1895 / 57 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Tat im bayerishen Landtag in Gegenwart des bayerischen Ministers einen ähnlihen Fall als Feigheit arakterisi “Der Reichstag hat im vorigen Jahr eine Resolution gefaßt, welche die Aufstellung einer Statistik über die von Militärgerichten abgeurtheilten Strafthaten wünschte. Seitens der Meilitär- verwaltung is die Erfüllung dieses Wunsches für bedenklih erklärt worden, so lange nicht die Frage der Reform des P A ausgetragen sei. Diese Frage is {on über fünfundzwanzig Ja re alt, und immer wieder sind wir betreffs ihrer Lösung auf die Zukunft vertröstet worden. Einer so hartnäckigen Behörde wie der Vilitär- verwaltung gegenüber is es nothwendig, fortgeseßt kategorisch die oft gestellte T ocbetana zu wiederholen. Die Verhältnisse in unserem Heere drängen nach einer Reform des Militärstraf- prozesses. Die O L N stehen mit dem Hin- ausshieben der Reform im engsten Zusammenhang. Troß der befannt gewordenen Erlasse gegen die Soldatenmißhand- lungen ist die Zahl derselben eine ungemein große. Jn der Broschüre von Herm. S@öler ist gesagt, es gebe in einzelnen Kompagnien kaum einen einzigen Mann, der nicht in seiner Rekrutenzeit geohrfeigt wor- den wäre. Das beweist, daß Anordnungen von oben her dem Uebel nicht fteuern, daß es dazu organischer Einrichtungen bedarf. Bei einer militärishen Jugenderziehung würden wir kaum noch den rant en Theil aller Piißbandlungen haben. J erkenne an, daß unter dem Ein- fluß des gegenwärtigen Kriegs-Ministers die “ver deordanng in v Maa Héftinanin en verbessert worden ist. Aber obwohl die Be- stimmung beseitigt ist, daß der Soldat, wenn er die Beschwerde unterläßt, bestraft wird, ist ein Soldat im 95. Infanterie-Regiment, dem von einem Sergeanten der ganze Nücken mit dem Faschinen- mefser zu einer einzigen Wunde geschlagen war, bestraft worden, weil er die Anzeige aus Furht unterlafsen hatte. Der Sergeant erhielt 17 Jahre Festung und wurde degradiert. Jn anderen Fällen ift aber das Strafmaß viel milder. So erhielt in einem sächsischen Jäger - Bataillon ein Sergeant, der einen Soldaten so gewürgt hatte, daß er bewußtlos niederfiel und ins Lazareth ge- braht werden mußte, nur drei Tage Mittelarrest. Die Soldaten scheuen sih, Beshwerden über Mißhandlungen zu erheben, und deshalb muß vor allem der Soldat davor geschüßt werden, Schaden zu er- leiden, wenn er sih über seine Vorgeseßten beschwert. Da Sie in der Armee den upt der Gesellshaftsordnung sehen, so müssen Sie im eigenen Interesse dafür sorgen, daß die halbe Million Soldaten mit Freude im Heere dient. Aber wir erleben nur ganz ausnahms- weise, daß ein junger Mann freudig zur Armee geht.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): In Bezug auf die Reform des Militärstrafprozesses hat im vorigen Jahre der Kriegs-Minister er- flärt: diese Reform sei in Vorbereitung, und \o lange sie dieses Stadium nicht überschritten habe, müsse er es ablehnen, über die Einzelheiten etwas mitzutheilen. Seitdem sind nun zwölf Monate vergangen, und wenn der Entwurf noch nicht fertig ift, so scheint es, als hâtte jene Prefstimme nicht ganz Unreht, welche angiebt, die Militärverwaltung würde die Strafprozeßordnung gern reformieren, sogar in liberalem Sinne, aber eine höhere Stelle wünsche es nicht. Ich möchte an den Kriegsminister die Fragen richten: ob der Entwurf fertig ist, ob es der liberale Entwurf ist, ob er seinen Anschauungen ‘entspricht und warum er noch nit vorliegt. Insbesondere frage ih ihn, ob der Entwurf die Ständigkeit der Militärgerichte, die Münd- lihkeit und die Oeffentlichkeit des Verfahrens enthält. Ohne die Erfüllung dieser drei Forderungen würden wir keiner Militär-Straf- prozeßordnung zustimmen. Es kommt uns aber weit weniger auf die Reform des Strafprozesses, als auf diejenige des Beschwerde- wesens an. Wenn nur der dritte Theil der Mittheilungen über ge- \chehene Mißhandlungen wahr ist, so muß man sagen, daß das Be- \hwerderecht beim Militär außerordentlißh im Argen liegt. Wenn man den Soldaten die Liebe und Treue zum Vaterlande erhalten will, so gebe man ihnen vor allem Gerechtigkeit.

Bevollrnächtigter zum Bundesrath, preußisher Kriegs- Minister Bronsart von Schellendorff:

Meine Herren! Der Herr Abg. Lenzmann hat die Frage direkt an mi gerichtet, wie es mit der Strafprozeßordnung fstände. Ich habe der Erklärung, die ich im vorigen Jahre dieserhalb abgegeben habe, nihts hinzuzufügen und kein Wort davon zu \treichen. Wenn jemand meine aufrihtige und ehrlihde Absicht und meine Fähigkeit bezweifelt, dies Werk zu Ende zu bringen, so ist das sehr bedauerlich für mich. JIch muß es hinnehmen. Wenn einige Herren, auf deren Urtheil ih Werth lege, diefe Ansicht theilen, so ift es mir sogar besonders \{chmerzlich. Ich werde auch das er- tragen müssen. Das Eine kann ih diefen Herren aber sagen: sollte ich erkennen, daß mir die Kräfte fehlen, eine Strafprozeßordnung hier zur Verabschiedung zu bringen, so werde ih- mich beeilen, Seine Majestät um einen Nawfolger zu bitten.

Der Herr Abg. Lenzmann sprach es direkt aus oder ließ es transparent durhscheinen, als wäre eine höhere Stelle der Her- stellung der Strafprozeßordnung entgegen. Meint er die Aller- bôödhste Stelle damit, so muß ih das mit aller Entschiedenheit zurückweisen.

