1895 / 50 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

E i e E t E E T N

steuer defraudiert werden, troydem funktioniert die Steuer weiter und wirft vorläufig steigende Erträge ab.

Ih muß nun doch noch auf die Agitation der Interessenten zurück- kommen. Ich will niht, meine Herren, von der Agitation der Inter- effsenten sprechen, die jeden, von dem sie glauben, daß er ein Faktor bei dem Geseße sein wird, einer Art politisher Massage unter- werfen. Das muß ja jeder an seinem eigenen Leibe erfahren, und jeder wird sich dagegen fo gut, wie es geht, wehren. Aber wenn dieselben Interessenten, die gegen das Geseyz das humane Interesse für die Arbeiterbevölkerung ins Feld - führen, auf der anderen Seite in einer amtlihen Eingabe erklären: an dem Tage, wo das Geseg in Kraft tritt, entlassen wir sämmtliche Ar- beiter; wenn andere Interessenten erklären: sobald der § 1 des Gesetzes angenommen wird, entlassen wir sämmtliche Arbeiter, fo spriht das von einem humanitären Gefühl für die Arbeiter bei den betreffenden Betrieben niht. (Sehr richtig! rets.) Das ift zunächst eine Drohung, ein Einshüchterungsversuh gegenüber den verbündeten Regierungen, der an uns abläuft, wie Oel über Wasser. Aber derartige Agitationen, derartige Dro- hungen EÉönnen doch unter Umständen geradezu ge- meingefährlih werden. Ich kann nur sagen: es if auf das äußerste bedauerlih, daß dieser Kampf niht mit sahlichen Mitteln geführt wird. Daß sich jeder Interessent, der zu höheren Leistungen herangezogen wird, wehrt, sowie sahliche Gründe dagegen geltend mat, ist selbstverständlich; diefe sahlihen Gegengründe find ja auch bier im Parlament in eingehendster Weise zur Geltung gekommen. Entweder if aber eine derartige Drohung, sämmtliche Arbeiter zu entlassen, eine leere, und ein Einshüchterungsversuch gegenüber den verbündeten Regierungen und dann ist sie höchst verwerflich oder es folgt etwas Anderes daraus: man hat sih auf das Gesetz vor- bereitet, man hat große Vorräthe angesammelt und man glaubt, zu- nächst mit den vorhandenen Vorräthen reihen zu können, den Vor- räthen, die bekanntlih nur der ermäßigten Nachsteuer unter liegen. :

Meine Herren, daß wir neue Mittel haben müssen, wenn wir die Finanzreform durchführen wollen, ift klar. Ohne neue Mittel können wir {on die Bilanz in diesem Etat nicht herstellen und werden sie in künftigen Etats erst recht nicht herstellen können. Die verbündeten Regierungen find fortgeseßt überzeugt von der Wich- tigkeit dieser Maßregel, und werden, falls das Gesey wider Erwarten nit zu stande kommen sollte, das Liet der Finanzreform von Session zu Session weiter singen, bis sie eine verständnißfvolle Antwort erhalten. (Bravo! rechts.)

Abg. Richter (fr. Volksp.): In der Presse wurde das Geseh das kleine Finanzreformgese, genannt, es hat aber eine schr ein- \hneidende grundfäßlihe Bedeutung in finanzieller, politiser und konftitutioneller Beziehung. Ich habe die Ueberzeugung, daß es den Interessen der Einzelstaaten wie denen des Reichs widerstreitet. Der Reichs-Schaßzsekretär hat die Diskussion über das Tabacksteuergeseßz heute gewissermaßen wieder eröffnet. Ich gebe ihm zu, daß auch die- jenigen, welhe die Militärvorlage nit bewilligt haben, sich der Mehr- beit fügen und auf die Deckung der Kosten bedacht sein müssen. Aber wir wollen überbaupt keine neuen Steuern, fondern auf andere Weise DeckEung herbeiführen. Au halten wir uns an die Erklärung der Regierung, daß die neuen Steuern für die Militärvorlage nur die Woblhabenden treffen sollten. Das ist im wesentlihen bei der Stempelsteuer der Fall; bei der Tabackfabrikatsteuer trifft es niht zu, denn die Belastung fällt hauptsählich auf die Vier-, Fünf- und Sechspfennig-Zigarre. Der Reichs-Schaßsekretär sagt, das Volk zahle lieber ein paar Pfennige mehr, wenn nur Handel und Gewerbe blühen; aber ist denn die neue Taback- steuer der Shlüffel dazu? Im Gegentheil, ein Theil der Industrie wird ja gerade dadurch ges{ädigt. Wir brauchen niht mehr 35 Mil- lionen, denn die Militärvorlage, welhe 58 Millionen kosten follte, ift ja gar niht angenommen worden, sondern die durch den Antra Huene modifizierte, die nur 44 Millionen koftet. Diese Steuer ist aus den im vorigen Jabre geforderten Steuern nur deshalb übrig geblieben und nit vollständig abgelehnt worden, weil die Session vor der Beendigung der Kommissionsarbeiten ges{hlossen wurde. Der Wille, die kleinen Betriebe zu \{üßen und zu erhalten, mag ja vor- banden sein, aber unter einem folchen Kontrolfystem müffen die kleinen Betriebe zu Grunde gehen. Daß viele Tabackarbeiter entlafsen werden müssen, unterliegt gar keiner Frage; in dieser Beziehung ist die neue Borlage noch bedenklicher als die vorjährige. Das vorliegende Finanzreformgeseß widerspriht in erster Reihe dem Interesse der Einzelstaaten. D es den Einzelstaaten erhebliche Vortheile bringt, ist ein großer Irrthum; es wird fie vielmehr finanziell benahtheiligen. Im vorigen Jahr erschien der bayerische Finanz-Minister und mate für die Reform geltend, tas Reich ver- lange für 1894/95 56 Millionen Mark mebr an Matrikularumlagen, als die Ueberweisungen betrügen. Das wirkliche Plus der Matrikular: beiträge dieses Jahres wird nun beute auf nur 4 Millionen Mark geshätßt. Davon kommen auf Bayern nur 400 000 4, doch wahrlich keine Summe, die Bayern in die Gefahr der Mediatisierung bringen wird. Nun bat der Staats-Minister von Heim geschildert, wieviel von diefem Gesetze für die Kleinftaaten abhänge; aber auf Sachsen-Meiningen kommen von jenen 4 Millionen nur 20000 A Auf der anderen Seite sollten die Einzelstaaten doch nicht vergessen, daß bis 1893 die Ueberweisungen immer höher gewesen find als die Matrikularbeiträge, sie haben bis dahin Hunderte von Millionen bekommen, auf die sie nah dem vor- liegenden Gese bäâtten verzihten müssen. Daß dann das Verhältniß fich umfkehrte, wird als Folge der finanzpolitishen Entwidckelung bingestellt, aber es war doch lediglih die Folge der Militärvorlage, die ohne Deckung bewilligt war. Der Scaßsekretär hat neulich ge- sagt, dur die Beshlüfse der Budgetkommission sei die Spannun bis auf 19 Millionen berabgedrückt worden. Aber es stehen do no wesenilihe Theile des Etats in der Kommissionésberathung aus, wie der Kolonial - Etat und der Etat der Zölle und Ver- brauch#fteuern. In leßterer Beziehung will ih nur daran erinnern, daß die Einnahmen der leßten 12 Monate ein Mehr

