1895 / 55 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 04 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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lossen, daß die Kommission bis zur vollständigen Erledi- E E Ge Beste g Jahre etwa noch) beisammen bleiben und dann erst über die etwaige Neucinrichtung auf Grund der inzwischen gesammelten Erfahrungen Beschluß gefaßt werden solle. Die Zahl der Mitglieder der Kommission soll vom 1. Januar 1 an auf drei herabgesezt und die Regierung ermächtigt werden, der Kommission auch andere, die Landes- fultur betreffende Angelegenheiten zu überweisen.

Braunschweig.

re Durchlauchten der Fürst und die Fürstin zu caNZur -Lippe sind vorgestern von A

wieder abgereist. Reuß: j. L. Der Landtag ist auf den 18. d. M. einberufen worden.

Oesterreich-Ungarn.

Der gestern vorgenommenen feierlihen Einsegnung der Leiche des Fürsten Metternich wohnten in A des Kaisers der Oberst-Hofmeister Prinz Hohenlohe, jowie mehrere Erzherzoge, Minister und Würdenträger bei. Die Leiche wird zur Beiseßzung in der Familiengruft nah Plaß in Böhmen überführt. E | |

Das Wiener „Fremdenblatt“ von gestern bespriht die Ernennung des Fürsten Lobanow zum russischen Minister des Auswärtigen und erblickt darin ein neues erfreuliches Zeichen für die im Kaiserlihen Manifest mit aller Deutlichkeit und Wärme angekündigte fried- lihe Tendenz der russishen Politik, fowie eine Bürgschaft dafür, daß die Kaiserlihen Absichten mit fcherer Hand in dem Geist, von welchem sie eingegeben find, werden ausgeführt werden. Fürst Lobanow, welcher mit dem ößer- reichishen Minister des Auswärtigen im freundschaftlichsten Verkehr stand und persona gratissIma beim Kaiser von Oesterreih - Ungarn war, wicd, da er mit den bei uns an leitender Stelle herrshenden Jnten- tionen vollständig vertraut ijt, seinen Kaiser und die politishen Kreise Rußlands genau über die hiesigen Verhältnisse und Stimmungen zu unterrichten wissen, in St. Petersburg stets die richtige Auffassung von der österreichischen Politik zur Geltung bringen und für die Aufrechterhaltung und weitere Pflege der von allen die Monarchie bewohnenden Volksftämmen CufeiGlia und ernstlih gewünschten freundnachbar- lihen Beziehungen, die zum Besten beider Reiche beftehen, beitragen. Fürst Lobanow betritt cine neue ehrenvolle Lauf- bahn in einer für einen Staatemann von fo friedlichen Ge- finnungen und konziliantem Wesen ungewöhnlich günstigen Zeit, in welher Spannung und Mißtrauen überall nachgelassen n und Friedensbedürfniß und Friedenszuversicht allgemein errschen.

x Wie die gestrigen Wiener Morgenblätter meiden, wird

. der bulgarishe Minister-Präsident Stoilow heute in Wien

eintreffen, um mit der öjsterreichish-ungarishen Regierung über eine friedlihe Verständigung in der Accise-Frage zu verhandeln.

Das österreihishe Abgeordnetenhaus jchte am Sonnabend die Berathung über die Strafgeseßnovelle fort. Der Justiz-Minister Graf Schönborn betonte den Angriffen der Oppotition gegenüber, daß den österreihishen Richterstand niht Verfolgungssucht beherrshe, daß vielmehr die Richter sehr häufig sich einer außerordentlichen Milde befleißigten. Der Minister tadelte alsdann, daß die gegen Alle gerichteten Bestimmungen des Strafgeseßes als nur gegen Arme und Elende gerichtet dargestellt würden. Es sei die Pflicht der Staatsgewalt, die Autorität zu wahren wie der Bevölkerung Schutz zu gewähren. Der Minister verwahrte sich alsdann auf das entschiedenste gegen den Vorwurf, als ob er sich bei Rechts- fragen von der Opportunität, niht aber vom Recht leiten ließe.

Großbritannien und Jrland. Der Admiral der Flotte Sir G. Hornby ift gestorben. Bei der vorgestern vorgencmmenen Wahl zum Londoner Grafschaftsrath wurden 57 Progresfiîten, 51 gemäßigt Liberale gewählt. Leßtere gewannen 22 Sige. 10 Refultatc stehen ncch aus und werden erst heute veriündet werden.

Frankreich.

Der gestern Nachmittag im Eiysée abgehaltene Ministe r- rath seßte, wie „W. T. B.“ berichtet, die Berathung über die Bildung einer Kolonial-Armee fort und prüfte die Wünsche der Vertreter der Zucckerindufstriegegenden. Der Marine-Minister erkiärt die Nachricht, die franzö- sische Negierung habe den englishen Dampfer „Aconcagua“ angefauft, für unbegründet.

Jn der vorgestrigen Sißung der Deputirienfammer reht- fertigte der Deputirte Delcassé bci der Feortsezung der Berathung des Kolonialbudgetis die von ihm während seiner Ministerschaft verfolgte Politik und betonte die ausge- zeichneten Verhältnisse Cochinchinas, wo Frankreih binnen wenigen Jahren ein blühendes Reich besizen werde. Der Deputirte Jaurès, Sozialist, verlangte genaue Auf- klärungen über die Abberufung de Lanessan's. Der Minister der Kolonien Chautemps erwiderte, de Lanefsan sei zurückberufen worden, weil er einem Journale vertrauliche Aktenstücke mitgetheilt habe und weil er fih von dem Direktor dieses Journals 5000 Fr. aus der indochinefishen Bank habe zahlen lasen. Die Gencraidebaite wurde geschloßen. Dre Kammer nahm einen - Antrag an, eine Kommission von 33 Mitgliedern zu erwählen, um alle auf die Kolonien be- züglichen Gesezentwürfe zu prüfen.

