1895 / 57 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

E gur E R E Ci Lee S

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D E E Ihrer Berathungen bildet die Vorlage über die anèwi ammer.

Je mehr Anlaß befteht, den Werth dieser Organisation des land- wirthshaftlichen Gewerbes vom provinziellen Standpunkt zu keur- theilen, um so s{chwieriger gestaltet s die Entscheidung, als es fih um das Weiterbestehen des Zentralvereins westpreußischer Landwirthe handelt, dessen stetig wachsende Thätigkeit immer uneingeshränktere Anerkennung gefunden hat. Eingehender Erwägung wird es Eben bedürfen, ob die Vorzüge der gegenwärtigen Vereins- bildung, unter Erbaltung seiner arbeitsfreudigen Sektionen und der lebensvollen Beziehungen zu den Kreis-:- und Ortsvereinen, mit den Vortheilen, welhe das Geseß durch Verleihung riner cgemreeen Stellung im öffentlihen Rechtsleben darbietet, in gedeihlihe Ver- bintung gebracht werden können. / : i

eus Provinzialaus\huß hat \sich für die Bejahung dieser Frage entschieden.

An feiner Spiße vermissen wir zu unserm lebhaften Bedauern beute den Mann, welcher fünfzig Jahre lang in Staats- und Pro- vinzialämtern sein Leben dem Wohle Westpreußens gewidmet und mit Erfolg es verstanden hat, die mit der Schaffung neuer ne stets tes Schwierigkeiten durch Gerechtigkeit und Milde aus- ¿ugleihen. S ; S

In der bewährten Ueeuzaaa daß, wie bisher, die Rücksicht auf das Wobl der Provinz Ihre Berathungen leiten wird, und mit dem herzlihen Wunsche, daß Ihre Beschlüsse das Wokl der 'west- preußischen Heimath fördern wögen, erkläre ih im Allerhöchsten Auf- trage den XVIIL. Provinzial-Landtag für eröffnet.

Stettin, 5. März. Der XXI. Provinzial-Landtag der Provinz Pommern wurde: heute durch den Königlichen Ober-Präsidenten, Staats-Minister von Puttkamer mit nachstehender Ansprache eröffnet :

Hochgeehrte Herren! k

Nachdem des Kaisers und Königs Majestät Allergnädigst geruht haben, den XXI. Provinzial-Landtag der Provinz Pommern anf heute zu berufen, habe ich die Ehre, Sie beim Beginn Ihrer diesmaligen Situngen willkommen zu beißen.

Seit Ihrer leßten Tagung hat der Tod wiederum s{merzlihe Lücken in Ihre Mitte gerissen. Das Andenken der verstorbenen Mitglieder wird von Ihnen und von der Provinz, für deren Wobl sie in engerem und weiterem Kreise Jahre lang mit Hingebung gewirkt haben, dauernd in Ghbren gehalten werden.

Den wichtigsten Gegenstand Ihrer dietmaligen Beratbungen wird die Ihnen zugegangene Vorlage wegen Errichtung einer Landwirtbschafts- kammer für unsere Provinz und die Fassung der Satzungen für diese Kam- mer bilden. Ich empfehle die hohbedeutsame Vorlage Ihrer eingehenden und wohlwollenden Erwägung und bin überzeugt dai Sie an die Prüfung der Ihnen gemachten Vorschläge mit der vollen Unbefangen- heit herantreten werden, welhe dieser aub für das Gedeihen der pommerschen Landwirtbschaft wihtige Gegenstand erheis{t.

Der Ausbau des Kleinbahnnetes hat im verflossenen Fabre, dank Ikbrer so bereitwillig gewährten Unterstüßung und der Opferwilligkeit der zunächst betheiligten Kreise und Gemeinden, einen erfreulichen Fortgang genommen.

Gegen 300 km sind tbeils dem Betriebe bereits über- geben, tbeils in der Ausfübrung begriffen. Schreitet wie zu hoffen, der Ausbau während der nätsten Jahre in der biéherigen Weife fort, so wird bald ein Zustand geshaffen sein, welher die empfindlihsten Lüden im Neße der Verkehrswege unserer Provinz als autgefüllt er- scheinen läßt.

Der Provinzial-Auss{uß hat \sih an die Königlihe Staats- regierung mit dem Antrage gewandt, im Wege der Geseygebung die Heranziehung von Fabriken, Ziegeleien und anderen industriellen und gewerblichen Anlagen zu Vorausleistungen für die Unter- haltung der Kunst- und Landftraßen- mögli zu machen. Diesem Antrage liegt die unzweifelhaft berechtigte Erwägung zu Grunde, daß derartige Anlagen die ausgebauten Straßen üter das allgemeine Ver- kebrsbedürfniß Hinaus für ihren Sondervortheil in beträchtlicher Weise abnußen, und daß es daher der Billigkeit entspricht, sie für diese Sondervortkheile, dur die der Allgeweinhbeit unverbältniß- mäßige Kosten entstehen, ein Aequivalent zaëlen zu lassen. Die zu- ständigen Herren Minister haben sich dahin ausgesprochen, daß gegen die Gewährung des Rechts zu der fraglichen Heranziehung sowohl an Gemeinden und Gutsbeziufe wie aub an die Kreise Bedenken niht zu erbeben sind, auêégecnominen jedoch für die Unterhaltung der vormaligen Staatëhausseen und derjenigen Kunft- straßen, auf denen Chaufjeegeld erboben wird.

Es wird von Jhrer Beschlußfassung abhängen, ob dieser An- gelegenheit weiterer Fortgang zu theil werden soll.

Es hat sih das Bedürfniß der Abänderung einiger Bestimmungen des Provinzial - Feuersozietäts-Reglements herausgestellt. Eine diet- bezüglihe Vorlage wird Ihnen unterbreitet werden. ;

Die infolge Ibres vorjährigen Beschlusses geshaffene Pflege der in Pommern vorhandenen Kunstdenkmäler ist durch die Wahl eines Provinzial-Konservators und Einsetzung ciner demselben zur Seite Meenen, vom Provinzial-Aus\huß gewählten Kommission ins Leben getreten.

