1913 / 287 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Dec 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Nichfamiíliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 5. Dezember 19183.

__ Seine Majestät der Kaiser und König empfingen heute im Schlosse in Donaueschingen den Reichskanzler Dr. von Bethmann ves, den Statthalter von Elsaß - Lothringen Grafen Wedel und den Kommandierenden General des XVY. Armeekorps, Generalleutnant von Deimling zum Vortrag.

Jn der am 4. d. M. unter dem Vorsiß des Staats ministers, Staatssekretärs des Jnnern Dr. Delbrücck abgehaltenen Plenarsizung des Bundesrats wurde dem Entwurf einer Bekanntmachung, betreffend die Durchführung der haus- gewerblichen Krankenversicherung, die Zustimmung erteilt. Zur Annahme gelangten ferner die Vorlage, betreffend Erhebung der Fahrkartensteuer für die auf deutschem Gebiete gelegenen Strecken der \hweizerishen Bundesbahnen, der Antrag, be- treffend Zoll- und Salzsteuerverwaltungskostenetat für Hessen, die Vorlage, betreffend die Befugnis für Versicherungs- vereine’ auf Gegenseitigkeit gemäß 8 519 Abs. 2 der Reichs- versiherungsordnung, und der Entwurf von Bestimmungen übér die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Ziegeleien. Der internationalen Uebereinkunft vom 17. Januar 1912, betreffend Maßregeln gegen Pest, Cholera und Gelbfieber, wurde zugestimmt. Demnächst wurde über die Besezung einer Reichsgerichtsratsstelle sowie über ver- schiedene Eingaben Beschluß gefaßt.

Der Königlich niederländische Gesandte Baron Gevers ist nah Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandt- schaft wieder übernommen.

Der argentinishe Gesandte Lolina ist nah Berlin zurück- gekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder über- nommen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. Flußkbt. O an 2 Denbe M Hatilau, S. M. S. „See-

adler“ am 83. Dezember in Mikindani und S. M. S. „Breslau“ an demselben Tage in Jaffa eingetroffen.

Desterreich-Ungarn.

Der ungarische Handelsminister Harkanyi hat dem Par- lament einen Geseßentwurf unterbreitet, der, wie „W. T. B.“ meldet, die Regierung ermächtigt, mit einzelnen aus- wärtigen Staaten, namentlich mit den Balkanstaaten, die Handelsbeziehungen vorläufig im Wege der Verordnung zu regeln, weil die endgültige Regelung der Handels- beziehungen zu den Balkanstaaten wegen der in den neu- erworbenen - Gebieten vorläufigen Zustände zurzeit unmöglich sei. Der Geseßentwurf weist darauf hin, daß die mit Bulgarien bestehende Meistbegünstigqung durch einen Notenwechsel ver- längert worden sei. Auh mit der Türkei, Spanien und Myeriko find Verhandlungen notwendig.

Großbritannien und Jrland.

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Grey sprach gestern abend vor einer Versammlung der Liberalen in Brad- ford und ging, nachdem er bezüglih der auswärtigen An- gelegenheiten erklärt hatte, das beste Vorzeichen für die Zukunft sei, daß der gute Wille unter den Mächten die Schwierigkeiten des vergangenen Jahres überwunden habe, auf die Home Rulefrage ein.

Laut Becicht des „W. T. B.* erklärte er, England wäre mit einer Störung des Friedens im Innecn bedroht. Wenn der Friede erhalten werden folle, müsse auß guter Wille auf beiden Seiten berrshen. Die Regierung werde ihr möglihstes tun, um zu etner friedlihen Verständigung beizutragen. Es gebe jedoch Grenzen, über die sie niht binausgeben könne.

Frankreich.

Einer Note der „Agence Havas“ zufolge hat der Präsident Poincaré dem Senator Ribot die Bildung des Kabinetts angeboten. Ribot antwortete jedoch, er fürchte, sein Gesund- heitszustand gestatte ihm nicht, diese so shwere Aufgabe zu übernehmen. Auf Bitten des Präsidenten vershob er seine endgültige Antwort auf heute.

Ftalien.

In der Deputiertenkammer hielt gestern bei der Be- ratung der Antwortadresse auf die Thronrede der republikanische Abgeordnete Barzilai eine Rede über die italieni ch- österreihishen Beziehungen.

4 Wie „W. T. B.“ meldet, sagte Barzilai, die Politik der öôster-

reiisch-titalienischen Beziehungen gleiche einem Gebäude, das beständig revariert werden müsse. Wenn man unter Jrredentismus etne den Forderungen des Landes und den wirklihen Verhältnissen Europas unangemefsene Abenteuerpolitik und die Absicht verstehe. einen großen europäischzn Krieg für die Eroberung der italienischen Provinzen Oesterreihs anzufangen, so set das im Programm keiner Partei und feines Politikers enthalten. Wenn man aber als Irre- dentiésmus die volle SInteressen- und Gefühlsfolidarität und die Pflicht wirksamer und ständiger Hilfe gegen den Versuch, die Bevölkerung dieser Provinzen aus den Methen der italienischen Nation zu streichen, bezeihne, dann fei er, oder sollte er wenigstens, das Programm des ganzen Landes sein. Barztlai warf _dann einzn Rückblick auf die Angelegenheit des Dekrets des Fürsten Hohenlohe. Er freue sid, daß bei dieser Gelegenheit die italienishe Regierung unter Vermeidung nußloser diplomatischer Konflikte in Wien zu verstchen gegeben habe, daß die Politik Oeíterreih-Ungarns gegenüber den fttalienischen Untertanen der österreichisch - ungarischen Monarchie niht dem herzlihen Ein- vernehmen der beiden Völker entsprehe. Er bedauere nur, daß man niht eine wirksamere Genugtuung habe erlangen können. Barzilai kam ferner auf die Fusammenftöße zwischen österreihischen und italienishen Studenten in Graz zu sprechen und gab seinem Bedauern über die Slawisierung Dalmatiens, Istriens und Triests Ausdruck. Bei Besprehung des östzrreichish-italienishen Zusammengehens in der albanesishen Frage sprach er seine Zweifel für die Zufunft aus. In der Zusammenarbeit der beiden Nationen

Schaffung Albaniens würde ntcht das Ziel erreiht, auf das man es aaen hätte, nämli, die Slawen vom Abdriatishen Meer auszu- \chließen. Die Slawen würden im Gegenteil den Ftalienern gegen- über in Oesterrei - Ungern erheblich begünstigt. Zu allen diesen Fragen müßse die italtenishe Kammer unzweideutig Stellung nehmen.