Dann hat der Herr Abg. Lenzmann noch gesprochen von ver- schiedenen Wünschen, die er in Bezug auf den Aufbau der Straf- prozeßordnung hâtte. Er hat mich direkt gefragt, wie fie formuliert und abgefaßt sein würde. Ich will diese Frage niht für indiskret erklären; von mir würde ih es aber wirklich für indisfkret halten, wenn ich gegenwärtig, wo die Strafprozeßordnung im preußischen Staats-Minifterium Gegenstand des Votenwetsels if, Details mittheilen wollte. Jch kann selbst nicht wissen, wie \{chließlich über diesen und jenen Punkt entschieden wird. Also, ih glaube, die Herren werden es begreiflih finden, wenn ich mich auf die näheren Angaben über Details der Strafprozeßordnung nit einlafse.

Nun darf ich mich wohl zum Abg. Bebel wenden, der meine ersten Bemerkungen eingehend erörtert hat. Ich glaube, das hohe Haus wird nit erwarten, daß ih von neuem auf alle die Dinge hier eingehe und mich bemühe, abermals die unrihtigen Angaben des Herrn Abg. Bebel zu widerlegen. Ich glaube, ich würde die Debatte nußleos in die Linge ziehen, wenn ih mich bemühen wollte, ihm seine Irrthümer nochmals nachzuweisen wenn ich sage „shwarz“, sagt er zu mir: es ist weiß. Meine Herren, damit is nicht zu de- battieren, so streitlustig ich au sonst bin.

¿.- Weiter hat der Herr Abgeordnete ganz besonders Bezug ge- nommen auf eine Bemerkung von mir, die sich auf die Aeußerung „Feigheit“ bezog. Der Herr Abgeordnete berief \sih dabei wie er glaubte, diesmal mit Fug und Recht auf seinen Genossen von Vollmar, der im bayerishen Landtag einen Offizier, der einen Zivilisten, glaube ih, ebenfalls mit der Waffe verleßt hat, der Feig- heit bezihtigt hätte. Jch habe die Reden des Herrn Abg. von Vollmar fast alle gelesen; mir is der Paus nicht erinnerlich. Jch glaube, auch der Herr Abg. Bebel hat ih geirrt. Soweit ih den Sinn aller Reden des Herrn Abg. von Vollmar verstehe, halte ih ihn für absolut unfähig, daß er von einem Offizier, namentlich wenn er abwesend ift, in einer parlamentarishen Körperschaft sagen wird,

er wäre feige. Es wird nicht bestritten; ih scheine also Recht z

haben. : Dann hat der Herr Abg. Bebel das bekannte Thema, mit dem er alljährlih ih darf wohl sagen sein Publikum

außerhalb dieses. Hauses zu unterhalten pflegt: Variationen und Wiederholungen in Bezug auf die Mißhandlungen hier vorgebracht. Anfangs glaubte ih, er wolle diesmal eine Ausnahme machen und nur große Zahlen der Erlasse anführen, die im Laufe der Jahre von 1775 bis heute ergangen find, um dem Uebel zu feuern. Er hat es aber nicht gethan, sondern \chließlich eine Menge von Einzelheiten zur Sprache gebracht; auf die kann ich natürlich nicht eingehen, da ih nicht in der Lage bin, fie alle zu studieren, um ihm heute Rede und Antwort zu stehen, wie \sich dieses und jenes verhalten hat.

Was die einzelnen Erlaffe anlangt, so hat der Herr Abg. Bebel daraus, wie mir scheint, hauptsählich den Schluß gezogen, daß {on seit einer Reihe von Jahren überhaupt Mißhandlungen vorgekommen sind. Er {hien mir nachweisen zu wollen, daß diejenigen, die behaupteten, das käme nicht vor, im Unrecht wären. Ja, meine Herren, ih habe es nie bestritten, daß Mißhandlungen vorge- kommen sind, und ich glaube auch, daß es im hohen Hause nie angezweifelt worden ist. Ih habe nur immer erklärt und da berufe ih mich auf meine Ausführungen im vorigen Jahr daß wir ernstlih bestrebt sind, dem Uebel zu steuern. Ich habe auch Zahlen ganz ausführlich angegeben, sodaß jeder sfich davon über- zeugen konnte, wie im Laufe der Zeit die Mißhandlungen in der Armee geringer geworden sind. Nun meine ich, der Abg. Bebel würde weit richtiger gethan haben, er hätte aus diesen Erlassen den Schluß gezogen, daß die höheren Vorgeseßten hon seit 100 Fahren eifrig bestrebt gewesen sind, dieses Uebel zu bekämpfen, und daß die gute Disziplin der Armee Gewähr dafür bietet, daß es allmählih ganz verschwinden werde. Es giebt eben gewisse Verfehlungen, die niht aus der Welt zu {afen sind; Sie werden auh Diebstahl, Körperverleßungen und andere Dinge niht aus der Welt {afen Éönnen.

Uebrigens habe ich schon bei einer früheren Gelegenheit den Herrn Abg. Bebel gebeten, doch in allen seinen Ausführungen lieber etwas vorsichtiger zu fein. Er beruft sih meistens auf Briefe, die ihm zugegangen find, auf Zeitungsartikel und auf vertraulihe Mit- theilungen. Ich kann mit Bestimmtheit versihern: in der Presse und auch auf dem Shreibpapier wird gegenwärtig unendlih viel gelogen. Es wird auch sehr viel entstellt und übertrieben. Der Herr Abg. Bebel if darin zu leihtgläubig; er nimmt alles für baare Münze, was ihm erzählt wird, und was er irgendwo liest. # ÿ

Es ist weiter zum Sch{luß mit einer besonders lebhaften Erregung vom Herrn Abg. Bebel gesagt worden, es wäre nur eine außerordent- lih geringe Zahl von Soldaten, die mit Lust und Liebe in die Armee treten. Auch das ist entschieden unrichtig. (Sehr rihtig! rechts.) Er hat auch gar keinen Beifall in der Mehrheit des Hauses damit gefunden. (Heiterkeit links.) Ih will den Herren nur eine einfache Angabe machen. Nah Einführung der zweijährigen Dienstzeit bätte man erwarten können, daß die Waffen, welche die dreijährige Dienst- zeit haben, nun gar keine Dreijährig-Freiwilligen mehr erhalten würden. Gerade das Umgekehrte ift eingetreten: die Zahl der Drei- jährig-Freiwilligen hat sich bei den Waffen, wo die dreijährige Dienst- zeit besteht, vermehrt. Sollten die nun alle aus Widerstreben gegen die Armee es vorziehen, lieber 3 Jahre als 2 Jahre zu dienen? Die müssen doch entschieden mit einer gewissen Freudigkeit dienen. (Zu- stirnmung und Widerspruch. Bravo! rets.)