tiflionen gegenüber den Ansäyen ergeben. Es bleibt also

anzen Defizit nichts übrig, und meines Erachtens darf man

br 1895/96 auf einen Uebershuß rechnen. Ih meine

daber, daß das vorliegende Geseß die Einzelstaaten für absehbare Zeit finanziell s{ädigt, weil es ihnen das voraussihtlich in der nâchsten Zeit vorhandene Mehr der Ueberweisungen entzieht. Die ganze Wirkung dieses Gesezes wird die sein, die clausula Frandcken- ftein, obwobl fie formell beîteben bleibt. materiell zu beseitigen. Der Schaßsekretär bat uns nun die natürliche Steigerung der Ausgaben vorgebalten, aber diejenige der Einnahmen hat er außer Berechnung gelafsen. Aber gerade im Hinblick auf die Steigerung der Ausgaben folie man sich hüten, dem Bundesrath das Interesse gan einer sparsamen Verwaltung zu nehmen. Das geschieht aber durh dieses Geseg. Endlich kommt die konstitutionelle Be- deutung der clausula Frandenftein in Betraht, an der man doch nit sollte rütteln laffen, bevor man etwas Besseres hat. Man weist auf diz beweglihe Steuer hin, welhe geshaffen werde; aber mit der Beweglichkeit einer indirekten Steuer if es eine eigene Sache; jede Veränderung wirkt auf diesem Gebiet wirthschaftlih störend. Mir widerstrebt überhaupt die ganze automatishe Art der Regelung der Finanzen. Je mehr der Spielraum des Parlaments in der enn zEroge eingeschränft wird, desto mehr wird die Be- deutung der Budgetberathung herabgedrückt. Der Reihs-Schaßsekretär hat

für das Etatsjahr 1896/97 Mehrbedürfnifse in der Höhe von insgesammt 80 Millionen Mark hberausgerechnet. Um fo mehr müssen wir uns hüten, den vorliegenden Geseßentwurf anzunehmen, weil wir dadurch die Verpflichtung übernehmen, die Mehrbedürfnisse dur neue Steuern zu decken. Dann der Zuckersteuer und Erhöhung der Zur - Ausfuhrprämien welche einen doppelten Ausfall für die Reichskasse nah si ziehen müßten. Angesichts dieser Sachlage kann von einer

kÉlaren Finanzlage keine Rede sein. Das beste wäre, die gegenwärtige

Vorlage gar nîicht weiter zu berathen; foll die Vorlage aber einer Kommission überwiesen werden, so würde ih dafür die Tabacksteuer- kommission vorschlagen. ;

Bayerischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Ministerial- Direktor Freiherr von Stengel:

Meine Herren! Ich hatte anfänglich niht beabsichtigt, mich an der beutigen Diskussion zu betheiligen; allein die Ausführungen des Herrn Vorredners nöthigen mich doch zu einigen Worten der Erwiderung.

Der Herr Vorredner hat unter anderem ausgeführt: der König- lih bayerische Herr Staats-Minister der Finanzen Dr. von Riedel habe im vorigen Jahre bei den Berathungen hier im Hause hervor- gehoben, daß, wenn die geforderten neuen Steuern ih glaube, es hat sh im ganzen um etwa 56 Millionen Mark gehandelt niht bewilligt würden, er in die Nothwendigkeit verseßt würde, zur Bilancierung des bayerishen Budgets für 1894/95 mindestens 6 Millionen Mark noch anderweit selbs zu beschaffen. (Widerspruch.) Der Herr Vorredner hat daran noch die Bemerkung geknüpft, daß nah den muthmaßlihen Ergebnissen der Rehnung für die Periode 1894/95 dieses vermeintlihe bayerische Defizit von 6 Millionen hon heruntergesunken sei auf den Betrag von etwa 200 000 Æ (Zuruf) oder: 400000 A Es sollte mi sehr freuen, wenn der Herr Vorredner in dieser Beziehung Reht bekommen würde; zur Zeit jedoch is meines Erachtens das Endergebniß der Periode 1894/95, für uns in Bayern wenigstens, noch in keiner Weise zu übersehen. Der Herr Vorredner hat, wie es mir scheint, dabei ver- wechselt, daß in dem Reih unter der Periode 1894/95 das Etatsjahr gemeint ist, welhes mit dem 1. April 1894 beginnt und mit dem leßten März 1895 endet, während in Bayern die Finanz- oder Budgetperiode die beiden Kalenderjahre 1894 und 1895 umfaßt. Uns fehlen bis zum Ende unserer Periode 1894/95 noch mehr als è Jahre Zeit es is nahezu ein volles Jahr, und wir wissen heute in keiner Weise au nur annähernd zu s{häßen, wie diese Etats- oder Finanzperiode am Ende abschließen, zu welhem Resultat die Wirth- haft in demselben führen wird.

