1895 / 40 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 14 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Laufende Nr.

Gegenstand der Besteuerung

p. H.

Berechnung der Stempelabgabe

SEgennand der Besteuerung

Laufende Nr.

‘oder Bescheinigungen niht öffentliher Sparkassen eibeit bewilligt werden, wenn fie gemeinnützige Zwecke

kafsenbü Sade verfolgen;

c. für Kommunalverbände, Kommunen oder Korporationen ländlicher oder ftädtisher Grundbesißer oder Grundkredit- und Hy- thekenbanken ausgestellte Schuldverschreibungen, auf Grund deren reichsftempelpflihtige Re nten- und Schuldverschreibungen demnächst ausgereicht werden.

II. Der Antrag auf Eintragung einer Hypothek oder Grund- \{uld oder einer wiederkehrenden Geldleistung im Grundbuche oder einem für folche Eintragungen bestimmten öffentlichen Du...

sowie der Antrag auf Eintragung der Verpfändung einer Hypothek oder Grundschuld oder einer wiederkehrenden Geldleiftung durch den eingetragenen Gläubiger in Büchern der bezeichneten Art .. ,

Die Vorschriften der Tarifftelle , Abtretung von Rechten“ fünfter bis einshließlih siebenter Absatz finden sinngemäße Dee Sicherstellung von Nechten, Beurkundungen darüber, wenn der Werth der fichergestellten Rechte

600 Æ nicht übersteigt L v

ici R s

bei einem höheren Betrage

ist der Werth der sichergestellten Rehte nicht shäßbar . .

Befreit sind:

a. Urkunden über Dienstkautionen der Beamten öffentlicher Behörden ; E i

b. in Schuldverschreibungen zur Sicherheit der Schuldver- pflihtung vom Schuldner abgegebene Erklärungen ;

c. Urkunden über Sicherstellungen der Vormünder 58 der Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875, Geseßsamml. S. 431). Standeserhöhungen und Gnadenerweise, landesherrliche.

a. Standeserhöhungen für die Verleihung der Herzogswürde ürstenwürde rafenwürde L 5 Freiherrnwürde S e V ZIDeIS

Wenn in obigen Verleibungen mehrere Seitenverwandte mit aufgenommen werden, so wird für jeden Seitenverwandten die volle Taxe besonders erhoben. E

Die vorstehend festgeseßten Beträge werden au erhoben, wenn eine Standeserböhung aus Anlaß oder bei Gelegenheit einer Adoption oder Legitimation stattfindet.

Für Anerkennung und Bestätigung einer von einem auswärtigen Fürsten verliehenen Standeserhöhung eines Inländers werden die obigen Sätze erhoben. :

Für die Verleihung des preußischen Adels an einen ausländischen Adligen kommt die Hälfte des für die Verleihung der betreffenden Adels\tufe vorgeschriebenen Stempels in Ansaß.

Für sonstige nachträgliche Aenderungen oder Ergänzungen der bezüglih einer Standeserhöhung getroffenen Bestimmungen wird, sofern keine anderen Vorschriften Anwendung finden, ein Fünftel Me E OuEs für die betreffende Standeserhöhung in Ansatz gebracht.

b, Wappenvermehrungen und Wappenänderungen

ein Achtel der Sätze zu a.

Erfolgt die Wappenvermehrung und Wappenänderung in Ver- bindung mit einer Standeserhöhung, so kommt außerdem der für leßtere vorgesehene Stempelbetrag zur Erhebung.

c. Grhebung eines Inbegriffs von Gütern zu einer Standes- herrshaft, einem Herzogthum oder Fürstenthum

a. Verleihung des Patents

für einen Kammerjunker « » Kammerherrn _ sofern legterer vorher Kammerjunker war

e. für die Verleibung von Titeln an Privatpersonen . . .. Statuten von Gesellschaften, Vereinen u. \. w., s. Gesellshaftsverträge, Buchstaben f.

