1895 / 55 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 04 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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h effsoren ihre jüngeren Kollegen boykottierten. Eine solche Art, Professor Kritik A ben, kann nur dazu beitragen, den Sozialdemo- Riten Recht zu geben und die Jugend, die gern für die Unterdrückten Partei nimmt, gegen eine Richtung einzunehmen, wie sie der Reichs- tags-Abgeordnete von Stumm vertritt. Daher kommt die via me der sozialdemokratisßen Ideen in Studentenkreisen. on den beiden erwähnten Berliner Professoren weiß man, daß sie national denken und deshalb s{chon die Sozialdemo- kratie niht unterstüßen können. A man die Wahr- heiten, die der sozialdemokratischen Bewe ns du Grunde liegen, erforshen will, it natürlich und wissenschaftlich. Ich habe die fozialdemokratische Bewegung niemand wird das leugnen können von jeher als eine verderblihe angesehen. Wir können aber eine ähnliche Revolution, wie sie im vorigen Jahrhundert stattfand, nur vermeiden, wenn wir mit der größten Sorgfalt untersuchen, was an der Bewegung des vierten Standes berechtigt und was ab- zuweisen ist. Es ift ein Reht der deutshen Professoren, das zu untersuchen. Allerdings foll man die gelehrten Theorien sich erst klären lassen, ehe man sie ins Praktishe überträgt. Wenn - nun der Abg. von Eynern fordert, man folle nit fo fozialistishe Professoren aufs Katheder bringen ja, es giebt ja keine anderen. anchefterlihe Professoren der Nationalökonomie kenne ih nicht. Das zeigt nur, daß die Wissenschaft unbefangen und offen vorgeht. Nichts könnte der Sozialdemokratie förderlicher sein, als wenn sie sagen könnte, man scheue sich, die Angelegen- heiten vom Besiß und Eigenthum der freien Diskussion zu unterwerfen. Wenn die Männer, die dazu berufen sind, \sih nicht scheuen, diese großen Fragen zu behandeln, werden wir die drohende große foziale Revolution glücklicher zu hintertreiben im stande fein, als dies im vorigen Jahrhundert möglich war. Der Unterschied zwischen jeßt und damals liegt eben darin, daß wir gegenüber den Forderungen des vierten Standes niht die Befangenheit zeigen, wie im vorigen Jahrhundert die privilegierten Stände gegenüber den Forderungen des damaligen dritten Standes. Wenn wir uns ebenfo verhalten wie die damaligen privilegierten Stände, könnte uns nihts vor der Revolution retten. Mit der bloßen Losung: Gewalt gegen Gewalt! rihten wir nichts aus. Seit Aufhebung des Sozialisten- gesetzes ist die sozialdemokratische Bewegung ruhiger geworden. Ein allzu sharfes Shwert wird leiht shartig. Die Kathedersozialisten so werden diese Professoren ja bezeihnet wollen die Wunden der Zeit heilen, aber von der Revolution abbringen. Deshalb fallen ihnen die Herzen der Jugend zu. Der Beifall, den sie aus Anlaß der Angriffe erhielten, war nit provoziert. Es ift ja das Recht der Jugend, Ovationen zu bringen. _ Ich kann die Professoren deshalb niht selten, ih stehe auf ihrer Seite. i H

Abg. von Kardorff (fr. kons.): Gegenüber den Angriffen des Vorredners auf den Freiherrn von Stumm muß ich doch einige Worte sagen. Weiß denn der Abg. Stöcker niht, daß der Neichs- tags-Abgeordnete von Stumm der erste im Reichstage gewesen ift, der die sozialen Geseße angeregt hat, auf die wir stolz find? weiß er nit, daß der Abg. von Stun die führende Rolle in der sozialen Bewegung gespielt hat, daß dieser Mann stets für die Interessen der Arbeiter einzutreten bemüht gewesen ift; daß er niht nur für seine Arbeiter in jeder Hinsiht sorgt, sondern für das gesammte Wohl unserer Arbeiterschaft eine ganz hervor- ragende Thätigkeit entwickelt ? Das s{eint der Abg. Stöcker ganz ver- geffen zu haben. Nun ift der Abg. von Stumm im Reichêtage auf- getreten und hat gesagt, nah den angeftellten Ermittelungen neige ein großer Theil der Studentenschaft der Sozialdemokratie zu, und das fei dem zuzuschreiben, daß an den Universitäten die kathederfozialistise Richtung vertreten sei, und daß die Profefsoren es verstanden bâätten, eine Beseßung der Lehrstühle mit anders gearteten Kräften zu binter- treiben. Der Borredner meint, manchefterliche Professoren gebe es nicht; als ob nur mañcesterlihe Professoren den Kathedersozialisten entgegen- gesekzt werden könnten! Kennt der Abg. Stöcker ‘nicht den Profeffor Wolff in Zürich? Die Thatsache ift zweifellos da: Professoren balten sh für unfehlbar, au in der theologishen Fakultät. Die Professoren wehren ih dagegen, daß eine andere Richtung ihrer Wissenschaft an ihrer Universität vertreten ift. Dagegen hat sih der Abg. von Stumm im Reichstag mit Recht gewandt; er hat nur seine Pflicht gethan, und wenn er vom Kokettieren mit der Sozialdemokratie ge- \sproen hat, fo stehe ich vollkommen auf seinem Stand- punkte. Und ih behaupte: es if nicht nur von Professoren mit der Sozialdemokratie kokettiert worden, sondern auch von der Regierung. Die Pläne, obligatorishe Arbeiterauësschüsse einzurichten, die Gewerkvereine mit korporativen Rechten zu versehen, als juriftische ersonen zu gestalten, fie zu einem bequemen Bett zu machen, in das ih die Sozialdemokratie bineinlegen kann das ift dech ein so gefährs- liches Kokettieren mit der Sozialdemokratie, daß der Aba. von Stumm sid ein Verdienst um das Vaterland erworben hat, wenn er dagegen protestiert hat. E

