1895 / 48 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 23 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

“M a S E E

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Hierin liegt zugleich auch eine Widerlegung des Ginwandes, den der Herr Abg. Bassermann gemacht hat. Dieser war der Meinung, die jeßige Finanzkalamität werde . dazu. beitragen, um das direkte Steuersystem der Einzelstaaten richtiger auszubilden. ‘Ih glaube, wir in Meiningen ftehen {on \o ziemlich auf der Höhe der Auébildung des direkten Steuersystems. In der gleichen Lage befindet sich: eine Reibe anderer mittlerer und kleiner Staaten: auf diesem Gebiete aljo -ift augenblicklich- nicht das Mindeste mehr zu holen. ‘Nun können die Herren vielleiht sagen: Sparen! Jch darf darauf er- widern, daß wir es in der Kunst des Sparens {hon fehr weit ge- bracht haben; wir sind besonders an eine sparsame Finanzwirthschaft gewöhnt. Zum Beweise dessen möhte ih : darauf hinweisen, wie bei uns der Höchstgehalt der Landgerichts-Räthe 5400 4, derjenige der Amtsrichter 4700 A beträgt, der erst näch 20 Dienstjahren erreidt wird. Dazu treten noch Funktionszulagen für die Aufsicht führenden Amtsrichter, sodaß sich der höchste Amtsrichtergehalt: für diese Beamten nur auf 5400 4 beläuft. Dagegen giebt es keine Wohnungs- geldzushüsse, wie in Preußen. Wir können unsere Gehaltfäße nicht weiter eins{ränken, wenn wir.uns einen tüchtigen und brauhbaren Be- amtenstand erhalten wollen; und an dem Bestehen eines solchen Be- amtenstandes sind alle Klassen der Bevölkerung in ganz gleichem Maße betheiligt, und nicht am wenigsten gerade ‘die Angehörigen der ärmsten Volksklafsen. Wenn wir sparen wollen, bleibt uns- nichts Anderes übrig, als vielleicht die eine oder die andere. höhere Schule eingehen zu lassen. Auch das, glaube ih, liegt niht im Interesse gerade der ärmeren Bevölkerung. Denn auch der ärmeren Bevölke- rung ift der Besuh der höheren Schulen durch die Nähe der Städte, durch Stipendien und dur andere Umstände in weitem Maße zugänglich.

Wenn man also die kleinen Staaten lebensfähig erhalten will so muß man sie, das wiederhole ih, von der Nothwendigkeit bes freien, die Matrikularbeiträge in der bisherigen Höhe zu leisten, - und muß sehen, daß ihnen Ueberweisungen aus der Reichskasse zufließen. Der jeßige Zustand ift auf die Dauer ganz unerträglich. Aus diesem Grunde bitte ich auch im Namen meiner Regierung, und ih darf wobl sagen, auch im Namen anderer kleiner Staaten, die Tabasteuer-

vorlage zur Annahme zu bringen.

Abg. Poehlmann (Rp.): Ein großer Theil meiner Freunde macht die endgültige Abstimmung über die Vorlage davon abhängig ob in der Kommission die Bedenken, welhe wir gegen den Entwurf hegen, widerlegt werden. Das ftärkste Bedenken richtet fich_ gegen den zu erwartenden Konsumrückgang. Auch die Kontrolmaßregeln ind nach unserer einung nur; geeignet, der Produktion Loren anzulegen. Ich persönlich, als Elsässer, wäre an sich verpflihtet, voll und ganz für die Fabrikätsteuer einzutreten, weil - durch dieselbe ja das für Elsaß gänz béfonders lästige System der Gewichisteuer aufgehoben wird. Doch halte ih es für ein nobile officium eines Abgeordneten, eine Interessenpolitik zu treiben und sein Ohr auch den Gründen der Gegner offen zu halten. Die Fabrikanten erheben ja cine große Agitation gegen die Steuer, und obwohl viele von ihnen die shärfere Heranziehung des Tabaks zugeben, zeigt do niemand einen besseren Weg der Besteuerung. Mir hat ein ehrlicher Fabrikant 20 Millionen als die Grenze des Möglichen angegeben, was aus dem Taback herausgeschlagen werden kann. Wir haben natürlich hier keineswegs tie Absicht, der Tabaindustrie die Scchlagader zu unterbinden, wir beklagen auch die fort- währende Beunruhigung dieser Industrie, aber diese Beunruhigung Eönnte leiht beseitigt werden, wenn die Interessenten in threr Gesammtheit sih etwas entgegenkommender erwiesen und nicht mit Redensarten um sich würfen, die sie in ihrem Jnnersten selb wohl nicht für richtig halten. Zu folhen Aeußerungen rechne ih 3. B. die hier aefierv gefallene, daß die Tabadindustrie nicht nur bluten, sondern auch verbluten müsse. Ich stimme den Ausführungen des Abg. Grafen Holstein bei, doch kann ih nicht dem Abg. Schädler zustimmen. Ich bin gleih dem Grafen Holstein der Meinung, daß eine Biersteuer wohl einführbar wäre uud zwar in der Form einer Reihs-Malzsteuer, wie sie als Landesfteuer in Bayern son besteht. fes eine weitere Ausdehnung der indirekten Steuern \{chwärme i selbst nicht, doch glaube ih troßdem nicht, daß wir sobald

zu einer progressiven Reichs-Cinkommensteuer, wie fie die Linke dieses

Hauses wünscht, kommen werden. Andererseits halte ih auch dafür, daß wir mit der Bewilligung von Mitteln nicht länger warten dürfen. Nur das muß festgehalten werden, - daß die \{chwächeren Schultern nit belastet werden. Bei ernster Arbeit werden wir hon das Ziel gelangen, welhes für das Vaterland erfprießlich ift.

