1895 / 41 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

daß man sofort dazu übergeht, eine Reichsbehörde einzuseßzen, welche die Kontrole über den Schiffsbau und die sonstigen zur Sicher- ftellung von Leben und Gesundheit der Menschen nöthigen Vor- rihtungen +üben;soll, so ¿géshicht: es einfah Aus der: Betrachtung, die ih heute -wiederholen-Faun, daß ih - glaube, wir- kommen - auf einem „einfaheren Wege zum Ziel, und daß der von dem Hercn “Abg. empfohlene Weg immer noch möglich if, wenn unser einfacherer und billigerer--Weg - nicht - zum Ziele führen sollte. Was nüßt denn die Einführung einer Reichs-Kontrolbehörde, wenn diese nicht die Organe hat, um das, was sie anordnet oder zu überwachen hat, unter beständige Aufficht zu nehmen? Wenn Sie \sich den Verkehr in unseren großen Häfen vergegenwärtigen, werden Sie leicht erkennen, daß der Umfang dieses Verkehrs ganz außerordentliche ._ Schwierigkeiten der Bestellung einer Kontrolbehörde bietet.

Eine Reichs-Kontrolbebörde könnte nach mehreren Richtungen bin thätig werden. Einmal kann sie an der Hand der Fortschritte der Swhiffsbautehnik und der Wissenschaft in Bezug auf die Erhaltung und Rettung des Menschenlebens beständig die etwa durch ein Geseh oder ein Reglement zu erlassenden Vorschriften für Bau und Aus- rüstung der Schiffe fortbilden. Damit allein wäre aber noch wenig gewonnen, wenn fie nicht zweitens dazu überginge, zu prüfen, ob in- jedem einzelnen Fall die von ihr erlaffenen Vorschriften auch wirkflich zur Ausführung kommen. Denn es ift klar: die Vorschriften allein thun es nicht, sondern erft die Sicherheit darüber, daß sie ausgeführt find, giebt Gewähr für ihre Wirksamkeit. Eine Organisation, nach dieser Richtung hin ausgebildet, würde einen ganz folofsalen Apparat erfordern, und dieser Apparat würde ih nicht allein auf die deutshen Häfen zu erstrecken haben, sondern würde auch im Auslande seine Wirksamkeit äußern müssen; denn es ift klar, daß die deutshen Schiffe, wenn sie havariert baben und in einem ausländischen Hafen repariert find, dann von neuem darauf geprüft werden müssen, ob die von Reichswegen erlassenen Vorschriften au bei diefer Reparatur beobahtet worden find. Dazu kommt weiter, daß wir jeßt die deutshen Rheder garnicht hindern können, Schiffe im Auslande bauen zu lafsen, im Auslande gebaute Schiffe zu kaufen; infolge dessen müßte auch die Kontrole eine sehr weite Verzweigung haben.

Nun ift aber eine solche Kontrole, wie ih neulich anzudeuten mir erlaubte, möglich durch Zuhilfenahme der Organe des „Germanishen Uoyd“. Dieser hat in allen Hafenpläßzen seine sach- verständigen Agenten und ist im ftande, jedes Schiff, das bei ihm Elassiert ist, was seiner Kontrole unterstellt is, wenn das Ab- kommen, das er mit der See-Berufsgenofsenshaft getroffen hat, zu ftande. kommt, nach dieser Richtung hin zu prüfen, ob die erlaffenen Bau- und Sicerheitsvorshriften beobahtet worden sind. Da frage ih mich jeßt: sollte niht wenigstens vorläufig dieser Weg den Vorzug verdienen vor einem Wege, der, wie gesagt, niht nur mit außer- ordentlichen Kosten die find zu überwinden —, aber auch mit der Schwierigkeit zu kämpfen hat, daß es wahrscheinlich an der nöthigen Anzahl von Sachverständigen fehlen wird, die sih dem Reiche zur Verfügung stellen.

Meine Herren, der Herr Vorredner hat sehr mit Recht seine Betrachtung nicht allein auf den Bau der Swiffe gelenkt, sondern auch von ibrer Ausrüstung mit Sicherheitsvorrihtungen gesprowen. Er hat auh einer weiteren Betrahhtung die Frage unterzogen, ob wobl öberall für eine ausreihende Anzahl von Mannschaften zur Bedienung der Schiffe Sorge getragen und ob nicht eine große Zahl der Schiffs- unfälle darauf zurückzuführen sei, daß die Zahl der zur Bedienung der Schiffe verwendeten mens{lichen Kräfte niht ausreißte. Auch diese Frage hat uns bereits beshäftigt. Die englische Regierung hat neuer- dings eine Untersuhung über die Frage der Bemannung der See- schiffe eingeleitet, und wenn diese Untersuhung beendigt sein wird, wird dies Ergebniß niht bloß von der englischen Regierung, fondern au von allen übrigen seefahrttreibenden Nationen dahin fruktifiziert werden können.

Ich babe nah den Verhandlungen über den Unglüdckéfall mit der „Elbe“ auch den Eindruck, daß derselbe zum theil der ungenügenden Besaßung der „Crathie“ zuzuschreiben ist, und dieser ungenügenden Besatzung gegenüber kommt auch der Vorwurf, der dem anlaufenden Schiff gegenüber gemacht worden ift, weniger in Betracht, es habe die Mannschaft nichts gethan, um die Passagiere und Mannschaften der

„Elbe* zu retten. Nach den mir vorliegenden Berichten war es der „Crathie“ übechaupt niht möglich gewesen, zu diesem Zweck irgend eiwas zu unternehmen, weil sie niht genügend bemannt war. Die Bemannungéfrage ist also ein Gegenstand, der uns demnächst beshäf- tigen wird, und die der ernftesten Prüfung bedarf.

Der Herr Vorredner ist dann noch einmal auf den Unglücksfall der „Elbe“ näher eingegangen und hat gemeint, die Rhederei treffe der Vorwurf, daß sie niht einmal auêreihend für Rettungsboote ge- sorgt habe, daß die Schotteneinrihtungen nicht genügend funk- tioniert baben, und daß die auf der „Elbe“ befindlihe Mannschaft niht binreihend mit Bootsmanövern vertraut gemacht worden sei. Was die Schottenanlage anlangt, und namentlich die Gangbarkeit der Schottenthüren, so liegen mir die Vernehmungéprotoktolle vor, in denen si die geretteten Mannschaften der „Elbe“ über Ursache und Verlauf des Unfalls geäußert haben. Aus diesen Ausfagen entnehme ih, daß weder die Rhederei noch den Kapitän in dieser Beziehung irgend ein Vorwurf trifft. (Hört, hört!) Ih würde allein auf diese Aussagen der geretteten Mannschaft niht einen ent- scheidenden Werth legen, wenn niht gleichzeitig der Bericht des Reichéskommifsars für das Auswandererwesen eingegangen wäre, welcher fih ausdrüdcklich auch über diesen Punkt äußert und welcher vor Abgang des Schiffs die Schottenthüren auch auf ihre Gangbarkeit hin geprüft hat.

