1895 / 59 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

N L Ï ultear a E R S, Ga Es

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* Chef und der Regiments-Kommandeur das Recht, Leute zu beurlauben.

Bei diesen Beurlaubungen wird au wesentli so verfahren, wie Herr von Vollmar es zu wünschen sheint. Fch will nur die Zahlen für Preußen nennen. Dort find im vorigen Jahre im ganzen 12054 Mann zur Ernte beurlaubt worden. Diese 12054 Mann vertheilen sh auf 3331 Landwirthe; davon find wieder 9654 Landwirthe, welhe nur 2 bis 4 Soldaten bekommen haben; ich glaube, daß diese Landwirthe keine Großgrundbesiger find, und auch nit Personen, die einen großen Betrieb auf ihren Höfen haben. Es sind fleine bäuerlihe Besißer, von denen auch nach den mir vorliegenden Angaben ein sehr großer Theil An- gehörige, Söhne, Nerwandte zur Aushilfe bei der Ernte erhalten hat, und das ist es ja au, was Herr von Vollmar wünschte.

Nun beläuft sich die Gesammturlaubszeit dieser Leute im Dur(- schnitt es ist bei den Armee-Korps verschieden, es variiert etwa zwischen 12 und 5 Tagen auf 7,1 Tag, die der Einzelne von den 12 054 Mann Urlaub gehabt hat. Auf die gesammte Armee in ihrer Totalstärke ift dies eine Entziehung der Mannschaft um ein fünftel Tag vom Dienst. Also auch das Bedenken, daß dur diese Beurlaubungen die Ausbildung der Armee wesentli leiden könnte, sheint mir hinfällig.

Was die Lohnverhältnisse anbetrifft, so muß ih vorweg bemerken, daß die Mehrzahl der Arbeitgeber es vorzieht, ländliche Arbeiter zu nebmen und nicht Soldaten (sehr rihtig! rechts), und zwar aus folgenden Gründen. Der ländliche Arbeiter is gewöhnt an das Mähen, Binden 2c. und was font für Arbeitea bei der Ernte auf dem Lande vorkommen, er bringt auch sein Geschirr mit, er pflegt gewöhnlich in einem benachbarten Orte zu nähtigen und seine Ver- pflegung selbst zu übernehmen ; dafür befommt er einen Lohn von zwei bis drei Mark, unter Umständen au mehr. Die Soldaten osten im Durd&schnitt der Mehrzahl nach namentli dem Großgrundbesiger mehr als gewöhnliche Landarbeiter. Denn erstens müssen sie die Reise der Soldaten hin und zurück bezahlen, auch müssen sie die Leute be- föstigen, für sie für Geschirr und nächtliche Unterkunft sorgen. Dazu kommt no, daß, wenn während der Ernte plößlich Regenwetter ein- tritt (sehr richtig! rechts), die Besißer oft gar nicht wissen, was fie mit den Ernteurlaubern anfangen follen. Sie müssen sie beköstigen und haben beim besten Willen keine Beschäftigung für die Leute. Ein umsichtiger Landwirth weiß natürlich auch dann Rath, läßt Wege ausbefsern u. \. w.; er hat aber damit jedenfalls eine ziemlich theure Arbeit.

Was nun den weiteren Wuns des Herrn Abgeordneten betrifft, daß eine Bestimmung erlafsen würde, daß die Leute immer nur zu ihren Angehörigen beurlaubt werden sollen, so ist das, glaube i, möglich in Württemberg, vielleiht in Sachsen, vielleiht auch in Bayern, aber doch auch nicht durhweg. Wenn z. B. Truppen von Bayern in Meß oder von Sachsen in Straßburg stehen, fo können diese doh ihre Leute niht nach Hause zur Ernte schicken. Gewiß leisten sie den Landwirthen einen Dienst, wenn in den Reichslanden die Ernte rasch eingebraht werden muß, namentlich wenn Roggen, Gerste, Weizen fast gleichzeitig reif wird. Das i} aber denn doch geradezu ein Nothfall. Wenn beim besten Willen niht so viel Ernte- arbeiter von der ländlihen Bevölkerung aufzubringen sind, sehe ih nit ein, warum nicht einmal die Sawsen und Bayern den Bauern in Elsaß-Lothringen bei der Arbeit helfen sollen.

In Preußen is die Sache noch schwieriger. Die Regimenter liegen nit alle in ihren Ergänzungsbezirken, namentlich die Garde niht. Die Truppen in Berlin würden gar nie in die Lage kommen, ibren Angehörigen zu helfen. Nun helfen sie den Leuten in der Umgegend von Berlin und der Mark Brandenburg. Ic finde das so natürlih und nüßlich, indem dadurch ein gerechter Ausgleich ftatt- findet; ih hoffe, die Zahlen, die ih vorher angab 2654 Land- wirthe bekommen 2 bis 4 Mann sollten Sie überzeugen, daß es

hier \fich wirklich um eine gute Sache handelt.

Nun hat der Herr Abgeordnete auch davon gesprochen, daß bei den Erntebeurlaubungen eine Lohndrüdckerei eintreten könnte. Jch glaube, er hat es nicht gerade so hingestellt, als wenn diese Absicht vorläge, als wenn wir erst Leute beurlaubten, um die ländlichen Erntearbeiter zu s{hädigen und dann hinterdrein Leute zur Dienst- leistung einzuziehen, Reservisten u. |. w., die gerade darauf angewiesen sind, ih als Landarbeiter ihr Brot zu verdienen.

Meine Herren, diese Vermuthung ist absolut unzutreffend; daran denken wir niht im allerentferntesten, sondern wir find nur bereit, jedem Stand, der vorübergehend in Noth kommt, zu helfen ih kann nur sagen, daß es bei diefen Ernteurlauben ähnlich is wie bei großen Schneeverwehungen, wo auch plößlih ein Zug auf dem Gleise fest- sißt und nicht weiter kann. Dann möchte ich einmal wissen, was Sie sagen würden, wenn Sie (zu den Sozialdemokraten gewandt) alle- sammt auf dem Zuge säßen (Heiterkeit), und ich sollte ein halbes Bataillon Soldaten kommen und Sie heraus\{aufeln lassen, und ih telegraphierte dem Eisenbahn-Betriebsamt zurück: Alle sigen laffen, bis Thauwetter' eintritt! (Sehr gut! und große Heiterkeit.)

