackknochigen, [eistungs- fähigen Pferdes für diese Provinz für geboten. Wünschenswerth wäre die Einführung einiger Trakehner Stuten. . Eine Kreuzung kaltblütiger Hengste mit unseren Stuten halte ih niht für enipfehlenswerth. Die s\tarkknochigen, warmblütigen Pferdé werden fich nicht nur für die leihte, sondern auch für schwere Kavallerie und Artillerie eignen und dort lohnenden Absaß finden. Die Vermehrung der Landbeschäler begrüße ih mit Freuden, sie ge- nügt aber noch lange nit dem Bedürfniß. Sodann möchte ich um eine Ermäßigung des Dekgeldes bitten, wenn man dasselbe niht ganz aufheben wollte; allerdings müßte in diesem Fall auch dem Staat das Recht zustehen, ungeeignet erscheinende Stuten zurückzuweisen. Die ganzen zur Förderung der Pferdezucht aufgewandten Summen rg zu den fogenannten kleinen Mitteln, die zur Linderung der

oth der Landwirthschaft anzuwenden sind.

Abg. Dr. von Ahenbach (frkons.): Jch muß betonen, daß die Kör- ordnung in der Provinz Brandenburg aus dem Willen und den Be- {lüssen der Betheiligten selbst hervorgegangen ist. Die Körordnung, wie fie heute besteht, is wesentlich eine Arbeit des Landwirthschaft- lihen Zentralvereins. Von einem Druck der Regierung in dieser Frage faun absolut feine Rede sein. Auf eine Anregung des Abg. Lamprecht, vor mehreren Jahren, bat man in der ganzen

rovinz bei allen Stationen angefragt, ob die Körordnung ih bewährt habe. Das Resultat war, daß man, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, übereinstimmend mit der Körordnung zu- frieden war. Jch bin von Anfang an bemüht gewesen, den Wünschen aus den einzelnen Kreisen nahzukommen; ih bin sogar soweit 0e- gangen, einzelnen Wünschen entgegen der Körordnung Rechnung zu tragen, bis der Herr Landwirthschafts-Minister mi überzeugte, daß ih mi auf falschem Wege b-finde.

Ober-Landstallmeister Graf Lehnd orff: Die finanziellen Mittel ständen zur Zeit der Regierung nicht so reihlich zur Verfügung, um allen geäußerten Wünschen sofort Nechnung tragen zu können. Deß- halb fönne mit der Vermehrung der verschiedenen Einrichtungen zu Gunsten der Pferdezuht nur allmählich vorgegangen werden.

Berichterstatter Abg. Freiherr von Erffa empfiehlt namens der Budgetkommission die Bewilligung der geforderten ersten Rate von 180 000 zur Errichtung eines neuen Gestüts in West - C für welhes im ganzen 500 000 Æ in Aussicht genommen eien.

Abg. Freiherr von Plettenberg-Mehrum (kons.): Es herrscht vielfah die Ansicht, als ob die Rheinprovinz nur für die N faltblütiger Pferde geeignet sei. Die dortigen Pferdezüchter ind aber unablässig bemüht, namentlich für ihren eigenen Bedarf

brauchbare Pferde zu züchten, und sie wissen wohl, daß warmblütige Pferde auf dem Acker mehr zu leisten vermögen als faltblütige. Des- halb hege ih den Wunsch, daß auch in der Rheinprovinz der Bestand an warmblütigen Thieren vermehrt werde.

Ober-Landstall meister Graf Loni erklärt, daß die Re-

gierung darauf bedacht sei, auch nach dieser Richtung die Wünsche der betheiligten Kreise nach Möglichkeit zu erfüllen; prinzipiell könne aber keine Versprehung auf Vermehrung der Gestüte gegeben werden, da man sich nah den vorhandenen Mitteln richten müsse.

Abg: Lamprecht (kons.) erkennt die Berechtigung des Wunsches des Abg. Freiherrn von Plettenberg an und bittet nohmals im An- {luß daran für Brandenburg um Berücksichtigung des kaltblütigen Schlages neben dem warmblütigen. :

Es folgt die Berathung des Etats der Domänen- verwaltung. éi Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- tein:

Meine Herren! Jch gestatte mir, bevor wir in den Domänen- Etat eintreten, einige kurze einleitende Bemerkungen.

