1913 / 291 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Dec 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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und am 8. Januar 1914 în den Morgenstuyden von *9 Uhr früh ab offen liegen wird.

Jn diesen Bureaus - werden auch die Legitimationskarten zu der Eröffnungssißung ausgegeben und alle fonst erforder- lichen Mitteilungen in bezug auf diese gemacht werden.

Berlin, den 10. Dezember 1913.

Der Minister des Jnnern. von Dallwißt.

Ministerium der geistlihen und Unterricht ss angelegenheiten.

Dem Gymnasialdirektor Bernhard Heun ist die Direktion des Gymnasiums in Hadamar übertragen worden.

Kriegsministerium.

Die Militävintendanturreferendare Roeder, Heldmann, Preisigke von den Jntendanturen des XVIIIL., VIII. und VII. Armeekorps sind zu etatemäßigen Militärintendantur- assessoren bei den Jntendanturen des XYVIIL, VII. und XX1. Armeekorps,

der Betriebsassistent, Militärbaumeister, Dipl.-Jng. Reit- meister bei der Gewehrfabrik in Siegburg ist zum Betriebs- leiter und |

der Lehramtspraktikant Zahlten beim Kadettenhause in Wahlstatt zum Oberlehrer des Kadettenkorps ernannt worden.

eann maMmunq,

T. Die am 2. Januar 1914 fälligen Zinsscheine der preußischen Staatsschuld, der Reihsshuld und der Schußgebietss\chuld werden vom 22. Dezember ab eingelöst durch

die Staatsschuldentilgungskasse in Berlin W. 8, Tauben- straße 29,

die Königlihe Seehandlung (Preußishe Staatsbank) in Berlin W. 56, Markgrafenstraße 46 a,

die Preußische Zentralgenossenschastskasse in Berlin C. 2, am Zeughauje 2,

die Reichsbankhaupikasse in Berlin SW. 19, Jägerstraße 34,

die Reichsbankhaupt- und Reichsbankstellen und die mit Kasseneinrichtung versehenen Reichsbanknebenstellen,

die preußischen Regierungshauptkassen, Kreiskassen und haupt- amtlich verwalteten Forstkassen,

die preußischen Oberzollkassen und Zollkassen, durch die Zoll- kassen jedoch nur, sfofern die vorhandenen Barmittel die Einlösung gestatten.

Die Zinsscheine können in Preußen auch vom 22. De- zember ab allgemein statt baren Geldes in Zahlung gegeben werden bei allen hauptamtlich verwalteten staatlichen Kassen, mit Ausnahme der Kassen der Staatseisenbähnvertvaltung, sowie bei Entrichtung der durch die Gemeinden zur Hebung ge- langenden direkten Staatssteuern. Ermächtigt, aber nicht ver- pflichtet zur Annahme an Zahlungsstatt sind die Reichspost- anstalten.

Die Zinsscheine sind den Kassen nah Wertabschnitten ge- ordnet mit éeinem Verzeichnis vorzulegen, in welhem Stückzahl und Betrag für jeden Wertabschnitt, Gesamtsumme sowie Namen und Wohnung des Einlieferers angegeben sind. Von der Vorlegung eines Verzeichnisses wird abgesehen, wenn es sih um eine geringe Anzahl von Zinsscheinen handelt, deren Wert leiht zu über- sehen und festzustellen ist. Formulare zu den Verzeichnissen werden bei den beteiligten Kassen vorrätig gehalten und nach Bedarf unentgeltlih verabfolgt. Weniger geschäftskundigen Personen wird auf Wunsch von den Kassenbeamten bei Auf- stellung der Verzeichnisse bereitwilligst Hilfe geleistet werden.

H. Die am 2. Januar1914 fälligen Zinsen der in das Preußische Staatsschuldbuch und in das Reichs- \chuldbuch eingetragenen Forderungen werden, soweit sie dur die Post oder dur Gutschrift auf Reichsbankgirokonto zu berichtigen find, vom 18. Dezember ab gezahlt. Die Bar- zahlung der Zinsen bei der Staats\chuldentilgungskasse und bei

er Reichsbankhauptkasse beginnt ebenfalls am 18., bei allen anderen Zahlstellen am 22. Dezember.

Die Zahlung der Zinsen durch die Post geschieht, wenn kein gegenteiliger Antrag gestellt ist, innerhalb des Deutschen Reichs im Wege des Postüberweisungs- und Scheckverkehrs. Dabei werden Beträge bis 1500 4 und im Falle der Ueberweisung auf ein Postscheckonto auch höhere Beträge ohne Abzug der Postgebühren gezahlt; nur die Bestellgebühren fallen dem Empfänger zur Last. Werden da- egen die Zinsen auf Wunsch durch Postanweisung oder Geld- rief gezahlt, so hat der Empfänger Postgebühren und Porto zu tragen.

TLT. Die Staatsschuldentilgungskasse ist am 29. De- zember für das Publikum ' geschlossen, am 30. Dezember ist sie von 11 bis 1 Uhr, an den übrigen Werktagen, auch am 31. Dezember, von 9 bis 1 Vhr geöffüet.

Berlin, den 2. Dezember 1913.

Hauptverwaltung der Staatsschulden und Reichs\chuldenverwaltung.

von Bischoffshausen.

Bekanntmachuna.

Dem Markscheider Ernst Schröder is von uns unterm 15. November 1913 die Berechtigung zur selbständigen Ausführung von Markscheiderarbeiten innerhalb des preußischen Staatsgebietes erteilt worden. Derselbe hat seinen Wohnjiß in Bochum genommen.

Dortmund, den 6. Dezember 1913.

Königliches Oberbergamt. J. V.: Kaltheuner.

Dezaun{mamuUn g

Dem Markscheider Karl Fehring ist von uns unterm 15. November 1913 die Berechtigung zur selbständigen Ausführung von Markscheiderarbeiten innerhalb des De 4 Staatsgebietes erteilt worden. Derselbe hat seinen Wohnfiß in Essen-Nuhr genommen. Dortmund, den 6. Dezember 1913. Königliches Oberbergamt. J. V.: Kaltheuner.

Nichfamflicßes.

Deutsches Neidch.