Abg. Galler (südd. Volksp.): Die gegenwärtige Vorlage würde die Interessen des gewerblichen ‘Mittelstandes und- der Arbeiter auf das shwerste {ädigen und darum werden tneine politishen Freunde derselben ihre aag versagen. - Auf die Einzelheiten der Vorlage gebe ih nit ein. - Ih will nur furz bemerken, daß au in diesér Vorlage das Bestreben wiederkehrt, den Unbemittelten höhere Abgaben aufzuhalsen. Die blühende deutsche Taback- industrie würde durch die Vorlage auf ein Niveau herabgedrüdt werden, auf dem ihre Existenz gänzlih in Frage gestellt ist. Wenn die Lage der Reichsfinanzen für die Vorlage ins Feld geführt wird, so empfehle ih den verbündeten Regierungen eine Politik der Spar- samkeit, welche die nothwendigen Mittel leiht bringen würde.

Abga. Freiherr von Hammerstein (konf.): Die Nothwendigkeit einêèr Regelung der Reichsfinanzen erkennen wir unumwunden an. Es fommt nur auf die anzuwendenden Mittel an. Ich gebe zu, daß eine Reichs-Einkommensteuer und eine Reihs-Erbschaftssteuer vorläufig un- durGführbar sind. Ich fiüimme mit meinem politishen Freunde, dem Grafen “Holstein, darin überein, daß das beste Mittel zur Ordnung der Reichéfinanzen die Erhöhung der Biersteuer sein würde. Meine Bedenken gegen die Tabadcksteuervorlage find die gleichen wie im Vorjahre. Daß dur die Vorlage ein \tarker Rückgang des Tabackonsums eintreten würde, ist garniht zu bezweifeln: Derselbe würde mindestens 18 9/6 betragen. Die große Depression, welche auf dem ganzen gewerblichen Leben lastet, würde dadurch bedeutend ge- steigert werden. Besonders in der Zeit des. Uebergangs würde die Fabrikation fast ftillsteben. Sicher ist, daß die O an billigen Zigarrensorten sich von Norddeutsh- and nach Süddeutschland ziehen würde, denn die Vertheue- rung des ausländischen Tabacks nöthigt zur stärkeren Ver- wendung des inländischen Produkts. Die norddeutsche Industrie würde mit der süddeutschen niht mehr konkurrieren können. Die Vorwürfe, welche der Abg. von Frege gegen die Versammlung von Taback- interessenten in Bünde gerichtet hat, muß ich entschieden zurückweisen. Die Versammlung hat ergeben, daßin der Frage der Tabasteuer ¡wischen den Tabackarbeitern und Tabadckfabrikanten. vollständige Ein- müthigkeit hberrscht. Die kleinen Betriebe würden sich „nah Annabme der Vorlage troy der im Geseß vorgesehenen Paufchalierung nicht zu halten vermögen. Die ganze Tendenz der Vorlage - geht dahin, daß die großen Fabrikanten die fleinen aufzehren. Der ganze Werth einer einheimishen Tabackernte betrögt böchftens 18 Mill. Mark, während der Umsaß. von. -der Tabad- fabrikation 300 bis 400 Mill. Mark beträgt. Das bewéist, daß die Interessen in dieser Frage auf Seiten der- Tabakindustrie weit schrwerer wiegen, als auf Seiten - der Taback#bauer. Die Tabackauer selbst wollen die gegenwärtige Vorlage nicht ; pie verlangen nur einen böberen 2cll. Warum sollen wir agrarischer sein, als die Landwirthe ? Ich müß mich gegen die Vorlage und gegen eine fommifsarishe Vor- beratbhung terfelben erflären.

ist es recht, wir aber haben Sie gewarnt.

immermann nicht von sich abweisen. Bei der Militärvorlage ift . Z. au: versprochen worden, der Taback solle niht zur Deckung herangezogen werden. Dieses Versprechen scheint aber für den gegen- wärtigen Reichtkanzler niht zu existieren. Für den gegen- wärtigen Staat. 22 i die Begünstigung des Großgrund- besißes und des Großkapitalismus charafkteristisch. Das beweist au - die gegenwärtige Vorlage. Meine politischen Freunde haben früher eine progressive Reihs-Cinkommensteuer empfohlen. Auf diefem Standpunkt stehen wir auch heute noch: Die Annahme der gegen- wärtigen Vorlage würde zahllose kleine Existenzen vernihten. Die zum - Vergleich « herangezogenen amerikanischen“ Verhältnisse find guf ganz andern Grundlagen aufgebaut wie-die deutshen. In Ameriká wurde die Tabackfabrikatsieuer eingeführt, als die Tabackindustrie in deñ Anfängen der Entwickelung steckte, während sie in Deutschland eingeführt werden soll bei der Blüthe der Industrie. Die Materialien, die dem Gesetzentwurf beigegeben find, beweisen, daß die Zigarrenindustrie in Amerika der Menge der fabrizierten Zigarren nah um 32F °/o hinter Deutschland zurücksteht. Nah der Gegenüberstellung der deutschen und der amerikanischen Verhältnisse in den Motiven der Vorlage würde man auf eine M On 35 000 Arbeitern bei Annahme der Vorlage rechnen müssen. Nur 1009/6 der neuen Steuer würden von ‘den Wohlhabenden getragen werden, alles“ übrige fiele auf die Schultern der unteren Klassen. Die Lage der Tabackarbeiter ist eine so traurige, daß ein weiterer Lohndruck, ‘der unerläßlih die Folge des Gesetzes sein würde, niht ‘auszuhalten wäre. ‘Jeßt son fann man bei den Tabackarbeitern von nihts Anderem als vegetieren sprechen. Die Big rveu Ge ten wissen felbst, daß sie den Arbeitern wenigstens etwas bieten müssen; aus diésem Grunde haben auch sie fich gegen die neue Steuer erklärt. Die Zahl der Arbeiter, die ent- lassen werden müßten, hat der Abg.“ Frese auf 17 000 berechnet; ih glaube, es wird ihre Zahl mindestens 35 000—40 000 be- tragen. In erster Linie würden auch die Tabacksortierer und -Arbeiter in Kisten- und Etiquettenfabriken ‘brotlos werden. Wie soll den Großfabrikanten, die zum theil ‘eine größere Anzahl eigener Verkaufs- stellen haben, vorgeschrieben werden, wie ‘sie ihre Waaren, um der Kontrole zu genügen, fakturieren sollen? Ein einheitliches System läßt ih hier überhaupt niht feststellen. Durch die . Kontrolvorschriften wird die Tabackindustrie, vor allem die Kleinindufstrie, völlig ruiniert werden. Sie wird in der That ver- bluten. Es: ist geradezu “eine Unmöglichkeit, daß die P erni, alle die Vorschriften des Gesetzes befolgen. Die-Kommission kann“ nit das Geringste an der Verlage verbessern. Ich bedauere, daß das Zentrum für eine Kommissionsberathung eingetreten ‘ist. Der Umfall . bei der Umsturzvorlage: hat zu Mißtrauen “in weiten. Kreisen gegen das Zentrum geführt, feine jehige altung wird dieses Mißtrauen niht beseitigen; durch die Peciveisinig der Vorlage an ‘eine Kommission wird die - Be- unrubigung in allen mit der Tabackindustrie zusammenhängenden Kreisen immer weiter sich verbreiten. Auch landwirthschaftliche Kreife gehören hierzu, was ‘wohl zu beachten ist, und es wird diese Be- unrubigung nur dazu beitragen, die Sozialdemokratie zu stärken. Uns

