1895 / 43 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 18 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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E E E N

t A

das Ministerium beshäftigt sich mit der Prüfung der Verordnungen, die der Regierungs-Präsident erlassen hat, meist nur dann, wenn dazu Beschwerden Veranlassung geben —, wie gesagt, die Verordnung ist uns noch nicht bekannt, ih werde sie mir aber einreichen lafsen und fie einmal durchftudieren.

Die zweite Polizeiverordnung, von der der Herr Abg. Wamhoff spra, war die, betreffend landwirthshaftlihe Maschinen, welche niht im Fahren arbeiten, und er bemängelte daran die Bestimmung, welche lästig für diejenigen sei, die mit den Maschinen zu hantieren und gewifser- maßen die Verantwortung haben, daß kein Unglück passiert. Meine Herren, diese Verordnung if sehr eingehend vorbereitet worden, beide Ressorthefs, der Minister für Landwirthshaft und der Minister des Innern, haben die Sache geprüft, nachdem das Landes- Oekonomfe - Kollegium und eine größere Anzahl von Technikern' über die Frage gehört worden waren, wie es zu machen sei, daß solhe Maschinen für Leute, die daran beschäftigt find, kein Unglück anrichten können. Der § 10 der Verordnung sagt:

Die Maschinen sind außer der Betriebszeit so festzulegen bezw. zu fichern, daß sie von Unberufenen nicht in Bewegung geseht werden können.

Das ift doch eine heilsame Maßregel. Auf dem Lande sieht man do fehr häufig, daß ungezogene Jungen, wenn die Maschinen stillstehen, zu vrobieren versuhen, ob sie die Maschinen in Gang bringen können, und es wird sehr viel Unglück dadur her- beigeführt. Jh halte diese Bestimmung, welhe zum Schuye des Publikums erlassen ist, für eine günstige (Zuruf) ich weiß nicht, ob ih den Herrn Abgeordneten richtig verstanden habe? (Ruf : nein!) Nein ? dann bin ih bereit, mit ihm noch einmal darüber zu sprechen, welche Bestimmung der Herr Abgeordnete meint.

Was die erste Verordnung, welhe der Herr Abgeord- nete anführte, betreffend die Bodenluken, anlangt, so haben der Herr Minister für Landwirthschaft und der Minifter des Innern sih bereit erklärt, sie aufzuheben, sobald die Hannoversche landwirth- schaftlihe Berufsgenossenschaft die bereits von ihr in Aussicht ge- nommenen Unfallverhütungs-Vorschriften erlassen haben wird. Die Verordnung bleibt nur noh fo lange aufrecht erhalten, bis die Frage geregelt ist, wie Unglüde zu vermeiden seien, für deren Folgen die Genossenschaft die Kosten zu tragen hätte.

Fh bin dem Herrn Abgeordneten dankbar für die Anregung, die er gegeben hat, wie ich überhaupt jedem dankbar bin, der Beschwerden irgend welcher Art, die meine Verwaltung betreffen, hier zur Sprache bringt. Jch werde mich eingehend mit den Sachen befassen und zu- sehen, inwieweit Abhilfe geschaffen werden kann, falls es diesseits für nothwendig erachtet wird. (Bravo !)

Abg. Freiherr von Zedlitz (fr. kons.): Der Minister hat fi vorhin dahin geäußert, daß er nichts mehr hasse, als wenn der Land- rath die ganze Weche in seinem Bureau fige und nicht in lebendigen Zufammenhang mit der Bevölkerung seines Kreises, mit ihren Wün- schen und Bedürfnissen trete. Das ist ein durchaus wahres und richtiges Wort, denn der Landrath kann seine Thätigkeit nur aus- üben, wenn er die Personen und Verhbältnifse seines Kreises aus eigener Anschauung kennt, und wenn er im Vollbesiß des persönlichen Vertrauens ist, das nur durch eine ständige persön- lihe Berührung mit der Bevölkerung gewonnen werden kann. Der Landrath muß der Vertrauensmann des Kreises sein ; es ist stets ein

utes Zeichen, wenn er \sich das Vertrauen seines Kreises in dem

aße gewonnen hat, daß ihm das Reichstagë- und Landtagsmandat übertragen wird. Die Kehrseite der Medaille, ein nothwendiges Uebel, ist aber die Bureauthätigkeit. Sollte diese in dem Maße wachsen wie in den leßten Jahren, fo wird der Landrath unmöglich noch mit seinem Kreise in lebendiger Fühlung bleiben können, wenn er ewifsenhaft sein Amt verwalten will. Noch s{limmer wirkt viel- eiht das Uebermaß von bureaufkratischem Screibwerk in den unteren Instanzen, in unseren Ehrenämtern, sowohl der ländlihen Polizei- verwaltung als der emen evenpa ing: Die Amtsvorsteher haben in der Regel eine Wirthschaft zu versehen, die {hon die Vollkraft eines Mannes in Anspruch nimmt. Wenn er daneben noch mit lästigen Schreibereien geplagt wird, so wird es {ließlich dahin kommen, daß er solhe Ebrenämter niht mehr annimmt. Ich bin ein großer Freund der Selbstverwaltung, der Ehrenämter. Wir müßen ernstlich dafür Sorge tragen, daß diese Institution in dem bureau- Fratishen Schreibwerk nit untergehe. Auch die Arbeiten auf {tatisti- hem Gebiet fallen den Vertretern der Ehrenämter ret oft znr Last. In dem Bestreben, alles bis auf das genaueste zu erforschen, alle Ein- rihtungen bis in die äußerste Spiße möglichst vollkommen und korrekt zu machen, find wir dahin gekommen, daß das Resultat mit der Last der aufgewendeten Arbeit nicht mehr im a Verhältniß steht. Die ländlihen Ehrenämter, namentli die Polizeiverwaltung, werden außerdem seitens der Justiz zu sehr belastet. In denjenigen Landestheilen, in denen wir keine Ghrenämter haben, arbeitet die Staatsanwaltschaft in weit höherem Maße mit den Gendarmen und tritt der Untersuhungsrichter weit mehr in Aktion. Es ist für die Thätigkeit der ländlichen Polizei- verwaltung ein ebrendes Zeugniß, wenn fie mit den vorbereitenden Untersuchungen betraut wird, aber das Maß der Inanspruchnahme geht über ihre Kräfte hinaus. Nur wenn die Amtsvorsteher möglichst von jedem bureaufratishen Schreibwerk befreit werden, wird es mög- lih sein, diese Institution zum Segen des Vaterlands dauernd zu erbalten.