Preußen. Berlin, 10. Dezember 19183.

Seine Majestät der Kaiser: und König nahmen heute vormittag im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des Ministers der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach, des Ministers für Handel und Gewerbe Dr. Sydow und des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rats von Valentini entgegen.

Jhre Majestät die Kaiserin und Königin empfingen heute im Neuen Palais bei Potsdam im Anschluß an die Audienz bei Seiner Majestät dem Kaiser und König den chinesischen Gesandten Dr. W. W. Yen in Antrittsaudienz.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll- und Steuerrvesen und für Handel und Verkehr hielten heute eine Sigung.

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Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 8. Dezember S. M. S. „Breslau“ in Alexandrette, S. M. S. „Victoria Luise“ in Smyrna, S. M. S. „Tiger“ in Hongkong und S. M. Flußkbi. „Otter“ in Kiukiang eingetroffen.

Vayern.

Jn dex Kamnier der Abgeordneten gab in der gestrigen Abendsißung der Ministerpräsident Freiherr von Hertling bei der Beratung der Aufwendungen für Jndustrie, Gewerbe und Handel betreffs der Frage einer stärkeren Ver- tretung der gewerblichen Stände in der bayerischen Kammer der Neichsräte laut Meldung des „W. T. B.“ folgende Erklärung ab:

Ich erkläre, daß ih mich ins Einvernehmen mit den zuständigen Ministern seßen werde und durchaus bereit bin, der Frage näher zu treten, inwieweit unter Berücksichtigung der veränderten Zett- verhältnisse und der wirklißen Bedürfnisse Aenderungen in der Kammer ter Neichsräte vorzunehmen find. Aber die dankbare An- erkennung, dle die Negierung der Tätigkeit {uldet, durch die die Nethsratskammer sich um -das bayerishe Verfassungsleben verdient gemacht hat, verbietet es, diese Frage zu lösen ohne enge Fühlung- nahme mit der 9eichsratékammer selbst. Jch werde zunächst mit der Neichsratskammer Fühlung nehmen, und wenn sich die Verhandlungen der Neichsratskammer und des Ministeriums zu bestimmten Vor- {lägen verdichtet haben, wird die Negierung in dieser Frage die Initiative ergreifen.

L UUSIQUE der ammer Der MetMsraie hat den Geseßentwurf über die Erhöhung der Zivilliste in namentliher Abstimmung einstimmig angenommen.

Befterreich-Ungarn-.

_ Die ungarische Delegation verhandelte gestern vor- mittag über die österreihisch-ungarishe Politik während der Balkankriege. Zu der Sizung war auch die Opposition erschienen.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Minister des Aeußern Graf Berchtold in Erwiderung auf Anfragen, daß Oesterreih-Ungarn gemeinsam mit den übrigen Großmächten tat- sächlich bestrebt gewesen sei, den ersten Balkankrieg zu verhindern. Er verweise von neuem darauf, daß er im Interesse der Wahrung des Friedens im August des vorigen Jahres bet den Großmächten eine Aftion eingeleitet habe, um die Pforte zu gründlichen reorganisatorishen Vèaß- nahmen im Interesse threr Nationalitäten zu veranlassen. Die Aktion der Regierung habe nicht zu dem Ergebnisse geführt, daß sie dem Kriege vor- beugte, jedo den Nußen gehabt, daß die Kabinette in etnem gewissen Ideen- austausch miteinander standen. Auf dieser Grundlage habe dann \pâter das Vorgehen der Großmächte eingesetzt, das eine Regelung im allgemeinen Einverständnis hinsichtlih gewisser Fragen zur Wieder- herstellung des Friedens bezweckte. Was die durch den „Matin“ be- kannt gewordenen Verträge zwischen den Balkanstaaten an- lange, so habe er der Natur der Sache nah keine offizielle Kenntnis von ihnen erlangen können. Er fet darauf angewiesen gewesen, sobald die einzelnen Details der Verträge zur Kenntnis der Regierung ge- langt seien, sich ein Bild über die Lage zu verschaffen. Jeden- falls, sagte der Minister, stehe es fest, daß Oesterreih- Ungarn bei der damaligen Lage in dem Bestreben, den Frieden zu erhalten, nicht habe weiter gehen können, ohne daß es für etne Partei direkt Stellung genommen hätte. Dann wäre gerade die Lage entstanden, die nur Feinde der Monarchie wünschen könnten, daß ODesterreih-Ungarn fich nämli in offenem Gegensaß zu sämtlichen Balfkanstaaten befunden hätte, wobei nit vergessen werden dürfe, daß jene vielleicht auch in dem Gedanken lebten, daß sie auf die Hilfe einer Großmacht zählen könnten. Auch binsichtlih des zweiten Balkankrieges gebühre der Regierung kein Vorwurf, daß fie nicht alles unternommen hätte, um diesen Feldzug zu verhindern. Alle öôsterreihisch-ungarisch-n Gesandten auf dem Balkan hätten Weisung gehabt, nahdrücklih die Aufrechterhaltung des Friedens an- zuraten. Die diplomatische Tätigkeit Oesterreih-Ungarns habe sih auf diesem Gebiet deswegen eine gewisse Reserve auferlegen müssen, weil die Vertcäge der Balkanstaatèn das Amt eines Schtedörichters für den Fall von Gegensägen ausdrüdckltch einer anderen Großmacht über- tragen hätten. Das Selbstverfügungsreht der Balkanstaaten und die Stellungnahme dagegen, daß irgend eine Großmacht dieses Selbst- verfügungsrecht einshränke, sei ein traditionelles Prinzip der österrethis{- ungarischen Politik. Wie wenig die Regierung den zweiten Balkan- krieg herbeigewünsht habe, beweise am besten ihr ernstlihes Bestreben, eine steundschaftliche Verständiguung zwischen Rumänien und Bulgarien herbeizuführen. Die Antwort des Ministers wurde von der Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Der Berichterstatter Nagy führte aus, dem Minister des Aeußern gebühre alle Anerkennung für die Wahrung des L angesichts des Abgrundes, an defsen Nande die Monarchie während der Balkan- frife gestanden habe. Es sei belanglos, daß Deutschland den Bukarester Den früher anerkannt habe als die Monarchie. Der ODrei-

und bleibe gleichwohl der stärkste Hort des europäischen Friedens. Der Oppositionelle Graf Carolyt erklärte sich mit der Leitung der äußeren Politik unzufrieden, weil fie im Drei- bund nicht die ihr gebührende Rolle gespielt habe. Der Delegierte Berzeviczy betonte, es gebe für die Monarchie keine günstigere Kräftegruppterung als das Festhalten am Dreibunde. Das Ergebnis der Balkankrise zeige, daß die panslawistishe Idee Bankerott erlitten habe, ebenso das europäishe Konzert. Baron Hengelmüller trat der Behauptung entgegen, daß Oesterreih-Ungarn \ih hinter dem Füuden Guropas verstede.