Sachsen-meiningenscher Bevollmächtigter zum Bundesrath, Staats-Minister Dr. von Heim:

Der ‘Herr Vorredner hat zu Beginn seiner sehr interefsanten Rede dem Bevollmächtigten für Meiningen entgegengehalten, wir hätten, um die Mittel für unsere Kulturaufgaben niht zu shmälern, seiner Zeit nicht für die Militärvorlage stimmen follen; das Militär, das Heer, sei im wesentlichen eine Sache für die Reichen. Meine“ Herren, ih glaube, es ist eine der ersten Kulturaufgaben , daß man das Reichsheer so stark macht und fo stark erbält, daß es ein Schutz für die Kultuc in Deutschland ist. Die Kultur in Deutschland fann duï nichts fo sehr gefährdet werden und die Interessen gerade der Minderbemittelten und der Aermsten können durch nichts fo sehr gefährdet werden, als durch eine Beunruhigung des Friedens, ge- shweige denn -durch das Eindringen einer feindlihen Macht. Der Neiche wird sich, seine Familie und einen großen Theil seiner Güter der feindlihen Invasion entziehen können; der Minderbemittelte, der Arme kann das nicht. Ein starkes Heer also, das uns den Frieden sihert und eine feindlihe Invasion von uns fort bält, liegt am aller- meisten im Interesse der minderbemittelten Volksklasse.

Im übrigen möchte ih dem Herrn Vorredner auf seine interessante Rede nicht folgen, fondern nur eins erwähnen: Er erinnerte daran, daß man eine Reichs-Einkommensteuer und éine NReichs-Erbschafts- steuer einführen könnte“ Die Einkommensteuer haben {hon mehr oder weniger dié Einzelstaaten ausgebildet, und daß man hier bald an eine Grenze kommt, über die man die Einkommensteuer niht er- höhen fann, das möchte ih dur ein kleines Beispiel erläutern. Im Jahre 1890 hatten ‘wir im Herzogthum Sachsen-Meiningen noch 57 Männerck die ein Einkommen von 270004A oder mehr hatten; 1893 hatten wir deren nur noch 35, also ein Rückgang. Steigerten wir die Einkommensteuer noch erheblih, fo würde der NRückgäng wahrscheinlich noch“ viel größer fein. Wenn man also eine Reichs-Einkommersteuer einführt, so nimmt man damit den Einzelstaaten tine der Hauptstützen ihrer Finanzen.

Was die: Erbschaftssteuer anbelangt, fo sind auch mit dieser die Einzelstaaten {on gesegnet. Wir haben in Sawibsen - Meiningen z. B. eine Erbschaftssteuer, die bis zu 99/9 der Erbschaft hinauf- geht; fie ist in unserem Etat mit 37 000 # eingeseßt, eine für das Reih winzige Ziffer, aber eine sehr große Ziffer für unsern Etat, denn ' sie bildet bereits 47 % unserer gesammten Ein- fommensteuer. Grhebt man also eine Reichs-Erbschaftssteuer, fo nimmt man: wieder den Einzelstaaten ein Steuerobjekt weg, auf dem deren Finanzwesen mit beruht.

Abg. Brünnings (nl.): Die Gewichtsfteuer hat ungerecht gewirkt, weil der gute Taba leiter ift als der \{chlechte; die Werthsteuer ift also ein großer Vorzug. Die Vorlaze wird den Tabackbauer zu einern rationellen Tabackbau anregen. Die Statistik zeigt, daß dér Konsum

in den leßten Jahren großen Schwankungen ausgeseßt war. Etne Piand des deutschen Tabackbaues ist durch die Vorlage“ niht zu efürhten.