Abg. Bueck (nl.): Daß wir irgendwie die wissenschaftliche Forschung eindämmen oder irgend einen Einfluß bei der Besetzung der Lehrstühle ausüben wollen, muß ih entschieden zurückweisen. Abg. von Eynern hat nur von seinem subjektiven Standpu die Folgen der uneinges{hränkten Freibeit der ih geäußert. Auch ih erkenne die Forderun an. Schon seit langer Zeit bekommt der Arbeiter in seinen fortwährend steigenden Löhnen einen immer größeren Antbeil an dem Produkt aus dem Zusammenwirken von Kapital und Arbeit. Wir wünschen dies allerdings, möchten aber eine unnatürlihe Beschleunigung ver- mieden sehen. In Frankfurt a. M. find auf einem sozialdemokratischen Kongreß von einem hervorragenden Nationalökonomen geradezu un- flätbige Angriffe gegen die Arbeitgeber erboben worden, welde von der ftudierenden Jugend mit frenetishem Jubel begrüßt wurden. Gotte furt und religiöser Sinn werden dadur n die Vorlesungen des Professors Wagner auf sozialen Kongreß gehört, um sammeln, habe aber fast fein nit hbâtte untershreiben fönnen. Wagner selbst erklärt, daß die Geistlichen und Eifer zu weit gingen und ibnen meistens di mangele; darum seï es gut, etwas Wasser in i Die Thatigkeit der Geistlichen, die Arbeiter zu zu organisieren, bängt nicht im geringsten mit i sammen. Sie sind gewillt, im Kampfe gegen die unter Umständen auch mit der Sszialdemofkratie zugehen. In der Zeitschrift „Die Hilfe“ des Pastors Naumann, die auch für Herrn von Vollmar so warm eintritt, beißt es, daß die Sozialdemokratie als nothwendige Vorfrut einer christlich- sozialen Zeit anzusehen sei. JIch will die Noth und den Jammer unferer sozialen Verhältnisse niht leugnen; so lange wir aber noch nicht das Rezept gefunden haben, alle Noth und alles Elend zu be- jeitigen, ift es sündbaft, in der Weise zu beten, wie es seitens cini Geistlichen geschieht, und eine Sprache zu führen, die g uam Revolution zu shüren, welie doch der indern will Atg. Dr. Paasche (nl): Jh bedauere, daß diese Debatte d

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tôder Gelegenbeit giebt, fih in der jeltenen Pose eines Ver- dters der freien Wissenschaft zu zeigen und uns, die wir stets für die Freiheit der Wissenschaft eingetreten find, in die entgegengesetzte Stellung zu sieben. Die beiden Profefforen Wagner und Schmoller werden von allen Fachgenofsen in Deutschland und auch von den meisten im Ausland unbeftritten und neidlos als die Führer in ihrer Wissenschaft anerkannt. Der Abg. von Eynern hat nur daran Kritik geübt wobei er freilich meines Erachtens etwas zu weit gegangen ift daß diese Männer, die das prafktishe Leben niht kennen, ihre Ideen einer unreifen Iugend vortragen, woraus leiht Gefahren entftehen fénnen. Auf der anderen Seite hat er fie mit Recht als hoh- patriotis@e Männer gefeiert. Daß durch unflare Ideen die Reiben der Sozialdemokratie vermehrt werden fönnen, beweist au der Um- ftand, daß das Vorgehen des Abg. Stöter, so gut es au gemeint ift, viele Arbeiter ¡né sozialdemofratishe Lager gedrängt hat. Fn einer solden Kritik, daß wir nur den verlezten Geldsack ver- träten, liegt eine große Gefahr. Man untershätt heute viel-

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im Hinblick auf das materielle Elend der Arbeiter die be- B tigten Interessen der Arbeitgeber. Der Abg. v. Eynern hat nur ewünsht, daß Männer auf die Lehrstühle der Nationalökonomie ge- eßt würden, die mit beiden üben im praktischen Leben ständen. Eine onstige Beeinflussung wün wir nicht. Ih muß aber hervor- heben, daß die Professoren gner und moller, besonders der leßtere, den Vorwurf niht verdienen, daß sie das praktische Leben nicht kennen. In dem Bestreben, immer nur die Interessen der Arbeiter zu vertreten, muß in ‘gewisser Beziehung Einhalt gethan werden. Man schädigt die Arbeiter, wenn man nit gleichzeitig au die Interessen der Arbeitgeber vertritt. f

Abg. Stöcker: Sehr glänzend ist der Vorstoß des Abg. von Eynern ibt verlaufen. Der eine der beiden Redner bat den beiden Berliner roseiltten das glänzendste eugniß ausgestellt; und der andere. hat erklärt, er sei eigens hierher gekommen, um Pro) effsor Wagner auszuhorchen, und er sei auf das angenehmwste enttäuscht worden. Wenn der Verredner aber davon gesprochen hat, meine Thâtigkeit habe viele in das Lager der Sozial- demokratie gedrängt, so bitte ich ihn, mir ein solhes Exemplar einmal zu zeigen. Wir haben in der Berliner Be- wegung große Resultate erzielt unter der Fahne: Chriftenthum, Monarchie, gesunde soziale Reform! Dann find die Mittelparteien ekommen und haben die Berliner Bewegung gehindert; was haben fie aber dafür positives geleistet? nihts; unsere Früchte haben sie zer- stört. Das Gerede von den „unreifen Studenten“ beweist völlige Unkenntniß der Verbältnisse. Die Arbeiter üben in ganz jungen Jahren ihre politishen Pflichten aus; und da wollen Sie den Studenten im Alter von 23, 24 Jahren verwehren, \sih ein Urtheil über soziale Ee zu bilden? Ich verstehe die Herren von der liberalen eite gar nicht! Jh hoffe, daß bei der näbsten Reichskagswahl die Quittung für Ihre An- griffe auf die evangelishen Arbeitervereine Ihnen {hon ge- geben werden wird. eshalb soll man nicht, wo es sich um be- rechtigte Forderungen handelt, mit den Sozialdemokraten zusammen- gehen können! Wenn man den Pfarrer Weber in der Weise angreift, wie es Freiherr von Stumm gethan hat, so kann man darüber nur lâheln. Der Pfarrer Naumann geht ja zu weit in feinem jugendlihen Idealismus, aber er ist doch ein durch und dur hrist- licher Mann. Er hâlt die Forderungen der Sozialdemokratie für durchaus utopistisd, und er will dem Arbeiter etwas Besseres und Solideres geben. Ueber die Glorifizierung des Herrn von Vollmar babe i ja gelaht; ich kenne Herrn von Vollmar besser als die jungen Leute. Es ist aber daher gekommen, weil Herr von Vollmar auf dem Parteitage die Angriffe auf Religion und Christenthum von sich ge- wiesen hat. Ih habe gegen den Freiherrn von Stumm nicht die geringste Animosität, aber was wahr ift, bleibt wahr: ihm ist die un- befangene Beurtheilung der Verhältnisse vollkommen abhanden ge- kommen. Der Abg. von Kardorff hat au die Regierung angegriffen. Ich habe nur bedauert, daß die Regierung ihre Sozialpolitik nicht schon früher begonnen hat, sondern fih erft dazu hat drängen lassen. Autorität und Disciplin muß im Verhältniß von Arbeitgeber und Arbeiter berrs{hen; aber eine gewisse Antheilnahme an der Ge- staltung ihrer Verhältnisse muß man den Arbeitern zugestehen ; weiter geht ja auch die Regierung niht. Die Liberalen haben die alte Organisation der Stände, die Innungen zerschlagen; sie waren nit bellsihtig genug, sie baben die Agitation dadur entfesselt, die einen fozialen Frieden fehr {wer erreihbar maht. Allerdings haben die Gewerkvereine in England sih in der leßten Zeit in das fozial- demokratishe Lager begeben, aber 30, 40 Jahre lang find sie das erziebende Element der Arbeitershaft gewesen. Ein Korps- eist unter den Arbeitern, wenn sie am Gotteswort fest- balten; kann nur sfegenêsreiß wirken. Eine Organisation der Arbeiter kann man nur wünschen; aber an_ der Spiße der Organisation stehen jeßt Bebel, Liebknecht, Singer. Das ist das einzige Unglück, daß die Arbeiter Männer zu ihren Führern maden, die gar nit zu ihnen gehören, die kein Recht baben, sie zu vertreten, die fie nur als Folie ansehen für ihre parlamentarische Größe. Beseitigen Sie aus dieser Bewegung Singer und das inter- nationale Judenthum! Ich danke es der Regierung, wenn sie die Botschaft des Kaisers Wilhelm I. und die Erlasse des jeßigen Kaisers, die das größte Werk dieses Jahrhunderts sind, ausführen.