Abg. von Vollmar (Soz.): Es is von einer Aeußerung die Nede gewesen, welhe ih im bayerishen Landtag gethan sehe Es ist rihtig, daß dem Abg. Bebel meine Rede niht ganz gegenwärtig ist. Jene Aeußerung hat sich nit auf einen bestimmten Offizier be- zogen, auch nicht auf einen Offizier oder irgend jemanden, der einen Bürger attackiert hat, fondern fie war gegen die Soldaten- mißhandlungen gerichtet. Der betreffende Saß lautete, nahdem ich ausgeführt hatte, welhe Mißhandlungen mir bekannt geworden waren, und meine Meinung darüber gesagt hatte, folgendermaßen: „Die Ehre dieses Standes ist sont ganz außerordentlich leiht verleßlih, aber eine . völlig widerstand8unfähige Person zu beleidigen und zu miß- handeln, das scheint manhem Offizier keine Verlegung der Ehre zu fein und seiner Ehre keinen Eintrag zu thun. Und doch kann ih für meine Person wenigstens mir auf. der weiten Welt nichts Ehrloseres denken, als die bewußte Kränkung, Be- leidigung, Mißhandlung eines Menschen, der niht im stande is, sch zu vertheidigen." Hierauf hat der bayerische Kriegs-Minister geant- wortet: „Ich räume ein, daß in den Soldatenmißhandlungen eine Verlegung der Chre der Offiziere inbegriffen ist.“ Er hat nur noch hinzugefügt, daß meine Ausführungen ihm nicht vollberechtigt erscheinen, daß der von mir gerügte Geist im Offizierkorps nicht vor- handen sei. Was die Strafprozeßordnung selbst anlangt, so freue ih mich, daß im Beschwerdewesen Erleichterungen eingetreten sind, der Beshwerdeführer sich direkt mit seinem Kompagniechef in Ver- bindung seßen kann. Dagegen ift es bedauerlich, daß die alte Be- stimmung geblieben is, wona solhe Anzeigen, welhe ih als un- wahr, als unbeweisbar herausstellen, nicht nur dann bestraft werden, wenn die angenommene falsche Anzeige wider besseres Wissen, sondern au dann, wenn sie leihtsinnig erstattet werde. In der früheren Disziplinarordnung is dem Soldaten ausdrücklich verboten worden, sich bei einer dritten Person Rath zu holen, falls er Beschwerde führen wolle. In der Beschwerdeordnung if dieser Passus niht mehr enthalten; ih frage den Kriegs-Minister, ob die alte Bestimmung dadurch aufgehoben ist. Die Beshwerde-Vorschriften müßten allgemein ven Soldaten zugänglich gemaht werden. Die Beschwerdeordnung der Offiziere is ziemli Puipliglect. Hier wie au im Qualifikationswesen müßten Aenderungen eintreten. Der Offizier weiß oft niht, warum er pensioniert wird. Die Stellung der Offiziere z. D. ist eine Zwitterstellung, sie fungieren als Schöffen und Geschworene und unterstehen der Militärgerichtöbarkeit. Ich brauche nur an einen Fall aus jüngfter Zeit zu erinnern, wo man vplöglih entdeckt hat, daß der betreffende Offizier z. D. i und ihn darum der preußischen Militärgerihtsbarkeit unterstellt hat.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußisher Kriegs- Minister Bronfici oDn Shellendecff, S y

Ich will zu den Ausführungen des Herrn Abg. von Vollmar, denen ih mit großer Aufmerksamkeit gefolgt bin, nur ein paar kurze Bemerkungen machen.

Er hat erstens gefragt, ob die Soldaten berechtigt seien, falls sie sih beshweren wollen, bei anderen Personen sich Raths zu erholen. Ein Verbot besteht nach dieser Richtung nicht und hat auch früher in unserer Beshwerdeordnung niht bestanden. Es ift aber möglich, daß vielleißt in der bayerishen Verordnung diese Bestimmung früher Aufnahme gefunden hat. In der neuen Beschwerdeordnung fteht fie jedenfalls nicht.

Ferner hat der Herr Abg. von Vollmar gesagt, es müßte eine genügende. Anzahl von Exemplaren der gedachten Vorschrift vorhanden sein, damit die Leute auch über ihr Beshwerderecht \ich informieren könnten. Es befinden sich auf sämmtlihen Stuben Instruktions- bücher, in denen bei uns die Beshwerdeordnung eingeheftet ist, und da hat jeder Mann Abends Zeit, sih darin zu unterrichten.

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Ferner fragte er, ob eine Beshwerde pf Lit bestände. “Diese Be, ]

\{chwerdepfliht hat bei uns nie bestanden und besteht au heute nicht.

Dann hat der Herr Abgeordnete besonders das Oualifikation2wesen behandelt. Da muß ih nun fagen: er hat andere Erfahrungen ge, macht wie ich. Wer sein Qualifikationsurtheil zu erfahren wünscht, dem wird es in der Armee nicht vorenthalten. Einige haben aller- dings zuweilen nit das Bedürfniß, darnah zu fragen. (Heiterkeit) Ich bekenne ofen, ich habe .mich niemals bei meinem Vorgeseßten danach erkundigt, wie er über mich geurtheilt hat; es kann aber vor.

kommen, daß es von anderen geshicht. Die, die ein Bedenken haben,

wie ihre Qualifikation ausgefallen is, oder den Wuns hegen, gern etwas Angenehmes zu hören, die werden zu ihren Vorgeseßten mit vollem Vertrauen hintreten können, und dann auch von diesen eine offene und ehrlihe Antwort erhalten.