Strafbescheide der Finanz- und Polizeibehörden, sofern die Strafe einschließlich des Werths der eingezogenen Gegenstände 15 Æ oder eine dreitägige Haft übersteigt Tauschverträge \. Kaufverträge. . Taxen von Grundstücken, insofern sie wegen eines Privatinteresses unter Aufsicht einer öffentlihen Behörde aufgenommen werden . . Testamente f. Verfügungen von Todeêwegen. ; Verfügungen von Todeswegen aller Art, auch in Form von Verträgen Vergleiche | Ist jedoch dur den Vergleih ein unter den Parteien bisher nicht in ftempelpflihtiger Form zu stande gekommenes Nechtägeschäft anerfannt oder im wesentlichen aufrecht erhalten oder ein ander- weites Rechtégeshäft neu begründet worden, so ist zu dem Ver- leihe, wenn diese Geschäfte nach dem gegenwärtigen Tarif einem böberen ais dem für Vergleiche verordneten Stempel unterworfen find, dieser höhere Stempel zu verwenden. : Befreit sind die von Schied8männern und Gewerbegerichten auf- genommenen Vergleiche, sofern niht die Vorauésetungen des vorher- _ gebenden Absatzes Anwendung finden. L BVerlängerungen; Beurkundungen über Verlängerungen der Rechts- geschäfte find wie Beurkundungen neuer Rechtsgeshäfte zu ver- euern. Wenn in einer Urkunde bestimmt ist, daß ein Rehtsverbältniß unter gewiffen Vorausseßungen als verlängert gelten soll, fo ift für die hiernach eintretenden Verlängerungen derselbe Stempel zu ent- richten, als wenn diese shriftlich beurkundet wären. 4 Verleibungen des Bergwerkseigenthums, Urkunden darüber (§8 22 fg. des Allgemeinen Berggeseßes für die preußishen Staaten vom 24. Juni 1865, Geseß-Samml. S. 705) Verpflichtungéscheine, kaufmännische, s. Schuldverschreibungen, Er- mäßigungen, Buchstaben b. iy S Versicherungspolicen, eins{hließlich der Policen über Versicherungen auf den Lebensfall oder den Fall der Verheirathung, wenn der Werth ter auf Grund der Policen zu zablenden Prämie 2 ä nicht übersteigt =- O A o

300 M von dem böberen Betrage i Befreit sind Tranéportversicherungspolicen. / Bei Versicherungen auf bestimmte oder unbestimmte Zeit oder auf die Lebenszeit eines oder mehrerer Menschen is der steuer- pflihtige Gesammtwerth der zu zahlenden Prämie nah den Bestim- mungen des § 6 dieses Gesetzes zu berechnen. Ift die Prämie unbe-

flimmt, so kommen die Regeln des § 8 dieses Gefeßes zur Anwendung.

L

der einzutragenden Summe oder des Mes derGeldleistung; der Summe, für welche die Post verpfändet wird, wenn diese Summe gerin- ger ist, als die Summe oder der Kapital- werth der ver- pfändeten Post ; fonft der leß- teren Summé oder des Kapi- talwerths.

des Werthes der zu zahlenden ämie in Ab- tufungen von je 90K.

Police nit ausgestellt wird, wie Policen zu behandeln. Verträge,

Wenn jedoch die Verabredung über die Aufhebung Beseitigung des früheren Vertrags fih als eine in diesem besonders aufgeführte Verhandlun

Vorschriften dieses Tarifs unterliegt.

richtenden Werthstempel aus Billigkeitsrücksichten bis auf . ermäßigen ;

wendung kommt ist eine Gegenleistung niht verabredet Ein auf unbestimmte

Jahr abgeschlofsener. Befreiungen : a. Lehrverträge, b. Verträge, durch welche Arbeits- und Dienstleistung

Vollma@hten, Ermächtigungen und Aufträge: zur Vornahme von Geschäften rechtliher Natur für den Voll geber, wenn der Werth des Gegenstandes der Vollmacht 500 M nicht übersteigt 1000 A 3 000 M 6 000 M 10 000 M 15 000 Æ bei einein höheren Betrage wenn die Vollmaht zur Vornahme aller oder gewisser Gat

Natur aufgetragen habe, sind wie Volimachten zu versteuern.

stehende Personen

sonstigen Rechtsgemeinschaft

für die Versteiglasser oder für die Ansteigerer die Aufla erflärung abzugeben und für die Ansteigerer die Eintragu

ficht auf die Anzahl der Betheiligien und der abzugebend Élärungen nur einmal in Ansatz zu bringen, sofern nah Inh

agen nach Ablauf des Tages, an welchem der Zuschlag beschränkt wird.

Substitutionen bei Prozeßvollmahten sind stempelfrei, über die ursprünglihe Vollmacht eine vorschriftsmäßig ver

Vorrechtseinräumungen (Prioritätszessiouen)

zuschaffen hat, sind, ern leßteres in der Herstellung bew Sachen besteht, wie Lieferungéverträge unter Zugrundelegu für das Werk bedungenen Gesammtpreises zu versteuern.

wegliche Sache, so ist der Werkverdingungsvertrag fo zu ver als wenn über die zu dem Werk erforderlihen, von dem Unter

gungen nnd Befreiungea“ dieser Tarifstelle

leistung ein dem Steuersaß der _ 2 unterworfener Arbeitsvertrag abgeschlossen wäre.

nicht vorgenommen ist, der höchste Steuersayz zu entrichten i Wiederaufhebung von Verträgen, \. Verträge Ziffer 1.

welche die Zeugnisse ertheilen, versehen find

Befreit sind : oder ein Paß (Neise- oder Leichenpaß; werden foll; : b, Zeugnifse aller Art, welhe von Beistlihen in Be kirhlihe Handlungen ertheilt werden, inébefondere Geburts-, Aufgebots-, Ehe-, Trau-, Todten- und Beerdigungsscheine;

nufse von Wohlthaten, Stiftungen und anderen Bezüg

Beerdigungskosten, Wittwen-

vaten Kassen und Anstalten eingereiht werden müssen; geführten Genehmigungen u. \. w. erforderli find.