Der Herr Vorredner scheint mir noch infofern in einem that- sählichen Irrthum si zu befinden, als er annimmt, daß das Unglüdck dadur berbeigeführt sei, daß die Seitenwand, die Backbordwand des Schiffes durhgeshlagen sei und vermöge mangelhaften Schlusses der Schottenthüren, ich bemerke übrigens zu seiner Unterrihtung, daß Schotten nit die Zwischenräume zwischen den Wänden heißen, sondern daß diese Wände selbst Schotten, die Zwischenräume Kom- partimente heißen, ih sage also, daß das Unglück dadur herbei- geführt ift, daß außer der Backbordwand des Schiffes auch zugleich ein Schott durhgestoßen ist (sehr rihtig!), sodaß also zwei Abtheilungen des Schiffes vollgelaufen sind, außerdem eine dritte Abtheilung um deswillen, weil das Schott, was diese dritte Abtheilung von den anderen schied, das Verbindungsshott zwischen dem Maschinenraum und dem Keffel war, und die Thür, die diese beiden Räume verband,

L uet der Kohlenbeförderung-offengelassen. werden mußte. Aber au) sie wurde sofort nah dem Zusammenstoß ({{lofsen, und es liegt hier die Aussage eines Matrosen vor, der dem Kapitän gemeldet hat,. daß unten die sämmtlichen Sthottenthüren, geschlossen gewesen sin.

Was nun die Boote anlangt, fo wird: es kaum: möglich sein, daß man ein jedes Schiff mit einem Bootsraum verfieht, der fähig ist, inr: Nothfall die, ganze -Besagung ¡und; den ganzen: Passagierbeftand des Schiffs aufzunehmen. Die „Elbe“ hat 10 Boote gehabt von verschiedener Größe, aber die größten find aufnahmefähig für 80 Menschen - gewesen. Es würde also , wenn sie alle 80 Menschen bâätten aufnehmen Eönnen, für 800 Menschen gesorgt gewesen sein ; das wücde aber nicht die größte Zahl von Paffagieren und Mann- schaften zusammengenommen sein, welhe mit der „Elbe“ unter Um- ständen befördert werden. - Meine Herren, der Werth der Boote ift kein absolut fiherer. Ich habe mir sagen lassen, daßdie Boote außerordentlich nüglich find, wenn der -Seeunfall in der Nähe des Landes sich ereignet, daß aber und darauf deutete au eine Aeußerung des Herrn Vorredners hin wenn auf hoher See viele 100 Meilen von der Küste entfernt die Aufnahme in die Boote erfolgen soll da ist es doch von sehr fragwürdigem Werthe, ob man sich in ein folches Boot begiebt.

Ueber die von dem Herrn Vorredner auf Grund eines Gewährs- mannes, dessen Wahrhbaftigkeit ih niht anzweifeln will, gemachte Mittheilung, daß die Lloydmannschaften nicht. geübt würden im Manövrirdienst, kann ih mich nicht äußern, ih weiß es nicht; ich weiß nur soviel, daß aus einem früheren Bericht des Lloyd sich ergab, daß er unterwegs auf der Reise Uebungen machen läßt, welche die Mannschaften nah- allen Richtungen in -ihren- Funktionen unter- rihten und präfent halten.

Nun if der Herr Vorredner zum Schluß auf den sehr be- dauerlihen Vorfall mit dem Rheder Schiff in Elsfleth gekommen. Ih habe mi {hon früher darüber geäußert und bin sicher, daß, fo wenig hier im Hause irgend jemand \ich befindet, der - au nur ein Wort der Entschuldigung für eine solhé“ Aeußerung, wie fie der Schiffsrheder Schiff gebraucht hat, besißt, daß auch im ganzen Lande eine \olhe inhumane brutale - Aeußerung verurtheilt wird. (Sehr richtig!) Aber dieser Vorgang läßt keinen Schluß zu auf die Ehrenbaftigkeit, auf das Pflichtbewußtsein und die Treue unserer Rbederei im allgemeinen (sehr -rihtig! Zurufs links) und ich halte mich für verpflihtet es zurückzuweisen, wenn aus diesem Vor- gange irgend ein Schluß gezogen werden könnte, der unserem Handel und unserer Schiffahrt zum Nachtheil gereiht. (Bravo!)

Abg. Jebsen (nl.): Die Darstellung, welhe der Abg. Bebel von den Verhältnissen der Schiffsversicherung gegeben. hat, ift- völli falsch. Früher mögen derartige Fälle, wie er sie erwähnt hat, mögli gewesen fein; beuie prüfen die Versiherung8gesellshaften durch: Sach- verständige erst jedes Schiff, bevor fie es versichern. Durch die ganze Broschüre von Wislicenus geht ein Ton der Gebässigkeit. Ich lehne eine Reichskontrole niht ab, weil fie finanziell die Rheder - be- lasten würde, sondern weil ih. sie für überflüssig erahte, zumal an die Spitze der Kontrolbehörden doch wieder Leute berufen werden würden, welche auf einen Kapitän mit einer gewissen Herab- laffung herabsehen, vom Bau und Ausrüstung. eines Kauffahrtei[chifs keine Ahnung baben. Schon die guten Geschäfte der See-Assekuranz- Gesellschaften troß der stetig herabgeseßten Afsekuranz-Prämien be- weisen, daß die Sicherheit zur See größer geworden ist. Dafür, daß wir für unsere Seeleute sorgen, ist. der Antrag ein Beweis, welcher die Aufnahme der Seeleute in die Unfällversiherung fordert und ver- langt, daß die im Auslande an anfteckenden Krankheiten gestorbenen Seeleute so betrahtet werden follen, als wären fie an Bord gestorben.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Die Ausführungen des Staatssekretärs des Innern haben jeden Verdacht zerstreut, als treffe die „Elbe“ auch nur die geringste Schuld an ihrem Untergang. Wir haben wohl am wenigsten Ursache, Mißtrauen gegen eine Gefellshaft wie der „Nord- deutsche Lloyd" zu fäen, dessen Schiffe seit Jahrzehnten. ohne nennens- werthen Unfall außer dem jeßigen Unglück die Meere kreuzen. Daß dur Aufsicht Unglücksfälle niht verhindert werden können, sehen wir an dem Schicksal des „Großen Kurfürsten“ und der „Brandenburg“. Wenn alle Vorschriften der See-Berufsgenossenschaft befolgt würden, fo würden viele der gerügten Mängel s{chwinden. Aus der Antwort des Reichskanzlers {öpfe ih. die Hoffnung, daß die Regierung auf die Berufsgenossenshaft dahin einwirken wird, daß fie ihre Aufficht streng führt.