Abg. Schneider (fr. Volksp.): Graf Holstein tadelte die Agi- tation, die die Tabackinteressenten gegen die Vorlage in Scene gefeßt haben. Wenn diese Interessenten dem Muster der Agrarier hätten folgen wollen, so hätten fie noch éin viel Tauteres Geschrei erheben müssen. Man kann es den Interessenten nicht verargen, wenn sie ihrer berehtigten Besorgniß Autdruck geben. Denn das liegt doch auf der Hand, daß es sich hier nicht nur um die Vorlage selbst handelt „sondern daß - die Annahme der Vorlage der Regierung cine Steuershraube in die Hand geben würde, die gewiß. im höchsten Grade- zu-fürchten wäre. Eine moralische Verpflichtung, jeßt Mittel zu gewähren, liegt für uns nicht vor, denn meine Partei hat die Militärvorlage nicht bewilligt ; wenn wir die Sorge fürdie Deckurig -derselben auch “nicht ‘gänzlich von uns abweisen fköônnen, so fann man doch ael nichk von uns verlangen, daß wir {lechthin der Steuer zustimmen follen,- die die Regierung von uns Lergnge. Man möge einfach ‘dafür sorgen, daß vor der Bewilligung von Ausgaben man sich zuerst über die Art der Deckung einig ist. Es ist ja richtig, daß die jeßige Vorlage gegenüber der vorjährigen einige Erleihterungen enthält; aber darüber darf man doch nicht so überrascht thun, -das war ja mit der Ab- lehnung des. vorjährigen Entwurfs vorauszusehen. Man ift jeßt den

boffflte, so wenigstens den Widerstand dieser Int ten,

klasse - zu überwinden. Die M sind hs sonders zu verwerfen, denn denselben untérliegt ni; der Händler, sondern auch jeder Privatmann, dex sh direkt vont: Produzentén Zigarren kommen läßt. Auch die af bestimmungen, die die Vorlage enthält; sind“ niht sehr ermuntern Die kleinen Fabrikanten werden den Vorschriften des Gefeßes nid nachkommen E sie werden überhdupt viel \{hwerer unfer Wu

Wirkungen des Geseßes zu leiden haben ‘als die fapitalkräftigeren,

, die: den folvfsalen Nükgang des Konsums leihter werden überwinden

fönnen. Es wird au eine Verschiebung der Industrie nah Süken stattfinden, wenn der Entwurf Gese wird, und eine Herabdrükung der Löhne im Süden wird die nothwendige Folge davon sein. Die Arbeiter vor allem haben nur recht gehandelt, wenn fie sich mit aller Mat egen die Vorlage wandten, denn Lohnkürzungen und Arbeitérenf. afsungen wären die Folge der Annahme der Vorlage. Wird sië'añ: genommen, so kann man Ba : Ein Königreich für einen Tabaarbeitet der nicht Sozialdemokrat ist! Ich bitte Sie, die Vorlage abzulehnen. Zuleßt muß ih noch mein Bedauern ausdrücken, daß "ih erft zy so später Stunde zum Worte gekommen bin, nachdem von anderen Pzx- teien bereits zwei Redner gesprochen hatten. j j

Präsident von Leveßow: Den leßten Vorwurf muß i zurü- weisen; eine Rednerliste wird im Reichstag nicht PrfeBTE, und da von den kleinen Parteien auf der Linken" bereits drei Redner gesprochen haben, ‘so ist die Linke ebenso reihliÞ) mit Rednern bedaht worden als die anderen Parteien. | Abg. Schulk-Lupiß (Np.) erklärt sich namens eines Thei seiner Freunde für die Mbrlage, welche durhaus nit das Maß i Erträglichen überschreite. i

Die Debatte wird geschlossen und die Vorlage darauf einer Kömmission von 28 itgliedern überwmieen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freifinnigen. Schluß 63/4 Uhr. Nächste Sizung Montag 1 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

26. Sißung vom Freitag, 22. Februar.

Zweite Berathung des . Etats des Ministeriums der geistlihen 2c. Angelegenheiten.

Ueber den Beginn der Sißzung ist gestern berichtet worden. Wir tragen hier nur die. von dem Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse in Erwiderung auf den Wunsch des Abg. von Strombeck (Zentr.) auf Vor- legung der Kabinetsordres über die Bildung des hannover: hen Klosterfonds gehaltene Rede im Wortlaut nach. Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse: Meine Herren! Ueber die Fonds, von denen der Herr Vorredner eben gesprochen hat, if auch in der Budgetkommission verhandelt worden und ih glaube, daß meine dort auf den Antrag des Herrn Abg. Dr. Sattler abgegebenen Erklärungen im wesentlichen den jeßigèn Standpunkt der Sahe klar dargelegt haben, daß also damit eigentlih die Sache erledigt wäre. J} habe mich nun mit Herrn von Strombeck -noch darïüke auseinanderzuseßen, daß ich die im Jahre 1893 von mir in Autsit gestellten spezièllen Nachweisungen der betreffenden Fonds bis jeßt nit vorgelegt habe. Das ist richtig. Damals bin ich von der Vor aussezung ausgegangen, daß es sich wesentlich um erweiterte thate \ächliche Mittheilungen über die Fonds handeln würde. Gs ift deshalb auch unmittelbar nah dem S{hlufse der Etatsberathung vom Jahre 1893 in meinem Ressort angefangen worden, diese erweiterten Nachweisungen vorzubereiten. Dabei hat sich aber ergeben, daß das unmögli ift, ohne auf die Verhältnisse der Fonds, und zwar jedes einzelnen Fondt, näber einzugeben; das ist aber eine überaus schwierige, zeitraubende und heikfle Arbeit. Es ist eine ganze Registratur, die über diese Fonds fih angesammelt hat, deren Behandlung seitens der Staatsregierung verfolgt werden muß durch die vershiedenen Zeiten, wo diese Fonds unter französisher, westfälisher, volnisher und dann wieder preußischer Herrschaft gestanden haben, und es hat si dabei herausgestellt, daß ih unmöglich über die rehtlihe Natur dieser Fonds bindende Grklärungen nah außen abgeben fann, ohne daß die Königliche Staatsregierung alé folchezu dieser wihtigen Frage Stellung genommen hat. Nun ist inzwischen die Sache wieder in Erwägung gekommen durch die Vorarbeiten für das künftige Komptabilitätsgeseß, und bei dieser Gelegenheit bin id über die rechtlihe Natur der einzelnen Fonds mit dem Herrn Finany Minister in Verhandlungen eingetreten. Diese Verhandlungen find nit nur noch nit abgeschlossen, sondern sie bedürfen auch noch einer weitgehenden Vorbereitung und eines eingehenden Studiums der Verhandlungen, nah denen die Verwaltung des Fonds bisher geführt worden ist. Diese Verhandlungen haben ergeben, daß einzelne Fonds bisher als Staatsfonds anerkannt sind, deshalb auch in den Etat eingestellt sind, wie Herr Abg. von Strombed richtig gesagt hat, während bei anderen Fonds ihre Natur als eigents lihe Staatsfonds ' mindestens zweifelhaft ist; wenigstens bisher pon der Regierung noch nicht anerkannt is. Vielmehr sind viele dieser Fonds bisher als Rechtssubjekte im weiteren oder engeren Sinne an erkannt und behandelt worden.