Abg. Frhr. von Zedliß (fr. kons.): Ih trete dem Abg. Stöcker darin bei, daß es damit nit genug gethan ift, alle fünf Jabre auf Grund des allgemeinen Wablrechts zu wählen, aber ich unterscheide mich doch darin entschieden von seinen Ausführungen, daß ih die Or- ganisation der Arbeiter in einer Zeit, wo sfozialrevolutionäre Be- itrebungen in der Weise vorherrschend find, niht für segensreich halten kann. Das Beispiel der englishen Gewerkvereine, die in das Lager der Sozialdemokraten übergangen sind, ift für uns überaus lebrreih. Jede Organisation, die wir den Arbeitern geben, muß den gute fommen; gewiß baben die evangelischen Arbeitervereine gut gewirkt, aber wenn der Geist, wie er fih in der „Hilfe“ und bei Herrn Naumann zeigt, auf die evangelischen Arbeitervereine einwirkt, dann gerathen fie nothwendig auf eine abs{üssige Bahn und werden zum Werkzeug der Sozialdemokratie. Jh habe die größte Achtung vor dem ernften wissenshaftlihen Wirken der Katbedersozialisten, und i ertenne aub in dem Kathedersozialismus einen Fortschritt gegen die früberen mandefterlichen Theorien an, die vor dreißig Jahren auf dem Katheder alleinberrshe-d waren. Aber die Einwirkung der katheder-

sozialiftishen Theorien auf die begeisterungsfähigen Studenten, die

das praktische Leben niht fkennèn, kann doch bedenklih sein. Es ift doch ein unvorsichtiger Ausspruch, wenn ein Professor seinen noch nit ausgereiften Zuhörern vorträgt: die Arbeiter müßten ibren Antbeil an den Erträgnifsen der Produktion haben. Wenn i sebe, wie Professor Wagner über das Eigenthum, über die Form mancher Privatgewerbe urtbeilt, wie er die Thätigkeit der Unternebmer, die im praktishen Leben steben, diskreditiert, so muß das bei unserer Jugend sehr bedenklihe Folgen haben. Vorsicht und Zurückhaltung thut den Professoren noth. Der Abg. Virhow hat einmal seinen Kolle- gen Professor Häcktel dazu ermahnt; noch mehr muß das für die Nationalökfonomie gelten. Feder Pfleiderer, der Rektor der Berliner Universität, hat sh ebenso geäußert über die bedenkliche Art, wie man beute theoretishe Lehren in die Praxis übersetzen will. Was ter Abg. Stöcker über die Berliner Bewegung gesagt hat, war doch nit richtig; {on 5, 6 Jahre lang haben die Mittelparteien dem Abg. Stöcker volle Freibeit, volles freies Terrain für seine Berliner Bewegung gelaffen. Was hat er erreiht? In das Lager von Ablwardt und das der Sozialdemokratie hat er die Bevölkerung getrieben, wo am radifalsten und am heftigsten geheßt wird. Die Kampfesweise des Abg. Stöcker, der seinen Gegnern bloße Ver- tretung der Intereffen des Geldsacks vorwirft, kommt der Sozial- demoftratie zu gute. Wir treten ebenso für die Freibeit der Wissen- schaft ein wie der Abg. Stöcker: wir nehmen die Freiheit der Wissen- saft au der theologishen Fakultät gegenüber in Anspru. Mögen die ftaatéerbaltenden Elemente in Zukunft fester zusammensteben, obne das sharfe Scheidewafser der Verhekung, im Kampfe gegen den Umsturz.

Abg. von Evnern (nl.): Meine Parteifreunde haben das, was ih gesagt, rihtig gestellt gegenüber den Aeußerungen, die mir der Abg. Stôödcker in den Mund gelegt hat. Jedenfalls haben wir von ibm am wenigften eine Belehrung über den Liberalismus zu erhalten. Die Erklärung des Ministers, daß alle wissenshaftlih legitimierten Richtungen auf den Lehrftühlen vertreten sein sollen, hat mich völlig befriedigt. Ein Ausgleich der Wissenschaft ist nothwendig. Wenn der Abg. Paashe bedauert, daß ih diese Debatte ange- regt habe, so meine ih, es ift doch gut, daß wir den Abg. Stöter wieder einmal in seiner Wirksamkeit hier im Hause kennen gelernt haben. Nicht, was er hier sagt, sondern wie verlezend er es sagt, das ist die HauptsaWe. Jh vertrete niht die Interessen des Geld- facks, sondern die Interessen der Arbeiter und Arbeitgeber glei warm. Die sozialpolitishen Gesege sind zumeist durch die Arbeitgeber gë- fördert worden. Die- Thätigkeit des Abg. Stöcker hemmt die fru@t- bringende Arbeit auf diesem Gebiet.

Sozialdemokraten zu *

Abg. Dr. reiherr von Heereman (Zentr.) : Meine Ansichten -

stehen in der Mitte der hier vertretenen. Dem Abg. von Gynern gegenüber muß ich bedauern, daß er die Debatte hier an eregt bat, wo sie nit bingehört. Die soziale Frage muß vor allem doch mit mehr Ruhe behandelt werden. Was kann das beute bier belfen, wenn die

