1913 / 290 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Dec 1913 18:00:01 GMT) scan diff

E E R E E E FIRTENNENN E

b 1 s F 4 E

Finanzministerium.

__ Die _ Rentmeisterstelle bei der Königlichèn Kreiskasse in Pr. Stargard, Regierungsbezirk Danzig, ‘ist zu beseßen.

VBVetanntmaGung.

Gemäß § 46 des Kommunalabgabengeseßes vom 14. Juli 1893 (G.-S. S. 152) wird hiermit zur öffentlihen Kenntnis gebracht, daß ein im laufenden Steuerjahre zu den Kommunal- abgaben einschäßbarer Reinertrag aus dem Betriebsjahre 1912/13 bei der Gernrode-Harzgeroder Eisenbahn bezüglich ihrer in Preußen belegenen Streccke nicht erzielt worden ist.

Magdeburg, den 6. Dezember 1913.

Der Königliche Eisenbahnkommissar. Sommer.

Bekanntmachung.

Gemäß 8 46 des Kommunalabgabengeseßes vom 14. Juli 1893 (G.-S. S. 166) wird zur öffentlihen Kenntnis gebracht, daß das im laufenden Steuerjahre zu den Kommunal- abgaben einschäßbare Einkommen der Eisenbahnstrecken Lan des - grenze—Elsterwerda der dem Königlich sächsishen Staat gehörenden Linien Zeithain— Elsterwerda und Dresden Elsterwerda aus dem Jahre 1912 für den Bahnhof Elster- werda auf 41433 4 56 „F und für den Bahnhof Prösen auf 1878: 4 69 5 festgeseßt worden ist.

Halle (Saale), den 4. Dezember 1913.

Der Königliche Eisenbahnkommissar. Ne 7 Sn ger.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 46 der Preußischen Geseßsammiung enthält unter

Nr. 11 322 den Staatsvertrag zwischen der Königlich Preußischen und der Herzoglich Sachsen-Meiningischen Regierung

wegen Aufhebung der pfarramtlichen Verbindung der preußischen

Kirchengemeinde Kühndorf mit der meiningischen Kirchengemeinde Utendorf, vom 19. Juni 1913, unter

Nr. 11 823 eine Bekanntmachung der Ministerialerklärung vom 27. Oftober 1913 zu dem zwischen der Königlich Preußi- schen und der Herzoglich Sachsen-Meiningischen Regierung ab- geschlossenen Staatsvertrage wegen Aufhebung der pfarramt- lichen Verbindung der preußischen Kirchengemeinde Kühndorf mit der meiningishen Kirchengemeinde Utendorf vom 19. Juni 1913, vom 26. November 1913, und unter

Nr. 11 324 den Staatsvertrag zwischen Preußen und Sachsen, betreffend eine Aenderung der Vereinbarungen über die staat- lihe Besteuerung der im Königreihe Sachsen belegenen preußischen Staatseisenbahnstrecken, vom 6./25. August 1913.

Berlin W. 9, den 9. Dezember 1913.

Königliches Geseßzsammlungs3amt. Krüer:

Bekanntma} un.

Nach Vorschrift des Geseßes vom 10. April 1872 (Geseßsamml. S. 357) find bekannt gemacht: :

1) der am 13. Oftober 1913 Allerhöch vollzogene Nachtrag zu dem Statute für den Deichvetband zur Herstellung und Unterhaltung von Sommerdeichen auf dem ltnken Eiderufer in den Gemarkungen Schülp N., Hörsten und Breiholz im Kreise Rendsburg vom 14. Fe- bruar 1911 dur das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Schleswig Nr. 46 S. 514, ausgegeben am 8. November 1913;

2) der Allerhöchste Erlaß vom 24. Oktober 1913, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Gemeinden Breuna und Miederelsungen im Kreise Wolfhagen für die Anlage einer gemein- \chaftlihen Wasserleitung, durch das Amtsblatt der Königlichen Ne- gterung in Cassel Nr. 47 S. 415, ausgegeben am-22. November 1913;

3) der am 3. November 1913 Allerhöchst" vollzogene Nachtrag zu dem Statut für die Entwässerungsgenossenshaft Rosenau in Rosenau im Kreise Mogilno vom 22. Dezember 1910 dutch das Amtsblatt der Königlichen Regierung tn Bromberg Nr. 47 S. 393, ausgegeben am 22. November 1913.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

YVreußen. Berlin, 9. Dezember 19183.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute vormittag im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des Chefs des Militärkabinetts, Generals der Jnfanierie Frei- herrn von Lyncker, des Chefs des Admiralstabes der Marine, Admirals von Pohl und des Chefs des Marinekabinetts, Admirals von Müller entgegen.

Der Ausschuß des Bundes rats' für Handel und Verkehr sowie die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen hielten heute Sißungen.

Dem Landrat von Puttkamer in Tuchel ist die kom- missarishe Verwaltung des Landratsamts im Kreise Usedom- Wollin, Regierungsbezirk Stettin, und dem Regierungsassessor Bürgers in Berlin die kommissarishe Verwaltung des Land- ratsamts im Landkreise Recklinghausen, Regierungsbezirk Münster, übertragen worden.

Der Regierungsrat Dr. Keßler in Oppeln ist der König- lichen Regierung in: Trier und der Regierungsrat Eckelberg in Marienwerder der Königlichen Regierung in Breslau zur weiteren dienstlihen Verwendung überwiesen, der Regierungs- assessor von Wentzel in Reclinghausen dem Landrate des Kreises Neustettin, der Regierungsassessor von Bocckum- Dolffs in Beeskow dem Landrate des Kreises Bitterfeld, der Regierungsassesfor Killing aus Allenstein dem Landrate des Kreises Niederung in Heinrihswalde, der Regierungsafsessor Dr. Eichhorn in Apenrade dem Landrate des Kreises Ost- havelland in Nauen «und der neuernannte Regierungsassessor

. * T

von Ditfurth aus Cassel dem Landrate des Kreises Winsen

zur Hilfeleistung in den landrätlihen Geschäften zugeteilt

worden.