Abg. Freiherr von Manteuffel (d.kons.): Es werden sehr oft Schießübungen seitens der Militärverwaltung im Freien an- geordnet, wodur die Landwirthe verhindert sind, auf dem Felde arbeiten zu lassen. Da halte ih es für selbstverständlih von dem betreffenden Kommanteur, die Truppen an einem Ruhetage zu beurlauben, gewifser- maßen als Ausgleich für den Arbeitsverlust, den die Bewohner der Gegend evan haben. Der Lohn für die Arbeit kommt doch s{ließ- lich den Angehörigen des entlassenen Soldaten zu Gute. Freiwillig wird fein Landwirth zu militärishen Arbeitskräften greifen, da diese tbeurer find als die anderen. Aber wenn wir einmal niht in der Lage sind, die Arbeiter festzuhalten, wenn sie uns verlassen, dann sind n gezwungen, Soldaten zu nehmen, auch wenn diese sih theurer

ellen.

Abg. von Vollmar (Soz.): Aus den Aeußerungen des Vor- redners \heint doch hervorzugehen, daß die Landwirthe Soldaten an- nehmen, weil sie billiger Le Wenn jeßt au die Industrie käme und sagte : Wir sind shlecht gestellt, wir können keine hohen Löhne zahlen, stellt uns Soldaten zur Verfügung! wohin würden wir dann kommen? Den Kriegs-Minister möchte ih noch fragen: Wenn die Soldaten nit zu ihren Verwandten kommen, wer hat die Löhne festzuseßen, und welhe Höhe haben sie?

Ich habe aus-

Abg. pre von Manteuffel (d.konf.):

drüdcklih behauptet, daß die Soldaten nicht billiger, sondern theurer find als unsere Arbeiter. Leider nimmt aber die Bevölkerung auf dem Lande immer mehr ab; bei großer Dürre ist es uns unmöglich, die Arbeiten mit unseren Leuten zu bewältigen, da müssen wir eben um legten Mittel greifen, zu den Soldaten, die unter allen Um- Ründen uns zu theuer sind. Wenn der Abg. von Vollmar die Land- m mit der Industrie dere so zeigt er, daß er für land- wirth liche Verhältnisse kein ändniß hat.

ollmächti m Bundesrath, Minisier Br P ea Schellendorff:- Meine Herren! Der Herr Abg. von Vollmar fragte, wie boch ich die Lohnsäge beliefen, welche die beurlaubten Soldaten erhielten, und wer sie festsege. Das regelt \ih im allgemeinen nach den [lokalen Verhältnissen in den verschiedenen Provinzen. Der Vorgeseßte bestimmt die Löhne nicht, sondern meist schreiben die Besißer, sie bäten um se und fo viel Arbeiter, sie würden ihnen Beköstigung, Wohnung, Reisegeld u. \. w. vergüten und Lohn so und so viel. Die Zusammen- stellung, die ih habe, giebt den durchschnittlihen Lohn exklusive Reife, Unterkunft und Geschirrlieferung auf 2,29 A an. # Ic glaube, daß das Fein erbeblich niedviger Saß ift, und daß die Leute, die auf dem Lande freiwillig sich als Erntearbeiter verdingen, niht erheblich mehr be- Fommen, obwohl sie ihr Geschirr, Wohnung u. dergl. noch felbst beshaffen müssen.

Abg. von Vollmar (Soz.): Ih behaupte nit, daß es in der Absicht der Militärverwaltung liegt, dur die Verwendung von Sol- daten zu Erntearbeiten die Löhne der ländlichen Arbeiter zu drüen ; der Effekt der Verwendung von Soldaten wird aber immer eine Herabminderung der Löhne für die ländlichen Arbeiter sein, da auf diese Weise die Soldaten als Konkurrenten_der leßteren auftreten.

Abg. Holt (Rp.): Wenn der Abg. von Vollmar die Verhält- nisse, um die es sih handelt, kennte, so würde er die leßte Behaup- tung nit aufgestellt haben. Von einer Konkurrenz der Soldaten bei den Erntearbeiten kann keine Rede sein. Die für die Ernte noth- wendigen Arbeiter werden von den ländlichen Grundbesigern in der Regel {on lange vorher, zumeist son im Frühjahr fest gedungen, aus dem einfahen Grunde, weil es später, zur Zeit der Ernte, feine disponiblen Arbeiter mehr giebt. Nur für den Fall, daß die engagierten Arbeitskräfte niht aus- reichen, wenden sich die Gutsbesißer an die Militärbehörden, um Soldaten zur Aushilfe zu bekommen. Bei der Verwendung von Sol- daten zu Erntearbeiten handelt es sih also um die Beseitigung eines thatsählihen Nothstandes, niht um eine Konkurrenz mit den länd- lichen Arbeitern. S j

Abg. Herbert (Soz.): Der Mangel an ländlichen Arbeitern ist jedenfalls niht so groß, daß die Zahl der zu Erntearbeiten ver- wendeten Soldaten si nicht ermäßigen ließe.

Die von der Budgetkommission beantragten kleinen Ab- strich e beim Kapitel „Jngenieur- und Pionierkorps“ und beim Kapitel „Geldverpflegung der Truppen“ werden ohne Diskussion beshlofsen.

Zum Zuschuß für die zur Ableistung ihrer Dienstpflicht eingestellten Volksschullehrer liegt der Antrag der Budgetkommission vor:

Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, es möge Bestimmung getroffen werden, daß der erfolgreihe Besuch eines Lehrer- seminars die D FLENE Ang zum Dienst als Einjährig- Freiwilliger in sih {ließt.

Der Abg. Weiß (fr. Volksp.) beantragt, als zweite Ziffer hinzuzufügen:

Daß durch die in Aussicht stehende Einführung des Einjährigen- dienstes der Volksshullehrer und Kandidaten des Volks\chulamts denselben die Berechtigung zur Ableistung des Militärdienstes als Einjährig-Freiwillige nicht entzogen wird.

Referent Abg. von Podbielski (d.kons.): In der Budget- kommission is die Frage des Militärdienstes der Volks\{ullehrer einer eingehenden Prüfung unterworfen worden. Die Mehrheit der Kommission war der Ansicht, daß der erfolgreiche Besuch eines Lehrer- seminars die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst in ih schließen solle. Die Militärverwaltung erklärte sih damit einver- standen, daß die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst den Volks\cullehrern zugestanden werde, sie lehnte es aber ab, eine Unter- stüßung der Volksschullehrer bei Ableistung dieses Dienstes in Aus- siht zu nehmen.