Minister des Jnnern von Köller:

Meine Herren! Ih kann den Herrn Abg. Freiherrn von Zedliyz versichern, daß das, was er wünsht, nämlih auf die Verminderung des Schreibwerks im Lande binzuwirken, nicht nur mein ernstes Be- streben sein wird, sondern daß i, so lange ih Beamter gewesen bin, \fowobl in Preußen, wie in Elsaß-Lothringen, stets gesuht habe, in dem Sinne zu wirken.

Meine Herren, die Landrathsgeshäfte wachsen, wie der Herr Aba. von Zedliß sehr richtig bemerkte, und das hat zum theil seinen Grund in Ihnen bier und drüben im Reichstage; je mehr Geseße ge- mat werden, desto mehr wächst die Arbeitslaft der Landräthe, denn fie sind nun mal die zur Ausführung der Gesetze in erster Linie berufenen Behörden. enken Sie doch an die ganzen Versicherungsgeseße, an die Kranken- und Unfallgeseze, die vor zehn Jahren kein Landrath kannte; die baben den Landrath8ämtern eine unabsehbare Schreiberei auferlegt.

Run hat die preußishe Staatsregierung schon versu@t, in der Weise zu helfen, daß sie einer größeren Anzahl etwa 150 von Land- rathéämtern Affsessoren überwiesen ihat, die den Landrath in den Bureaugeshäften - thunlichst erleihtern sollen, damit er seinem eigentlichen Beruf, den ih vorher s{hon erwähnte, erbalten bleibe. Œ8s is ferner seitens der Staatsregierung in sehr vielen Landrathsämtern jeßt, nachdem die neuen Steuergeseye, die auch das Schreibwesen für die Landräthe nicht vermindern (sehr richtig! rets), eingeführt worden sind, ein zweiter und dritter Subalternbeamter hingeschickt, um die Bureaugeshäfte dem Landrath

Also die Regierung is in dieser Beziehung {on bemüht ge- wesen und wird fernerweit bemüht sein, dem Landrath die zeit- raubenden lästigen Bureauarbeiten so viel als möglich zu erleichtern. Aber, meine Herren, der Landrath ist nun einmal ein bezahlter Staats- beamter, und der muß arbeiten; dazu ist er da.

Viel \{limmer steht die zweite Frage, welhe der Herr Abg. von Zedliy angedeutet hat, die Ueberlastung der Amtsvorsteher. Meine Herren, der Amtsvorsteher in Preußen hat ein Ehrenamt, und wir haben alle Veranlaffung, dafür zu sorgen, daß dieses Amt thatsählih ein Ehrenamt bleibt, und daß unsere Amts- vorsteher eine Ehre darin suchen, dem Vaterlande dadurch zu dienen, daß sie die Polizei namens des Staats führen, und daß sie niht belastet werden mit Schreibwerk und lästigen Bureauarbeiten, die nun einmal kein Mensch, der im öffentlichen Leben seinen Beruf hat, so ausführen kann, wie das ein gelernter Sekretär von Jugend auf geübt ist. Die Frage der Belastung der Amtsvorsteher liegt mir aus den Gründen, die ih Jhnen vorhin entwickelt habe, noch mehr am Herzen als die Frage der Belastung der Landräthe.

Menn nun aber die Amtsvorsteher entlastet werden müssen, fo empfehle ich den Herren Landräthen, die doch zunächst die vorgeseßten Behörden der Amtsvorsteher sind, eines einzuführen, was ich früher schon eingeführt hatte, was ih auch neulich {hon gelegentlih erwähnt habe, was {on eine Menge Schreibwerk erspart; das is das, sich den unglücklihen Schluß in den Verfügungen abzugewöhnen, eventuell Vakatanzeigen einzureihen. (Sehr rihtig !)

Ein Landrath dekretiert an sämmtlihe Amtsvorsteher, das und das bis zu dem und dem Tage anzuzeigen, eventuell Vakatanzeige zu erstatten. Der Amtsvorsteher liest eine solche Verfügung dur, sagt sh, es ist nichts für mich, und wirft sie in den Papier- korb. Nah 8 Tagen kommt eine Anfrage, die ist noch portofrei; er denkt immer noh: das geht mich nichts an. Nach weiteren aht Tagen kommt eine zweite Anfrage und die ist nun portopflihtig. Da wird er unwillig und sagt zuleßt: da hört alles auf bei einer solhen Bureaukratie! Die Schuld daran trägt diese unglückliche Idee der Vakatanzeige. (Sehr richtig! rets.) Ich habe neulich eine Verfügung an die Regierungs-Präsidenten und sämmtliche Landräthe erlassen und darin ausdrücklich hervorgehoben, einer Vakatanzeige bedürfe es niht. Ih möchte empfehlen, daß dies im ganzen Lande geschieht, dann werden die Amtsvorsteher {on sehr dankbar sein. (Sehr richtig ! rehchts.)