Bei einem Bankett des republikanischen Cercle des Departements A ube verlas der Präsident gestern ein Schreiben Casimir Pericr’s, worin cs heißt, Casimir Perier lehne cs ab, dem Bankett beizuwohnen, um nicht gezwungen zu sein, das Stillshweigen zu brechen, dessen Beobachtung das Jnterefse der Republik ihm gegenwärtig noch auferlege. f

Nufß:land.

Der Kaiser ift, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erföhrt, leiht an Influenza erkrankt und mußte deshalb am Sornabend die übliche Ausfahrt unterlafen.

Der deutschen „St. Petersburger Zeitung“ zufoige ist voraciiern ein neuer russisch-dänischer Handelsvertrag vom Verweser des Ministeriums des Auswärtigen und dem dänischen Gesandten unterzeichnet worden.

Nach dem vorläufigen Kassenausweis über die Reihs- Einnabmen und -Ausgaben für die Zeit vom 1. Januar bis 1 Dezember 1894 betragen im Ordinarium die Ein-

nahmen 986 100000 Rubel n 883 183000 Rubel im E die Ausgaben 528 000 Rubel gegen 797 298 000 Rubel. Jm Extraordinarium beliefen fi die Einnahmen auf 2563000 Rubel gegenüber 102616000 Rubel im Vorjahre, die Ausgaben auf 66519000 Rubel gegenüber 56568 000 Rubel. Der Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben betrug im Ordinarium 208572 000 Rubel gegen 85 885 000 Rubel, der Gesammtübershuß 169 306 000 Rubel gegen 131 933 000 Rubel im Vorjahre. Die größten Ueberschüsse gaben speziel folgende Einnahmen: die Getränkaccise 37 280 000, die Zolleinnahmen 2 997 000, die Satats- eisenbahnen 21 267 000, die Zudckeraccise 10 885 000, die Einnahmen aus den Kronforsten .3725 000, die Naphtaaccise 2720 000, die Gewerbe- und Handelssteuer 1425 000, die obligatorishen Zahlungen von Eisenbahn- gesellschaften 1 379 000, die Steuer von Eisenbahnpassagieren und Eilgütern 1171 000, Stempelgebühren 1 168 000, die Zündholzaccise 916 000, Subsidien der Reichsrentei aus Neben- einkünften 867 000, Posteinkünfte 796 000, Telegraphen- und Telephoneinkünfte 790 000 Rbl. Mindereinnahmen ergaben insbesondere: die Loskaufzahlungen 921 009 und die Kupon- steuer 962 000 Rbl. Ftalien.

Der Großfürst Alexis Michailowitsch von Ruß- land, der jüngste, am 28./16. Dezember 1875 geborene Sohn des Großfürsten Michael Nikolajewitsch und der verstorbenen Großfürstin Olga (ELINGNA, geb. Prinzessin von Baden, ist in der Naht zum Sonnabend in San Remo gestorben. Aus Veranlassung dieses Todesfalls sind der Großfürst Sergius von Rußland und die Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, die Schwester des Verstorbenen, aus Cannes in San Remo eingetroffen.

Nah Meldung der in Rom am Sonnabend Abend er- schienenen Blätter begab sih Giolitti vorgestern, nahdem ihm eine Verfügung des Untersuhungsrichters zugestellt war, worin scine Weigerung, sih vor dem Gericht zu verantworten, als unzulässig bezeihnet wird, nah dem Untersuchungsgericht, um hier vor der Anklagekammer seinen Protest gegen diese Verfügung zu Protokoll zu geben. Das Protokoll wurde als- bald dem Ober-Staatsanwalt übermittelt. Wie die Blätter hinzufügen, wird die Anklagekammer am 4. d. M. über den Protest Giolitti’'s Beschluß fassen. :

Der Unterrihts-Min ister hat die Wiedereröffnung der Universitäten Rom, Neapel und Palermo unter den durch die Vorsicht gebotenen Bedingungen verfügt. i

Der Papst, der sih guter Gesundheit erfreut, empfing vorgestern anläßlich des Jahrestages seiner Krönung das Kardinalskollegium. Bei dem Empfange sprach der Pap st den Wunsch aus, die orientalishen Kirchen troß dcr von der welilichen Politik geschaffenen Schwierigkeiten mit der römisch- katholischen Kirche wieder vereinigt zu sehen, und begrüßte zum Schluffe den Tag als einen der für die Kirche denkwürdigsten, der die religiöse Einigkeit herbeiführen und so die Geschichte der Völker neu beleben werde. Gestern wohnte der Papst der aus demselben Anlaß der in der Sirxtinischen Kapelle vom Kardinal Vanutelli zelebrierten Messe bei. Das Tedeum wurde dabei vom Papst selbst intoniert, der hierauf, vom zahlreih anwesenden Publikum lebhaft acclamiert, in seine Gemächer zurückehrte. Das diplomatishe Korps wohnte der Feierlichkeit auf den Galerien bei. Das Aussehen des Papstes ift ein vortreffliches.

Spanien.

Das Befinden der Königin-Regentin hat. sih, wie „W. T. B.“ meldet, gebessert: Fieber ist niht vorhanden.

Jn dem gestern abgehaltenen Ministerrath ist beschlossen worden, einen Kredit für den Kampf gegen dic Aufständischen auf Cuba zu verlangen.

Der Senat hat am Sonnabend die Vorlage über die Reformen in Cuba angenommen.

In Cadix sind 6500 Mann, die jährlihe Ersaßtruppe, nah Cuba eingeschifft worden, die angekündigten Verstärkungen sollen nachfolgen. 20 000 Mann sind zur Einschiffung bereit.

Belgien.

Dic „Opinion“ erfährt, das Ministerium sei im Begriff, die Vorlage, E die Abtretung des Congo- staats, zurüdczuziehen. Den Kammern werde ein von einer Königlichen Botschaft begleiteter vermittelnder Vor- schlag unterbreitct werden, wonach dem Unabhängigen Congofstaat die nôthigen Mittel zur Fortführung seiner Auf- gaben bis zum Jahre 1900 verfügbar gemacht werden sollen.