Abg. Weiß (fr. Volksp.) empfiehlt den von ihm erweiterten Antrag der Kommission unter Hinweis auf die früheren entgegen- fommenden Erklärungen der Militärverwaltung und auf die That- sache, des den Volks\chullehrern bereits 1818 troß der damals gerin- geren wissenschaftlihen Vorbildung dur Kabinetsordre die Berechtigung

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zum einjährig-freiwilligen Dienst zugestanden worden sei.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Ich wünsche Ihnen nur über die formelle Lage der Frage, auf welhe die Refolution des Herrn Abg. Weiß und der Vorschlag der Budgetkommission si bezieht, einige Auskunft zu geben. Gerade das Wohlwollen, das der Herr Kriegs-Minister der im vorigen Jahre gegebenen Anregung gegenüber bethätigt hat, hat ihn au dazu bestimmt, im preußishen Staats-Ministerium die Frage zur Erörterung zu stellen, ob den Seminaristen, welche das Seminar mit Erfolg durhgemaht haben, auG ohne weiteres die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst ertheilt werden könne. Die Sache wird gegenwärtig im Schoße des preußischen Staats- Ministeriums verhandelt, und ih nehme an, daß nach dem Gewicht der Stimmen, die sich für eine positive Beantwortung der Frage ausgesprohen haben, Aussicht dafür vorhanden ist, daß die Wünsche, denen der “Herr Vorredner einen so beredten Ausdruck gegeben hat, zur Erfüllung gelangen. Meine Herren, an \ich, glaube ich, sind die Resolutionen, wie sie Ihnen vorgeshlagen worden, formell doch niht ganz unbedenklich, in- sofern sie darauf hinaus wollen, den Reichstag dahin zu bestimmen, daß er selber darüber entsheiden soll, ob die wissenschaftliche Aus- bildung, welche die Angehörigen der Schullehrerseminarien empfangen, gleihwerthig ist mit der¡wissenshaftlihenAusbildung, von derenErlangung die Berechtigung zum einjährig - freiwilligen Militärdienst abhängig gemacht worden ist. Ich halte das, wie gesagt, nicht für ganz unbe- denklih, denn nach 90 der Wehrordnung hat der Reichskanzler darüber Bestimmung zu treffen, welche Lehranstalten mit der Be- fugniß ausgestattet werden sollen, gültige Zeugnisse über die wissen- schaftlihe Befähigungzum einjährig-freiwilligenMilitärdienst auszustellen, und der Reichskanzler macht von dieser ihm beigelegten Befugniß immer nur Gebrau, nahdem er die Reihs-Schulkommission, welche das wissen- schaftliche Organ der Reichsverwaltung auf diesem Gebiete ist, gehört hat. Ich möchte es nicht für ganz unbedenklih ansehen, wenn der Neichstag, ohne daß eine Prüfung durch dies Organ vorangegangen und ein Gutachten von der zuständigen Behörde erstattet ist, seine Meinung dahin festlegen wollte, daß die seminaristishe Ausbildung gleih-

- werthig ist mit der Ausbildung, wie sie für den einjährig-freiwilligen

Militärdienst vorgeschrieben ift. Ih glaube, daß man den Herren, die auf diesem Wege eine Erweiterung des sogenannten Freiwilligen- rechts anstreben, vielleiht mit einigen Modifikationen gerecht werden wird, aber ih halte es, wie gesagt, niht gerade für opportun, daß der Reichstag schon jeut einen solhen Beschluß faßt.

Was die zweite, von dem Herrn Abg. Weiß vorgeschlagene Reso- lution anlangt, so halte ih, dieselbe für durchaus entbehrlich; denn das, was diese Resolution besagt, ift meines Erachtens durhaus selbstverftändlih. Wenn man dazu übergeht, die Dienstzeit der Volks-

* Staatssekretärs betrifft,

ihnen, welhe im Besiy der Berechtigung freiwilligen Militärdienst sich befinden, durch eine

verlängern, so ist es ganz zweifellos, daß denjenigen unter zum einjährig- H

solche Bestimmung diese Berehtigung niht verlieren können. Wer einmal im Besitz zur Ableistung seiner Dienstpflicht im Wege des einjährig-freiwilligen Dienstes sich befindet, dem fann sie durch eine solhe Maßregel nit entzogen werden, und wenn man dazu übergeben wird, den Seminar-Abiturienten allgemein die Berehtigung zum ein- jährig-freiwilligen Dienst zu ertheilen, so wird dadurch, daß eine Be-

stimmung, wie sie die Allerhöchste Ordre vom 27. Januar d. J. in Aussicht genommen hat, ergeht, dieses Recht in keiner Weise berührt.

Abg. NRoesicke (nl.): Den Lehrern liegt an der Hebung ihrer

sozialen Stellung, und ihr Wunsch, die B freiwilligen Militärdienst zu erlangen, ift

um fo in Bayern bereits erfüllt ift.

erechtigung zum einjährig: berehtigter, als E Der Staat sollte den Lehrern soweit

wie möglih entgegenkommen, da fie ihren Beruf doch gan i niht materieller Vortheile wegen wählen. Gerade di ais Bed Werth darauf legen, zu verhüten, daß der fozialdemofratishe Gedanke

in die fiau nue hege Urfache zur Mißstimmung hat.

a. Lr, antrags wird der Bundesrath einen Antrieb entnehmen, die F

Sugend gepflanzt werde, müßten dafür sorgen, daß der Lehrer-

Lieber (Zentr.): Aus der Annahme des Kommissions- rage zu

einem befriedigenden Austrag zu bringen, während die Ablehnung des Antrags niht nur im Lande, fondern auch beim Bundesrath den Eindruck erwecken könnte, als vertraue -der Reichstag nicht hinreichend

seiner Sacbe.

Was für Bayern mögli ist, ist auch für das übrige

Reich möglich: Die Resolution enthält nur einen Wuns und hindert die verbündeten Regierungen niht an einer sahlihen Prüfung

der Frage.