__ Während der VYtede Hengelmüllers wurde auf Verlangen Ra- kovs;kys die Beschlußunfähigkeit festgestellt und die Sigung unter großem Lärm der Opposition \uspendiert, der bei Wiederaufnahme der Sizung andauert. Graf Andrassy erklärte, das Verhalten Deutschlands gestatte keineswegs die Folgerung, daß Deutschland Vesterreih-Ungarn im geringsten untreu geworden wäre und daß es

nicht alles getan hätte, worauf Oesterreth-Ungarn kraft seines Bünd- nisses hätte rechnen tônnen. Er sei ein unbedingter Anhänger des Dreibundes, au deshalb, weil die Zukunft Ungarns vernichtet wäre, wenn die Germanen niedergerungen würden. Innerhalb des Drei- bundes aber müsse Oesterreih-Ungarn eine gewisse Selbständigkeit be- sigen. ODesterreih-Ungarns Aufgabe sei es, die Gegensäge zwischen den Ententemächten und dem Dreibunde zu mildern.

Sodann ergriff der Ministerpräfident Graf Tisza das Wort und erklärte, daß das leitende Prinzip der äußeren Politik Oesterreih- Ungarns in der Wahrung des Friedens bestanden habe und tin der Sicherung der freien ökonomischen Entwicklung des Balkans fowie der Unabhängigkeit der Balkanvölker. Der Minister kam dann auf Nußland zu teen und sagte: „So oft die russische äußere Politik unserer Monarchie ermöglichte, eine freund\schaftlihe friedlihe Ver« trauenspolitik Nußland gegenüber zu befolgen, gab es bei uns feinen einzigen Faktor, der dies nicht mit größter Freude begrüßt hätte. Wenn unsere äußere Politik während etner sehr kompli- zierten diplomatishen Kampagne und zwar nicht in einer Anzelegenheit, wo unsere eigenen Interessen gefährdet waren, sondern vom allgemeinen europäischen Gesichtépunkt aus in der einen oder anderen Frage ihren Standpunkt modifiziert hat, so kann ihr daraus kein Borwurf gemacht werden.“ In drei von dem Minister des Aeußern firxierten Fragen, bezüglich deren die Interessen der Monarchie berührt erschienen, nänilich bezüglich der militärischen Stellung an der Adria, bezüglich der Unabhängigkeit Albaniens und gewisser Rumänien zu leistenden Kompensationen habe die Monarhie ihr Ziel erreiht. Der Ministerpräsident widerleate die Behauptungen von der Notwendigkeit und Nügßlichkeit der Wiederbesfezung des Sandshaks während des Krieges und erklärte: „Wenn wir Albanien zu“ Hilfe eilen müßten; so würde dies nicht über dte Gebirg8züge des Karstes geschehen müssen. Glüdclicherweise ltegt eine folhe Notwendigkeit niht vor. Allein, sollte es notwendig fein, so würden wir unsere Angelegenbeit mit Serbien gewiß niht im Sandschak und nicht an der serbish-alba- nishen Grenze, sondern ficher an einer für Sérbien vtel exponiecrteren und gefährllheren Stelle austragen.“ Der Ministerpräsident wandie sich dann der Kritik zu, die an seiner im Juni des Vorjahres im Abgeordnetenhause gehaltenen Rede geübt wurde und ftellte fest, daß darin nichts weniger als eine Aufforderung an die Balkan- staaten zum Kriege gelegen habe. Hinsichtlih der Tragweite des damaligen Telegramms des Zaren, erklärte Graf Tisza, habe die offentliche Meinung nicht vollsiändig im Neinen fein können. Oesterreih-Ungarn habe nicht geduldig hinnehmen können, daß feine unmittelbaren Nachbarn derart zur Annahine des russishen Schieds- \spruchs aufgefordert würden, in einer Weise, die einer neuen Ankündkgung der russischen Protektoratsneigung geähnelt habe. Deéhalb set €s notwendig gewesen, eine Klarlegung zu verlangen. Die Ereignisse bâtten allerdings gezeigt, daß der Zar auch in diesem Schritte von der Friedeneliebe geleitet worden wäre, von der er während seiner ganzen bisherigen Herrschaft Zeugnis gegeben habe. Bezüglih der Bufka- rester Nevisionsfrage erklärte der Ministerpuäsident, die Ergän- zung des Bukarester Friedens hätte niht eine Vernthtung des bedeut= \amen Werks Numänitens bedeutet, sondern eine Sicherung der Grund« lagen des Bukarester Friedens durch eine allgemeine europäische Sanktion. Graf Tisza stellte fest, daß die Arbeiten zur Feststellung der Grenzen Albaniens so sicher vorwärts \chreiten, daß die Hoffnung nicht unberechtigt sei, daß endli auch diese leßte unerledigte Frage zur allgemeinen Beruhigung gelöst werte. Der Redner stimmte dem Grafen Andrassy zu, daß die Monarchie die Rolle des Vermittlers mit den Mächten der Ententegruppe zu spielen habe. Dies gelte aber nur insoweit, als in Zukunft, namentlich seitens Nußlands, eine Politik zur Geltung gelavge, die feine Gegensätze zwischen Rußland und der Balkanpolitik der Mcnarchie heraufbes{chwöre. Der Ptinisterpräsident stellte ferner mit Freude fest, daß die Haltung Nußlands in der Gegenwart den Triumph diesex auch von dem Standpunkt der Interessen Rußlands -richtigeren Politik bedeute. Veit Freuden . sei auch eine Besserung der Be- ziehungen zwischen England und Oesterreih-Ungarn festzustellen sowie der Umstand, daß es keinerlei Tatsache gegeben habe, die dieselbe friedlihe Lage niht auch bezüglih Frankreichs ficher stellen würde.