sich zanken und sichDinge sagen, diesie vielleitht später bereuen ? Die : eran ges von heute bringen feinen Nußen und bieten nah E kTonfuses Bild. Die Professoren will ich weder angreifen n ver- theidigen; ih glaube, daß jeder seine beste Meinung gesagt hat. Ich erkenne an, daß Freiheit der Wissenschaft nothwendig ist, aber jede Freibeit bat ihre Grenze, sonst wird sie Zügellosigkeit. In religiösen wie sozialen Dingen muß die Regierung eine Grenze ziehen.“ Bei uns is eine Gefahr in Religionssachen nicht vorhanden, ih wünschte, daß die evangelishen Christen in derselben Weise ges{hüßt wären wie wir. Bei Besprechung sozialer Eragen können per- fönlihe Erregungen zu nichts hee Es ist nit zu bestreiten, daß wir viel Kummer und Elend haben infolge der Entwickelung unserer wirtbschaftlihen Verhältnisse. Wir haben eine Anzahl Personen, die des Schutzes bedürfen; ibrer müssen wir uns annehmen. Aus diesem Gedanken ging die soziale Gesetzgebung bervor, auf diesem Wege müßten wir fortshreiten. Wenn wir aber den arbeitenden Klassen helfen wollen, müssen wir Arbeiter und Arbeitgeber als Ganzes zusammen- fassen. Wenn wir niht im Sozialiêmus untergehen wollen, müssen wir das riftlihe Gefühl mehr ftärken als bisher. Ohne innere christliche Kraft giebt es keine feste Familie, keine Dauer des Staats. In diesem Punkte treffe ih mit dem Abg. Stöcker zusammen, wenn ih au nit alles vertheidigen will, was er sagte. Vielfah war von dem Freiherrn von Stumm die Rede. habe keine Veranlassung, ihn anzugreifen oder zu vertheidigen; ich weiß aber, daß er für seine Arbeiter in hervorragender Weise sorgt und ihnen solches Interesse zeigt, daß man allen Arbeitern einen derartigen Arbeitgeber wünschen möchte. Was feine Aeußerungen im Reichstage anbetrifft, so stebe ih allerdings nicht auf seiner Seite. Die Arbeitershußgesetgebung ist zuerst von uns angeregt worden. Ich bedauere, daß über die sozialen Bragen mit so viel persönlichen Schärfen gesprochen worden ist. Wenn wir Vertrauen im Lande baben wollen, müssen wir diese persönlichen Auseinandersetßzungen vermeiden.

bg. Dasbach (Zentr.) nimmt gegenüber dem Abg. Bueck den Verein für Sozialpolitik in Et und führt aus, daß den Arbeitern auf Grund der Koalitionsfreiheit der Zusammenschluß ebenso gestattet werden müsse, wie den Arbeitgebern in den Kartellen.

Abg. Stößel (Zentr.): Reden wie die des Freiherrn von Stumm im Reichstag können nur die Wirkung haben, der Sozial- demokratie Vorschub zu leisten. Was den Zusammenschluß der christ- lichen Bergarbeiter im Ruhrrevier betrifft, so dient gerade er dazu, die Bergleute von der Sozialdemokratie fern zu halten. Wenn sich christlihe Arbeiter beider Konfessionen vereinigen, um ihre Interessen zu wahren, fo sollte man das gerade in beutiger Zeit willkommen beißen.

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.): Dem Abg. Stöcker ist vorgeworfen worden, daß er in zu heftiger Weise vorgegangen sei. Ich habe selten eine so ruhige Rede gehört, wie die zweite des Abg. Stödckter. Von Verheßung und vers8alkben Schärfen- war darin niht die Rede. Die Reden von der anderen Seite waren viel {ärfer. Durch fo beftige persönliche Angriffe haft man die soziale Frage nicht aus der Welt. In dem vorliegenden Etatstitel han- delt es sich um eine Professur der Nationalökonomie, und da ist man auf die Frage der Lohnfreiheit gekommen. Man verwechfelt bäufig die Freibeit der wissenschaftlichen Forshung mit der Lehrfreiheit. Die Forshung kann einseitig sein: aber der Lehrer darf feinen Schülern gegenüber nit einseitig deuten und JIrr- thümer vortragen. Deshalb müssen wir Männer zu Professoren wählen, die die Garantie bieten, daß sie ihren Zuhörern das Gebiet der Wissenschaft klar legen, ohne fie zu einseitigen Theorien zu drängen. Die Professoren müssen sich aber auc als Lebrer der Jugend außerordentli vorsichtig in der Oeffentlichkeit und gegenüber einzelnen Tagesfragen aussprechen. Was die Organisation der Arbeiter betrifft, so will ich die politishen Rechte der Arbeiter niht kürzen. Aber ob wir den Arbeitern wirthscaftlihes Gedeihen verschaffen können durch Organisation allein unter sich, weiß ih nicht. Unter Umständen kann man den Arbeitern in solchen Orga- nisationen Steine für Brot geben. Es müssen verschiedene Elemente zusammenwirken, um die wirtbschaftlihe Lage der Arbeiter zu ver- bessern. Vor allem müssen die Regierung und i will es mal fo nennen die drei oberen Stände zusammenwirken. Auch ih halte die Kaiserlihen Kundgebungen für sehr bedeutungsvoll, aber eine Organisation in ihrem Sinne is nur möglih bei einem Zusammen- wirken der Arbeiter mit den Arbeitgebern und unter Wahrung der Autorität der letteren.

Abg. Stöcker: Ich weiß niht, warum der Abg. von Eynern sih so ereifert, daß ih von der Vertretung der Interessen des Geld- ihranks ih babe nit Geldfack gesagt gesprochen habe. Ih war dazu ganz berechtigt, hätte: vielleihi auch von Mammonismus sprechen können. Daß Professor Wagner dafür eintritt, daß der Arbeiter mehr bekommt, ist doch ganz natürlich und ein Stück Sozialpolitik, aber die utopishen Anschauungen der sozial- demokratischen Arbeiter theilt er deshalb doch nit. Was die Unterscheidung von Theorie und Praxis in der Volkswirth- schaft betrifft, so sollte man doch keine solhe Scheidewand auf- stellen, sonst entgeistigt man die Praris; die beste Praxis ist eine gute Theorie. Die Berliner Bewegung ist durch das Kartell so diskreditiert, daß sie shwer hat leiden müssen. Immerhin haben wir in Berlin doch noch 5000 Anhänger. In Bezug auf die Freiheit der theologischen Wissenschaft meine ih, daß es keine theologishe Wissenschaft giebt ohne feste göttlihe Grundlage. Lassen wir göttlih, was göttlich ist, und irdisch, was irdish ist, so werden wir uns über Wissenschaft und Praxis leiht verständigen. :

Abg. Dr. Sattler (nl.): Der Abg. Stöcker hat es so hingestellt, als ob wir die Rechte der Arbeiter beschränken wollten. Das hat er rediglih gethan, um politisches Kapital daraus zu s{lagen. Bei dem Kartell haben ih die Mittelparteien von vornherein sehr zurück-

C omegii weil fie {hon im Anfang den Ahlwardt’shen Bundshuh aben.

Abg. Pleß (Zentr.): Arbeiter und Arbeitgeber dürfen, um die fozialen Uebel zu vermindern, niht verschiedene Interessen haben. Das Recht der Verhandlungen darf dem Arbeiter so wenig ver- kümmert werden, wie den besser Gestellten. Mit Recht hat der Abg. Stöcker besonderes Gewicht auf die Organisation der Arbeiter gelegt. Die Richtschnur kann nur die christlihe Religion geben. Die Wissen- schaft, die den christlihen Boden verläßt, wird niht aufbauen, sondern zerstören.