Abg. Dr. Görßt (fr. Vg.): Wenn wir auf der einen Seite verpflichtet sind, hier auf Mängel im Seeschiffahrtsbetriebe aufmerksam zu machen, fo sind wir auf der anderen verpflichtet, im Interesse der deutschen Rhederei au das Lobenswerthe hervorzuheben, daß nämlich unsere Rhederei tüchtige wissenschaftlich gebildete Kapitäne hat und vorzügliches Material besitzt, daß der Prozentsaß der Seeunfälle für uns weitaus günstiger ausfällt als für andere Nationen. Die deutschen Schiffe, welche die Nordsee und den Kanal paEen müssen, find zudem besonderen Schwierigkeiten ausgeseßt. Die Art und Weife, wie der Unfall der „Elbe“ in ausländischen Zeitungen dargestellt wurde, macht es uns zur Pflicht, mit aller Entschiedenheit dem ent- gegenzutreten, damit von unferer Schiffsmannschaft das Odium a nommen werde, als ob sie ihre Pflicht nicht erfüllte. Nichts ift be- denklicher, als daß der Abg. Bebel auf Grund einer Depesche hier Behauptungen aufstellt, die \ofort nach England und Fränk- reich telegraphiert werden und geeignet sind, unsere See- schifahrt im Wettbewerb zu hemmen. Meine Ansihhten über unsere Rhederei werden mich aber nicht abhalten, für die Bildung einer Reichs-Aufsichtsbehörde zu stimmen, vorausgeseßt, daß sie zweckmäßig eingerichtet ift und Gewähr dafür bietet, daß ihre Thâtiakeit für unsere Seeschiffahrt segenbringend wird. Allerdings wird diese Einrihtung Schwierigkeiten bieten. Man kann den Sah- verständigen der Reichsbehörde unmöglich zumuthen, alle Erfindungen auf tehnishem Gebiete, die si bekanntlih überstürzen, sorgfältig zu prüfen. Es liegt eine große Gefahr darin, die Einführung folcher Erfindungen von dem Urtheile weniger Männer abhängig zu machen. Jch Moube nicht, daß eine staatliche Aufsicht allen Anforderungen wird genügen können. : ;

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.): Der Abg. Frese hat bestritten, daß die Arbeitszeit auf den Schiffen des Norddeutschen Lloyd zu lang sei. Ich habe hier eine Mittheilung aus Bremerhaven vom Verein der Seesteuerleute an der Weser erhalten, worin gesagt wird, daß die Offiziere beim Laden oft 48 bis 60 Stunden lang im Dienst bleiben müssen. Eine weitere Auëdehnung der Unfallversiherung wäre sehr wünschenswirth; ebenso wünsche id, daß der Arbeitsnahweis für die Seeleute, der durch die Heuerbaase erfolge, unter staatliche Kontrole gestellt werde. /

Abg. Bebel (Soz.): Auch der o et hat zugegeben, daß eine Reichs-Aufsichtsbehörde, zweckmäßig eingerichtet, nüßlich wirken könne. Daß damit allen Uebeln abgebolfen werde, behauptet nie- mand. Wir verlangen für die Seeschiffahrt und den Schiffsbau, nur mit der entîprechenden Veränderung, dasselbe, was für die gesammte Industrie besteht. Daß der Schiffsbau dadur verhindert werde, den tehnishen Fortschritten zu folgen, fann doch nicht im Ernste be- hauptet werden, die übrige Technik ist ja auch nicht behindert. Die Aufsicht würde auch viel weniger den Neubauten gegenüber wirksam werden, als gegenüber den alten, untühtigen Schiffen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats - Minister Dr. von Boetticher:

Ich wollte nur dem Herrn Abg. Dr. Hahn auf seine wiederholten

sagen. Die Klagen, die über das Inftitut der wie mir scheint , mit Recht geführt find, haben zu einer

und auh im: Auslande, in denjenigen Ländern, in denen diese bestehen. Man bofft auf diesem Wege dahinter zu kommen, von den Klagen, die vorgebracht find, als begründet anzusehen sind

F

und ‘ob man auf geseßlichem Wege Veranlassung Hat, diesen Klagen Abhilfe zu hafen. Ich bemerke übrigens dabei, daß das Jristitut der Heuerbaase, wie freilich auch manche andere Einrichtung, nit der guten Eigenschaften entbehrt. So liegt mir vor ein Bericht Le Handelskammer in Hamburg, welche den Heuerbaasen im allgemeinen ein günstiges Zeugniß ausstellt. soweit die Klagen begründet sind, ihnen Abhilfe zu hafen.

Was die leßten Ausführungen des Herrn Abg. Bebel betri so freue ich mi ja, daß er über die Natur der Schotten nicht K Unklaren gewesen is. JIch habe dann ein Mißverständniß auf meine Seite zu verzeichnen, aber dieses. Mißverständniß ist erklärlih, wen, ih ihn: daran erinnere und die Richtigkeit meiner Behauptunz wird -sich durch die- Einsichtnahme in das Stenogramm ergeben daß er von Scheidewänden der Schotten gesprochen habe. Shottez baben feine Scheidewände, sondern sind Scheidewände.

Im übrigen kann ih ibm die Zusicherung geben, daß das, waz ihm sein Gewährsmann aus Bremerhaven mitgetheilt hat, Gegen, ftand einer weiteren Recherche sein sol. Und wenn er sich {ließli gegen- die Bemerkung verwahrt hat, daß er die deutsche Rhederei dur seine ‘Worte habe herabseßen wollen, fo mag er es mir zu gutz halten, daß ih gerade . auf diesen Punkt eingegangen -bin. Aber auch da- wird er objektiv genug sein, mir zuzugeben, daß seine Aus. führungen in der Hauptsahe doch eine recht abfällige Kritik der Zustände innerhalb unserer Rhederei enthielten und daß er sehr wenig Gutes von ibr und von unserer Schiffahrt gesagt hat. Wenn ih danach das Bedürfniß empfunden habe, dem ungünstigen Eindruck, der möglicherweise aus seinen Worten entstehen konnte, durch eine Bemerkung zu begegnen, so wird das jeder Mensch verstehen, der nos ein Herz für unsere Rhederei und unsere Schiffahrt hat. (Bravo!)