Abg. Bassermann (nl.): Die Lehrer haben Recht, wenn sie

behaupten, es fehle ibnen nicht an der wissenschaftlichen Qualifikation

zum einjährig-freiwilligen Dienst.

Die Volks\{hullehrer wollen aus

ihrer jeßigen Sonderstellung in Bezug auf den Militärdienst heraus,

und man Tann diefen Wunsch nur als berechtigt anerkennen.

Abg. von Kardorff (Np.): Jch habe bereits in der Budget-

kommission für den vorliegenden Antrag gestimmt.

babe ven

jeher auf dem Standpunkt gestanden und ih freue mi, die Sache

mit angeregt zu haben —,

das Verhältniß, in welchem die Lehrer

jeßt ihre Dienstleistung thun, in der That für die Armee wie für die

Lehrer unerträglih is; da

die Lehrer zumeist verbitterten Herzens

daraus zurückommen, in erster Linie, weil sie zu Differenzen mit dem Unterrihtspersonal gelangen, die ta gar nit vermeiden lassen, wenn

die Unteroffiziere die Aufgabe auszubilden.

die Lehrer mit cinem üblen

die 2 aben, die Leute in sechs; Wochen Es ift eine raue Folge dieses Verhältnisses, e indruck aus dem Soldatenstand

heiden, während man im nationalen Interesse wünshen muß, daß

sie stolz wären, dem deutschen Heere angehört zu haben, und

es der Jugend als eine Musteranstalt und als eine Institution dar-

daß

r

sie

stellen, der anzugehören die größte Ehre für jeden Staatsbürger ist, Ich habe daher mit Freuden gelie wie {ließli doch die große

Majorität des Reichstags i und - ih glaube, daß der Ausweg, der jeßt nommen ist, in der That der richtige ift,

auf diese Bestrebungen vereinigt hat, in Ausficht ge- daß den Semi-

narien die Berechtigung gegeben wird, durch ihr Abgangszeugni den Lehrern die Berechtigung zum Anibeil » freiwilligen, ‘Dien zu ertheilen. Das ift eine fo gerehte Anforderung, daß man der- selben kaum widersprehen kann. Für diejenigen Lehrer, welche es nicht vermögen, die Kostez: zur Ableistung der einjährig-freiwilligen Dienstzeit aus eigenen Mitteln zu bestreiten, muß von feiten der Unterrichtsverwaltung der einzelnen Staaten Sorge getroffen werden.

Es muß ihnen dur

irgend eine Unterstüßung die Möglichkeit ver-

schafft werden, das eine Jahr abzudienen. Ich würde das für eine glücklihe Lösung der ganzen Frage halten, die sowohl im Interesse des Lehrerstandes wie îim Interesse der Armee liegt, und ich hoffe, wir werden nicht lange darauf warten müssen, bis dieses Ideal ih

verwirklicht.

Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vg.): Die Resolution Weiß existiert

niht mehr; sie ist inzwischen zurückgezogen.

Es handelt si also nur

noch um den Kommissionsantrag und ih hoffe, daß der Reichstag si

einmüthig auf den Standpunkt derselben stellen wird.

Die Gegen

gründe, welche der Staatssekretär Dr. von Boetticher vorgebracht hat, waren nit durchs{lagend. Was die Unterstüßungsfrage anbelangt, fo werden ja jeßt {on Einjährig-Freiwillige auf den Ctat über- nommen ; man braucht, um zu einer Löfung der Frage zu kommen, in dieser Beziehung nur eine noch etwas mildere Praxis Play greifen

zu lafsen.

Staatssekretär des Jnnern, Staats-Minister Dr. von

Boetticher:

Wenn der Herr Vorredner es als nicht recht verständlich bezeichnet hat, weshalb ich Bedenken gegen die Annahme der Refolution auë- gesprochen habe, so erinnere ih ihn daran, daß ih geäußert habe, & sei mir formell nit unbedenklich, ob der Reichstag wohlthue, eine

solhe Resolution zu habe i, glaube i,

beschließen. Und den ziemlich deutlih ausgesprochen.

Grund dafür Wenn der

Reichstag jeßt beschließt: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, es möge eine Bestimmung dahin erlassen werden, daß der erfolgreide Besuch eines Lehrer - Seminars die Berechtigung zum Dienst alt Einjährig-Freiwilliger in sich {ließt so ist damit meines Erachten ausgesprochen, daß der Reichstag der Meinung ist, daß der erfolgreide Besuch eines Lehrer-Seminars eine gleihwerthige Bildung mit der

jenigen Bildung, welche für die Berechtigung zum freiwilligen Dienst vorgeschrieben ist, in sich schließe.

ihrem Gutachten gehört hat.

einjährig:

Es if in der Wehrordnung sehr vorsichtig und weise die Entscheidung darüber, welhe Anstalten eine gleichartige Bildung zu geben vermögen, in die Hand des Reichskanzlers gelegt und der Reichskanzler erläf!, wie ih bemerkt habe, eine Bestimmung auf diesem Gebiete niemalt, ohne daß er die für diese Frage zuständige Reihs-Schulkommission mi

Ein solches Gutachten liegt für je

nicht vor. Ich für meine Person bin geneigt anzunehmen, daß ma! dazu kommen wird, kein Bedenken zu haben, diefe Ausbildung at

den Lehrerseminarien für gleihwerthig zu erachten. aber jeßt ohne die Unterlage des ahtens ebenso Bedenken tragen, amtlich

Ich wür wissenschaftlihen G

auszusprehen,

diese Bildung auf den Seminarien gleihwerthig if mit der Bild

wie sie sonst für die Berechtigung zum einjährig - freiwilligen Dit

verlangt wird. Ih glaube, der Herr Vorredner wird jeßt das W denken, welches ih geäußert habe, verstehen und er wird mir Reck geben, daß es vorsichtiger wäre, wenn der Reihstag \ih einfa dieser Materie auf einen Wunsch beschränkte. Nachdem aber der Het Abg. Dr. Lieber die Resolution dahin erläutert hat, daß sie eigentli nihts weiter sei als der Ausdruck eines Wunsches, fo habe ih gal

nichts dagegen, wenn der Reichstag die Resolution annimmt, un terfeit.