Türkei.

Der frühere Khedive Jsmail Pascha ist am Sonnabend in Konstantinopel aestorben. Die Leiche wird nach Kairo ge- bracht und dort auf Staatskosten beigeseßt werden.

Griecheuland.

Das Dekret, betreffend die Avflösung der Deputirten- kammer, ift gestern vom König unterzeihnet worden. Die Neuwahlen find auf den 28. April festgeseßt, die neue Kammer soll am 27. Mai zusammentreten.

Schweden und Norwegen.

Dem König, der am Sonnabend Nachmittag in Beglei- iung des Kronprinzen aus Norwegen nach Stockholm zurüdckfehrte, wurde daselbst, wie „W. T. B.“ berichtet, cin begeifterter Empfang bereite. Am Bahnhofe waren beinahe sämmtlihe Mitglieder beider Kammern, die obersten Hofbeamten, die Spizen der Behörden, des Heeres und der Marine sowie zahlreihe Damen mit Blumensfträußen in den Landesfarben erschienen. Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, stimmte die ganze Ver- sammlung in die vom Präsidenten der Ersten Kammer er- hobenen Hurrah - Rufe ein. Jn der Bahnhofsvorhalle wurde der König durch Absingen der Nationalhymne begrüßt. Auf dem Grof Bahnhofsplaze empfing den König eine dicht- gedrängte Menschenmenge mit begeisterten Hochrufen, die sh auf der ganzen Fahrt bis zum Schloß fortseßzten.

Nah einer Meldung aus Christiania erscheint der Sieg der Partei der Nechten und der Moderaten bei der Nahwahl in Stavanger, die infolge der Ungültigkeits- erflärung der ersten Wahl durch das Storthing stattzufinden haitc, als gesichert ; dieselben Parteien hatten auch bei der Hauptwahl gesiegt.

Dänemark.

Im Folkething hat am Sonnabend der Finanz-Minister eine Gesegesvorlage eingebracht, durch welche provisorisch vom

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1. April 1895 bis 1. April 1896 der Zuckerzoll von 6

- resp. 3 auf 61/2 und 3!/2 Oere per Pfund für raffinierten

und Nohzucker erhöht und die inländishe Zuckersteuer

“von 21/4 auf 2 Oere per Pfund herabgeseßt wird. Ferner

wurde cine Geseßesvorlage eingebraht, wonach die Er- höhung der Biersteuer von 7 auf 10 Kronen statt am 1. Oktober 1895 erst am 1. April 1896 in Kraft treten soll. Durch eine andere Geseßesvorlage wird eine Staatsabgabe von 5 Proz. auf die Einsäße beim Glücksspiel bei Wettrennen eingeführt. Der Justiz-Minister brachte éine Geseßesvorlage ein, durch welche der Verkauf ausländi- scher Prämienobligation en gänzlih verboten wird.

j Amerika.

Der Kongreß hat, wie aus Washington. berichtct wird, fünf Millionen Dollars für die Zahlung der I ausfuhrprämien während des laufenden Etatsjahres be- willigt. D,

Das Repräsentantenhaus hat dem Antrage des Senats n Untersuchung desjenigen lebenden Vichs, dessen Fleish ausgeführt werden soll, zugestimmt. Ferner hat das Haus die Opposition gegen das Amendement des Senats zu Gunsten der Theilnahme der Vereinigten Staaten an der internationalen Münzkonferenz aufgegeben.

Nach offiziellen, in Madrid eingetroffenen Depeschen aus Cuba ist der A ufstand zwishen Beira und Guantanamo lokalisiert. Derselbe wird von dem Neger Guilhermon ge- leitet, der auch die Aufstände in den Jahren 1878 und 1886 hervorrief.

Asien.

Das „Reuter she Bureau“ meldet aus Shanghai vor gesiern, die Vorbesprehungen zu den Friedens- Unterhandlungen machten gute Fortschritte; dieselben bezögen fich hauptsächlich auf ‘den Jnhalt der Beglaubigungs- schreiben und die Vollmachten der chinesischen Abgesandten. Es werde vorgeschlagen, daß die Abgesandten sich zunächst in Schimonoseki begegnen und nah Richtigbefindung der Beglaubigungsschreiben die Verhandlungen in Hiroshima E werden sollten. Die „Times“ meldet aus

eking: der amerikanishe Gesandte habe den Wortlaut des Beglaubigungsschreibens nah Japan telegraphiert, welches Li-Hung-T|schang ausgefertigt werden solle. Der Gesandte warte darüber eine Antwort ab, ob das Schreiben von Japan als ausreichend betrachtet werde.

Eine in Tokio eingetroffene Depesche des Kommandieren- | den der ¿ersten japanishen Armee berichtet, die Japaner |

hätten die Gegend von Saiyentai bis Tafukon voll- ständig beseßt. Am 28. Februar hätten die Chinesen unter

General Gih in der Stärke von 15 000 Mann die Japaner an- |

gegriffen, seien aber nah heftigem Kampfe gegen Norden

zurücgedrängt worden. Der Verlust der Japaner habe 98 F Mann an Todten und Verwundeten betragen. Die Chinesen hätten 45 Todte verloren. Am gleihen Tage hätten die Chinesen einen erneuten Angriff auf Haitshing gemacht,

der alsbald zurückgeschlagen worden sei.

Afrika.

Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Massowah: Nas Mangascha befinde sih gegenwärtig mit 2000 mit Flinten bewaffneten Mannschaften in Haufen. Derselbe habe eine Vertrauensperson an General Baratieri mit einem Schreiben

esandt, worin er um Frieden bitte. Die Telegraphenlinie fei nunmehr bis Kafsala verlängert worden. Jn Kafsala sei alles ruhig.

Australien.