So liegt die Sache. Diese Verhandlungen müssen erst zu end- gültigem Abs{luß kommen und sobald fie dazu gekommen sind, wird es sih ganz von selbst ergeben, daß die Königliche Staatsregierung dem hohen Hause über diese Verhandlungen und diese Fonds ar weitere Mittheilungen zukommen láfsen wird.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

_Abg. von Elm (Soz.): Wer die Militärvorlage bewilligt hat, muß auch die Kostcn- derselben aufbringen. Das kann der: Abg.

Tabapflanzern entgegengekommen, um sie. zu fangen; man bat da nach tem Grundsay gehandelt: „Theile und orriche indem man

hun, uns miteinander verständigen, daß wir uns gegenseitig gerecht

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 48.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Bei der weiteren Berathung nimmt nach dem Abg. Hauzenberg (Zentr.) das Wort

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Mit den Schlußworten des Herrn Abg. Dauzen- berg kann ih mich vollkommen einverstanden erklären, denn fie besagen ungefähr genau daéfelbe, was ich am Schluß der erften Lesung des Etats bier ausgeführt habe. I bin sehr empfänglih für die wohl- wollende und freundlihe Gesinnung, mit der der Herr Abg. Dauzenberg seinen Vortrag mir persönlich gegenüber eingeführt hat. Aber das muß ih allerdings sagen: wenn man die Fülle der Beschwerden und Klagen jôrt, die hier soeben aus dem Munde des Herrn Vorredners als Be- ihwerden der katholishen Kirche vorgebraht worden sind dann hat «s Mitglied dieses hohen Hauses, das vorhin meine Wenigkeit und neine beiden Herren Kollegen hier mir zur Seite als die drei Männer im feurigen Ofen bezeichnete, vollkommen recht, und ich will mur wünschen, daß ich mit gutem Gewissen und mit heiler Haut daraus hervorkomme. Ich zweifle aber auch nit daran, und ickch halte es nicht für richtig, namentlich von den Gesihtêépunkten aus, die der Herr Abg. Dauzenberg zuleßt ausgesprochen hat, auf alle diejenigen Beschwerden fo einzugehen, wie er es verlangt hat. Meine Herren, man kann sagen, daß die Rede des Herrn Abg. Dauzen- berg gipfelte in dem Verlangen nach einer durchgreifenden Revifion der kirWhenpolitishen Geseze (sehr richtig!) und allenfalls nach der Vorlegung eines allgemeinen Volks\{ul- geseßes, Das, glaube id, war die Spitze der ganzen Rede. Nun will ih gar nit verkennen, daß es schr wohl möglich ift, daß inner- halb unserer kirhenpolitischen Geseßgebung sich auch noch Punkte finden, die auch für die katholische Kirhe unbequem, hart, {wer und lästig find. Jh will auch meine Pflicht garniht in Abrede stellen, die Hand dazu zu bieten, bei gegebener Gelegenheit diese Punkte zu bessern. Aber, meine Herren, wenn man den konfessionellen Frieden will, dann soll man fi in erster Linie fragen, ob es dem konfessionellen Frieden dienen würde, wenn wir durch die Aufrührung aller dieser Yunkte, die zum theil doh recht kleiner Art sind, die konfessionellen Lidenshaften in unserem Volke jeßt wieder aufrühren, und dagegen habe ih die allerernsteften Bedenken. Ich habe neulich \{chon aus- geführt, und ih wiederhole, daß je sicherer jeder Einzelne von uns auf dem Boden seines Glaubens und seines Bekenntnisses steht, desto freier kann er, wenn er mal durchdrungen is von der That- 1e, daß in unserem Vaterlande Katholiken und Evangelische neben- inander leben müssen, die Hand dazu bieten, daß wir das in Frieden

uind wohlwollend behandeln. Wenn wir das aber thun wollen, dann dirfen wir nit um verhältnißmäßig geringfügiger Beshwerden willen dm ganzen fTonfessionellen Streit jeßt wieder aufnehmen. Und ih \olte meinen, unsere Zeit wiese doh darauf hin, daß wir wirkli nöiigre Dinge zu thun haben, al3 uns wieder in dieses Treiben lorfssionellen Kampfes hineinzubegeben. (Sehr richtig! rets.)

Meine Herren, der Herr Abg. Dauzenberg war der Meinung, die Kutboliken würden in unserem Vaterlande niht gerecht behandelt. Dieser Vorwurf ist mir zu allgemein. Wo ih einer ungerehte Be- bandlung des einzelnen Katholiken und der fatholishen Kirche entgegentreten kann, da thue ih es pflihtgemäß, und es fällt mir gar- midt ein, das als besonderes Verdienst in Anspruch zu nebmen; das it einfah meine Pflicht.