Das Kapitel wird bewilligt.

Beim Kapitel: Statistisches Amt, tritt

Abg. Werner (d. Rfp.) für die diätarishen Beamten dez Statistishen Amts ein und befürwortet eine Erhöhung des: Marima]. gehalts derselben, wozu feine erheblihen Mehrausgaben nothwendi; sein würden. Besonders müßte ihnen bei definitiver Anstellung d diätarishe Dienstzeit angerehnet werden.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Wermu th erwidert, daß tin Gehaltsverbesserung zum theil erfolgt sei. Man werde - auf diesen Wege systematisch fortschreiten. /

Das Kapitel „Statistishes Amt“ wird genehmigt und darauf die weitere Berathung vertagt.

Schluß 51/2 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

20. Sißzung vom Donnerstag, 14. Februar.

Jm weiteren Verlauf der fortgeseßten zweiten Berathung des Etats der Justizverwaltung (s. den Anfangsberiht in der gestrigen Nummer d. Bl.) wünscht

Abg. Jansen (Zentr.) eine Statistik der ländlichen Kredit- und Grunds{uldverhältniffe.

Gebeimer Ober-Justiz-Nath Vierhaus sfagt eine sorg fältige E dieses Wunsches zu, dessen Erfüllung jedoch daë Bedenken gegenüberstehe, daß eine Statistik, die sich nicht auf unan- N Grundlagen aufbaue, eher s{ädlich als nüßlich wirke

uf diesem Gebiete werde dem subjektiven Urtheil der mit der Aufstellung der Statistik betrauten Beamten ein weiter Spielrauin bleiben. Ein ferneres Bedenken sei, daß die Justiz verwaltung im hohen Grade mit statiftishen Arbeiten überhäuft sei

Abg. Kirsch (Zentr.) hält die Zahl der Richter im Landgerithts- bezirk Düsseldorf für ungenügend und tadelt, daß durch die Ueder- nabme von Nebenämtern seitens einzelner Richter die anderen Richte mit Arbeit überlastet würden. d

Abg. Gamp (fr. kons.): Die Verhältnisse in den Amtsbezirkz Jastrow und Deutsch-Krone machen eine anderweite Abgrenzung die Bezirke dringend nothwendig. Meiner Information zufolge sind Verwaltungsbehörden dieser Aenderung günstig gesinnt; die Erfülmz der Wünsche wird aber dadurch gebindert, daß im Justiz-Ministerium & weichende Ansichten herrschen. Ich hoffe, daß ein Ausweg gefunden witd, der keine erheblichen Ausgaben verurjaht. Ein folcher Aueweg E es, wenn man für gewisse Zeiten und Arbeiten einen zweiten Richte von Deutsch-Krone nah Jastrow delegieren würde. Ich möchte not einen anderen Punkt berühren: die Beschäftigung der Stras- gefangenen mit landwirthshaftlihen Arbeiten. In erster Linie fan ih in dieser Beziehung nur die Wünsche wiederholen, welche ih beim Etat des Landwirthschafts-Ministeriums vorgebraht habe. Vielfab werden die zu landwirthschaftlichen Arbeiten derge Strafgefangenen besser behandelt, als die freien Arbeiter. Nach der bestehenden Verfügung kann ein Strafgefangener nur bis zu 10 Stunden im Tage beschäftigt werden, während die freien Arbeiter oft 13 bië 14 Stunden zu arbeiten haben. Auch bezüglih der Zeit der Ein- ziehung der ¿u Freibeitsstrafen verurtheilten Arbeiter zur Stras- vollstreckung würde sich eine größere Berüksichtigung der Interessen der Landwirtbschaft empfehlen. Mit Zuratheziehung von Sad- kundigen ließe sch in dieser Beziehung mancher Be- {werde abhelfen. Endlih möchte ich die Justizverwaltung mehr für die entlassenen Strafgefangenen interessieren. Wer Geheime Ober-Justiz-Rath Starke nimmt si der Angelegenheit 13 mit Wärme an, aber die Aufgabe ist eine so wihtige geworden, daß sie das Zusammenwirken aller Faktoren im Staatsleben nothwendig macht. Die staatlichen Behörden selbst müssen mit gutem Beispiel vorangehen, um denen, die ihre Strafe verbüßt haben, wieder die Er- langung einer bürgerlihen Existenz zu ermöglichen. 7 :

Geheimer Justiz-Rath Skonießki: Die Justizverwaltung kann ein MOLEE zu anderweiter Abgrenzung der Amtsbezirk Jastrow und Deutsh-Krone nicht anerkennen. An die Einstellung Ss oren Richters beim E n Jastrow ist bei etner

inanzlage wie die gegenwärtige niht zu denken. f

Geheimer Ober-Justiz-Rath Dr. Star ke! Der Abg. Gamp hat be! seiner Besprechung der Frage der Beschäftigung von trafgefangenen den Gesichtspunkt ganz außer Acht gelassen, daß kein Strafgefangene gegen seinen Willen außerhalb der Anstalt beschäftigt werden kann. G weitere Einschränkung der verfügbaren Zahl von Strafgefangenen dur die Bestimmung gegeben, daß Zuchthausgefangene erst nah eines Aufenthalt von einem Sar und wenn fonst feine Bedenken liegt liegen, außerhalb der Anstalt beschäftigt werden dürfen. Auders Si die Sache ja bei den übrigen Strafgefangenen. Jedoch hier Strafe die weitaus größte Zahl der Gefangenen aus solchen, die eine iert unter 4 Jahr zu verbüßen haben. Die Landwirthschaft refl aber nicht auf Arbeiter, die nur kurze Zeit bleiben, solche, deren Beschäftigung eine mehr dauernde ift. Sommer, wenn Arbeiter verlangt werden, die Zal! h. gefangenen erfahrungsgemäß weit geringer als im Winter, d, 9. 2

einer Zeit, wo fein Arbeitermangel in der Landwirtbschaft herrs{t. Die vom Abg. Gamp empfohlene Regelung der Strafvollstreckung ent

Anregungen in Bezug auf die Heuerbaase ein Wort der A Beruhigung |

BVeránlafsung x gegeben Bei den Negiérungen der Bundes : J

„itf ju- geheimen

Wir werden aber bemüht ein,

5 ndsägen : der Rechtspflege, die eine schnelle ord Die-Frage der e fr die Culas enen ce rid mge or Day Sf . Nur sollte uns E di iten he Cet n B: d e Be E gerader Bei n .) tadelt, da ichtern der Bei- Gesellschaften gestattet sei, wo sie unbedingten Ge- horsam geloben müßten, namentlih sei aber der Beitritt zu inter- nationalen en Gesellschaften verwerflih, weil sich dies uit mit ver Unab eit und Unparteilichkeit des Richterstands vertrage. „Abg, midt-Warburg (Zentr.) wünscht, daß im neuen „Bürgerlichen Geseßbuch -die Kostenfestseßung bei Prozessen den ordent- lien Richtern abgenommen und auf die Gerichtsschreiber übertragen _ werden moge.