Staatsbehörden betrieben werden ;

ordnung vom 14. März 1879 (Gejeß-Samml. S. 249).

freiheit nur dann ein, wenn der dieselbe begründende Zweck Urkunde hervorgeht. Wird von den Attesten zu anderen

80] Zuschlagsbescheide, wie Kaufverträge ; |. diese.

Versicherungsverträge, auf Grund welcher eine ftempelpflihtige nd in Betreff der Stempelpflichtigkeit

1) durch welche ein früberer Vertrag lediglih aufgehoben wird

darstellt, so kommt derjenige Steuersaß zur Anwendung, welhem die Verabredung nah den

Der Finanz - Minister kann in besonderen Fällen den zu ent-

2) über sonstige vermögen®êrechtlihe Gegenstände, wenn eine Gegenleistung verabredet ist und keine andere Tarifstelle zur An-

Zeit oder auf Kündigung abgeshlossener Vertrag gilt in Betreff der Stempelpflichtigkeit als ein auf ein

bestimmte oder unbestimmte Zeit gegen zu gewissen Zeiten wieder- kehrendes Entgelt (Lohn, Gehalt und dergleichen) versprochen werden, wenn der Jabresbetrag der Gegenleistung 1500 A nicht übersteigt. Vokationen der Geistlihen und Schullehrer, wie Bestallungen ; \. diese.

von Geschäften für den Vollmachhtgeber ermächtigt (General- vollmacht) und der Werth des Gegenstandes 15 000 Æ übersteigt . ist der Werth des Gegenstandes der Vollmacht niht s{hägbar Schriftstücke, in welchen jemand einem Dritten gegenüber erklärt, daß er einem anderen die Vornahme einer Angelegenheit rechtliher

Zu Vollmachten, in denen mehrere, niht in einer Erb- oder einen Bevoll- mächtigten bestellen oder eine Person mehrere, nicht zu gemein- \chaftliher Vertretung berufene Bevollmächtigte bestellt, is der Vollmachtstempel so oft zu verwenden, als auf Seiten der Voll- m oder der Bevollmächtigten Personen vorhanden sind. enn bei einer gerihtlichen oder notariellen Versteigerung durch die Kaufbedingungen oder durch besondere Erklärungen be- stimmte Perfonen bevollmächtigt werden, nach erfolgtem Zuschlage

Steigpreise zu bewirken, so ist der Vollmachtsstempel ohne Rück-

Prets olls die Vollmacht auf einen Zeitraum von längstens drei

steuerte Vollmachtsurkunde vorhanden und dies auf der Substitutions- vollmacht vermerkt ist, sie auch nicht in einer na diesem Tarif einem befonderen Stempel unterliegenden Verhandlung ausgestellt find.

Werkverdingungsverträge, inhalts deren der Uebernehmer auch das Material für das übernommene Werk ganz oder theilweise an-

Handelt es sih bei dem verdungenen Werk um eine nicht be-

anzuschaffenden beweglihen Gegenstände in demjenigen Zustande, in welchem sie mit dem Grund und Boden in dauernde Verbindung gebracht werden follen, ein dem Steuersaß der Tarifstelle „Kauf- und Tauschverträge“ Buchstabe c oder der Ziffer 3 der „Ermäßi- s unterliegender ieferungsvertrag und außerdem S des Werthes der Arbeits-

arifstele „Verträge“ Ziffer 2

Die Vorschrift des § 10 dieses Geseßzes findet entsprehende An- wendung dergestalt, daß, insoweit eine Trennung des Gesammtpreises

Zeugnisse, amtliche in Privatsachen, au nit unterschriebene, fofern sie nur mit der amtlihen Firma der Behörden oder Beamten,

Beurkundungen der Gerichtsvollzieher nach § 17 der Hinter- legung8ordnung vom 14. März 1879 (Gesez-Samml. S. 249). .