Die Diskussion wird geschlossen und das Haus geht zur Berathung der Aufwendungen für Kultus und Unter- richt gemeinsam über.

Abg. Shmidt-Warburg (Zentr.) dankt dem Minister für die Zuwendungen, die in Höbe von 4000 ( für das Pfarrhaus in Marien- münster gemacht seien, und spricht die Poffnung aus, daß auch anderen in Westfalen noch bestehenden Beschwerden in Bezug auf Kirchenbauten bald werde abgeholfen werden.

Abg. Krahwinkel (nl.) beschwert sich, daß in der Rheinprovinz in Bezug auf den Konfirmanden-Unterricht Uneinigkeit zwischen Kirchen- und Schulbehörden herrsche.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Jh möchte nur ganz kurz bemerken: irgend eine Beschwerde über diesen Gegenstand ist bis jeßt an mich niht heran- getreten. Die Schulbehörden find angewitsen, sih mit der Kirche in dieser Beziehung zu verständigen, auch die Kirhen sind in diesem Sinne seitens des Evangelischen Oberkirhenraths mit gleiher An- weisung versehen; irgend etwas, was einer Beshwerde auh nur ähn- lich sähe, ift bis jeßt an das Kultus-Ministerium nit herangetreten. Sollte eine Beshwerde an mich herankommen, so biñ ih bereit, jeden Augenblick noch einmal diese Anweisungen, die auf eine Verständigung

nach dieser Seite gerihtet sind, zu wiederholen. Aber ohne eine solche Beshwerde ist für mih keine Veranlassung vorhanden, die Sache von Amtswegen aufzunehmen. -

Zur Berbesserung der äußeren Lage der Geist- lien aller Bekenntnisse sind 5474 300 # ausgeworfen.

Dazu beantragt Abg. von Strombeck (Zentr.), die ka clisden Geistlihen aus dem Fonds gewährten Zulagen ats s auf die „staatlich anerkannten Missionspfarrer aus-

nen.

de wird von den Abgg. von Strombeck (Zentr.) und Riesch (fr. konf.) beantragt, die Alterszulagen für fatho- lische Geisiliche alle 5 Jahre (statt wie bisher um 150 #4) um 295 A bis zum Höchstbetrage von 2700 4 (statt wie bisher 92400 M) zu fteigern, und bei der Bemessung von Alters- ulagen auch die von preußishen Geistlihen in anderen deut- {hen Bundesstaaten zugebrahte Dienstzeit anzurehnen.

Abg. Rief ch (fr. konf.): Nach den eingeholten Informationen bei Geistlihen meines Wahlkreises trete ih für den Antrag von Strombeck ein. Die vorges{chlagene Erhöhung des Marimalbetrags um 300 4 ift gewiß zu billigen. Das jeßige Minimalgehalt der katholischen Geistlihen ist verbältnißmäßig gerinäfügig; die Militärverwaltung kennt keinen Unterschied in der Besoldung der katholischen und evan- gelishen Geistlihen. Mit konfessionellen und politischen Fragen hat diese vorgeschlagene Gehaltserhöbung nichis zu thun. Was die An- rechnung der Dienstzeit in anderen Bundesstaaten anlangt, \o erfolgt dieselbe auch anderswo, z. B. in Sachsen-Weimar. Ih halte das gleihe Verfahren au bei uns für billig.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Bei der geshäftlihen Lage dieses hohen Hauses glaube ich in Bezug auf den Antrag unter A, sowie auf den Antrag unter B 1 mi darauf beshràä nken zu können, auf die Gründe zu verweisen, die in früheren Jahren {hon wiederholt vom Regierungstish gegen diese Anträge dargelegt worden find. Jch bitte, die Anträge abzulehnen.

Dagegen möchte ich ein paar Worte sagen über den Antrag unter B 2. Insofern der Herr Abg. Riesch den Antrag begründet hat mit der Bezugnahme auf die Reziprozität, muß ich darauf aufmerksam machen, daß der Antrag selbs von der Reziprozität auch nicht das geringste enthält. Es steht nicht darin, daß nur für diejenigen Bundes ftaaten , die Reziprozitäten üben, diese Alters- zulage gewährt werden \oll, sondern es is ganz allgemein für alle deutshen Bundesftaaten vorgesehen, und ich kann nur wiederholen, daß man, wenn man darauf eingehen wollte, geradezu mit preußischem Gelde ausländische Geistlihe bezahlen würde, und daß man den nihtpreußischen Bundesstaaten einen Antrieb geben würde, die Verbefserung der bei ihnen angestellten katholishen Geist- lichen auf die lange Bank zu schieben oder zu unterlassen; denn wir würden ja aus unsern Mitteln z. Z. das tragen, was nöthig wäre, um eine Ausgleihung herbeizuführen. j

Aber ganz abgesehen davon, würde eine derartige Maßregel, - die bloß für die katholishen Geistlihen hier eingeführt würde, ganz zweifellos zu’ den allerunerwünschtesten Berufungen führen zu Be-

| rufungen nit bloß bei den Volks\{ullehrern, sondern au bei den

Staatsbeamten, bei denen wir ebenfalls dieses Dienstalterszulagesystem eingeführt haben und bei denen wir als unerläßlihe Regel bis jeßt festgehalten haben, nur die preußishe Dienstzeit anzurehnen.

Nun muß ih doch auch bemerken: der Vermerk, wie er jeßt im Etat gefaßt ist, ist auf einen Antrag, der von seiten des Zentrums gestellt war, gefaßt, und da hat das Zentrum selbst die Dienstzeit „in Preußen“ hineingebra(t, hat also damit anerkannt, daß an sich dieses allgemeine Prinzip auch hier ganz begründet sein dürfte.

Nun, meine Herren, ist es ja richtig, daß eine gewisse Schwierig, keit namentlich für die Diszesanverwaltung entstehen kann bei den Grenzgebieten, wo der Bischof in die Lage kommt, einen Geistlichen entweder jenseits der preußishen Grenze anzustellen oder au ibn, nahdem er dort eine Weile gewesen ist, in das preußische Gebiet zurückzunehmen. Aber immerhin scheinen mir diese Gründe, obwohl dabei leiht Ungerectigkeiten vorkommen, und die Fälle, in denen derartige Belastungen vorkommen können , fo geringfügig zu sin, daß ih Bedenken trage, zu empfehlen, deshalb diesen allgemeinen Grundsaß zu verlassen, der, wenn er verlassen wird, ganz gewiß zu großen Unbequemlichkeiten auf dem Gebiet der anderen Dienstalterszulagen führen wird.