Der Ihnen zur Prüfung und Genehmigung zugebende Entwurf des Previnzial-Haushaltsanschlags für 1895/96 ift mit gewohnter Um- sit und Sorgfalt unter Anwendung des Grundsatzes bewährter Spar- famfkeit aufgestellt, ohne die Befriedigung derjenigen Bedürfnisse, für welde die Provinzial-Verwaltung zu forgen hat, zu beeinträchtigen.

Die Provinzialabgaben brauchen den Betrag des ablaufenden Etatéjahres nicht zu übersteigen.

_ Nach den bisher bekannt gewordenen Allerböchsten Absichten wird unserer Provinz in diesem Jahre die bobe Ehre und Freute zu theil werden, Seine Majestät den Kaiser und König mit Seinen Erlauchten Eâsten aus Anlak der Truppenüktungen innerhalb ihrer Grenzen zu begrüßen. Es wird dieses freudige Ereigniß der gesammten Bevölke- g die Gelegentcit bieten, ibre Anhänglichkeit an die erhabene Person unseres Allergnädigsten Landeëherrn und das Hobenzollernhaus aufs neue zu bethätigen.

Indem ih Sie, geehrte Herren, cinlade, in Jhre Arbeiten mit gewobntem Eifer einzutreten, erkläre ih im Namen Seiner Majestät des Kaisers und Königs den XX1. Pommerschen Provinzial-Landtag für eröffnet. :

_ Auf die Aufforderung des Alters- Präsidenten, Bürger- meisters a. D. Hinze- Ueckermünde brachte die Verjammlung zunächst ein begeistertes Hoh auf Seine Majenät den Kaiser und König aus und wählte sodann den Wirklichen Geheimen Rath von Köller-Cantreck zum Vorsitzenden und den Geheimen Regierungs-Rath, Ober-Bürgermeister Haken -Stettin zum Stellvertreter des Vorsißenden. Die Gewählten nahmen die Wahl an. Nach der Wahl der Schrififührer und Fest- stellung der anwesenden Mitalieder durch Namensausfruf erfolgte die Bildung der Abtheilungen, die Mittheilung des Vorsigenden Über die vorliegenden Geschäftssachen - und dercn Vertheilung in die Abtheilungen. Sodann wurden Wahl- prüfungen vorgenommen.

_ Posen, 5. März. Jn der heutigen Sißung des Pro- vinztial-Landtiags wurde der Etat über die aus Provinzial- fonds zu leistenden Zahlungen an Beamte der Jnoaliditäts- und Altersversiherungsanstalt Posen für 1895/96 u. F ferner für das Arbeits- und Landarmenhaus Bojanowo (männ- lihe Insassen) für das Arbeits- und Landarmenhaus zu Fraustadt (weibliche Jnsassen), für das Landarmcnhaus zu Schrimm und das gesammie Landarmen- und Korrigenden- wesen und endlich fur die Provinzial - Erziehungs - Aostalten Schubin und Cerekwice in Zerkwiß, sowie für das gesammte Zwangserziehungswesen genehmigt; die zur Verwaltung der

E-Raifer(déutshnallonal) ‘degrüßie die Vorlage mit Freuden, n mentteuer

und noch erforderlich werdendenMittel wurden bereit gestellt bezw. die bereits erfolgte Verausgabzing nachträglih genehmigt. Der Vorlage des Landeshauptmanns, den vom XXVTIT. Pro- vinzial-Landtage gefaßten Beschluß über Bildung eines E fonds für die Kursverluste der Provinzial - Hilfskasse außer Kraft zu seßen, wurde nen un und zur finanziellen Unter- stüßung der im Jahre 1895 in Posen stattfindenden Gewerbe- Ausstellung eine Beihilfe von 10 000 4 mit der Maßgabe in Ausficht gestellt, daß die Rückzahlung nur dann eintreten solle, wenn das Unternehmen Ueberschüsse ergiebt. Zur Unter- hung von Fischzuchtbestrebungen in der Provinz Pen wurden é als Beihilfe zur Verfügung des Provinzial-Aus\schusses und dem Landwirthschaftlihen Provinzialverein zur Unter- haltung der Fischbrutanstalt in Prinzenthal bei Bromberg eine Beihilfe von 400 A für 1895/96 gewährt. Nach der Beschluß- fassung über eventl. Unterstüßung von öffentlichen do apihy 1a Untersuchungsanstalten wurden die noch der Bestätigung der uständigen Ressort - Minister unterliegenden Reglements für die Provinzial : Jrren - Anstalt Dziekanka und die Provinzial - Jrren - Anstalt Owinsk genehmigt. Die von dem Provinzial - Ausschuß in Vorschlag gebrachte Errihtung einer Wiesenbaushule zu Bromberg wurde ut geheißen und die hierzu erforderlihen Mittel für 895/96 bereit gestellt. Die V&@sammlung erklärte sich mit der Gewährung Löherec Bureauunkosten-Entschädigung an dic Landes-Bauinspektoren und Anstellung sowie Besoldung von Bausekretären an Stelle von Barseireiherä einverstanden, beshloß auch einige Aenderungen bezüglich der Ge- bührengewährung für Auszahlung von Chaussee - Unter- haltungsfkosten. Die der gewerblichen Vorschule zu Posen bisher gewährte Unterstüßung von 3000 jährlih kommt vom 1. Oftober 1895 ab in Fortfall, dafür wird die staatliche Baugewerkshule mit 5000 F 1ährlich von dem genannten Zeitpunkt ab unterstüßt. Von den dur die Ausführung des Gesehes vom 11. Juli 1891 über außerordentlihe Armen- pflege getroffenen Maßnahmen, ebenso von den Ver- in über Bauunfallversiheruna und Betriebs- kranfentasse für 1892 -und, 1893, dem finanziellen Ab- {luß für 1892/93 und 1893/94, welhe rund 237 000 ( Er- sparniß aufweisen, sowie endlih von der Uebersicht über den Stand der Rechnungslegung für 1892/93 und 1893/94 nahm die Versammlung Kenntniß. Nach einer der Vorlage des Provinzial - Ausschusses entsprehenden Beschlußfassung über Abänderungen der Besoldungsordnungen für die Direktoren und Vorsteher der Taubstummen-Anfstalten und der Blinden-Anstalten, die Ersten und ordentlichen Lehrer von den genannten Anstalten wurde der Provinzial - Ausshuß er- mächtigt, bestimmte kleine Landparzellen zu verkaufen bezw. abzutreten. Schließlih wurde über einige Gesuche von Kor- porationen und Privaten Beschluß gefaßt.