Justiz-Minister Schönstedt:

In dem Arbeitsprogramm, welches die Komwission zu der theil- weisen Revision der Zivilprozeßordnung befassen soll, ist auch eine Vereinfachung des Kostenfestseßungs-Verfahrens für die Amtsgerichte und zwar an erster Stelle vorgesehen. Ob aber eine folche Ver- einfahung in der Richtung erstrebt werden kann, wie sie der Herr Abg. Schmidt soeben in Vorschlag gebracht hat, das unterliegt doch einigem Zweifel. Jch gebe vollkommen zu, daß diese Be- schäftigung zu der am wenigsten angenehmen und beliebten für die Richter - gehört und daß, wie, ih glaube, \{hon gestern erwähnt worden is, sie zum theil mehanisher Art ist.

i G

fande Hauptm

- Aber diese Kostenfestseßung hat doch mancherlei Schwierigkeiten, und

fie ist für die Parteien selbst [eider häufig von noch größerer Bedeu- tung als das Urtheil in der Sache selbs. Es sind da allerlei materielle Fragen zu entsheiden: der Umfang der Erstattungs- pflicht, die Zweckmäßigkeit der aufzuwendenden Auslagen; s\o- dann nach dem - System unserer Kostengesezgebung der häufige Wechsel des Objekts im Laufe der Instanz; die Frage, in welhem Umfange der Gegenstand des gesammten Recßtsftreits zuglei Gegenstand des streitigen Verfahrens und der Beweisaufnahme gewesen ift. Alle diese Dinge lassen sich unmöglih ohne Schädigung der Parteien durch den Gerihtss{hreiber entsheiden. Jch gebe zu, daß ein Theil diefer Arbeiten ohne Schaden für die Sache auf die Gerichtsschreiberei übertragen werden fönnte, aber in der Hauptsache werden sie doch wohl, so unangenehm es sein mag für die Richter, bei diesen verbleiben müfsen und die Verantwortlichkeit dafür werden sie niemals ablehnen können.

Endlich möchte ih noch bemerken: daß diese Kostenfestsezung nicht eiwa eine Neuerung der neuen Zivilprozeßordnung if, fondern, wenigstens in Altpreußen, au \{on früher zu den Aufgaben des Richters bei der Prüfung der Exekutionsgesuche gehört bat.

Auf eine Entgegnung des Abg. Schmidt-Warburg nimmt zu derselben Frage noch einmal das Wort der

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Daß die Kosten- und GebührenberechWnung durch die neue Gesetzgebung shwieriger geworden ift, als sie es früher war, habe ih. bereits selbst zugegeben und daran gerade die Folgerung ge- knüpft, daß die Prüfung bei der Kostenfestsezung nit ohne weiteres dem Richter entzogen und den Gerichtsschreibern übertragen werden

könne.

Wenn im übrigen der Herr Abg. Schmidt meint, daß ih den Zustand vor 1879 in den alten Provinzen unrichtig dargestellt habe, so kann ich ihm darin niht beistimmen. Wenn damals die Praxis bestanden haben follte, auf einem derartigen Antrag zu verfügen „mandatum ad monendum“, fo hatte doch nah dem damals geltenden Offizialprinzip der Richter die Verpflichtung, jeden Antrag nach seiner Berechtigung zunächst von Amtswegen u prüfen. Der-- Erlaß eines folhen Mandats hatte somit die Prüfung des Antrags zur Vorausseßung, und wenn etwa ein ein- zelner Richter fih in der Praxis darüber hinweggeseßt haben mag, so winde er doch nicht haben behaupten können, daß ein folches Verfahren sd mit dem Geseß in Einklang befinde.

_ Abg. Jacobs (kons.) ersucht um Einrichtung eines Amtsgerichts in Vie, zwischen Landsberg und Küstrin. E

Abg. Dr. Langerhans (fr. Volksp.) tritt dem Abg. Hauptmann gegenüber für die Richter ein, welhe Freimaurer-Orden angehören. Von unbedingtem Gehorsam könne in diesen Orden nicht die Rede sein, sonst würde die Regierung hon gegen dieselben eingeschritten sein.

Abg. Dr. Lotichius (nl.) ersuht um móöglihste Berück- sichtigung der Justizaktuare nah der Richtung, daß dieselben schneller zu einer etatêmäßigen Anstellung gelangen als bisher.

Geheimer Ober-Justiz-Rath Vierhaus: Die Lage der Aktuare, d. h. der bereits geprüften, aber noch nit festangestellten Anwärter, bildet den Gegenstand fortgeseßzter Erwägungen und Verhandlungen zwishen Justiz- und Finanzverwaltung, die ihrem Abschluß nahe sind. Die Maßnahmen, die geplant sind, follen vor allem die Ungleichheiten, die in Bezug auf die diäâtarisch beschäftigten Aktuare in den ver- schiedenen Landgerichtsbezirken herrschen, ausgleihen. Es ift zu hoffen, daß die Wünsche der Aftuare, soweit sie berechtigt sind, werden erfüllt werden Ffönnen.

Abg. Dr. Dziorobek (Pole) regt eine pekuniäre Besserstellung der Dolmetscher in der Provinz Posen- an, da unter den jeßigen Ver- hältnissen die Gefahr vorliege, daß ungenügend ges{hulte Dolmetscher die Lage der Angeklagten vershlimmerten.