Der Abg. Freiherr von Zedliß hob als Grund der Belastung der Amtsvorsteher au die Statistik hervor; er sagte: die Resultate stehen in keinem Verhältniß zu den Mühen und Arbeiten, die mit einer solhen Statistik verbunden sind. Ja, meine Herren, über die Statistik könnte man Stunden und Tage lang sprechen, wir werden sie aber leider nicht aus der Welt schaffen. Ich gebe auch zu, daß Statistiken einen gewissen Werth haben und einen großen Werth haben würden, wenn sie zuver- lässig sein würden (sehr richtig! rechts); sie sind das aber in meinen Augen nit immer in dem Grade, wie in anderer Herren Augen, weil ich weiß, wie Statistiken gemacht werden ; ih habe das oft genug selber mitgemaht, wie durch die Landräthe und Amtsvorsteher die Statiftiken gemaht werden, und ih kann den Werth, der ihnen von anderen beigemefsen wird, niht voll und ganz theilen. Das afler- \{limmste sind dabei die Schlußfolgerungen, die daraus gezogen werden. Aber, meine Herren, wir werden die Statistik doch niht ganz vermeiden können; es find gewisse Sachen, die si heutzutage ohne die Statistik niht ganz erklären lassen, und da werden die Behörden im Lande nicht darum herumkommen, in den Sachen gewissenhaft und fleißig zu arbeiten. Das werden die Landräthe auch thun. Ich bitte nur, bei dieser Sache auch die Amtêvorsteher möglichst wenig zu belasten, sondern auf andere Weise zu suchen, wie sie das nöthige Material bekommen.

Dann hat der Abg. Freiherr von Zedliß einen Grund der Ueber- lastung der Amtsvorsteher vorgebraht, worin ich ihm voll und ganz beistimme. Früher, als wir die Amtsvorsteher niht hatten, haben Gericht und Staatsanwaltschaft die Gutsbesißer, die die Polizei führten, selten requiriert; jeßt wird seitens der Justiz der Amtsvorsteher als ein Organ behandelt, welches be- auftragt wird, Vorverhandlungen, Vorvernehmungen u. |. w. zu machen ; daß die Amtsvorsteher das besser machen als die Gen- darmen, unterliegt keinem Zweifel; aber nah meiner Ansicht sind die «: Amtsvorsteher zu solhen Sachen nit da, wenn nicht die ehrenamt- lihe Stellung des Amtévorstehers untergraben werden foll. (Sehr richtig! rechts.) Es soll mein Bemühen sein, den Herrn Justiz- Minister zu bitten, daß gerade in dieser Beziehung die Amtsvorsteher im ganzen Lande entlastet werden. (Bravo! rets.)

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole): Wir werden aus den grundsäßlihen Aeußerungen des Ministers über den antipolnischen Berein die Konsequenzen für unsere Vereine ziehen und darüber wachen, daß diese nah denselben Grundsätzen behandelt werden. Der Bund der Polen in Deutschland hat namentlich im Westen doch seine \chöônen moralishen Ziele, die hauptsählich auf Pflege der Religion gerihtet sind und so die Bestrebungen gegen den Umsturz unterstüßen. Die provokatorishe Weise der polnishen Presse verurtheile ih aufs schärfstee. Dem Abg. von Tiedemann erwidere ih, daß in der Stadt Posen 155 Vereine bestehen, von denen 114 deutsche sind. Keiner dieser Vereine hat jemals die polnishe Bevölkerung beunruhigt, wohl aber thut das der neugegründete Kampfverein. Wir wollen den Kampf nicht, wir suchen die polnishe Bevölkerung zu beruhigen, tragen also für die Folgen Ihrer Maßregeln keine Verantwortung. Wenn sch der Abg. von Tiedemann über die Zurückseßung der deutshen Katholiken in Posen beklagt, so darf er doch solhen Vorwurf niht germanisieren, er hat seinen Grund in den besonderen Verhältnissen der Gemeinden. Be- trahte er do einmal die hiesigen Verhältnisse als Gegenstück dazu. Hier in Berlin ist die Mehrzahl der Katholiken polnisch, und wie mangelhaft wird den speziell polnishen gottesdienstlihen Bedürfnissen Rechnung getragen! Wenn der Abgeordnete von Tiedemann die Worte des Herrn von Koszielski bemängelt, daß die Polen als ge- \{lofsene Natienalität auftreten sollen, so entspriht das doch den Vereinbarungen ¿zwishen den Polen theilenden Mächten vom Jahre 1815, Gas der Staat Polen zwar aufhören solle zu bestehen, die Nationalität aber ges{ont werden solle.

Minister des Jnnern von Köller:

Meine Herren! Wenn ich nochmals das Wort nehme in der Sache, die soeben in den friedlihen, wohlflingenden Worten des Herrn Abg. von Jazdzewski hoffentlih beendigt sein wird, so geschieht das nur, um auf eine Aeußerung des Herrn Abg. von Jazdzewski zu- rückzukommen.

Der Herr Abgeordnete sagte, ich habe gestern wohlwollend über den Verein zur Förderung des Deutshthums in den Ostmarken ge-

wie er ihn nannte, nun auch dasselbe Wohlwollen dem polnischen Verein entgegenbringe. Meine Herren, es is nicht meines Amtes

weder dem einen noch dem anderen Verein Wohlwollen entgegen» zubringen; sondern es ift meines Amtes, beide Vereine jeden für ih genau nah Lage der geseßlihen Bestimmungen zu behandeln und nicht zu dulden, daß der eine oder der andere gegen geseglide Bestimmungen verstößt, und andererseits dafür zu sorgen, daß die richtigen gefeßlichen Bestimmungen gegen jeden der Vereine ange- wendet werden.

Nun fagte Herr Dr. von Jazdzewski, er hoffe, daß ih in gleicher Weise den Bund der Polen für ganz Deutschland behandeln würde wie ih jenen Verein gestern behandelt hätte. Wenn die Voraus, seßungen dafür für die beiden Vereine die gleihen wären, so würde daraus nah den geseßlihen Bestimmungen folgen, daß ih die beiden gleih behandeln müßte. Nun muß ih aber Folgendes hervorheben um nicht später Vorwürfen des Herrn Abg. Dr. von Jazdzewsk; ausgeseßt zu sein. Ich habe bisher niht gefunden, daß in den Statuten jenes Vereins zur Förderung des Deutschthums in der Oft, mark Bestimmungen zur Zeit enthalten wären oder von dem Verein eine Thätigkeit bisher entfaltet wäre, welche sich unter den 8 g der zur Zeit geltenden Verordnung des Vereins- und Versammlungs8wesens mit Recht klassifizierten. - Der Verein i meines Erachtens nah seinen Statuten und nah seiner Thätigkeit ein Verein der unter die Bestimmungen des § 2 in jener Verordnung fällt. Der Bund aller Polen für Deutschland, für welchen der Abg. Dr. vonJazdzewski dieselbe Behandlung in Anspruch nahm wie für jenen Verein, fällt meines Erachtens niht unter § 2, sondern unter § 8. Der Verband aller Polen Deutschlands ist nach Lage seiner Statuten meines Ex, ahtens heute {on ein politisher Verein. Ih werde Ihnen das nachweisen und Sie werden mir Recht geben.