Die Regierungsreferendare RNiedesel Freiherr zu Eisen - bah aus Frankfurt a. O., von Oheimb aus Merseburg, von Klißing aus Breslau, von Borries dáus Hannover, Dr. Posse und Dr. Langen aus Cöln haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M.S. „Vineta“ am 6. Dezember in Para (Nordbrasilien), S. M. S. „Tiger am 3. -Dezember in Pafkhoi, S. M. S. „Leipzig“ am 7. Dezember in Nagasaki und S. M. S. „Jltis“ an dem- selben Tage in Nanking eingetroffen.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kongreß der t\hechischen Sozialdemokraten in Prag hat eine Resolution angenommen, in der nach einer Meldung des „W. T. B.“ zur Erhaltung des internationalen (Sleichgewihts und des Friedens und insbesondere im Jnteresse des ts{chechischen Volkes die Kräftigung alles dessen als not- wendig bezeichnet wird, was der Erhaltung und Entwicklung Oesterreih-Ungarns diene. Die tschechische Arbeiterpartei betrachte Oesterreih-Ungarn als die historisch gegebene Grundlage ihrer Tätigkeit ; sie sehe alle Hoffnungen einer alldeutschen oder panslavistishen Politik als unvereinbar mit den Junteressen der tischechischen Arbeiterschaft an.

Frankreich.

Doumergue hat dem Präsidenten Poincaré mitgeteilt, daß er die Kabinettsbildung annehme. - Wie „W. T. B.“ meldet, seßt sih das neue Kabinett, wie folgt, zusammen: Vorsiß und Auswärtiges: Doumergue, Justiz: Bienvenu- Martin, Inneres: Renoult, Finanzen: Caillaux, Krieg: Noulens, Marine: Monis, Oeffentliher Unterricht und Schöne Künste: Viviani, Handel sowie Post und Telegraph: Malvy, Oeffentlihe Arbeiten: Fernand David, Ackerbau: Raynaud, Kolonien: Lebrun, Arbeit und soziale Fürsorge : Vetin.

Die neuen Minister sind gestern zu einer Beratung zu- sammengetreten, in der das zukünftige Programm der Regierung erörtert wurde. Das Kabinett wird, obiger Quelle zufolge, dem Parlament erklären, daß es das Werk der Versöhnung der republitanischen Parteien durchführen, sich dabei aber ausschließlich auf Elemente der Linken stüßen wolle. «Jn der Regierungserklärung follen insbesondere vier Punkte berücksichtigt werden: die Laienschule, die Wahlreform, die Finanzfrage und das Dreijahrsgeseßz. Das Kabinett werde nachdrücklih den Willen zu erkennen geben, daß es die Laienschule verteidigen wolle. Es werde mit der Senats- tommission zusammen an der Wahlreform arbeiten, um einen - Ausgleich zwischen beiden Häusern des Parlaments herbeizuführen. Dabei dürfe aber nicht verhehlt werden, daß es schwierig erscheine, in der kurzen Zeit bis zu den Wahlen zum Ziele zu kommen. Das Land selbst also werde Gelegenheit haben, sich zu der Angelegenheit zu äußern. Die Lösung der finanziellen Frage werde Caillaux überlassen werden. Die Regierung wolle die Hauptpunkte des von der Kammer angenommenen: Einkommensteuergeseßes im Senat verteidigen. Sie sei entschlossen, das Dreijahrsgeseßz zum Besten der nationalen Verteidigung anzuwenden, werde es aber nicht als unabänderlih ansehen und die Hoffnung zum Ausdruck bringen, daß der Lauf der Ereignisse s{hließlih ge- statten werde, dem Gesetz die notwendige Milderung widerfahren zu lassen.

Oie Deunutiertenkam mer hat sih bis Donnerstag vertagt. Ftalien.

Der bayerische Gesandte Freiherr von und zu der Tann-Nathsamhausen hat gestern dem König Viktor Emanuel in feierlicher Audienz ein Schreiben des Königs Ludwig von Bayern überreicht, in dem dieser die Auf- hebung der Regentschaft und feine Thronbesteigung mitteilt, und ferner ein zweites Schreiben des Königs, in dem der Ueberbringer als Gesandter beim italienischen Königshofe be- stätigt wird.

Türkei.

Nachdem die griechishe Regierung die Zustimmung er- teilt hat, ist Ghalib Kemak Bei zum Gesandten ift Athen ernannt worden.

Der Ministerrat beriet in seinen beiden leßten Sißungen den türkisch-serbishen Friedensvertragsent- wurf. Wie „W. T. B.“ meldet, find einige Punkte noch unentschieden. Die gefaßten Beschlüsse wurden gestern nach- mittag dem serbischen Delegierten Pawlowitsch mitgeteilt.

Bulgarien.

Die endgültigen Wahlergebnisse stehen noh aus, doch lassen die eingelaufenen Berichte, wie „W. T. B.“ meldet, be- reits erkennen, daß die Regierung in der Sobranje über eine Mehrheit verfügen wird.

Amerika.

Das amerikanishe Repräsentantenhaus hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern mit großer Mehrheit eine Reso- lution angenommen, in der der Präsident Wilson ersucht wird, Churchills Anregung, betreffend die internationale Rüstungspause im Bau von Schlachtschiffen, zu unterstützen, soweit dies mit den Jnteressen der Vereinigten Staaten vereinbar sei.

Die kanadishe Regierung hat durch eine Ver- fügung die Einwanderung von Handwerkern und Arbeitern nah der Provinz British Columbien bis zum 31. März nächsten Jahres verboten, weil der dortige Arbeits- markt überfüllt ist. Die Verfügung richtet sich nach einer Meldung des „W. T. B.“ gegen keine bestimmte Rasse und Nationalität, aber die neuerliche Agitation gegen die Zulassung von Jndern hat den Anstoß dazu gegeben.

Ein Tagesbefehl an die mexikanische Armee untersagt, obiger Quelle zufolge, jede Belästigung der Aus- länder und erklärt, daß das Leben 1.nd das Eigentum der Ausländer geachtet werden müssen, Weder Geld noch

.

Nahrungsmittel dürfen von ihnen verlangt werden. Es soll den Ausländern freistehen, die Kampfzone zu verlassen, sobald sie es wünschen.

Nach einem Telegramm aus Juarez sind die Nebellen Herren der Stadt Chihuahua. Der General Villa ist bis gestern mittag nicht in die Stadt eingerückt. Der Gouverneur ist bereit, sich General Villa zu ergeben. Auch Yxcustleas und Tepic sollen von Rebellen eingenommen worden sein.