a. Zeugnisse, auf Grund deren ein anderes amtliches Zeugniß [ Paßkarte) ausgestellt

c. Zeugnisse, welhe zum Nachweise der Berechtigung zum Ge-

hilfsbedürftige Personen dienen follen oder welhe wegen Zahlung von Wartegeldern, Pensionen, Unterstüßungsgeldern, Krankengeldern, und Waisengeldern und ähnlichen Kosten und Geldern als Rechnungsbeläge bei öffentlihen oder pri-

d. Führungszeugnisse, insoweit sie niht zur Erlangung der in den Tarifstellen „Eclaubnißertheilungen*“ und „Lustbarteiten“ auf-

Den Führungszeugnissen stehen gleiche Zeugnisse über geleistete Arbeiten in Anstalten, welhe von unmittelbaren oder mittelbaren

e. Beglaubigungen von Anträgen und Verhandlungen die nah ibrem Inhalt auss{ließlih zu einer Eintragung oder Löschung in öffentlichen, das Eigenthum und die Belastung von Grundstücken und selbständigen Gerechtigkeiten feststellenden Büchern erforderli find ;

f. Beglaubigungen von Unterschriften der Gesuche um Aus- zahlung hinterlegter Gelder nah § 25 Abs. 2 der Hinterlegungs-

In den unter a und c bezeichneten Fällen tritt die Stempel-

R Gebrauch gemacht, so ift der Stempel nachzuverwenden.

oder Tarif

en auf

macht-

A A E

S

tungen

= r S | cue s

fungs- ng der

en Er- alt des

erfolgt,

fofern

eglicher ng des

steuern, nehmer

t.

¿ug auf Tauf-,

en für

aus der Zwedcken

(Sd{luß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich

M 40. |

Zweite Beilagae

Berlin Donnerstag, den 14. Februar

(Schluß aus der Ersten Beilage.) ? Tabelle

Preußischen Slaats-Anzeiger.

1895.

über den gegenwärtigen Kapitalwerth einer Rente oder Nußung im Werthe von 1 X auf eine bestimmte Anzahl von Jahren bebufs Berechnung der davon zu entrihtenden Stempelsteuer.

Kapitalwerth Kapitalwerth M | S | M

Kapitalwerth

(Zu § 6 des Geseßzes.)

Kapitalwerth

| Kapitalwerth M P) F el

Anzahl | der Jahre |

Kapitalwerth A Jahre

Anzahl der

Kapitalwerth A | S

| Kapitalwerth E M

76,0 15 38,5 15 98,6 t 16 96,3 16 11,8 16 65,2 17 16,6 17 65,9 17 13,4 18 59,0 18 02,9 18

b O D 0 D C! if C0 ED bek O 00 J =J D O i 5 I s a

brd puamdk

| î

| 14,8 54,9

| 41,1 72,0 57 24,7 | 66,5 88,5 58 62,2 | | 90,8 04,3 59 98,3 [+143 19,5 60 33,0 | 36,8 34,2 61 66,3 | 58,5 48,2 62 98,4 793 c 61,8 63 29/0 | 99/3 748 64 58,9 | 18,6 9 87,3 65 87,4 F371 | 99,3 66

Î

| 10,9 24 |122| 78 | 2 | 780 | 22/0 24 | 194 |- --79 --+ 24

| 24 i

| 2 | | % | | |

43,0 24 33,0 81 52,8 24 39,5 82 62,4 24 45,6 83 TL5 24 51,6 84 80,3 24 | 57,3 [und mehr. 88,7 24 62,8 96.9 24 | 68,0 l TBiL

| | 32,7 24 | 264 | 80 | |

04,7 24

Deutscher Reichstag. 36. Sißung vom Mittwoch, 13. Februar.