Türkei.

Nach einer Meldung des „Wiener K. K. Telegraphen- Korrespondenz-Bureaus“ ist gestern von Vertretern der Pforte und des Pariser Bankhauses Périer ein Anleihevertrag unterzeichnet worden, wonach das Bankhaus gegen fünf- prozentige Schaßscheine der Pforte 40 Millionen Franks sofort zur Verfügung stellt, während es für weitere 60 Millionen die Option erhält. Das Bankhaus wird am 8. d. M. dem türfishen Staats\haß den Betrag von 1 Million türkische Pfund auszahlen.

Amerika.

Der Vorsißende der Einwanderungskommission des ameri- fanishen Repräsentantenhauses Burdett hat, wie „W. T. B.“ meldet, den Einwanderungsgeseß entwurf wieder ein- gebraht, dur den die Zulassung der Einwanderer davon ab- hängig gemacht wird, daß fie in einer Sprache schreiben und lesen können. Der frühere Präsident Taft hatte gegen dieses Geseh sein Veto eingelegt. Amerikanishe Bürger israelitischer Religion haiten es beanstandet, weil es eine allzu große Härte gegen manche ihrer Glaubensgenossen enthalte, die nah Amerika einzuwandern wünschten.

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Depesche aus Brownsville (Texas) hat bei Tula, 40 englische Meilen südwestlich von Ciudad Victoria, ein 24 stündiges Gefecht zwischen Bundestruppen und Nebe llen stattgefunden.

Asien.

Die Frage der Umwandlung der Jnneren Mongolei in eine Provinz is, der „St. Petersburger Telegraphen- agentur“ zufolge, in bejahendem Sinne entschieden und eine Kommission zur Erforschung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse gebildet worden. Eine Meldung von dem Vormarsh von Truppen der Aeußeren Mongolei hat die schleunige Entsendung der 27. Di- vision und einer Brigade der 28. an die Grenze der Jnneren Mongol ei veranlaßt.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (183.) Sißzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Jnnern Dr. Delbrück bei- wohnte, erstattete namens der Geschäftsordnungskommission der Abg. List-Eßlingen (nl.) mündlichen Bericht über 4 beim Reichstag gestellte Anträge auf Erteilung der Genehmigung zur Einleitung eines Straf- beziehungsweise Privattlage- und TWiderklageverfahrens gegen die Abag. Schmidt- Meißen (Soz.), Dr. Bollert (nl.), Dr. Schatz (Els.) und Bruhn (d. Reformp.) wegen Beleidigung. Jn sämtlichen 4 Fällen wurde dem Kommissionsantrage entsprechend die nachgesuchte

Genehmigung versagt. : | Darauf wandte sih das Haus zu der Jnterpellation Albrecht und Genossen (Soz.), betreffend die Arbeits- losigkeit. Auf die Frage des Präsidenten Dr. Kaempf erklärte der Staatssekretär Dr. Delbrück sich bereit, die Interpellation heute zu beaniworten. Die Interpellation lautet:

Welche Maßregeln gedenkt der Herr Reichskanzler zu ergreifen, um den \{limmen Folgen der Arbeits losigkeit entgegenzu- wirken, die durch immer wiedezkehrende wirtschaftlice Krisen ver- \chärft werden. Ist er insbesondere bereit, eine alle Arbeiter und Angestellten umfassende reihsgeseßlihe Arbeitslosenversiche- rung in die Wege zu leiten jowie zur Bekämpfung der zurzeit besonders \sich geltend machenden nacteiligen Folgen der Arbeits- losigkeit geeignete Abhilfsmittel zu ergreifen ?

Zur Begründung der Jnterpellation erhielt das Wort der

Abg. Silber\chmidt (Soz.): Im Jahre 1902 beshloß der Neichstag in einer Resolution, die Regierung möge den Bundesrat beauftragen, zweckmäßige Vorschläge über eine Arbeitslosenver- fiherung zu machen. Der Bundesrat beauftragte jedoch nur das Kaiserliche Statistische Amt, darüber Feststelungen zu machen, welche Maßregeln im Deutscben Neiche bisher gegen die Arbeitslosig- keit getroffen worden sind und welchen Erfolg sie erzielt haben. Im Jahre 1908 bescästigte sich der Reichstag von neuem mit der Frage der Arbeitslosigkeit. Damals antwortete der Staatssekretär, daß die Frage für eine reih8geseßlihe Regelung noch niht reif sei. Weiter wurde angeführt, man wolle exst abwarten, welche Er- fahrungen der Deutsche Zimmererverband mit seiner geplanten Arbeitslosenversiherung maht. Die Einzellandtage waren jedo \{hon damals der Meinung, daß eine solde Negelung Sache des Reiches set. Zu derselben Ansicht kam auch der Deutscke Städte- tag im Jahre 1911. Neuerdings wurde dann auch erklärt, daß bie Inangriffnahme von Notstandsarbeiten ebenso wenig eine Lösung dar- stelle wie die Versuche einzelner Kommunen, eine folche Versiche- rung zu schaffen. Auch die diesjährige internationale Konferenz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hielt eine geseßlihe MNege- lung durch die nationale Gesetzgebung für geboten. Im Prinzip hat das au der badische Landtag anerkannt, wo ausgeführt wurde, der Staat müsse den Städten, die eine solhe Versicherung eingeführt haben, etne Subvention zukommen lassen. Das Verweisen des Reichs auf die kommunale Unterstüßung blieb obne jeden praktischen Wert. Fa, einzelne Städte stehen dieser Frage niht einmal freundlich gegen- über wie Halle, wo man nicht einmal in die Beratung einer dîes- bezüglichen Interpellation eingetreten ist. Jeßt beginnt sich in der öffent- lichen Meinung jedoch allmählih ein Umshwung anzubahnen. Weite Kreise meinen, daß nicht mehr ein Akt der M vorliegt, sondern daß das Reich die Pflicht hat, einzugreifen. 8 fann als sicher festgestellt werden, daß, während die Stadtverwaltungen, Land- tage und der Reichstag ih über die Pflicht der Unterstützung stritten, im Schoße der Arbeiterbevölkerung die Frage der Arbeitslosenunter- stüßung zum Teil ihrer praktishen Lösung entgegengeführt worden ift. Daß die Frage der Arbeitslosigkeit eine akute ist, wird von keiner Seite mehr bestritten, selbst die „Post“ gibt zu, daß die Zahl der Arbeitslosen gestiegen ist. Alle Aibeiterorganisationen ohne Aus- nahme find der Auffassung, daß hier das Reich einzugreifen hat, daß die Arbeitslosen einen Nehtsanspruh auf Versicherung baben. Diese Arbeitslosigkeit ist nicht nur in Handel, Industrie und Hanwerk, son- dern auch in der Landwirtschaft eine große, nachdem die Landwirtschaft durch den Uebergang zum Maschinenbetrieb immer mehr Arbeitskräfte als überflüssig autgeschaltet hat. Während in den leßten Jahren die Zahl der Arbeitsuchenden um 3 667 000 gestiegen ist, ist die Zahl der offenen Stellen nur um 2 136 700 gestiegen. In dieser selben Zeit ist au die Zahl der vom Auslande bezogenen Arbeiter erheblih gewachsen. Gine außergewöhnlihe Vergrößerung der Zahl der Arbeitslosen tritt au dadur zutage, daß nach den Berichten der Gewerbetnspektoren unsere deutsche Industrie immer mehr dazu übergeht, den älteren Arbeiter