Afrika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat die Harka Tarudant, die am 3. d. M. gegen aufständishe Stämme ausgezogen war, feindlihe Ansammlungen zerstreut und vier Dörfer genommen.' Die Verluste der Aufständischen an Waffen und Pferden sind bedeutend.

Statistik und Volkswirtschaft,

Bei dem Landheere und der Marine 1912 eingestellte preußische Mannschaften ohne Schulbildung.

Im „Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen“ wird eine Uebersicht über die Zahl der im Erfatzjahre 1912 bei dem Landheere und bei der Marine eingestellten Mannschaften, die in den Aushebungsbezirken der preußishen Militärverwaltung ihren leßten Wohnsiß oder Aufenthalt batten, mit Bezug auf ihre Schulbildung gegeben. Danach sind aus diesen Bezirken 1912 aus\chließlch der Einjährig - Freiwilligen bei dem Land- heere 206218 Mann, darunter 127 Personen oder 0,62% ohne Schulbildung, und bei der Marine 22887 Mann, unter diesen 2 Personen oder 0,009 9%/% ohne Schulbildung, zusammen 229-105 Mann eingestellt worden, von denen 129 Personen oder 0,056 9/9 ketne Schulbildung hatten. Von diefen Mannschaften ohne Schulbildung sind 57 in Preußen geboren, und zwar 9 im Regierungsbezirk Posen, 5 im Ytiegierungsbezirk Düsseldorf, je 4 in den NRegterungsbeztrken Allenstein, Magdeburg und Aachen, je 3 in den Bezirken Danzig, Marienwerder, Oppeln und Cöln, je 2 in den Bezirken Lüneburg, Viünster, Cassel und Trier und je 1 in den Regierungsbezirken Königsberg, Frankfurt (Oder), Bromberg, Erfurt, Schleswig, Han nover, Hildesheim, Stade, Osvabrück, Aurich und Koblenz; 15 Eingestellte ohne Schulbildung sind in anderen deutschen Staaten und 59 im Ausland (in Nußland, Oesterrei, Frankreich) geboren.

Zur Arbeiterbewegung.

Wie dem „W. T. B.“ aus Wiener Neustadt gemeldet wird, ver- liefen die seit einiger Zeit zwischen den Buchdrucckern und Setzern Niederölsterreichs wegen Erneuerung des im Dezember d. F. ab- laufenden Lobntarifs gefühtten Verhandlungen ergebnislos, da die Unter- nebmer die Forderungen der Seyer nur teilweise anerfennen wollen. Die „Arbeiterzeitung“ meldet dazu, daß rund die Hälfte der Gehilfen und Hilfsarbeiter in ganz ODesterreih au®gesperrt werden sollen. Die Wtener Zeitungsseßzer sind niht unmittelbar beteiligt, da deren Tarif erst Ende 1914 abläuft.

Jn El Ferrol haben, wie ,W. T. B.* erführt, die Wer ft- arbeiter beschlossen, den Autstand fortzusetzen. (Vgl. Nr. 281 d. Bl.)

(Weitere „Statistishe Nachrichten" \. i. d. Ersten Beilage.)

TBohlfahrtspslege.

Berufsbeamte in der Armenpflege deutscher Großstädte.

Son mehrfach hat die Charlottenburger Armenverwaltung in der Feststellung neuer Fürsorgeeinrihtungen die Initiative ergriffen. Solche Erhebungen haben in dankenswerter Weise Klarheit aebraht über den Stand und die Organifation der Säugltngspflege, Trinker- fürtorge, Heilbehandlung, Jugendfürsorge usw. Die neueste solcher Erhebungen der Charlottenburger Armenverwaltung hat sich auf die Anstellung von Berufsbeamten für die Durchführung der groß- städtishen Armenpflege erstreckt; thre Ergebnisse find in den Amtlichen Nachrichten der Charlottenburger Armenverwaltung“ der Deffentlihkeit unterbreitet worden. Man kann nun würdigen, ob es für Großstädte mit stark anwachsender, fluktuterender Bevölkerung als nôtig erscheint, von der bishertgen reinen Form des sogenannten „Glberfelder Systems“ abzuweichen, und zwar durch Hineinscbiebung von Berufsbeamten in die bisher aus lauter freiwilligen Kräften zusammengesete Körperschaft der vraktishen amtlichen Armenpflege.

Natürlich erscheint die Anstellung von Berufsbeamten in erster Linie als ein Versuch, der andauernden Steigerung des Armenetats der Großstädte Einhalt zu tun. Bei der sogenannten ,„ges{chlossenen" Armenpflege, d. h. der Pflege in Anstalten, wie Krankenhäusern, Siechenanstalten, . Arbeits\tätten, Fürsorgeanstalten usw., werden sich allerdings auch durch Umformungen kaum Ersparnisse er- zielen lassen. Für diesen Zweig der amtlichen Armenpflege kommen auch von jeher freiwillige Hilfskräfte nur in geringem Umfange in Frage. Dagegen scheint in der „offenen“ Armenpflege, intbefondere bei den Barunterstüßungen, die den größten Posten jedes Armenetats ausmachen, sehr wohl die Möglichkeit vorzuliegen, Ein- \{chränkungen eintreten zu lassen. Daß hier Erfolge erzielt und den- noch Ungerechtigkeilten und Fehlgriffe tunlihst vermieden werden, dazu können beruf8mäßig eintretende Kontrollbeamte recht wohl beitragen. Während z. B. den ehrenamtlichen Hilfskräften nicht zugemutet werten kann, ihre Zeit und Kraft auch verwickelten Fällen so ein- achend zuzuwenden, wie es erwünscht sein muß, können ersteren zur Seite stehende, niht ihnen vorgeseßte Berufsbeamte hier zur Klärung der Sawblage viel beitragen. i

