1895 / 50 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 45. Sißung vom Montag, 25. Februar.

Ueber den Beginn der Sißung ist bereits in der gestrigen Nummer berichtet worden. j

Die erste Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die anderweite Ordnung des Finanzwesens des Reichs, ivird von dem Staatssekretär des Reihs-Schaßamts Dr. Grafen von Posadowsky mit folgender Rede eingeleitet:

Meine Herren! Das Finanzreformgeseß wird Ihnen zum zweiten Male vorgelegt, wenn auch in einem Punkte wesentlich verändert. Der Grund, warum die verbündeten Regierungen den Wunsch haben, diese organishe Finanzreform durchzuführen, liegt in den Shwan- kungen, | die eine nothwendige Folge des jeßigen finanziellen Verhält- niffses zwishen Reih und Einzelstaaten sind. Diese Schwankungen bestehen in den s{wankenden etatsmäßigen Ueberweisungen, die den Bundesstaaten zufließen, in den schwankenden Matrikularbeiträgen, in den unerwartet eintretenden Nahtragsforderungen des Etats und endlich in ven Shwankungen, die darin liegen, daß der rechnungsmäßige Betrag der Ueberweisungen sih nicht deck mit dem etatsmäßig veranschlagten Betrag. Der Zweck der Vorlage, die dem vorigen Reichstag unterbreitet wurde, war der : die finanzielle Wirkung, welche mit der clausula Frandenftein beabsichtigt war, zu pauschalieren. Die Summe der Ueberweisungen, die den Einzelstaaten in den leßten zehn Jahren als Uebershuß zugeflossen sind, betrug durchs{nittlich jährlich etwa 483 Millionen. Dieser Betrag sollte den Einzelstaaten als Pauschquantum nicht ganz zufließen, sondern nur feste 40 Millionen. Daß diese Forderung der verbündeten RMe- gierungen keine unberechtigte war, ergiebt sich aus den Mittheilungen, die ich dem hohen Hause bei der ersten Berathung des Tabacksteuergeseßzes im vorigen Jahre ge- macht habe. Jch habe zusammenstellen lassen die Summe derjenigen Einnahmen, die die Einzelstaaten auf Grund der Ueberweisungsgeseßze erlassen oder den Gemeinden überwiesen haben. Von diefer Summe habe ih abgezogen den Betrag neuer oder erhöhter Steuern und bin im Jahre 1893 bis dahin gingen nur die Erhebungen dahin gekommen, daß die deutschen Einzelstaaten jährlih seit 1879 dur- \hnittlih etwa auf eine Einnahme von 423 Millionen verzichtet haben. Wenn die Bundesftaaten demgegenüber eine feste Mehrüberweisung von 40 Millionen beanspruchten, so war das nach Ansicht der ver- bündeten Regierungen eine durchaus billige und berechtigte Forderung. Die verbündeten Regierungen haben ihre Absiht auf Mehrüber- weisungen auch zur Zeit n iht grund\äßlih aufgegeben, sie haben sih aber in der vorliegenden Vorlage einfach der Thatsache gefügt, daß auf Bewilligung eines Steuerbetrags, der eine Mehrüberweisung von 40 Millionen ermöglihte, nicht zu renen ist. Wir haben Ihnen infolge dessen eine Finanzreform vorgeshlagen, die von dem Gedanken ausgeht, daß ih die Ueberweisungen balancieren follen mit der Summe der Matrikularbeiträge. Jn der Presse ist dieses Gese die „kleine“ Finanzrefocrm genannt. Wir glauben aber, daß auch diese Finanzreform, die allerdings klein ist in Bezug auf die Forderungen, die auf Bewilligung neuer Steuern gestellt sind, dcch groß ist in Bezug auf ihre finanzpolitishe und staatswirth\schaftliche Bedeutung.

In der Oeffentlichkeit ift es vielfa so hingestellt worden, als ob die Finanzreform eigentlich nur einem Bedürfniß Preußens ent- \sprehe. Man kann dieser Behauptung niht entschieden genug ent- gegentreten. Im Gegentheil, in den kleinen Bundesstaaten ist das Bedürfniß nah einer reinliGen Scheidung auf finanzpolitishem Gebiet zwishen Reih und Einzelstaaten viel dringender als in den größeren Staaten. Wie die gegenwärtigen Verhältnisse, wie sie zwishen Reih und Einzelstaaten bestehen, gerade auf die kleinen Staaten wirken, das, glaube ih, hat der Herr Vertreter der Herzoglih meiningischen Regierung bei Berathung der Tabacksteuer- vorlage überzeugend nachgewiesen. (Sehr rihtig! rechts.) Die fleinen Staaten sind genötbigt, entweder dringende Kulturaufgaben zurüdck- zustellen oder Reservefonds anzugreifen, die für ganz andere Zwecke bestimmt waren.

Was will nun die „kleine“ Finanzreform? Diese Finanzreform will, auf einer wesentlich schmaleren Basis als derjenigen des Vor- jahres, eine Balance zwishen Ueberweisungen und Matrikular- beiträgen. Die Ausgaben des Reichs werden zur Zeit durch seine eigenen Einnabmen und durch Matrikularbeiträge aufgebraht. Diese schwankenden Matrikularbeiträge sind aber seit etwa 10 Jahren den Einzelstaaten nit empfindlih gewesen, weil sie ausgeglihen wurden dur Ueberweisungen, die bis zum Jahre 1892/93 wesentli höber waren als die Forderung an Matrikularbeiträgen. Seit 1892/93 baben fich die Ueberweisungen in Zubußen umgewandelt: die Sleishtöpfe Egyptens aus den fetten Jahren sind leer geworden, und es ift sehr unwahrscheinlich, daß sie fich wieder füllen werden.