der Nächstenliebe ab, für fie ist nur das reine Profitinteresse entscheidend. Nach dem Bericht der Gewerbebeamten f Düsseldorf in ans an elnen großen Teil der in der Großeisenindustrie beschäftigien Arbeiter so Hohe Anforderungen gestellt, daß nur junge in der Vollkraft stehenden Leute diese Arbeit ausführen können, ein erhebliher Prozentsaß der Arbeiter ist deshalb genötigt, nah N kurzer Zeit zu einer anderen Tätigkeit überzugehen. Die Zahl derjenigen Arbeiter, die das 50. Lebens: jahr überschritten hahen, ist nach Ausweis der Statistik in stei- gendem Nückgang begriffen. Diese Arbeiter werden vom Tisch des Lebens hinweggestoßen, und man kümmert \sich heute nicht darum, wo sie bleiben, wo sie ihre alten Tage beschließen. Schuld an diesen Zuständen tragen die heutige Produktionsweise und vor allem unsere heutige Wirtschaftspolitik, die die Lebens- mittel so ungeheuer - verteuert hat. Was gedenkt also die Reichs regierung zu tun, um diesem dauernden Zustand der Arbeitslosig= keit abzuhelfen? Jst sie geneigt, der Frage der Arbeitslosen- versicherung näherzutreten, die ausländishen Arbeitskräfte ab- zuhalten, die Zölle auf Lebensmittel aufzuheben, die Grenzen zu öôffnen zur Verbilligung des Fleishes und sonstiger Lebens- mittel, und ist sie gewillt, den Arbeiterschuy zu erweitern? Ist sie gewillt, diesen Fragen ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden und vor allem den Worten auch bestimmte Taten folgen zu lassen? Die jeßige Konjunktur, namentlih der hohe Geldstand in den leßten Monaten, haben besonders in dem Gewerbe, das am meisten auf Kredit angewiesen ist, dem Baugewerbe, außerordentlihe Folgen der Arbeitslosigkeit nach fich gezogen. Dieser Umstand ist ver- {limmert durch die ungeschickte Politik des Deutshen Reiches. Ob sih diese Schwierigkeiten beheben lassen, nahdem dié Ent- spannuvg auf dem Balkan eingetreten is, mag dahingestellt sein. Ende September war die Arbeitslosigkeit so groß, daß sie dite {limmsle Zeit der Arbeitslosigkeit aus dem Jahre 1908 in Schatten stellt. Nach dem uns von der Regierung zugestellten Ma- tertal ist die Arbettslosigkeit gegenwärtig niht so fehr groß, aber do haben wir in diesem Oktober gegenüber dem Oktober des vorigen Jahres eine erheblih größere Arbeitslosigkeit gehabt. Das beweisen uns schon die höheren Unterstüßungssummen, die die verschiedenen Gewerkfschaften an die Arbeitslosen ausgezahlt haben. Besonders groß ist z. B. die Arbeitslosigkeit in der Bäkeret und Konditorei, denn in diesem Gewerbe werden jährlich 14 000 junge Leute autgelernt, die dann kein Unterkommen finden und stch anderen Berufen zuwenden, in der Zeit der Arbeitslosigkeit aber in ihr eigentlißes Gewerbe zurüdckfluten. Selbst bei den Gemeinde- arbeitern herrscht Arbeitslosigkeit, obwohl gerade die Kommunen dafür sorgen könnten, daß Arbeiterentlassungen vermieden werden. Die Steinarbeiter, besonders diejenigen tin den s{lesischen Sand- steingebieten, befinden sih in diefem Jahre auh in einer außer- gewöhnlichen Arbeitslosigkeit; fie finden nur zum geringsten Teil in der Landwirtschaft Beschäftigung. Die Arbeitslosigkeit trifft die Arbeitershaft diesmal viel härter als bei früheren Krisen, weil sie durch die Wirtschaftspolitik eine viel geringere Widerstandskraft hat als früher, denn fie hat niht so wie früher Nücklagen machen können. Die Arbeitslosigkeit hat auf die ethishen Werte eine demoralisierende Wirkung. In den Zeiten der Arbeitslosigkeit nehmen die Eigentumösvergehen zu; die Leute begehen sie niht, um sich an fremdem Eigentum zu vergreifen, sondern um {ih vor den äußersten Folgen des Hungers zu s{üten.

(Schluß des Blattes.)

Dem Reichstag ist ein Weißbuh über die Ergebnisse der internationalen Konferenzen, die in Brüssel in den Jahren 1909 bis 1913 zur Vereinheitlichung der für die beshränkte Haftung der Reeder sowie für die Hypo- theken und Privilegien an Seeschiffen geltenden

Rechts\äße abgehalten worden sind, zugegangen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die vor einiger Zeit zwischen der Brauerei Werth in Dutsburg und dem Brauerei- und Mühlenarbeiter- verbande ausgebrochenen Zwistigkeiten sind, wie die „Rh.-Westf. Ztg.“ berihtet, nunmehr auf dem Wege der Verhandlungen beseitigt worden. An diesen nahmen Vertreter des Boykottshußverbandes, des Brauerei- und Mühlenarbeiterverbandes und des Gewerkschastskartells teil. Die gemachten Zugeständnisse wurden von den Vertretern der Arbeiter als befriedigend anerkannt und somit die Verrufsbewegung beendigt (vgl. Nr. 276 d. Bl.).