Um einen Ueberblick über das in dieser Nitung bisher Erreichte zu gewinnen, hat die Charlottenburger Armenverwaltung an alle deutshen Städte mit über 100000 Einwohnern sowie an die Stadt &Slensburg (etwa 70000 Einwohner), weil dort besonders günstige Erfahrungen vorliegen follten, Fragebogen gerihtet. Das Ergebnis ist kurz folgendes: Von den 47 deutshen Grofßstädten hat eine (München) die Anfrage nicht beantwortet. 17 Städte haben bisher keine Berufsbeamte in der Armenpflege angestellt. 28 Großstädte, also etwa zwei Drittel aller, sind, zum Tell {on vor vielen Jahren, dazu übergegangen, Berufébeamte anzustellen. Zwei Städte (Chemniß und Magdeburg) enthalten fih wegen noch nicht genügender Erfah- rung etnes Urteils darüber, ob die Tätigkeit der Berufsbeamten si bewährt hat. Alle übrigen, also 26 Großstädte und ebenso Flensburg, bezeichnen sie als eine außerordentli wertvolle Ergänzung der ehren- amtlichen Tätigkeit. Nur dies soll fiè sein, keine Kontrolle der Ebren- beamten, darüber herrscht allgemeines Einverständnis. Auch da, wo die Ehrenbeamten sich der neuen Organisation zunächst wider- strebend gegenüberstellten, haben sie übecall bald erkannt, welche außer- ordentliche Hilfe gerade ibnen bei ihrer Arbeit die Berufsbeamten leisten. Sie haben thre Unterstüßung fogar vielfa selbst erbeten. Fast überall ist es seit threr Anstellung möglih gewesen, das weitere Änschwellen der Barunterstüßungen einzudämmen und die unberechtigte Inanspruchnahme öffentliher Mittel einzushränken.

Was die ziffernmäßigen Ergebnisse der Erhebung anlangt, fo \ckwankt bei den 26 in Frage kommenden Städten die Zahl der ange- stellten Berufebeamten erheblich. Wo besonders hohe Zahlen er-

* \chetnen, find diese Berufsbeamten meist weibliche, die in der

Waitsenpflege und Säuglings- und Kinderfürforge tätig find. So hat ¿. B. Breslau 18 Posen 15, Mannheim 5 weibli®e UArmen- pflegebeamte angestellt. Im üb1igen stellen sich in alpha- betisher Reihenfolge. der Städte die Zahlen der Berufs- beamten und -beamtinnen in der städtlshen Armenpflege, wie folgt: Aachen 6, Bochum 5, Breslau 18, Bremen 14,

meriget r R A A Lr L R B e LEE E m M B dm A ar

Chemniß 2, Cöôly 12, Crefeld 2, Danzig 3, Dortmund 9, Duisburg %, Düsseldorf 11, Essen 5, Flensburg 1, Frankfurt a. M. 6,

Gelsenkirchen 2, Halle a. S. 1, Hamborn 2, Hannovér 5, -Karls- *

ruhe 3, Kiel 4, Magdeburg 2, Mannheim 6, Neukölln 1, Plauen 4, Posen 15, Saarbrücken 2, Stettin 2, Straßburg 9, Stuttgart 3. Fn einigen Fällen, wo besondere Beamte für diesen Zweck nicht an- estellt find, bedtent man fich der städtischen Shutz-(Polizei-)Beamten zur Mithilfe bei Feststellungen und zur Kontrolle in der Armenpflege.

Soweit direkte Nachweise geführt werden, wird von den meisten ter vorstchend genannten Städte eine finanzielle Abnahme der Armen- lasten nah Einführung der Berufsbeamten bestätigt. ;

Im ganzen muß man wohl feststellen, daß man fich nur {wer entschlteßen kann, das bewährte „Elberfelder System“ durch Cinstellung pon Berufsbeamten derartig umzugestalten, daß das Prinzip der frets willigen, individuellen Armenpflege in ein bureaukratishes Prinzip um- ewandelt wird. Die Verhältnisse sind auch in Städten von annähernd gleicher Größe sehr verschieden, und der Geist der Armenpflege wind immer noch in der Hauptsache von dem Leiter des Armenamts und von den traditionellen Anschauungen der Bürgerschaft beeinflußt naden. Es will nicht viel sagen, daß z. B. in Flensburg, dessen (fahrungen mit der armenpfleglihen Berufsbeamtenshaft als bes \mders vorbildlih betrachtet und deshalb“ in die Feststellungen der Charlottenburger Erhebung mithineingeicgen worden sind, nur ein einziger Berussbeamter funktioviert. Die Anstellung etnes einzigen Berufsbeamten kann anderwärts durch den Dezernenten des Armen- wesens oder durch die besondere Neigung des Bürger- meislers für die exakte Führung der Armenpflege erspart wertcn. So sFieht man denn au, daß bisher solde Groß- städte, deren Armenwesen als auL8gezeihnet organisiert gilt, noch nicht zur Einstellung von Berufsbeamten geschritten sind.

ah dexr Erhebung baben, wie {hon oben gesagt, 18 Städte in diesem

ine geantwortet, in erster Linie Elberfeld selbst, sodann noch

ona, Augsburg, Barmen, Berlin, Cassel, Dresden, Erfurt, Ham- burg (dieses hat allerdings zur Unterstützung der für die Zentralstelle nötigen Feststellungen 2 Kontrollbeamte angestellt), Köntgsberg, Leipzig, Matnz, Nürnberg, Berlin-Scöneberg, Berlin-Wilmersdorf, Wiesbaden. Auch jür Charlottenburg selbst bedeutet die angestellte Erhebung nur eine Information, da diese Stadt ebenfalls bisher keine Berufs- heamte angestellt hat. Die Stadt Braunschweig äußert fich dahin, daß sich die Armendirekticn im Einvernehmen mit den ehrenamtltch tätigen Organen von der in Frage stehenden Einrichtung mehr Nach- teile als Borteile verspricht.

Demnach ist das Ergebnis der verdiensilicen Erhebung der Charlottenburger A1mendirektion dahin zusammenzufassen, daß durch je woh! wichtige Einblicle in die Organisation der großstädtishen Armenpflege gewonnen worden sind, daß aber die Frage selbst, nämlich die Nütlichkeit und Notwendigkeit der Anstellung von Berusfsbeamten, noch eine offene ist.

Kunft und Wissenschaft.