Au der Abg. Dauzenberg sagt: er wolle keine mechanische rität; darin haben wir uns begegnet. Aber er hat doch hinzugefügt, im Staats-Ministerium sowohl als auch in den Provinzialbehörden lônne er sich nit ret denken, daß ein Protestant volles Verständniß und Uéreichendes Wohlwollen für die Angelegenheiten der- katholischen fre hätte. Nun, meine Herren, volles Verständniß das kann ih tis zu einem gewissen Grade zugeben, und weil das so ift, so haben vir eine entspredende Anzahl fkatholisher Räthe im Ministerium und haben sie auch in unseren Provinzialbehörden. Daß ih die Kbhl der katholishen Räthe im Ministerium vermehren sollte, ku finde ih keinen Anlaß. Alle katholishen Angelegenheiten, hne Auênahme, werden unter Zuziehung eines Katholiken, ja, von Ktholifen bearbeitet. Prinzipaliter. geht unser Streben dahin, daß Katholiken Meferenten sind, und nur ganz auêsnahmsweise kommt # vor, daß ein evangelisGer Rath Referent, ein olischer Korreferent is, wie umgekehrt auch katholische "the Korreferenten für evangelishe Angelegenheiten sind. Wt giebt nit nur keinen Streit, sondern im! Gegentheil, das dient a konfessionellen Frieden; es dient dem weiten Blick bei der Urtheilung dieser Sachen innerhalb des Ministeriums, und es mt den Entscheidungen zweifellos zu gute. (Sehr richtig! rets.)

Der Herr Abg. Dauzenberg hat gesagt, wenn man unter sich ift, k ist das bequemer. Ja, das glaube ich auch, wenn Sie. einen katho- hen Kultus-Mini*er hätten, und eine katholishe Abtheilung, t alle Sachen unter sich abmachen, daß das leichter und bequemer e. Aber in Preufen arbeiten die Beamten niht nah den Ge- tépunkten der Bequemlichkeit, sondern sie arbeiten nah den Gesichts- unkten der Pflicht und unter Berücksichtigung der thatsählihen Ver-

nisse, über die wir Herr werden müssen. (Bravo! rechts.)

Le Herren, daß bei der Staatsregierung nicht etwa eine h S Nh fatholishe Beamten von den höheren Stellen aus- defi das geht doh aus den Ereignissen im leßten Jahre La 3 hervor. Gegen die vorige Etatsberathung haben Sie jeßt äd atbolis{en i Minister-Präsidenten, einen katholishen Ober- Mit und einen neuen katholishen Kultus-Minister. (Große

a 9 SV bitte um Verzeihung, ih habe mi versprochen, ltud. Me muß ich mich freilich verwahren, daß ich ein katholischer tholih R bin ; das bin ich nit! (Heiterkeit.) Wir sind bestrebt, dem olle Res ekenntniß auch innerhalb der Provinzialbehörden sein