Was aber unsere Budgetaufstellung für diese Periode an- langt, so mußten wir in der That \{ließlich dieses Budget für die Jahre 1894 und 1895 mit einem Fehlbetrage von 5 Millionen Mark balancieren mit einem Fehlbetrage von 5 Mil- lionen Mark, ungeahtet des Umstandes, daß wir uns bei den Aus- gaben, wie das in Bayern auch herkömmlih ift, der größten Spar- samkeit befleißigten, und ungeahtei des weiteren Umstandes, daß wir ich bitte, das wohl ins Auge zu fassen! bei den Einnahmen das Mehr in Folge der Stempelnovelle vom 27. April v. J., abweichend von dem Verfahren im Reich, bereits auf unseren Etat gebraht haben. Wie bemerkt, das Ergebniß der laufenden Etats- periode ist heute noch in jeder Beziehung vollständig unbekannt. Für die Folge aber das kann ich heute hon, und zwar ohne eine besondere Prophetengabe dafür in Anspruch zu nehmen, vorhersagen wird, wenn das Reich nicht für die erforderliden Mittel zur Deckung der gesteigerten Mehrausgaben selbs sorgt, ganz sicher im bayerishen Haushalt ein Defizit zu Tage treten ein Defizit, welches wir nur werden beseitigen können durch Erhöhung unserer direkten Steuern, wobei wir leider auch die s{chwächeren Schultern nicht werden \{onen können. Wir sind in Bayern leider nicht in der Lage, wenn wir nach unten hin \{honend zu Werke gehen, uns nah oben hin an eine große Zahl von Millionären zu regressieren. (Hört, hört!) Ich glaube, mich keiner Uebertreibung \{huldig zu machen, wenn ih behaupte, daß hier in Berlin in einem einzigen Stadtviertel vielleiht mehr Millionäre fißen als in ganz Bayern.

Nun hat der Herr Vorredner auch dem Herrn Finanz- Minister v. Riedel noch besonders den Vorwurf gemacht, daß er UVeberschußwirthschaft treibe. Es ist das ein Vorwurf, der {hon des Oefteren vernommen worden ist. Es hat au nicht an solchen gefehlt, die eine folhe Uebershußwirthshaft geradezu als eine verderblihe bezeih- neten. Nah meiner Meinung is nun der Vorwurf, der hier erhoben worden is, wenn er gegen den bayerishen Herrn Finanz-Minister gerihtet wurde, überhaupt gar nicht an die rihtige Adresse ge- rihtet. Denn das bayerishe Budget wird nicht von dem bayerischen Herrn Finanzminister gemacht, sondern wird vereinbart zwischen den geseßgebenden Faktoren und mit dem Finanzgeseß publiziert. Nun ist ja ganz richtig darin will idem Herrn Vorredner gern Recht geben : wir hatten in Bayern eine Reibe von Jahren, in denen wir in unserem Staatshaushalt Erübrigungen mitunter von ziemlich namhaftem Betrage erzielten. Woher rührten aber diese Erübrigungen? Sie rührten, wenn au nicht aus\{ließlich, so doch in der Hauptsache, davon her, daß wir von dem Reich erheblich größere Ueberweisungen erhalten haben, als wir in unserem Etat veranschlagt hatten. Wir konnten aber in unserm Etat um deswillen jene Ueberweisungen nicht höher veranschlagen, weil ja hier durch den Haushalt des Reichs bereits die Grundlagen für unsere Veranschlagung gegeben waren ; und man wird hier \{ließlich von dem bayerishen Landtag do auch nicht verlangen können, daß er in dieser Beziehung noch er- beblich vorsichtiger und weitsihtiger zu Werke geht, als das bei dem Reichstag der Fall ist.

Wozu haben nun diese Uebershüsse und Erübrigungen Ver- wendung gefunden? Der bayerishe Herr Finanz-Minister dessen kann ih Sie fest versichern hat sie nit in seiner Tasche behalten (Heiterkeit und Sehr gut!), sondern diese Uebershüsse und Erübrigungen sind sämmtlih wieder ausgegeben worden, und zwar haben fie in der Hauptsahe Verwendung gefunden theils dadur, daß man an neuen Anleihen, die aufzunehmen gewesen wären, gespart hat, theils auch dadurh, daß man mit diesen Mitteln ältere Anleihen getilgt hat. Dieses Verfahren, welhes die bayerische Gesetzgebung hier eingeschlagen hat, war aber entshieden ein sehr weises, weise namentli in einer Zeit, in der man sich im Reiche mit einer planmäßigen Tilgung der Schuld noch in keiner Weise befaßt hat. Hätten wir nach anderen Grundsätzen gehandelt, hätten wir etwa auf diese vorübergehenden, zufälligen, in der That au bereits der Geschichte angehörenden Einnahmen etwa dauernde Ausgaben basirt, dann säßen wir gegenwärtig in der That tief im Sumpfe, und alle unsere Finanzkünste würden wahrs{einlich nicht ausreihen, um in absehbarer Zeit den Karren aus diesem Sumpfe

erinnere ih an die- Agitation für die Abänderung.

wieder herauszuziehen. (Sehr richtig !) Jedenfalls würde der Fehlbetrag, den wir gegenwärtig in unserem Budget einstweilen auf 5 Millionen veranschlagten, noch ein erheblich höherer, er würdè wahrscheinli ein Vielfaches jenes Betrages sein. :

Wenn ‘nun aber der Herr Vorredner gegen die sogenannte Ueber, \{chußwirthschaft soviel einzuwenden hat, wenn er die Quelle verstopfen will, aus welcher diese Uebershußwirthschaft gespeist wird und gespeist worden ist, dann müßte er eigentlich erft recht dem hier vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. (Sehr richtig! rechts.) Denn gerade dieser Gesetzentwurf will ja für die Folge vermeiden, daß über den Etat hinaus Ueberweisungen an die Einzelstaaten gelangen. (Sehr richtig! rechts.) Gerade diese niht vorhergesehenen Mehrüberweisungen waren es, welhe in den Einzelstaaten und speziell in Bayern zu dieser ge- tadelten Ueberschußwirthshaft geführt haben.