Aus Honolulu wird berichtet, verschiedene der Theil- nahme an der Rebellion überführte Verhaftete seien zu Ge- fängnißstrafen von 5 bis 35 Jahren und {weren Geldbußen verurtheilt worden.

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Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sißungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten bc- finden sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (51) Sigzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky und der Kriegs-Minister Bronsart von Schellendorff beiwohnten, wurde die Berathung des Etats für die Verwaltung des Neichsheeres fortgeseßt.

Zu dem Antrage seiner Partei (Auer u. Gen.), welchcr den Ueberganqa zum Milizsystem empfiehlt, nahm noch- mals der Abg. Liebkñnecht (Soz.) das Wort, um seine Aus- führungen vom Sonnabend im wesentlihen zu wiederholen. Ihm erwiderte der

Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Scharnhorst, auf den der Bcrredner ich berufen, habe ein stehendes Heer von relativ größerer Stärke als unser gegenwärtiges im Auge gehabt und neben ihm einer Miliz eine Nolle zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Lande und zur Unterstützung der Feld- armee zugewiesen. Vor allem habe Scharnhorst fich gegen alle fal}chen Analogien auf dem Gebiete der Heeresorganisation auêgesprochen ; eine falsche Analogie aber sei der Hinweis des Abg. Liebkneht auf die Schweiz, für die wegen der Neutralität und des alpinen Terrains durchaus andere Vorausseßungen maßgebend seien, als für das Deutsche Reich.

(Schluß des Blattes.)

Jn der heutigen (34.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welher der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Etats des Minisieriums der geist- lichen 2c. Angelegenheiten beï dem Titel: Zuschuß zu dem Pfarr-, Wittwen- und Waisenfonds fortgeseßt. Der Berichterstatter der Budgetkommission Abg. Weber- Halberstadt (nl.) legt dar, daß für diesen Titel diesmal ein Mekr von 274 739 M gefordert fei zum Zwecke des Anschlusses der evange- lischen Landeskirhen der reuen Provinzen an den Pfarr-, Wittwen- und Waisenfonds. Dieser Anschluß solle, wie der Negierungsvertreter in der Kommission mitgetheilt habe, durch ein besonderes Gesetz voll- zogen und die geforderte Summêè nah Maßgabe dieses Gesetzes ver- wandt werden. 7 Regierungs-Rath Schwark opff stellt die Vorlage - eines tcr- artigen Geseßes noch für diese Woche in E i Abg. Das bac (Z.) bitter, zur Ausgleihung für die katholischen Geistlichen den Pensionsfonds entsprehend zu erhöhen, ta viele alte katholishe Geistliche sich aus Mangel an Mitteln nit pensionieren lassen könnten, obgleich sie dessen bedürftig ur Ministerial-Direktor Dr. von Bartsch erwitert, daß für den

gedahten Zweck namhafte Summen in dem Kapitel für die Bié-

thümer enthalten scien. Die erangelische Kirche speise ihren Pensiont-

_ fonds aid eigenen Ss während die katbolishe Kirche bierzu

allcemeine Staatsmittel in Anspruch nehme.

Die Verhandlung -wendet- sih demnächst zum Kapitel „Medizinalwesen “. E

Abg. Dr. Graf (nl.): Ih kann nur bedauern, daß der Minister einer organishen Medizinalreform in großem Stil abgeneigt ift. Ich bezweifle nicht, daß die Medizinalabtheilung ibre laurenden Geschäfte genügend erledigt hat ; aber in ibrer gegenwärtigen Organisation ift sie nicht im stande, das zu leisten, was sie leisten foll : das Zusammenfassen aller verfügbaren Kräfte zur nothwendigen Förderung des preußischen Medizinal- wesens. Gerade in der legten Zeit sind an die Medizinalabtheilung große Aufgaben berangetreten; ih erinnere nur an die Bekämpfung der Infektionskrankeiten; um fo dringender is das Befürfniß einer Neform. Die Klagen über inañgelhaîte Fortschritte im preu- fischen Medizinalwesen sind uralt. Seit dem Regulativ von 1835 egen die Verbreitung von ansteckenden Krankheiten i nichts

eteutendes gesehen. Vor allem muß der Stand der Aerzte gehoben werden. Es ift traurig, daß im Reich die Bestimmungen der Aerzteordnung durch fünf Paragraphen der Gewerbeordnung er- ledigt werden; das entspricht niht der Wichtigkeit des Gegenstandes. Um fo mehr ist es Pflicht der Einzelstaaten, ihrerseits für die Aerzte einzutreten. Die Errichtung von Aerztekammern habe ih mit Freude begrüßt; aber so lange nicht Staatsbilfe eintritt, können ihre Berathungen zu keinem positiven Resultate führen. Wir haben Vereine gegründet, um den Stand der Aerzte zu heben; aber auch hier kann nur dur Staatshilfe das erwünschte Ziel erreiht werden. Warum hat man zu den Berathungen - der sozialpolitishen Geseße niht auch Aerzte zu- gezogen? Das hat sih nun shwer geräht: die Krankenkassen sind eine politishe Organisation geworden und in die Hände der Sozial- demokraten gefallen. Die Medizinal - Abtheilung des Kultus- Ministeriums ist verpflihtet, niht müßig zuzusehen, sondern für den Stand der Aerzte einzutreten. Nur Thaten, niht Worte, können den Stand der Aerzte wieder heben. :