A T. Sa der leßten Sißung der Vorderasiatishen Gesell- haft am 3. Dezember hielt Lr. Gotthold Weil einen Vortrag iber „Die Grundlagen des grammatishen Denkens der Araber“. Der Vortragende wies darauf hin, daß die Wissenschaft rer Grammatik bei den Arabern aus dem Wesen des Islam heraus erflärt werden müsse. Unsere heutige grammatische Methode sei letzten Endes abhängig von der der Griechen, die ihrerseits wieder auf den lTogishen Untersuchungen des Aristoteles beruhe. Die Yraber jedoch seien ohne vorherige logische Fundterurg der Grammatik von den Einzelheiten der Sprache ausgegangen und ouf Grund der besonderen schemäatischen Cigenheiten der arabischen Formenlehre zu dem Ergebnis gekommen, daß die ganze Sprache der äußere Yubdruck der inneren Weltharmonie und der Vernunft sei. Da fie die Grammatik nicht in Formenlehre und Syntax, sondern nur in inzelne Wortformen einteilten, so mußte diese VoUkommenheit und Zweckmäßigkeit der Sprache in jedem Worte, d. h. in j-dem Konfonanten ind jedem Bokale zum Ausdruck kommen. Die höchste Aufgabe des Srammatikers fel es, diese Vernunft nachzuweisen und die Gehcimnifsse der Sprache aufzudecken. Die Sprache als Spiegel des Denkens und der Grscheinungen in Natur und Leben .unterltegt, nah dieser Meinung, denselben vernünjtigen Gesetzen, wie das Leben und die Natur selbst. Der Vortragende belegte seine Ableitungen und Be- jauptungen mit einer Reihe von Beispielen und wies am Schlusse arauf hin, daß diese sonderbare, formal-.rationelle Methode der aräbisWen Grammatikec nicht einfa von unserem heutigen über- zenen Standpunkt aus als lächerlih abgetan werden dürfe, sondern

“u

daß wtr bestrebt sein müssen, fie aus der Eigenart des Jslam und

‘c wissenschaftlihen Methodologte heraus zu verstehen. Eine vate Aussprache s{chloß ih an den lehrreichen Vortrag an.

Nach einer Meldung des Neutershen Bureaus aus Ottawa hat teffansson, der Leiter der wissenschaftlichen Crpedition irch den äußersten Nordwesten von Amerika, von

nt Barrow (Alaska) eine Nachricht gesandt Er sagt darin,

sein Schiff „Karluk“ sei am 12. August 15 Meilen vom Strande entfernt eingefroren. Da er geglaubt habe, es werde dort ten Winter über fest liegen, sei er mit sechs Begleitern an Land Jegangen, um dort zu jagen. Am 20. September sei plöylih ein Sturm losgebrocen. Als er und seine Gefährten wieder an die be- treffende Stelle gekommen seien, set das Eis und mit ihm das Schiff weggetrieben gewesen. Das Schickfal des Schiffes und setner 25 Mann starken Besaßung sei unbekannt.

Die ältesten Haustiere des Menschen. Welche Tiere sich der Mensch zuerst gezähmt und setnem Haushalt eingegliedert hat, läßt ih nah den zahlreihen Funden an vorgeshichtlihen Wohnflätten mit ziemlicher Vollständigkeit ermitteln. Schwieriger aber ist die Frage zu beantworten, wie sch die Verwandlung in Hauttiere voll- ¡ogen hat und in welcher Reihenfolge der Mensch die Tiere heranzog Uuf eine Bestimmung der Zeit dieser Errungenschasten nach Jahr- hunderten oder au nur nach FJahrtausenden wird man wohl ein für allemal verzichten müssen. Außerdem werden die Verhältnisse in den einzelnen Erdgegenden verschieden ge- wesen fein. Als das âlteste Haudöstier wird seit langem der Hund betrachtet. Es könnte jedoch sein, daß das Nenntier zu noch früherer Zeit etn mebr oder weniger gezähmter Genosse des Menschen gewesen ist, nämlich in der sogerannten Epoche des Magda- lenien, mit der die ältere Steinzeit ihr Ende erreiht. Es {t aber zu beahten, daß das Renntier auch heute, wo es als Haustier vor- lommt, z. B. bei den Lappen, als folhes eigentlichß nur unter Mit- wirkung des Hundes gehalten werden kann. Da es aber unsicher ift, ob der Mensch damals {hon über den Hund verfügte, so muß auch eine so frühe Zähmung des Nenntiers bezweifelt werden. Der Hund aber erscheint in der Begleitung der menschlichen Ueberreste jedenfalls zur Zeit der |ogenannten Kjökfenmöbdinger (Küchenabfälle), die namentlich an den nordeuropäischen Küsten nachgewiesen worden sind und der jüngeren Stein- ¿cit angehören. ‘Schon vor nahezu 50 Jahren wies der auggezeichnéte Korwegisde Naturforscher Steenstrup darauf : hin, daß die in diesem UAbfallhaufen enthaltenen Knechen fast immer benagt und au. mehr oder weniger angefressen sind, und diese Leistung wollte er den Hunden zuschreiben, von denen si gleichfalls zahlreiche Knochen in den gleihen Ablagerungen vorfinden. Nach diesen zu urtetlen, sind in der jüngeren Slkeinzeit die Hunde zahlrei und welt verbreitet gewesen, da sie sih an allen aufgefundenen Wohnstätten dieser Epoche finden. Die Reste „allen auf einé einheitlihe Rasse von “mittlerer Größe \ließen, die am meisten unseren Jagdhunden geglichen haben urse. Diese älteste Hunderasse wird als Torfhund be- ¿eihnet. Ihm folgt der Bronzehund in dem nah dieser Metall- mishung und threm Gebrauch benannten Zeitalter. Er ist O größer als der Torfhund und scheint zuerst in Jtalien aufge- treten zu sein. Erst am Ende der Bronzezeit läßt ih etne Zer- [plitterung der Hundesippe in mehrere Rassen erkennen, unter denen