Der vorliegende Geseßentwurf will deswegen die Bundesstaaten unter allen Umständen dagegen sichern, daß sie höhere Matrikularbeiträge zu zahlen, haben als die Summe der Ueberweisungen beträgt, die ibnen zufließt. Die Bundesstaaten brauen dann in ihren Etats für das Reich keine Mittel zur Verfügung zu stellen; es kann aber eine reformatio in melius in der Art stattfinden, daß sie auch in Zu- kunft noch Mehrüberweisungen erhalten ; bleiben nämli infolge der Beschränkung der Ausgaben die Matrikularbeiträge hinter den Ueber- weisungen zurück, so fließt die Differenz nah wie vor den Einzel- flaaten zu.

Man hat dieser Konstruktion des Geseges mit einem leicht gefundenen Shlagwort den Vorwurf gemaht, es wäre nichts als ein Automat. Ih möchte dieses Schlagwort ruhig acceptieren. Die Konstruktion hat in der That etwas Automatisches ; in dieser automa- tischen Gestaltung liegt eben die Sicherheit der Funktionierung im Interesse der Einzelstaaten (Sehr richtig! rets), die dadur gegen die ruinôösen Schwankungen der Forderungen des Reichs geschüßt find. Meine Herren, ih glaube, in dem bescheidenen Umfang, wie jest das Gesey fonstruiert ift, fönnte ih auch die linke Seite des Hauses tamit einverstanden erklären. Was wollen wir mit dem Gese? Wir haben das Recht, in unbeschränkter Höhe für das Reih Matrikularbeiträge einzufordern, und wir wollen jeßt selbft dieses Recht beschränken, indem wir uns freiwillig eine finanzielle Konstitution geben. j

Es find uns \{on bei der Berathung des Finanzreformgesezes im vorigen Jahre und au in der Presse verschiedene andere Vor-

man gesagt: der Weg, den dieses automatishe Reformgeseß ein- schlüge, hieße eigentliß nichts Anderes, als von Berlin über Köln nah Potsdam fahren. Auf der einen Seite Erhebung von Matri- fularbeiträgen zur Reichskafse, auf der anderen Seite Zahlung von Ueberweisungen an die Einzelstaaten und endlih eine gegenseitige Auseinanderrehnung; das könnte man ja unendlih einfacher er- reichen, wenn man einfach die clausula Frandenftein aufbhöbe, wenn man das Reih auf sämmtlihe Einnahmen verwiese, die in seine- Kassen fließen, und damit - das Reih in die Lage eines Bundes- staats brächte, der mit seinen eigenen Einnahmen leben muß, der nicht mehr ausgeben darf als er' einnimmt, und, wenn er mehr ausgeben will, neue Steuern von dem Parlament erbitten muß.

Dieser Weg liegt so nahe, daß die verbündeten Regierungen in der That nit darauf hingewiesen zu werden brauchen die Trauben hängen nur zu boch. Es ist notorisch, daß die clausula Frandcken- stein eine integrierende Bedingung für die Bewilligung größerer Mittel im Jahre 1879 bei der Zollreform, auch bei einer Reihe späterer Geseße war. (Sehr rihtig! in der Mitte.) Es ift notorisch, daß das Zentrum, die \tärkste Partei dieses Hauses, den aller- entsheidendsten Werth auf die Erhaltung der clausula Frandckenstein legt. (Sehr richtig! in der Mitte.) Es hieße deshalb gegen Wind- mühlenflügel fechten, wenn man auch nur den Versuch machen wollte, an dieser Vorbedingung der Bewilligung ciner Reibe von Mehr- einnahmen zu rütteln.

Ich komme nun mit kurzen Worten auf die ftaatsrechtliche Bedeutung der clausula Franckenstein. Sie hat meines Erachtens nah drei Richtungen hin wirken sfollen: erstens hat sie eine finan- zielle, zweitens eine finanzpolitische und drittens eine födera- tive Bedeutung.

Ich sprehe zunächst von der finanziellen Bedeutung. Der aus- gesprohene Zweck der clausula Franckenstein war, den Bundes- staaten, denen die Einnahmen aus indirekten Steuern und Zöllen verschlossen sind, die nur auf ihre direkten Steuern angewiesen blieben, hierfür eine Entschädigung aus der NReichskasse in der Form zu sichern, daß sie an den Einnahmen aus den Zöllen, gewissen Verbrauchabgaben und den Stempelsteuern mit betheiligt würden. Diese finanzielle Bedeutung der clausula Franckenstein ist aber meines Erachtens in dem Augenblick hinfällig geworden, wo die Matrikular- beiträge größer geworden find als die Ueberweisungen wo die Einzelstaaten vom Reih nihts mehr bherausbekommen.

Was ferner die finanzpolitishe Bedeutung der clausula Franten- stein betrifft, so ist meines Erachtens. ihre Absicht gewesen, das Budgetreht des Reichstags zu verstärken. Wäre die Reichs-Finanz- verwaltung nur angewiesen auf die Einnahmen aus den Zöllen und Verbrauchs\teuern, so würden ihr alle Einnahmen alljährlich zufließen, - ohne besondere Bewilligung seitens des Reichstags. Man bat infolge dessen einen Theil der Zölle und der Verbrauchsabgaben ausgeschieden, hat sie den Bundesstaaten überwiesen und in Matrikularbeiträge konvertiert, die statt dessen von den Bundesstaaten dem Reich zu gewähren find, die aber der jährlihen Bewilligung des Neichstags unterliegen. Diese finanzpolitishe, budgetmäßige Bedeutung wird mit einer Abschwächung meines Erachtens au in Zukunft beibehalten werden; es wird sih auch in Zukunft darum handeln, die Aus- gaben fachlich zu prüfen, die zur Deckung der Ausgaben erforderlichen Matrikularbeiträge, insoweit sie dur eigene Einnahmen des Neichs nicht gedeckt werden, alljährlich zu bewilligen; je sparsamer die Aus- gaben bemessen werden, desto größer wird die Chance, daß die Einzelstaaten noch Mehrüberweisungen erhalten, weil in diesem Falle die Matrikularbeiträge hinter der Summe der Ueberweisungen zurüdckbleiben können.