Württemberg.

In der Kammer der Abgeordneten gelangte gestern der Adreßentwurf zur Berathung. Derselbe bezeichnet die Revision der Verfassung für geboten und enthält folgende Wünsche: Ausschluß der Privilegierten aus der Zweiten Kammer, ergänzende Listenwahl, bessere Vertretung der größten: Städte im Landtag, Wahlkuverts, unbeschränkte Legitimationsprüfung, unbeschränktes Jnitiativ- recht, freie Festsezung der Geschäftsordnung, Regelung der Rech- nungsfontrole, Aufhebung der lebenslänglihen Berufung der Orts- vorsteher, Erhaltung der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Volksschul- eseß, Steuerreformen in Staat und Gemeinde, Sparsamkeit, ein- beitliche Gesegzesbestimmung über die Beiträge des Staats d Vizinalstraßen, kommunale Wander- gewerbesteuern, Uebersicht bezüglih des Eisenbahnbaues, billigere Personen- und Guütertarife, billigere Post- tarife im Bezirksverkehr, Revision der Bauordnung und der Feuerlöshordnung, nachdrücklihe Abhilfe gegen die landwirthschafilihe Nothlage, direkten Bezug der Proviantämter bei den, cinheimischen Landwirthen, Regelung des Wildschadens, Bestellung von landwirthschaftlichen Sach- verständigen, Förderung von Kreditinstituten mit unkündbaren Annuitäten, Förderung der Genossenschaften durch Kapitalien, Altersversicherung, Organisation des Kleingewerbes, Einschrän- fung der Konkurrenz der Gefängnißarbeit, Muster der Arbeiter- fürsorge in Staatsbetrieben , Umgestaltung der Gewerbe- inspektion, neue Gesindeordnung. Der Minister-Präsident Dr. Freiherr von Mittnacht erklärte den Standpunkt der Regie- rung zur Frage der Verfafsungsrevision. Die Regierung rehne mit der Thatsache, daß die Wähler sih für die Volks- kammcr ausgesprochen hätten. Sie könne zu der Entfernung der jezigen Privilegierten aus der Zweiten Kammer- Ja jagen, wenn zu den bisherigen gewählten Abgeordneten als Ersaß eine Anzahl von Abgeordneten hinzutrete, die in größeren Kreisen vom Volk durch Listenwahl nah dem Proportionalsystem gewählt würden. Bedingung sei der Fortbestand der Ersten Kammer. Die Regierung hoffe die Reoision durchzuführen und werde si die Leitung derjelben niht aus der Hand nehmen lassen. Die Rede des Ministers fand lebhafteste Zustimmung. Der Abg. Hauß- mann sprach namens der Mehrheit seine Befriedigung über dieselbe aus.

R R E R ce Le

für Schulen und

Lippe. Der Landtag hat in seiner vorgestrigen Sibßung die Berathung des Etats in dritter Lesung beendet.

Oesterreih-Ungaru.

Der Herzog von Connaught triff nach einer Mel- dung des „W. T. B.“ morgen in Wien ein und wird in der Hofburg absteigen.

Der bulgarische Minister-Präsident Sto ilow, der vo:- gestern Abend in Wien angekommen ist, beabsichtigt etwa 14 Tage daselbst zu verweilen.

Im osterreihishen Abgeordnetenhause ab gestern bei der Debatte über die Steuerreform der Referent Beer eincn geschichtlihen Ueberblick über die Ent- wicklung der Steuergescßgebung seit der französischen Revo- lution und betonte den epohemachenden Einfluß der sächsischen und preußischen Steg: Der Redner empfahl auf das wärmste den Abschluß des Werkes, dessen Ver- wirklihung die Tagung zu einer der denkwürdigsten machen werde. Der Abg. Fux (liberal) sprach darauf für, der Abg. Luzzato (Coronini-Klub) gegen die Vorlage. Der Abg.

weil dadurch endlich mit progressiven Ernst gemacht werde. j Großbritannien und- Jrland.

* Jhre Majestät die Königin hielt gestern Nachmittag im Buckingham-Palast in Gegenwart Jhrer Majestät der K agel n Friedrich, des Herzogs und der Herzogin von Con- N), Prinzen und der Prinzessin Heinrich von Battenberg, des Herzogs und der Herzogin von gort und. der Herzogin von Albany einen großen

pfang ab. Viele Mitglieder des diplomatishen Korps waren dabei zugegen. ;

Jhre Majestät die Kaiserin Friedrich besuchte gestern in London das Fröbel-Erziehungsinstitut in West-Kensington. Die Parlamentsmitglieder Mather und Acland hielten dabei Ansprachen, worin sie die Vorzüge des Fröbel'schen Erziehungs- systems hervorhoben.