der Windhund, die Dogge und nur noch einige andere naczurwetsen sind. Es läßt sich aber niht annehmen, daß diese Nafsen plöglih entstanden find, sondern sie find wohl nur damals erst gleihfalls vom Menschen in Pflege genommen worden, nachdem er seine Macht über den Hundecharakter erst einmal erprobt hatte. Das Hunde- geshlecht ist an sich weit älter und geht wenigstens bis in die leyte Tertiärzeit hinein. Zu den ältesten Formen ge- hôren der Schäferhund und der australishe Dingo. Der Torfhund stammte wahrscheinlich von einer Zwergrasse, während die späteren großen NRafsen zum Teil durch Kreuzung mit Wölfen hervor- gebraht wurden. Wann die eigentliße Zähmung des Pferdes gelang, ist gleichfalls {wer zu bestimmen. Jn den Pfahlbauten finden sih keine Reste dieses Tiers, von dem die Pfahlbauer auch keinen Gebrauch zu machen gewußt hätten. In Mitteleuroya wurde das Pferd erst ziemlih spät dem Hauthalt des Menschen einverleibt, denn alle Bezeichnungen, die in den westlichen Sprachen auf das Pferd Bezug haben, find dem Sanskrit entnommen, stammen olso aus Innerasien, wo noch heute allein das wilde Pferd angetroffen wird. Dort wird also wohl auch seine Zähmung beaonnen haben und erst in der Bronzezeit einerseits nah dem Westen bis Europa, andererseits nach Ostasien fortaeschritten sein. Die Beziehung unserer heutigen Pferderassen zu asiatischen Pferden läßt sih noch ziemlich gut nad: weisen. Ein kleines Pferd, dessen Reste in Ablagerungen der älteren Steinzeit vorkommen, scheint der Stamm- vater der Zwergrafsen der Gegenwart gewesen zu sein, also der Ponies der Shetlandinseln, von Schotiland, Korsika und Sardinien. Das Schwein hat der Mensch {on früh in seinem Wert exfannt. Fn den Pfahibauten ist es bereits mit zwei Arten vertreten. Die eine entspricht den gewöhnlichen Wildshweinen und besißt eine entsprechende Größe; die andere ist kleiner und wird wte sein Zeitgenosse aus dem Hundegesblecht als Torsshwein bezeichnet. Daß diese Schweinearten damals {hon elne eigentliche Zähmung erfahren batten, ist weder sicher noch wahrscheinlih. Diese is viel- mehr erst in der Bronzezeit zur Tatsahe geworden. Der Urahn aller Hausschweine ist vermutlih das Torfschwetn. Gleich- fals schon in den Pfablbauten tritt der Hammel hervor, ohne Zweifel als ein direkter Nahkomme des Mufflon, das heute nur noch auf den Inseln Korsika und Sardinien erhalten geblieben, chemals aber viel wetter verbreitet gewesen ist. Nach dem heutigen Stande der Forschung wird seine Zähmung zettlih hinter die des Pferdes und auch des Nindes gestellt, und es ist zu beachten, daß sich auf den alt- ägyptishen Wandmalereien noch keine Schaje vorfinden. Auffällig ift die fast vollkommene Uebereinstimmung des Knochenbaue3 der Hammel aus den Pfahlbauten mit dem mancher Rassen, die noch heute tn der Schweiz gezüchtet werden. Ste waren klein und hatten {mächtige Beine und kurze Hörner, ähnlich denen der Zteae. Am Ende der Steinzeit tritt aber bereits eine zweite viel stärkere Nasse auf, die nah dem Schweizer Naturforsher Studer benannt worden ist. Die Ziegen der jüngeren Steinzeit find den heutigen fehr ähnli, aber kleiner. Auh sie slammen wahrscheinlich ebenso wie die euro- päischen Pferde von den wilden Rassen Asiens ab, die noch heute mit unseren Hausziegen gekreuzt werden können. Von der Ziege ist {hon in ägyptishen Urkunden und ebenso in der Bibel dié NMede, Das Nind verlanat 2m. «+ be- sonderes Kapitel der vorgesGichtlihen Forschung. Der Mensch scheint si ziemlih gleihzeitig zweter Ürformen bemächtigt zu baben, nämlich des eigentlihen Uirindes oder Auerochsen und des lang- stirnigen Nindes. Schon vorher war wiederum eine be!'ondere Rasse als Lorfrind in der Begleitung des Menshen. Vom Auerochsen werden manche s{ottisGen, ungarischen, russishen und andere Naßen hergeleitet, vom langslirnigen Rind die Nafsen mit kurzen Höôrnexrn. In den Pfahlbauten find auch Nindershädel ohne Hörner gefunden worden, doch ist ihre Bedeutung noch nit ganz klargestellt worden.

Literatur.