S 8 des Geseges vom 11. März 1850 spriht mit klaren Worten aus, daß diejenigen Vereine, welhe bezwecken, öffentlihe Angelegen- heiten in Versammlungen zu besprechen, als politishe Vereine zu er- achten sind, während die Vereine, die diesen Zweck nicht haben, unter S 2 des Gesetzes fallen. Nun liegen mir die Statuten des Bundez aller Polen, wie er in Bohum beshlofsen ist, vor, und es heißt S E:

Aufgabe des Verbandes ift die Einigung der in den deutschen Provinzen beschäftigten Polen zwecks Sicherung der sittlichen und materiellen Nechte derselben unter bedingungslofem Aus\chluß der sozialistishen Ränke.

Dann heißt es im § 2:

Diesem Ziele nachstrebend, wird der Verband nah Möglihkeit

a. will ih fortlafsen

b. öffentlihe Volksversammlungen dort einberufen, wo fi die Nothwendigkeit dafür herausstellt.

Also in den Statuten steht unter den Mitteln, die gebraudt werden follen, um den Zweck des Vereins den ih garnicht angreifen will zu erreihen: öoffentlihe Volksversammlungen einberufen. Das, meine Herren, ist eben das Kriterium des § 8 der Verordnung vom 11. März 1850. Also durch seine eigenen Statuten hat sh dieser Verband aller Polen Deutschlands unter § 8 des Vereins- geseßes gestellt, und i will nur einem Vorwurf Ihrerseits für später

zu erfüllen, während der Verein für Förderung des Deutschthums in den Ostmarken nur diejenigen Bestimmungen zu erfüllen hat, die § 2 der Vereinsverordnung vorschreibt.

Im übrigen will ih die eine Bemerkung noch machen, daß der im „Vorwärts“ publizierte Erlaß keine Veranlassung giebt, au nur irgendwie anzunchmen, daß das Ministerium in irgend wel&er Verbindung mit dem „Vorwärts* steht. (Heiterkeit.) Wir sind leider gezwungen, jenes Blatt täglich zu lesen, um den theilweise skandalôösen und \chimpflihen Sachen, die darin stehen, energish entgegenzutreten ; diese Verbindung haben wir mit dem „Vorwärts“ und werden wir [eider wohl behalten. Jener Erlaß aber, der dort veröffentlißt worden is, war gar kein geheimer Erlaß; ih bin bereit, dem Herrn Abg. von Jazdzewski ihn hier zu zeigen, wenn er ihn nit gelesen haben sollte, er s{cheint ihn aber in „Vorwärts* gelesen zu haben, sonst würde er ihn niht haben anführin fönnen. (Heiterkeit.) Wir haben gar keine Veranlassung, den Erlaz geheim zu halten ; er sagt nihts weiter als: der Bund der Polen ift ein neuer Verein, der sich gegründet hat; er ist ergangen an sechs8 oder acht Ober - Präsidenten nihcht an alle, um zu berihten, inwieweit s{ch der Verein in West- falen und in der Rheinprovinz u. \. w. thätig zeigt. Der Ober- Präsident von Westfalen hat uns die Statuten eingereiht, und ih habe Ihnen eben den § 1, der ja ein fehr lobenswerthes Ziel vor sih hat, mitgetheilt und aus dem § 2 Ihnen nachgewiesen, daß t allerdings ein politisher Verein ist, und, meine Herren, ih glaube es wird meines Amts fein, jedem politischen Verein im Lande eine gewisse Aufmerksamkeit jederzeit zuzuwenden. Im übrigen will ih nohmals betonen: ih glaube und hoffe, daß diese Polendebatte zu allgemeinem Frieden und zur Eintraht führen wird und nicht zu Kampf und Zwietraht. (Bravo !) i:

Abg. von Tiedemann-Bomst (fr. kons.): Auch ih hoffe, e es endlih dazu kommen wird, daß die Polen das loyal glauben, wa ihnen hier versichert wird. Die Konsequenzen aus den Worten des Ministers sind von den Polen für ihre Vereine lange gezogen worden. Was soll also die etwas in Nebel gehüllte Drohung des Abg. t; Jazdzewski ? Der Abg. von Jazdzewski hat mir nicht bewie!en, dat ih etwas Falsches behauptet hätte. Die Zahlen der Bares die er genannt hat, beziehen fich nur auf die Stadt Posen, 2 meinigen auf die ganze Provinz, auch halen die 114 deutsen Vereine in Posen mit der deutschen Nationalität gar nichts zu Aba es find tehnishe, wissenschaftliche und religiöse Vereine. Der f von Jazdzewski nennt nah wie vor den deutschen Verein einen Ka, verein. Möge er mir do einen Fall nennen, wo er diese Eigen bewiesen hat. So lange er das nicht kann, wird er vor dem Las d

feinen Glauben finden. Die Gründung des Vereins war ledig E eine Antwort auf die Provokation der Polen 1m, Ja in 1894. Klagen über mangelhafte Pflege polnischer Gottesdienste Berlin bestehen nah meinen Erkundigungen nicht. Die Rede À Herrn von Koszielski habe ih nur in Bezug auf die Stelle ca daß alles, was auf polnishem Boden wohne, polonisiert werden a ict Der deutshe Verein hat das Feuer der Zwietracht nicht ange pi Lösen Sie Ihre polnischen Vereine auf, ih gebe Ihnen mein =S:, in 24 Stunden is auch der deutsche Verein aufgelöst. ahres aber in Ihrer Vereinsthätigkeit so fort, so gebe ih Ihnen “S sicherung, daß der deutshe Verein ein langes und energisches

haben wird. (Schluß in der Zweiten Beilage.)

abzunehmen und Arbeitskräfte zu schaffen.

sprochen, und er hoffe, daß ich ebenso wie dem antipolnishen Verein,

hier begegnen, wenn Sie angehalten werden, die Bestimmungen des § 8 4

keinen Zweifel in Ihre Mittheilung seßen, aber ih glaube,

M 43.