Der Wahlreformaus\chuß des galizischen Landtags hat bereits sämtliche 66 Paragraphen der Land- tagswahlordnung durhberaten. Mehrere Paragraphen wurden behufs Ueberprüfung an eine Subkommission verwiesen; über einige wurde die Abstimmung vorläufig vertagt. Der Ausschuß wählte noch eine zweite Kommission, die sih mit der Wahlkreis- einteilung befassen wird.

Frankreich.

_ Der König und die Königin von Spanien sind gestern abend aus London in Paris angekommen.

Nußland.

Da der zum Ersten Vizepräsidenten der Duma gewählte Abg. Konovalow die Annahme der Wahl abgelehnt hat, ist der Oktobrist Warunsehret zum Ersten Vizepräsidenten ge- wählt worden.

Portugal.

In der Deputiertenktammer forderte gestern der Führer der Evolutionisten Almeida den Minister des Aus- wärtigen auf, eine entschiedene Erklärung über das angebliche Uebereinkommen zwischen Deutschland und England, betreffend die portugiesishen Kolonien, abzugeben. Der Minister wiederholte, wie „W. T. B.“ meldet, das formelle Dementi, das er kürzlich gelegentlih eines Vortrages abgegeben hat.

Rumänien.

Der Ministerpräsident Majoresco hat in der gestrigen Kammersizung einen Geseßentwurf, betreffend die Billigung des Bukarester Friedensvertrages und die Festseßung der Grenzen zwischen Rumänien und Bulgarien, ein- gebraht. Der Ministerrat hat ferner beschlossen, einen dring- lichen Geseßentwurf über die Schaffung einer Gesandtschaft und eines Generalkonsulats in Valona einzubringen.

Bulgarien.

Wie „W. T. B.“ meldet, sind nah den bis jeßt vor- liegenden Wahlergebnissen 95 Anhänger der NRegierungs- parteien, 47 Agrarier, 37 Sozialisten, 14 Demokraten, 5 Nationalisten (Anhänger Geschows), 5 Radikale und 1 Fort- schrittler (Anhänger Danews) gewählt worden; diese durch die Verwaltungsbehörden ermittelten Ziffern werden am Freitag von den Gerichten nachgeprüft werden.

Albanien.

Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ ist die internationale Abgrenzungs8kommission am 7. d. M: in Argyrocastro eingetroffen. Die griechischen Behörden hatten, um auf die Kommission Eindruck auszuüben, Kundgebungen in die Wege geleitet. Während die Kommission die Dörfer passierte hielten bewaffnete Männer und Frauen die Auto- mobile an und verlangten, daß Epirus nicht zu Albanien ge- {hlagen werde. Bei ihrer Ankunft in Argyrocastro wurde die Kommission von einem Heiligen Bataillon sowie der Bevölke- rung der benachbarten Dörfer und den Mitgliedern des epiro- tishen Komitees empfangen, die sämtlih Waffen trugen und eine Kundgebung zugunsten der Angliederung an Griechenland

veranstalteten.

Amerika. ; j 3

Der mexikanishe Kongreß hat nah einer Meldung T, B.“ die leßten Präsidentschaftswahlen für

W. E \ 4 4 Ó ültig erklärt, Die Neuwahlen sind für den Januar

angeseßt. i i

Eine Schar Jnsurgenten hat sih gestern des ober- halb der Stadt Tuxpam vor Anker liegenden mexikanischen anonenboots bemächtigt. Sie machte nach Ueberwältigung der Wache die Maschinen und Geschüße unbrauchbar, worauf sie unter Mitnahme eines Quantums Dynamit das Kanonen-

hoot wieder verließ

Parlamentarische Nachrichten.