Geheimer Ober-Justiz-Rath Vierhaus erwidert, die vorgebrachten Klagen gehörten nun fon zum eisernen Inventar jeder Etatsberathung.

s seien Umfragen bei den Justizbehörden gehalten worden, ob durch

Ungenauigkeiten die Gerichtsverhandlungen litten und ob die Dolmetscher dur ihre Unentbehrlihkeit in ihren alten Stellungen im Aufrücken in besser dotierte Stellungen gehindert würden. Aus den Antworten habe si ergeben, daß im Ober-Landesgericht Posen die meisten Dolmetscher nur dret, der meistbeshäftigte am Landgericht zu Posen sechs Stunden als Dolmets er zu thun By Die Klagen der polnischen Abgeordneten beträfen öchstens einzelne Fälle, und würden von ibnen generalisiert. Ungenauigkeiten in einzelnen Fällen seien auch durch die höchste Be- soldung nit zu bindern. Im Einzelfalle würde bei Beschwerden Ab- bilfe durch Abberufung eines unbefähigten Dolmetschers gern

Feshaffen werden. t darüber werde geklagt, daß die Dolmetscher Glecht polnisch sprähen, wohl aber, daß sie s{lecht deutsch sprächen oder einzelne polnishe Dialekte nicht verstehen könnten.

Daß die Dolmetscher mit anderer Thätigkeit belastet würden, werde

von den betheiligten Fustizbehörden bestritten. Die Dolmetscher ständen

L anderen Beamten niht nah, sondern würden auch bei Beför- erungen noH bevorzugt. ' An die polnischen Abgeordneten richte er die

; itte, niht dur generalifierte Vorwürfe in diesem Hause das Ver- rauen in die Gerihtébarfeit in den vershiedenartigen Provinzen zu

erschüttern.

ú Abg. Dr. Mizersfi (Pole) führt als Beispiel des Gewissenszwanges n, daß ein Dolmetscher dur Androhung verschiedentliher, nicht enau annter Maßregeln gezwungen worden sei, ftatt des polnischen K namens bei der polnischen Uebersezung die deutsche Bezeichnung rone a. Br. anzuwenden. Jede Sprache sei ein lebendiger

ganiêmus, der feinen mechanishen Eindruck von außen her deutsge enso gut wie Ortsnamen könnten dann auch andere bs he Worte als berechtigt anerkannt werden. Als Tiberius

Senat ein bis dahin ungebräuchlihes Wort angewendet, hat

omponius Marcellus, als man sagte, dies Wort sei von nun an Et Der Kaiser könne zwar Menschen, aber nicht Worten pee Bürgerrecht verleihen. Das Wort habe noch_jeßt Geltung. - Er

ofe, daß, wenigstens soweit Ueberseßzung deutscher Ortsnamen ins Polnische vorkäme, der Juftiz-Minifter Anordnungen treffen werde, E A in der That die polnishen Namen daneben angewandt

Geheimer Ober-Justiz-Rath V ierhaus erwidert, daß die Ver- ordnung, die polnishen Ortsnamen betreffend, im G an oi im Abgeordnetenhaus vom damaligen Justiz-Minister vorgelesen worden sei, ohne Widerspruch zu finden. Danceb sei für die namen die deutsche Bezeichnung zu wählen. Mit der polnishen Grammatik be- schäftige sich die Verordnung niht. Was den Spezialfall aubetreffe, item nd am Apone gd, Dae es Ee i N ;

r fih durch die nungsstrafen geshädigt glaubte, den Be- WEtewea e sollen. i N y e E ,„Adg. Dr. von Jazdzews ki (Pole) erklärt, daß seines Wissens au Richter sich über Inkorrektheiten in den Ueberseßungen d mib tee Im Interesse einer richtigen Aufnahme notarieller Handlungen, fo z- B. von Testamenten, würde auch die Bestallung polnischer Notare erwünscht sein.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Ih stehe dey polnischen Verhältnissen bis jeßt sehr fremd gegenüber; ich habe jeßt noch feinen Anlaß und keine Gelegenheit gehabt, mi damit vertraut zu mahen. Wenn in der That begründete Beschwerden aus der Provinz Posen vorkämen, die die Justizverwaltung beträfen, würde ich dieselben einer Prüfung unter- ziehen und, falls ein genügender Anlaß dazu vorliegt, für Abhilfe sorgen. Möglicher Weise würde die von dem leßten Herrn Vorredner angeregte Beshaffung von Uebersezungen der Testamente von Amts- wegen zu einer solchen Abhilfe Anlaß bieten.

Im übrigen möchte ih zu dem Vortrage des vorangegangenen polzischen Herr Redners bemerken, daß nah meiner Auffassung die Bestimmungen über die Einführung deutsher Ortsnamen in Posen den Zwek haben, die polnishen Namen überhaupt zu beseitigen, und daß die deutshen Namen fortan aus\{ließlich und allein Geltung haben sollen in der Provinz. JIch möchte deshalb die Auffassung nicht für ausgeshlossen halten vorbehaltlih besserer Belehrung —, daß eine Rückübersezung dieser von zuständiger Seite eingeführten deuts&en Namen in die alten polnishen Namen überhaupt ausgeschlossen ist. Damit würde ih die Beschwerde er- ledigen, die von dem Herrn Abg. Mizerski vorhin vorgebracht ist.

“Abg. Letocha _(Zentr.) erkennt die Beshwerden der Abgg: Dziorobek und von Jazdzewski als berehtigt an und bebt hervor, daß auch in Oberschlesien zablreide ähnlihe Beshwerden laut würden. O Nadby[ (Zentr.) spricht ebenfalls von der polnishen Be- völkerung Oberschlesiens und ihrem Recht, gleich gut wie die Deutschen behandelt zu werden. Ein Mangel an guten Dolmetschern bestehe aber in Oberschlesien jedenfalls. Er behaupte, die Oberschlesier seien brare Preußen gewesen und würden es bleiben, sie hätten aber das Recht, zu beanspruchen, in ihrer Muttersprache gehört und verstanden zu werden. Dazu bedürfe es aber guter Dolmetsher. Ein Ange- flagter habe mehrmals fruchtlos gegen einen ihm zugesandten Dol- metscher protestiert, von dem später festgestellt worden sei, daß er fals überseßt habe; der Dolmetscher babe nur Mährisch nit Polnisch verstanden. Derartiges hade der Justizverwaltung. _ Geheimer Ober-Justiz-Rath Vierhaus erwidert, daß der ober- \{lesishe Dialekt ganz besonderer Kenntnisse der Dolmetscher bedürfe. Wenn der angeführte Dolmetscher nur mäbrish gesprochen habe, fo sei seine Heranziehung nicht gerehtfertigt gewesen. Die Justizverwal- tung würde für Mittheilung folher Fälle immer dankbar sein und unverzüglih eine Prüfung eintreten laffen.