(Sch{hluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Dr. Mizerski (Pole): Der Abg. Moity wollte mit seinem Zitat über die Härte der Deutschen diese nicht beleidigen; es war ja das Urtheil eines Deutschen. Alte Broschüren, in denen die Idee der Wiedererrihtung des polnischen Reichs angeregt wird, haben doh heute keine Bedeutung mehr. Wie könnten denn heutzutage Sensenmänner die Provinz Posen von Preußen loéëreißen!

Abg. Dr. Sattler (nl) bestreitet, auf seine gestrige Aeußerung in Bezug auf das Ueberhandnehmen der Wahlen von Landräthen zu Abgeordneten zurückommend, dem Minister, daß es ein Opfer für die Landräthe sei, bier als Abgeordnete zu erscheinen.

Abg. Seer (nl.) erklärt, nah seinen Erfahrungen in der Provinz Posen müsse er, solange die Polen ihre nationale Abgeshlo\senheit nicht aufgäben, bei der Meinung bleiben, daß sie Feinde des deutschen Vereins lediglich deshalb seien, weil dieser ihre Agitation bindere.

Abg. Knebel (nl.) erklärt, daß er nah so manhen gleichartigen Aeußerungen vom Ministertisch den Auslassungen des Ministers über Einschränkung der Screibarbeit der Landräthe einigermaßen \keptisch gegenüberstehe, und bittet um Gehaltsaufbesserung für die Landräthe.

Abg. Dr. Lotichius (nl.) ersucht um Einführung einer Land- gemeindeordnung für Hessen-Nafsau.

Minister des Jnnern von Köller:

Meine Herren ! Die Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau ist, wie den Herren ja bekannt sein wird, insonderheit den Mitgliedern des hessen-nafsauischen Provinzial-Landtags, vollständig fertig gestellt, sodaß sie jeden Tag dem Landtag vorgelegt werben könnte. Der Provinzial- Landtag in Cafsel, welcher über den Entwurf gehört worden ift, hat Aenderungen in mehreren Punkten gegen die Regierungsvorlage in Vorschlag gebracht. Der Bericht, mit welchen die Verhand- lungen des Provinzial - Landtags seitens des Herrn Ober- Präsidenten mir vorgelegt worden sind, befindet \sich ungefähr seit zehn oder vierzehn Tagen in meinen Händen. Nun ist es mir [eider bisher bei den vielen anderen Geshäften in diesem Hause und im Reichstag kaum mögli gewesen, einen Blick in die Landgemeinde- ordnung für Hessen-Nassau hineinzuwerfen, und ih sollte meinen, der Herr Abgeordnete wird es verständlih finden, wenn ih nit einen Gesezentwurf dem Hause vorleze, den ich noch nicht vollständig studiert habe und dessen Inhalt ich noch nit vollständig beherrsce. Jh muß Sie also bitten, daß Sie sich etwas gedulden, bis ich die Zeit gefunden habe, mich in den Entwurf näher einzuarbeiten.

Es ist auch ein anderer Umstand maßgebend gewesen, welcher mi veranlaßt hat, die Sache nicht zu übereilen. Bekanntlich war im § 1 des Geseßentwurfs die Bestimmung enthalten, daß die Ge- meinden Frankfurt und Bockenheim zwangsweise vereinigt werden soliten. Bei meiner lokalen Kenntniß der dortigen Verhältnisse glaubte ih, daß, wenn ih versuhte, dort eine friedliche Einigung herbeizuführen, mir das gelingen würde. Ich habe Deputationen aus Frankfurt und Bockenheim empfangen und ih habe mit den Herren verhandelt. Zu meiner großen Freude ersehe id aus einem Zeitungsberiht ein amtlicher Bericht liegt mir noch niht vor —, daß die beiden Städte Frankfurt und Bockenheim si fridlih geeinigt haben, und das ist mir eine besondere Freude, weil je Gese, welches zwei Kommunen wider ihren Willen vereinigt, Mißfallen erregt. Das war der zweite Umstand, der mi veranlaßt hat, die Sache nicht zu übereilen. Jch kann Ihnen rit sagen, ob ih {on in dieser Session das Gesetz bringen werde: es ist niht begraben ; im Gegentheil halte id, weil mir die Ver- hältnisse von Hessen-Nassau, wo ih selber mehrere Jahre amtiert habe, sebr genau bekannt find, die Regelung der Gemeindeverwaltung dort sür ein Bedürfniß. Jch kann hiernach den Herrn Abg. Dr. Lotichius darüber beruhigen, daß die Eingaben, die von Cassel gekommen sind, um diese oder jene Sache zu ändern, absolut kein Hinderniß gewesen sind, den Geseßentwurf vor den Landtag zu bringen, f\ondern nur die beiden Gründe, die ih zu Anfang meiner Ausführungen mitge-

theilt habe. (Bravo !)

Abg. Parisius (fr. Volksp.) fragt an, wie es mi s Veröffent ÄEar die Wehl tit stebe, Und Bet t Sond Maßnahmen von Landräthen bei den Reichstagswahlen, namentli lolhe des Landraths von Jagow im Kreise Osterburg-Stendal.

Minister des Jnnern von Köller:

: Der Herr Abg. Parisius {loß mit den Worten: ih wünsche, daß der Herr Minister eine ganz bestimmte Erklärung abgiebt. Diesem Wunsche des Herrn Abg. Parisius werde ich leider Rehnung iu tragen nicht in der Lage sein.