Was dagegen die föderative Bedeutung der clausula Francken- stein betrifft, so meine ih, daß sie auch nach diesem Gesetz in voller Wirkfamkeit erhalten bleiben würde. Man hat ofenbar den Ge- danken gehabt, daß man die Reichsverwaltung nicht völlig unab- bängig in ihrem Finanzwesen stellen wollte gegenüber den Ver- tretungen der Einzelstaaten. Die Einzelstaaten sollten na wie vor ein lebendiges Interesse daran haben, daß im Neich spar- sam gewirthshaftet werde; man hatte aber die Be- fürchtung, daß, falls man die Bundesftaaten ganz ab- finde, sich bei diesen das Interesse an einer sparfamen Finanzverwaltung im Reih abschwächen müsse, weil sie so wie so ihre festen Ueberweisungen;? erhielten, oder nach der gegenwärtigen Konstruktion des Geseßes wenigstens nie mehr zu bezahlen brauchten, wie ihnen vom Reich hberausgezahlt wird. Ih halte aus dem vorhin dargelegten Grunde diefen Einwand gegen das NReformgeseß niht. für durhs{lagend; denn die Bundeëstaaten haben nach zweierlei Richtungen nach wie vor das dringendste Interesse an einer sparsamen Finanzverwaltung im Reich auch dann, wenn dieses Finanzreformgeseß durhgeht: erstens weil, jemehr die Ausgaben beschnitten werden, je sparsamer verwaltet wird, destomehr die Möglichkeit von Mehrüberweisungen wächst, und zweitens in der Richtung, daß, wenn wenigstens \o sparsam ver- waltet wird, daß si die Ueberweisungen und die Matrikularbeiträge decken, die Nothwendigkeit der Beschaffung neuer Steuern ausge- {lossen ist, die shließlich die Unterthanen der einzelnen Bundes- staaten doch tragen müssen.

Meine Herren, ich glaube au, daß bei Konstruktion des Gesetzes, wie es Ihnen jetzt vorliegt, ganz derselbe Zweck erreicht wird, als wenn man die clausgula Frandckenstein beseitigen würde. Die Beseitigung der clausula Frandckenstein würde mehr eine formale Vereinfahung des NRechnungs- wesens sein, wie eine wirkliche materielle Vereinfachung. Dadurch, daß die Matrikularbeiträge unter keinen Umständen mehr betragen dürfen wie die Ueberweisungen, und daß, falls die Ueberweisungen hinter den Matrikularbeiträgen zurückbleiben, der entsprehende Mehr- betrag der Matrikularbeiträge außer Hebung geseßt werden muß, wird thatsählich das Reih auf eine Einnahmesumme angewiesen, die der Summe entspriht, die überhaupt der Neichskasse zufließt, ganz abgesehen davon, daß ein Theil an die Einzelstaaten wieder abgegeben wird. Jn einer Richtung nur enthält das Gesey eine Beschränkung der / clausula Frankenstein, nämlich in der Nichtung, daß in Zukunft die Ueber- weisungen nicht nah dem rechnungsmäßigen Betrag den Einzelstaaten zufließen, sondern nach dem etatsmäßig ver- anschlagten Betrag; also die Differenz, die \sich ergiebt zwischen dem etatsmäßig veranshlagten Betrag der Ueberweisungen und ihrem rechnungêmäßigen Betrag, die wird allerdings den Einzelstaaten

entzogen, und darin liegt eine Abshwähung oder eine theilweise

Betrag die Hand legen müssen, um den sogenannten Aus, gleichungéfonds zu bekommen. Dieser Ausgleihungsfonds ist, wie ih bemerke, n iht dazu bestimmt, wie das vielfah hier im Hause und auch in der Presse so’ dargestellt is, um einen Fonds für Steuern auf Vorrath zu erlangen, aus dem man in einem Jahre, wo bei der Etatsaufstellung die Einnahmen deg Reichs zur Deckung der Ausgaben nicht reichen, so zu sagen über, shöpfen kann. Das ist total unrihtig. Der Ausgleihungsfonds darf viel, mehr nur in Anspruch genommen werden, wenn \ich bei einem Rechnungsabs\chluß ergiebt, daß infolge von Mindereinnahmen oder Mehrausgaben ein Defizit entstanden ist; in diesem Fall soll allerdings dieses rechnungsmäßige Defizit gedeckt werden in der Art, daß dasselbe in den nächstfolgenden Etat in Ausgabe und der gleiche Betrag àu? vem Ausgleichungsfonds au in Einnahme gestellt wird.

Man könnte nun viêlleiht die Frage aufwerfen: würde es nit genügen, zur Supplierung des Ausgleihungsfonds, der einerseits die Defizite der Vorjahre decken, anderseits eventuell die Mittel bieten soll, um wenigstens mit einer bescheidenen Schulden- tilgung zu beginnen würde es niht genügen, wenn man in den Ausgleihungsfonds nur Uebershüsse aus der eigenen Wirth- haft des Reichs fließen ließe? Diese Frage muß man ver- neinen. Wir kEaben in den Jahren 1885/1886 bis 1890/91 in den Ctat stets Fehlbeträge einstellen müssen und zwar Fehlbeträge in der Gesammtsumme von 894 Millionen. Erst in der Zeit von 1891/92 bis 1895/96 Fonnten Uebershüfse eingestellt werden und zwar im Gesammtbetrage von rund 38 Millionen; hätte also das Finanzreformgeseß {hon in der Zeit 1891/92 bis 1895/96 bestanden, so hätte in keinem Falle der Fonds die Grenze von 40 Millionen erreiht, die die Vorbedingung für den Beginn der Schuldentilgung ist. Hätte aber das Gefeß hon 1885/86 bis 1890/91 bestanden, so wären die verbündeten Regierungen gezwungen gewesen, Ihnen neue oder eine Erhöhung der vorhandenen Steuern vorzu- s{lagen, weil wir Uebershüsse aus der eigenen Wirthschaft des Neichs überhaupt nicht hatten. Ganz anders stellt sich das Exempel selbstverständlih, wenn dem Ausgleichungs- fonds auch die Differenzbeträge zufließen zwischen den etatémäßigen und den rechnungsmäßigen Beträgen der Ueberweisungen. Diese Vebershüsse haben betragen in den Jahren 1879/80 bis 1893/94 ab- züglih der Fehlbeträge rund 248 Millionen, mit anderen Worten : die Einzelstaaten haben jährlich durchs{hnittlich auf Grund der Re- nungen etwa 164 Millionen mehr an Uebershüssen vereinnahmt, wie sie auf Grund des Etats erwarten konnten. Würden wir also diese Uebershüfse, die fih mehr ergeben gegen den etatsmäßigen Ber trag der Ueberweisungen, ebenfalls dem Ausgleihungsfonds zuführen, so würden wir allerdings hoffen können, daß der Fonds alsbald die Summe von 40 Millionen erreiht und mit der Schuldentilgung der Anfang gemaht würde.