Zunächst habe ich voörauszuschicken, daß es voreilig sein würde, wenn ih jegt hon bestimmte Gesichtspunkte für Aenderungen in der

sassunogverbäliui e der Einzelstaaten gehört nit zu seinen Koupetene s zweifellos,

zu kein-

bisherigen Verwaltung festlegen wollte. Nichtsdestoweniger will ih einige allgemeine Gesichtspunkte in dieser Richtung hervorheben, welche zu erwägen sein dürften. Meine Herren, ih bin darüber | daß im Vordergrund bei der Domänenverwaltung ter fiskalishe Gesihtépunkt steht; denn es handelt \sih um ein großes Ver- mögen des Staats, und da kommt es wesentlich darauf an, die Einnahmen möglihst hoch zu gestalten. Jch bin daneben aber der Meinung, daß bei voller Aufrechterhaltung dieses fiskalischen Gesichtspunkts eine durhaus wohlwollende, die Interessen der Domänenpäcter berücksichtigende Verwaltung erforderlich ist. Aber, meine Herren, ih bin au der Meinung, daß neben der Wahrung der fiskalishen Interessen auc andere Gesichtépunkte wesentlich in den Vordergrund treten müssen. Meine Herren, die Staatsdomänen sind meiner Meinung nah nit allein dazu da, dem Staat Einnahmen zu gewähren, sondern fie sollen auch dazu dienen, den landwirthschaftlichen Beruf im (anzen Staatsgebiet zu heben ünd zu fördern, und da tritt als erster Gesichtspunkt nah meiner Meinung der in den Vordergrund, daß sie gewissermaßen in großem Maßstabe Demonstrationêwirths{haften sein sollen, auf denen gezeigt wird, wie bei der rihtigen Intelligenz, beim Besiß des nöthigen wirthshaftliGen Vermögens, bei dem Zurverfügungstehen des richtig meliorierten Areals die volle Ausnuzung des Grund und Bodens erzielt werden kann.

Ich bin ferner der Meinung , daß sie in gewissen großen Zügen auch als Versuchsanstalten dienen können. Man wird diejenigen Domänenpächter, die nah dieser Richtung besonders geeignet sind, möglicherweise mit Opfern, die die Staatsverwaltung dafür bringt, veranlassen müssen, neuere Erfindungen, neue Arten der Kultur- methoden u. st. w. anzuwenden; neuere Kulturgewächse versuh3weise ein- zuführen.

Aber, meine Herren, noch ein dritter Gesichtspunkt, tritt nah meiner Meinung in den Vordergrund. Die größeren Domänen follen als Lehranstalten dienen. Sie sollen diejenigen Leute, die als Inspektoren, als Verwalter auf folhen Gütern fungieren, praktisch ausbilden, damit Besitzer, welche selbst wegen der Wahl eines andéren Berufs oder aus andern Gründen niht im stande sind, ihre Wirthschaft selbs zu führen, tüchtige, zuverlässige und erfahrene Wirthschaftsbeamte, an denen es do, wie ih glaube, häufig fehlt, Beamte, wel{hen au die nöthigen theoretischen Kenntnisse zu Gebote stehen, jeder Zeit erbalten können.

Ich bin ferner der Meinung, daß auch Angestellte der Versuchs- oder landwirthschaftlihen Lehranstalten, Lehrer u. \. w. sehr wohl thun, wenn sie vorübergehend in der praktishen Landwirthschaft thätig sind, und hier bieten die Domänen die geeignete Gelegenheit, einen Einblick au in die praktishe Landwirthschaft zu bekommen.

Ich möchte noch einen ferneren Gesihtspunkt in die Diskussion hineinwerfen. Jh glaube, daß es für die Hebung der Tüchtigkeit unserer Verwaltungsbeamten unter Umständen außerordentlih erwünscht wäre, wenn sie, nachdem sie die Staatsprüfungen abgelegt haben falls sie beabsichtigen, in der unteren Verwaltung als Landräthe oder in der mittleren oder höchsten landwirthscaftlihen Verwaltung thätig zu werden —, daß sie, wenn auch vielleihi mit Staatshilfe, durch Zuwendung von Stipendien auf kurze Zeit einmal die Verwaltung einer größeren Domäne kennen lernen. (Bravo!) Das könnte nah meiner Auffassung für die Tüchtigkeit unserer Landräthe- unserer Verwaltungsbeämten nur günstig wirken.