Dann hat der Herr Abgeordnete noch von der Beschwerdeord- nung der Offiziere gesprochen. Es is mir sehr interessant gewesen das lebhafte Interesse, welhes er in dieser Hinsicht für uns an den Tag legt. (Zuruf links.) Es freute mich. Jch halte es, wie wir auf allen Gebieten bestrebt find, fortzushreiten, niht für ausgeschlo}sen, daß auch das Beschwerdereht der Offiziere einmal geändert wird.

Endlich hat er noch die Stellung der Offiziere zur Disposition zur Sprache gebracht. Da glaube ich nit in Aussicht stellen zu können, daß bei einer Aenderung der Militär-Strafprozeßordnung diese Offiziere dem Militärgerihtsstande werden entzogen werden. Er hat au auf einen speziellen Fall Bezug genommen. Für mich hat dieser Fall kein wesentlihes Jnteresse. Auffallend war es mir nur, als er von Be- ginn der Sauerngurkenzeit bis weit darüber hinaus den Zeitungen Stoff zur Spaltenfüllung gegeben hat, die ihr Publikum gern mit sensationellen Nachrichten unterhalten, namentlih den Leuten, die eine reiche Phantasie haben, Gelegenheit bot, an die absurdesten Voraus, seßungen noch absurdere Schlußfölgerungen zu knüpfen.

Abg. Dr. von Marquardsen (nl.): Jh habe mich zum Wort gemeldet, um auf unseren Antrag aufmerksam zu machen, der uns, wie wir wünschen, Gelegenheit geben möge, die Mehrheit des Hauses davon zu überzeugen, daß gewisse Grundsäße auf dem Gebiet Militärstrafverfahrens zur Ausführung gelangen 1ollten. Das sind die Grundsäße der Ständigkeit der Gerichte, der Oeffentlichkeit und der Mündlichkeit des Sra Jens wie sie ja in Bayern im wesentlichen bestehen. ir wünschen diese Reform, A militär- dienstlihe Bedenken nit im Wege stehen. In Bayern i} das Miilitärstrafverfahren durch Zusammenwirken von Regierung und Landtag entstanden. Ich hoffe, daß der Kriegs-Minister uns mit Rath und Su! unterstüßen wird, sodaß wir auch hier zu einer Verständigung gelangen.

Abg. Bebel (Soz.): Eine Verständigung zwischen mir und dx Kriegs-Minister mag schwer sein ; das liegt eben an den grundverschiedena Lebensanshauungen. Jh konstatiere aber, daß die von mir angs führten Thatsachen von dem Kriegs-Minister niht widerlegt worde sind. Den Vorwurf der Leichtgläubigkeit weise ih ganz entschieden zurück. Der Kriegs-Minister hat die Güte der Zustände in der Armee durh die große Zahl der Dreijährig-Freiwilligen beweisen wollen. Für mich ist das Anwachsen in dieser Zeit nur ein Beweis für die Depression der wirthschaftlichen Verhältnisse, welche die jungen Leute E Armee führt.

General-Auditeur von Jttenbah: Jn der Beschwerdeordnung existieren keine Bestimmungen über die Beschwerdepflihht. Daß die

oldaten in Unkenntniß über das Beschwerdereht gehalten werden, bestreite ih entschieden. Sie werden in den Instruktions\ftunden aus- führlich darüber belehrt. Wenn der Abg. Bebel behauptete, die Soldatenmißhandlungen nähmen zu, so seßt er sich in Widerspruch mit sich selbst: denn er selbst hat zugestanden, daß die Mißhandlungen

‘qualitativ E zurückgegangen find. Bei dem vom Abg. Bebel

einer Verurtheilung eines Soldaten wegen Erregung

angeführten Fa : um einen fozialdemokrati]cen

von Mißvergnügen handelte es i Agitator.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer General-Major von Gemmingen: habe in der Kommission Mittheilungen über den Rückgang der Zahl der Bestrafungen beim Garde-Korps ge- macht. Daß auch die Zahl der Bestrafungen mit der Verkürzung der Dienstzeit abnimmt, ift selbstverständlich.

Abg. v. Kardorff (Rp.): Wir haben uns über die Soldater mißhandlungen r genug unterhalten. Es ist nicht viel dab herausgekommen. Es hat sch herausgestellt, daß sogar in dem viel gerühmten Milizheer der Shweiz Soldatenmißhandlungen vorkommen. Der Abg. Bebel muß selber zugeben, daß es erklärlih i}, wenn in der vpreußishen Armee, einer Armee von 500 000 Mann, Dinge vor kommen, die vielleicht nicht vorkommen sollten. Daß da Bestreben berrsht, den Uebelständen abzuhelfen, hat er selbst bezeugt. Er hat einen Ausdruck gebrauht, der mich be- sonders veranlaßt, das Wort zu ergreifen. Er behauptete, nah seinen Crfahrungen gingen die jungen Leute heute sehr ungern zum Militär, und sie seien froh, wenn fie wieder los kämen. Wenn jemand in seiner persönlihen Freiheit zwei Jahre lang fo beshränkt wird, wie es beim Militär der Fall ist, und wenn jemand zwei Jahre lang so angestrengt wird, wie es jegt bei der zwei jährigen Dienstzeit nöthig ist, fo ist es wohl begreiflih, daß die Leute fich freuen, wenn sie den bunten Nock ausziehen können. Jch weiß niht, woher der Abg. Bebel seine Erfahrungen geschöpft hat; aber das weiß ih, daß die gedienten Leute vom Lande, wenn sie in ihr Dorf zurückfommen, immer noch stolz darauf sind, des Königs Rot getragen zu haben.

bg. Graf von Roon (dkons.): Der Abg. Bebel kann nicht ver- langen, daß die Unteroffiziere alle Musterknaben und Engel sind. Wie stehts denn mit den Mißhandlungen in anderen Berufen ? Die Ar- griffe des Abg. Bebel verfolgen nur den Zweck, Unzufriedenheit in der

rmee zu stiften.