Es fommt ferner hinzu, daß in der Zeit, wo die Uebershüsse entstanden, die ih hier mitgetheilt habe, die bisherige Veranschlagung der Einnahmen eine viel größere Wahrscheinlichkeit bot, daß überhaupt Uebershüsse entstehen; denn die Einnahmen wurden ein- geseßt in den Etat nah dem dreijährigen Durchschnitt. Wir haben jeßt das Veranlagungsverfahren der Einnahmen verändert; wir stellen die Zölle, mit Ausnahme der Getreidezölle, und die sämmtlichen Verbrauchssteuern ein nah dem Jahresdurhschnitt der leßten 24 Monate, kommen somit dem für das nächste künftige Etatsjahr zu erwartenden Ertrag an Einnahmen er beblich näher wie früher; deshalb verringert sich auch natur- gemäß die Möglichkeit unerwarteter Uebershüsse. Diese Ueber- schüsse entstehen aber auch überwiegend aus den Getreidezöllen, weil diese von der Ernte des Jahres abhängig sind und wir trotz aller Veranschlagungen nicht wissen können, wie die Ernte im nächsten Jahre thatsählih ausfallen wird. Die Einnahmen aus den Getreide- zöllen fließen aber, mit Ausnahme der bekannten 130 Millionen, den Bundesftaaten zu. Wie viel aus den Getreidezöllen, auf den Ertrag der Zölle überhaupt entfällt, ergiebt \sich daraus, daß im Jahre 1891/92 die Getreidezölle 28 % aller Zolleinnahmen betrugen, im Jahre 1892/93 :.21,5 9/0, im Jahre 1893/94: 19% und im Sahre 1894/95 bis Oktober 1894 23,5 %/. Partizipieren wir also bei Ansammlung dieses Pufferfonds wie ih ihn einmal nennen will nit auch an den Uebershüssen der Ueberweisungésteuern, so ist die Möglichkeit, daß wir. aus diesem Pufferfonds Defizits decken, in Frage gestellt, ferner aber au) die Möglichkeit, daß wir aus dem Fonds, nahdem er einen Bestand von 40 Millionen erreicht hat, mit der Schuldentilgung beginnen, in weite Ferne gerückt. Würde man niht das Reich in irgend einer Form an den Mehrbeträgen der Ueberweisungen gegenüber dem Etat partizipieren lassen, so würde man das Reich in die eigenthümliche Lage bringen, daß, wenn die Ueberweisungen binter den Matrifularbeiträgen zurückbleiben, das Reich allein das Risiko trägt, und um die Differenz die Matrikularbeiträge außer Hebung seßen muß; daß dagegen, falls die Ueberweisungen sich größer wie die Matrikularbeiträge herausstellen, dieser Mehrbetrag nach wie vor den Einzelstaaten zuflöfse; das ganze Kommodum würde also auf seiten der Einzelstaaten, das iganze Risiko auf seiten des Reichs liegen.

Es giebt au eine andere Richtung gegenüber dem Finanzreform- geseß, die sih dahin ausspriht: Wozu überhaupt ein Finanzreform- geseß? Wir halten es für sehr gut, wenn Peberweisungen und Matrikularbeiträge sih fkompensieren; aber das können ja die vers bündeten Regierungen und primo loco der Schaßsekretär, der die Finanzverwaltung zu leiten hat, selbständig machen; mag doch bon ibnen der Etat fo aufgestellt werden! Meine Herren, gegenüber dieser Auffassung muß ich einige Bemerkungen machen über die Stellung der Reichs-Finanzverwaltung überhaupt. :

Bei Begründung des Deutshen Reichs vereinigte ja au in materieller Beziehung der Reichskanzer alle Funktionen der Reichs- verwaltung in seiner Person. Das Uebermaß und stete Anwachsen der Geschäfte führte allmählich dahin, daß si die einzelnen Reichsämter abblätterten. Für die Reichs-Finanzverwaltung ergab fih daraus fol- gende Stellung: der Reichskanzler, der ja in der Regel auch gleih- zeitig als Präsident des preußischen Staats-Ministeriums fungiert, ist ein so vielbeshäftigter Mann, die Masse des Papiers, die ihm täglih auf den Streibtish gelegt wird, ist eine so ungeheure, daß er selbstverständlih nie in der Lage sein kann, sih eingehend mit den Details der Reichs-Finanzverwaltung zu beschäftigen. Er wird also zunächst nur die formelle Verantworklichkeit für die Reiché- Finanzen tragen, die materielle Verantwortlichkeit wird der Schaß-