Ich bin dann der Meinung, daß, wenn au bisher {hon \owshl, wie ih glaube, bei den Regierungen wie bei dem Landwirthschaftlichen Ministerium, bei der Verwaltung dieses großen Staatsbesiges hin und wieder hervorragend tüchtige Landwirthe als Berather zu- gezogen sind, es sich dcch empfehlen dürfte, die Jnanspruch- nahme des Rathes hervorragend tüchtiger praktischer Landwirthe und das ist im wesentlihen doch die große Mehrzahl unserer Domänenpähter mehr noch heranzuziehen, sowohl bei den Regierungen in der Abtheilung für Domänen und Forsten, als auch beim Land- wirthschaftlißen Ministerium, wenn wichtige Maßnahmen, seien sie prinzipieller Natur, seien sie Aenderungen der Grundsäße der bisherigen Verwaltung, dort zur Ausführung kommen sollen. Man erinnert fich ja gern dessen, was man in der Vergangenheit gelernt hat. Ich habe eine längere Reihe von Jahren in Hannover beim Ministerium des Innern gearbeitet, wo damals au die landwirth- schaftlichen Angelegenheiten verwaltet wurden, und dort bestand die Einrichtung, daß in allen Fragen der praktishen Landwirthschaft einer der tüchtigsten, hervorragendsten Domänenpächter der Provinz Referent war. Und das hat ganz großen Nuten getragen. Meine Herren, will man das erreihen, so wird, glaube id, darauf zu rihten seien, daß der Domanialbesitz, was bis jeßt nicht der Fall ift, fich möglichst gleichmäßig über das ganze Staatsgebiet ver- theilt. Aus den rückliegenden Erfahrungen glaube ih ganz bestimmt bezeugen zu dürfen, daß diejenigen Landestheile im Westen, die keinen Domanialbesiß haben, im Fortschritt in der Landwirthschaft hinter solhen Landestheilen zurückgeblieben sind, wo größere Domänen als Demonstrationswirthschaften seit lange bestehen. Meine Herren, es is ja zweifellos, daß theoretische Vorträge von Wanderlehrern u. st. w. ihren ganz großen Werth haben. Aber, meine Herren, jeder Landwirth, besonders der mittlere, will aud), nahdem er Theorie gehört hat, ebe cer selbst die Probe auf Exempel macht, sehen, ob das, was ihm theoretisch vorgetragen ist, auch praktisch die rihtigen Erfolge hat. Und, meine Herren, das erreicht man nur, wenn, wie ih vorhin hervorhob, mit größter Intelligenz verwaltete Domänen als Demonstrationswirthschaften in den ver- schiedenen Landestheilen bestehen, wo der Bauer, der kleine Guts- besißer, unter Umständen auch der größere, sehen kann, was man bei etner intelligenten Verwaltung zu erreichen im stande ist. Meine Herren, eine rihtige Vertheilung der Domänen halte ih für wohl ausführbar. Jn den Landestheilen, -wo viele große Domanialbesitzungen sind, würde man vielleiht in Erwägung nehmen können, ob man nit einzelne derselben veräußert und dafür in solchen Landestheilen wieder Domanialbesißungen erwirbt, wo sie bisher fehlen. Nah meiner Kenntniß der Verhältnisse fehlen solhe große Domanial- wirthshaften in einzelnen Landestheilen, bcispielsweise im Fürsten- thum Déênabrück, in- Westfalen, in Rheinland u. f Wi Daß im Rheingau der Besiz der großen Domanialweinberge einen ganz erheblihen Fortshritt des Weinbaues auch in denjenigen Theilen hervorgerufen hat und noch hervorruft, wo der Weinbau sich in dem Besiß der kleinen Leute befindet, is zweifellos.

Endlich möchte ih noch kurz einen Gesichtspunkt ftreifen. Es ist do eigentlich ih will ‘den Ausdruck mal çebrauhhen cine Anomalie, daß die größere Zahl der im Besiy des Staats sih

das Bestreben

befindenden Dorñänen bei dem Landwirthfchäftlihen Ministerium verwaltet wird, und daß ein sehr großer Theil fas gleihartiger Domanialbesißungen, weil sie im Besiß der Stiftungen sind, unter der Verwaltung - des Kultus-Ministeriums stehen. Jh erinnere nur an die vielen Klostergüter, die in der Provinz Hannover ch befinden. Es stellt sih dabei der eigenthümlihe Umstand heraus, daß die Klostergüter nah ganz anderen Grundfäßzen verwaltet werden als die Staatsdomänen. Die Klosterverwaltung hat nech die früheren hannoverschen Verwaltungsgrundsäße aufrecht erhalten, während für die hannovershen und altpreußishen Domänen andere Grundsäße maß- gebend find. Ich habe diesen Punkt nur ganz kurz erwähnen wollen. Ob Veranlassung vorliegt, dieser Frage näher zu treten, muß ih da- hingestellt sein laffen.