Abg. Bebel (Soz.): Wenn Sie diese Unzufriedenheit nit wollen, jo sorgen Sie dafür, daß wir keinen Grund haben, hier ir der Weise Beschwerde zu führen, wie wir jeßt genöthigt sind. i;

Abg. von Kardorff (Rp.): Der Abg. Bebel hat den Erla Seiner Majestät des Kaisers über die Soldatenmißhandlungen ar gezogen. Er hätte auch auf den Erlaß des Prinzen Georg von Sachse verweisen können. Aus diesen Erlassen könnten die Herren doch di Dung \höpfen, daß von seiten der oberen Militärbehörd& alles gethan wird, was möglich ist, um die Soldatenmißhandlungs hintanzustellen. Daß diese qualitativ und beim Garde-Korps aut quantitativ zurückgegangen find, hat der Abg. Bebel selbst zugegebe Daraus bâtte er wohl den Schluß ziehen können, daß es nit nöthi war, zwei Tage lang den Reichstag mit diesen Erörterungen aufzuhalter.

Abg. Liebknecht (Soz.): Ich würde es als eine Feigheit be trachten, wenn ich mich nicht zu dem vom Kriegs-Minister erwähnte

wishenruf bekennen würde. Ih weiß mi, in dieser Charakter ierung der Verhältnisse im Einklang mit dem ganzen gebildeten Deutschland. /

Os von Leveßow: Jedenfalls niht im Einklang mil der Ordnung dieses Hauses.

Bei dem Kapitel „Besoldungen . der höheren Truppenbefehlshaber“ werden die von der Budgeb- kommission vorgeschlagenen Erhöhungen der aus den Dienst ages 108 Bureaukosten zu verwendenden Summen g& nehmigt.

Bei dem Kapitel „Gouverneure und Komma danten“ beantragt die Budgetkommission, die Kommandanter stelle in Hannover und in Altona zu streichen und die Kon” mandantenstelle in Frankfurt a. M. und in Rastatt künftig wegfallen zu lassen.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußisher Kriegs- Minister Bronsart von Schellendorff: :

Meine Herren! Durch den Beschluß der Kommission, die Kom- mandantur Altona zu streichen, ift die Militärverwaltung in eine große Verlegenheit gebraht. Uns wird? zwar immer gesagt, daß wir eine ganz besondere C E Generale und andere höhere Offiziere zu verabschieden, um die Armee zu verjüngen. Hier an dieser Stelle kann ich so ret das Gegentheil beweisen. Der Kommandant von Altona war, ih weiß niht, ob vor 2 oder 3 Jahren, auf seinen Posten ge- fommen. Ich hatte gehofft, er würde wenigstens noch 10 Jahre auf demselben: bleiben; daher hat es mir zunächst au keine Sorge ge- mat, als im vorigen Jahre im Etat die Bemerkung stehen blieb: „künftig wegfallend*. Im Sommer 1894 erbat er aber feinen Abschied. Der Militärverwaltung war das im höchsten Grade unbequem. Der Herr war kräftig und rüstig auf den Posten getreten, versah die sehr umfangreihen Geschäfte feiner Stelle in vor- ¡úglicher Weise. Es ist daher von unserer Seite gewünscht worden, daß er wenigstens noch bis zum 1. April, bis zum Abschluß des Etatsjahres auf seinem Posten verbliebe; dann wäre mir und uns allen geholfen gewesen und dann hätten wir uns über die Frage von neuem und ohne Vorurtheil unterhalten können. Er hat es aus Gesundheitsrü@tsihten niht gewollt. Nach dem Urtheil des kom- mandierenden Generals war es aber unmögli, den Posten unbeseßt zu lafsen. Ih habe mich daher an meinen verehrten Kollegen aus dem Reichs - Shaßamt gewandt, ihm meine Noth geklagt und ihn gefragt, was ih machen soll in diesem Falle, und da hat er mir sehr verklausuliert zugestanden, daß der Posten bis Schluß des Etatsjahres überetatsmäßig verrechnet werden könnte, daß er dann aber als ein widerrufliher zu bezeichnen wäre. In der Kommission war mir troß dieses meiner Ansicht nah ganz legalen Verhaltens doch der Vorwurf gemacht, ich hätte damit einen Schlag gegen das Etatsreht versucht. Meine Herren, wegen 7000 A thue ih das nicht; es muß eine weit größere Summe sein, um dergleihen zu risfieren. (Große Heiterkeit.) Ih möchte alîo an die Herren das Ersuchen richten, die Sache niht so aufzufassen wie die Kommission, die, glaube ih, unter dem Eindruck damals ihren Beschluß gefaßt hat: der Kriegs-Minister ist nit korrekt verfahren, ergo wollen wir ihm dies einmal deutlih ausdrüden; ich bitte alfo, meine Herren, bewilligen Sie mir diesen Posten, der absolut noth- wendig ift. l

Abg. Dr. Schae dler (Zentr.): Die Summe, um die es ih han- delt, mag so groß sein, wie sie will ein Eingriff in das Budgetrecht läßt fd) nicht rehtfertigen. Ich kann es nicht billigen, eel nit glei zu Beginn der Verhanèlungen in der Budgetkommission mitgetheilt wurde, daß die Stelle in Altona wieder beseßt sei. Eine mala fides nehme ih freilich weder beim Kriegs-Minister noch beim Reichs-Schatz- sekretär an, und ih glaube, daß der gemachte Fehler nicht wiederholt wird. Ih beantrage die Zurückverweisung der Position, betr. die

Kommandantur in Altona, an die Kommission, welche die materielle Seite der Sache noh einmal prüfen mag, nachdem die formale Sache

edigt ift. s N Ds Enneccerus (nl.) {ließt fich diesem Antrag an.

Der Antrag Schaedler wird darauf angenommen, im übrigen nah den Anträgen der Budgetkommission be-

{lofssen.

Die weitere Berathung wird sodann vertagt. Sgluß der Sißung 51/2 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 35. Sißung vom Dienstag, 5. März. Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung des

Etats der Bergwerks-, Hütten- und Salinen- verwaltung.