schläge über die Materie gemaht worden. Vor allen Dingen hat

Sugêpension der clausula Frandenftein. Wir haben - auf diesen

sekretär tragen müssen, während ihm die formelle Verantwortlichkeit

fehlt. Wenn der Etat aufgestellt - wird, beginnt nun der Kampf zwischen dem Reichs - Schahsekretär einerseits und den Refsorts andererseits. Findet eine Einigung nit statt, so ist der Reichskanzler genöthigt, zwischen den beiden Parteien, die ihn um Entscheidung angehen, als judex inter pares zu entscheiden ‘— keine sehr“ angenehme Lage für ihn; wenn Sie si vorstellen die Stellung des Reihs-Schaßsekretärs auf der einen Seite und die Stellung der gewaltigen Ressorts, die ibm gegenüberstehen, auf der anderen Seite, so ist das wirkli ein Kampf zwischen dem kleinen David und dem Riesen Goliath, und ih glaube, wenn der kleine David jedes . Jahr bhâtte den Kampf mit einem Riesen Goliath aufnehmen müssen, so wäre er shließlich doch todtgeshlagen worden. (Heiterkeit.) Man kann ferner gegenüber diesem Finanzreformgeseßz den Einwand erheben: Gut! das wird möglih sein, auf diesem Wege den Etat zu balancieren; aber es tritt eine andere große Gefahr ein: Die Ressorts werden, um niht neue Steuerforderungen begründen zu müssen, darauf hindrängen, daß Mehrforderungen in den Schuldentitel aufgenommen werden, und die gleihe Neigung wird vielleicht beim Reichstag eintreten, daß er, statt neue Steuern zu be- willigen, die Mehrbewilligungen auf das Extraordinarium nimmt. Meine Herren, was zunächst den ersten Fall betrifft, so wird es hier allerdings Sache des Reichs-Schaßsekretärs sein, einem folchen Auswege vorzubeugen und niht zu dulden, daß im größeren Umfang wie bisher der Sculdentitel belastet wird, um neuen Steuerforderungen aus dem Wege zu gehen. Der Reichstag wird freilih die Möglichkeit hierzu haben, aber den Reichstag vor ih selbst kann man auch geseßlich niht chüßen. Ih glaube, das ift unzweifelhaft, daß in einem großen Bundesstaate, wie Deutschland, es unbedingt nothwendig ift, eine starke Finanzverwaltung zu baben. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, in England i} der Lord- Schatkanzler Premierminister. Jn jedem Einzelstaate hat berechtigter- weise der Finanz-Minister eine besonders einflußreihe Position, weil man fich sagt, daß ebenso wie in jeder Privatwirthschaft, so auch in der Staatswirthschaft geordnete Finanzen die Hauptsache sind für eine gedeihlihe politishe und wirthschaftliße Entwicklung des Staates überhaupt. In dem großen Bundesstaate Deutschland fehlt aber eine solche starke Finanzverwaltung. Wie kann man nun die Finanzverwaltung im Deutschen Reiche stärken? Es i} wieder- holt vorgeschlagen worden, namentlich von liberaler Seite, einen NReichs-Finanz-Minister zu \chaffen. Ein folher Reichs-Finanz- Minister ist zunächst staatsrechtlich meines Erahtens niht zu schaffen. (Sehr richtig! rechts.) Und abgesehen davon, selbs wenn seine Schaffung möglich wäre, so würde man damit nichts machen als einen Reichsdoppeladler ins Leben seßen, einen Reichs- adler mit zwei Köpfen: dem des verantwortlihen Reichskanzlers und dem des verantwortlichen Reichs-Schaßisekretärs; darin würde der hronische Keim zu Konflikten liegen.

Will man also den Reichs-Schaßsekretär stärken, so kann man es meines Erachtens nur mittelbar auf organisatorischem Wege thun, unb eine solche Stärkung der Reichs-Finanzverwaltung liegt unzweifelhaft in diesem Reformgeseß. Wie wird si in Zukunft die Sade gestalten ? Der Neihs-Schaßsekretär wird bei der Etatsaufstellung, wie bisher, die Einnahme veranschlagen und die Ausgabeliquidationen der einzelnen Ressorts entgegennehmen, wird die Einnahmen und Aus- gaben balancieren, und, wenn die Ausgaben größer sind als die Ein- nahmen, die einzelnen Ressorts auffordern, aliquot oder nah der Wich- tigkeit der einzelnen Forderungen dieselben zu ermäßigen. Sind dazu die Ressorts nicht bereit, so ist die Konsequenz einfa die, daß mit den Ressorts beraths{lagt werdenßmuß, welhe neuen Einnahme- quellen zu beschaffen sind; die Ressorts ihrerseits werden zu prüfen haben, ob die Mehrforderungen, die sie stellen, {chwimmfähig genug sind, dem Reichstag gegenüber auch die Forderungen neuer Steuern zu begründen. Meine Herren, ih habe die stille Hoffnung, daß da manche Forderung vielleicht nit erst an den Reichstag kommt; wenn aber dementsprehend eine Mehrforderung von Steuern an den Reichstag gelangt, so werden auch die NRessort-Chefs ihrerseits neben dem Neichs-Schaßtsekretär ihr Bedürfniß materiell begründen müssen; darin liegt meines Erachtens nit nur eine wesentliche Stärkung der Reichs-Finanzverwaltung, sondern auch eine solche des Budgetrechts des Reichstags.

Ich muß nun noch mit ein paar Worten auf die Deckungsfrage zurückfommen. Es hätte mir sehr nahe gelegen, am zweiten Tage, an welhem die Tabacksteuer verhandelt wurde, auf eine Reihe von Einwänden, die gegen das Geseß gemaht worden sind, zu er- widern; die ganze Debatte trug ja shließlich den Charakter einer Spezialdiskussion. Jch habe darauf verzihtet, das Wort noch einmal zu ergreifen, weil ih wußte, daß die Berathung si dann auf einen dritten Tag fortgeseßt hätte, und weil ih ferner wußte, daß es der dringende Wunsch des Reichstags war, einmal einen geshäftsfreien Sonnabend zu haben. Jch bin aber doch genöthigt, auf einige Ein- wendungen, die in jener Berathung gemacht wurden, soweit sie mit dem Reichs-Finanzgeseß zusammenhängen, zurückzukommen.