Meine Herren, dann gestatte mir noch cinige Zahlen mit- zutheilen, welhe in vershiedenen Nachweisen, die Ihnen übergeben sind, zu allerlei? Betrachtungen Veranlassung geben werden. Es ist Ihnen unter Nr. 16 eine Nachweisung über die Ergebnisse der anderweiten Verpachtung der im Jahre 1894 pahtlos gewordenen Domänenvorwerke mitgetheilt. Daraus ersehen Sie, daß lediglich in der Provinz Sahsen und in der Provinz Hannover eine geringe Mehreinnahme bei der Verpachtung der Domänen erzielt ift, während in der Provinz Oftpreußen ein Ausfall von 1756 , in der Provinz Westpreußen von 14500 iq lasse. die anderen Zahlen fort in der Provinz Brandenburg von 23 900 A, in Pommern von 7100 Æ, in Posen von 12800 4A und in Sgslesien pon 26100 Æ in Schleswig - Holstein von 2500 . M und in Hessen-Nafsau von 5800 ( sich herausgestellt hat. Der Ge- famitausfall gegen die Vorjahre beträgt 93 430 4 Wenn man die Ausfälle bei den einzelnen Provinzen vergleiht, so ersieht man, daß in den Provinzen Westpreußen, Brandenburg, Posen, Schlesien die Folgen der landwirthschaftlihen Krisis {hon klar zu Tage treten.

Meine Herren, ich nehme keinen Anstand, Ihnen aus einer Nah- weisung, die Jhnen gedruckt nicht vorliegt, die sich auf das laufende Jahr bezieht, das Ergebniß dieses Jahres mitzutheilen, soweit das- selbe hon feftsteht. Während der Gesammtausfall pro 1894 93 430 M4 beträgt, wird währscheinlich der Gesammtausfall für das jeßige Jahr nur 75000 #4 betragen. Mehr haben in diesem Jahre die verpahteten Domänen eingebraht in S{hleswig- Holstein rund 800 Æ, in Hannover 6965 4, in Hessen-Nassau 737 M Die Hauptausfälle treffen wieder diejenigen Provinzen, die ih in der vorigen Nachweisung ‘hervorgehoben habe: Ostpreußen mit 3700, West- preußen mit 8500, Brandenburg mit 11 200, Pommern mit 17 100, Posen und Shlesien mit je 4000 und höchst beach- tenswerth, weil darin {hon die Gefahr der Zuckerrübenkrisis in den Vordergrund tritt —: Sachsen mit 34 570 A (Hört! hört !)

Nun, meine Herren, ich nehme keinen Anstand, Ihnen ferner Mittheilungen zu mahen aus einer mir vor- liegenden BZufammenstellung der etatsmäßigen Solleinnahmen, sowie der Einnahmereste an Pachtzins für Domänenvorwerke in den Rehnungsjahren 1873 bis einschließlich 1893/94. Im Jahre 1873 beliefen si diese Einnahmereste auf 430 700 4; dam sind sie mal zurückgegangen auf 368 000 Æ, haben sich auf 454 000 M erhöht, 1876 auf 580000 Æ, 1877/78 auf 667 000 Æ, 1878/79 auf 835 000 M, 1879/80 auf 884 000 Æ, 1880/81 auf 893 000 4; dann find sie mal wieder zurückgegangen auf 744 000 4, auf 669 000 4, auf 459 000 #, auf 532000 # und im Jahre 1885/86 auf 796 000 M; dann haben sie im Jahre 1886/87 1 298 000 4, im Jahre 1887/88 1510000 #, 1888/89 1304000 , 1889/90 1600000 Æ, 1890/91 1395 000 Æ, 1891/92 1539 000 , 1892/93 1458 000 M, 1893/94 1 155 487 betragen, also in dem leßten Jahre weniger als im Jahre 1886/87. Aber, meine Herren, nun muß ih Ihnen die ershreckende Mittheilung machen, daß die Summe von 1155000 Æ, foweit man das bis jeßt überschen kann, \sich wahr- s{einlih um 800 000 Æ in diesem Jahre steigern wird (hört, hört! rets), also um rund 800000 A! Ob von diesem Betrage noch größere Beträge einkommen, weil ja gewisse Summen für das Quartal Januar, Februar, März bis zum 1. April gestundet sind, das kann ih mit voller Klarheit noh nicht übersehen. Wenn aber diese Summe wirklich annähernd rückständig bliebe, so würden wir bei einem geftundeten Betrage von nahezu 2 Millionen Mark angekommen sein, während, wie ich Jhnen mitgetheilt habe, im Jahre 1873 der ganze gestundete Betrag sih auf 430 700 Æ belaufen hat. (Hört! hört! rets. Zuruf rechts: Wird noch viel {limmer!)