Auf der Tagesordnung der heutigen (186.) Sigzung,

nlher der Kriegsminister, Géneralleutnant von Falkenhayn, yr Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco und der étaatssetretär des Neichsschaßamts hn beiwohnten, sand zunächst der Bericht der Wahlprüfungs- mmission über die Frage, ob die in die Wüählerliste ein- vetragenen Wähler bei einer Nachwahl zur Ausübung des ahlrechts auch dann berechtigt find, wenn jie ihren Wohnjfiß inzwischen verlegt haben. Die Kommission hai mit 12 gegen 9 Stimmen diese Frage bejaht und \{lägt ferner vor, diesen geshluß dem Herrn Reichskanzler zur Kenntnisnahme mit- zuteilen. / Abg. Dr. Arendt (Rp.): Es handelt sich hier um etne Frage yon gänz außerordentlich prinziptieller, aber sehr geringer materieller Bedeutung. Prinziptiell ist wichtig, ob man nur auf dem Wege der Interpretation ein bestehendes Geseg abändern kann. “Materiell i die Frage deshalb nicht jo wichtig, weil es sih ja immer nur um eine geringe Anzahl von Wahlen handeln wird. Die Frage t umso \hwiertaer, als die Anschauungen, die uns jeßt von der Mehr- it der Kommission vorgelegt worden sind, im Gegensaß zur Auf» issung der verbündeten Regterungen und auch zur früberen Hand- bung des Reichstags stehen. In der Session _1888/89 hat ih r Reichstag auf Grund eines Kommissionsbeschlusies zu der Ansicht fannt, daß eine Aufgabe des Wohnsitzes in dem Wahlbezirke zur Zeit der Wahl abgesehen von dem im § 7 des Wahlgeseßes vom 31, Mai 1869 au8drücklich vorgesehenen Falle, wenn etne Gemeinde in mehrere Wahlbezirke geteilt ist die Wahlberehtigung für jede \vätere, auf Grund derselben Wählerliste vorzunehmende Wahl aus- ließt. Ich gestehe zu, daß durch diese Bestimmung, die bis jegt Geltung hatte, etne gewisse Härte entstehen kann. Aber prinzipielle Nedenken sind höchstens geeignet, eine Aenderung etnes Gesetzes vorzunehmen und nicht eine solhe durch eine Interpretation herbei- zuführen. Der Ausdruck „zur Zcit “der Wahl“ t} ein ganz fest- \tehender Begriff. Daß man bei einem Wohnungswechsel ¡wishen Haupt- und Stichwahl das Wahlrecht in dem alten Wahls retse nit für erloschen hält, das ist vollständig richtig. Denn Haupt- und Stichwahl bilden eine Einheit. Ctwas anderes ist es, wenn diefer Wesel zwischen den allgemeinen Wahlen und einer später vorzu- nehmenden Ersatzwahl statifindet. Die Aufnahme in die Wählerliste gibt an G ketn WahlreWt. Wenn jemand zu Unrecht aufgenommen worden ist, kann später wieder eine Streihung vorgenommen werden. Ind zahlreihe Mandate sind deshalb {on kassiert worden. Die Kommission gab zu, daß im Falle eines Konkurses das Wahlrecht auch in diesem Falle selbverständlih erlisht. Dasselbe muß doch aber auh dann von der Aenderung des Wohnsißes gelten. Zu welchen Ungerehtigfeiten die jeßt von der Kommission vorgeshlagene Praxis führen kann, feht man darin, daß ja dann auch die Saifon- mbetter in den Wakhlkreisen, in denen sie zufällig zur Zeit der Wahl sh aufhielten, au später noch ihr Wahlreht wieder ausüben können. Die Einrichtung unserer Wählerlisten ist keine gute. Sie werden in voller Eile angefertigt und führen leider zu recht groben Verstößen. Ich würde da die Einführung einer ständigen Wähler- liste für das Zweckmäßigste halten. Die verbündeten Regierungen haben in der Kommission erklärt, daß fie eine andere rechtlihe Auf- fassung haben. Dur die Annahme des Kommissionsbeschlusses würden wir also einen Konflikt heraufbeschwören. Würden wir, wie im preußishen Abgeordnetenhause, eine Kommission für das Justiz- wesen haben, dann würde tch vorschlagen, die Angelegenheit dieser zu überweisen. Weder das Plenum noch die Wahlprüfungskommission fönnen aber hier sfahgemäß entscheiden. Ich stelle deshalb den An- trag, eine eigene Kommission von 14 Mitgliedern für diesen Zweck einzusehen. Dann können wir die Frage grundsäßlih lösen. An ciner einwandfreien Wsung haben sämtlihe Parteien das gleiche Ir teresse.

Abg. Dr. von Veit (dkons.): Die Minderheit der Wablprüfungs- kommission hat fih auf den Boden der Ausführungen des Pegierungs- vertreters geflelt; § 7 des Wahlgeseßes sagt in seinem klaren Wortlaut, daß der Wohnsiß zur Zeit der Wahl gegeben fein muß. Ein Zustandsverhältnis, das Innehaben eines Wohnsißes, ist die Vorbedingung zur Ausübung der Wahl. Ich hoffe, daß die verbündeten Regierungen Gelegenheit nehmen, zu betonen, daß der Standtpunkt, den der Kommissar des Neichekanzlers in der Mahl- yrüfungskommission vertreten hat, auch heute noch vom Reichskanzler wtelt wird. F werde, wie der Abg. Or. Arendt dafur stimmen, die der Wahblprüfungskommission vorgelegte Frage verneint wird.

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Da es sich im borliegenden Falle nicht um eine einzelne Wahlprüfung, fon- den um die Ausführung eines Geseßzes Handelt, hat auch ein Kommissar des Reichskanzlers an den Verhandlungen der Kommission teilgenommen und aus derselben Erwägung heraus ¡u der Frage Stellung genommen. Die Ansicht der verbündeten Regierungen, die im Bericht der Wahlprüfungskommission nieder- gelegt ist, geht dahin, daß § 7 des Wahlgeseßes dahin auszulegen ift, daß die Frage, ob die tn die Wählerliste eingetragenen Wähler bei einer innerhalb Jahresfrist nah der lezten allgemeinen Wahl statt- findenden Ersaßwahl zur Ausübung des Wahlrechts auch dann be- redtigt sind, wenn sie inzwischen ihren Wohnsiß aus dem betreffenden Wahlkreis verlegt haben, zu verneinen ist. Dieser Ansicht ist der NReichbkanzler heute noch.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Ein Teil meiner polltishen Freunde trägt Bedenken, eine grundsäßlihe Auslegung eines Gesetzes hier zu beschließen. Das ist noch nie vorgekommen, außerdem kann ein anderer Neichetag auch eine andere Auslegung beschließen. Die Sache bat au gar keine praktishe Bedeutung für die nächsten drei ahre. Ihre prinzipielle Bedeutung aber hier zwishen Tür und Angel vor der Fortseßung der wichtigen Etatsberatung zu entscheiden, ift do bedenklich. Ich bin deshalb dafür, nah dem Antrag Arendt die Prüfung der prinziptellen und rechtlichen Gesichtspunkte einer be- sonderen Kommission zu überweisen. Wir können dann eine Grund- lage schaffen, avf der eine Entscheidung möglich ist.

Berichterstatter Abg. Dr. Pfleger (Zentr.) empfiehlt den Kom- missionsbes{hluß. Der Reichstag könne Grundlagen schaffen, nah denen die Behörden sich zu rihten hätten. Die Wahlprüfungs- loinmission habe die Frage eingehend beraten und es erübrige {ih éine noGmalige Kommissionsberatung. Wenn das Wahlgesey von der Zeit der Wabl spricht, so sei darunter au die Zeit der Auf- stellung der Wählerlisten zu verstehen.

Der Antrag Arendt auf Ueberweisung der Frage an eine besondere Kommission wird gegen die Stimmen der Deulsch- tonservativen, der Reichspartei und eines Teils der National-

wird gegen die Stimmen der Rechten und der Nationalliberalen 4 angenommen.

In erster und zweiter Beratung wird die auf der inter- nationalen Sanitätskonferenz in Paris am 17. Januar 1912 von den Bevollmächtigten von Deutschland und 39 anderen Staaten unterzeichnete Uebereinkunft, betreffend Maßregeln gegen Pest, Cholera und Gelbfieber, ohne Debaite unverändert angenommen.