_ Der Zustand Lord Rosebery’s hatte sih- gestern in jeder Beziehung gebessert. :

Das Unterhaus, dessen Sizung der Staatssekretär für Indien Fowler und der Staatssekretär für den Krieg Campbell-Bannerman fkrankheitshalber nicht beiwohnen konnten, seßte gestern die TEET über die erste Lesung der Bill, betreffend dieEinigung in ewerbestreitigkeiten, fort. Gorst erklärte die Vorlage für ungenügend zur Bchandlung der Frage. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer Willens seien, zu einer Verständigung zu gelangen, sei ein Dazwischentreten von Parlament und Regierung nicht nöthig, indessen sei eine besondere Behörde nothwendig, die verhindern könne, daß die Streitigkeiten in Arbeitseinstellungen aus- liefen. Mundella erachtete es im Hinblick auf die gedrüdckte Lage der Jndustrie, ungeachtet welher cinige bedeutende Ausstände fortbeständen, für wünschenswerth, alles Mögliche zu thun, um einen solhen Kampf abzuwenden. Er erwarte alänzende Ergebnisse von unparteiishen Schieds- und Einigungs- ämtern, zu denen beide ftreitende Parteien Vertrauen hätten. Der Führer der Unionisten Chamberlain sagte, die Regierung hätte das Einigungsamt mit soviel Autorität und Bedeutung aus- statten können, daß niemand, ohne mit der öffentlichen Meinung in Widerstreit zu gerathen, sich weicern könne, demselben eine Streitsahe zu unterbreiten; diese Vorlage indessen sei eine Farce. William Allen und Howell sprachen die Ansicht aus, daß die Bill nicht weit genug gehe. Der Parlaments- Sekretär des Handelsamts Burt trat für die Bill ein, die ein Versuh sei. Die Regierung sei bereit, die Meinung des Hauses darüber zu vernehmen, und wünsche keineswegs streng an irgend einer Bestimmung der Vorlage festzuhalten. Hierauf wurde die erste Lesung der Bill angenommen.

Das Parlamentsmitglied für Bristol (Ost) Sir Joseph D. Weston ist gestern an Jnfluenza gestorben.

Frankreich.

Im Senat stand gestern der Antrag Joseph Fabre’s über die Verpflichtung der Pa rlamentsmitglieder zum Heeres dienst zur Berathung. Der den Hauptinhalt des Antrags bildende Artikel 1, wonach niemand Mitglicd des Parlaments sein kann, wenn er den gescßlichen Vorschriften über den aftiven Heeresdienst niht genügt hat, wurde ange- Rommen und darauf der ganze Antrag genehmigt.

Die Deputirtenkammer seßte gestern die Berathung des Armeebudgets fort. Der Deputirte Graf Trevenet bemängelte den Generalstab, dessen Einrichtung nicht gestatte, von ihm dieselben Dienste wie vom Großen Generalîtab in Deutschland zu erwarten. Redner war gegen die Bezeichnung eines Generalissimus, da die Verantwortlichkeit für cinen Einzelnen zu groß sei. Er tadelte ferner die Einrihtung der Kriegsshule und verlangte eine Anzahl Reformen für den Generalstab. Zum Schluß erklärte er, die republikanische Re- gierungsform scheine ihm nicht geeignet, eine gute militärische Organisation zu zeitigen. Der Deputirte Clovis Hugues bemerkte, man R im Jahre 1793 das Gegentheil gefunden. Der -Deputirte Faberot rief „Nieder mit dem Königthum! Hoch die soziale Revolution!“ Der Deputirte Berteaux for- derte die Einführung der zweijährigen Dienstzcit. Darauf nahm das Wort der Berichterstatter der Kommission Jules Roche, der Vergleiche über die Streitmacht der verschiedenen Na- tionen anjtellte und ausführte, Frankreich habe sih bemüht, anderen Nationen hierin gleichzukommen: aber seit 1887 seien die Ausgaben des Deutschen Reihs für das Militär größer als diejenigen Frankreihs. Deutschland besige ein Heer, das jederzeit für den Kampf gerüstet sei. Redner trat alsdann für den Vorzug des Offensivsystems cin. Als ein sozialistisher Abgcordneter beleidigend gegen den Redner vorging, er- hob sih ein lebhafter Tumult, sodaß die Sibung zeit- weilig aufgehoben werden mußte. Nah der Wiederauf- nahme der Berathung wandte sich Jules Roche gegen die Herabscßung des Effektivbestandes auf dem Budget- wege und führte aus, cs sollten 542000 Mann unter den Fahnen stchen, statt dessen seien es nur 406 000: ferner tadelte er die Maßregel des Generals Mercier, -der 37 000 Mann zu früh entlassen habe, und verlangte, daß mit der Organisation der Gefehtskörper ebenso entshieden wie seitens Deutsch- lands vorgegangen werde: eine Ersparung von einigen Millionen fönne zu einer Niederlage führen. Der Redner

{loß mit der Bemerkung: Halten wir alle unsere Hoffnungen *

aufrecht, aber nur, wenn wir stark sind! Der Deputirte Cavaignac warf Jules Roche vor, daß er den Ernst der Lage übertreibe. Der Redner betonte die Nothwendigkeit, in Kriegszeiten starke Bestände zu haben, und führte aus, mit Einschluß der Marinetruppen sowie der Truppen in Algier befiße Frankreich nur 50 000 Mann weniger als Deutschland. Die Berathung wurde sodann auf Donnerstag vertagt.

Ftalien.

_ Na einer Meldung des „W. T. B.“ aus San Remo wird das Leichenbegängniß des Großfürsten Alexis Michailowitsch von Nußland mit großem- Gepränge vor sih gehen. Der Kriegs-Minister hat verfügt, daß außer ses Kompagnien der Garnison von San Remo- auch ein Bataillon Linientruppen mit Fahne und Musik und eine Deputation von Offizieren der Armee unter Führung eines Divisions-Generals aus Genua daran theilnehmen sollen. Die zweite Division des aftiven Geschwaders, aus den Schiffen „Sardegna“, „Lauria“ und „Aretusa“ bestehend, ist gestern in San Remo eingetroffen, um der Leichenfeier beizuwohnen. Dte Matrosen der russischen Yacht „Roxane“ halten die Todtenwaht. Sicherm Ver- nehmen nah wird der Prinz von Wales aus Cannes zur Leichenfeier nah San Remo fommen, wo der Ee! der deutschen Botschaft in Rom, Oberst von Engelbrecht bereits eingetroffen ist.