Abg. Dr. Gerlich (fr. kons.): Die oberschlesishen Verhältnisse kenne ih nur oberflälich. Die Ausführungen des Herrn Nadbyl haben mi aber davon überzeugt, daß es das Richtigste wäre, wenn Dolmetscher überhaupt nicht existierten. Jh kann selbst etwas Polnisch und habe bei zahlreihen Verhandlungen Ge- legenheit gehabt, mich davon zu überzeugen, daß die Dol- metsher die Ueberscßungen in etwas fubjektiv gefärbter Weise vor- nehmen. Seit dem Jahre 1876 weiß jeder preußische Unterthan, daß er sih der deutschen Sprache als Rehtssprache zu bedienen hat. Seit derselben Zeit existieren aber auch überall Schulen, sodaß jeder in der Lage ist, Deutsch zu lernen. Die im Jahre 1870 Sen sind 1876 s{ulpflihtig geworden und baben bis zum vierzehnten Jahre die Schule besuhen müssen. Diejenigen, die jeßt 25 Jahre alt sind, müßten also jeden Dolmetschers entbehren können. Wenn sie nicht Deutsch können, so ist das ihre eigene Schuld; dann sollten ihnen aber niht auf Staatskosten Dolmetscher gestellt werden. Die Zahl derer, welche niht in der Lage waren, Deutsch zu lernen, nimmt immer mehr ab. Für die vor 1870 Geborenen halte ih die Stellung von Dolmetscern für berechtigt. Ich möchte au darüber klagen, daß Polen, die Deutsch können, es nicht verstehen wollen. Mir ist es ein paar Mal begegnet, daß Leute den Dolmetschern bei ihren Ueberseßungen dazwishenredeten und bemerkten, so sei die Sache nicht ein Zeichen, daß sie fehr gut Deutsch konnten, es nur nit ver- stehen wollten. Es wandern auch viele Polen nah Sachsen, Westfalen u. \. w. Diese Leute bekommen dort au mit den Gerichten zu thun. Sollen nun deshalb überall Dolmetscher angestellt werden? Das geht doch nicht. Mir is es vielfach begegnet, daß Kinder, denen ihr Lehrer ein ganz gutes Zeugniß im Deutshen gegeben hat, erklärten, fie könnten niht deuts. Was nun die Orts- namen anbetrifft, so fann doch Herr Dr. Mizerski Seiner Majestät niht das Recht bestreiten, Ortsnamen als solche zu deklarieren oder umzüändern. Wie anspruchsvoll die Polen sind, Orts- namen nah ihrem Modus umzuändern, dafür kenne ih ein bezeih- nendes Beispiel. In meiner Gegend liegt eine im Jahre 1819 ge- gründete Ortschaft, die zur Erinnerung an den Minister „Hardenberg“ genannt wurde. Wenn man in dieser Gegend einen Polen nah Hardenberg fragt, so s{chüttelt er den Kopf. Er kennt nur „twarda gorra“, das beißt „harter Berg“. Wenn der Herr Minister gebeten worden ist, den Fonds für die Dolmetscher im nächsten Etat wenn möglich zu erhöhen, so möchte ih den Minister dagegen bitten, den Fonds, wenn irgend möglich, von Jahr zu Jahr immer mehr zu verringern. 7 Abg. Dr. Mizerski (Pole) erwidert, daß, wenn die polnische Jugend niht Deutsch lerne, dies an der falshen Unterrichtsmethode liege. Daß man sich deutsche. Ortsnamen in vollständig polnischen Gegenden polonisiere, zeige eben, wie fals es sei, deutshe Ortsnamen in diesen Gegenden anzuwenden.

Abg. von Unruh- Bromberg (fr. konf.): Der Herr Vorredner be- findet sih bezü lih des Namens RKoronowo im Irrthum. Der Name ist zur polnischen Zeit aus einem anderen polnishen Namen in Ko- ronowo geändert worden, weil dort ein. Piast die Nachricht von seiner Wakhl erhielt. Wir haben alfo mit unserer Aenderung nihts weiter ethan als das, was die Polen {on früher gethan haben. Zu dem Bedürfniß nah Dolmetschern mag folgender Fall als Jllustration dienen : Ein Zeuge, der anfangs durhaus nach einem Dolmetscher verlangte, kam nah beendeter Verhandlung wieder in den Saal, um im reinsten Deutsch zu sagen: „Ach, ih wollte nur meine Zeugengebühren fordern!“ Ein ferneres Beispiel: In einer Stadt der Provinz Posen verlangten die Polen eine Ueberseßung des Sparkassenstatuts in ihre Mutter- sprache. Als diese Ueberseßung in vielen Tausenden von Exemplaren gedruckt worden war, wurden innerhalb aht Jahren nur drei Exemplare abgeseßt. Wenn man die Nothwendigkeit der Anwendung des Pol- nischen auf die nothwendigen Fälle zurückführen würde, so würde sich das Bedürfniß als niht oder doch nur in geringem Umfang vorhanden

Abg. von Werdeck (kons.) bittet um bauliche Aenderun Vos E tzgcfingniß in Kottbus idert, daß der Umbau Z : i ird erwidert,

große S@wierigkeiten soße, man ihn jedo im A behalten U

Abg. Rohde (kons.) bittet um bessere Untérbringung des Amts-

in Wittenberg.

‘Beim Extraordinarium, Kapitel „Bezirk des Ober- Ee zu Breslau bemängelt

üdckho eifonf.) die ände des i zu-Reichenbach. Dieselben Lln, E N et Ah an den Justiz-Minister zu wenden. Durch das Ober-Landesgericht zu Breslau fei eine Prüfung erfolgt, die ergeben habe, daß eine ge- nügende Abänderung nur dur einen Neubau zu ermöglichen sei. Zu- gleih sei betont worden, daß bei der jegigen Finanzlage an die Ge: nehmigung eines Neubaues nicht zu denken sei. Es fei nun neuerdings wieder in diefer Angelegenheit eine Petition an den Justiz-Minister Süesandt worden. Auch Redner möchte den Minifter ersuen, die

e noh einmal selbft zu prüfen; er hoffe, daß dann doc bald ein Neubau in Aussicht genommen werden würde.