Es folgt die erste Lesung des von den Abgg. Bassermann (nl.) und Genossen mit Unterstüßung von Mitgliedern aller Parteien mit Ausnahme der Rechten eingebrachten Geseßentwurfs wegen Feststellung eines dritten Nachtrags zum Staatshaushaltsetat für 1913. Durch diesen Nachtrags- etat sollen 500 000 S6 als erste Rate eines im ganzen auf zwei Millionen bemessenen Reichsbeitrags für die Beteiligung Deutschlands an der Weltausstellung in San Francisco bereit- gestellt werden.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Das An steigen der Lebensdauer in Preußen.

Im Widerspruhe mit den allen Statistikern bekannten Tat- salhen sind neuerdings öfters Hinweise auf die Abnahme der Leben8- dauer im Volke zu lesen gewesen, und zwar unter Berufung auf die Statistik, die eine Abnahme des Prozentsatzes der über 50 Jahre alten Bevölkerung nahweist. Die Tatsache der Abnahme des ein Alter von mehr als 50 Jahren erreichenden Bevölkerungsteils ist rihtig, aber die Deutung ihrèr Ursache falsch. Sie beruht nihcht auf einer Zunahme der Sterblichkeit, fondern vielmehr auf einer Abnahme, vermöge deren die jugendlihen Altersklassen sowohl wie die in den mittleren Altersjahren zwischen dem 20. und dem 60. Lebensjahre befind- lichen Personen prozentual zugenommen haben. Zu dieser Zunahme hat auch beigetragen das nabezu völlige Aufhören der Auswanderung in das Ausland bezw. die 1896 bis 1905 beobahtete Zuwanderung, die ganz überwiegend Perfonen im jugendlihen Alter betrifft.

Gegenüber den falschen Urteilen ist hinzuweisen auf die wissen- schaftliche Berehnung der mittleren Lebensdauer in Preußen, die im Statistischen Landetamt für die Zeit von 1867 an in zu]ammen- hängender Reihenfolge für zehn- und fünsjährige Perioden aus- geführt worden ist. Sie zeigt das Bild eines fietigen erfreulihen Aufsteigens. Es ist dies eine ganz natürliche Folge der Besserung der Lebenshaltung der breiten Massen einerseits, der außerordentlichen Fortschritte des Sanitätswesens, der hygienischen Maßnahmen (Ver- forgung mit gutem Trinkwasser, Kanalisation usw.) und der medizinischen Wissenschaft anderseits.

Man beobachtet für die Neugeborenen eine Zunahme der mittleren Lebensdauer in der Zeit von 1867/76 bis 1906/10 um 13,37 Fahre für die Knaben und 14,29 Jahre für die Mädchen! Beim 90. Lebensjahre beträgt freilih die Verlängerung der mittleren Lebens- dauer nur 5,18 und 5,75 Jahre für das männliche bezw. weibliche Geschleht; beim 30. Lebensjahre beträgt fie 3,90 bezw. 4,97 Jahre, beim 50. Lebensjahre 2,33 bezw. 2,59 Jahre. Für die Alterklassen von über 70 Jahren ist allerdings in der leßten Periode 1906/10 im Verhältnis zur vorhergehenden 1896/1905 eine übrigens ganz \{chwacde rüctläufige Bewegung zu beobachten, die aber bei genauerer Einteilung, Trennung nach Stadt und Land, auf die zunehmende Nerstadtlichung der Bevölkerung zurückgeführtwerden kann. Sodann kann bemerkt werden, daß dur die außerordentliche Abnahme der Sterb- lichkeit im Kindesalter und in den mittleren Altersklassen naturgemäß eine Anzahl von an sih \{chwächlihen Perfonen bis ins Greisenalter fommt, alsdann aber dem Naturgeseß des Sterbens um so eher erliegt.

Das Nähere über die Entwicklung der mittleren Lebensdauer ergibt die nachstehende Tabelle: :

Mittlere Lebensdauer der Bevölkerung des preußischen Staates

n = S im Alter in den Jahrzehnten Jabrfünft

von S67—1876|1877—1886]1886-—189511896- 1905 1906" 1910 Jahren ; m wm E mw M. |W.

| | | | 39,7 36,62) 39,74 39 29 42 a3] 4281| 46 52 46 42) 50,03 | 46,04| 48 10] 49,41| 51,38] 93,16| 99,62 99,63) 58 03

48 30| 90,55] 51,58) 53,49] 54,84) 57,34 96,78| 99,18 85) 48 86 51,87] 52,12| 54,08] 54,93 57,41] 06,66) 99,97

46 98| 49,28] 49,46) 51 90f 52 16| 54,10] 54 61| 57 10 96,05) 98,47 46 ,94| 49 22] 49,383| 51,6o] 51,39) 93,89] 54,09| 96,60 99,41) D783 44 ,45| 46 92] 46 70| 49 12] 48,78) 50,89 90,32 52 94) 51,40] 53,89 41,02| 43 18| 42,62| 45 16] 44 56| 46,82 45,95| 48,68] 46,95| 49,62 37,63| 39 657] 38,66| 41,18] 4055| 42,77 41 86) 44 53] 4281| 49,82 34 31| 35,74] 35 o4| 37,80] 3679| 38,85] 37,07| 40 68j 38,81| 41,27 30 85| 32 32) 31,483| 33,60] 32,97! 35 114 34,01| 36,65] 34,76/ 37,29 2741| 29 o6f 27 91| 30 29f 29 24| 31,45} 30 05) 32 78] 30,71 33 84 94 02 25 701 24 62 26 85] 25 68! 27,85] 26,29) 28 97| 26,80 29,41 9076| 22 39] 21 28| 23 99] 22 20) 24,17] 22,70| 25 10] 23,05 17 19| 18 94] 18 15| 19 72] 18,94! 20 44] 19,32| 21.24/ 19,52 14,883| 15 67| 15 u| 16,24] 1588| 16,87 16,14) 17,56} 16 24 12 o 12 51] 12 s6| 13,07] 12,98| 13,68] 13,16 14,12/ 13,21 948) 9,s2] 9,s2) 10,26] 10,25| 10 6s) 1049| 11,07f 10,47, 7,30| 7,63) 7,66) T7,eof 8,00| 8,26) 8,00) 8,44 8,06 (D P 5e) 5,70] 5,88) 6,04 5,91) Gar] 6,00] G 3H 6,02 80 « «} 4,20 4,80] 4,82) 455) 448 4,75] 4,60 4,71 4,41) S0 e a E OION 3,361 3,36| 3,61) 3,41| 9,68 9,40| 9,47] 3,18 O Lor 2,701 2,85| 3,00] 2,95| 2621 2,871 2,17|