ret zu lassen. Ich habe aber {hon einmal hervorgehoben,

Berlin, Sonnabend, den 23. Fébruar

und die katholische Kirche könnte ih mehr bestreben, ihre Glieder in die Beamtenlaufbahn zu führen. Jh habe bier ganz bestimmte statistishe Nachrichten nah dieser Seite, die ih eigentli erst glaubte bei den höheren Schulen vielleiht zur Sprache bringen zu müfsen ; aber es paßt hier viellciht ganz gut ber, wenn ih Ihnen die Ziffern mittheile, welche die Statistikergiebt, nämlich, daß die deutschen höheren Lehranstalten von dem fkatholishen Theil der Bevölkerung relativ weniger besucht werden als von dem evangelischen, und diefe Erfahrung zeigt sich nit etwa bloß in dem überwiegend protestantishen Preußen, sondern auch in dem überwiegend katholishen Bayern und in Elsaß-Lothringen. In Preußen kam im Jahre 1890 ein evangelisher Schüler auf 198 evangelische Einwohner und ein katholisher Schüler auf 366 Ein- wohner; in Bayern ein evangelischer -Schüler auf 150 evangelische Einwohner und ein fkatholisher Schüler auf 236 katholische Einwohner. In Elsaß-Lothringen ganz ähnli: ein evangelischer Schüler auf 103 Evangelische und ein katholischer auf 355 Katholiken. Nun sind die Ursachen dieser Erscheinung sehr {wer zu ermitteln; das ift ja ganz klar; sie sind auch gar nicht einfa, sondern sehr mannigfaltig. Eine große Nelle spielen dabei die wirthschaftlihen Verhältnisse der verschiedenen Volksklassen, das verschiedene Maß des Besites und der Wohlhabenheit. Aber das geht doch ganz deutli daraus hervor, daß beide christliche Konfessionen an der Benutzung der höheren Lehranstalten verschieden betheiligt sind, und ganz besonders ergiebt \ich, daß sie übertroffen werden, und zwar weit übertroffen werden von den Juden. (Bewegung.) Es kam im Jahre 1890 in Preußen ein jüdisher Schüler auf 30 jüdishe Einwohner, in Bayern ein jüdisher S{üler auf 27 jüdische Einwohner und in Elsaß - Lothringen ein jüdisher Schüler auf 49 jüdifGe Einwohner. Die männlihe Bevölkerung Preußens besteht zu 64 °/0 aus Evangelishen, zu 34,4% aus Katholiken und zu 1,6 9% ans Juden. Auf die Gesammtheit der höheren Schulen Preußens, wenn man die Frequenz der Jahre 1887 bis 1892 berechnet, finden sich dagegen an evangelischen Schülern 96786 oder 70,59/, an katholischen Schülern 27 805 oder 20,3 9/6. Wenn si der Besuch der höheren Schulen seitens der Konfessionen nah der Bevölkerungsziffer richtete, so hätten die Schüler katholischer Konfession nit 27 805, sondern ungefähr 47 000 betragen; so groß ist der Unterschied in dem verschiedenen Andrang bei den Konfessionen. Nun ist sehr merkwürdig: diese Mißverhältnisse seßen sich nah oben fort. Von den Gymnasial-Abiturienten fielen nah dem obigen fünfjährigen Durchschnitt der Jahre 1887 bis 1892 67,59% auf evangelische und 24,2 9/6 auf fatholische Abiturienten. Die Ziffer ift hier etwas größer; das ergiebt sich wieder daraus, daß die Angehörigen fkatholisher Konfession das Gymnasium relativ mehr besuhen, als die Realanstalt. Dagegen ift die Zahl der Evangelischen wieder etwas größer bei den Realschulen. Wenn man sich nun fragt, wie steht es mit den Studierenden ? so ist die Antwort diese: Nach der Universitätsfstatistik des Jahres 1887/88 gehen auf je 100 Studierende der juristischen, medizinischen und philosophischen Fakultät 69 9% Evangelishe und 18,7 9% Katho- lifen. Rechnet man alle vier Fakultäten mit Einschluß der theo- logishen zusammen, so kommen auf je 10000 Angehörige der betreffenden Konfession 9 -evangelishe und 5 katholishe Studierende. Diese Ziffern zeigen doch deutlih einen Rückstand der katholischen Konfession bis hin zu den Universitätsstudien. Das Streben nad) wissenschaftliher Ausbildung ist aus irgend welhen Gründen etwas weniger entwidelt als bei der protestantishen. (Zuruf.) Meine Herren, auf der Kölner Katholikenversammlung sagten zwei Redner, Schrörs und Görtz, bei Behandlung dieser Frage: Die Katholiken müßten Opfer bringen und si in der höheren Studien- laufbahn durch stattlihe Zahl und besondere Tüchtigkeit hervorthun. Dagegen ist nit das Geringste zu sagen. Ich glaube, daß in der That die Zahlen, die ih Ihnen mitgetheilt habe, eine solche Meinung voll und ganz begründen; sie forderten also wirklich auf zu einer Steigerung der eigenen Thätigkeit und des inneren Strebens. Nun sagen freilich andere, die Hauptsache liege darin nicht, sondern die Hauptsache liegt in einer gewissen Mißgunst der Unterrihtsverwaltung, nämlich in der zu geringen Zahl katholischer Anstalten, in dem Mangel an Parität bei den Simultananstalten und auch, wie wenigstens früher vielfah gesagt wurde, in der Beseitigung der katholischen Abtkeilung. Ja, meine Herren, daß irgend eine Tendenz der preuzischen Unterrichts- verwaltung an dem Zurübleiben der katholishen Bevölkerung in dieser Beziehung die Mitschuld trage, if {hon deshalb nicht anzunehmen, weil in Bayern si ganz dasselbe Zurückbleiben zeigt. Seit dem Anfang der siebziger Jahre sind die vom Staat neubegründeten höheren Schulen in der Regel überhaupt nicht mehr nah einem konfessionellen Charakter bezeidnet; fie wurden gegründet da, wo sich ein Be- dürfniß zeigte. Fielen sie in ein überwiegend protestantisches Gebiet, so waren sie faktisch protestantish, im anderen Fall wurden sie faktisch katholisch. Die zunehmende konfessionelle Mischung unseres Bürgerthums, welches die höheren Lehranstalten besucht, nöthigt bei diesen Schulen uns das Verfahren ganz von selbft auf. Die Pflicht des Staats kann au nur fein, daß er für einen geordneten Religionsunterriht der Minoriät und für eine billige Berücksichtigung der Konfession bei der Wahl der Lehrer sorgt. Von den bestehenden rund 250 realen Anstalten ist die ganz überwiegende Mehrzahl städtischen Ursprungs; sie haben den Charakter, die die städtishen Patronate ihnen auflegen, d. h. sie sind faft aus- nahmslos für alle Konfessionen bestimmt. Von den Realschulen ist nur eine einzige staatlih, nämlich die in Hechingen, und die Mehrheit ihrer Lehrer ist fkatholisch. Will der Patron einer Realschule ein besonderes konfessionelles Gepräge geben, wie z. B. in Breslau eine von den Realschulen katholis ist, fo steht die Unterrichtsverwaltung dem absolut niht entgegen; die Gründung von katholishen Real- schulen wird zweifellos genehmigt werden. Wenn man also der Unterrichtsverwaltung den Vorwurf macht, daß sie in dieser Beziehung eine Mißgunst entfaltete, so ist dieser Vorwurf nicht begründet, und ih glaube, daß \sih im wesentlichen die Sache auch demnächst noch weiter so vollziehen wird. Aber

1895.

auf die Mahnung, die ja in fkatholishen Kreisen selbs von zuverlässigsten Katholiken ausgesprochen ist, die fkatholishe Kirche au nah dieser Nichtung hin einen Einfl"ß ausüben wird, damit wir mehr fkatholishe Schüler, mehr fkatholishe Studenten und infolge dessen dann au mehr katholische Beamte bekommen. Also den Vor- wurf darf ih ohne weiteres zurückweisen.