Ministerial-Direktor Dr. von Bart\ch: Für die Ausführungen des Vorredners kann der Minister nur dankbar sein, wenn er auch nit mit allen Ausführungen übereinftimmen kann. Die Unter- stellung, daß der Minister auf die Medizinalreform verzihten wolle, ist niht berechtigt. Der Minister hat es seit Antritt seines Amtes für eine seiner ersten Pflichten erachtet, hier helfend einzugreifen. Die Grundzüge für die Medizinalreform werden jeßt endgültig festgestellt. Daß das niht so {nell gebt, hat seine natürlihe Gründe. Zu- nächst ist die Finanzlage des Staats der Reform nicht günstig. Der Minister wird die Gehaltserhöhung der Medizinalbeamten, besonders der Physiker, im Auge behalten. Außerdem steht der Vollendung der Medizinalreform entgegen, daß das Reichs-Seuchengeseß noch niht zur Verabschiedung gelangt is. Bei Bekämpfung der Seuchen, vor allem der Cholera, wirken Universitäts- und Medizinalverwaltung hon jeßt zusammen. Derartige Organisationsfragen sind aber besser in Verbindung mit der Medizinalreform n zu regeln. Dem Gedanken, daß die Bestimmungen der Reichs - Gewerbeordnung tem ärztlihen Stande niht zum Segen gereichten, steht au der Minister nicht fern. Soweit. es in feinen Kräften stand, hat er es versuht, den Stand der Aerzte zu heben. Von dem Vorredner is auf die Aerztekammern hingewiesen worden. Ihre Einrichtung i schon ein Theil der Medizinalre®*orm. Der Minister ist jeßt dabei, auch einen Aerzte- kammer-Aus\{huß einzuführen, in dem die sämmtlichen Aerztekammern vertreten sein sollen. Die disciplinarischen Befugnisse der Aerzte- kammern mehr auszudehnen, ist nicht gelungen. Die Medizinal- verwaltung wird rah wie vor ihre Aufgabe, die sanitären Verhältnisse in Stadt und Land zu verbessern, im Auge behalten.

Sig Jerusalem (Zentr.): Die Regelung unseres Apotheken- wesens beruht auf Verordnungen von 1801 und 1811. Nah einer Kabinetsordre von 1846 wurden die Apotheken erblich und veräußer- lih. Diese Verordnung besteht noch heute zu Recht. Nun ift die Neuordnung des Apothekenwesens dur das Reich ins Auge gefaßt, troßdem is der Minister felbständig vorgegangen, _ und nah einer Verordnung der leßten Jahre sollen die Konzefsionen unvererblich und unveräußerlih sein. In einem vertraulichen Erlaß wird ausgeführt, die Frage von Neukonzessionen sei davon abhängig zu maden, ob die alte bestehende Apotheke lebensfähig bleibe. Es ist das ein unbestimmter Begriff. Die Apothekenbesizer sind denn au bei dem Minister vorstellig geworden. Aber eine Abhilfe ist bis jeßt noch nit getroffen ; denn troß eines beruhigenden Artikels im „Reichs- Anzeiger“ nd noch in den leßten Monaten zahlreiche Konzessionen er- theilt worden. Wenn die Verordnung des Ministers vom Juni 1894 zur vollen Durchführung käme, so würde das den Apothbekern gegen- über, die jeßt oft mit s{chwerem Geld eine Apotheke erworben fa en, eine Unbilligkeit bedeuten| Es wäre zu wünschen, daß der Minister hier auédrüdcklich erklärte, daß die woblerworbenen Nechte der Apotheken- besitzer gewahrt werden follen.

(Schluß des Blaîites.)

Statiftik und Volkswirthschaft.

__Das 1. Heft des Jahrgangs 1895 der „Vierteljahrs- befte zur Statistik des Deutshen Reichs“ enthält neben dem alljährlihen Ueberblick über die Arbeiten des Statistischen Amts und ihre Einrichtung Abhandlungen über die Cheschließungen, Geburten und Sterbefälle im Deutschen Reih während des Jahres 1893, die überseeische Autwanderung im legten Vierteljahr und dem ganzen Jahre 1894, die Großhandel8preise wihtiger Waaren an deutschen Pläyen im Jahre 1894 unter Vergleihung mit den 15 Voc- jahren, die Preise von Vieh und Fleish in Berlin, fowie von Weizen in Berlin, Paris, London und New-York in den Jahren 1890 bis 1894, den Tabäk im deutschen Zollgebiet während des Erntejahres 1893/94, die Verunglückungen deutscher Seeschiffe und die Schiffsunfälle an der deutschen Küste 1892 und 1893, den Bestand der deutshen Kauffahrtei-

Loe am 1. Januar 1894, den Verkehr auf den deutschen Wafser- |}-

traßen 1872 bis 1893 und endlich eine vorläufige Mittheilung über die Krankenversicherung im Ja hre 1893.

Zur Arbeiterbewegung.

In Elberfeld ift, wie der „Vorwärts“ berihtet, am 27. Fe- bruar ein Ausftand der Polierer in der Steinnußknopffabrik der Firma Weyerbusch ausgebrochen. Die Zahl der Ausständigen ves 14; als Grund des Ausftandes werden die Lohnverhältnisse angegeben.

Aus Schmölln wird: dem „Chemn. Tagbl.*“ über die Lohn- bewegung der Steinnußknopfarbeiter geschrieben, de der von den Arbeitgebern beschlossene einheitlihe Lobntarif; (vergl. Nr. 50 d. Bl.) fertiggestellt worden ist. Alle Fabrikbesißer haben sich ver- pflichtet, den Lohntarif als Richtschnur für die Berehnung der Löhne gelten ¡u laffen. Die Löhnesind erhöht worden, sodaß die Arbeiter in allen Fabriken, wenn sie gleich viel und glei gute Arbeit liefern, einen auskömmlichen Lohn verdienen. Um einem allgemeinen Auéstand thatkräftig verzu- beugen, baben sih die vereinigten Fabrikbesißer verbunden, gemeinsam zu Fandeln. Wie die „Geraer Ztg.“ mittheilt, wurde der Aus- stand in Wr Knopffabrik von A. Tempel durch einen Vergleich E am 28. Februar if die Arbeit wieder voll aufgenommen

orden. :

e in Berlin war bei der Firma Albert Suckow ein Ausstand der Vergolder ausgebrochen, der, wie im „Vorwärts“ mitgetheilt wird, im Sinne der Arbeiter beendet wurde.