Die Ziffern der „mittleren Lebensdauer“, der » Lebenserwartung“ geben die wissenshaftlich richtige Antwort " auf die Frage, wte lange noch im Mittel eine in ein gewisses Alter eingetretene Person zu leben hat, immer unter der Vorautseßzung, daß in der Zukunft die- selbe Sterblichkeit innerhalb der einzelnen Lebensalter herrf{chen wird, die in einer verflossenen, der Rehnung zu Grunde gelegten Periode geherrscht hat. Die „mittlere Lebensdauer“ darf nicht verwechselt werden mit dem mittleren Alter beim Tode; dieses richtet fich nah der Besetzung der Altersklassen in der vorhandenen Bevölkerung und ist in Frankreich erheblich höher als in Deutschland, obglei die Sterblichkeit der einzelnen Altersklassen zum Teil in Deutschland geringer ist. (Nach der „Stat. Korr.“)

R RO O O

rds

Zur Arbeiterbewegung.

Aus London wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß es gestern auf dem Gewerkschaftskongreß zu stürmishen Auftritten fam. Dem Dubliner Arbeiterführer Larkin wurde ein fehr feindseliger Empfang bereitet. Etne Zeit lang herrshte große Unordnung. Swließlich ent- {ted fich der Kongreß mit 228 000 gegen 203 000 auf dem Kongreß vertretenen Stimmen gegen einen allgemeinen Aus- stand zur Unterstüßung der Dubliner Ausständigen. Troß heftigen Widerspruchs Larkins* wurde eine Entschließung gefaßt, die für Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Dubliner Arbeitgebern eintritt. Im Anschluß an diese Meldung wird ferner mitgeteilt, daß auf Grund einer gestern zwischen den Reedern und den Arbeitern erreihten Verständigung der Hafen von Dublin heute wieder geöffnet und der normale Verkehr wieder aufgenommen

liberalen abgelehnt. Der Antrag der Wahlprüfungskommission

wird, (Vergl. Nr. 237 d, Bl.)

Die Verhandlungen der Verwaltung der Obuchowwerke üt St. Petersburg mit den ausständigen Arbeitern sind, .W. T. B.“ zufolge, ergebnislos geblieben. Vorgestern hatte ein kleiner Teil der Arbeiter die Arbeit wieder aufgenommen, gestern find aber viele Arbeiter nicht erschtenen. Die Polizei in den Werken ist verstärkt worden. (Vgl. Nr. 289 d. BL) j : Die- Belgrader Bäder beschlossen, wie der „Frfff. „Zta.

telearaphiert wird, wegen der übermäßigen Steigerung der Mehlpreise durch das Mühlenkartell am 14, Dezember in den allgemeinen Ausstand zu treten.

(Weitere „Statistishe Nachrichten" \. i. d. Ersten Beilage.)

Qunst und Wissenschaft.