Ueber den Beginn der 2 ist gestern berihtet worden. Zweiter Gegenstand der Tagesordnung ist die Fortsezung ver ersten Berathung des Antrags Pachnicke, in jedem Bundesstaat eine aus Wahlen der Bevölkerung hervor- egangene Vertretung einzuführen, deren Zustimmung zu edem Landesgeseß und zur Feststellung des Staatshaus- halts erfórderlih ist. Die Abgg. Ancker u. Gen. wollen für die Wahlen das allgemeine, gleihe und direkte Stimmrecht mit. geheimer Abstimmung vorschreiben, und die Abgg. Auer u. Gen. beantragen die fernere Er- weiterung, daß das Wahlrecht mit dem vollendeten 20. Lebens- jahre beginnen und auch den Frauen zustehen soll. Abg. Dr. von Frege (kons.) beantragt, über sämmtliche drei Anträge zur einfaheñ Tagesordnung überzugehen. Dieser An- trag ift vorläufig zurückgezogen. _ Abg. Richter (fr. Volksp.) : Der mecklenburgische Bevollmächtigte sien in der früheren Berathung der vorliegenden Anträge die Kom- petenz des Reichs zur Einwirkung auf Mecklenburg behufs Einführun einer Volksvertretung bestreiten zu wollen. Thatsächlich hat das Reich aber gerade mit Rücfsiht auf Mecklenburg {hon wiederholt seine Kompetenz erweitert, so beim Wahlgeseß und bei der Anerkennung der Gleichberehtigung der Konfessionen. Wenn man gegen den Antrag Pachnike einwendet, derselbe bestimme nicht, welhes Wahlrecht in den Bundesstaaten, also auch in Mecklen- burg gelten solle, so hilft der Antrag Ancker und Genossen diesem Mangel dadurch ab, daß er die Einführung des Reichswahl- rehts verlangt. Wir beschränken uns nämlih niht auf Melenburg mit unserem Antrage, sondern fassen au Preußen ins Auge. Der Abg. von Buchka hat sih auf die Erbweiéheit berufen, die in der jezigen mecklenburgishen Verfassung sich darstelle. Die jeyige Ver- fassung in Medlenburg ist nihts weiter als eine Zwangsjacke, die dem mecklenburgischen Volke durch Reichsgewalt aufgezwungen worden it, Im Jahre 1848 seßte König Friedrih Wilhelm IV. von Preußen es gegen den illen des Großherzogs von Medcklen- burg durch, daß die von diesem geplante Verfaffung mit Volks- deiretung nicht eingeführt wurde. Durch eine Einwirkung von außen, die der Finanz-Minister Dr. Miquel einmal als eine brutale Tergewaltigung bezeichnete, ist die Herstellung einer Volksvertretung in Mecklenburg verhindert worden, ähnlih wie im Anfang des Jahr- hunderts das Kammergeriht in Weßlar die Ansprüche der mecklen- burgischen Junker gegen das Volk wahrnahm. Nachdem so ¿weimal die Einführung einer Volksvertretung in Mecklenburg derhindert worden ist, wäre es wohl an der Zeit, einmal den Einfluß des Reichs zu Gunsten einer wirkliche Verfassung in Mecklenburg geltend zu mahen. Der mecklenburgische Bevollmächtigte meinte, man solle es den Mecklenburgern überlassen, wann und wie sie ihre Verfassung ändern wollten. Ich bestreite, daß der Herr Bevollmächtigte hier als Vertrauensmann des mecklenburgi- hen Volks auftreten kann; er ist nur der Vertrauensmann der medcklenburgischen Regierung. Nach der NReichsstatistik find zwei Drittel der mecklenburgishen Bevölkerung für unscrn Antrag. Der Abg. von Buchka meinte, der Parlamentarismus sei im Niedergang. Was ift dann im Aufgang begriffen ? Etwa der Feudalismus oder der Abso- lutismus ? * ollen Sie russishe Zustände als erstrebenswerth binstellen ? _Der Herr Bundesbevollmächtigte hat mit besonderem Selbstbewußtsein erklärt, in Mecklenburg bleibe der Kurs der alte. Dieses Selbstbewußtsein ist historish auch nit begründet. Im März 1848 verbot die Regierung den Behörden, Petitionen zu Gunsten einer Verfassung anzunehmen, aht Jahre später stellte sie sich selbst an die Spige der Bewegung aus Furcht, sonst von den Wellen über Bord gespült zu werden. Aus eigener Kraft ist niemals die mecklen- burgische Verfassung aufreht erhalten worden, sondern man hat immer an die Neichsgewalt appelliert. Deshalb haben wir ein historisches Recht, auch heute an die Reichsgewalt zu appellieren, um das früher egangene Unrecht wieder gut zu maden.

Abg: Bebel (Scz.): Unser Antrag unterscheidet sich von dem der Freisinnigen Volkspartei durch die Forderung der Herabsetzung des wablberehtigten Alters auf 21 Jahre und des Frauenwahlrechts. nser Antrag hat aber niht nur Mecklenburg im Sinn, sondern au le übrigen Bundesstaaten, insbesondere Preußen, dessen „elendes“ Wakhlsystem durch die Steuerreform noch \{chlechter geworden