Zum Schluß möchte ich nur noh bemerken, daß auch die bayerische Regierung auf die Annahme des Tabacksteuergeseßzentwurfs, mit dem wir uns am vorigen Donnerstäg und Freitag beschäftigt haben, und im Zusammenhange damit auch auf die Annahme der Finanzreform- vorlage den allergrößten Werth legt. Die Ausführungen, mit denen der Herr Neichs-Schaßsekretär diese Vorlage begründet hat, waren indeß so eingehende, daß es in der That heißen würde, „Eulen nah Athen tragen“, wenn ih diesen Ausführungen noch weiteres beifügen möchte. Ih kann nur versichern, daß diese Ausführungen zur Be- gründung der Vorlage von unserer Seite in vollfstem Maße getbeilt werden.

Geben wir uns im übrigen keiner Täuschung hin! Nur auf diesem Wege des vielges{mähten Automaten wird nah unserer Auffassung den Schwankungen im Haushalt der Einzelstaaten wirksam vorgebeugt werden, die {ließlich das Verderben jeder Wirthschaft sind. (Bravo!)

Sachsen-meiningensher Bevollmächtigter zum Bundesrath, Staats-Minister Dr. von Heim:

Meine Herren! Es ist {wer für den Vertreter eines kleinen Staats, das Wort zu ergreifen, nachdem die Vorlage von hohen Gesichtspunkten aus behandelt worden ist. Jch muß aber einige irrige Bemerkungen des Herrn Abg. Richter richtigstellen, die wohl dadur entstanden sind, daß ich am vorigen Freitag die Finanzlage von Meiningen nur kurz und oberflächlich und nicht eingehend genug geschildert habe. Der Herr Abg. Richter nahm an, daß der jährlihe Fehlbetrag von genau 199140 Æ, rund 200000 Æ, den der Etat des Herzogthums Meiningen für 1894/96 auf- weist, darin seinen Grund habe, daß man angenommen, es würde erheblich mehr an Matrikulatbeiträgen zu leisten sein als Ueber- weisungen an die Einzelstaaten kommen, und daß dieser Fehlbetrag dadurch verschwinden werde, daß thatsählich die Ueberweisungen ebenfoviel oder nahezu ebensoviel betragen als die Matrikularbeiträge. Leider ist das aber nicht richtig, sondern bei der Aufstellung des Etats ging man davon aus, daß \sich die Matrikularbeiträge und Ueber- weisungen genau deten, daß also Ueberzahlungen an Matrikular- beiträgen an die Reichskasse seitens Meiningens gar nit zu leisten seien. Also troy dieser Annahme, daß \ich die Matrikularbeiträge und die Ueberweisungen genau decken und Mehrzahlungen an Matri- kularbeiträgen an die Reichskasse nicht stattfinden, war es nothwendig, 199 Tausend und einige Mark, sagen wir rund 200 000 4, aus den früheren Ersparnissen einzustellen, also Kapitalien aufzubrauchen, um im Herzogthum Sawhsen - Meiningen Einnahme und Ausgabe ins Gleichgewiht zu seßen. Wenn also mehr Matrikularbeiträge zu zahlen sind in größerem oder geringerem Betrage über die Ueberweisungen hinaus, so steigert sid das jeßt {hon vorhandene Defizit von rund 200 000 (A noch weiter um diejenige Summe, um die die Matrikularbeiträge die Ueber- weisungen übersteigen werden. Daraus wird der Abg. Richter erkennen, daß schon jeßt die Finanzlage des Herzogthums Sachsen-Meiningen sehr gespannt ist; bei der jeßt an sich {on gespannten Finanzlage machen im Etat nicht vorausgesehene, an sih vielleiht geringere Mehrausgaben die Lage geradezu kritisch. Das Herzogthum Sachsen- Meiningen und, wie ih glaube, auch andere Kleinstaaten haben nit die reihen Finanzquellen wie große Staaten; wir sind noch viel weniger in der Lage, den Kredit zu laufenden Ausgaben in Anspruch zu nehmen. Zwar erfreut \sih das Herzogthum Sachsen-Meiningen mit Recht eines gesicherten Kredits, es hat von diesem Kredit aber auch reihli}4 Gebrauch gemaht; es hat das fkleine Herzogthum Sachsen - Meiningen eine Schuldenlast von über 11 Millionen Mark (Zuruf des Abg. Richter) gewiß, es hat auch Aktiva in Eisenbahnen, ih will sogar dem Herrn Abg. Richter sagen, daß wir im Herzogthum Sachsen-Meiningen für Eisenbahnen rund 12 Millionen Mark verausgabt haben (hört, hört !), gewiß eine große Leistung (sehr rihtig !), indeß trägt noch nit einmal die Hälfte dieser Eisenbahnen oder des Kapitals, was für diese Eisen- bahnen verwendet worden ift, Zinsen. (Hört, hört!) Der übrige Betrag trägt keine Zinsen, sondern ist einfah à fonds perdu ver- wendet worden. (Zuruf des Abg. Richter.) Gewiß, wir haben auch Kapitalien, die Zinsen dieser Kapitalien sind aber in den Etat eingestellt (Zuruf links) nein, die können wir nicht abziehen —. Ich würde ja sehr gerne mit dem Herrn Abg. Richter mich vielleicht im Büffetzimmer darüber unterhalten (Heiterkeit), wenn es dem Herrn Abg. Richter. seine Zeit erlaubt, was ich allerdings bezweifle, aber hier, glaube ih, führt ein Zwiegespräh nicht zum Ziel, sondern es wird vielleiht richtiger sein, der Herr Abg. Nichter läßt mih sprechen, worauf er wieder sprechen kann.