Ueber den Beginn der Sibßung is gestern berichtet worden. Wir tragen hier nur die Erwiderung des Ministers für Handel und Gewerbe Freiherrn von Berlepsch auf die Rede des Abg. Grafen Strachwi§ (Zentr.) im Wortlaut nach.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berleps\ch:

Meine Herren! Die Wünsche, die der Herr Vorredner für das Gedeihen der oberslesishen Eisenindustrie geäußert hat, und die An- forderung, die er an die Staatsregierung gerichtet hat, ihrerseits dazu beizutragen, daß dies Gedeihen mehr gefördert werde, resp. daß ein weiterer Niedergang der Eisenindustrie verhindert würde, kann ih theilen und billigen. FInzwishen muß ich doch darauf aufmerksam machen, daß die Lage der fiskalischen Koblengruben niht eine derart glänzende ift, daß fie in ihrer Preisgestaltung si aus\{ließlih nah den Verhältnissen der sie umgebenten Eisenindustrie rihten könnten; auch die Lage der obers{hlesischen Kohlenindustrie ift eine recht \{wierige. Auf ihre Verhältnisse und die Lage ihrer Arbeiter muß doch au Rücksicht genommen werden.

Der Herr Vorredner meinte, wenn der Eisenindustrie nicht billigere Preise von den fiskalishen Gruben gewährt würden, so würde die Folge sein oder es wäre hon die Folge, daß Feiershihten in großem Maße eingelegt werden müßten, ja ganz dasselbe ist auch bei den fiskalischen Kohlengruben der Fall. Wenn wir genöthigt werden, die Preise erbeblich herunterzuseßen, so wird die Produktion unlohnend, und die Arbeit muß eingeshränkt werden. Das Einlegen der Feier- shihten bat ja leider in der leßten Zeit au auf fisfalishen Gruben in nicht unbedeutendem Maße stattfinden müssen. Also gewisse Grenzen wird man sich für die Forderung der Preisermäßigung ja nothwendigerweise ziehen müssen. ;

Der Herr Vorredner hat auch gemeint, von einer Marktlage töônne bezügli der fiskalishen Fettkohlen niht die Rede sein, sie hätten beinahe ein Monopol für die obershlesishe Eisenindustrie. Ja, meine Herren, das leßtere ist ja thatsählih richtig; von einer Marktlage fann! man aber sehr wohl deshalb reden, weil auß an anderen Stellen unserer Monarchie Eisenwerke eristieren, die Kokskoblen fkonsumieren, und wenn nun der Fiskus einseitig für die eine Industrie die Preise der Kokskohlen herabsegt, 9 beeinflußt er ganz zweifellos die Lage der nicht in Oberschlesien belegenen Eisenindustrie ungünstig zu Guasten dieser. Auch das is ein Moment, welches meines Erachtens bei der Preisnormierung mit in Betracht zu ziehen ift.

Die Bergverwaltung hat vor allen Dingen zu erstreben, daß die Preise der fiskalishen Gruben, wie alle der Steinkohlengruben über- haupt, möglichft stabil bleiben, und dieses Ziel ist in den leßten Jahren erreiht worden ; wir haben in Westfalen, an der Saar, in Oberschlesien

in den legten drei Jahren außerordentlich wenig S{hwankungen in den Preisen der Kohlen, auc der Fettkohlen, gehabt, und ih meine, es wäre wohl Veranlassung, dahin zu streben, dieses Verhältniß zu erhalten. Nun gebe ich gern zu, daß es außergewöhnliche Umstände in der Industrie giebt, wo die Stabilität daran gegeben werden und die Preise ermäßigt werden müssen. Aber *die Preise, welhe der Fiskus stellt, sind an sih niht hoh; die Werke, die auf den Bezug der Kohle angewiesen find, haben bis auf eines eine Eingabe an den Minister bis heute nicht gerichtet, in der sie gefordert hätten, daß die Preise weiter herunter- geseßt werden, als sie augenblicklich find. Ein einziges Werk ich glaube, der Herr Vorredner hat den Namen genannt hat an mich den Antrag gerihtet, noch ia jüngster Zeit wieder, den Preis der Kohle herunterzusezen. Die Reden- hütte, die der Herr Vorredner noch anführte, hat \sch wahrscheinlih vorsichtigerweise zuerst an ihn gewandt. Es ift möglich, daß sie auch noch an mich kommt.

Nun i} es eine recht unbedenklihe Sache, aus den Verhältnissen eines Werkes heraus deduzieren zu wollen, daß die Preise der Fett- kohlen berunterzuseßen find. Die Verhältnisse eines Werkes können auh aus anderen Gründen ungünstige fein, nicht bloß aus dem Grunde, daß die Fettkohlen zu theuer bezahlt werden. Jch bin der Ansicht und mit mir die Beamten der Bergverwaltung, daß die un- günstigen Verhältnisse der obershlesishen Eisenindustrie durch eine Herabsetzung der Fettkohlenpreise niht geändert werden würden. Sie hängen mit der . allgemein ungünstigen Konjunktur zusammen. Wenn ein einzelnes Werk fich in besonders ungünstigen Verhältnifsen befindet, fo halte ih es zwar nicht für zulässig, die Ursachen hier zu erörtern ; aber die bestimmte Ueberzeugung habe ich, daß nicht die Preise der fiskfalishen Fettkobhlen die Ursache sind. Jedenfalls kann dem Fiskus nicht zugemuthet werden, die ungünstigen Verhältnisse eines allge- meinen Werks dadur aufzubessern, daß es die Koblenpreise im all- gemeinen herabsetzt.

Im übrigen ist erst in den legten Tagen eine erneute Eingabe an mich gekommen, welche einen Verglei zwischen den Preisen des Walzeisens und der Kohlen zieht, und in der darum gebeten wird, ob nicht eine Preisherabsezung doch noch erfolgen könne. Diese Eingabe ist zur erneuten Berichterstattung zurückgegangen; und wenn diese Berichterstattung eingegangen sein wird, werde ih aufs neue in Er- wägung ziehen, ob eine weitere Herabseßung angängig ist oder nit.

