1895 / 78 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 29 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

ein ganzes Dorf reguliert, indem man diejenigen Vershuldungen abstößt; die zu hoch verzinslih, die nicht amortisierbar sind u. \. w. Diese Fragen müssen nach meiner Meinung in der nächsten Zeit ernst- li erwogen werden. Wenn man sieht ih habe mich selbst hier und da davon überzeugen können —, daß selbst hier in der Mark ganz sihere Hypotheken bäuerlicer Besitzungen 43 bis 5 9% Zinsen f bringen, während unsere 3 °/igen Konsols nahezu pari ftehen, so ist das ein Mangel einer verständigen Organisation unseres Kreditwesens. Auf diesem Gebiet wird man der Landwirtbschaft sehr erheblih zu Hilfe kommen können.

Deér Herr Vorredner hat auch die Sparkassen erwähnt. Auch bier ist die Staatsregierung ebenfalls überzeugt, daß eine Verbesserung der Organisation eintreten muß. Bis jetzt ist die Sparkassen- verwaltung eine sehr buntsheckige, sowohl in Bezug auf die Höhe der Verzinsung der Einlagen als auf die Höhe der Verzinsung der Aus- leihungen seitens der Sparkassen, und es giebt Sparkassen, die durch- aus nit das Bestreben haben, bei ihren Ausleihungen, bei der Pflege des Lokalkredits möglichst das allgemeine Wohlergehen im Auge zu haben; sondern fie sind Erwerbsinstitute und sie halten vielfach die Verzinsung der Einlagen gegen die Verzinsung der Darlehen, die sie geben, zu niedrig. Ebenfowenig ist Klarheit und Gleih- mäßigkeit darüber, wie die Belegung der Sparkassengelder stattfindet. Manche Kreiésparkasse hat ihre ganzen ausstehenden Kapitalien dem Kreise felbst geliehen, ebenso. ist es in den Städten; sie haben oft: viel zu wenig liquidierbares Vermögen. Kommt einmal ein run, so werden die allergrößten Schwierigkeiten entstehen. (Sehr richtig!) Ich will das nicht weiter ausführen. Ih weiß, daß namentlich der Herr Minister des Innern die Absicht hat, dieser Frage näher zu treten, und sie müßte nah meiner Meinung in Verbindung gebracht werden mit der allgemeinen Frage, die ih vorhin berührt habe. Sie sehen, daß die Staatsregierung auch auf diesem Gebiete bemüht ist, Er- leihterungen für die Landwirthschaft herzustellen, (Bravo!)

Herx von Herzberg: Bei der jeßigen Lage der Landwirthschaft sei mit kleinen Mitteln nicht viel gedient Wenigstens solle man die vom Staatsrathe vorgeschlagenen kleinen Mittel so nell wie mög- lih durchführen. : a

Graf von Mirbach befürwortet die Beseitigung des Fidei- fommißstempels oder die Reduzierung desselben auf ein Mindestmaß.

Herr von Bemberg wünscht eine möglichst baldige Vorlegung eines Zukersteuergeseßes. ;

Dâmit schließt die Generaldiskussion.

Es folgt die Spezialdiskussion und zwar zunächst über den Etat der direkten Steuern.

Herr von Klißing dankt dem Minister, daß er die Ein- shäßungskommissionen darauf hingewiesen habe, daß sie den Sat von 1 0/0 bei Abstrichen für den Gebäudeabnuß ai» (oe dürften. Auh für die Abnußung der Geräthe müßte ein höherer Prozentfaßz als

5 9% abgeschrieben werden dürfen. ; t

Graf von Mirbach shlägt vor, daß man für jedes Gebäude durch - Sachverständige den Werth desselben feststellen lasse. Man fomme dann mit seinem Gewissen nicht in Kollision.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ja, meine Herrn, die Frage wegen der Abnußzung habe i nit erst jet durch ein Zirkular flargestellt, sondern ih. glaube, es sind hon drei Zirkulare genau in demselben Sinne erlassen; die hier vielleiht anwesenden Vorsißenden der Veranlagungskommissionen werden das wissen.