Ich habe schon früher gesagt : wo solhe Mißverhbältnisse für den einzelnen Geistlihen dadur eintreten, haben wir stets auf das bereit- willigste mit Unterstüßungen geholfen. Das werden wir auch ferner thun, und ih erkläre ausdrücklich, daß ih es prinzipiell für den einzig rihtigen Weg halte, angesihts der Schwierigkeiten, in die wir kommen werden den anderen dienstalterszulagenberehtigten Beamten gegenüber, wenn wir hierbei stehen bleiben und wenn Sie nach wie vor das Zutrauen zur Regierung haben, daß sie in jedem Fall, der zu ihrer Kenntniß gebraht wird, wo für den Geistlichen ein Nachtheil eintritt, mit Dienstaltersunterstüßungen Helfen wird. Ich erkenne aber an, meine erren, Dg & ja Ut Die Herren Geistlichen, die dabei in Betracht kommen, wünschens- werth wäre, wenn sie auch auf rehtlihe Weise einen Anspruch haben. Ih kann das aber im äußersten Fall nur für diejenigen Fälle zugestehen, wo die Reziprozität nahgewiesen ist, und auch nur insoweit, als diese Neziprozität nach- weislich geübt wird. Wenn das Haus dies beschließen sollte, will ich für diese Fälle mih bereit erklären, einen derartigen Antrag des Hauses bei der Königlichen Staatsregierung zu befürworten, aber immer nur in dem Umfange der Gebiete, von denen Reziprozität auch uns gegenüber gewährt wird.

._ Abg. Dasbach (Zentr.) bemerkt, daß es sich dabei um 103 aus- wärtige Pfarreien gegen über 2000 Pfarreien in Preußen handele.

Minister der geistlihen c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Der Herr Bischof würde do fehr unrecht gegen feine - Kleriker

| handeln, wenn er diejenigen, die- auf shlechter dotierten nihtpreußischen

tellen waren, niht allmählich nah Preußen hinübernähme, und was

würde damit erreiht werden ? Die Regierung des Bundesstaats, die

ihre Pfarrer hlechter besoldet, als wir die unserigen, würde geradezu

darin bestärkt werden eine Aufbesserung zu unterlassen, und die

preußische: Zulage würde dazu dienen müssen, um diese Geistlichen da-

A E daß die Regierung dort ihre Schuldigkeit nit n hat.

Abg. Brandenburg (Zentr.) empfiehlt die Anträge und macht daraus aufmerksam, daß der Saat für die evangelischen Kultuszwede erhâltnißmäßig mehr ausgebe als für katholishe Kultuszwecke. sei A: von Strombeck (Zentr.) weist auf das SsreMilertiate l ner Anträge hin und hebt insbesondere hervor, daß der leßte Antrag S dienen solle, gewe überaus empfindliche Härten aus den Zeiten des turkampfes, da Hunderte von Geistlichen ihres Lebensunterhaltes

2 Preu en verlassen müssen, zu beseitigen. Darüber freue er fich, afen inister i einen Men n reseits ag, der E R der dritten Lesung eingebracht werden könne, eintreten wolle. Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse: Meine Herren! In der Pensionsgesezgebung kann man in Bezug ¿auf die Anrechnung außerpreußischer Dienstzeit aus sehr naheliegenden Gründen etwas weitherziger sein, als dies bei der Anrechnung der Dienstzeit behufs Erlangung der Alterszulagen der Fall is. Aber selbst in der Pensionsgeseßgebung liegt die Sache so, daß die Anre- nung außerpreußisher Dienstzeit als ein besonderer Gnadenakt bin- gestellt wird und an die Genehmigung des Königs gebunden ift. Schon das zeigt, wie verschieden hier die Dinge liegen, und ich rathe ab, dies als allgemeinen Grundsay einzuführen.

Abg. Schmidt- Warburg (Zentr.) fordert die Regierung auf, auf diesem Gebiet einmal den anderen Staaten obne üdsit auf die Reziprozität mit gutem Beispiel voranzugehen. Der Hinweis auf die Volksschullehrer, die dann mit gleihen Forderungen kommen würden, passe nit, da diese Lehrer niht während des Kultur- kampfes vertrieben seien wie die Geistlichen, auf die sh der Antrag zum größten Theil beziehe. Wenn das Zentrum Schiffe bewilligen solle, so fei es gut genug, aber für die eigenen Forderungen des Zentrums habe man kein Ohr.

Abg. Dasbach (Zentr.) beklagt sich über unparitätishe Behand- lung der Angelegenheiten der protestantishen und katholischen Kirche

im Gtat. Abg. Graf zu Limburg-Stirum (kons.) macht für die Ab-

_ Die Ablehnung der Anträge erfolgt gegen die Stimmen des Zentrums und der Polen. Um 5sè Uhr wird die weitere Berathung vertagt.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichstag ist folgender Entwurf eines ‘Ge- seßes, betreffend die Kaiserlihen Schußtruppen für Südwest-Afrika und für Kamerun, zugegangen:

1. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Deutsh-Südwestafrika und in Kamerun wird je eine A verwendet, deren oberster Kriegsherr der Kaiser ist.

: 2. Auf die im § 1 bezeichneten Schutztruppen finden die Be- Ls des Gesetzes, betreffend die Kaiserliche Schußtruppe für Deutsch-Ostafrika, vom 22. März 1891 (Reichs-Geseßbl. S. 53) mit den in den folgenden Paragraphen bestimmten Abweihungen ent- sprehende Anwendung.

§ 3. Die Kaiserliche Shutztruppe für Südwest- Afrika besteht au aus Gemeinen des Reichsheeres und der Kaiserliben Marine. Als pensionsfähiges Diensteinklommen im Sinne des § 7 des Gesetzes, betreffend die Kaiserlihe Schußtruppe für Deutsh-Ofstafrika, gilt:

für Gemeine, welche einshließlich der im Heere oder in der Marine

abgeleisteten Dienstzeit länger als drei Jahre gedient haben, der Betrag von 1400 #,

für die übrigen Gemeinen der Betrag von 1200 i

§ 4. An die Stelle der 8 18, 19 und 20 des in den vor- stehenden Paragraphen erwähnten Gesetzes treten folgende Uebergangs- bestimmungen:

Für diejenigen Militärpersonen, welche aus den bei der Landes- hauptmannschaft für Südwest-Afrika oder dem Gouvernement von Kamerun auf Grund von Dienstverträgen gebildeten Truppen in die betreffenden Kaiserlihen Schutztruppen übernommen werden, ist der in den ersteren bereits abgeleiftete Dienst im Sinne dieses Gesetzes demjenigen in der Shutßtruppe gleih zu achten.

Denjenigen Militärpersonen, welhe aus den vorbezeichneten Truppen der Landeshauptmannschaft für Südwest-Afrika oder des Gouvernements von Kamerun bereits ausgeschieden sind oder in die Kaiserlihe Schußztruppe niht übernommen werden, und ihren Hinter- bliebenen können Verforgungsan\prüche nah Maßgabe der bisberigen Bestimmungen über die Versorgung der Militärpersonen des Heeres und der Kaiserlichen Marine und ihrer Hinterbliebenen vom Neichs- kanzler zugestanden werden.