Diese Zahlen geben zweifellos zu denken und beweisen : daß die Behauptungen, die ih neulich aufgestellt habe, daß die Lage der Landwirthschaft, namentlich im Osten, eine sehr Fritishe, wenn auch latent kritische sei, daß in Mitteldeutschland, wo der Rübenbau die Hauptrolle spielt, eine sehr akute Krisis eintreten könne, daß auch jeßt {hon anscheinend bei den intelligentest geführten Domanialver- waltungen doch recht gefährliche Erscheinungen zu Tage treten, daß diese meine Behauptungen dur diese Ziffern vollständig bewahr- heitet werden. Wenn Sie sch mal klar darüber werden ih erinnere mich nicht genau, ob ich beim Generalvortrag diese Mittheilungen bereits gemacht habe —, fo liegt die Gefahr nahe, daß, wenn wir genöthigt würden, in den MNüben- bau treibenden Gegenden eine größere Zahl von ODomanial- vorwerken neu zu verpachten, weil entweder die bisherigen Pächter sie nicht aufreht erhalten können oder sie niht aufrecht erhalten wollen, kurzum, weil Umstände eintreten, daß sie ibre Pachtungen aufgeben so würde das unter Umftänden für den Staatéfiskus nah meiner Be- rechnung einen Einnahmeverlust von 3 bis 4 Millionen aus den Domänen- vorwerken bedeuten. (Hört! hört! rechts.) Denn der durch- shnittlihe Pachtzins in denjenigen Gebieten, wo Rübenbau be- trieben wird Magdeburg, Merseburg, Hildesheim, Frankfurt a. O,, Cassel, Hannover, Breslau Verde Ln 7 170 000 M, der Durchschnittspachtzins der Domänenvorwerke in den von mir genannten Regierungsbezirken beträgt, einshließlich der hohen Pacht, welche die Rübendomänen ergaben, 41,51 4 pro Hektar. Würden uun die Domänenpachtungen, auf denen der Rübenbau be- trieben wird, zurückgehen auf denjenigen Betrag, den ih eben durh- hnittlih angegeben habe, so. steht ein bisheriger Durhschnittsbetrag von 81 Æ für die Domänen-Rübenpachtungen cinem durhschnittlißen Be- trage von 41,51 4 gegenüber, also etwa die Hälfte. Nechnen Sie die Hilfte von den oben erwähnten 7 170 000 , fo stellt sich als mögli heraus, daß der Staatsfiskus einen Einnahmeausfall von etwa 2 Millionen an seiner Einnahme aus den genannten Domänen- vorwerken erleidet.

Meine Herren, ih darf diese Mittheilungen damit \{ließen. Ich glaube Ihnen aus den vorgetragenen ftatistishen Erhebungen auch sehr beahtenswerthes Material an die Hand gegeben zu haben für die Beurtheilung der Frage, wie wir im allgemeinen und besonders auch in der Verwaltung unserer Domänenvorwerke stehen. (Bravo! rets.)

Abg. von Schalscha (Zentr.): Die Stetigkeit des Rückgangs der Bodenpréise, die auch aus diesem Etat hervorgeht, deutet nicht auf eine Schwankung in den A, sondern auf eine Verarmung des Landes hin. Wenn die Domänen nicht einmal ihre Anlagekosten decken, wie foll dies dann dem Privatmann mögli sein? Wenn der

err Minister für Landwirthschaft in einer früheren Rede auf die

öglihkeit der Hebung des Getreidebaues hingewiesen hat, so wäre ein tréfflihes Mittel zur Erreichung dieses Zweckes die Samen- züchterei, die so recht zur Aufgabe der Domänen gemacht werden tönnte. Allerdings müßten die Samenzüchter bei ihren Bestrebungen au vor unlauterer Konkurrenz ges{hüßt werden.

Dec Ertrag aus den Domänenvorwerken is mit 13/900 000 M angeseßt. i:

Abg. Seer (nl.) weist darauf bin, daß der Andrang zur Pach- tung von Domänengütern wesentlich naSgelaten habe; es sei dieser Vorgang zu e:klären aus dem erhöhten Antheil an den Baulasten, die der Pächter jeßt gegen früher zu tragen habe, und aus dem An- wachsen der Abgaben. | Í / U

Abg. Ring (kons.) beklagt, daß die Domänenpätter in Höhe der fingierten Grundsteuer zu den Kommunalsteuern herangezogen würden. Ds fei eine Ungerechtigkeit, die abgestellt werden müsse.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein:

Ih möchte darauf nur erwidern, daß ih die Frage in wobl- wollende Erwägung nehmen werde.