Der Ausstand der Eisenbahner in Wales (vgl. Nt. 236 d. Bl.) hat sih, ,W. T. B.* zufolge, weiter ausgedehnt. Etwa 1500 Lokomotivführer und Heizer haben die Arbeit nieder- gelegt. Die Zahl der Bergleute, die infolge des Ausstandes fetern müssen, wird ebenfalls auf 1500 angegeben. Man erwartet, daß heute eine Verhandlung zwischen etner Abordnung der Augs ständigen und Vertretern der Great Western-Bahn stattfinden wird,

(Weitere „Statistishe Nachrichten“ \. i, d, Ersten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

Die phy sikalisch-mathematische Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften hielt am 27. November unter dem Vorsiß ihres Sekretars Herrn Walde yer etne Sitzung, in der Herr Waldeyer über Mtßbildungen des Nhinencephalon las. An der Hand ciniger Präparate von Gehirnen, an denen der Tractus und Bulbus olfactorius einseitig und beiberseitig fehlten, wurden die wichtigsten Umbildungen an den betreffenden Gehirneu fowie die Hauptformen der Arrhinencephalie besprochen.

In der an demselben Tage unter dem Vorsig thres Sekretars Herrn Roethe abgehaltenen Sißung der yhilosophisch-histo- rishen Klasse las Herr Lüders Epigraphishe Bei- träge. I11. Das vierte Säulen-Edikt des Asoka wurde neu erklärt. Im Anschluß daran wurden gewisse \sprochlihe Unterschiede, die zwischen den verschiedenen in den Asofa-Edikten gebrauchten Dialekten bestehen, besprochen. Herr Kuno Meyer legte einen Beitrag zur keltishen Wortkunde (IV) vor. Es werden einige bisher nicht

ebuhte altir. Wörter wie accrïch „Grenzgebiet", accal „hoher

Mut besprochen; cadla „Seil“ wird als Entlehnung aus dem altn. kadall ertlärt; ber gall. Ortsname Coro-biliuri (jeßt Corbeil) als „alleinstehender großer Baum“ gedeutet usw. Schließlih wird eine größere Anzahl falschlich angeseßter Gigennamen in dem Wörterbuch der Königlich ir. Akademie nachgewiesen. Herr Schäfer über- reite den 9., von ihm und F. Techen bearbeiteten Band der Hanse- rezesse von 1477—1550 (München und Leipzig 1913).

m Institut für Meereskunde (Georgensiraße 34-36) val am 9. h M. der Gekeime Konsistorialrat Geodel- Kiel über das Thema: Durch die Magellanstraße; am 12. d. M. dex Dr. A. Hartwig-Berlin über die Bodenschäße Chiles und ihre Be- deutung für den Seehandel. Die Vorträge wérden, soweit möglich, dur Uchtbikder erläutert; sie beginnen um 8 Uhr Abends. Ein- trittsfarten zu 0,25 4 sind an den Vortragsabenden von 6 Uhr an in der Geschäftsstelle (Georgenstraße 34—36) zu haben.

aus den Betrieben auszuschalten. Unsern Unternehmern geht jedes Gefühl

herrshe nicht gegenseitige Zuneigung, sondern Argwohn, Mit der

In dem taurishen Gouvernement Rußlands hat der Profesor N. J. Wesselowsky etnen interessanten Fund gemacht. " In der Kammer eines Grabhügels fand sich außer einem Bronzekessel und Amphorén ein großer antiker Bronzewagen. Der Boten des Wagens bestebt aus untereinander ver flochtenen Eisenstreifen, auf denen cine Schilfrohrmatie lag. Der Wagen is wahrscheinlih ein Gerät des Totenfults. Neben ihm standen ein taburett- oder kasten- förmiger, mit Eisenklammern befestigter Holzgegenstand und eine vergoldete Silberschale. In dem von Westen laufenden Einaange des Hügels war ein Grab für zwet Pferde eingerihtet. Beide Pferde lagen mit den Köpfen dem Menschengrabe zugekehrt, nah Osten. Das Pferdeg rab war mit Holz zugedeckt. Funteressaut sind wie im Jahrbuch des Archäologischen Instituts berichtet wird, die im Pferdegrab gefundenen Verzierungen. Beide Pferde hatten einen vôllia gleihen Shmudck, der aus goldenen und bronzenen Gegen- ständen bestand. Auf den Stirnen befanden si hölzerne, mit Gold bekleidete Meliefverzierungen in Form von gespaltenen Fischen. Das Holz ist teilweise noch erhalten. Mit je zwei Bronzeschlangen wurden die Fishe an Riemen befestigt. Auf den Fischen ßeht man vérshiedene kleinere Figuren dargestellt: Fishe und Adler: der Schwanz tellt zwei Adler dar, deren Köpfe einander zugekehrt sind. An den Schläfen der Pferde wurden je zwei mit Gold bekleidete hölzerne Bogelflügel oder eher Fishflossen gefunden. Weiter fand man noch Zügelverzierungen aus Bronze, Schnellen und Büschel- einfaungen. Die Gebisse waren aus Eisen mit gebogenen und S-förmigen Bronzepsalien. Die Funde von Professor Wefsselowski

lehren, wie man den goldenen Fisch von Vettersfelde im Berliner Antiquarium verstehen muß: er war wahrsheinlich au etne Stirn- verzlerung eines Pferdes und dürfte auch in einem Pferdegrab ge- le

1

Í ahon Mi A E er L : e Ln gen baben, Natürlih besißen solhe Verzierungen einen religiós- ymbolishen Sinn.