Dem Gesez is die nahstehende Begründung beigefügt : __In den beiden westafrikanishen Schußgebieten, Deutsh-Südwest- afrika und Kamerun, bestehen seit einer Reihe von Jahren Schutze oder Polizeitruppen, denen die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit obliegt. Die Offiziere sowohl wie die Unteroffiziere und Mannschaften hatten bei Uebertritt in die Truppe, erstere nah erfolgtem Kommando zum Auswärtigen Amt mit diesem oder mit der obersten Verwaltungsbehörde des Schutzgebiets Verträge abgeschlossen, wodurh die gegenseitigen Rechte und Pflichten des Nâheren festgeseßt waren. Die unrubigen Verhältnisse in den beiden Schutgebieten haben im ufe der leßten Jahre eine allmähliche Verstärkung der Truppen nothwendig gemadt; nah dem Entwurf des Haushalts-Etats für das Jahr 1895/96 beträgt das europäische Per- fonal der südwestafrikanishen Schußtruppe 13 Offiziere, 2 Sanitäts- offiziere und 540 Mann, während dasjenige der Schußtruppe für Kamerun aus 3 Offizieren und 12 Unteroffizieren besteht. Bei dieser Stärke der beiden Schußtruppen muß es in mehrfacher Beziehung bedenklih erscheinen, die Organisation derselben auf die privatrechtliche Grundlage von Dienstverträgen zu stellen. Dieselben Gründe, namentlich auf dem Gebiete der Disziplin und des Ver- lorgung8wesens, welche feinerzeit für die durch das Gesetz vom 22. März 1891 erfolgte Bildung einer Kaiserlihen Schußztrupve für Deutsch-Ostafrika maßgebend waren, sprechen au für die gletche Regelung bezüglich der in Südwest-Afrika und in Kamerun be- stehenden Truppen. Während es aus Rücksichten der militä- rishen Disziplin wünschenswerth erscheint, die erwähnten beiden Truppen in eine organishe Verbindung mit dem Neichs- heere und der Kaiserlihen Marine zu bringen, erbeischen im besonderen die Versorgungsansprühe der Angehörigen der beiden Truppen eine \{leunige geseßliche Regelung. Da Werth darauf gelegt werden muß, daß die Organisation und die Versorgungs- verbältnisse der beiden westafrikanishen Schußtruppen in möglichst nahem Anschluß an die für die ostafrikanisde Schutztruppe geltenden Vorschriften geordnet werden, so konnte sich der Entwurf auf die Bestimmung beschränken, l das Geseß, betreffend die Kaiferliche Schußtruppe für Deutsh-Ostafrika, vom 22. März 1891 (Neichs- Geseßbl. S. 93) auf die beiden westafrikanishen Schußtrupven mit wenigen, durch die in Einzelheiten vershiedene Organisation derselben bedingten Abweichungen entsprehende Anwendung finden solle. Be- züglich dieser Abweichungen is im einzelnen Folgendes zu bemerken: „Da die südwestafrikanishe Schußtruppe im Gegensatz zu den übrigen Schußtruppen au aus Gemeinen des Stoichabeeres und der Kaiserlihen Marine besteht, ist es nötbig, den § 2 des Gesetzes vom 22. März 1891 für die südwestafrikanishe . Truppe entsprehend zu erweitern und zugleih in Ergänzung des § 7 au für die Gemeinen ein pensionsfähiges Diensteinkommen festzusetzen. Mit Nücksicht dar- auf, daß denselben bestimmte Aussichten auf regelmäßige Beförderung zu Unteroffizieren nit eröffnet werden können, erscheint es angemessen, die âlteren Gemeinen in Bezug auf ihre Versorgung etwas günstiger zu stellen als die jüngeren. Der Entwurf _hat daher für rienigen Gemeinen, die eins{ließlich der im Heere oder in der Marine abgeleisteten Dies länger als drei Fahre sies haben, ein pensionsfähiges Diensteinkommen von 1400 ( und ür die jüngeren ein folches von 1200 #4 vorgesehen. Von den Vebergangsbestimmungen des Gesetzes vom 22. März 1891 kann § 18 auf die beiden westafrikanishen Schußtruppen deshalb keine analoge Anwendung finden, weil, abweihend von der seinerzeit dur den vor-

maligen Saite für Deutsch-Ostafrika angeworbenen Truppe, die in Südwest-Afrika und in Kamerun gebildeten Schußtruppen

lehnung des Zentrumsantrages die gegenwärtige finanzielle Lage geltend. .

durchweg aus Mannschaften des Beurlaubtenstandes zusammen worden find, während die Offiziere dem aktiven oder dem Beurlaubten- stande entnommen waren. Im übrigen sind in dem Entwurf die Verforgungsansprüche sowohl der aus den früheren Truppen in die Kaiserliche Schußtruppe übergetretenen, als auch der in dieselbe nit übernommenen Militärpersonen den §8 19 -und 20 des vorgenannten Gesetzes entsprechend geregelt.

_ Ferner ist dem Reichstag der nachstehende Entwurf eines Geseßes, betreffend die Abänderung des Zoll- vereinigungsvertrags, vom 8. Juli 1867 vorgelegt worden :

§ 1. Die im Artikel 5 Ziffer 1 und Ziffer TIT § 7 Absatz 3 und 5

des Vertrags, die Fortdauer des Zoll- und Handelsvereins betreffend, vom 8. Juli 1867 (Bundes-Geseßbl. S. 81) sowie im Gesetze, be- treffend die Steuerfreibeit des verzollten ausländishen Weins und Obstweins in S eimgen, vom 15. Juli 1872 (Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen S. 562) enthaltenen Vorschriften über die Be- steuerung der im § 2 bezeihneten Erzeugnisse für Nechnung von Kommunen. und Korporationen werden aufgehoben. S s Rechnung von Kommunen kann die Erhebung einer örtlichen erbrauch8abgabe von Wein (Most), Schaumwein und Kunstwein ausländishem wie inländishem bis zur Höhe von zehn vom Hundert des Werths oder von fünf Mark für das Hefkto- liter gestattet werden. »

§ 3. Soweit in einzelnen Kommunen höhere als die nach § 2 zugelassenen Abgaben bereits gegenwärfig “bestehen, dürfen dieselben bis zum 31. Dezember 1899 forterhoben werden.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks R L E ULE ad ay g A n der Kuhr find amm 2. d. M. t 10376, nit iti ceftellé tene Va m geste (6, nit rechtzeitig s ev esten sind am 1. d. M. gestellt 4187, nit o ¡eitig gestellt keine Wagen. E s E