Der Herr Abg. Dauzenberg hat unter anderem auch darüber ge- Tlagt, daß immer noch die Befugniß des Staats bestehe, die katholiscben Geistlichen zu dispensieren von den Erfordernissen der Vorbildung oder vielmehr, daß der Staat eine Ingerenz auf die Vorbildung dec Geiftlichen der katholischen Kirhe habe. Das i geseßlih! Ih habe schon vorhin gesagt: Lassen Sie uns an diesen Dinge, solange sie erträglih sind und wir thatsählich in Frieden -auskommen wir leben in dieser Beziehung in vollstem Frieden mit ven Herren Bischöfen —, lassen Sie uns an diesen Dingen nicht rütteln! Wir spielen mit dem Feuer, uud wenn wir hier die konfessionellen Lei enschaften entfesseln um nicht ganz wichtiger Interessen willen und nit lediglich um Interessen, die keinen Aufshub dulden, dann fann es sehr leiht kommen, daß die kirhlihen Interessen darunter viel mehr leiden, als daß sie dadurch gefördert werden. Wie wenig wir bei den Dispensationen Schwierigkeiten machen, das ist ja allen be- kannt. Es liegt ja in der Natur der Sade, daß die Staats- behörden sich zwar die Persönlichkeiten ansehen, und ih glaube do, daß wenn einmal ein Fall vorgekommen is, daß die Erkun- digungen nicht in ganz taktvoller Weise eingezogen seiu sollen, dieser ganz vereinzelt ist; denn die Haupterkundigungen ziehen wir immer ein durch Vermittlung kirchlicher Behörden, wiewohl wir längst nicht alle Dispensierten auf den Antrag der Bischöfe direkt dispensierten, sondern sehr häufig auch auf eigenen Antrag. Wir haben dispensiert ih will nur die Gesammtzahl nennen bis zum 7. Februar des vorigen Jahres 1694 Priester ; dazu sind gekommen im Laufe des leßten Jahres 14 auf Antrag der Bischöfe und 8 auf ihren eigenen Antrag, fo daß wir 1716 Priester diépensiert haben. Wie gesagt, wir kommen dabei entgegen bis zum äußersten, und ih glaube kaum, daß der Herr Abg. Dauzenberg in der Lage sein wird, mir einen Fall zu nennen, wo die Diépenfation verweigert ist; mir ist kein Fall bekannt. Sie sehen also, daß wir thatfähhlih einen modus vivendi mit den Bischöfen gefunden haben, daß wir mit ihnen in Frieden arbeiten können.

Genau dasselbe ist der Fall in Bezug auf das sehr schwierige Verhältniß zur Schule, in Bezug auf den Religionsunterriht. Wir mischen uns durchaus niht in die Dogmatik des Religions- unterrihts. Das is Kirchensahe; die Frage, was nach katholisher Lehre geleÿrt werden soll, is nicht Sache des Staats, sondern darüber müssen die kirhlihen Oberen entscheiden. Jm übrigen aber if der Religionsunterriht in den Or- ganismus der Schule bei uns eingefügt, und über das Technische muß auch der Staat wenigstens eine Kognition haben. Nun if es uns gelungen, dur eine ruhige, einfahe Darlegung dieser Verhältnisse” mit sämmtlichen Herren Bischöfen durchaus friedlich und freundlich einen modus vivendi zu finden. Es besteht auf keinem Gebiete des Staats nah dieser Richtung hin Streit. Ih sehe nicht ein, was ih thun sollte, um hier einzugreifen. Wollte ih die Sache prinzipiell aufnehmen, wollte ich mir den Ruhm erwerben, diese Sache zu einer prinzipiellen Entscheidung nach der einen oder anderen Seite zu bringen, so hätten wir den Krieg ganz zweifellos, und wer dabei den Schaden trüge, das wäre die Iugend, au die katholise Jugend ; darauf können Sie si verlassen.

Daß die Sache übrigens niht so fteht, wie der Herr Abg. Dauzenberg meint, daß eine prinzipielle Lösung aller Beziehungen zwischen Staat und Kirche von der Schulverwaltung erstrebt würde, können Sie daraus entnehmen: wir haben vor drei Jahren 5766 fta- tholishe Lokal-Schulinspektionen gehabt; im vorigen Jahre haben sie si vermehrt auf 6968, jeßt sind es 7077. Sie sehen, daß eine Ten- denz, die Geistlichen fernzuhalten, bei uns durchaus nicht besteht. Es sind einzelne Herren, die, sei es aus der Kulturkampfzeit her die ich übrigens thunlichst ignociere oder aber sonst in der Gemeinde oder mit einem Lehrer, in Schwierigkeiten gerathen sind, daß wir es beim besten Willen niht machen können. In solchen Fällen muß ich das Interefse der Schule an die Spite stellen, und thue das au, und da werde ich, wenn ih die Ueberzeugung gewinne, daß es nöthig ist, die Lokal- {culaufsiht dur einen s\taatlihen Beamten wahrzunehmen, Sorge dafür tragen, daß ein besonderer Schulinspektor bestellt werden muß. Meine Herren, das is im wesentlichen das, was ih zu erwidern hâtte. Auf die Frage einer Revision des Vermögensverwaltungsgeseßes möchte ih nah den ausgiebigen Darlegungen, die wir im vorigen Jahre gehabt haben, wenigstens zur Zeit nicht noch einmal eingehen; ih möchte dringend wünschen und rathen und i glaube, daß die Herren Bischöfe sehr gern bereit sind, darauf einzugehen doch die einzelnen Fälle in Erwägung zu nehmen, wo man die Gemeinde- vertretung auf Grund des vorhandenen Gesetzes beseitigen könnte. Das ist ja doh der Kernpunkt der ganzen Sahe. Wenn die Bischöfe es beantragen, können wir die Gemeindevertretung beseitigen und vollständig den Zustand herstellen, den sie haben wollen, sofern niht etwa die Größe des Vermögens und die Ver- hältnisse der Gemeinde ganz besondere Schwierigkeiten bieten.

Was dann das Altkatholikengeseß angeht, so muß ih sagen: darüber kann sih die fkatholishe Kirhe niht beschweren, daß wir den Alt- katholiken zu viel zu gute thun; wenn wir aber das Gesetz aufheben wollten, so würden wir uns dem {weren Vorwurf ausfetzen, daß wir einer shwachen Minorität den leßten Rest von Rechts\chutz entzögen, den fie noch hat, und der ihr im Vaterlande gewährt wird. Dazu scheint mir keine Veranlassung vorzuliegen.

Ich wiederhole, meine Herren: lassen Sie uns jeder von dem Standpunkte seines Glaubens und seines Bekenntnisses einander die Hand reichen, lassen Sie uns den Frieden zwischen beiden Kirchen, das Wohl des Staats, das Wohl unserer Jugend im Auge haben

0 bir : haben nit immer die Mänaer, die man wohl haben möchte,

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ih nehme an, daß nicht auf meine Mahnung hin, aber

und gemeinschaftlih arbeiten, und laffen Sie uns die Wogen des