Meine Herren, zunächst habe ih die Genugthuung, daß bei Be- rathung des Tabacksteuergesetzes eigentlih von keiner Seite bestritten worden ift, daß das Reih neuer Mittel bedarf. Nur ein eigenthümliher Einwand is gemacht worden. Ein Redner hat erklärt: wir haben die Militärvorlage nit mit- bewilligt, uns geht die Sache eigentlich nichts an; mögen die für die Deckung sorgen, die die Militärvorlage bewilligt haben. Fn der That ein eigenthümlicher parlamentarisher Standpunkt. Es ist doh einmal das Wesen des Parlaments, daß Mecehr- heitsbeschlüsse formales Recht machen; wenn man das bestreitet, dann untergräbt man das Fundamentrecht des Parla- ments überhaupt. Es is ferner von einem der Herren Redner elngewendet worden: bei Bewilligung der Militärvorlage hätte man nicht an neue Steuern gedaht, sondern angenommen, daß man die Forderungen dur Matrikularbeiträge decken werde. Auch das ist nicht rihtig. Wenn der geehrte Herr ih glaube, es war der Herr Abg. Bassermann den Bericht der Militärkom- mission nahlesen wollte, so würde er darin finden, daß von meinem Herrn Amtösvorgänger zur Deckung der Mittel für die Heeres- verstärkung 58 Millionen neue Steuern gefordert wurden, und zwar aus der Erhöhung der Branntweinsteuer, der Biersteuer und der Stempelsteuer. Von diesen 58 Millionen haben wir bis jegt nominell. 2 Millionen bekommen; denn thatsählich trägt die Stempelsteuer nur 17 Millionen zur Zeit ein. Wenn wir jeßt also, um die Finanz-

die in der damaligen Forderung

ist es ziemlich genau die Summe, enthalten war. :

Der Herr Abg. Schneider hat gefagt, die Zahlen, die ih vorgetragen hätte, um die Forderung neuer Steuern zu rehtfertigen, machten ihn niht- graulih, ich hâtte mih s{chon einmal beim Uebershuß von 1893/94 verrehnet. Dieser Vorwurf is ein durchaus ungerehter. Ich habe den Ueberschuß am 16. April 1894 auf 4 Millionen. an- gegeben, er hat 14 Millionen betragen, also 10 Millionen mehr; das ift richtig. Diese 10 Millionen betragen F 9% der Einnahmen und Ausgaben des Reichs. Das ist ein so geringer Prozentsaß, daß hierüber eine Schäßung sich täuschen kann. Jch kann aber die Schäßung nur geben auf Grund des Materials, was mir seitens der Ressorts vorgelegt ist. Der Ueberschuß hat sih vermehrt niht nur durch Erhöhung der Eirnahmen, fondern au dadur, daß die Ausgaben geringer waren, wie vorauszusehen, und daßein ganze Anzahl von Ressorts ich erinnere nur an das Auswärtige Amt mit seinen Kolonien im Monat April, wo ih die Erklärung abgegeben habe, noch gar nit in der Lage war, seine Ist-Ausgabe zu übersehen; darin liegt die Differenz. Ich habe aber diese Differenz zum Anlaßpurkt genommen, sämmtliche Ressorts zu bitten, im Januar noh einmal, während das bisher nur im Oktober geshah, mir eine genaue Schäßung der Ausgaben zu geben, um- wenigstens möglihs zutreffend den Uebershuß berehnen zu können. Also den Vorwurf, daß hier eine culpa vorliege, muß ih ganz entschieden zurückweisen.

Ferner sind unsererseits eine Reihe von Ausgaben gar nicht in Rechnung gezogen worden, die thatsählih eintreten werden. Ich er- innere zunächst daran, daß, wenn dieses Finanzreformgeseßz durchgeht, überhaupt aus der eigenen Wirthschaft des Reichs keine Uebers{üsse in die kommenden Etats eingestellt werden, also selbst die 3+ Millionen Ueberschuß, die ih vorläufig als Uebershuß der eigenen Wirthschaft des Reichs aus dem Jahre 1894/95 geschäßt habe, in den übernäcsten Etat gar nit mebr eingestellt würden. Ih erinnere ferner daran, daß die NReichs-Finanzverwaltung auch heute noch keinen Betriebs - fonds hat. Wir haben uns ohne Betriebsfonds bisher durchge- \chlagen, indem wir die Anleihekredite etwas frühzeitiger realisfierten und davon unsere Verwaltung speisten. Je mehr die Anleihekredite zurückgehen, und das muß man dringend hoffen, desto mehr wird uns die Möglichkeit genommen, aus diesen Anleihekrediten den Be- triebsfonds zu supplieren. Also die Beschaffung cines Betriebsfonds wird eine unbedingte Nothwendigkeit sein.

Und drittens ift bei der Berathung der Kommission über die Dur{führunz des Alteréstufensystems für eine ganze Neihe von Kategorien von Reichsbeamten der Wunsch ausgesprochen worden, daß ihre Gehaltsverhältnisse verbessert werden, um die Unbilligkeiten auszugleichen, die im einzelnen für diese Beamten in der Durch- führung des Alters\tufensystems liegen. Meine Herren, Sie werden aber, wenn die verbündeten Negierungen diesen Wünschen Folge leisten sollten, selbst die Erfahrung machen, daß, je mehr Sie durch die Erhöhung der Minimal- oder Marximalgehälter die eine Kategorie an die andere heranrücken, eine desto größere Lücke zwischen dieser verbesserten und der nachfolgenden Kategorie entsteht, und daß auf diese Weise möglicherweise die Durchführung des Alters\tufensystems in Ihrem Sinne auch einen Anfang der Verbesserung der Beamten- gehälter überhaupt bildet.