E.

ie „Agenzia Stefani“ erklärt die Pariser Meldung, daß

tallehKa Wunsch geäußert habe, mit Frankreich bie Berz

dlungen wegen Abgrenzung der beiderseitigen T hares {n Oste Afrika Midex auianchuen: für rundlos. Die „Agenzia Stefani“ -bemerkt, daß betreffenden Unterhandlungen im Zahre 1891 mit der An- nahme der französischen Vorschläge seitens Jtaliens ab- geschlossen worden seien und die italienische Regierung sih ¡egt darauf beschränkt habe, die Sachlage festzustellen. _ Der Papft empfing gestern den preußishen Gesandten von Bülow, der seine Glückwünsche anläßlih des Jahres-

tags der Krönung des Papstes aussprach.

; Spanien.

Der Marschall Martinez Campos is aus Wien wieder nach Madrid zurückgekehrt.

Der Gesandte der Vereinigten Staaten Taylor stattete gestern dem Minister-Präsidenten Sagasta einen Besuch ab und bot demselben die bedingungslose Unterstüßung seiner Negierung in Betreff des Aufstandes auf Cuba an.

Portugal.

Das Panzerschiff „Vasco de Gama“ wird anläßlich der Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals nah Kiel gehen. i ;

Amerika.

Aus Cuba ist in Madrid die Nachricht eingetroffen, daß das dortige Freiwilligenkorps dem General - Gouverneur seine Mithilfe zur Bekämpfung der Aufständishen angeboten habe. Der Rebellenführer Yaguey habe sih ergeben. Der Aufstand in Matanzas sei beendet. Die spanischen Truppen schalteten in Guantanamo ungestört, die dortigen wenig zahlreichen Aufständishen vermieden einen Zusammenstoß. Drei Kanonenboote überwachten die Küste bei Santiago

Cuba).

: 14 New-Yorker „World“ wird aus Colon gemeldet, die Aufständischen von Columbia rückten auf Colon vor, zahl- reiche unbeschäftigte Arbeiter vom Panamakanal {lösen si ihnen an. Fünfzig gefangen genommene Aufständische, darunter 16 Offiziere, seien ershossen worden. Der Konsul der Ver- einigten Staaten in Panama meldet, in Bocos del Toro (Columbia) hätten Unruhen stattgefunden; die Anwesenheit cines Kriegs\chiffs sei nöthig.

Asien.

Die vor einiger Zeit in Mascat an der arabischen Küste ausgebrohenen Unruhen dauern, wic das „Reuter’sche Bureau“ aus Kalkutta berichtet, noch fort. Die Rebellen, in Stärke von 350 Mann, haben die Stadt beseßt, während die Truppen des Sultans si, obwohl fie 2500 Mann zählen, auf die Forts beshränken müssen. Die britischen EE der Stadt sind in einem großen Kohlenschuppen bei dem Resident- schaftsgebäude pen racht. Auf cinen britishen Missionär und den Arzt des Residenten ist gefeuert worden. Die briti- schen Kriegsschiffe „Sphinx“ und. ,„Bramble“ sind in Mascat eingetroffen. B

Vie der „Times“ aus Pekin L. gemeldet wird, ist Li- Hung-Tsch ang von Peking nah Tientsin abgereist, um sich nah Zapan zu begeben. Sein Beglaubigungsschreiben is von Zapan genehmigt worden. Die Unruhen in verschiedenen Theilen Chinas nehmen allgemein zu; in der Provinz Shantung wurde General Who, der die Plünderungen zu unterdrücken versuchte, von seinen Soldaten enthauptet.

Aus Yokohama von gestern wird gemeldet, die in Wei- Hai-Wei eroberten d fuesisGen Kriegasciffe seien da- selbst angekommen; auch die Aussichten auf Hebung der in Sie V ei zum Sinken gebrahten Schiffe seien günstig. Die Japaner hätten Shantung und Wei-Hai-Wei nah Zer- stôrung der Forts verlassen. Die dritte japanische Di- vision habe Anhongtscheng, auf dem Wege nah Mukden, ohne Widerstand beseßt.

Afrika. Wie dem „Reuter'shen Bureau“ ausdem Camp Sheranni

von vorgestern gemeldet wird, wären die Wazir1 jeßt mit den ihnen auferlegten Bedingungen völlig einverstanden.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sißungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten be- finden sih in der Ersten Beilage.

In der heutigen (53.) Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär, Staats-Minister Dr. von Boetticher und der Staatssekretär Nieberding beiwohnten, wurde die Be- rathung der auf die jüdishe Einwanderun g bezüglichen Anträge fortgeseßt. Es find dies der Antrag der Abgg. Freiherr von Hammerstein und Freiherr von Manteuffel (dkons.) auf Vorlegung eines Gese entwurfs, nah welhem nicht reihsangehörigen Jsreaeliten die Einwanderung untersagt wird, und der von den Abgg. Liebermann von Sonnenberg und Zimmmermann (Refp.) eingebrachte Geseßentwurf gegen die Einwanderung aus- ländisher Juden. Die heutige Verhandlung wird zugleich ausgedehnt auf den von den Abgg. Dr. Hasse (nl.) und Graf von Arnim (Rp.) gestellten Anirag:

Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldigst einen Ge- seßentwurf zur Abänderung des Gesetzes vom 1. Juni 1870 über den Erwerb und Verlust der deutschen Reihs- und Staatsangehörigkeit vorzulegen und in dem- elben die Grundsätze einer Ershwerung des Verlustes der deutschen

eihs- und Staatsangehörigkeit, der dur den Aufenthalt im us-

lande herbeigeführt wird, sowié der Ershwerung der Naturalisation der Fremden im Deutschen Reich zur Geltung zu bringen. l Abg. Dr. Hasse: Der UVebershuß der Einwanderung über die uSwanderung in Deutschland wirke {chädlich in nationaler wie in wixthscaftlicher Beziehung. Das Geseß vom 1. Juni 1870 weise vielfahe Mängel auf und bedürfe der Reform in der Richtung, daß grund O so wenig Personen wie möglich naturalisiert werden. Vorbedingung der Naturalisation müsse neben der Erwerbs- i keit die nationale Gefinnung sein. Andererseits müsse die Bei- behaltung der deutschen Neichs- und Staatsangehörigkeit den Deutschen im Ausland erleichtert werden. Die Bestimmung, daß ein Aufenthalt von gen Jahren im Auslande den Verlust der Neichs- und Staatsangehörig- feit nah sih ziehe, sei viel zu rigoros. Auch die s einer sremden Staatsangehörigkeit solle niht ohne weiteres diesen erlust nah sich geen, Die Entscheidung über die Sage der Erwerbung oder des Verlustes der deutshen Reichs- und Staatsangehörigkeit müsse zentralisiert werden im Bundesamt für Heimathswesen. Die

Fn. abersctoitén habe,

daß die Negierun

ganze Frage sei auf eine breitere Grundlage zu ftellen im Interesse einer nationalen Politik. | N Abg. Rickert (fr. Va): Die Nothwendigkeit einer Aenderung des Gesetzes vom 1. Juni 1870 erkenne er niht an. Er richte an den Staatssekretär Dr. von Boetticher die Frage, ob der Antrag der Abgg. von Hammerstein und Gen. niht mit den Niederlafungs- ä die Deutshland mit den ausländisGen Staaten in Widerspruch stehe. Der Antrag sei nur der Anfang der Bestrebungen, den Antisemitismus in die Gesey- aebung zu tragen; das Ziel sei die Aufhebung des Gesezes vom . Juli 1869, betreffend die Gleichberechtigung der Juden. Man babe zur Begründung dieses Antrags nur die üblichen antisemitischen Volksversammlungse-Reden8arten vorgebracht, aber den Kern der Sache nicht berührt, nämlich die Frage, ob die jüdische Einwanderung größere Dimensionen angenommen habe. That sächlih sei dies nicht der Fall; die Zahl der jüdishen Be- wohner Deutschlands habe sich feit 1860 ftetig relativ vermindert. Der Aus\{luß der russishen Juden aus den östlichen ovinzen würde das wirthschaftlihe Leben derselben auŸ die Landwirthschaft \{ädigen. Schon gegenwärtig werde diefen Leuten das Leben erschwert. ?

(Schluß des Blattes.) Jn der heutigen (36.) Sißung des Hauses der

Abgeordneten, welcher der Minister für Handel und

Gewerbe, Freiherr von Berlepsch, beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Etats der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung bei dem Kapitel der Preußischen und Braunschweigishen Gemeinschaftswerke am Unterharz fortgeseßt. Abg. Dr. Arendt (fr. k.): Auh hier bandelt es si{ch um

Silberbergwerke, und ih nehme daher Gelegenheit, auf die gestrige Debatte zurückzukommen. Aus der Rede des Abg. Bueck habe i mit Freuden ersehen, daß die Goldwährun4s8männer zum ersten Male mit der Haltung der Regierung unzufrieden find. Jh hoffe, den Herren .noch recht oft Gelegenheit zur Unzufriedenheit nah dieser Richtung geben wird. Der Abg. Bueck hat gestern eine große Entdeckung gema§t: niht der Werth des Silbers an si, sondern der Goldpreis des Silbers sei gesunken. Das ist keine Entdeckung, fondern eine Thatsache, die wir immer be- hauptet haben. Wäre der Silberwerth an \sich gesunken, so müßte sih das in den Ländern mit Doppelwährung zeigen, dort ist aber das Silber ftabil geblieben. Das Silber spielt im Geldverkehr eine solhe Rolle, daß man es nicht dauernd zu einem Spekulations- gegenstand benußen darf. Es*ift wahr, daß das Währungsgesetz 1873 ohne Widerspruch angenommen wurde. Damals aber hatte niemand die Tragweite dieses Shritts übersehen. Der Abg. Bueck behauptet ferner, Frankrei wolle sich von Deutschland die Kastanien aus dem Feuer holen lassen; daß es für die Opern beung sei, sei selbstverständ- lih, da es vier Milliarden Silbervorrath habe. Diese Summe ist etwas zu hoch; es hat allerdings den dreifachen Betrag unserer Silber- vorrâthe; wir aber haben auf der anderen Seite noch Silberberg- werke, die die Franzosen nicht haben. Aber auch dort sind es die wirths{aftlihen Verhältnisse, die zum Bimetallis- mus drängen. Die Frage wird dort aber nicht politisch enommen, sondern rein wirths{aftlich, wie sie es verdient. Es wird immer auf die Ueberproduktion an Silber hingewiesen; man vergißt aber, daß auch der Bedarf an Silber sehr groß ist, und wenn auch 10 9/6 der Silberproduktion niht verbrauht werden scllten, so würde das nicht viel bedeuten. Der Abg. Bueck sag1: wir wollen uns nicht die Selbständigkeit in der Währung dur internationale Ab- machungen rauben lassen. Es ist merkwürdig, daß das gerade immer von denjenigen ins Feld geführt wird, die in der Handels- vertragspolitik unsere Selbständigkeit in der Festseßung der Zölle aufgegeben haben. Der Bimetallismus ift keineswegs begraben; hat man doch in England niht gewagt, einen Antrag auf Aufrehterbaltung der Goldwährung einzubringen. In der That vollzieht fich in indu- \striellen Kreifen ein Umschwung in der Währungsfrage Die Währungé- frage muß ins Land getragen werden. Alle Fragen, die ihre Entscheidung in den Parlamenten finden, gehören vor die Wähler! Der Abg, Bueck behauptet, daß wir heßten, daß die Bewegung gegen den Bimetallismus in vornehmerer Art geführt werde, als es von unserer Seite geschehe. Wie vone gegnerisher Seite diese rage in die Massen getragen wird, zeigt am besten folgende

telle aus dem „Reichsblatt“, das dem Abg. Rickert nabestehen foll: „So wurde fie ofen proklamiert, die internationale Silberwährung, die freie Genossenschaft zur Ausraubung des lieben Nächsten, die be- stimmt ift, unser ehrlihes Gold zu verdrängen, damit die Junker ihre Schulden mit s{lechtem Silber bezahlen können. Wenn ein Bauer seinem Nachbar statt eines Goldfuhses einen alten Fliegenshimmel giebt, so is das fein ehrliher Bauer, sondern ein Betrüger, ein Bimetallist und \{le{chter Christ.* Wenn die Gegner zu solchen Worten ihre Zufluht nehmen, so find sie jedenfalls mit ihrem Latein zu Ende. Ich bin überzeugt, wenn das Volk in dieser Frage erst klar sehen wird, wird das Wort des Grafen Mirbach si bewahrheiten, daß die Goldwährung wie Spreu im Winde zerftieben wird. i :