Bei der weiteren Berathung nimmt nah dem Abg. Got- hein (fr. Vg.) das Wort der

Minister für Handel Berlepsch:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat damit geschlossen, daß er die Bitte an mich rihtete, ih möchte „mit Erfolg* bestrebt sein, die Eisenbahniarife für die Verfrahtung auf den oberschlesischen Bahnen herabzuseßen. Das kann ih ihm leider niht zusagen; „mit Erfolg“ bestrebt sein, das ist in der Regel etwas, was nit in der Kraft dessen liegt, der eine Sache zu erreichen suht; er hat noch mit anderen Faktoren zu rechnen. „Mit Eifer“, das ist etwas Anderes; und da der Herr Vorredner zugestand, daß es mir an Eifer nicht fehlt, so is eigentilich sein Wille bereits erfüllt. Er hat aller- dings in etwas anderer Weise in der Einleitung seiner Rede über diese Frage gesprochen und gesagt, er finde doch einigermaßen, daß jeßt der Handels-Minister nicht mehr mit demselben ih glaube, er hat es gesagt Eifer für die Interessen des heimischen Bergbaus eintrete, wie das früher wohl geshehen sei. Er fragt: warum tritt der Handels-Minister niht für die Interessen der Bergbauindustrie ein, wenn es sih darum handelt, daß die Frahten auf den Eisen- bahnen für sie ermäßigt werden? Ja, meine Herren, woher weiß der Herr Vorredner denn, ob ich für diese Frage eintrete oder nicht? Daß ich mich hier am Ministertisch nicht in Differenzen mit dem Herrn Eisenbahn: Minister oder dem Herrn Finanz-Minister bewege über die Frage der Gütertarife, das liegt wohl auf der Hand; ob ih aber niht das Meinige thue, um im Interesse der Industrie die Frahten nach Möglichkeit herunterzuseßen, darüber ist der Herr Vorredner nit im allermindesten orientiert. An si liegt es auf der Hand, meine Herren, daß ein Minister, der selb große fiskalishe Betriebe verwaltet und in dessen Aufgaben es liegt, die Industrie zu fördern, soweit er kann und es ihm verständig erscheint, für die Ermäßigung der Frachten eintritt, daß für ihn die Frage des finanziellen Effekts der Eisenbahnen zurücktritt hinter die wirthschaftlihe Frage der billigen Beförderung der Güter das \s{heint mir ein ganz einfacher und zweifelloser Standpunkt zu sein. Ebenso zweifellos und ein- fah ist es aber au, daß über diese Frage der Handels- Minister nicht zu befinden hat, f\ondern der Eisenbahn-Minister. Tretdem wird immer über eine Vereinbarung verhandelt werden, wenn zwischen diesen beiden und dem Finanz-Minister Meinungs- verschiedenheiten über Ermäßigung der Frachten entstehen. Die Interessen des Handels - Ministeriums gehen ganz natürlicher- weise nach einer Ermäßigung der Frachten. Aber zweifellos ift es auch, daß der Handels-Minister Rücksicht zu nehmen hat auf die finanziellen Verhältnisse des Staats und auf die Tarifpolitik des Eisenbahn- Ministeriums.

Der Herr Vorredner is sodann näher eingegangen auf die Verhältnisse des Oberharzer Bergbaus. Er hat uns in Aus- sicht gestellt, bei vershiedenen Gelegenheiten nochmals auf diese Frage zurückzukommen. Jch glaube mih deshalb wohl davon dis- pensieren zu können, auf Einzelheiten einzugehen, insbesondere auf die Frage der böberen Etatisierung der Erzpreise. Seine Aufforderung aber, \on jeßt Erhebungen darüber anzustellen, welche Industrien eventuell an Stelle des Bergbaues im Harz eingeführt werden könnten, kann ih nit unerwidert lassen. Er hat selbst dabei bemerkt, daß seiner An- sicht nah augenblicklich noch keine Veranlaffung dafür vorläge, Zu- {üsse für die Bergwerke etwa zu verweigern; er sagte: in einigen, vielleiht erst in zehn Jahren, werden wir fo weit sein. Meine Herren, jeßt schon Erhebungen und Erwägungen darüber anzustellen, welhe Industrien man eventuell in zehn Jahren im Harz einführen könne, {eint mir einigermaßen verfehlt zu sein. Er hat ganz Reht: zwei Momente liegen vor, die meiner Auffassung nach an der Zukunft des Harzes nicht verzweifeln lassen, selbs für den Fall, daß mal -der Bergbau

und Gewerbe Freiherr von

4 aufhören sollte, nämlich die arbeitsgewohnte, fleißige Bevölkerung

und die sehr bedeutende Wasserkraft, die uns nur in ganz trockenen

Jahren im Stich läßt. Sm übrigen aber meine ich, müßten jeßt die Bemühungen der

Bergwerksverwaltung vielmehr dahin gerichtet werden: wie kann ih

den Harzer Bergbau erhalten auf möglihst lange Zeit? wie fann ih die Betriebsvorrihtungen verbessern? wie kann ih die Produktionskoften verbilligen? wie kann ih es er- reihen, neue günstige Aufschlüsse zu machen, um den Bergbau rentabel zu erhalten? Das ift die Aufgabe, die augenblicklih die Bergwerksverwaltung hat nicht diejenige: zu suchen, welche Industrien eventuell in zehn Jahren an Stelle des jeßigen Bergbaues zu treten hätten.

Nun, meine "Herren, ih sehe die Sache gar nit so ver- zweifelt an, wie der Herr Vorredner. Es if ja rihtig, wir haben seit zwei Jahren eine“ nicht unerbeblißhe Zubuße an den Oberhbarzer Bergbau zu zahlen, der \sich, wenn ih nicht irre, 1892/93 und 1893/94 auf je etwa eine Million belief. Sechzehn Jahre vorher, während deren der preußische Staat das ehemals hannovershe Bergwerk im Betrieb batte, haben wir sehr erhebliche Uebershüsse zu verzeihnen gehabt, die summa summarum auf ctwa 18 bis 20 Millionen si berechnen ; zwei Jahre haben wir ungünstige

Resultate gehabt. Da liegt doch keine Veranlaffung vor, zu sagen:

hier bestegt wirklih eine eminente Gefahr.

Das will ich garniht in Abrede ftellen, daß die Konjunktur der Erze, die hier in Frage stehen: Silber, Blei, Kupfer, Blende allerdings momentan nicht günstig liegen, aber wenn wir nur eine Verbesserung der Preise des einen oder des- anderen dieser Erze bekommen, so würden fch Preiskombinationen finden laffen, die den Bergbau wieder rentabel machen, die mindestens den Zuschuß aufhören lassen. Es lassen sh Preiskombinationen ver- schiedener Art finden, nach denen die Preise der vergangenen fünf Jahre niht überschritten zu werden brauchen und die uns doch dahin führen können, daß die Einnahmen wieder \teigen und die Zushüfse aufhören.