Abg. Dr. Yrigd bera (nl.) fragt an, ob die Neuverpactungen von Domänen stets im Wege der Lizitation gesehen. Bei der Domäne Neubeesen im Saalkreis sci es vorgekommen, daß dieselbe bei einer Neuverpachtung, obgleich verschiedene andere s vorhanden gewesen, an den alten Pächter unter der Hand überlassen worden sei.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Semper erwidert, daß die Domîâne Neubeesen mit einer Zuerfabrik, einer Brennerei und einigen Grundstücken zusammenhänge, die dem früheren Pächter, dem {hon seit den fünfziger Jahren dort ansässigen Amtsrath Dietze gehörten. Diese Gebäude konnten nicht wohl von der Domäne gerqut werden, und die Regierung habe sih deshalb gütlich mit Herrn mtsrath Dietze in einem Vertrage geeinigt, der keinesfalls zum Nachtheil des Fiskus geschlossen sei. i i ; :

Abg. Sander (nl.) weist darauf hin, daß auh die Pächter kleinerer Domänen ein hohes Interesse daran haben, die Zuckerrüben zu angemessenem Preise abzusezen. Er möchte darum bitten, möglichst noch in diesem Jahre mit einer Aenderung des Zuckersteuergesetzes vor- zugehen, denn shnelle Hilfe thue noth. Er seße das Vertrauen in den Herrn Landwirthschafts-Minister, daß er alles thun werde, um der be- drängten Lage der Landwirthschaft abzuhelfen. |

Abg. von Riepenhausen (kons.): Daß es der Landwirthschaft, insbefondere den Domänenpächtern {lecht geht, ist von allen Seiten anerkannt worden. Seitens dieser Herren werden insbesondere ver- schiedene Wünsche laut, die ich der Königlichen Regierung zur Berück- sihtigung empfehlen möchte. So wird gewünscht, daß bei den Revisionen der Domänen praktis geshulte Landwirthe mitwirken möchten. Die Regierung will ja den Gesandtschaften landwirth- schaftli®de Attahés zuertheilen: vielleicht könnten diese mit den Revisoren in Verbindung treten, sodaß die Fort- schritte in der Landwirthschaft anderer Länder dadurch den Domänenpächtern zu gute kommen könnten. __Klage- wird ferner geführt über die bisherige Behandlung der Pähhter bei Aus- führung von Drainagen, da hier oft sehr starke Abstricke vorgenommen werden. Weiter hat \sich besonders in den leßten Jahren die Bligtz- gefahr in den verschiedenen Gegenden sehr gesteigert, worauf wohl- wollend Rücksicht zu nehmen ich die Regierung bitten möchte. Bekannt ist, daß das Gold sehr hoh im Preise steht; vielleicht könnte wenigstens, wo es noth thut, ein Theil der Pacht in Getreide gezablt werden; die bayerishe Regierung soll ja hierauf {hon theilweise Nücksicht ge- nommen haben. Endlich aber wäre es vielleiht mögli, die Bildung von Kreditgenossenshaften seitens der Domänenpächter eines Bezirks zu fördern. Reichsbank-Präsident Koch steht, wie er mir gesagt hat, dem Plan fympathisch gegenüber. Mit den Schulze-Deliß\{’shen Kreditgenofsenschaften hat die Reichsbank im Jahre 1893/94 einen Umschlag von etwa 120 Millionen Mark gehabt. Das Inventar der Domänenpächter {äße ih auf 150 bis 200 Millionen, sodaß die Genossenshaften in umfangreiher Weise den Pächtern billiges Geld verschaffen könnten.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein :

Meine Herren! Ih habe keinen Anlaß, auf jeden einzelnen Punkt einzugehen, den der Herr Vorredner hervorgehoben hat; ich bemerke daher nur kurz Folgendes : Die Herstellung von Blitableitern auf den Domänen wird jeßt {on häufig in solhen Bezirken aus- geführt, wo sich herausgestellt hat, daß die Blitgefahr eine größere ist.

Was den zuleßt vom Vorredner hervorgehobenen Punkt betrifft, fo hat der Herr Vorredner persönlih dieser Tage {hon mit mir darüber gesprohen. Ih habe ihm auch persönlih {hon meine An- sicht mitgetheilt. Jch bin der Ansicht, daß dem gar nichts entgegen- steht, wenn die Herren Domänenpächter für zweckmäßig halten, zu einer Kredit- oder sonstigen Genossenschaft si zu vereinigen. Wenn die landwirthshaftlibe Verwaltung sich überzeugt, daß eine solche Genosfsenshaft im Interesse der Pächter liegende zulässige Zwecke verfolgt, so bin ich meinerseits bereit, die Bildung der Genossen- {haften möglihst zu fördern. Auf die übrigen mitgetheilten Punkte gehe ich näher niht ein und verspreche, dieselben forgsam zu prüfen.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Semper erwidert auf eine Anfrage des Abg. Dr. Sattler (nl.), daß in neuerer Zeit die Domänenverpachtungen auf 18 Jahre erfolgen, während früher aller- dings öfter längere Fristen gewählt worden seien.