wie die meisten Resolutionen, nicht gerade sehr wehe thut. (Hei Abg. Dr. Lieber (Jentr.):

einer Refolution die verbündeten jenem Sinne vorzugehen ersuht. Früher erfolgte eine solche Me MUERE des Reichstags in einer etwas \härferen Form; wurden di

sucht. aber in dem vorliegenden Fall i

Eine Resolution is allerdings nur ein Wunsch des Rei

es ein sehr dringender

Was die legte Bemerkung dck

o ist es ja rihtig, daß der Reichstag egierungen nur in diesem od

inure

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e verbündeten Regierungen von uns aufgefordert, ne e

Wuns

X Ahg. Werner (Refp.) ‘tritt für die von der Kommi

beantragte a ein, weil das soziale Ansehen der Lehrer ge- werden müsse. - hoben ba, Bebel (Soz.): Wir werden gegen die Resolution stimmen, weil wir nicht die Le rer aus einer Sonderstellung herauébringen wollen, um sie in eine neue Sonderstellun hineinzubringen. Der einjährig- freiwillige Dienst ist ein Privileg für bestimmte lassen der Bevölke- rung, die die Mittel zur Erlangung detselben haben. Die Zahl dieser Privitegierten zu vergrößern, sind wir nicht gewillt. Wenn es den injährig-Freiwilligen möglich sein soll, im Laufe eines Jahres allen dienstlichen Anforderungen zu genügen, fo it es auh für alle ährigen Mitglieder der Gesellschaft mét. Abg. don Leipziger (dfonf.): Wir werden der Refolution zu- immen, weil wir wünschten, . die Lehrer entsprechend ihrem Bildungégrade und ihrem Berufe, der sie zu Erziehern unserer Jugend macht, behandelt werden. Wir sind deshalb auch geneigt, das Verlangen des Abg. von Kardorff zu unterstüßen. Abg. Dr. Müller- Sagan (fr. Volksp.): Die Resolution will die Lehrer nit in eine Sonderstellung bringen, sondern ihnen ge- währen, was ihnen von Retswegen schon lange zukommt. Die Ent- iheidung über den Wunsch des Abg. von Kardorff gehört in die Finzellandtage. Die Resolution verstößt keineswegs ge en den Grund- say der Gleichberehtigung aller. Die Gleichheit esteht doch nicht darin, daß man für alle die gleiche Schablone nimmt. Der Militär- dienst is eine Schule für den Kriegsdienst. Wer in diese Schule mit einem größeren Maß von Wissen und Vorkenntnifssen eintritt, kann sie wie jede andere Schule shneller abfolvieren.

Die von der Kommisfion beantragte Resolution wird darauf angenommen.

Beim Kapitel „Naturalverpflegung“ bringt

Abg. Freiherr von Buol (Zentr.) die Getreideeinkäufe seitens der Militärverwaltung zur Sprahe und drückt den Wunsch aus, daß das Getreide direkt von den Produzenten bezogen werde. Es sei zu diesem Zweck rathsam, daß die kleinen Besißer, wie es der Landwirthschafts-Minister im Abgeordnetenhause empfohlen habe, sich 1 Genossenschaften zusammenthun, damit ihre Lieferungen die Gleihmäßigkeit der Qualität und die Pre aufweisen, die die Militärverwaltung verlangt. Wenn diese Sache noch nicht den ge- wünschten Umfang angenommen habe, so liege das vielleiht daran, daß die Beamten noch nicht mit der nöthigen Erfahrung ausgerüstet

jen. f ; se Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußisher General-Major Freiherr von Gemmingen: Troß des besten Willens war es auch in der neuesten Zeit noh niht mögli, alle Beschwerden in Bezug auf den direktèn Naturalienankauf von den Produzenten aus der Welt zu hafen. Es handelt \sich allerdings um einen neuen Zweig in der Verwaltung, es geschieht aber alles, was möglich is, um die nothwendigen Arbeiten glatt erledigen zu können. In fleinen Quans- titäten von den einzelnen Produzenten zu kaufen, dings unmöglich. : Der Vorredner hat ja schon‘ den Weg angegeben, der zum Ziele führt. Die Militärverwaltung hat au schon mit Genossenschaften in der Form gearbeitet, daß ein Vertrauensmann die Nermittlung zwischen der Niéilitärverwaltung und den einzelnen roduzenten übernahm. Freilih it es nicht immer leicht zu unter- \heiden, ob man es mit einem Händler oder einem Vertrauensmann zu thun hat. Der Verbrauch für die Armee is auch nur ein geringer, wir brauchen an Brotfrüchten 14 9/0, an Hafer 9 9/6 des Verbrauchs in Deutschland. : : A Ï . Abg. Schall (dkons.) äußert seine Befriedigung über die Ver- hältnisse und die Leistungsfähigkeit der staatlichen Konservenfabriken und fragt an, ob es sich bestätige, daß eine neue Fabrik in Königs- berg eingerichtet werden solle und ob die Zeitungsangabe richtig fei, daj die Konserven sich in den staatlichen Fabriken theurer stellen als in den privaten. Arbeiterentla\sungen seien bei der Art des Betriebes der Konservenfabriken nicht zu umgehen, aber es wäre wohl zu er- wägen, ob niht durch Lohnabzüge die Mittel beschafft werden können, um bei Entlassungen den Arbeiterinnen Gratifikationen zu gewähren.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer General-Major Freiherr von Gemmingen: Die Absicht, eine neue Konservenfabrik einzurihten besteht niht. Die Konserven stellen sih in staatlichen Fabriken billiger, als in privaten; eine Portion für 11 giebt fünf Teller gute Suppe. Bei Abzug der Verwaltungskosten gewinnen wir gegenüber dem Bezug aus Privatfabriken 800 000 M

Die weitere Berathung wird darauf vertagt.