Das i gar keine Frage, daß viele Gebäude #ich. \chneller abnußen, als daß eine Abnugungsquote mit zuwachsenden Zinsen von 10/0 genügte. Andererseits. giebt es aber auch sehr viele Gebäude, die man nicht im Laufe von 41 Jahren neu baut, sondern die sehr viel länger stehen, wo die Abnußungsquote von 1 0/9 zu hoch. ist. Man wird das im einzelnen Falle vernünftig bemessen müssen. Auf die einzelnen Fâlle können wir ja feitens der Verwaltung nicht einwirken. Es besteht ein festes, geregeltes System, das von den Organen der Selbstverwaltung ausgeführt wird, und wir können unmittelbar nur insoweit einwirken, als wir generelle Fehler bemerken, wo wir den Vorsißenden der Be- rufungskommission bezw. der Neranlagungékommission dann die richtigen Anweisungen geben. ;

Fh will gar nit leugnen, daß in einer so shwierigen Sache, wo eine Verwaltung gegen die Wünsche der Steuerpflichtigen zu führen ift, wo die Behörden auch vielfach das Gefühl bekommen, daß man si lebhaft bemüht, möglichst geringe Steuern zu zahlen, wo die Behörden s in einem gewissen moralischen. Kampf möchte i sagen gegen die Steuerpflichtigen \scließlich zu fühlen beginnen, daß hier und da au einmal verkehrte Beanstandungen stattfinden ; und namentlich generelle Beanstandungen ohne Berücksichtigung, des einzelnen Falles würde ih nit billigen können, sondern es muß jeder einzelne Fall befonders geprüft werden, wenn man zu einer Beanstandung kommt. Meine Herren, wenn Sie erwägen, daß leider die Bestrafungen wegen absichtlicher und nicht absihtlicher Hinterziehung im Wachsen find, i glaube, im leßten Jahr haben wir 1200 Bestrafungen bereits gehabt (hört! hört!) wenn Sie auf der anderen Seite aber er- wägen, daß die Zahl der Berufungen wesentlih abnimmt: fo ergiebt si hieraus auf der einen Seite, daß allerdings leider die bloße Deklaration -niht genügt, sondern daß eine Nachkontrole der Richtigkeit der Deklaration, wo die Fehler ja vielfah auf JIrrthümern und ver- kehrten Rechtsauffassungen beruhen, durch die staatliche Behörde ganz unentbehrlich ift ; auf. der anderen Seite aber, daß die Veranlagungen do nach und ngch richtiger werden, weil die Zahl der Berufungen eben sehr wesentlih im Abnehmen begriffen ist, und ih glaube, es fonnte von vornherein nicht erwartet werden, daß ein solches neues System in der Durchführung einer so s{chwierigen Steuer, welche den Reinertrag bei jedem einzelnen Steuerpflichtigen finden soll, in einigen Jahren vollständig zur Vollendung sich entwickeln sollte. Ih habe hier im Herrenhause immer betont, es würde Jahre dauern, ehe die Behörden und die Zenfiten si so ineinander eingelebt haben, wenn ih den Ausdruck gebrauchen darf, daß die Differenzen immer geringer werden. Im großen und ganzen, glaube ih, können wir mit den Resultaten der gesammten Veranlagung doch sehr zufrieden sein, und es hat si jedenfalls dabei herausgestellt, daß die Reform dringend nothwendig war, wenn Sie erwägen, daß wir vom Jahre 1891/92 bis 1892/93 eine Mehreinnahme von 40 Millionen bekommen haben.

__ Graf von Frankenberg: Bei der Einshäßung von Ges- bäuden wurde bis jeßt in meinem Kreise jäbrlich nach anderen Grundsäßen verfahren. Erst hatte der Landräth die Einschäßung vor- genómmen; als dann aber die Kommissare kainen, ging das Elend los, Die Großgrundbesiger wandten \ich an die Berufungs- kommission, welde bestimmie Grundsäße feststellte; aber schon im nâdhsten Jakre änderte die Berufungskommission die Grundsäße und meinte, es sei zu viel” abaes{rieben worden. Ih felber babe mich wegen der niedrigen Dre aro an meinem Schloß mit einer Beshwerde an den Finanz-Minister

D

gewandt, der fie auch. liebenswürdig aufgenommen hat. Leider ist - meine Bitte, daß feste Srun elle aufgestellk werden eten, nicht erfüllt worden. diesem Jahre ist mir von einem _ lied der Steuerkomimission mitgetheilt worden, daß der Kommissar überhaupt noch nicht eingeschäßt Tbe das solle erst-im Oktober geschehen. Es. wäre do schr wünschenswerth, wenn dem Landrath, der die ein- shlägigen Verhältnisse genau kennt, die Einshäßungen überlassen eben.