Abg. Bueck (nl.): Jh habe niht im Namen der national-

liberalen Partei gesprochen, wobl aber im Namen meiner parla- mentarishen Freunde, die für die Goldwährung eintreten.

Abg. von Eynern (nl.): Wenn -der Abg. Arendt verlangt, das Volk solle über die bimetallistiscke Frage aufgeklärt werden, so glaube ich, daß diese Aufklärung \{on jeßt vorhanden is, mit Ausnahme jener Kreise, welhe den Anschauungen des Abg. Arendt huldigen. Id schließe das auch aus der Stellungnahme des Freiherrn von Erffa, der in der leßten Sißung des Deutschen Landwirthschaftsraths erklärt hat, er erwarte von einer internationalen Währungskommisson nicht viel, nachdem der englishe Schaßfekretär fh gegen das Aufgeben der Gold- währung in England ausgesprochen habe.

Abg. Dr. A rendt (fr. konf.) : Der Freiherr von Erffa ftand bei seiner Erklärung wobl unter dem Eindruck der Berichte der Goldwährungs- blätter über die Verhandlungen im englischen Unterhause. Diese Berichte sind natürlih völlig falsch. Im übrigen zeigt das Auftreten des Abg. von Eynern, daß derselbe mit seinem Latein zu Ende ift.

Eine Petition der mittleren Werksbeamten 1. Klasse der Staatswerke Königin Luise und Königsgrube in pabrie und Königs- hütte in Oberschlesien um Gehaltsaufbesserung beantragt der Abg. Gothein (fr. Vgg.) der Königlichen Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen, während die Budgetkommission Uebergang zur Tages- ordnung beantragt. Der Antrag Gothein wird abgelehnt und der Beschluß der Budgetkommission genehmigt.

Eine Petition der Rehnungs- und Bureaubeamten im Saar- brüder Revier um Gehaltsaufbesserung wird der Königlichen Staats-

regierung überwiesen. 6 Der Abg. Wellstein (Zentr.) befürwortet eine Aufbesserung der Bergrevierbeamten. l Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepf erklärt, diefen Wünschen wohlwollend cin rug es sei jedoc zu heachten, daß man mit besonderen Wünschen bis zu der Möglichkeit einer allgemeinen Gehaltsaufbesserung der Beamten zurückhalten müsse. Abg. Gothein (fr. Vgg.) bittet, den Bergrevierbeamten, die zum theil {hon ältere Herren seien, die Kesselrevisionen abzunehmen. Auch sei eine Aenderung der Eintheilung der Reviere nothwendig, da ein- zelne davon eine zu große Ausdehnung hätten.

(Schluß des Blattes.)

Im Hause der Abgeordneten ift von den Abgg. Motty und Dr. von P nachstehender Antrag eingebracht worden: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Königliche Etialereettine zu ersuchen: die baldthunlihe Aufhebung des Ge-

seves vom 26. April 1886, betreffend die Beförderung deutscher del in den Provinzen Westpreu d =_ Ae Ea Seines in die Wege ¿u prag E E

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Nr. 9 des ra blatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Minifterium der öffentlichen Arbeiten, vom 2. März, bat folgenden Inhalt: Die Gedächtnißkirhe und die Kapelle bei Borki (Rußland). Die Anwendung des Stücklohns bei der Bahnunterhaltung. Wettbewerb für eine feste Rheinbrüde bei Bonn. VII. (Fortseßzung.) Ueber den Werth von Baum- pflanzungen für den Untergrund. Vermischtes: PerttanbiGreihm für ein Ludwig Richter-Denkmal in Dreêden. Wettbewerb um Entwürfe für die 1897 in Leipzig stattfindende sächsisch-thüringische Industrie- und Gewerbe-Ausftellung. Ausstellung von mittelalter- li Malereien im Königlichen Kunstgewerbe-Museum in Berlin. Ei enbahnfachwissenschaftliche Vorlesungen. Melioration des Nil- thales und die Insel Philae. Bücherschau.

Kunst und Wissenschaft.

Die Aus ftellung des künstlerishen Nachlasses “des Malers Bruno Piglhein in der Königlichen National-Galerie wird am Sonntag, den 10. d. M., geshlossen werden. _

—- Am Montag Abend verstarb hierselb Professor Dr. theool. et phil. Friedrich Hofmann, der frühere Direktor des Gym- nasiums zum Grauen Kloster. Er. war am 1. Mai 1820 zu Landsberg bei Halle geboren, studierte in Halle und Berlin, wo Bödh, Ranke, Raumer und Zumpt zu seinen Lehrern gehörten. Nah langjähriger Wirksamkeit als Lehrer am Grauen Kloster wurde Hofmann Stadt-Schulrath in Berlin, kehrte dann aber im Jahre 1875 als Nachfolger des Direktors Boni wieder an dieses Gymnasium zurück, welches bis zum vorigen Jahre seiner Leitung unterstand. Der Verstorbene ist auch literarisch auf den Ge- bieten der Philologie und Geschichte thätig gewesen.