Meine Herren, und nun noch einen leßten Punkt! Wir berechnen immer als Defizit die Differenz, die besteht im Ordinarium zwischen Einnahmen und Ausgaben, und betraten als Defizit gar nicht den Betrag, der dur Anleihen beschafft wird. Wenn man Anleihen auf- nimmt, wie das in den Einzelstaaten geschieht, so geschieht dies in der Negel nur für werbende Zwecke, während der allergrößte Theil der Schulden, die wir im Deutschen Reih gemacht haben, einen ganz anderen Charakter trägt, d. h. es sind Schulden für Ausgaben, die nie eine direkte Verzinsung verheißen; dieses Anwachsen der Schulden- titel auf 2 Milliarden bedeutet zum großen Tyeil weiter nidts, als daß wir Defizit auf Defizit gehäuft haben, ftatt die Steuerkraft des Landes stärker anzuspannen. (Sehr rihtig! rechts.) Hätten wir die Steuer- kräfte des Landes ftärker angespannt für den Theil unferer Schulden- last, der niht werbender Natur ist, so hätten wir eben seit dem Jahre 1875 jährlich etwa 847 Millionen mehr Steuern erheben müssen, und dann allerdings würde unsere Schuld den Charakter der Shulden tragen, den die Schuldenlast in den Einzelstaaten hat. Ießt is aber der Charakter unserer NReichsshuld ein ganz anderer und deshalb meines Erachtens finanziell viel gefahrvoller.

Meine Herren, es is uns dann zur Durchführung der Reichs- Finanzreform wieder eine Anzahl Steuervorschläge gemacht worden. Zunächst hat man gesagt: warum soll der Taba, oder vielmehr, warum sollen nur die Raucher die Kosten der Militärvorlage und den Ausfall der Handelsverträge tragen? Unsere Schuld is das niht. Wir haben ja außer dem Tabacksteuergeseß noh ein Weinsteuergesez und eine Besteuerung auf Checks, Giroanweisungen und Quittungen vor- ges{lagen; Sie haben aber von dem Steuerbouquet, wie es genannt wurde, uns nur eine Blume geschenkt, das ist die Stempelsteuer, und die Mehreinnahme daraus beträgt nur 17 Millionen. Wenn wir also jeßt die Tabacksteuer allein vorschlagen, so ist dies nur die Konsequenz der Beschlüsse, die der Reichstag selbst gefaßt hat, und daß die übrigen erwähnten Steuern eine Aussicht auf Erfolg in diesem Reichstag haben würden, ist doch ganz ausgeschlossen.

Meine Herren, dann is uns ferner vorgeschlagen worden, wir sollten den Post-Zeitungstarif erhöhen und daraus höhere Mittel zieben. Darüber sind wir mit dem Reichstag unzweifelhaft cinig, ih glaube mit allen Parteien, daß der Post-Zeitungstarif einer Reform bedarf, einer Reform in der Nichtung, daß si Leistung und Gegenleistung gerehter und verständiger Weise deckt. Aber ih wollte wohl die Stimmung der Presse sehen, wenn wir die Reformen des Post- Zeitungstarifs zu einer wesentlihen Finanzquelle des Neichs machen wollten; ih glaube, dann würde die Presse von rechts bis links wie ein Mann gegen uns einig sein.

Auch die Empfehlung einer Wehrsteuer ist ja ein Stein, den man uns reiht; es ist so oft wiederholt, auch von mir von dieser Stelle aus im vorigen Jahre darauf hingewiefen worden, daß eine Wehrsteuer als Einheits\teuer nichts bringt, daß eine Wehrfteuer, die etwas bringen soll, eine progressive Steuer sein muß, eine Pro- gressivsteuer, die {ih anlehnen muß an das Einkommen, welches die Eltern beziehen, weil die Wehrpflichtigen in der Regel kein Ein- kommen haben, und daß eine folhe progressive Wehrsteuer in der

steuer vorausseßzt, die Dureßführung einer Reichs-Ginkommensteuer staatsrehtlih aber. ausgeschlofsen ist. Also auch mit diesem Vorschlag, meine Herren, können wir nichts mahen. Aus den Debatten habe ih aber seitens des verehrten Herrn Abgeordneten für Bremen ein für die Fabrifatsteuer sehr werthvolles Argument herausgelesen. Er sagt nämlih: die Fabrikatsteuer ist unmögli; aber er bestreitet nicht, oder gesteht vielmehr sogar zu, daß man aus dem Taback höhere Erträge lösen könne durch eine Parallelerhöhung der Inlandésteuer und des Zolles. Meine Herren, dieses Zugeständniß ist meines Erachtens ein Beweis dafür, daß die Agitation und die Opposition gegen die Fabrikatsteuer garnicht zusammenhängt mit dem Konsum- rüdgang; denn, meine Herren, der . Konsumrückgang kann doch nur eine Folge sein einer Vertheuerung der Tabafabrikate, und ob diese Vertheuerung eine Folge der Tabadckffabrikatsteuer oder einer Parallel- erhöhung der Steuer und des Zolls ist, bleibt für den Konsu- menten völlig gleihgültig. Daraus folgt also, daß man auch in den Kreisen der Interessenten eine höhere Besteuerung der Fabrikate ohne Schädigung der Konsumtion sehr wohl für möglih hält. Auch der Einwand is} unbegründet, man dürfe nicht auf die Monopolländer Bezug nehmen. Wie die Steuerform ist, dur die der Preis der Tabakfabrikate erhöht wird, ist für den Konsumenten vollständig gleihgültig ; für den Konsumenten ist nur maßgebend: wie steigen die Preise der Fabrikate, steigen sie fo, daß er nicht mehr im stande, sie zu kaufen? Wenn also in den Monopolländern der einzelne für Tabackgenuß erheblich mehr ausgeben fann als bei uns, fann man, glaube ih, mit Recht auf die Monopolländer exemplifizieren , wenn man auch bei uns den Preis der Fabrikate erhöhen will.