Wenn ih den zweiten Fall vorwegnehme, so is mir nit recht klar, worum es sich bei dem Wunsche des Herrn Abg. Parisius handelt. Um die Gültigkeit einer Wahl kann es sich Jer wohl nit handeln. Die Sache ist, wie der Herr Abg. Parisius selber sagt, nach einer Wahl passiert; es kann si also nur darum handeln, daß Herr Parisfius annimmt, daß ein Landrath dur Erlaß eines Schreibens oder einer Verfügung etwas gethan hat, was nah Ansicht des Herrn Parisius nicht korrekt war. Wenn das der Fall ist, so ist doch zunächst der rihtige Weg, si bei der vorgeseßten Dienstbehörde über den Landrath zu beschweren. Herr Abg, Parisius, Sie können doc in der That nicht verlangen, daß ich auf Jhre Mittheilung hin einen Landrath aus meinem Ressort bloß- tellen soll; das ift etwas viel verlangt. Jch werde doch erst in die Zus gebraht werden müssen, festzustellen, ob die Angelegenheit, die Ste vorbringen, sh thatsählih so verhalten hat. Ich will ja gar

5 ist do das Wenigste, was man verlangen kann, daß der E, den Sie öffentlih anklagen, erst durch "mihch ge- ort wird, wie sih' die Sache verhält, und durch Vorlegung des an- denen Bescheides mich erst in die Lage seßt, die Sache zu prüfen We danach meine Entscheidung zu treffen. Es würde also der richtige bâtte gewefen sein, wenn der Herr Abg. Parisius die Güte gehabt e sich in einem Schreiben an mich zu wenden und si über den q ndrath jenes Kreifes zu beschweren; dann würde er von mir nah

ufflärun der S ; * erz : j Ken E t Sache in der höflihsten Weise seinen Bescheid be-

Zweite Beilage | zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Montag, den 18. Februar

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hat, betrifft eineSahe, die seitmehreren Jahren hier im Hause wiederholt besprochen und verhandelt worden ist. Der Herr Abg. Parisius sagte in seinen Ausflittrungegüber diese Angelegeheit: Wie liegt deun nün endlich die Sache ? Wir verlangen darüber Auskunft. Diese seine Bemerkung ver- anlaßt mi zunächst zu der prinzipiellen Erklärung, daß ih gar keine Ver- pflihtung anerkenne, das zur Ausführung zu bringen, was in früheren Jahren einmal vort dem einen oder andern meiner Herren Amtsvor- gänger versprohen worden is (hört, hört! links) feinerlei Ver- pflichtung, Herr Abg. Parisius! Dahingegen liegt diese Sache so, daß ich hier mich n vollem Einverständniß mit meinem Herrn Amtévorgänger befinde, und daß ich gerne bereit bin, das zu erfüllen, was meine Herren Amtsvorgänger versprohen haben. Die Statistik, die damals von ihnen versprochen worden ist, ist gemacht worden; fie lie im QDruck hier vor mir, und zwar ist sie vor einigen Tagen fertig geworden, und Herr Abg. Parisius wolle die Güte haben, vielleißt noch vier oder fünf Tage zu warten, so wird diesem hohen Hause die Statistik vor- gelegt. Wenn Sie die Güte haben wollen, heute bier einen Blick hineinzuwerfen, so werden Sie es nicht unbillig finden, wenn diese Arbeit das Statistishe Amt thatsählih mehr als ein Fahr hat in Anspruch nehmen müssen. Die Statistik enthält nicht nur das, was Sie wissenwollten, sondern noch mehr: sie enthält sehr interessantes Material ; ich fürchte nur, daß die Herren, die jenen Antrag damals gestellt haben, mit dem Resultat dieser Statistik niht zufrieden sein werden. (Hört, hört ! rechts.) Was Sie in Hinsiht auf die Landtagswahlen dur diese Statistik haben beweisen wollen, daß die erste und zweite Klasse stärkeres Wahlrecht erhalten haben durch die neuen Gesetze (Zuruf), und die dritte Klasse ein geringeres, so ift das nicht eingetroffen; im Gegentheil, die neuesten Wahlen vom Jahre 1893 weisen nah, daß die Aussicht zum Zutritt zu der ersten und zweiten Abtheilung größer geworden als im Jahre 1888. Aber das nur beiläufig. Die Herren werden das statistishe Material bekommen und hoffentlih dem Statistishen Amt, das diese forgsame und umfangreiche Arbeit gemaht hat, für dieselbe ihren Dank aus- sprechen, wenn die Arbeit auch niht das beweist, was Sie (nah links) haben beweisen wollen. (Bravo! rets.)

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (konf.) erklärt namens einer Anzahl Fraktionsgenossen, daß die Landräthe erst dann eine Gehalts- aufbesserung haben wollten, wenn sie bei der allgemeinen Beamten- aufbesserung an der Reibe seien, da sie auf die allgemeine Finanzlage Rücksicht nehmen müßten. Der Angriff des Abg. Parisius sei total ins Wasser gefallen, da der Landrath und Bürgermeister nichts gethan r ae er niht billigen kfônne und was gegen thre Amtsstellung Saa Motty (Pole) vertheidigt nohmals das Verhalten der

Abg. Pa risius (fr. Volksp.) bemerkt, es würde ihm genügt haben, wenn der Minister ihm einfa gesagt hätte, wann die Statistik fertig sein werde. Die weiteren Bemerkungen über die Hoffnungen, die an dieselbe geknüpft würden, seien um so weniger am Platze gewesen, als nit seine Partei, sondern das Zentrum sfolhe Hoffnungen aus- gesprochen habe. Man dürfe solche ab ork Rai wie er eins eben erwähnt habe, niht als so harmlos behandeln. Das {eine der neueste Kurs zu sein.