Die Zentrumspartei zeigt für das allgemeine Wakhl- recht eine platonische Neigung; in Bayern hat ‘vom Zentrum vas der Abg. Schädler für unseren Antrag gestimmt,

er einzige, der auch bei anderen Gelegenheiten gezeigt hat, daß er f cmofrat ist. Die badishen Nationalliberalen haben \ich äußerst orrekt in dieser Frage verhalten; sie haben \sich niht nur für das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht, sondern auc für das pro- portionale Wahlverfahrèn erklärt. ie Forderung des Frauen- wablrehts tritt in unserem Antrage zum ersten Mal vor das Haus, E es wird bekämpft, wie jedes neue große Fiel, Die Forderung ommt aber sicher nicht zum leßten Mal. ie die Stimmung in tag auf die Zulassung der Frauen zum Studium si geändert hat, ° wird es au in dieser Frage geshehen. Millionen von Frauen, L den Weg allein durchs Leben machen müssen, sind an ck E Sozialgeseßgebung, an der Steuergeseßgebung genau auf jteressiert wie wir. Mindestens müßten sie einen Einfluß Ki ei Bildung derjenigen Organe erhalten, welche die Erziehung der Ui in Händen haben. Man darf die größere Hälfte’ der deutschen Ger on nicht Ztarlig unterdrücken. Die Frauen haben weit mehr ehtigkeitsgefühl als die Männer, sie sind viel weniger korrumpiert,

sie find das moralisch höhere. Element. Ich bin überzeugt, daß die Zulassuñg der Frauen zum öffentlichen Leben geradezu wohlthuend wirken wird ; wir würden uns die Vershärfung der Geschäftsordnung ersparen können. Je mehr Sie nah rückwärts drängen, desto mehr drängen wir nach vorwärts. Eine gewaltsame Unterdrückung wird mit Nothwendigkeit die Opposition aus dem Volke heraus warfen. Uns gehört auf jeden Fall die Zukunft. __ Abg. Rettich (kons.): Die mecklenburgishe Verfassung halte ih in manchen Punkten für reformbedürftig. So bin ih auch für die Beseitigung der Virilstimmen der Ritterschaft. Aber wir wollen keine Einmischung des Reichs; was gesehen muß, wollen wir allein E Das hat au shon der Großherzog Friedri Franz II1. ausgesprochen, der gleichfalls für eine Aenderung der Verfassung war. Welche Un- Setten entstehen würden, wenn das Reich eine Aenderung erbeiführen wollte, hat s{chon der Abg. von Buchka aus- geführt. Mag der Antrag des Abg. Pachnicke angenommen werden oder nicht die Reform der Verfassung muß doch im Lande selbst gemaht werden. Wenn darauf hingewiesen wurde, daß der NRateburger Landtag niht bes{chlußfähig gewesen sei, so lag das daran, daß die betreffenden Abgeordneten die Beshlußunfähigkeit herbeiführten. Sie sagten sih: wenn wir den Landtag bes{chlußfäbigz machen, so werden Steuervorlagen eingebraht werden, jetzt aber be- zahlen wir fo gut wie feine Steuern, der Ses zahlt fast alles. Der Freienwalder Schieds\pruch is so ausgefallen, weil von den drei Bedingungen, die gestellt wurden, keine einzige erfüllt wurde. Der Abg. Richter bestreitet, daß der Herr Bundeskevollmächtigte Ver- trauensmann der Mecklenburger sei. Hält er oder der Abg. Pacbnike [9 etwa für Vertrauensmänner der Mecklenburger ? Wenn in Mecklen- urg der Bauernstand leidet, so liege das nicht an der Erbpacht, son- dern an der allgemeinen mißlichen Lage der Landwirthschaft. Ueber die falshe Darstellung, welhe der Abg. Pachnicke von den Ver- hältnissen in Mecklenburg gegeben hat, wundere ich mich nit; er ist ein Fremdling im Lande Wenn der Abg. Pachnicke die Sache so darstellt, als habe die Ritterschaft die Einführung einer Verfassung mit Volksvertretung verhindert, so ist das unrihtig; im Jahre 1874 war es nicht die Nitterschaft, sondern die Landschaft, welche die Ver- fassungsvorlage ablehnte. Der Abg. Pachnicke irrt, wenn er meint, die mecklenburgishe Bevölkerung sei über die bestehenden Zustände erbittert; wenn eine Erbitterung besteht, so besteht sie niht über die Berfassung, fondern über die Finanzwirthschaft im Reich, darüber, E du Reich es nicht fertig bringt, seine Finanzen in Ordnung zu halten.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Namens meiner politishen Freunde habe i zu erklären, daß wir dem Antrage Pachnicke gegenüber auf dem gleichen ablehnenden Standpunkte stehen, den früher der ver- storbene Abg. Windthorst dargelegt hat. Jedenfalls müßte, um eine Kompetenzerweiterung für das Reich eintreten zu lassen, zunächst ein vorbereitendes Gesetz erlassen werden, welhes den Art. 4 der Ver- fassung ausdehnt. - Zur Zeit ist das Reich aber niht für eine Ein- wirkung betreffs der Verfassungen in den Einzelstaaten zuständig. Wenn mau fo dem Antrage Pachnicke gegenübersteht, so muß man um so mehr Anstand nehmen, die Zuständigkeit des Reichs in - der Richtung der Anträge Anker und Auer zuzugestehen. Der Abg. Richter meint, in den Bundesstaaten müsse eine möglihst große Gleichmäßigkeit bestehen. Jch weiß nicht, ob der Abg. Richter sich mit dem unheilschwangeren Gedanken trägt, in den Hansestädten die konstitutionelle Monarchie cinzuführen, aber weiter links ftehende Herren tönnten wobl einmal beantragen, die republikfanishe Ver- fafsung der drei Hansestädte in den rob Bundesftaaten einzuführen, um eine größere Gleichartigfeit der Staatsverfassungen im Reiche herzustellen. Diese Brücke will ih nit betreten. Wir halten den föderativen Standpunkt fest; um so fester, je weiter die Versuche schon gediehen sind zur Einschränkung der Rechte der Bundesstaaten.