Also die Kapitalien, die wir allerdings haben, das ift ganz richtig, die können wir niht vermöbeln, zu laufenden Ausgaben ver- brauchen, denn fonst entgehen uns die Zinsen, die als laufende Ein- nahmen zur Deckung laufender Ausgaben dienen. (Sehr richtig !) Ver- brauchen wir die Kapitalien, dann ift es {ließlich dasselbe, wie wenn wir Schulden machen (sehr rihtig!), und mit dem Aufbrauchen unseres Vermögens oder dem Schuldenmachen zu laufenden Ausgaben würden wir fehr bald am Ende unserer geordneten Finanzwirthschaft stehen; mit Recht betrachten wir eine geordnete Finanzwirthschaft bei uns und im Reich als eine wefentlihe Grundlage des ganzen Staat2- wesens, und wir sind mit Recht stolz darauf , daß wir eine solche geordnete Finanzwirthshaft haben. Wir wollen uns aber auch in dieser geordneten Finanzwirthschaft niht durch von uns niht vorauszu- sehende Mehrausgaben, soweit wir das irgendwie abwenden können, \tôren lassen. Also ih kann nur wiederholen, die Vorausseßung, von der der Herr Abg. Richter ausgegangen ist, war nicht zutreffend ; ih bekenie aber sehr gerne, daß ter Irrthum des Herrn Abg. Richter lediglih dadur verschuldet ist, daß ih am Freitag die Verhältnisse nur obenhin und ohne ins einzelne einzugehen behandelt babe. (Bravo!)

(Schluß in der Dritten Beilage.)

„\¿ 90.

(Schluß aus der Zweiten Beilage.)

Sachsen - weimarischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Heerwart:

Nach den Ausführungen des Herrn Abg. Richter follte man eigentl ih glauben, daß die Befürchtungen, die seitens der Bundes- staaten, insbesondere seitens der kleinen Bundesftaaten, gegenüber der gegenwärtigen Finanzlage des Reichs gehegt werden, gänzlih unbe- gründet wären; man sfollte glauben, man ftände eigentlich eher vor dem Zustand einer Uebershußwirthschast, von der er gesprochen hat, und man fragt fih in der That, wie ist es gekommen, daß die großen Ausgaben der Heeresreform, für welche der Reichstag be- fanntlih nur in sehr ungenügender Weife gesorgt hat, in irgend welher anderen Weise gedeck worden find. Um das Un- begründete dieser Behauptung darzulegen, möchte ih anknüpfen an den gegenwärtig dem weimarischen Landtag vorliegenden Etat; der- selbe {ließt mit einem Fehlbetrag von 400 000 4 ab. Als dies be- fannt wurde, stand in der „Freisinnigen Zeitung“ zu lesen, das wäre natürliß nur ein Schres{chuß. Anscheinend sollte damit angedeutet werden, daß die weimarishe Negierung den Etat fo zugeschnitten habe, um auf die Verwilligung von Reichssteuern einzuwirken. Es war sogar noch hinzugefügt, es ständen 9 Millionen Mark Uebershüsse aus früheren Jahren zur Verfügung, welche zur Zahlung der Matrikular- beiträge verwendet“werden können. In beiden Beziehungen hat leider die „Freisinnige Zeitung“ Unreht. Der jeßt dem Landtag vorgelegte Etat ist mit einer solhen Sparsamkeit aufgestellt, daß bei seiner Ein- bringung von allen Seiten des Landtags anerkannt wurde, daß erbeblihe Aenderungen durh die Verhandlungen des Landtags nicht würden herbeigeführt werden fönnen. Es ift das auch ges{hehen von freisinniger Seite, die auch in unserem Landtag vertreten ist.

Also wir müssen damit renen, daß der Etat mit einem Fehlbetrage von 400 000 Æ abschließt. Nun werden Sie sagen: das ist ja keine große Summe. Ja, meine Herren, in einem Staat, der nur 330 000 Einwohner hat, is eine Summe von 400 000 M eine sehr bedeutende; sie würde, übertragen auf das Bevölkerungsverhältniß von Preußen, einer Summe von 35 Millionen gleihkommen, und wenn in Preußen durch die Einkommensteuer eine Summe von 35 Millionen mehr aufgebracht werden müßte, so zweifle ih, daß man das in Preußen für wenig ansehen würde. Was aber die 9 Millionen betrifft, die zur Verfügung stehen, fo ist das offenbar durch einen Druffehler veranlaßt, der sich in die Zeitun- gen eingeshlichen hatte. Es sind überhaupt nur 900000 in Frage gewesen, thatsächlih is nur noch ein Bestand von 812 000 4 vorhanden, der zu dem Gesammtbetrage des Budgets von 97 Millionen Mark in einem durchaus angemessenen Verhältniß steht; denn würde man einen folhen Reservefonds nicht haben, so würde für einen un- vorhergeschenen Fall nihts vorhanden sein. Man wird also jedenfalls nicht auf diese Summe hinweisen können, wenn es sih darum handelt, Deckung zu schaffen für den Ausfall an Ueberweisungen und für die Deckung der höheren Matrikularbeiträge.

In Preußen aber würde es fogar viel leichter sein, 35 Millionen durch die Einkommensteuer aufzubringen, als das in Weimar in Bezug auf die 400 000 A der Fall ist. Denn wenn ih Ihnen ein paar Zahlen geben darf, so ist zunächst zu bemerken, daß wir nicht in der Lage gewesen find, das Einkommen bis zu 900 4 von der Steuer frei zu lassen, im Gegentheil, daß sogar bis zum Betrag von 100 4 herunter Steuern zu erheben sind, allerdings in ganz geringen Be- trägen, daß aber {hon bei einem Einkommen von 900 M 14,40 die Steuer beträgt, während in dieser Stufe in Preußen noch feine Steuer erhoben wird. Bei 1500 4. \tellen sich die Steuern auf 36 A in Weimar, auf 16 4 in Preußen, bei 2000 auf 48 Æ in Weimar, auf 31 Æ in Preußen, bei 3000 4 auf 75 M in Weimar, auf 52 4 in Preußen, und ers von da an aufwärts nähern sich die Zahlen etwas, bis bei der Sumue eines Ein- fommens von 10000 Æ die Steuern in beiden Staaten gleich sind. Meine Herren, es erhellt aus dieser Zusammenstellung, daf, wenn diese 400 000 - A durch direkte Steuern aufgebraht werden müßten, dies eine außerordentlih empfindlißhe Sache sein würde,