Literatur. Fi

A in Verlag von Frizdrih Engelmann in Leipzig erscheint ein den Gesamtiitel „Zungdeutschland“ _führender Bücherschatz für die deutsche Jugend, der von dem 2. Vorsißenden des Jung- deutsdland-Bundes, Hauptmann Hans Weberstedt- Halle berauäe gegeben wird. Die Büchlein, für die der Generalfeldmarschall Graf von Haeseler ein Geleitwort über die Erziehung zu echter Männlich- Feit geschrieben hat, woll-n zur Pflege deutscher Art, zur Erroeckung triegerishen Geistes, zur Stählung des junaen Körpers und zu wahrhaft deutscker Manneterziehunz beitragen. Eine Neihe unserer besten Fugend- shriststeller und Männer, die in der Jungdeutschland-Arbeit tätig und erprol N Ich zur LPeitarbeit an die ¿r Jugendbücherei vereiniat und bieten die N der Sammlung eine nit nur einwandfrete, sondern gute, erzieherisch wirkende und zugleih unterhaltende wie belehrende Koît -der heranwochfenden Jugend geboten werden wird. Die bisber erschienenen 10 ersten Bändchen, deren jedes in Pappe ge- bunden 75 S kostet, bestätigen das günstige Vorurteil, das man dem Unternehmen entgegenbringen mochte. Der in ihnen gebotene Stoff ist durchaus geeignet, dem oben angeführten Zweck der Bücheret zu dienen, zumal er in einer anregenden Form und in eine Anordnung geboten wird, die jede Cinförmigfkeit auss{ließt. Im 1. Bändchen gibt der Pastor F. Blahny etn Lebensbild des Kaisers mit besonderer Berücksichtigung seines Verhältnisses zur deutschen Jugend. Die beiden folgenden bieten eine Reihe von Charakterköpfen aus der Zeit der Befreiungskrîiege nah Aufzeihnungen von Mitkämpfern und anderen Zeitgenossen, im 4. ijt eine Anzahl s{öner vaterländischer Baladen zusammengestellt, die geeignet sind, Vaterlandsltebe und Heldensinn zu wi den; im d. entwirft der Herausgeber, Hauptmann Weherstedt ein ansaulihes Bild von dem gewaltigen Ringen in der Doiler]chlaht bet Leipzig; Pläne und gute Abbildungen ergänzen den Text. Îm 6. Band erzählt H. Sievers die Grlebnisse eines deuten Hremdenlegionärs, während im 7. („Der deutsche e ou Samatiter“) Dr. med. P. Nettig das Notwendigste

E erlle Dilfe bei Verleßungen bietet. Die legten

2 ändchen enthalten Lbens8bilder des Grafen Bülow von Dennewitz u (S MTDEN von Dlücher sowie Kricgserlebnisse eines Veteranen Sud fifor po Ble Düchlein können auf eine freundlihe Aufnahme L L T N etgentlichen Iungdeutschlandkceise hinaus rehnen. Bei a Loos ¡tehenden Beste werden sie eine erwünsdte Gabe auf vielen Zell nachtêtischen sein; ihre Anschaffung kann auch für Schülerbiblio- theken duraus empfohlen werden; der billige Preis ermöglicht sie au) da, wo nur geringe Mittel zur Verfügung stehen. __— n der vom Verlag von Otto Spamer in Leipzig heraus- ¡(gebenen Jungdeutschland-Bücherei liegen drei neue Bände vor, die wte die vorausgegangenen als eine gute, den vaterländischen inn belebende und den Gesichtskreis der jugendlichen Leser tn an- gender Form erweiterte Lektüre empfohlen werden können. In dem eiren Duh „Unsere Chinafahrt*, Feldzugéerinnerungen eines utschen Offiziers von Franz Mar, schildert der Verfasser ein eilnehmer an dem Chinafeldzug, die friegerisWen Erlebnisse ‘die er mit einer Abteilung Bayern und Württemberger bei einem Quge bis zur Großen Mauer hatte, daneben aber welß er tn fesselnder Form alerlei bon Land und Leuten, Sitten und Gebräuchen im Lande der Bitte zu erzählen. Das Buch ist mit 39 guten Abbildungen ausge- stattet. In einem zweiten Band „In die blaue Ferne“ führt August Trinius durh die Reichélande, besonders dur die schönen, jagenumwobenen Vogesen mit ihren aiten Städten, Klöstern, Burgen x deren Reize au durch eine Anzabl

De G ;

R

_und Sch!össern, guter Bilder vermittelt werden. Der Verfasser hat in seine lebendige Schilderungen ges{hichtlihe Erinnerungen verwoben und der Leser lernt durh fie das alte deutsche Kulturland liebgewinnen, das nach 200 jähriger Fremdberr1haft durch Ströme von Blut wieder mit dem neuerstandenen Reich vereinigt wurde. Der dritte Band , Deutsches Blut" verdankt der fret exfiadenden Phantasie seines Verfassers Karl Dienstein fein Entstehen. Er führt den Leser in das 17. Fahr- hundert und erzählt von den Abenteuern eines deutschen Jungen, der als Kind in türkishe Gefangen'haft geriet und, in das Vertrauen des Großveziers gelangt, türkisher Offizier wird. Der junge Mann bleibt aber im Herzen ein guter Deutscher, erlangt {ließli seine erretheit wieder und fann bei der Belagerung Wiens eine Nolle \ptelen. Der geschichtliche Hintergrund verleiht der guten Erzählung Vejonderen Netz. Alle drei Bände find von dem Verlag entsprechend ausgestattet; jeder kostet dauerhaft gebunden 350 Æ. Diese neuen Bände der Jungdeutschland-Bücherei werden als Weihnachtsgeschenk den mit ihnen Bedachten sicher viel Freude machen. l

ND Im Anschluß an diese Jugendschriften sei eine Erzählung für die retfere Jugend von Alfred Madero „Von des Neiches Herrlichkeit * genannt, die bei Orell Füssli in Züri erf{lenen ist (geb. 3 M). Sie spielt zur Zeit der Befcetungskriege und be- ¿annte Persönlichkeiten aus jenen Lagen, wie der Marsball Vorwärts und die Dichter Körner und Schwab, treten in ihr mithandelnd auf. Vie Hauptfigur der Erzählung is ein junger Badener, den das Ge- [chick aus seinem heimatlihen Neckartal bis weit nah Italien hinein wad Rom und Amalfi führt; Wante:ungen, die dem Verfasser Gelegenheit zu recht an|hauliden Schilderungen von Land und Leuten bieten. Im ganzen vermißt man in der Erzählung aber eine strafe Diéposition des Stoffcs, au der Stil ist etwas umständli und papieren, gelegentlih aud nicht frei von einer in einer Jugends\chrift DoÞpelt auffallenden Geziertheit.

_…_ Ein sehr ansprehendes Buch, namentli für kleiue Mädchen it die Märchensammlung , Bunte Blumen“ von Sophie Nein- hetmer (Verlog von Franz Schneider in Berlin-Schoönebet g, Î M), die fih dur zwei früher erschienene MärGenbücher \{hon vor- teilhbaft eingeführt hat. Das neue Büchlein enthält etne Neihe meist ret poetisder, feinsinniger Blumenmärchen. Die Verfasserin führt tbre Tleinen Leser durch den Reigen der Jahreszeiten, und die in ihrem Wechsel erblühenden Blumen, vom ersten Veilchen bis zur Christrose, lind recht anmuvtig, ohne falsche Sentimentalität und oft mit feinem Humor perfonifiziert und in den Mittelpunkt kleiner Märchen ge- \tellt. Das mit \timmungsvollen Bildern rei auêgestattete Buch kann als wertvolle Weihnahtsgabe empfohlen werden.

Technik.