Präsident von Leveßow: Ich muß auf einen Vorgang in der gestrigen Sitzung zurückommen. Wenn früher verleßende Aeußerungen fielen gegen Pee me Gen, gegen politishe Parteien, gegen Fraktionen, Antisemiten, Konservative, Sozialdemokraten, gegen Be- rufs\ände, Junker, Pfaffen, Arbeitgeber u. \. w., ‘so wurde still- s{hweigend immer vorausgeseßt, daß damit die Allgemeinheit E sei, niht aber cinzelne Personen innerhalb oder außerhalb des Reichs- tags. Ih habe immer bedauert, daß ih nicht in den Stand gefeßt war, dieser Gewohnheit zu begegnen; denn i möchte nicht, daß diese Gewohnheit weiter um uh greife. Gestern hat der Abg. Ahblwardt von dieser Gewohnheit niht nur einen übermäßigen Gebrauch gemacht, er hat sich auch auf eine Weise ausgedrückt, die mit der Würde dieses Hauses nit verträglih is. Jch erinnere nur an den einen Ausdruck „Raubthier“, den er ausnahmslos auf alle das deutshe Bürgerrecht genießenden Juden angewandt hat. Um nun dem vorzubeugen, daß derartige Gewohnheiten weiter um ih greifen, rufe ih den Abg. Ahlwardt nachträglich zur Ordnung. Es ge- schieht dies auf Grund eigener Erwägungen, niht etwa auf Grund

einer gestern in Bezug darauf gemachten, von mir zurückgewiesenen Bemerkung.

Schluß 53, Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 37. Sigzung vom Donnerstag, 7. März.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung des Etats der Ae und Gewerbeverwaltung und des Etats der Bauverwaltung.

Ueber den Beginn Lee Sigzung ist gestern berichtet worden. Bei der weiteren Berathung nimmt nach dem Abg. Dr. Beumer (nl.) das Wort

Minister für Handel Berlepsch:

Der Herr Vorredner hat eine Reihe von Punkten bezeichnet, be- ¿üglih deren er meint, daß die Mittel und die Thätigkeit des Staats ihnen lebhafter zugewendet werden müßten als bisher. Ich kann ihm bezüglich einiger seiner Ausführungen zustimmen.

Zweifelhaft bin ih allerdings noch bezüglih des von ihm zuerst ingeregten Punktes: bezüglich der Reform der Baugewerkschulen. Seitens der betheiligten Kreise sind bisher bezügliche Anträge nicht an mi herangetreten. Es is mir bekannt, daß der Direktor Bromberg in Köln sich damit beschäftigt hat; die Frage wird einer weiteren Prüfung unterliegen, wobei ih allerdings bemerke, daß es mir zweifel- haft erscheint, ob die betheiligten Kreise der Lehrer und Bauhand- werker mit diesem Gedanken ganz einverstanden sein werden. Aber, wie gesagt, das wird weiter erwogen werden.

Was die Revision der Fahshulen anlangt, so ist nit zutreffend, daß diese Fachschulen von Leuten revidiert würden, die von der Sache nihts verstehen. Die Revision überhaupt ist allerdings, wie ih zu-

und Gewerbe Freiherr von

.

ist aller-.

Mitteln und theilweise au aus Mangel an geeigneten Persönlichkeiten noh nit dazu übergehen können, eine ftändige, zu diesem Zweck an- gestellte Beamtenklasse zu gewinnen, die nur mit der Revision der ihrem betreffenden Fah angehörenden Schulen betraut werden. Wo wir bisher eine Revision für nothwendig gehalten haben, haben wir zu dem allerdings ziemlich nabe liegenden und do au nit ganz üblen Mittel gegriffen, die Direktoren der bestehenden Fahshulen zur Revision anderer zu verwenden. Ih gebe aber zu: die Frage der Revision des Fahshulwesens ist eine von denen, bezüglih deren wir für die Zukunft hoffen müssen, sie werde sh besser gestalten als gegenwärtig. i L EZRE

Was den leßten Punkt betrifft, die Frage der Errichtung und Unterstügung von Fahshulen für Mädchen und Frauen, fo muß ih au hier zugeben, daß auf diesem Gebiet in unserem Vaterlande bis jeyt zu. wenig geleistet worden ist. Aber wo eine folhe Fachshule errichtet wurde und si irgendwie bewährt hat, haben wir ihr, auch wenn es ein privates Unternehmen war, aus dem Dispositionsfonds eine Unterstüßung zu theil werden lassen. So werden wir au fort- fahren. Nur möchte ih bemerken, daß die große Zahl diefer Schulen, die, wie der Herr Vorredner felbst bemerkte, mehr in das Gebiet der vorliegenden Armenpflege gehören, doch nicht als folche anzusehen sind, die vom Handels-Ministerium zu unterstützen sind. Es giebt gegen- wärtig in den Armenhäusern bekanntlich eine ganze Anzahl von Schulen, wenn man fo will, wo Frauen und Mädchen unterrichtet werden, und zwar zu dem ausgesprohenen Zwecke, damit sie in die Lage kommen, ihren Lebensunterhalt womöglich, ohne die Armenpflege in Anspruch zu nehmen, zu verdienen. Diese Schulen liegen, wie gesagt, mehr auf dem Gebiete der Armenpflege als auf dem Gebiete des Handels und Gewerbes. Wo es si aber um Institutionen handelt, die den Fahschulen für männliche Arbeiter ähnlih find oder auch nur den Fortbildungs\{ulen, haben diese Schulen meines Er- achtens einen Anspruch auf die Unterstügung seitens des Staats, und es wird ihr diefe innerhalb der Grenzen, die durch den Etat ge- zogen sind, au zu theil.

Abg. Conrad- Flatow (kons.) bittet um Verbesserung der Stel- lung der Lehrer an den Baugewerkshulen und um Erleichterung der von den Gemeinden für die Schulen zu leistenden Zuschüsse. Speziell geht er auf die Verhältnisse der Baugewerkshule in Deutsch-Krone ein und weist darauf hin, A bei den an sich schon verhältnißmäßig hohen Kommunalsteuern in eutsch-Krone, das nur 6000 Einwohner zähle, die immerhin hohen Beitragskosten für die Baugewerks{ule von der Gemeinde nicht zu erschwingen feien. Er bittet um möglichst baldigen Erlaß des Zuschusses. :

Abg. Schmidt - Warburg (Zentr.) [ließt fih den Ausführungen des Vorredners mit spezieller Bezugnahme auf die Baugewerkschule in Hôörxter an.