Der bekannte Arhäologe Sir Henry Rawlinson ist, wie „W. T. B.“ unter dem gestrigen Tage aus London meldet, an Influenza gestorben. Er war im Jahre 1810 zu Chadlington in Orfordshire geboren und erhielt seine Erziehung zu Ealing in

iddleser. Im Jahre 1826 trat er in den Militärdienst der Englisch- Ostindishen Kompagnie und 1833 als Major in persischen Kriegs- dienst, ward 1840 zum politischen Agenten zu Kandahar in Afghanistan, 1843 zum Agenten in Arabien, 1844 zum britischen Konsul in Bagdad berufen und in dieser Eigenschaft 1851 zum General-Konsul und Oberst-Lieutenant ernannt. Rawlinson benußte diese Stellung zu arhäologishen Forshungen und erwarb \ich zunächst ein ges Verdienst durch die genaue Kopierung der hoh oben an einem isolierten Felsen angebraten Keilinshrift von Bisutun (Behistan) in Persien. Ohne die inzwishen in Deutshland gemachten Fortschritte in der Keilschriftentzifferung zu kennen, bestimmte er den Lautwerth der alt- persischen Keilzeihen bis auf ein Zeichen genau fo wie Lassen in onn. Ein noch größeres Feld für seine Thätigkeit fand er aber auf den Trümmerfeldern von Ninive und Babylon, wo er eine außerordentlich große Anzahl assyrisch-babylonischer Keilschriften entdeckte und in Gemeinschaft mit anderen englischen Archäologen entzifferte. Ein bleibendes Monument hat er ih er- richtet durch das große Werk, das er im Auftrage des Britischen Museums und mit Beihilfe von Norris und G. Smith vollendete : The cuneiform inscriptions of Western Asia“ (1861—1870). Sir Rawlinson war ordentliches auswärtiges Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. j

Handel und Gewerbe.

Heute Vormittag 11 Uhr fand in dem großen Sißungs- saale der Reichsbank die jährlihe Generalversammlung unter Vorsiß des Reichsbank-Präsidenten, Wirklichen Geheimen Raths Dr. Koh in Behinderung des Reichskanzlers stat. Der Vorsißende eröffnete die Versammlung mit einem Rückbli|k auf die Thätigkeit der Reichsbank während des Jahres 1894 unter Hervorhebung der wesent- lichen Punkte des gedruckten Verwaltungsberichts und erklärte den Betrag der Dividende. Sodann wurden die fünf statuten- mag ausscheidenden Mitglieder des Zentralaus\{husses wieder- gewählt.

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Gestern ging Oskar Blumenthal?s Lustspiel Dié (roßes Glode*" unter dem gleichen Beifall auf dieser Bühne in Scene, den es früher {on im Deutschen und Lessing-Theater gefunden hat. Es wurde im ganzen flott gespielt, wenn auch niht alle Einzelheiten des launigen Dialogs voll zu ihrem Recht kamen. Der gesunde Grund- gedanke des Lustspiels und die trefflihe Darstellung der Hauptrollen verhalfen auch der gestrigen Aufführung zu ihrem U DOlen Erfolge. Unter den Darstellern sind Fräulein Reifenhofer (Baronin Solden), Fräulein Marie Meyer (Constanze), Frau von Pöllniß (Mathilde), und die Herren Franz Guthery, Ferdinand Suske und Gustav Kober mit besonderer Anerkennung zu nennen.

Lessing- Theater.

Die erste Aufführung des Lustspiels „Das Examen“ von Heinrich Lee fand gestern Abend eine sebr freundlihe Aufnahme. Die Zuschauer hatten ihre Freude an den Wort- und Situationë- wißen, welhe die Hauptwirkung des Lustspiels ausmachen, und schöpfen Behagen aus der gemahlich und ohne tiefere Erregung sih abwickelnden Handlung, deren Motive in dem studentishen Leben und Treiben an der Universität Königsberg zur Zeit Immanuel Kant’s wurzeln. Der schon bejahrte große Denker wird in eine Art Herzenskonflikt verwickelt durch das kecke und liebens8würdig begehrlihe Entgegenkommen eines jungen fächsishen Professorentöchterleins, das aber mit einem im Examen stehenden Kandidaten, Ulrih Cuntius, verlobt ist. Der junge As weist in der Pra in so warmer, fast leidenshaftliher Nede auf das von Kant felbs dargelegte Sitten- geseh, aut den fkategorishen Imperativ hin, as Er dadurch den alten Gelehrten zur Pflicht zurückführt und für si einen

länzenden Examensabschluß gewinnt. Eine sonderlich starke Gabe für Charakterzeichnung und psyhologishe Entwiklung hat der Ver- asser in diesem Lust)piel niht bewiesen. Immanuel Kant erscheint wie ein friedlicher, freundlicher alter Herr gewöhnlichen Schlages; von dem großen Denker hat er kaum mehr als den Namen und einige äußerlihe Redewendungen. Die Profefsorentohter Christel tritt burschikfos und derb wie eine kecke- Dorfshöône auf, und dem jungen Liebhaber mangelt es überhaupt an Cigenart. Am meisten harakteristisch if ein rauf- und trinklustiger Student Leine- weber gezeichnet, der als völliger JIgnorant mit kühner Entschlofsen- beit ins Examen geht und mit Würde durchfällt. Neben den lustigen Scherzen, die das Bemerkenwertheste an dem Stück sind, erzielten ftudentishe Aufzüge, Liedervorträge und Reden im vierten Akt großen

Erfolg. á

| Die E war von einem fröhlihen Geist getragen; leb- hafte Heiterkeit weckte Herr Waldow in der Rolle des Studiosus Leineweber, den er mit breitem Humor schilderte. Herr Horn pielte den alten, geistigen Getränken sehr geneigten Diener des Profesor mit zueuckaliendèr. aber desto wirksamerer Komik, und Frau

alther-Trost trug als alte Schließerin ihre volksthümlichen Reden mit kräftiger Üngeniertheit vor. Die Christel wurde von Fräulein Jenny Groß geschickt dargestellt ; sie fand sih ungekünstelt