Minister des Jnnern von Köller:

Die Antwort, die ih dem Herrn Abg. Parisius bezüglih der Statistik gegeben habe, war, wie ih zugeben will, etwas ausführlich. Wenn der Herr Abgeordnete aber den Verhandlungen der ersten Lesung des Etats beigewohnt oder die Reden nahgelesen hat, welhe da gehalten worden sind, so wird er wissen, daß die- selde Frage von Herrn Abg. Dr. Bachem {hon damals berührt worden ist; er würde wissen, daß Herr Dr. Bachem in seinen Ausführungen sagte, daß er mich für verpflichtet hielte, das zu er- füllen, was früher versprohen sei. Und auf diese Aeußerung des Herrn Abg. Dr. Bachem bezogen sih die Worte, die ih in dieser Be- ziehung gesprochen habe.

Der Herr Abg. Parisius sagt, ih hätte ihm Motive untergelegt, die er niht hätte. Ih kenne seine Motive niht, will auch nicht darüber fprechen; ih habe mi aber daran gehalten, was im vorigen und in diesem Jahre gelegentlih dieser Debatte hierüber verhandelt worden ist. Wenn der Herr Abgeordnete die Güte hätte, dies nach- zulesfen, wie ih es gethan habe, dann würde er finden, daß meine Ausführungen durchaus sahgemäß waren und gar nicht anders lauten konnten.

Was die zweite Frage anlangt, so habe ich wenig hinzuzuseten. Ich habe gesagt, ih erkenne keinerlei Verpflichtung an, hier über einen Beamten meines Ressorts auf eine einfahe Anfrage hin, che ih die Thatsache feststellen. kann, ein Urtheil zu fällen. Es hat kein Abgeordneter das Recht, hier von mir zu verlangen, daß ih einen Beamten meines Ressorts verurtheile, ehe ich ihn gehört habe. Anderss habe ih niht gesagt. Und an diesem Grundsatze werde ih festhalten, ob es dem Abg. Parisius gefällt oder nicht. Wenn der Abg. Parisius weiter sagt, es schiene der neueste Kurs zu sein, daß man solche Sachen als harmlose Thatsachen hinstellt, so ist das seinerseits eine Unterstellung meiner Ansichten, zu der er, ih wiederhole es, keine Berechtigung hat und die ih zurückweise. Jch weiß nichts von einem neuesten oder neueren Kurse. Ich thue meine Schuldigkeit in dem Amt, in das ich berufen bin, nach meiner Ueberzeugung.

Das eine aber kann ich Herrn Abg. Parisius versichern: es ift rihtig wir haben lange in der Wahlprüfungskommission zu- sammengesessen —, er ist noch immer auf dem alten Kurse! (Heiter- keit. Bravo!)

Abg. von Puttkamer (Ohlau, kons.) betont nohmals, daß die Landräthe bei der gegenwärtigen Finanzlage auf eine Gehalts-

aufbesserung verzihteten

Weils \hließt die Diskussion uud der Titel wird b e- willigt.

Bei der Position „Landräthliche Behörden“ bemerkt Abg. Johannsen (Däne): Die Landräthe seien niht immer so gute Menschen, wie man wohl glaube natürli die hier im Hause anwesenden ausgenommen. Er habe eine Klage über den Landrath

1895.

sonstige Schriftstücke in deutsher Sprache, obwobl der überwi größte Theil des Kreises Hadersleben kein Deutsch vérfirbe: Auber dem habe man den Gesang von dänischen Liedern, die absolut keinen aufreizenden Inhalt gehabt hätten, mit Polizeistrafen belegt. In einem anderen Fall babe derselbe Landrath eine V ili angemeldete Versammlung, als sie zusammengetreten sei, telegraphisch verboten. Die Leute seien dann auseinandergegangen und nat einer Stundeßsei dann ein neues Telegramm des Landraths gekommen, in dem das erste Telegramm als irrthümlih zurückgenommen worden sei, Die Versammlung habe aber natürli nit mehr stattfinden können. Redner bringt sodann noch ei ige Beschwerden über seiner Meinung nah zu sharfes Vorgehen der Behörden vor.

Abg. Bachmann (nl.) glaubt nicht, daß man annehmen dürfe daß alles, was der Vorredner vorgebraht habe, das richtige sei. Nah _ seiner allgemeinen Nenn der Dinge- bemerke er, dah nach Nordschleswig eine große Anzahl von Leuten kämen, denen dex Aufenthalt dort verboten sei, und darum fei es vorges{chrieben, daß dieselben scfort angemeldet werden müßten. Daß dabei zus weilen auch Härten mit unterliefen, lasse sich nit vermeiden. Das Singen von dänischen Liedern sei nach einer alten Verfügung verboten, welhe noch nicht aufgehoben sei. Uebrigens hätten die Leute noch keine Strafe zahlen müssen, sondern die Sache s{chwebe noch in der Berufunzgsinstanz, und man solle daher abwarten, wie das Gericht entsheide. Wegen eines Liedes sei sogar Freisprechung er- folgt. Auch er fei tein Freund von vexatorishen Maßregeln, aber wenn ein Lied die Gefühle der Deutschen verleße, dann müsse jeden- falls eine Strafe eintreten. Es lasse si vielleicht eine Vereinfahung des Anmeldeverfahrens ermöglichen. Ï

Die Position wird bewilligt.

Darauf vertagt sih das Haus.

Shluß 4 Uhr. Nächste Sißung Dienstag.

Literatur.