Zeitschrift für Flugtechnik und Motorluft\Giffabr Organ der Wissenschaftlihen Gesellschaft für T A L gegeven von: Ing. Ansbert Vorreiter, Berlin, Dr. L. Prandtkl, Pro- fessor an der Universität Göttingen, Dr.-Ing. F. Bendemann, Pro- fessor, Direktor der Versuchsanjtalt für Luftfahrt, Berlin-Adleréhef. Jährlich 24 Hefte. 4. Jahrg. 1913. Verlag von R. Oldenbourg München und Berlin. Inhaltsverzeihnis von Heft 22: Zur Frage der FSüllungêtemperatur von Ballonen und Luft\chiffen. V7, Messung an einem Fesfselballon. Von K. Bassus und A. Schmauß. “s Ueber &lugformen und Körper fliegender Fische. Von Oberstleutnant Her- maun Hoernes. Luftshiffhallen und Luftschiffhäfen. Von A. Kauer- mann, Berlin. (Mit Tafel 1X bis X1.) Ein Bortrag von Blériot über Pegouds Sturzflüge und ihre Bedeutung für das Flugwesen. Von Trentepohl. Ansicht vom Denkmal für Wilhelm Kreß. Flugfchau. -— Patentschau. Bücherbesprehungen. Geschäftliche Mitteilungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Flugtechnik.

Land- und Forfiwirtschaft. Der Saatenstand in Preußen zu Anfang Dezember 1913.

C: „Auf Grund von 4224 rechtzeitig bei dem Königlichen Statistischen randeéëamt etngegangenen Berichten der lanbwirtschaftlißen Ver- trauen8männerc über den Stand der Saaten in Preußen am Anfang des Vèonats Dezember wird in der „Stat. Korr.“ folgendes mitgeteilt :

Bei der überwiegend milden und feuchten Witterung des ab- gelaufenen Berich'smonats (November) konnten die Aterarbeiten zu allseitiger Zufriedenheit gefördert werden. Nur strihweise wurden fe durch anhaltendere Niederschläge etwas aufgehalten. Mehr und dur- a E T O8 ¿trat erst gegen Ende des Monats ein, die M e e gen Lagen der Negierungbbezirke Magdeburg und Der) g den s{chon seit dem Sommer zu niedrigen Wasserstand wenig zu heben vermochten, sodaß hter immer noch über Trodenbeit geflagt wird. Hier und da is die Temperatur während der Nächte bis auf den Gefrierpunkt gesunken. : aus

Der Stand der Wintersaaten kann fast durchweg als ein guter bezetdnet werden, und die Getreidefelder gehen jeßt mit ver- hältnismäßig wenig Ausnabmen, wte bei Verwendung von infolge der usse zur Crntezeit nicht völlig ausaereiftem Saatforn, voll bestanden, kräftig entwidelt und gut bestoët in den Winter. Obgleich der V mge fb Gde n e G A N ¿u erledigen , Zeil d 1 allgemeinen einen normalen Stand. Früh bestellte Noggensaaten find teilweise \{on etwas gelb geworden und so üppig, daß sie bet eintretendem Schneefall obne voraufgegangenen stärferen Frost viel Auswinterung befürchten lassen: vereinzelt hat man sie deshalb geshiöpft. Spät bestellte Felder sollen mitunter bessere Aussichten für ihre Durhwinterung bieten als jene. Ueber den in Preußen wenig gebauten Winterspelz (Dinkel auch mit Beimischung von Weizen oder Roggen) und die Winterger ite liegen keinerlei Bemerkungen vor. Die Oelsaaten, Winterravs und -rübsen, sollen in den westlihen Bezirken niht immer be- [riedtgen, wobei als Grund zu nasser Boden zur Zeit der Einsaat angegeben wtrd. /

S A ; BeiBe be Edt n g8Sziffern haben _sich gegen. den vorigen Geri vet den Welretide]aaten bedeutend gebessert, nit jedoch bei den Velfrüchten, die bereits vorher eine gute Note erhielten; die Ziffern ergaben wenn 1 „fehr gut“, 2 „gut*, 3 „mittel (durchs{nittlich)“, 4 „gering“ und 95 „sehr gering" bedeutet im Staatsdurhscnitte bei dem Winterweizen 24 (gegen 2,7 zu Anfang November), bei dem Winterspelze 2,1 (2,4), bei dem Wintecroggen und der Wintergerste je 2,3 (geaen 2,6 bezw. 2,4) und bei dem Winterraps und -rübsen wie im Vormonate, wieder 2 4. s „… Dbwohl der junge Klee sih bei dem günstigen Herbstwetter

fräftig entwideIn fonnte, haben si die infolge Druckes dur Deck- fruht oder durch Mäusefraß enthiandenen Lücken do nur selten zu- gezogen; manches Feld wurde deshalb umgepflügt. Mitunter hat man ihn son geschnitten oder vom Vich abweiden lassen. Seine Note berehnete sih wteder, wie zu Anfang November, auf 2,4. _, Die bercits im vormonatigen Berichte erwähnte Mäuseplage die besonders den Klee arg gefährdet, hat fih nicht verringert, obglei man den kleinen Nagern vielfah mit Gitt entgegentrat; man hofft auf Witterungsumschläge im Winter. Mehr als über die Mäuse- wird aber über Schneckenplage geklagt, namentli in den west- lichen Landetteilen, wo die Noggensaaten, mitunter auch der junge Klee {limm darunter zu leiden haben. Andere tierisce Schädlinge haben selten Erwähnung gefunden: desto mehr aber haben ih Un- Trauter verbreitet. j Ueber Kartoffeln kommt vielfah die Bemerkung, daß sie in den Vieten und Kellern stark na(faulen.

Viermit ist die diesjährige Berichterstattung über den Saaten-

e

L Lz bei Se R Ci R Gel ; ç J stand beendet; die nähstjährige beginnt zu Anfang April.