namentlich für die mittleren Klassen, da man die unteren

natürlih frei lassen müßte. Neben der Erhöhung der Einkommen- steuer is allerdings noch eine Erbschafts\steuer ins Auge gefaßt, die aber nur einen mäßigen Betrag liefert, weil der größte Theil von jeher zu einem anderen Institut, zum Allgemeinen Waisenhaus, ver- wendet wird und jeßt nur ein Theil davon in die Staatskasse fließt. Ich glaube, dieses Bild genügt, um zu zeigen, daß die Verhältnisse sich für Weimar in einer sehr ernsten Weise gestaltet haben, und daß wir dringend wünshen müssen, daß wenigstens nun die Grundlage in dem Verhältniß zum Reich erreiht wird, die das gegenwärtige Geseß schaffen will. Die Verhältnisse in anderen Staaten, welche ih zu vertreten habe, sind ähnliche; in einzelnen derselben, besonders in Schwarzburg-Rudolstadt, wird es kaum möglich sein, die direkten Steuern zu erhöhen, und man wird vorauss\ihtlih dort genöthigt sein, zu den Beständen zu greifen, die noch vorhanden find; aber das wird nur sehr kurze Zeit dauern. Man muß daher allseitig darauf rehnen, daß die Mehrbelastung, die durch die Militär- vorlage herbeigeführt ist, niht dauernd den Einzelstaaten zur Deckung überlassen wird, daß der Reichstag sih vielmehr endlih entschließen wird, diesen Verhältnissen Rehnung zu ‘tragen und durch die Be- willigung wenigstens der Tabaksteuer, auf die man \ich zurückgezogen hat, den einzelnen Bundesstaaten die fernere Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Eine ganze Reihe von meinen politishen Freunden, und, ih möchte sagen —, ohne übrigens einen Unterschied zwischen ‘uns anzuerkennen gerade der konservativen, ist in Betreff der Voraus\etßzungen, aus denen diese Vorlage hervor- gewachsen ift, zu einer anderen Anschauung gelangt als die ver- bündeten MRegierungen. Der Bundesrath hätte bei Zeiten Fürsorge treffen follen, daß nicht ungemessene Mehrausgaben Im Reih gemaht wurden. Die Reichseinnahmen find geschaffen

__ Dritte Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staals-Anzeiger.

1895.

Berlin, Dienstag, den 26. Februar

worden nicht nur, um die eigenen Mehrausgaben des Reichs zu be- streiten, sondern auch, um den Einzelftaaten Ueberweisungen aus den indirekten Steuern zu gewähren. Heute find wir dahin gekommen, daß die einzelnen Staaten, statt Ueberweisungen zu erhalten, belastet werden. Besonders in Bezug auf die leßte Heeresvorlage wurde von meinen Freunden hervorgehoben, wie ihretwegen der alte Reichstag aufgelö wurde und der neugewählte Reichstag die Heeresvorlage nur mit geringer Mehrheit angenommen hat. Wir wurden zu dem Standpunkt gedrängt, der Bundesrath möge sich seiner Aufgabe wobl bewußt sein und in seinem Gefühl der Verantwortlichkeit gegen Volk und Fürst neuen Mehrforderungen kräftiger entgegentreten. Das war auch die Anschauung derer meiner Freunde, die geneigt sein könnten, fih auf den Boden der gegebenen Thatsachen zu stellen. Auf die Tabacksteuer und die einander gegenüber gestellten Zablen gebe ich heute nicht ein. Für mich fomwt es auf den Unterschied zwishen der vorjährigen und diesjährigen Vor- lage an. Die vorige Vorlage hatte dadurch einen erheblichen Werth für uns, daß nah ihr die Ueberweisungen an die Einzelstaaten die Matrikularbeiträge derselben um die Summe von 40 Millionen übersteigen follten, worin eine beschränkte Erhaltung der Francken- stein’shen Klaufel zu sehen gewesen wäre. Die vorige Vorlage batte aber auch ihre abstoßende Seite für uns, weil zur Erreichung dieser 40 Millionen neue Steuern als Reichseinnahmen durchaus nöthig ge- wesen wären. Die jeßige Vorlage verlangt nun, daß die Matrikular-

- beiträge nicht die Ueberweisungen übersteigen sollen. Jeßt ift die

Frage der Finanzreform loësgelöst von der Frage neuer Steuern, aber auch jeder Rest der Franckenstein’shen Klausel is weggewischt, wenigstens steht die Sache so, soweit die kurze Frist von fünf Jahren, auf welhe das Finanzreformgeseß Gültigkeit haben soll, in Betracht fommt. Denn wenn es in der Zwischenzeit gelingt, neue Reichs- Einnahmen zu ershließen, so verbleidven diese dem Reich dauernd, und es bleibt nachher dem Ermessen des Bundes- raths -anheimgestellt, die Mehreinnahmen, wenn sie die Matrikular- beiträge fibersGréttea. als Ueberweisungen den Einzelstaaten zu- zustellen oder fie in die Versenkung verschwinden zu lassen. Darauf haben wir niht Lust uns einzulassen. Die Einnahmen, die die Matrikularbeiträge überschreiten, sollen bis zur Höhe von 40 Millionen als Ausgleichsfonds angesammelt werden. Diese Bestimmung beraubt die Einzelstaaten auch der Möglichkeit, irgend einmal aus der Franckenstein’shen Klausel Vortheil zu ziehen. Wir können uns zu einer Finanzreform nicht entschließen, die auch die Mög- lichkeit aufhebt, daß die Einzelstaaten Ueberweisungen aus den Einnahmen des Reichs erhalten. Im Namen der Mehrheit meiner Freunde muß ih erklären, daß wir ohne Streichng dieser Bestimmung unsere Zustimmung zu der Vorlage nicht geben können. Vielleicht gelingt es, betreffs des Ansgleichsfonds Zugeständ- nisse zu erlangen. Nun würde bei E der betreffenden Be- stimmung der Fonds nur fehr langsam anwachsen. In dem Maße, als die Nothwendigkeit dieses Fonds nachzuweisen ist, würde vielleicht eine billige Theilung der Mehrübershüsse zwischen den Einzelstaaten und dem Reich eintreten können. Schon deshalb beantrage ich Ueberweisung der Vorlage an eine omon. _Es handelt sih um eine Frage, die von der größten Wichtigkeit für unfere Verfassung, wie für unsere Finanzen ist. Die Ansicht des Abg. Richter, daß nach diesem Gesey alle Mehrausgaben durch indirekte Steuern gedeckt werden müssen, ist irrig. Der § 9 sagt nur, daß „au Zuschläge auf die dem Reich zustehenden Stempel- und Ver- brauchsabgaben erhoben werden können“. Gerade der Abg. Richter follte sich hüten, solche Perspektiven zu eröffnen. Er glaubt, daß die Vorlage den Neichstag wesentlih in seiner Freiheit der Ein- nahuen- und Ausgabenbewilligung beshränken werde. Ich lege zwar großen Wer1h auf die Matrikularbeiträge, ih halte aber dieses Ein- nabmebewilligungsreht des Reichstags für kein besonders werthvolles Recht; denn es belastet vie Einzelstaaten ohne jede Verantwortung für uns. Von den Steuern auf Vorrath halte ih die Matrikularbeiträge für die bedenklihsten. Weil wir den Standpunkt der Francken- \tein’shen Klausel niht verlassen wollen, wünschen wir Streichung oder Aenderung des Absaßes 2 des § 1. Wir haben wenig Bedenken gegen die Vorlage insofern, als * sie nicht mehr die Nothwendigkeit mit l bringt, neue Einnahmequellen für das Reich zu schaffen. Schwere Bedenken haben wit bezüglich der Art und Weise, wie die Franckenstein’she Klausel in der Vorlage behandelt wurde. Wir sind aber ernstlich gewillt, daran mitzuwirken, wenn mögli der Vorlage in der Kommission und später im Reichstag eine solhe Fassung zu geben, daß das Wohl des Reichs und der Einzelstaaten in gleihem Maße dabei seine Rechnung findet.