ZU dem Titel: Einnahmen aus Mineralbrunnen und Bädern, beantragt die Budgetkommission folgende

Resolution anzunehmen:

„Die Königliche Staatsregierung wird ersucßt, Vorsorge zu treffen, daß die zu Heilzwecken dienlichen Mineralwässer, soweit dieselben aus im Staatsbesiy befindlichen Quellen gewonnen werden, zu einem mäßigen Preise an die Konsumenten abgegeben werden müssen, und daß bei dem Bezuge dieser Mineralwässer im Wege des Zwischenhandels der Verkauf- derselben zu mäßigen Preisen möglich\ gesichert werde.“ :

Abg. Schaffner (nl.) klagt darüber, daß infolge Verpachtung der Mineralbrunnen zu Niederselters, Fachingen und Geilnau die Krugbäcker zu sehr der Willkür der Pächter aus eseßt seien. Früher habe man die Wässer direkt von den Brunnen beziehen können, jeßt müsse man si erst an die von den Pächtern errichteten Niederlagen wenden. Für die Resolution bitte er zu stimmen. Namentlich der Fadinger Brunnen habe si einen Weltruf errungen und [leiste vor- zügliche Dienste gegen Gicht und ähnliche Leiden. Es habe ihn ge- freut zu hören, daß die Beshwerden {on zu den Ohren des Ministers gekommen, und daß Schritte zur Abhilfe eingeleitet seien.

Bei dern Einnahmeposten aus dem Seebade Cranz in Ostpreußen bittet

Abg. Dr. Kran (b. k. F.), von dem Verkauf dieses Bades, wie er in Ausficht genommen fei, Abständ zu nehmen oder, sollte ein Kauf- vertrag {hon abgeshlofsen sein, diesen rückgängig zu machen.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Teßlaff erwidert, daß der Verkauf des Bades an die Gemeinde bereits abgeschlossen sei, und zwar keineswegs zum Nachtheil der leßteren. Man könne hoffen, daß es der Gemeinde jeßt möglich sein werde, aus den Einnahmen des Bades die bisher unerfüllbaren Bedürfnisse in Bezug auf Kanalisation und Wasserverforgung zu befriedigen. Die Verwaltung des Bades sei sehr einfah und bei der Gemeinde in durhaus guten Händen.

Abg. Dr. Lotichius (nl.) bittet den Minister, dafür zu sorgen,

pel bei der Ausarbeitung eines neuen Wassergeseßzes die Scchuß- bestimmungen, die die Erhaltung der Heil- und Badequellen speziell in Naffau bezwecken, bestehen bleiben. ._ Abg. von Strombeck (Zentr.) erklärt ih mit der Resolution einverstanden, verspricht si aber davon vorläufig keinen praktischen Erfolg, weil die Regierung dur Pachtverträge gebunden sei. Es wäre wünschenswerth, daß diese Verträge dem Hause vorgelegt würden. Die Pächter müßten verpflichtet werden, über einen bestimmten arimal- verkaufspreis nicht hinauszugehen. :

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Jäger hält eine derartige Be- dingung für kaum durhführbar und {wer fontrolierbar. ollte aber wirklich in rigoroser Weise eine Kontrole ausgeübt werden, fo sei zu befürhten, daß die Pächter sich ganz von der Pachtung der Mineralwässer abwenden und der Fiskus hohe Einnahmen verliere. Die Schußbestimmungen für die Heil- und Badeguellen aufrecht zu erhalten, liegt im eigenen Interesse der Domanialvetwaltung; sie habe au hon darauf hinzielende Anregungen gegeben.

Abg. Cahensly (Zentr.) bittet, dahin zu wirken, daß den Be- wohnern von Selters und Umgebung“ das Mineralwasser aus den dortigen Quellen zu ermäßigten Preisen geliefert werde.

Die von der Budget-Kommission vorgeschlagene Resolution wird hierauf fast einstimmig angenommen.

Bei dem Titel: Ausgaben für Erhaltung von Gebäuden und Neubauten auf Domänen beklagt der

Abg. Sieg (nl.), daß die Bauten auf den Domänen im Vergleich zu den hohen Kosten niht der Neuzeit entsprächen. Den Minister bitte er, Assessoren niht auf Domänen zu senden, denn diese kämen mit fertigen Ansichten dorthin und nähmen keine neuen Jdeen mehr in sich auf. Als Wanderlehrer wären besser Besitzer als nur theoretisch gebildete Lehrer zu verwenden.

f Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- tein:

Es ist von verschiedenen Seiten des Hauses die Behauptung auf- gestellt, daß Mißstände in der Bauverwaltung liegen. Jh bin zu kurze Zeit in der Verwaltung, um mir ein Urtheil darüber zu ge- statten. Ich bin bereit, im Laufe der Verwaltung zu prüfen, ob und inwieweit diese Beshwerden berechtigt sind. Jm übrigen weise ich darauf hin, daß unzweifelhaft nicht zu verhindern sein wird, daß eine große Staatsverwaltung theurer baut als der Privatmann. Diefelbe Erfahrung werden Sie in allen öffentlichen Verwaltungen, bei den kommmunalen, bei den Provinzialverwaltungen, bei den Staatsverwaltungen machen. Es liegt das an der bureaufkratischen Organisation; dagegen anzukämpfen ist unmöglich. Gewisse Unter- shiede bestehen allerdings. Jch glaube, daß die Kommunalverwaltungen wieder billiger bauen als die staatlihe Verwaltung. Indeß muß ich unsere Baubeaniten gegen die nicht spezialisierten, allgemein gehaltenen, fehr sharfen Vorwürfe in Schuß nehmen. Alle preußischen Beamten thun ihre Pflicht, und ich ersuhe, nicht weiter spezialisierte, nicht weiter begründete Vorwürfe gegen ganze Kategorien von Staats- beamten nit zu erheben.

Abg. Dr. Gerlih (fr. kons.) O e Einfachheit beim Bau der Arbeiterhäuser walten zu lassen. an baue die Räume der Wohnungen fo hoch, daß fie si nur hwer heizen ließen, was wiederum auf Kosten des Domänenpächters geschehe, der mebr He!zmaterial liefern müsse. Die Demonstrationswirthschaften müßten zeigen, wie man billig und zweckmäßig baue.

5 Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- tein: 2

Meine Herren! Fch glaube diesen Ausführungen zum theil ent- gegentreten zu müssen. Ich glaube, daß, wenn man etwas für den Arbeiterstand thun will, das, was man zunächst thun muß und auch thun kann, das ist, daß man ihm den jeßigen Ansprüchen entsprechende, gesunde, ausgiebige Wohnungen saft. Ih möchte glauben, daß, wenn auch vorübergehend noch einzelne Arbeiter fest an den alten Einrichtungen der Gebäude kleben, fie doch, wenn sie erst einmal furze Zeit in besseren Arbeiterwohnungen zuge- bracht haben, die Wohlthat des besseren Wohnens \o ent- schieden empfinden, daß sie allerdings, wie der Herr Vorredner gesagt hat, darauf drängen werden, daß, wenn auf den Domänen bessere Wohnungen gewährt werden, dies au auf anderen Gütern geschieht. Meine Herren, diese Erfahrung habe ih auch persönlih gemacht. In meiner engeren Heimath bestanden in dem inneren Ausbau der Woh- nungen, namentlich der Schlafräume, geradezu gesundheitsgefährliche Einrichtungen, namentlich waren dies in die Wände eingemauerte Swhlaffchränke, welhe au zur Verwahrung von Kartoffeln, Ge- müse u. \. w. dienten.

Als man aus sanitären Gründen anfing, diese Einrichtung zu beseitigen, da haben diese Leute mit Hand und Fuß sih dagegen gewehrt; aber nahdem sie einmal die besseren Einrichtungen kennen gelernt und gesehen hatten, wie viel gesunder die neuen Einrichtungen waren, hat man bald die neuen Einrichtungen vorgezogen. Ebenso war es mit dem Oeffnen der Fenster. Keiner wollte in einem Haus wohnen, wo die Fenster geöffnet werden konnten. Jett verlangt jeder, daß dic Fenster zu öffnen sind, daß die Wohnräume von den Schlaf- räumen getrennt werden u. \. w. Ich meine, eine der wichtigsten Aufgaben der Staatsverwaltung ist die, daß sie in ihren Betrieben mustergültige Einrichtungen in dieser Beziehung trifft. Wenn sie das nicht thäte, so würde jedenfalls den Intentionen Seiner Majestät des Königs, der in dieser Beziehung bestimmte Anordnungen ertheilt hat, nicht entsprohen. Uebrigens halte ich es auch für richtig, so zu verfahren. Jch werde in meiner Stellung darauf hinwirken, daß in den Arbeiterwohnungen nicht ein Zusammenhäufen vieler Fa- milien in einzelnen großen Arbeiterkasernen stattfindet, wie das viel- fah auf Domänen und bei Privatbesißungen noh geschieht ;) ich werde mich bemühen, in dieser Beziehung den berehtigten Ansprüchen der Arbeiterbevölkerung in vollstem Maße gerecht zu werden. (Bravo! rets.)

Damit ist der Etat der Domänen erledigt.

Die weitere Berathung wird um 4 Uhr auf Mittwoch 11 Uhr vertagt. (Fortseßung der zweiten us des Etats: Forsten, auswärtige Angelegenheiten, Lotterie, Staats- archive, kleine Etats.)