Berlin, 2. März. Wochenberiht für Stäcke, Stärfke- fabrikate und Hülsenfrüchte von Max Sabersk y. Ia. Kartoffelmehl 16§—174 Æ , Ia. Kartoffelstärke 16?—17{ M, [Ta. Kartoffelmehl 124 15 #, feuchte Kartoffelstärke Fracht- parität Berlin 9,15 , a Syrup - Fabriken zahlen nah Werkmeister's Bericht fr. Fabrik 8,80 46, gelber Syrup 18F—19 4, Kap.-Syrup 19{—20x #, Kap.-Erport 21-—21F #4, Kartoffelzucker elber 183—19 Æ, do. Kap. 203—21 #, Rum-Kuleur 33—34 M,

ter-Kuleur 32—34 4, Dextrin, gelb und weiß, Ia. 23—24 M, do. sekunda 20—22 . Weizenstärke (kleinst.) 25—26 M, Weizenstärke (großst.) 33—34 #, Halleshe und Sghlesische 34—36 f, eisstärke (Strahlen) 49—50 Æ, do. (Stücken) 47—48 #4, Maisstärke 30—32 s Schabestärke 30—31 M, Viktoria-Erbsen 14—19 #4, Kocherbsen 13—18 4, grüne Erbsen 13—19 #4, Futtererbfen 111—121 \, inländishe weiße Bohnen 22—24 M, weiße Flachbohnen 23—25 4, ungarische Bohnen 19—21 #, galizishe und russishe Bohnen 17—19 M, große neue Linfen 28—38 A, mittel Linsen 16—28 M, kleine Linsen 12—16 Æ, Mohn, blauer nom. 28—40 4, do. weißer nom. 44—60 M, Hirse, weiße 18—20 , gelber Senf 14—22 4, Hanfkörner 187 bis 0 M. Buchweizen 133—15 Æ, Witten 12—124 4, Pferdebohnen 12—124 M, Leinsaat 20—21 #, Mais loko 11è—134 M, Kümmel 54—60 #, Leinkuchen 12—121 4, Rapskuchen 10§—114 M, pa. marseill. Erdnußkuchen 103—12 #, pa. doppelt gesiebtes Baum- wollensamenmehl 58 % 103—12 4, pa. helle getr. Biertreber 28 bis 30 9/9 9IF—10L M, pa. getr. Getreideshlempe 31—34 9/9 11—12} M, pa. Len Mais-Weizenshlempe 35—40 9/9 113—12} M, pa. getr. Maisschlempe 40—42 % 11#—123 4, Malzkeime 71—9 M, Roggen- Éleie 7t—8 M, Weizenkleie 7}4+—8 #4 (Alles per 100 kg ab Bahn Berlin bei Partien von mindestens 10 000 kg.)

_ Vom oberschlesishen Eisen- und Zinkmarkt be- richtet die „Schles. Ztg.*: Die Lage des obershlesischen Eisenmarkts hat in letzter Zeit keine Aenderung erfahren. Der Hochofenbetrieb wird den ungünstigen Absfaßverhältnissen für obershlesishes N oh- eisen entsprechend möglichst eingeshränkt. Die Erzzufuhr von den heimishen Förderungen ist verringert worden, und an ausländishen Erzen werden nur solhe aus Böhmen und Ungarn angefahren, _welhe auf den den oberschlesischen Werken gebörigen dortigen Förderungen gewonnen werden. Das Alteisen- geschäft liegt stark darnieder, selbst zu äußerst niedrigen Preisen ist bei den Werken, die gegenwärtig lieber Noheisen verarbeiten, nur {wer damit anzukommen. _— Das Walzeisengeschäft liegt äußerst matt, da der augenblicklihe Bedarf sehr nachgelassen hat; die meisten einlaufenden Ordres [auten zur Lieferung per Frühjahr, sodaß die zur sofortigen Anlieferung eingehenden Aufträge zur Aufrehterhaltung des Betriebes nicht hinreihen. Auh in Blechen ist die Lage nit günstiger, da der Betrieb der Walzenstrecken fast auf allen Werken wegen Mangel an Bestellungen theilweise eingeschränkt werden mußte. Es sind jedoh auch hier schon einige Schlüsse zur späteren Ablieferung eingegangen; auch diese Werke hoffen, wie alle übrigen Branchen, auf eine Aufbesserung des Geschäfts im Frühe jahr. Ueber den Betrieb und die Geschäftslage der Maschinen- und K esselfabriken, Konstruktions- und Reparaturwerkstätten ift Neues niht zu berihten; sämmtlichen fehlt es an genügender und lohnender eere igung. Draht- und Nägelwerke haben infolge der vorliegenden Schlüsse ihren Betrieb wieder etwas stärker ausgenommen; größere Ablieferungen ihrer Fabrikate sollen son mit Anfang nächsten Quartals beginnen. Die Gießereien find nach wie vor ungleih beschäftigt; während einzelne für ihre Arbeiter die nöthige Beschäftigung zu beschaffen nicht im stande sind, haben einige andere noch leidlih zu thun. Poterie geht fast gar nit mehr, dieselbe ist durch emailliertes Blechgeschirr fast ganz lahm gelegt worden. Im Rohzinkge\chäft verblieb die Lage unverändert, dagegen is im Walzzinkgeschäft in \o fern eine Aenderung eingetreten, als der Preis für Zinkbleche in Rücksicht auf die auf die au8ländishe Konkurrenz um 4 # pro 100 kg, also von 39 f auf 35 #4 ab Werk herabgeseßt worden ist.

__— Der Aufsichtsrath der Halleschen Maschinenfabrik und Eisengießerei bat beshlossen, aus dem Uebershuß von 630 463 (4 für das Jahr 1894 eine Dividende von 28 9% zur Vertheilung zu a E

—— Wie die „Köln. Ztg.“ meldet, wird die am 11. März statt- findende Versammlung der dem Rheinisch - Westfälischen Kohlensynd ikat angehörigen Zehen außer den regelmäßigen Gegenständen lediglih über den neuen Vertrag des Kohlensyndikats mit dem Kokssyndikat Beschluß fassen; der hierzu berufene Aus- {uß hoffe, im nächsten Monat den neuen Vertrag über die Syn- dikatsverlängerung zur Berathung vorlegen zu können.

Am Freitag bildete sich in Berlin ein Syndikat zur Ueber- nahme des für den Bau der neuen elektrishen Straßenbahn in Leipzig benöthigten Kapitals. Dem Syndikat gehören an die Berliner Handelsgesellschaft, die Deutsche Bank, die Nationalbank für Deutschland, die Firma Leo, Delbrück u. Co., die Allgemeine Deutsche Kreditanstalt in Leipzig, die Leipziger Bank und der Shlesische Bank- verein in Breslau. Der Bau soll in kürzester Zeit begonnen werden.

In der gemeinschaftlihen Sißzung des Verwaltungsraths und des Aufsichtsraths der Hamburg-Altonaer Pferdebahn- Gesellschaft vom 2. d. M. wurde beschloffen der auf den 28. März einzuberufenden Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 119%/% gegen 20% im Vorjahre vorzuschlagen.

Der Verwaltungsrath der Hamburg- üdamerikanishen Dampfschiffahrts- Gesellschaft hat die Vertheilung einer Dividende von 12/6 für das abgelaufene Geschäftsjahr gegen 10 9% im Vorjahre beschlossen.