. Aus New-Orleans meldet ,W. T. B.*: Eine Anzahl au s- ständiger weißer Arbeiter \choß heute auf mehrere Neger, die an Bord des deushen Dampfers „Markomannia“ arbeiteten. Der Steuermann des Schiffes brahte die Angelegenheit vor den hiesigen deutschen Konsul.

Kunft und Wissenschaft.

Gin Preisausschreiben für ein Ludwig Richter-Denkmal in Dresden erläßt der dafür eingeseßte geschäftsführende Aus\chuß daselbs. Das Denkmal soll, wie das „Zentr.-BI. der Bauv.“ mit- theilt, auf der Brühl’shen Terrasse, zwishen Albertinum und Belve- dere, an der durch einen Lageplan näher festgeseßten Stelle errihtet werden. Dort is ein elliptiser lay aus der ansteigenden Rasenfläbe auszuschneiden und die rückwärts lie- ende erhöhte Bodenflähe. durch eine Futtermauer abzufangen. én der Mitte dieser E oll sich der Sockel und auf diesem die sißende Bildnißgestalt Ludwig Nichter's in anderthalbfacher Lebens- größe erheben. Der Sockel und die Futtermauer sollen als wesent- lihe Theile des Denkmals Gigelelen und fkünstlerisch ausgebildet werden, ebenfo wie das den elliptishen Plaß abs{ließende Gitter. Die Gesammtkosten für das Denkmal sollen den. Betrag von 28 000 Æ feinesfalls übershreiten. Die Entwürfe wae E zum 15. September d. J. an den Kastellan des Säbsishen Kunst-Vereins in Dresden, im Brühl'shen Garten, abgeliefert werden, von dem auch die Unterlagen für den Wettbewerb erbältlich find. Als Preise stehen 2000 4, 1500 Æ und 1000 Æ zur Verfügung, einzelne Ent- würfe können für 300 Æ angekauft werden. Im Preisgeriht sigen außer dem Ober-Bürgermeister von Dresden die Bildhauer Diez und BoIO in Dresden, Schaper in Berlin und Ferd. von Miller in München, der Architekt Hauschild in Dresden und der Maler P. Mobn in Berlin. Der Entwurf foll in einer Modellskizze (Maßstab 1 : 5) dargestellt werden.

Aus Edinburg vom 2. März wird das Ableben des be- kannten Literarhistorikers und Dichters Professor John Stuart Blackie gemeldet.

Wie aus Rom gemeldet wird, hätte ein englisher Künstler, Namens Spencer, im Selauia Pitti zu Florenz ein bisher unbe- kanntes, werthvolles Bild von Sandro Botticelli aufgefunden, welches Pallas Athene im Kampfe mit Centauren darstelle und aus dem Jahre 1480 stammen foll.

Handel und Gewerbe,

Bei den Abrehnungs|jtellen der Reichsbank wurden im Monat Februar d. J. 1 478 840 000 # abgerechnet gegen 1 759 904 600 Æ im Januar d. J., 1 293 832 600 M im Fe bruar 1894, 1383425900 .#& im Februar 1893, 1 551 116 700 A im Februar 1892 und 1 272 983 100 # im Februar 1891.

Nach dem Auéweis der Reihsbank vom 28. Februar zeigt der gesammte Kassenbestand in Höhe von 1 130 678 000 K der Vorwoche gegenüber eine Abnahme um 15 296 900 #4, der Metallbestand ins- Medavete hat um 14 238 000 4 abgenommen. Die Anlagen in Wechseln erfuhren bei cinem gegenwärtigen Betrage von 463 513 000 4 eine Abnahme um 8141 000 (, während die Lombardforderungen sich um 6 695 000 auf 71 425 000 A erböht haben; die Anlagen auf diesen beiden Konten zusammen haben sih also um 1 446 000 4 ver- mindert. Auf passiver Seite is der Notenumlauf um 15 878 000 4 auf 984 008 080 A gestiegen, während die sonstigen täglih fälligen Verbindlichkeiten bei einem Betrage von 562 687 000 # eine Abnahme um 32 614 000 Æ ergeben.

In Spanien ist urs ein am 19. Februar verkündetes Geseß die Regierung ermächtigt worden, solange die gegen- wärtige Krisis der Bergbau- und Hütten-Jndustrie in Spanien anhält, die zur Zeit von silberhaltigem Blei und Blei- glanz zu entrichtenden Ausfuhrzölle aufzuheben.

Nachrichten kanadisher Blätter zufolge hat eine Bau- gesellshaft in Montreal die Jngenieure aller Länder ein- geladen, Pläne zur Erbauung einer Brücke über den Sankt Lorenz-Strom bei Montreal einzureichen. Die Baukosten dieser Brücke, die eine beträchtliche Länge haben wird, find auf ungefähr 6 Millionen Dollars veranschlagt. Für denjenigen Plan, der als der rel befunden und zur Ausführung bestimmt wird, ist ein Preis* von 1000 Doll. ausgeseßt, und dem Einsender desselben wird die Aussicht eröffnet, bei der Ausführung des Brückenbaues Anstellung zu finden.

London, 4. März. (W. T. B.) Wie die „Times" aus Montevideo meldet, beliefen sich die argentinishen Zoll- eingänge für die erften beiden Monate des laufenden Jahres auf 830 000 Pfd. Sterl. gegen 1160000 im vergangenen Jahre. Die Abnahme wird dem Darniederliegen aller Zweige des Handels zu- geschrieben.

Verdingungen im Auslande.

Bulgarien.