Meine Herren, Krisen, wie fie jeßt find, hat der Harzer Bergbau ‘hon durhgemacht, er hat fogar in den zwanziger und dreißiger Fahren viel ernstere Krisen durchgemacht als heute, während der die Bleipreise erheblich unter den niedrigsten Bleipreisen der lezten Zeit gestanden haben. Und doch hat fih hinterher ein Aufshwung gezeigt.

Also ih gebe sehr gern zu: momentan liegen die Konjunkturen unserer Erze, die im Harz gewonnen werden, sämmtlich außer- ordentlih ungünstig, und ich kann auh nicht behaupten, daß sie in allernächster Zeit besser werden. Aber daß man jeßt {on den Ge- danken an ein Erliegen des Harzer Bergbaus fassen müßte, das ist in keiner Weise der Fall. (Bravo !)

Abg. Sch mieding (nl): Dem Abg. Grafen zu Limburg-Stirum möchte ich erwidern, daß die Industrie si stets mit der Landwirthschaft solidarisch gefühlt hat. Jch erinnere nur daran, daß, als es ih darum har delte, vom autonomen Zolltarif zu den Handelsverträgen überzu- gehen es war beim Handelsvertrag mit Oesterreich gerade die Industrie es war, welhe die größten Bedenken dagegen erhob und geneigt war, gegen den Vertrag Front zu machen. Ich habe das Wort ergriffen, um einen Vorwurf, den der Minister anläßlich der Berathung der Interpellation Paasche gegen das Haus gerichtet hat, zurückzuweisen. Er hat es fo dar-

estellt, als ob die ablehnende Haltung des Hauses gegenüber dem aligesey die Schuld daran trage, daß er den Wünschen nah Ver- billigung der Kalipreise nicht nahkommen könne. Die Bergwerks8- verwaltung hätte besser gethan, dem Syndikat fern zu bleiben, fie bätte dann selbständig im Interesse der Landwirthschaft mit den Kali- preisen herabgehen können und die anderen Werke würden ohne Frage bald nachgefolgt sein. Syndikate werden doch nicht im Interesse der Konsumeaten geschlossen, sondern um den Konkurrenz- kampf zu vermeiden und annehmbare Preise zu erzielen. Nun hat man neuerdings * vielfa, namentlich in} Hannover, günstige Bohr versuche auf Kali gemaht. Aber welchen Vortheil hat davon die Landwirthshaft ? Die Mitglieder des Syndikats kaufen die Gruben- felder auf, um die Konkurrenz unmöglih zu machén. Könnten sich die neuen Bergwerke selbständig entwickeln und in Konkurrenz treten, so würde davon die Landwirthschaft den Vortheil haben.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat in dem leßten Theil seiner Ausführungen sich darüber ausgelafsen, welhe Folgen die Ab- lehnung des Kaligeseßes im vorigen Jahre gehabt habe. Es habe si eine fieberhafte Bohrthätigkeit an allen Orten etabliert, und auch der Fiskus habe sich daran betheiligt. Er hat als Beweis dafür angeführt, daß man sich niht begnüge mit dem früheren Etatssaß von 250 000 Æ für Bohrungen, fondern daß im Extraordinarium noch eine besondere“ Summe von 150000 # dazu ausgeworfen sei. Dem Herrn Vor- redner is entgangen, daß diefe Summe von 150000 M im Extraordinarium bereits seit 5 bis 6 Jahren erscheint. Also auf eine Aenderung der Bohrthätigkeit infolge der Ablehnung des Kaligesetzes kann aus dieser Position nicht geschlossen werden. Nachdem das Kaligeseß abgelehnt war, habe ih eine Verfügung an die betreffenden Bergbehörden ergehen lassen, daß ih wünsche, in Zukunft die bisherige Art der Konkurrenzbehrungen fallen zu lassen, daß ich dagegen in Ausficht nehme, bestimmte Gebiete durch Bohrungen mit Beschlag zu belegen, dort derartig bohren zu lassen, daß kein Konkurrent auffommt, sodaß es kflar wird: hier find Gebiete, die der Fiskus für sich reserviert hat. So ist verfahren worden. Der Fiskus if nicht betheiligt bei den Bohrungen, die in Braunshweig und Hannover vorgenommen sind, das sind Privatunternehmungen, mit denen wir nichts zu thun haben. Gbensowenig ift der Fiskus betheiligt an dem Ankauf von Antheilen von neuerbohrten Kalifunden. Das ift ebenfalls ein reines Privat- unternehmen —; nicht das Syndikat als solches, bei dem der Fiskus betheiligt ist, hat diese Antheile gekauft.

Der Herr Vorredner hat sih im Interesse der Landwirthschaft darüber beklagt, daß die Erklärung, die ih neulih bei Gelegenheit der Verhandlungen über die Kalipreise abgegeben habe, eine gewundene gewesen sei, und es hat ihm besser gefallen, daß der Minifter der öffentlichen Arbeiten erklärt hat, ih reduzierte die Frahtpreise um 2099/0. Diese Erklärung hat auch mir besser gefallen als die meinige. Aber wäre ich in der Lage gewesen, zu erklären: ih will die Preise für die Landwirthschaft um 2009/6 erniedrigen, fo hätte ich diese Erklärung ganz gewiß abgegeben: das kann meines Erachtens billiger Weise auch nicht im Hause bezweifelt werden, nachdem Ihnen bei Berathung des Kaligeseßes im vorigen Jahr ganz deutlih gesagt worden ift, daß das ganze Interesse, das die Regierung an der Vorlage hat, nur das ist, der Landwirthschaft den dauernden Bezug billiger Kalisalze zu sichern. Man kann verschiedenerMeinung sein, ob der Weg richtig war, den ich zur Erreichung dieses Ziels eingeshlagen hatte; das aber ersheint mir zweifellos, daß, wenn das Haus die

Regierung in die Lage verseßt bätte, in Zukunft allein neue Kali,