Ich muß mi, meine Herren, auch dagegen auf das entsciedenste verwahren, daß ih auch nur angedeutet bâtte, wir könnten doch mit der Zeit zum Monopol kommen. Im Gegentheil, meine Herren, ih habe mi entshieden dagegen verwahrt und aus einem Grunde mi dagegen verwahrt, der auch gegen die Kontingentierung oder gegen das Verbot des Inlandtabackbaus \priht. Denn auch bei dem Monopol würden wir in der Lage sein, zunächst ungeheuere Abfindungsfummen zu zahlen, und wer garantiert dafür, daß niht einmal der Reichstag oder die verbündeten Regierungen zu dem Entschlusse kommen, das Monopol aufzuheben. Dann sind wir das Monopcl los, und wir sind auch die ungeheuren Entschädigungen los. Das ist meines Erachtens das Hauptbedenken gegen das Monopol. Wenn ih auf das Monopol, was die Schweiz einzuführen gedenkt, hingewiesen habe, so ist das nur deswegen geschehen, weil allerdings bei dem Meonopolbetrieb der Preis der Fabrikate erhöht zu werden pflegt, und ih aus dem Ent- {luß der Schweiz nahweisen wollte, daß man dort Arbeiter- entlassungen infolge Erhöhung der Preise der Fabrikate nicht zu fürchten scheirt. 5 Meine Herren, wenn die Interessenten vollkommen die Karten aufdecken wollten, so würden sie erklären, sie hätten keine Bedenken dagegen, daß wir zur Durchführung der Finanzreform höhere Mittel aus der Besteuerung des Tabacks erzielten. Aber sie wollten über- haupt das S ystem nicht. Das ist die Sache, und sie wollen das System nicht, weil es ein prozentuales ist und sie die Befürchtung haben, daß bei Mehrbedarf des Reichs man ganz allmählih die Mikrometershraube drehen und mehr aus dem Taback herausziehen würde. Diese Befürchtung widerlegt si schon dadur, daß do die verbündeten Regierungen ein Interesse daran haben, daß der Taback mehr Erträge bringt. Wenn man aber in einer übermäßigen Weise die Tabacksteuer prozentual anspannen würde, dann würde allerdings die Konsequenz die sein, daß man zwar die Sätze erhöhte, aber den Gesammtbetrag dec Steuer herabseßte.

Meine Herren, ich muß auch bestreiten, daß ih zugegeben habe, daß bei Einführung der Tabaksteuer der Konsum 12 %/% zurückgehen würde. Im Gegcntheil, ih habe nachgewiesen : wir haben nit an- genommen, auch im vorigen Jahre, daß infolge der Steuer ein derartiger Konsumrückgang eintreten würde; wir haben einen vor- übergehenden Rückgang des finanziellen Ergebnisses nur angeseßt, weil wir annehmen, daß die Privaten sich in hohem Grade mit Vorrätben versehen würden, die ja bis zu einem gewissen Grade steuerfrei bleiben, und daß auch viel auf Vorrath gearbeitet würde eine Manipulation, die bekanntlih die Erhebung einer Nachsteuer zur Folge hat. Die Nachsteuer is geringer im Gesetz angeseßt als die definitive Steuer. Durch diese beiden Faktoren, Natsteuer und steuerfreies Quantum der Privaten, haben wir allerdings einen Minderertrag inder Steuer befürchtet, aber niht einen Konsumrückgang.

Dann is auch in der Debatte wiederholt auf die „shwachen Schultern“ hingewiesen worden. Meine Herren, dieses Wort ift ja einmal gesprohen, aber ich glaube, man kann jedes Wort auch zu Tode hegen. Zunächst soll die große Masse der Konsumenten nicht mehr tragen können. Man berehnet sorgfältig jeden Pfennig, der mehr aufgebraht werden soll, aber ih glaube, es ist für die Maße namentlih der Arbeiter viel wichtiger, daß Handel und Verkehr blüht, daß es der Landwirthschaft gut geht, reichliche Arbeitsgelegenheit vor- handen ist und damit reichlicher Verdienst, als daß sie ein paar Pfennige Steuern mehr bezahlen. Ferner soll auch jeßt der Mittel- stand niht mehr belastet werden. Ja, meine Herren, welche kleine Quote von Steuerzahlern bleibt überhaupt dann noch übrig ? Ih habe den Eindruck, als ob heutzutage alle Welt shultershwach wird; ih habe schon die beweglisten Klagen von shulters&wahen Millionären gehört. Also ein solhes einmal gesprohene Wort darf man doch nur cum grano salis nehmen.

Ein gewihtiger Einwand, der uns gemacht ist, würde allerdings, wenn er berechtigt ift, der sein, daß die kleinen Betriebe geschädigt werden. Wir haben die feste Absicht, die kleinen Betriebe zu s{chüßen, aus fozialpolitishen Gründen. Nun haben sih bei der Debatte eigenthümlide Widersprüche begegnet. Auf der einen Seite behauptete man, die ganze Industrie würde si in Riesen- betriebe konzentrieren, und die fleinen Betriebe würden zu Grunde gehen; auf der anderen Seite befürchtete man von den Kleinbetrieben eine Schädigung der Großbetriebe, weil sie nit unter einer so strengen Kontrole stehen. Eins von beiden kann doch nur richtig sein, und ih glaube, richtig ist, daß die Großbetriebe bestehen bleiben, und daß die Kleinbetricbe ebenfalls bestehen bleiben werden.

Wenn man, um das Geseß zu diskreditieren, ein wahres Kon- versationsl[exifkon von Defraudationsfällen sih ausgedaht hat, so kann ih nur darauf erwidern: alle die Fâlle, die afkademish fkonstruiert sind, sind in dem Gesetz vorgesehen und können an der Hand des

Form eines Zuschlags zur Einkommensteuer erhoben werden muß,

reform durchführen zu können, 32 Millionen neue Steuern fordern, so

demnah in den Bundesstaaten eine einheitliche Reichs - Einkommen-

Gesetzes bekämpft werden. Defraudiert wird bei jeder Steuer. Trotz des Defklarationszwangs wird auch bei der preußischen Einkommen-