Geheimer Ober - Justizrath Dr. Starke erwidert, daß am 9. Januar eine Petition des Magistrats zu Reichenbah eingegangen sei. Diefelbe sei am 15. Januar zur Prüfung an das Ober-Landes- geriht zu Breslau gesandt worden, von wo bis jeßt noch kein Bericht N (bo Wei be ahn (nl.) befürwortet den Neubau eines Geri (ebäides in Harburg. G R a ges E

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Jch bin mit den Verhältnissen in Harburg genau bekannt und erkenne die Unzulänglichkeit der dortigen Geschäfts- [ofalitäten sowie das Unbefriedigende des jetzigen Uebergang8zustandes, der als ein Nothstand anzusehen ist, in vollstem Umfang an. Die Justizverwaltung hat das lebhafteste Interesse daran, daß diesen Uebelständen sobald wie möglich abgeholfen wird. Es ift ein Ein- verständniß zwishen dem Herrn Arbeits-Minister und dem Justiz- Ministerium dahin erreiht worden, daß ein Neubau errichtet werden soll auf dem vorhandenen Bauplaß. Der Herr Regierungs-Präsident in Lüneburg if bereits ersucht worden, das zuständige Bauamt mit der Aufftellung der Baupläne zu beauftragen, sodaß also diesseits alles gesehen ist, was zur Förderung der Sache geschehen konnte. Das- Bauprogramm wird durch die Vorstandsbeamten des Ober- Landesgerichts dem Herrn Regierungs-Präfidenten mitgetbeilt.sein und die Sache nah Möglichkeit weiter gefördert werden. Allerdings wird dann noch die Zustimmung des Herrn Finanz - Minifters zur Aus- führung des Baues zu erwirken fein.

._ Abg. Dr. von Woyna (fr. konf.) bittet um eine bessere Unter- bringung des Amtsgerihts zu Neustadt am Rübenberge.

Justiz-Minister Schönstedt:

Dem Herrn Vorredner kann ich erwidern, daß mir au die Zu- stände in Neustadt aus eigener Anshauung bekannt sind, daß ih fie aber doch nicht für so verbesserungsbedürftig halte, wie bei vielen anderen Amtsgerihten. Ih glaube, sie werden \sich noch einige Zeit er- tragen lassen, und mit Rücksiht auf die Finanzlage kann ih meiner- seits kaum in Ausficht stellen, daß ein Neubau für Neustadt am Rübenberge in baldige Erwägung genommen werden wird. Nach meiner Erinnerung befindet \sich ein Warteraum auf einem Vorplag, der fih an das Treppenhaus anschließt. Im übrigen werden er- fahrungsmäßig die Warteräume und Zeugenräume vom Publikum sehr selten benußt, das vielmehr allgemein die Neigung bat, \ich in dem Korridor möglichst in der Nähe derjenigen Zimmer aufzuhalten, in denen die Vernehmung bevorsteht; es find vielfach solhe Warte- räume angelegt worden, ohne daß sie nachher entsprehende Benußung gefunden haben.

Aehnliche Auskünfte werden über Neubauten von Ge- rihtsgebäuden in Harburg und Rendsburg gegeben.

Abg. Freiherr von Erffa bittet um Herstellung eines Diensft- wobhngebäudes für den Amtsrichter in Ranis (Thüringen).

Justiz-Minister Schönstedt:

Ich weiß nicht, ob die ausländishe Stadt, in der der Amtsrichter von Ranis wohnt, eine Meile von Ranis entfernt ift; aber wenn es auch weniger ist, wie ih annehmen möchte (Zuruf des Abg. Freiherrn von Erffa: 8 km!), fo halte ich es immerhin für sehr bedauerlich, daß ein derartiger Zustand besteht, und würde, soweit es an mir liegt, alles thun, was dahin führen kann, für eine angemessene Wohnung des Amtsrichters in Ranis zu sorgen. Es is mir von früher her be- kannt, daß der leßte Amtsrichter dringend seine Verseßung beantragte, weil in Nanis keine Wohnung vorhanden war, und daß er diese Ver- seßung auch erreiht hat. Ich stehe überhaupt auf dem Standpunkt, daß es in hohem Maße wünschenswerth if, die Amtsrichter in folen Orten, wo es an einer geeigneten Wohnungs- gelegenheit” fehlt, durch Errihtung von Dienstwohnungen zu fefseln. Aber die Ausführung der Absichten hat ja immer zu rehnen mit den finanziellen Schwierigkeiten. Jch glaube jedoch, sagen zu müssen, daß auch der Herr Finanz-Minister dieser Frage durhaus wohlwollend gegenübersteht und selbst die Nothwendigkeit anerkennt, dafür zu sorgen, daß die Amtsrichter so gebettet werden an ihren Amtsfigzen, daß das Bedürfniß nah einem Wechsel niht zu rasch und nit zu lebhaft bei ihnen hervortritt. Es ist gewiß im Interesse der Sache und im Interesse der Gerichtseingesessenen, wenn die Amtsrichter in ihrem Gerichtsbezirk möglichst lange bleiben und mit den Verbält- nissen und der Bevölkerung vertraut wèrden.

Wie im übrigen die Sache in Ranis liegt, weiß ich niht, und der Herr Kommissar wird die Güte haben, darüber Auskunft zu geben. Abg. vom Nath (nl.) vermißt unter den Neubauten den eines Gefängnisses in Frankfurt a. M.,

Abg. von Eynern (nl) einen gleihen Bau für Barmen. Geheimer Ober-Justiz-Nath Dr. tarke fagt auch diesen Wünschen baldmöglihste Berücksichtigung zu.

G S ist die zweite Berathung des Justiz-Etats eendet.

Schluß 41/7 Uhr. Nächste Sißung Freitag 11 Uhr. (Etat des Ministeriums des Jnnern.)

Zu dem Bericht über die Mittwohs-Sizung des Haute der Abgeordneten (\. Nr. 40, Zweite Beilage) ist noch olgende Rede des Justiz-Ministers nahzutragen, mit welcher eielhe dem Abg. Nadbyl (Zentr.) antwortete.

Justiz-Minister Schönstedt :

Eine Anordnung in der \oeben vom Herrn Abg. Nadbyl an- gedeuteten Richtung, daß die Direktoren Zeugnisse auszustellen hätten über die Qualifikation der thnen zugewiesenen Gerihts-Assessoren besteht nicht. Dabei ist allerdings niht ausges{chlofsen, daß, wenn die Landgerichts-Präsidenten \ich über die Qualifikation der Gerichts-

herausfteleÊn. Damit wird dieser Gegenstand verlassen.

Affsessoren zu äußern haben, fie sich mit derèn „unmittel-