Abg. Dr. von Frege (dkons.): Meine politischen Freunde werden unter allen Umständen für die Kommission stimmen. Leider entspriht die Beseßung des Hauses niht der Bedeutung der Vorlage, die eine Stärkung und Stetigkeit der konstitutionellen Entwicklung mit sich bringt. Ich verstehe darum nicht, daß der Abg. Richter hier die Hand zur Berindigung zurückweist. Dem Bundes- rath is aus dem Verzichtleisten auf Mehrerträge über 40 Millionen vom Vorredner ein Vorwurf gemaht worden: aber der Bundesrath mufte den Wünschen und der Stimmung des hohen Hauses möglichst entgegenkommen. Ich shäße die Bedeutung des Finanzreformgeseßes viel zu hoh, als daß ih sie mit dem Schicksal einer einzelnen Steuervorlage verquicken möchte. Ich bin darum auh niht abgeneigt, dem Gedanken einer Aenderung des § 1 Abs. 2 entgegenzukommen. Die direkte Steuerkraft in den Einzelstaaten ist bereits so angespannt, s eine Abänderung eintreten muß. Einer direkten Steuer von Neichs- wegen stehen wir durchaus ablehnend gegenüber; die direkten Steuern den Einzelstaaten, die indirekten dem Reih! Wir haben im Ver- hältniß zu Frankrei, der Schweiz, Holland, Belgien das indirekte Steuersystem am mangelhaftesten und schematischsten ausgebildet. Wir wollen natürlich neue Steuern auch niht auf die schwachen Schultern wälzen. Auch wir haben das Wohl der fleißigen Arbeiter im Auge. Der Wohlstand der Arbeiter i|st übrigens in legter Zeit gestiegen, die s{chwahen Schultern {ind beim Mittelstand zu suhen. Gerade die kleinen Leute würden durch das Scheitern der Vorlage hart getroffen werden, weil pieleve noth- wendig eine Erhöhung der direkten Steuern zur Folge haben würde. Wir wünschen, daß eine friedlih-schiedlihe Auseinanderseßung zwischen Reichs- und Landesfinanzen stattfinde. Die Resignation, welche die ver- bündeten Regierungen geübt haben, ist eine weitgehende. Aber ih erkenne an, daß nicht der Gesichtspunkt der Höhe der Ueberweisungen in den Vordergrund zu stellen ist, sondern die Beseitigung der Shwankungen in den Ueberweisungen. Auch die Linke ist zur Beschaffung neuer Mittel verpflichtet; denn sie hat für die Handelsverträge gestimmt, welche bedeutende Ausfälle zur Folge hatten. Wir müssen endlich auh einmal mit der planmäßigen Deckung und Amorti- sierung der .Reichsshuld beginnen. Dabei möchte ich davor warnen, die mittleren und kleinen Existenzen durch die Frage der Konvertierung zu beunruhigen. Man hat den Reichs-Finanz- reformplan einen Automaten genannt. Nun gut, forgen wir dafür, daß der Mechanismus sicher und gut funktioniert! Dieser Mechanismus ist die deutsche Landwirthschaft und der deutshe Mittelstand. Die Reform ist die dringendste Angelegenheit, die uns beschäftigt; ih hoffe, daß ihr Zustandekommen gesichert ift. i

Darauf wird die Weiterberathung auf Dienstag 1 Uhr

vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 28. Sißung vom Montag, 25. Februar.

Die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlihen 2. Angelegenheiten wird fortgeseßt.

Ueber den Beginn der Sigzung ist gestern berichtet worden. Wir tragen daraus an dieser Stelle nur die von dem Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse in Erwiderung auf die Aeußerungen des Abg. Seyffardt-Magdeburg gehaltene Rede im Wortlaut nach. /

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Jch habe noch das Versprechen einzulösen, das ih neulich auf die Anregung des Herrn Abg. Knörcke gegeben habe daß ich in Bezug auf die Beschäftigung der Hilfslehrer einige Zahlen anführen wolle, und ih hoffe, daß dies auch dem Herrn Abg. Seyffardt genehm fein wird.