Dietrich Schäfer. Aufsäge, Vorträge und Reden. 2 Bände. Verlag von Gustav Fischer, Jena. (Preis: 18 4, geb. 20 ). Die vorltegende Sammlung von Aufsäßen, Vorträgen und Neden aus etnem Zeitraum von 43 Iahren verfolgt den Zweck, bistorishes Denken in mögli{#t weiten Kreisen zu beleben und Ver- ständnts nationaler und staatlicher Entwicklung zu fördern. Bei der Auswahl war für Professor Schäfer meist dec vaterländische Gedanke maßgebend, der ihn vor allen anderen in gemeinnüßiger wie in wissen- \chaftliber Tätigkeit bewegt und geleitet hat. So versucht er in der Abhandlung „Das neue Deutschland und seine Kaiser“ die Bedeutung unserer neuesten Kaisergeshihte im Zusammenhange mit dem grofien Gange der Geschicke unseres Vaterlandes darzulegen und die Tätigkeit der dret erstin Kaiser gleihsam in ihrer allgemeinhistorishen Be- deutung zu erfassen. Seine Betrachtung kommt zu dem Ergebnis, daß Deutschlands gegenwärtige Stellung in Europa für absehbare Zeit als ein Erfordernis der allgemeinen politishen Weltlage an- gesehen werden darf. In etner weiteren historish-volitischen Abhand- lung über „Deutschland zur See“, die im Jahre 1897 veröffentlicht wurde, als die Frage, ob das Reich einer Verstärkung seiner mar timen Streitkräfte bedürfe, einen lebhaften Meinungsstreit bhervor- gerufen hatte, will der Verfasser das tin weiten Kreisen noch fehlende Verständnis der wetitragenden und ausschlaggebenden Beteutung der &lotte für unsere Zukunft fördern, indem er nahweist, daß es sich um nichts Geringeres als um unsere Existenz handelt, daß wir Deutsche, wenn wir weiter zu den führenden Völkern der Welt zählen wollen, ni{cht auf Macht und Geltung im inter- nationalen Verkehr verzichtén können. An dem Verfall der politt- hen Macht des Neiches gingen die deutsche Hanse und der deutsche Handel zugrunde. Die Deutschen, die sh an Seetüchtigkeit mit allen anderen Nationen messen konnten, die auch in thren traurigsten Zeiten die Meister der Schlachten blieben, mußten das Weitmeer meiden, weil fle als Volk nichts aufbrachten, was man als eine Wehrkraft zur See hätte beze!{nen können. Es fehlte zwa: nicht an Ansäßzen zu einer Erhebung, wie das Beispiel Hamburgs zeigt, wo kauf- männishe Tüchtigkeit und Unternehmungsiust nit erloschen waren, aber immer trat cin Nückschlag ein, weil unser Seehandel des bewaffneten Schutzes entbehrte. Erst mit der Besserung und Fefligung der politi\hen Verhältnisse gewann die aufstelgende Bewegung an Stetigkeit und unser Handel wuchs in rascher Folge; mit der Be- ründung des Deutschen Neichs aber nahm er etnen beispiellosen Auf- shwung und kst jeut zu einer Lebensbedingung für uns geworden, da unsere Indusirie niht den überseeischen Bezug von Robstoffen, unsere Ernährung nit den von Zerealten und Fleisch entbehren kann und wic andererseits auf die Ausfuhr von Fabrikaten angeroiesen find. Eine dauernde Unterbindung dieses Verkehrs dur eine fremde See- macht bedeutete unsern Nuin. In erster Linie komme bier England in Betracht, das dem Wettbewerb Deutschlands auf dem Gebiete der Handels- und Seegeltung am feindlihsten gegenüberstehe. Einer Dar- legung dieses deut|ch-englisWen Zwiespalts ist der Aufsaß über „Eng- lands Weltstellung und Deutschlands Lage" gewidmet. : Daß wirt- \haftlihe Größe nur zu erringen und zu behaupten tit dur politische Macht, wéêist Professor: Schäfer auh in“ seinem Vortrage über bie „Hanse und ihre Handelspolitik* nach, in dem er zeigt, wie die Hanse Geltung auf dem Meere, dem“ fich' bis jeßt noch kein größeres Volk ungestraft entfremdet hat, erwarb, welcher: Art, welhes- Umfangs sie ‘war und. wie sie diese verlor. Aus der Neihe der Aufsätze ‘über -fach- wissenschaftliche Fragen sei * die - Abhandlung über * die „deutsch- ftanzösishe Sprahgrenze“ erwähnt. Jn dieser widerlegt Schäfer die auf die deutsde Benennung ‘mancher französischen Orte und die Endungen der Ortsnamen sih gründende Annahme früherer Stammes- und Sprachenangehörigkett und gibt einen Ueberblick über die Ve- {ite der deutsh-französishen Spracharenze, die troy aller Kämpfe um dte politische Herrschaft in den Gebieten, die sie durchzieht, eine fast unerschütterlihe Festigkeit bewahrt hat. Diesen festen Bestand erklärt Professor Schäfer vor allem aus der Gleich- wertigkeit der geistigen und wirtschaftlichen Kultur der , Völker zu beiden Selten und sieht darin auch einen Beweis, daß die vielgeschmähte Neigung der Deutschen, thr Volkstum aufzugebèn,

wentgstens bei unserer ansässigen Bevölkerung nicht vorhanden ist. Nicht minder interessant ist die Unterjuchung über „die militärische und politishe Bedeutung der Großstädte“, in, ihrer engen Beziehung zur Entstehung und Lage, zu ihren Bevölkerungsverhalt- nissea, threr wirtschaftlichen und geistigen Entwicklung, Welchen strategishen Wert eine Großstadt als Sammelort für Hilfskräfte und Kriegsmittel aller Art, als Schnittpunkt der Chausseen und Eisen- bahnlinien gewinnt, wie überragend auch im Frieden ihr politischer Einfluß ist in ihrer öôrtlihen Verbindung mit der Regierung und Verwaltung des Landes, als Verkehrsmittelpunkt und Handels- vlay, als Sitz zahlreiher Bildungéstätten, die im Verein mit der Presse die Provinz in geistige Abhängigkeit bringen alles das wird ebenso eingehend wie auregend geschildert und mit einer Betrachtung über die politischen Gefinnungen be- schlossen, die im allgemeinen von großstädtishen Bevölkerungen ver- treten werden. Diesen und anderen Aufssäten {ließen sih Schilte- rungen der Pfalz und des Elsaß, Rothenburgs, Wtébys und Gollants an, ferner Neden zum Gedächtnis Gustav Adolfs, Kaiser Wilhelms I., Bismarcks und Moltkes sowie zur Erinnerung an die Erhebung der deutschen Nation im Jahre 1813. Der reichhaltigen und intere}janten Sammlung, die wohl niemand ohne Belehrung aus der Hand legen wird, ist wette Verbreitung zu wünschen.

Otto Weiß hat unter dem Titel „So seid ihr“ ein Bändchen mit 450 Aphorismen herausgegeben, dem zwei ähnliche porausgegangen waren (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt; 3 F, geb. 4 M). Der Verfasser verfügt über die Gabe, das Ergebnis langer Gedankenreihen in wenige Worte zusammenzufassen, in denen mit großer, oft verblüffenter Prägnanz das Ergebnis gezogen wird; und wenn in einer so großen Sammlung von Gedankensplittern natürlich auch manches weniger Charafteristische oder gar Abgegriffene mitunterläuft, der großen Mehrzahl nah sind die Aphorismen eigenattig in der Form wie nach ihrem Inhalt. Auch haftet Weiß meist nicht an der Oberfläche und unter vielem, was wie ein leihter Wiß erscheint, birgt sich eine tiefere Erkenntnis, eine fein geschliffene Wahrheit, eine lâhelnd ausgesprochene dbiitere Sentenz. Daß in folchen aphorit1tis{hen Urieilen über das Denken und Handeln der- lleben Mit- menschen vornehmlich deren Schwächen ans Licht gezogen und gegeißelt werden, pflegt ja die Regel zu sein; auch die vorliegende Sammlung macht hiervon keine Ausnahme und das gibt ihr eine gewisse Schärfe und einen Zug der Verneinung, die aber nit einseitig überwiegen. Alles in allem ist das Weißsche Buch nicht nur unterhaltend, sondern auch geeignet, mancherlei nachdentliche Gedanken zu erweckden. Ein heher ethisher Gehalt und menschenfreundlihe Weisheit, wie sie z. B. aus ten „UAphorismen“ der Marie vonEbner-Cschenbach sprechen, gehen ihm aber ab.