Zum Titel „Zuschüsse für gewerblihe Fortbil- En und zur Revision dieser Schulen“

ittet Abg. Schaffner (nl.) um Erhöhung des Staatszuschusses für die gewerblichen Fortbildungs\ulen in Nassau. i

Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath Lüders erwidert, daß die Regierung wohl anerkenne, daß der Gewerbeverein für Nassau ih die größten Verdienste um das dortige gewerbliche Fortbildungs- \chulwesen erworben habe. Die Regierung leiste die Zuschüsse au in möglihster Höhe. Wieviel aus dem neu zur Verfügung stehenden, 50 000 M betragenden Fonds für Nassau werde verwendet werden können, sei noch nicht genau zu übersehen. \

Abg. Gothein (fr. Vg.) bitter um größere Berücksichtigung der kaufmännischen Fortbildungs\hulen, die von höchster Wichtigkeit namentlih für die jungen Kaufleute seien, die nur die Elementar- \hulen besucht hätten. Leider werde der Werth dieser Schulen nicht immer von den Prinzipalen anerkannt, die die Lehr- linge zum theil lieber ausbeuteten, als in die Schule shickten. Die Fortbildungsshule in Breslau zeige, troÿdem sie Zuschüsse von verschiedenen kaufmännischen Vereinen erhalte, daß ohne größere Staatëunterstüßungen diese kaufmännischen Fort- bildungsshulen nicht bestehen könnten. Zugleih mache er daraus aufmerksam, daß passende Lehrbücher für die kaufmännischen Fort- bildungsschulen z. B. über Handelsgeographie nicht existierten. Es fei vielleicht angebraht, wenn die Verwaltung hierauf ihre Aufmerksam-

keit richte.

Minister für Handel Berlepsch:

Meine Herren! Die kaufmännischen Fortbildungsshulen erscheinen deshalb nicht besonders im Etat, weil sie-zu den gewerblichen Fort- bildungs\{hulen gehören. Also prinzipiell steht nihts im Wege, den faufmännishen Fortbildungsshulen aus den Fonds, die im Etat vor- gesehen sind, auch Unterstüßungen zu gewähren. Und es werden that- sählih au einer ganzen Reihe von kaufmännischen Fortbildungs8- \{hulen folhe Unterstüßungen gegeben. Daß die Beträge, die dafür zur Verwendung kommen, allerdings nicht sehr hoch sind, das liegt, wie der Herr Vorredner weiß, an der Beschränkheit der verfügbaren Mittel. Besser. würde es stehen, wenn die Gemeinden sich etwas lebhafter dieser Frage ‘annehmen wollten, namentlih bezüglich des mangelnden Besuchs der vorhandenen Fortbildungsshulen dur die jungen Kaufleute. Das können sie erreichen, wenn sie ein Ortsstatut machen und den Besu der Schule bis zum 17. oder 18. Lebensjahr auch für die Lehrlinge des Kaufmannsstandes obligatorisch machen.

Was die Frage cines Lehrbuchs für die kaufmännishen Fort- bildungs\hulen anlangt, so ist ein solches zur Zeit noh nicht zur Ber- fügung; ih bin aber gern bereit, den angeregten Gedanken weiter zu verfolgen.

Beim Titel „Gewerbe-, Fa chschulen“ beschwert sich

Abg. von Eynern (nl.) darüber, daß troy des Hinweises in der Thronrede auf die Erhöhung der Zuschüsse für die Fortbildungs- schulen diese Erhöhung eine außerordentliŸ geringe sei.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berleps\ch:

Meine Herren! Jh möchte nur darauf hinweisen, daß in der Thronrede nit nur von dem Fortbildungss{hulwesen, sondern auch von dem Fahshulwesen die Rede ist, und die Beträge, die im ganzen in diesen Etat für Fah- und Fortbildungs\hulen mehr ein- gestellt find, nicht unerheblich sind, fie bedeuten jedenfalls einen nit unerheblihen Fortschritt gegen die früheren Jahre, und deshalb scheint es mir ganz angemessen, daß in der Thronrede darauf hin- gewiesen worden ist.

Abg. Krawinkel (nl.) dankt für die ee die die Fach- \{ule zu Köln durch den Staat erfahren habe. Die Schule sei von hoher Wichtigkeit für die ganze Provinz, ein grober Theil der Schüler

ehôre der Provinz an. Deshalb seien auch noch gee ere Zuschüsse für diese Schule gere{chtfertigt. Der Hinweis auf die Uo Een für das Fortbildungswesen in der Thronrede sei bei den verhältniß- mäßig geringen Leiftungen des Staats überflüssig gewesen.

und Gewerbe Freiherr von

und andere

Zeichen-

Berlepsch: E

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat einen Pafsus der Thronrede als überflüssig bezeichnet. Ich bin der Ansicht, daß es nicht zulässig ist, die Rede, mit der Seine Majestät die beiden Häuser des Landtags eröffnet, als überflüssig zu bezeihnen. Ih muß diesen Ausdruck zurückweisen.

Abg. Dres (Zentr.): Gegenüber den staatlichen Zuschüfsen für die Webes ule in eld ift die Webescule in Mülheim bedeutend \{lechter gestellt. Es wâre sehr wünschenswerth, wenn die Regierung ihr Woblwollen nicht nur der einen, fondern auch der anderen zu- menden wollte. Nachdem hier wieder die Handwerkerfrage gestreift worden ist, will auch ih meinem tiefen Shmerz und meiner Be- trübniß darüber Ausdruck geben, daß der Minister einen Theil der Handwerker als indolent zzeihnet hat. Dies Wort wird ein Echo bei den Handwerkern finden, aber kein freudiges. Der Minister gab nur das alte liberale Rezept zur Hebung des Handwerks, dem gegen- über -das Zutrauen verloren gegangen ist. Die Theilnahmlosig- feit und Apathie mancher Handwerker iff zu entschuldigen, da sie einsehen, daß sie auch bei dem größten Fleiße nicht vorwärts kommen und der Gewerbefreiheit, dem Kapitalismus zum Dpfer fallen. Sollte ein Zufammens{luß der Handwerker zum Zweck der Selbsthilfe etwas nützen, so müßten sie doch wenigstens noh etwas haben. Daß große Schäden bei den Handwerkern bestehen, müssen wir anerkennen. Wir haben mit unferen Schülern an der Mülheimer Webeschule gute Erfolge, aber alles Wissen kann dem Handwerker nichts nügen, wenn er kein Geld hat, es zu ‘verwerthen. Ich glaube, es ist an der Zeit, ein Mittel zu suhen und zu finden, durch das dem Handwerk das verloren gegangene Vertrauen wieder- aegen werden fann. E

Minister für Handel Berlepsch:

Der Herr Vorredner hat den Versuh gemacht, meine Worte, die

ih gestern gesprochen habe, so auszulegen, als hätte ih einem Theil der Handwerker den Vorwurf der Indolenz im allgemeinen gemacht. Fch muß nochmals konstatieren, daß das absolut unrichtig ist. Der Herr Vorredner batte davon gesprochen, daß, wenn der Staat dem Handwerk seinen Kredit anbieten würde, die Handwerker nicht in der Lage wären, davon Gebrau zu machen, weil sie keine Organisation haben. Darauf habe* ich ihm erwidert, daß es eine Indolenz ift, in dieser Weise von mangelnder Organisation zu sprechen, weil das Genossenshaftsgesez dem Handwerk jederzeit den ausreiheñden Weg gebe, sh Kreditorganisationen zu schaffen. E52 Etwas Anderes habe ih nicht gesagt, und ich muß es auf das bestimmteste zurückweisen, wenn meine Worte anders ausgelegt werden, wie sie gesprochen und gemeint gewesen sind. Wenn die Vertreter des Handwerks in der Weise zur Regierung \prehen, wie der Herr Vorredner es gestern gethan hat, dann wird es der Regierung aller- dings unmöglich, mit den Herren über die das Handwerk berührenden Fragen persönli zu unterhandeln, und das würde ih umsomehr be- dauern, als im gegenwärtigen Augenblick die Regierung den Forde- rungen des fkorporierten Handwerks näher gekommen ift, als es jemals seit dem Jahre 1869 der Fall war.

Nun, meine Herren, habe ih noch wenige Worte bezügli der verschiedenen Behandlung der Webeschulen in Mülheim und Krefeld zu sagen. Meines Erachtens liegt es in der Natur der Sache, daß die Webeschulen nicht an allen Orten vollständig gleich sein können. hre Einrichtung wird sich zu rihten haben nah der Industrie des Orts, für den sie errihtet sind, und so kommt es denn auch, daß die Webeshule in Mülheim an sich niht “die Bedeu- tung haben fann, wie die Webeschule in Krefeld, wo ih ja, wie bekannt, die Textilindustrie des Rheinlandes in ganz anderem Maße konzentriert, wie das in Mülheim der Fall ist. Die Mül- heimer Webeschule in ten Grenzen, wie sie vernünftig sind, wird das Wohlwollen der Regierung genießen und weiter erfahren; es wird aber nit die Forderung aufgestellt werden können, daß in Mülheim cine solhe Schule etabliert ist wie in Krefeld. Wollten wir überall sole großen Webeanstalten wie die Krefelder etablieren, so würden wir zu einem überflüssigen Apparat gelangen, der das Bedürfniß der Industrie überschreiten würde.

Abg. Ehlers (fr. Vg.): Wenn das Handwerk auf dem Gebiet des gewerblichen Unterrihtswesens niht Selbsthilfe eintreten läßt, fo wird ihm alle Staatshilfe nihts nüßen. Das if nicht bloß eine alte liberale Redensart ; fondern der Satz: „Hilf Dir selbst, so wird Dir Gott helfen“, ist eine alte Wahrheit, die immer bestehen bleiben wird. Der klagende und pessimistishe Ton des Abg. Pleß is wenig geeignet, das Vertrauen des Handwerks wieder zu beleben.

Beim Kapitel der Königlichen Porzellanmanu- faktur nimmt das Wort

Abg. Sander (nl.), der rühmend hervorhebt, daß an der Spiße des Instituts Männer ständen, die der Aufgabe, dasselbe mustergültig zu machen, vollauf gewachsen seien. Die nah Chicago gesandte Zu- sammenstellung von Erzeugnissen der Manufaktur habe wesentlih zum Triumph Deutschlands auf der Weltausstellung beigetragen. Die Leistungen feien sowohl in technischer wie dekorativer Beziehung vor- züglihe und wie die Franzosen auf Sèvres, so könne Deutschland auf die Berliner Porzelianmanufaktur stolz sein. Redner bittet zum Schluß, die geforderten Mehraufwendungen für die Manufaktur zu bewilligen, damit dieselbe auch auf der Berliner Ausstellung 1896 würdig vertreten sein könne.

Damit ist der Etat der Handels- und Gewerbe- verwaltung erledigt.

Beim Etat der Bauverwaltung nimmt zum Titel: Brücen-, Fähr- und Hafengelder, Strom- und Kanalgebühren das Wort

Berichterstatter der Budgetkommission Abz. von Tiedemann- Bomst (fr. konf.) : Die Erhebung der Strom- und Kanalgebühren ift vom Ressort der indirekten Steuern jeßt auf das der Bauverwaltung übergegangen. Infolge dieses Uebergangs ist es noch nicht gelungen, die Erwägungen über die shwierige Frage der Schiffahrtsabgaben zur Erledigung zu bringen.

_Abg. Gothein (fr. Vagg.): Auf die. von dem Berichterstatter erwähnten Erwägungen wartet die Schiffahrt nun hon 23 Jahre, und es besteht die Befürchtung, daß eine Entscheidung noch sehr lange auf ih warten lassen wird. Der Abg. Gamp hat die Beförderung des Getreideimports auf den fanalisierten Flußläufen zum Schaden der heimischen Landwirthschaft gefürchtet. Demgegenüber ver- weise ich auf Transportergebnisse auf der fkanalisierten Oder, die bezeugen, daß die meisten Transporte der Land- wirthshaft zu gute kommende Produkte betrafen. Der Abg. Gamp hat ferner die Ansicht ausgesprochen, daß die zu Berg fahrenden Schiffe größeren Vortheil von der Kanalisierung hätten, als die zu Thal fahrenden ; eine Ansicht, die alle Techniker in Erstaunen geseßt hat. Im Lande if man vielfah der Meinung, daß die Auffassung des Abg. Geheimen Ober-Regierungs-Raths Gamp auch die des Ministeriums sei. Ich habe dagegen immer betont, daß man die Aeußerungen des Abg. Gamp \treng sondern müfse von denen des Ge- heimen Ober-Regierungs-Raths Gamp.

Abg. von Pappenheim (konfs.): Hier ist in erster Linie die Frage ausersen, ob die Kanalbauten, die in den leßten 10 Jahren 82 Millionen gekostet haben, den entsprehenden wirthschaftlichen

und Gewerbe Freiherr von