Theater und Musik,

j Im Königlichen Opernhause findet morgen, Sonnabend eine Aufführung von „Manon“ mit Fräulein Sylva als Gast in der Tit?lrolle ffätt ; die Nolle des des Grieur singt gastweise Herr Sloberger botn Hoftheater in Darmstadt. Die Damen Engel, tansfi, Vilmar sowie die Herren Bachmann, Habih, Henke, Krasa und Schulz sind in den übrigen Hauptroilen, im choreographischen Zeil die Damen Peter, Geisel sowie die anderen Solotänzerinnen be- schäftigt. Dirigent ist der Kapellmeister von Strauß. 2 Im Königlichen Schauspielhause wird morgen und am Sonntag die Wallenstein-Trilogie aufgeführt, und zwar morgen »Wallensteins Lager" und die „Piccolomini“ und am Sonntag „Wallen- steins Tod“. Den Wallenstein spielt Herr Sommerstorff, den Oktavio : VDerr Kraußneck, den Buttler: Herc Dr. Pohl, den Mar: Herr Geisendörfer, die Gräfin Terzky: Frau Poppe. Die übrigen Haupt- rollen liegen in den Händen der Herren Vollmer, Mannstädt, Werra, Zcühlbofer, Zimmerer, Pat1y, Eggeling, Eichholz, Nesver, Vallentin, BVöttcher und der Damen Bußte, Ressel und von Mayburg.

Der Konzertberich t befindet sih in der Zweiten Beilage.

Mannigfaltiges Berlin, 5. Dezember 1913.

A. F. In der „Brandenburgia“, Gesellschaft für Heimatkunde, spra am 26. November Fräulein Elisabeth Lemke, die beredte und gern Hetmatliches fesselnd behandelnde Votanikerin, über „Die Eberes che und thre- nächsten Verwandten“, eine Verwandt- chaft, die, „wie im Eingange ihrer Darlegungen die Vortragende er- Ente, „iemlich umfangreich ist, obgleich der. deutsde Name des Baumes darauf s{chwerlich [ließen läßt, weil er si ähnlich kaum wieder- holt, es sei denn in „Esde“, mit welcher doch nur in der’ beider- seitigen Fiederung der Blätter eine entfernte äußerlihe Aehnlichkeit bestcht, eine Beziehung an die im weiteren voch anzuknüpfen sein wird. Um fo weitgreifender nimmt der lateinishe Name des Baums Berwandtschaften in Anspru, ja in August Garckes „Flora von Deutschland“ aus d. J. 1882 werden Gberesche, Elöbecere, Speierling und Mehlbeere dem Geschlecht Pirus beigezählt, die wir doch alle für eine ziemlich entfernte Verwandtschaft zu halten geneigt sein dürften, und nur nebenbei werden sowohl die Namen Sorbus als Crataegus und Azarolus erwähnt. Die Rednerin aber hält es mit Linns, der sowohl der Eberesche als ihren nahen Verwandten den Namen Sorbus gibt und damit von Pirus, wte is gehört, etwas abrückt. Die sih Sorbus benennende Verwandtschaft i es, mit welcher der Vortrog sich beschäftigen will, also nicht bloß mit Sorbus aucuparia,

D c

baum genannt, sondern auch mit der wohlschmeck#ende Beeren et ¡eugenden Varietät Sorbus aucupuaria dulcis sowte mit dem in dent legten Jahren vielbesprohenen Elöbeerbaum, Sorbus torminalis und einigen anderen der Sippe Angehör gen. j Zwetifellos zählt die Eberesche, wenn au vorslehend eine ihr angesonnene allzu enge Verwandtschaft abgelehnt wurde, zu den „apfel« srüchtigen“ Laubhölzern (Pomaceae ober Pomarin), fo verschieden ihre kleinen Früchten von Nepfeln, Birnen und Mispeln au sid. Der kleine, beerenähnlihe „Kernapfel“ wird nit nur von Vögeln gern verspeist und daraufhin z. B. als Lockmittel für Drofseln benußt, Es auch die Dorfkinder segen sich recht häufig über den bitterlichen fig DANA und s{mausen vergnügt von den Beeren, deren dne rote Farbe fowobl auf Tiere wie auf Menschen eine Anziehungs- kraft ausübt, in jedem Fall aber das Auge erfreut und zum \{chönstenSchmuck des Spatsommers und Herbstes gehört. Ob die Anerkennung dieser Zaltjache die Zeitschrift „Niedersahsen“ in ihrem Aufsaß (1398/99 S. 968) „Heilige Ttere und Pflanzen unserer Ahnen“ zu dem über- raschenden Ausspruch berechtigt: „Der heiliaste Baum war unseren Borfahren die Eberesche, der Weltonbaum, Vgdrastl*, das verlangt indessen einige Auseinandersezungen. Hier liegt anscheinend eine Ver- wecslung mit der Esche vor, dem höchsten Laubbaum des Norden3 vor allem in Skandinavien. Der Irrtum mag daher rühren daß in Ver Vorzeit in Jsland Zwergbiuke und Eberesche die einzigen Bäume waren und die leztere Reynir deshalb auch vielfa in der Sage vorkommt. Einen Neynir ergreift 1. B. Lor, um si aus einem Wolkenbruh ans Ufer zu schwingen. Aber der der größten sihtbaren Masse des Wolkenhimmels, dem riesigen Wolkenbaum, noch heute wohl Negenbaum genannt, in der germanishen Mythologie an die Seite gestellte, mit ihm ver- E f der Erde wurzelnde Baum der (Edda konnte nimmer die bös stens 6 10 erreichende Cberesche, fondern nur die zu mäthtiger Höhe und Laubentwicklung gelangende Esche sein. Damit stimmt au, was wir anderwärts lesen: „Ygdrasil, die heilige Esche unter welcher der Bau der Welt und i diese felbst dar- gestelit wird, dev größte und herrlihste aller Bäume, - bet welchem die Götter sich täglih versammeln, um Gericht zu haktèn.* Unsere prächtige, liebe Ebere)he in Ehren, aber eine Götter» versammlung in ihrem Schatten, unmögli! Wir denken größer von den nordischen Gottheiten, ihrer Verkörperung, ihrer Betätigung in der Phantasie unserer indogermanischen Vorfahren. Es mwáre im übrigen sehr dankenswert, wenn dieser Frage einmal eine gründliche UÜntersuhung zuteil würde. War unsere Esche, Fraxinus extélsiós legt in ganz Suropa anzutreffen, von jeher im Norden heimatberc{chtigt 3 Lancyes deutet darauf bin, daß mit Ausnahme dec im vorstehenden behaupteten Uebereinstimmung von Yagdrasil, dem Weltenbaum, mit der Esche, die Gberesche, {hon ihrer allgemeinen Verbreitung im Norden wegen, auch in Gegenden, in denen die Esche nit gedetht, ein in der nordishen Sage besonders bevorzugter Baum war. Jm ‘alten Note wegen, au auf Jeland, findet fih der Volksglaube, daß Reynir, der Bogelbeerbaum, aus Menschenblut entstehe, von Menschenblut ernährt werde. Diese aus der „Volksmedüzinishen Botanik der Germanen“ von Max Hoefter entnommene Notiz stellt thr, zugunsten der Esche allerdings die Tatsache an die Seite, daß auch bei Hesiod der Esche Erwähnung geschieht, indem der Dichter den Zeus das dritte ours eherne „Menschengeshlecht aus Eschen ershaffen läßt. Merkwürdig it aud, daß nach Hoefter der Dichter der Böluspá, eines der qgroßartigsten Gedihte der Edda - Lieder den ursprünglih Früchte tragenden Weltenbaum der Früchte beraubt und aus ihm die Eshe maht. Die Aehnlichkeit der Namen Esche und Cbereshe in unserer Sprache hat wohl aus\chließlich den in der Einleitung {hon angedeuteten Grund der Aehnil feit der Be- laubung. Beider Blätter sind unpaaria gefiedert und Eberesche ift also soviel wie Aber- oder falsche oder Schetnesche : aber die Sprache tut hier doch der Cberesche unreht, Sie will gar nit as eine Schein-Csche betrachtet werden, fie ist in cinem wichtigen Punkt viel mehr als dieser unsheinbar blühende, wertlofe Frucht tragende Baum nämlich ein witrkltcher Lebensbaum mit eßbaren Frühten. Unser bescheidener Baum begleitet ausgedehnte Landstraßen nit immer kerzengerade aufgècihtet, sóndern -häufig- in malerisch nadz- lässiger VGalfukg, vom Sturm schief gebogen und zerzaust, auch bon der Zugend mißhandelt, aber tels eine Zierde des Geländes lei es zur Blütezeit, fei es zu der lange währenden Zeit, da seine Beeren fih rôten und auf den nahenden Herbit hinweiseu. Wie es wohl kommen mag, daß man in großen Gebieten Deutschlands der (beresche den Namen „Qut!sbenbaum*“ gibt? Es bängt vielleicht mit dem alten, in den Worten Quecksilber und „Srquickung“ allein in unjerer heutigen Sprache erhaltene Wort „quick* zusammen, das gleih=- bedeutend ist mit lebendig oder frisch. Der Baum konnte den Menschen als ein Beispiel _bingestellt werden: Immer ist sein Anblick ‘beiter immer erquickend, und selbst der Duft feiner Blüten ist vielen Menschen, nicht allen, keineswegs lästig. Bei wem leßteres der Fall dem kann es zum Trost dienen, daß die Blüten \chnell dahin sind, um foviel länger aber die \{ch8ne Färbung der Früchte dauert die alle ausnahmselos erfreut. Erinnert man sich nun an der Sand der oven erwähnten mythologishen Beziehungen daran, daß vor län Jer als einem Jahrtausend unsere Vorfahren \chon die gleiche Vorliebe für ven Gbereshenbaum besaßen, daß er au ißknen \{on ein Lebenegut war, #0. erscheint der hier erfolgende Hinweis auf den Baum und seine Reize als eine Aufforderung, diese auf uns gekommene, woh[- begründete Volkégunst als ein altes Erbteil nit in Vergessenheit sinken zu lassen. In der „Brandenburgia® findet solche mit der Liebe 1 7A r mterts Bo 0 n â 17 c i Ç A +5 s j s Rae versckwisierte Beobachtungsweise sicher stets Verständnis __ Doch zur Erzielung dieser Wirkung fei in {neller Folge noÞ einiger sih im naiven Volksglauben an die Eberesche knüpfender Er- zählungen und Vorstellungen gedacht: Wie Thor sich mit ihrer Hilfe aus den Fluten rettete, hilft dem Siffer und Fischer das Holz der Cberesche in Wassersnot. Ein Stab von dem Rönn, wie der Baum in Schweden heißt, sichert gegen Zauber. In der Walpurgisnacht