Meine Herren, an Wohlwollen bei der Unterrihts-Verwaltung und, glaube ich, auch bei der Finanz-Verwaltung gegen die Hilfslehrer hat es wahrlich nicht gefehlt. Wir haben uns die Finger lahm ge- geschrieben, um bei einzelnen Lehranstalten, wo es möglih war, die Beschäftigung der Hilfslehrer durchzusetzen, und es ist das auch in einem Maße gelungen, daß ih glaube, daß die Klagen der Hilfs- lehrer, die in der Presse in geradezu agitatorisher Weise laut ge- worden sind, niht mehr ihre volle frühere Berechtigung haben. Wenn Sie dite Lage der Hilfslehrer vergleichen mit der Lage von jungen Beamten, die eben ihr Universitätsstudium vollendet haben, sowohl mit den Gerichts- wie mit den Regierungs-Affsessoren, so sind die Hilfslehrer die bei weitem günstiger Gestellten. Meine Herren, unter den vielen Klagen, die an mich herantreten aus den Kreisen der Hilfslehrer an den höheren Unterrichtsanstalten {teht in erster Linie immer wieder die, daß sie eine ganz genaue, s\{chablonenmäßige Gleichstellung mit den richterlichen Beamten verlangen. Ich kann dem gegenüber nur erwidern: die Lehrer an den höheren Lehranstalten find keine Richter, und die Richter sind keine Lehrer; es sind zwet ganz verschiedene Beamtenkategorien, die dementsprehend auch verschieden behandelt werden dürfen, und, wie ih glaube, auch behandelt werden müssen.

Meine Herren, der Bestand an Lehrern am 1. Mai 1894 is von uns im „Zentralblatt“, im August- und Septemberheft des vorigen Jahres auf Seite 653 ganz genau veröffentliht. Gegen den 1. Mai 1893 ift aber darnah nicht nur keine Minderung, sondern zu meinem großen Bedauern noch eine Vermehrung der Hilfslehrer eingetreten : wir hatten im Jahr 1893 1492 und haben jeßt 1565 Hilfslehrer.

Nun fragt es sich: Wo liegt denn der Grund für diese ganz auffallende Erscheinung? Diese Gründe habe ih auch im „Zentralblatt“ veröffentlicht ; fie ‘ergeben sich daraus, daß das Bedürfniß der ein- zelnen Anstalten, die besondere Lehrbefähigung der Kandidaten, die praktische Bewährung, die fie gehabt haben, die Wünsche der Pa- tronate und ihre Handlungsweise und der konfessionelle Charakter der Schule bei der Beschäftigung von Hilfslehrern ebenfalls berück- sihtigt werden müssen, und daß daraus eine Verlängerung der Warte- zeit fh ergiebt.

Nun, meine Herren, während die Ziffer der jährlichß Neuange- stellten früher 225 betrug, ist diese Ziffer in den leßten Jahren allerdings etwas herabgegangen. Das liegt daran, daß einzelne An- stalten haben aufgelöst werden müssen, und daß es unsere Pflicht gewesen ist, zunähst für die Lehrer, die dadurch disponibel ge- worden sind, ein anderweitiges Unterkommen zu finden; da- durch sind die Neuanstellungen von Hilfslehrern etwas seltener geworden. Es sind auch an einzelnen Vosllanstalten die Lehrerstellen noch etwas reduziert worden. Dagegen wird nun von seiten der Lehrer eingewendet, wir sollten doch die Zahl der Pflicht- stunden herabseßen, dann würde ein größeres Lehrerbedürfniß eintreten und infolge dessen auch die Neuanstellung von Hilfslehrern sich ver- mehren. Meine Herren, das können wir niht. Einmal sind die Klagen über die Zahl der Pflichtstunden, wie ih glaube, absolut un- "berechtigt; die Pflichtstunden betragen 24 und für die älteren Lehrer 29 Stunden. Aber auch davon geht noch eine ganze Zahl ab; denn wir haben ausdrücklich die Provinzial-Schulkollegien darauf hingewiefen, daß sie in allen Fällen, wo Erleichterungen der Pflichtstunden zu- gelassen sind, diese auch eintreten lassen sollen. Es soll also in den Fällen, wo die Lehrer mit stärkeren Korrekturen belastet sind, wo es sich um ältere, kränklihe und kranke Lhrer handelt, von diefen Pflicht- stunden au abgewichen werden. Kurz, wo irgend ein Anlaß ist, die Pflichtstundenzahl zu erleichtern, da is es geschehen.

Im allgemeinen aber muß ih doch sagen, daß für einen jungen Lehrer 24 Pflichtstunden die Woche, d. h. täglich 4 Stunden, nicht zu viel sind! (Sehr richtig! rets.) Ich gebe vollständig zu: damit ist die amtliche Aufgabe des Lehrers nicht ershöpft; er muß daneben seine Korrekturen machen und seine wissenschaftlihe Bildung fördern, er muß sh auch für die einzelnen Unterrichtsstunden vorbereiten. Aber, meine Herren, wer garantiert denn auh uns einen achtstündigen Normalarbeitstag? Wer garantiert Jhnen das? Niemand! Und ih sage, die jüngeren Lehrer, selb wenn sie 4 Stunden täglih Unter- riht geben müßten, hätten keinen Grund, sih darüber zu beshweren. (Sehr wahr!) ;

Meine Herren, ih habe das neulich schon angedeutet: wir haben das größte Wohlwollen für die Lehrer, und Sie haben ihnen das gleihe Wohlwollen bethätigt; denn die Lehrer sind aus den übrigen Beamtenkategorien herausgegriffen und sind vor allen anderen Beamten dur eine Aufbesserung ihrer wirthschaftlichen Lage in eine Stellung gebracht, mit der sie wohl zufrieden sein können. (Sehr richtig!) Statt dessen aber wird fortwährend agitiert, daß ihnen, wie ih {on vorhin sagte, eine shablonenmäßige und mechanische Gleichstellung mit den Gehältern der Nichter gewährt werden solle. Das ift nicht rihtig, und ih bedauere das um so mehr, als bei allem*Respekt, den ih vor unserm Lehrerstand habe und haben muß wir haben aus- gezeihnete Kräfte, und die große Mehrzahl unseres Lehrerstandes giebt sich ihrem Beruf mit Freudigkeit und großer Hingabe