Rechts- und Staatswissenschaft. Kr. Grundriß der ethnologischen Jurisprudenz von

Dr. Albert Hermann Post, Richter am Landgeriht in Bremen. Oldenburg und Leipzig, Schulze’s{he Hofbuchhandlung und Hofbuch- druckderei À. Schwarz. Bd. 1 1894, 8. S. 473 6 A Bd. 1 1895. 8. S. 744. 10 A Vor etwa einem Jahr erschien Bd. I dieses Werks. Eine Encyklopädie der ethnologishen Jurisprudenz in der Weise zu schreiben, daß man die Rechtsordnungen aller Völker und Stämme der Erde nach Völkern und Stämmen geordnet zur Darstellung brächte, bezeihnet der Verfasser zur Zeit als unausführbar; er durfte es unternehmen, ein Gefammtbild der ethnologishen Jurisprudenz zu entwerfen und zwar in der Gestalt eines nach Materien geordneten Grundrisses oder Systems. „Es giebt nämli im Rechte der Völker bestimmte, zu allen Zeiten und an allen Orten vorkommende Grundformen, welche in unzähligen lokalen Variationen sich wesentli gleihartig wieder- holen. (Vorw. Bd. T S. 1V.) Wenn hiermit der Plan des Werks ekennzeihnet it, so ergiebt sih, daß dasselbe der vergleihenden

echtswissenshaft angehört. Sie beginnt wie Dr. Franz von Liszt fagt als (beschreibende) Universalgeshihte des Rechts mit der Fest- stellung der typis{ch wiederkehrenden Entwickelungs\tufen des Rechts; sie hat als (die einzig mögliche) Rectsphilosopbie die kosmologischen , biologishen und insbesondere soziologishen Foren der Rechtsbildung (kaufal erklärend) nachzuweisen. orauéfeßung für die Nechtsvergleihung ist die Betrachtung der einzelnen Nehte und deren Kenntniß; ein bewundernswerther Fleiß war erforderlih, um hier zu einer siheren Grundlage zu gelangen, denn von unzähligen Orten her war zu sammeln. In Bd. [I find „alle Ausgangsformen des menschlihen Nechts zusammengestellt und damit die Grundlagen des Rechts aller Völker der Erde zur Dar- stellung gebracht*. Bd. IT enthält die speziellen Rechtskreise des Personenrehts, des Familienrechts, des Erbrechts, des Sachen-, Buß- und Strafrechts, des Prozeßrehts und des Vermögens- rechts. „Diese Rechtskreise gehören nur insoweit der ethnolo- gishen Jurisprudenz so heißt es Bd. 11, Vorwort —, als in ihnen Rechtsgedanken zum Ausdruck gelangen, welche nit auf einzelne Völker oder Völkergruppen beschränkt sind. Die spezielle Nechtsgeschichte, vor allem die hohentwidckelte Rechtsgeshichte der Völker des europäishen Kulturkreises liegt außerhalb der Aufgaben dieses Buchs." Ausgeschlossen ist es bet dieser furzen Anzeige, auf Einzelheiten einzugehen ; für den Kulturhistoriker, für den Dichter ist damit ein Hilfsmittel geboten von einem Reichthum, einer durch Quellenangabe gesicherten Zuverlässigkeit, wie es anderweit nit vor- uen ift D E Eo bleiben wird. Cr. e Preußischen trafgese gte. Erläutert von A. Gros chuff, Senats -Präsidenten am R GaerS G. Eich- horn, Kammergerihts-Rath; Dr. H. Delius, Amktsrichter in Hamm. Berlin 1894. Otto Liebmann, Buchhandlung für Rechts- und Staatswissenschaft, W. Lüßowstraße 27. 8. 638 S. Pr. 17 M Mit der dritten Lieferung liegt nunmehr das Werk abgeschlossen vor. Wenn bei den Lieferungen 1, 2 bereits die Gediegenheit und D der Arbeit der drei sahkundigen Verfasser hervorgehoben wurde, so sei hier namentlich bemerkt, daß die Erläuterung zu den einzelnen Geseßen mit einem vollständigen Literaturverzeihniß beginnt. Die Verfasser beweisen hiermit, wie von ihnen alle Hilfsmittel benußt ind, und geben gleichzeitig an, wo für Einzelfragen breitere Ausführungen zu finden sind. Es ist zu hoffen, daß mit der Ver- breitung des Werks die Sicherheit und C der RNe(bt- \prehung E werden dürfte. Den Verfassern aber sei Dank dafür ausgesprochen, daß sie diese mühevolle und nicht immer anregende Arbeit, welche einen aufopferungsvollen Fleiß beanspruhte, auf ih genommen haben. _— Kommentar zum Allgemeinen deutschen Handels- gefeßbuch von Dr. Hermann Staub, Rechtsanwalt in Berlin. Berlin, 1895. J. J. Heine's Verlag. 3. Auflage. Die jetzt erschienene 2. Lieferung dieses Kommentars, umfassend Bogen 7 bis 12, enthält Art. 55 bis 112. Gegenüber der zweiten Auflage zeichnet sih dite vorliegende dadur aus, daß die Geseßesworte im Druck schärfer hervortreten, überhaupt etwas geräumiger gefeßt ist, denn die 2. Auflage enthält auf Bogen 7 bis 12 bereits Art. 62 bis 123. Im Verlage von Franz Vahlen, Berlin, ershien das nun- mehr in zweiter Lesung durchberathene vierte Buch des Ent- wurfs eines Bürgerlichen Gesepbuhs für das Deutsche Reich, umfassend die §§ 1203—1798 : „Familienreht“ mit den Ab- schnitten „Ehe, Verwandtschaft, Vormundschaft “. Der Gerichts\faal. Zeitschrift für Strafreht, Straf- tes, gerihtliße Medizin, Gefängnißkunde und die gesammte Strafrechtsliteratur. Herausgegeben von Dr. M. Stenglein, - Reichsgerichts - Rath zu Leipzig. Stuttgart, Verlag von Ferd. Enke. Band 50 bringt folgende Abhandlungen: 1) Ueber Polizei- Verordnungen und ihre Gültigkeit. Von Landgerichts-Rath Rotering (Berlin 1). 2) Das Recht des Amtsrichters, den Antrag der Staats- anwaltschaft auf Erlassung eines Strafbefehls abzulehnen. Von Justiz - Referendar Zimmerle in Heilbronn. 3) Cesare Lombroso’'s Lehre. Von Dr. Felish, Landgerichts - Rath zu Berlin. 4) Das berufungslose Strafverfahren und seine natür-

Die erste Angelegenheit, die der Herr Abg. Parisius vorgebracht

von Hadersleben vorzubringen. Derselbe verlange Anmeldungen und

lichen Funktionsbedingungen. Von E. Thomsen, Landgerichts-Rath in

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