Das Dezemberheft der „Amtlichen Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen“ t einer Würdigung und Beschreibung der überaus wertvollen Sammlung gewidmet, die Friedrich Ludwig von Gans dem Antiquarium der Königlichen Museen überwiesen hat und die in deren Geschichte ein Ereignis bedeutet. Die Sammlertätigkeit des Herrn von Gans, die si vornehmltch auf alte Shmuckstücke undGläser erstreckte, beschränkte fich nit auf die Grzeug- nisse einer engbegrenztenEvoche. Obwohl er sie der bis dahin von den Sammlern vernaclässigten Antike in erster Linie zuwandte, fo richtete er seine Aufmerksamkeit auch ebenso auf die Vorläufer ter griechi\)- rômischen Kunst wie auf deren Nachwirkung im Mittelalter, in der Zeit der Völkerwanderung und unter der Herrschaft des Isflam. So ist die Sammlung, die in hochherziger Weise der Allgemeinheit übergeben wurde, gleich außsgezeihnet dur die Fülle wie dur den wissenshaftlihen wie fün|tlerishen Wert ihrer Gegen- stände. Die von: den Professoren Dr. Zahn und Dr. Goeße in dem erwähnten Heft der „Berichte“ veröffentlichten Auf- säße, die mit zahlreihen Abbildungen versehen find, sollen einstweilen nur erst eine Ahnung von der Bedeutung ber Sammlung vermitteln. Eine wissenschastlihe, große Veröffentlihung is vor- bereitet. Im folgenden seien auf Grund der angeführten Quelle einige für die Laienwelt besonders interessant erscheinende Stücke aus der Sammlung hervorgehoben. Ieder Besucher wird zuerst von dem NReichtum antiker Schmuckstücke geblendet werden, die_hier vereinigt sind. Mehr noch aber als die Kostbarkeit der Stoffe wird ihn bei genauerer Betrachtung die wunderbare Feinheit der Arbett fesseln, denn der antike Golds{hmied beherrschte die Kunst des Lôtens, der Granulier- und Filigranarbeit in so hohem Maße, daß ihm der heutige Fahmann die Palme zuerkennen muß. Während \sich von Werken ägyptisher Kunst zwet winzige Götterfigürhen in der Sammlung befinden, die wohl Glieder einer Halskette waren, stammen aus der kretisch-mykentschen Kultur zwei goldene Siegelringe mit länalih-ovaler Platte, wie man sie zuerst in den mykenishen Königsgräbern kennen gelernt hat. Das eine der seltenen Stücke zeigt einen Löwen mit Jungen, fltehend vor den Pfeilen etnes unsihtbaren Iägers; das andere, das so klein isl, daß es kaum etnem Kinderfinger paßt, trägt in winzigen Figürchen das Bildeiner Kultszene: Mann und Frau vor einem kapellenartigen Heilig- tum einen heiligen Tanz ausführend. In den Kreis der arhaischen oder strengen griehischen Ku n |t gehören Schmucksachen aus Etrurien, die fich durch virtuose Granuliertechnik auszeihnen, deren Feinheit erst unter der Lupe ganz erkennbar wird. Dieser etrurischen Kunst sind Ohr- ringe eigentümlih, die von den italienischen Archäologen nicht un- passend baule, Köfferchen, genannt worden sind, denn fie lassen ih Körbchen mit Tragbügeln wohl vergleihen. Die Sammlung ist be- sonders reich an diesen reizenden Gebilden, die mit Rosetten und Blüten, ja mit winzigen Figürchen aufs zierlihste geschmüdckt sind. Dieser plastishe Schmuck kehrt bei einer dem 4. vorristlihen Jahr- bundert angehörenden goldenen Gewandnadel wieder, auf der kleine Flügelpferde auf herzartig gestaltetem Schilde sißen, der die Nadelspitze deckte. Das andere Ende der Fibel ist quadratisch und mit einem weib- lichen Neliefbi!dnis geziert; der Bügel ist in fünf Gliedern unterbrocen. Diese Fibelform ist Nordgriechenland eigen; die Stücke der Gansschen Sammlung stammen aus Makedonten und gehören zum Schönsten, was uns von klassischer griehis{er Goldschmiedekunst überhaupt er- halten ist. Zu den weiteren Stücken aus dem 4. Jahrhundert und der frühhellenistishen Zeit gehören Ohrringe und Lodenhalter mit Tierköpfen, Ohrgehänge mit feinen Ketthen und mannigfaltigem figürlichen Shmuk und kleine Ziersheiben in Form eines Schildes, dite wohl an etner Haltkette getragen wurden. Alle Shmudstücke des 4. Fahrhunderts wirken nur dur die Feinheit der Goldarbeit. Gegen Ende des Jahrhunderts, als die Griehen dur Aleranders Züge den Reichtum des Orients an bunten Steinen und die ihn seit lange hon ausnüßende ortentalishe Goldscmtedekunst kennen gelernt hatten, änderte si das: auch in Griechenland beginnt man seit dem Ende des 4. Jahrhunderts den Glanz des Goldshmuck8s durch die Farbe der Steine zu erhöhen. Aus dieser Ueberganaszeit stammt in der Samtmlung ein wundervolles Armband aus Makedonien, in dessen zierlies Filigranrankenwerk sparsam dunkelrote Granaten eingefügt sind. Ein Prachtstück dieser spätgriehishen Zeit, ja wohl ein Unikfum, ist ein Stirnband mit Gehänge, ausgezeichnet durch vein- liste Goldarbeit, die Buntheit des reihlich aufgetragenen Schmelzes und durch die aufgeseßten großen dunkeln Granaten. Die einzelnen Glieder des Bandes sind in zwei Felder geteilt, deren eines immer die erhabene Maske aus der neueren Komödie trägt. Die Eten und feinen Zwishenräume sind dur Blätter und Träubhen des Efeus und kleine Blumen gefüllt; in Abständen hängen zierlihe Quasten aus Gold und Granaten herab. Das Band, das wohl einst das Haar einer vornehmen Dame ums{loß, stammt aus Abdera in Thrakien. Auf anderen Stücken findet man neben dem dunkelroten Granat häufig den grünen Smaragd. In einigen Stücken sind auch die Uebergangsglieder stait aus Filigran aus Stein. Eine wahre Geduldprobe für den Goldshmied muß ein Ketten gewesen sein, dessen Golddrahtmaschen in Abständen von gleihgeformten Gliedern erseßt werden, die mit großer Mühe aus Karneol geschnitten find: An Stelle der Steine tritt öfter farbiges Glas. Türkis- blaue röhrenförmige Perlen verbinden fich mit kleinen Nosetten und MNRauten aus Gold zu wundervollen Wir- kungen an einem russishen Haléband; ein jüngerer etrusfischer Hals\{chmuck besteht aus Perlen von Gold und Granat mit fünf An- bängern in Form von runden Kapseln und zweien von spiyer Geflalt, ite alle dur zierlihe Stöpsel gesclofsen sind. Sie bargen wohl einst zauberkräftige Mittel. Den Beschluß der bellenistischen Samm- lung matt ein großer Fingerring mit einem stark gewölbten Onyx, auf dem Acill, seine Waffen betrahtend, abgebildet ist. In römischer Zeit nimmt die Liebe für die bunten Steine immer zu. Man reiht große Steine unregelmäßiger Form aneinander oder stellt sfe mit Goldperlen und Anhängern von zierliher Filigranarbeit zusammen; dem heutigen Ges \{mack würde aus jener Zeit eine feine Goldkette mit Smaragd- bommeln entsprehen; bei anderen Stüdcken find ungeshliffene Aquamarine mit knotenförmigen Goldgliedern oder große Amethyst- fugeln mit kleinen echten Perlen und solchen von Gold zu einer Kette verbunden. In der späteren Kaiserzeit sind Steine mit Facettens{chliff oder in Scheibenform beliebt; au das Glas tritt als Steinersaß wieder auf. Jnteressant ist das Bruchstück eines Arm- bandes, bet dem ganz auf farbigen Scchmuck verzihtet wurde. Es besteht aus reich verzierten, in durhbrochener Fassung gehaltenen Nachbildungen von Kaisermünzen. Die erhaltenen Stücke zeigen dèn Caracalla und setne Gattin Plautilla; auf den fehlenden Gliedern des Armbandes mögen wohl die Bilder der anderen Glieder der Kaiserfamilie, die des Septimius Severus, der Julia Domna und des Geta, ih befunden haben. Zwei andere Stücke, die aus Syrien stammen sollen, ein Armband und eine Glodcke, zeigen eine völlig andere Ver- zierung. Die ganzen in Flächen geteilten Felder find durch mühsam ausgeschnittene Nanken und Ornamente ausgefüllt, deren Muster geradezu an Reticellaspißen erinnern. Beide Stücke tragen griechische Zierschriften. Die auf dem Armband lautet: „Brauche es glücklih

Dein Leben lang“, während auf der Glocke ein metrisher Spruch des