8. März, 10 Uhr. Fürjtlih bulgarishe Post- und Telegraphen- Direktion. Offertverhandlung für Lieferung folgender Telephon- Mèaterialien: 43900 kg 3mm Bronzedraht im Werthe von 86 000 Fr., 200 kg 1 mm Bronzedraht im Werthe von 400 Fr., 15000 Stück Porzellanisolatoren Nr. 2 im Werthe von 18000 Fr., 12 000 Stück Eisenhaken Nr. 2 im Werthe von 5400 Fr., 1400 Doppelhaken im Werthe von 5600 Fr., 1400 Kupfermanchons zur Löthung im Wertbe von 350 Fr., zusammen im Werthe von 108 550 Fr. Kaution 5 %/o. Offerten au für einzelne Waarengattungen. Lieferung in Sofia, Nustschuk, Sistow und Nicopol. Bedingnisse 2c. täglih bei der ge- pen CACMSNISUTOS in Sofia, wo die Offertverhandlung ftatt-

nden wird. y

Verkehrs-Anstalten.

Zur Erleichterung für das Publikum bei Verzollung der mit der Post vom Auslande eingehenden EHUNLI Ma Le EeD im Einverständniß mit der Steuerverwaltung für Berlin die Ein- richtung, daß auf Verlangen des Empfängers die zollamtlihe Schluß- abfertigung der gewöhnlihen Packete und der Wertbhsendungen im Einzelbetrage bis zu 1000 durch Vermittelung der Posft- beamten erfolgen kann. Diese Sendungen werden na der Verzollung wieder sorgfältig verpadckt, amtlih verschlossen und den Empfängern mit der nächsten Paetbestellfahrt zugeführt. Für die Bestellung und die Erfüllung der Zollförmlichkeiten seitens der Post wird für jedes Paket bis zum Gewicht von 5 kg eine Gebühr von 20 K erhoben ; bei s{hwereren Packeten tritt dieser Gebühr das tarifmäßige Beftellgeld binzu. Für die Wiederverpackung der Sendungen kommt eine Gebühr nur in dem Fall in Ansa, wenn dadur baare Auslagen entstanden sind. Von dem Eingang einer zollpflihtigen Postsendung wird der Empfänger bei der Bestellung der gen Begleitadresse in ee eseßt. Wünscht er die zollamtlihe Schlußabfertigung dur die Po ewirken zu lassen, so hat er eine mit der Padetadrefse zugestelte gol Erklärung zu vollziehen und beide Gegenstände dann dem Briefträger wieder zurückzugeben, oder foweit es ih um Zoll- packete ohne Werthangabe bandelt unter Briefumschlag mit der Bezeichnung „hierin Zolladrefsen“ an die betreffende Postverzollungs- stelle zu senden, wofür kein Porto berechnet wird.

Ueber Verkehrsstörungen, die durch die Witterungs- verhältnisse verursaht wurden, bezw. deren Beseitigung liegen folgende Wolff’\he Meldungen vor:

Der Verkehr auf der Streke Blankensee—Woldegk— Strasburg ist wieder eröffnet.

Die Dampfschiffahrt zwischen Frederikshaven und Göte- borg ist wieder aufgenommen.

Der Verkehr auf den Strecken Brand—Langenau, Berthels- dorf—Großhartmannsdorf, Freiberg— Halsbrücke und Döbeln—Mügeln

bei Oschatz, der Der e unterbr war, is wieder aufge- nommen. Die Strecke Shönbeide—Saupersdorf is voraus- sihtlih noch 3 Tage gesperrt. Wagenladungsfendungen für die Strecke Wilzshhaus—Saupersdorf können in Wilzfcbhaus nicht weiter ange- nommen werden. :

Hamburg, 2. März. (W. T. B.) Hamburg-Amerika- nishe Padetfahrt-Aktien-Gesellschaft. Der Postdampfer „Teutonia“ ist gestern in St. Thomas eingetroffen.

3. März. (W. T. B.) Der Postdampfer „Russia* ift gestern Abend in New-York oen,

Triest, 2. März. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Thalia“ ift beute Nachmittag bier eingetroffen.

London, 2. März. (W. T. B.) Der Union-Dampfer „Gaul“ ift heute auf der Ausreise von den Kanarishhen Inseln abgegangen. Der Union-Dampfer „Pretoria“ is heute auf der Heimreise von Lissabon abgegangen. Der Castle-Dampfer „Dunbar Castle* ift Freitag auf der Ausreise in Kapstadt angekommen.

Theater und Musik.

Deutsches Theater.

__ Ludwig Anzengruber?s Bauernkomödie , Der G’wissenswurm“ ging am Sonnabend neu einstudiert in Scene. Von den Darstellern, die vor ungefähr zehn Jahren bei der ersten Aufführung des Stücks auf dieser Bühne mitwirkten, ist niemand mehr am Plage. Die neuen shauspielerischen Kräfte, die vorgestern auftraten, zeigten fi den früheren gegenüber mindestens niht minderwerthig. Die Anzen- aruber’s{hen Bauernkomödien sind zwar {hon an ih ihrer Wirkun ficher; denn in ihnen offenbart sich die Gestaltungskraft und die Kunst des dramatischen Aufbaues, über die Anzengruber verfügte, reiner“ und makelloser als in seinen Volksfchauspielen, aber die Darstellung kann immerhin die Wirkung auf die Zuschauer noch wesentli erhöhen, Der Dichter hat mit Innigkeit und Klarheit die äußerlich ungefüge Volksseele in der Schönheit ihres inneren Kerns und auch in ihrem tief traurigen Elend angeshaut und in markigen Gestalten, die von einem warmherzigen Humor verkläct werden, auf die Bühne gestellt. Am Sonnabend wurde die Dichtung, in der bäurische Beutbela und muntere Lebensfreude um den Preis streiten, dur die Darstellung in fo lebensvollen greifbaren Gestalten vorgeführt, daß in der That der Genuß an der satirishen und derblaunigen Komödie wesentlich erhöht wurde. Herr Reicher gab die Rolle des Grillhofer, der an Körper und Geist {wah wird durch den „G’wissenswurm“, den sein Schwager Dusterer in ihm erweckt und großgezogen hat; der Dar- steller individualisierte in den ersten Akten niht scharf genug; im leßten Akt beim Lesen des Briefs, aus dem er erfährt, daß die Ueberbringerin seine Tochter i, entfaltete er aber mit wenigen knappen Strichen feine große herzbewegende Kunst: das neu erstandene Vatergefühl drängte sih gewaltsam und ergreifend auf seine zitternden Lippen. Den bäurishen Erbschleicher Dulterex spielte Herr Hermann Müller mit star humoristischer Wirkung. Die shwerfällige Schlauheit, die bäurishe Geldgier des \sheinheiligen Alten malten sih in seinen Zügen und wurden laut in der gedehnten salbungs- vollen Sprechweise. Herrn Jarno fehlt T seines frischen und ge- wandten Spiels zu einem jugendlichen Liebhaber, auh zu einem bäurischen, wie es der Wastl ist, cin nothwendiaes Requisit: die Liebenswürdigkeit des Herzens. Durch ihre frishe Anmuth und kecke Natürlichkeit wirkte Frau Gisela Schneider in der Rolle der Horlacherlies erquickend; frei von aller Ziererei und Empfindelei brachte sie frohe Laune und gesunde Lebenslust in die Gestalt. Die Darsteller der Nebenrollen fügten fich dem Ganzen mit Ver- ftändniß ein. __ Friedrich-Wilhelmstädtishes Theater.