Im Verlag des Vereins der Bücherfreunde ist eine Schrift von Johannes Trojan: Fahrten ‘und Wanderungen er- schienen (3 4). Der Verfasser ist als feinfinniger, humorvoller Dichter und Schilderer in weiten Kreisen bekannt, so darf man denn annehmen, daß auch das vorlieaende Büchlein, in dem er, bald fröhlich plaudernd, bald anschaulih) belehrend, allerlei Reiseeindrücke mitteilt, zahlreihe dankbare Leser finden wird. Die kleine Samm- lung enthält Schilderungen von Reisen, die innerhalb der Jahre 1859 bis 1904 unternommen wurden, und die Trojan burch- die \{önflen Gegenden des deutshen Vaterlandes, aber auch nach Schweden, Schottland und Oberitalien führten. Da gab es für sein allen Schönen offencs Auge viel ¿u s{auen, für sein heiteres, warmes Gemüt zahl=- reie Cindrüd@e aufzunehmen und festzuhalten. Soweit diese Neise= eindrüdckte auch zeitlih auseinanderltegen alle, ob Fe der fraftvolle Mann oder der rüstige Greis aufzéihnete, zetgen die gleiche Aufnahme- fähigteit und Avschaulichkeit. Die Schönheit der Landschaft, das bunte Leben und Treiben der Gegenwart weiß der reisende Dichter ebenso lebendig zu schildern, wie die geschichtlihe Vergangenheit von neuem lebendig zu machen; über alles aber ist ein erfrisender Humor gebreitet, der besonders herzhaft aufleuchtet, wenn in den gea fegneten Weingauen ein guter Tropfen die Wanderfreuden erhöht. Peögen recht viele Leser zu dem harmlos, heiteren Buche greifen und ih an feinen Schilderungen froher Wander- und NReisetage erfreuen.

Der Verlag von F. Brulmann in München gibt ein Pracht- werk, entbaltend 50 Zeidnungen nah Wu Tao: Tze aus der Götter- und Heldensagenwelt Chinas heraus. Die Werke Wu Tao-Lzes, tes Schöpfers der klasfishen Malerei in China, find in Originalen niht auf die Nachwelt gekommen, wohl aber find sie in Kopten des Lt Lung Min, des größten chinesishen Malers aus dem elften Jahrhundert, erhalten. Diese Skizzen, in denen vornehmlich das Leben der Himmelsfürsten sowie das Ge- richt vor den Höllenkönigen dargestellt wird, find in Tusche ausgeführt und von unübertreffliher Feinbeit und Kühnheit der Pinselführung; sie sind geetgnet, uns die chinesishe Malerei in den Werken eines der größten Meister des Ostens nahe zu bringen. Die Brucmannsche Publikation enthält 50 Blätter in großem Format und in feinster Ausführung; die Herausgabe hat F. N. Martin besorgt. Der den Blättern beigegebene Text beschränkt fich auf eine kurze Kritik der bildlihen Darstellungen und auf Hinweise auf die Be- wegungen in der @Minesishen Kunst unter Berücksichtigung der fremden Cinflüsse und der Wehselwirkungen zwishen Osten und Westen. Zu den chinesisWen Bezeichnungen auf den Blättern hat der Dr. Haent|ch vom Museum für Völkerkunde in Berlin eine deutsche Nebersezung aeltefert. Das kostbare Werk ist zur Subskription aus=- gelegt; Sukfsfkribenten, deren Bestellungen bei dem Verlag bis Ende dieses Jahres eingehen, erhalten das Werk für 200 ;- vom 1. Januar 1914 ab wird der Preis auf 250 4 erböht.

Bauwesen.

Zu elner Ausfpraße über den Einfluß der Baupolizei- verordnungen auf die ästhettshe Gestaltung der Bauten veranstaltete der bei der Zentralstelle für Volkswohlfahrt bestehende Hauptausschuß für Bauberaiung om 6. Dezember in Berlin eine Konferenz, die aus allen Teilen des Neicbes vnd namertlih auch von den Zentralbebhörden des Reiches und der Einzelstaaten zahlrei beschidckt war. Professor Kloeppel - Danzig erörterte die allgemeine Be- deutung der Baupolizeiverordnungen für die ästhetishe Gestaltung der Bauten und gab einen Uecberblick über das wechselnde Verhalten der öffentlichen Gewalten gegenüber der privaten Bautätigkeit. Gr wies nach, daß namentlich im 17. und 18. Jahrhundert die landes- fürstlihe Negterung planmäßig darauf au®gegangen set, die Gestaltung des Straßen- und Ortsbildes im Sinne der Schaffung eines ein- heitlihen Kunstwérkes zu beeinflufsen. Im 19. Jahrhundert habe die Bavpoltzei von der Verwirklihung derartiger ästhetisher Gesichts- punkte Abstand genommen. Es fei aber nicht ausgeblieben, daß troßdem ihre Vorschriften und ihr Verhalten auf die Gestaltung des Straßenbildes von Einfluß gewesen sei, und daß dieser Einfluß als ein zum Teil ungünstiger bezeichnet werden müsse. Auch die Bau- polizei müsse an ihrem Teile dahin wirken, daß die individualiftische Behandlung des einzelnen Baupvrojektes verschwinde und das Ziel einer einheitlihen fünstlerisGen Behandlung des ganzen Straßen- und Playraumes in den Vordergrund gestellt werde. Von den folgenden beiden Referenten, welche die wichtigsten Grundsäße behandelten, die bei Aufstellung und Hav. dhabung der Bauordnurgsvorschriften aus äslhetischen Gründen «zu “beachten sind, legte -- der » eine Referent, Stadtbaurakt Bohrer- Aalen, ck das * Hauptgewicht * darauf, daß die -Baupolizéis verordnungen von allen Vorschriften ‘befreit werden, die cine Hemmung ; des künstlerishen Gestaltens nach“ sich * ziehen, während Magislrats- baurat Berger- Bréslau eine Héihe von Vorschlägen“ dafür machte, wie etwa die Bestimmungen der Bauordnungen gefaßt werden müßten, damit auch die künstlerishen Gesichtspunkte Beachtung finden. Die mehëestündige Aussprache in Verbindung mit den Referaten bestärkte unter den Teilnehmern die Auffassung, daß die Baupolizeivorschriften auc in ästhetisher Beziehung sehr verbesserungsfähig seien, und dex Vorfißende, Professor Dr. Albrecht, stellte in Autsicht, daß der Hauptavs\{uß für Bauberatung bemüßt sein wolle, bestimmte Vors {läge für die Verbesserung der Bauordnungen auszuarbeiten.