im Volksmunde außer Ebereshe noch Quitschen- oder Vogelbeer-

heftet man in Mecklenburg Quitschenzweige an die Stalltüren und veitreiit mif diesen Zweigen am nächsten Morgen das Vieh. Am Niederrhein pflanzit man in der ersten Mainacht solche Zweige vor die Bergwerkéstollen, sie sichern vor Drachen. Deshalb beißt die, Gbereshe dort au Drachenbaum. Gegen Gewitter ge- wahrt tein Voîz in bielen Gegenden Shuß; man erkennt hierin das Weiterklingen der ¡{on gedachten Thotsage. In Oldenburg wird be- pauprtet, die Goere!che verliere in der Johannisnacht die Blüten- tnospe, die thres eigentümli@en (angeblich Herirgs-) Gerudes halber von den Hexen a Ledlerbissen vetspetist würde. Ueberhaupt die Hexen! Während sie die Blüten der Eberesche lieben, fürchten fie fich ber ihrem Holze. n Skandinavien vermögen Jäger und Fischer nic) dadur) vor thnen zu s{chüßzen, daß fie eine im Walde ge- wadchsene tieine, s{lanke Ebereshe ihrer Aeste berauben, sie gegen die Sonne drehen, das obere Ende gegen den Etrd« boden beugen, es hier befestigen und so einen Bogen bilden, dunh welchen der sich gegen Hexen Fetende, Flinte oder Neße in der Hand, rücklirgs kriehen muß. Noch jeßt nennt man tîn Skandinavien die Ebereshe einen heiligen Baum und erzählt si, daß _ man fie zuweilen in der Weihnachtênaht mit brennenden, unver» löshbaren- Lichtern * beseßt gefunden habe etn Vorbild unseres Ghristbaums “bis auf die Unverlöshbarkeit der Lichter. Von anderer Seite wird diese Erzählung auf einen einzigen Vogelbecrbaum ein« geschräntt, der aus dem Grabe zweier uns{Guldig Geächteter entsprossen war. Im Oberitintal, wo man au Schnaps aus den Früchten der Gberesce bereitet (es wird behauptet, daß Sorbus von sorbore = schlürfen herkomme), erhalten am Tage Allerheiligen alle Gräber eine leihte Kohlenschicht, in welche mit Vogelbeeren Einfassungen gelegt werden. Es s{ecint hier aber, vill iht der profanen Beziehungen ¡um Schnaps halber, mit diesem Schmuck keine früher möglicher» weise dagewesene Bedeutung verknüpft. In Ltauen heftet fi an die Cbereschenkoblen das Märchen vom allwissenden Königa Die Inselshweden auf Worms schck@üßten sich gegen die Pest, indem sie ein angebohrtes Stück vom Vogelbeerbaum in die Türvfosten einsezten und das Loh mit gleichem Holze verkeilten. Die Pest soll ferngeblieben scin. Große Heilkraft wird dem Gbereschenfaft