Die Wiener Posse „Ein armes Mädel“ von Leopold Krenn und Karl Lindau, die am Sonnabend zur ersten Auf- führung gelangte, fand um der tüchtigen Darstellung willen eine reht freundlihe Aufnahme. Die Novität an sich is, was den geistigen Gehalt anbetrifft, etwas dürftig ausgestattet, aber eine Anzahl heiterer Bilder aus dem Wiener Volksleben bringen einige Abwechs- lung in die unbedeutende Handlung. Das „arme Mädchen“, das der Titel nennt, giebt nur vor arm zu sein, um aus der Reihe der Be- werber um ihre Hand die Heuchler fern zu halten, die fie etwa nur um ihres Reichthums willen heirathen wollen; fie gewinnt dennauch \{ließlich einen ehrlichen jungen Mann, der fie aufrichtig liebt, und dem sie gleihfalls zugethan i. Was die Darstellung anbetrifft, so gab Herr Steinberger einen ensterpußer Vieröcktl mit seiner bekannten komischen Beweglichkeit und herzhaften Laune; namentlich erregte er durch eine parodistishe Scherzscene im leßten Akt große Heiterkeit. Fräulein Kollin stand ihm als Wiener

äschermädel mit ihrer humorvollen Charakteristik treflich zur Seite. Ferner sind Fräulein Kluge, welche die Titelheldin. gab, und die Herren Schulz, Bruh und Swoboda mit Anerkennung zu nenncn.

Konzerte.

Der Pianist Herr Eduard Reuß aus Karlsruhe, wo auch seine Gattin als beliebte Bühnensängerin thätig ist, gab hier am Sonnabend im Saal Bechstein sein erstes Konzert, und zwar einen „,Beethoven- Abend“, in welchem er fünf Sonaten, ein Rondo und Variationen des Meisters zu Gehör brate. In dem Vortrag aller dieser Werke ließ er den gründlih ausgebildeten, feinfühlenden Künstler erkennen, dessen Spiel nicht auf äußeren Glanz dur virtuose Effekte berehnet ist, sondern stets den Inhalt in vertiefter Auffassung klar und inter- essant wiederzugeben fsucht. In besonders anerkennenswerther

eise gelang ihm , dies in der großen F-moll-Sonate (op 957). Die Cis-moll-Sonate hätte in dem ersten Saß etwas ruhiger gespielt werden können, doch wirkten die beiden leßten Säße vortrefflih. Ein gleihes Lob verdiente auch die Ausführung der Sonate op. 81a „Les adieux“ x., der Sonaten E-moll, op. 90, und E-dur, op. 109. Reicher und wohlverdienter Beifall folgte jedem dieser Werke, die der unermüdlihe Künstler ohne erhebliche Zwischen- paufe bintereinander vortrug.

Im Königlihen Opernhause gelangt morgen Otto Nicolaiss Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ unter Kapellmeister Weingartner's Leitung mit folgender Tari, zur wig A h Falstaff: Herr Stammer, Fluth: Herr Beß, Reich:

rr Mödlinger, Fenton: Herr Sommer, Spärlich: Herr Lieban, jus: Herr Schmidt, Frau Fluth: Frau Herzog, Frau Reich: Frau Goetze, Anna Reich: Fräulein Weiß. :

Seine Majestät der Kaiser und König wohnte im Königlihen Schauspielhause der Sonntags-Aufführung von Grillparzer?s enn Ottokars Glück und Ende“ bereits zum zweiten al bei und ließ durch den General-Intendanten Grafen von Hochberg sämmtlihen Mit- wirkenden Allerhöchstseine Befriedigung übermitteln, fowie nah S{luß der Vorstellung den Ober - Regisseur Grube in die Loge befehlen, um demselben befondere Lens über die Inscenierung der Grillparzer’shen Dichtung fowie - diejenige von Friedrih Hebbel’s „Nibelungen“ auszusprehen. Morgen wird Goethe's „Faust* (erster Theil) mit der Musik vom Aae Anton Radziwill und Peter Joseph Lindpaintner gegeben.

ie Hauptrollen B wie folgt beseßt: Faust : Herr Ludwig, Mephisto : err Grube, argarethe: Frau von Hochenburger, Valentin : err Purschian, Martha: Frau Schramm. Dem Königlichen chauspieler Herrn Molenar wurde soeben von Seiner Hoheit dem Denos von Anhalt der Verdienstorden für Kunst und Wissenschaft verliehen. i

Im Verlage von Carl Paez ect hierselbst erschien \so- eben: „Der Ball-Abend“ für Klavier von Gustav Steffens, eine Sammlung moderner Tänze enthaltend, die der tanzlustigen Spani E sein dürfte, zumal die Ausstattung eine sehr elegante ift.