Abg. von Marquardsen (nl.): Der Antrag Pachnite füllt eine Lücke aus, indem er eine Volksvertretung in dem einzigen Bundes- staat anstrebt, der eine folche noch entbehrt. Wir werden für diesen Antrag eintreten. Dagegen lehnen wir den Antrag Auer ab und ebenso den Antrag Aner, und ich erkläre, daß wir für die Aus- dehnung des Wahlrechts nah der Schablone des Reichstagswahlrehts auf die Einzelstaaten niht zu haben sind. Der Antrag Pachnite ift für uns ein alter Bekannter; denn es waren gerade meine politishen Freunde, die ihn früher vertreten haben. Jn Einzelbestimmungen lassen wir uns nit ein, da wir die Ausführung den Mecklenburgern überlassen. Jrgeid ein Hinderniß für die Er- weiterung der Reichsverfassung besteht nicht; der Art. 7 sieht eine Aenderung der Verfassung auf dem Wege der Geseßgebung ausdrücklich vor. Die Rede des Abg. Bebel war eine deutlihe Mahnung, daß es an der Zeit ist, daß jeder Staat sein Haus bestelle. Der einzige Staat in Deutschland, der noch keine Volksvertretung besitzt, sollte sich beeilen, seine Verfassung dahin abzuändern, daß die berechtigten freiheitlihen Wünsche des Volks erfüllt find.

Abg. Nauck (Hosp. d. Np.): Als Vertreter von Mecklenburg- Strelitz erhebe ih Widerspruch gegen die Ausführungen, welche einen Gegenfas zwischen Ritterschaft und Bauernschaft in Mecklenburg auf-- rihten möchten. Die Interessen der Bauernschaft in Mecklenburg sind identish mit den Interessen der anderen Stände und auf Wohl und Wehe mit ihnen verknüpft. Bei uns überwiegen über- haupt die landwirthschaftlichen e vg Wir haben fkeine Kohle und kein Erz, und die Industrie steht erst in zweiter Linie. Daher ift die Auswanderung aus ecklen- burg stark. Aber die, welche fortgehen, iers nicht als Arme fort und find überall willklommen. Einen Mecklenburger, der bettelte, kannte man früber wenigstens nicht. Im allgemeinen kann ih nur wünschen, daß Sie die Verhältnisse in Mecklenburg- fo lassen, wie sie sind, gerade weil bei uns die Regierung unmittelbar wirkt und nicht vom Parlamentarismus getrübt wird wie anderswo. Ich freue mi,

daß ih durch das Vertrauen von Fürst und Volk hierhergesandt bin, daß ih die Angriffe widerlegen kann, die hier gegen die Zustände in Mecklenburg erhoben wurden. __ Abg. von Frege (fkons.): Mit der Verhandlung über die vor- liegenden Anträge ist nur dem Abg. Bebel ein Dienst geleistet worden. Wir haben uns hier ohne jeden praktischen Nutzen über die Frage der Einführung einer Volksvertretung in Mecklenburg unterhalten, obwohl wir wihtigere Dinge zu erledigen hätten. Wir wünschen, daß sich die Verhältnisse in ecklenburg selbständig und organisch weiter ent- wickeln. Die Auslassungen des Abg. Richter find bereits dur den Abg. Rettich widerlegt worden. Was die Ausführungen des Abg. Bebel über die Frauenfrage betrifft, so stehen wir diesen Bestrebungen garniht so ablehnend gegenSer nur glauben wir nit, daß die frauen gerade bei den Genossen des Herrn Bebel finden werden, was le suhen. Besonders die deutschen Fürstinnen haben es verstanden, den Werth der Frauenthätigkeit zu erhöhen. Wir sind auf dieser Seite des Hauses der Meinung, daß die Frauen selbständiger gestellt werden müssen, insbesondere die älteren unverheiratheten Frauen. Aber das braucht keineswegs auf dem Gebiet des Wahlrehts zu ge- schehen. Der Antrag des Abg. Bebel hat auch rur den Grund gehabt, den Einfluß der e zu benutzen, damit ihm bei den nächsten Wahlen noch mehr Stimmen zugeführt werden. Wenn der Abg. von Marquardsen sagt, jeder Staat sfolle sein Haus be- stellen, so möchte ih darauf hinweisen, daß der Reichstag seit einer Reihe von Jahren sich nicht im stande gezeigt hat, die Harmonie zwischen Ausgaben und Einnahmen in den Einzelstaaten herzustellen. Das kann nit dazu führen, das Ansehen des Parlamentarismus zu heben. Wir stehen fest auf der Verfassung, wie sie nicht etwa nur von der Nation, sondern von den Fürsten beschlossen i, und es wird kein Atom von dieser Verfassung angegriffen werden können, ohne daß wir den entsciedensten Protest erheben. Jh weise es mit Entrüstung zurü, daß der Abg. Nichter den Fürsten Bismarck einen Kanzler-Auto- kfraten genannt hat. Wir danken Gott, daß Fürst Bismarck so lange an der Spiße der Geschäfte gestanden hat. Das Parlament geht immer mehr zurück, es herrscht in ihm niht mehr die frilhere Schaffensfreudigkeit. Das Sinken des Parlamentarismus hat nie- mand mehr gefördert als der Abg. Richter und seine Freunde. Wenu wir jeßt eine Kompetenzerweiterung unterstüßen wollten, wie sie hier angeregt wird, so würde man uns mit Recht sagen : Es wäre eure Pflicht, für eine dauernde Gesundung der finanziellen Verhältnisse zu forgen, statt euch in s\taatsrechtlihe Spißfindigkeiten einzulassen. Fürst Bismarck hat hier im Reichstag ausgesprochen, daß der einzige Irr- thum seines Lebens der gewesen sei, in den verbündeten Fürsten ein inderniß für die deutshe Reichseinheit und im Reichstage den Schwerpunkt dafür zu fehen. Der umgekehrte Fall sei eingetreten ; die Loyalität sämmtlicher deutsher Fürsten biete ein Gewähr für den aal: des Deutschen Neihs. Sache des Reichstags ist es, es ihnen nachzuthun.

Abg. Dr. Pachnicke betont în seinem Schlußwort, daß gerade der Verlauf der Debatte gezeigt habe, wie nothwendig die Stellung seines Antrags sei, da die mecklenburgishe Negierung ih auf ihre Erbweisheit berufe. Sie will das Volk eben niht mitregieren lassen. Das jetzige Auftreten des Gesandten von Oergen sei die schneidendste Kritik eines-Beschlusses des Bundesraths, ja ein direkter Angriff auf den Bundesrath. : :

Seitens der übrigen Antragsteller wird das Schlußwort nicht verlangt. Eine Kommissionsberathung ist nicht bean- tragt worden; die zweite Lesung wird daher ohne eine solche im Plenum stattfinden.

Jn. der Abstimmung über den Antrag Aner, be- treffend die Abgrenzung der Wahlkreise, wird derselbe gegen die Stimmen der Freisinnigen und Sozialdemokraten abgelehnt. /

Darauf vertagt sih das Haus.

Schluß 51/4 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

19, Sißung vom Mittwoch, 13. Februar.

Ueber den Beginn der Sißung is in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Die bei der zweiten Berathung des Etats der Justiz- verwaltung, speziell des Einnahme-Titels „Arbeitsverdienst der Gefangenen“ von dem Justiz-Minister nah dem Abg. Brandenburg Bente, gehaltene, im Anfangsberiht nur aus- züglich mitgetheilte Rede hatte folgenden Wortlaut :

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Der Herr Abg. Brandenburg hat am Schlusse seines Vortrags bemerkt, daß er einen Antrag nicht stellen, fondern nur eine Anregung habe geben wollen, Dieser Anregung Folge zu leisten, würde nur im Wege einer Abänderung der maßgebenden Aller- höchsten Ordre möglih sein, denn die Verwendung des Arbeitsver- dienstes der Gefangenen is durch die Kabinets-Ordre vom 29. Oktober 1859 in einer für die Justizverwaltung bindenden Weise geregelt.

Wie bisher gegenüber der hon vor mehreren Jahren gegebenen Anregung die Staatsregierung sih verhalten hat, ift durch den Herrn Referenten vorhin mitgetheilt worden. Der Herr Finanz-Minister hat ein Eingehen auf dieselbe abgelehnt, und auch ih möchte gegenüber