Finanz-Minister Dr. Miquel: ;

Meine Herren! Ih möchte Beschwerden in Beziehung auf solche einzelnen Fälle, von denen der Beschwerdeführer selbst sagt, daß gegen die allgemeine Verordnung des Finanz-Ministers gehandelt ist, für geeignet halten, direkt an mi \{riftlich gerihtet zu werden, als hier, wo mir das Nähere garnicht vorliegt und ih wirkli sehr {wer in der Lage bin, darauf zu antworten. (Sehr richtig!) Ich glaube, wenn der Herr Vorredner die Güte hätte, diefen Fall uns beim Finanz- Ministerium \riftlich vorzulegen, fo würden wir uns wohl zu einem gedeihlihen ‘Ende verständigen können. (Heiterkeit.)

Ober-Bürgermeister Bender beschwert sich darüber, daß die Kosten der Veranlagung, die früher zum theil auch der Staat ge- tragen habe, nun sämmtlih den Kommunen auferlegt würden.

Geheimer Ober-Finanz-Rath Walla ch erwidert, daß nah Ueber- weisung der Grund- und Gebäudesteuer an die Kommunen, welche ihnen f große Vortheile bringe, es gerechtfertigt sei, die Lasten der Veranlagung allein den Kommunen zu überlassen. :

Herr von Alg wi eine Neuregelung der Grundsteuer. Nach Ueberweisung der Steuer an die Kommunen werde der Staat die Revision wohl kaum vornehmen ; es sei aber nothwendig, festzu- stellen, ob der Staat eine solche Revision wünsche.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Die Frage, welche der Herr Vorredner berührt hat, ift allerdings hon jeßt von erhebliher Bedeutung und wird es in Zukunft immer mehr werden. Wir haben ja die ursprünglich ver- añlagte Grundsteuer seitens des Staats gar nicht weiter fortgeführt. Wie sie ursprünglich veranlagt worden ift, ist sie unverändert geblieben, aller Veränderungen, die in der Zwischenzeit in den Reinerträgen, in der Verwendungsart, in den Verkehrsverhältnissen, in den Mesliora- tionen u. #. w. u. \. w. stattgefunden haben, ungeachtet. Weil eben diese Grundsteuer thatsählich als Staatssteuer eine todte Steuer war, während doch wechfelnde Zuschläge in den Kommunen zu derselben erhoben wurden, weil eine allgemeine Nevision der Grund- steuer im ganzen Staat fast undurhführbar ist, jedenfalls ein glei- artiges Resultat auch nicht ergeben haben würde, fo war das ein Hauptgrund, diese Steuer aus dem System der Staatsfteuern aus- zusheiden und sie den Kommunen zu überweisen. Der Staat wird also in Zukunft seinerseits eine neue Revision, eine neue Veranlagung der Grundsteuer in der ganzen Monarchie zweifellos nit vornehmen und nit vornehmen können.

Dagegen bin ih ganz der Ansicht des Herrn Vorredners und

das Kommunalabgabengesetz giebt dazu ja in vollem Maße die Hand-

habe —, daß es in vielen Kreisen und auch in vielen Einzelklommunen, um eine gerechte Grundlage der Kommunalbesteuerung zu gewinnen, dringend nothwendig is, eine Revifion der Grundsteuer nach den jeßigen Reinerträgen vorzunehmen. Wir find auch vollkommen ent- \{ló}sen, soweit die Kräfte der Katafterbeamten ausreichen, dabei den betreffenden Kommunen thunlihs an die Hand zu gehen. Das Kommunalsteuergeseß gestattet ja sogar die Einführung ganz besonderer Grundsteuern, ‘die nah anderen Grundsäßen veranlagt sein können wie die bisherige staatlihe Grundsteuer. In allen diesen Beziehungen muß aber die Frage lokalisiert werden. In vielen Gemeinden wird es nit nothwendig sein, irgend etwas zu thun, wo ganz gleichartige Verhältnisse auch noch heute bestehen; in anderen sind große Ver- änderungen in der Zwischenzeit vorgekommen oder stehen noch bevor, und da ist das Bedürfniß vorhanden. Da mögen die betreffenden Verbände fich selbst helfen.

Der Etat der Verwaltung der indirekten Steuern wird ohne Debatte erledigt, ebenso der Etat der Lotterie- verwaltung, des Seehandlungs - Jnstituts, der Müúünzverwaltung, der Berg-, Hütten- und Salinen- ver Wt ung, der Staats\huldenverwaltung, des Herrenhauses, des Hauses der Abgeordneten und der allgemeinen Finanzpexwalt ung.

Beim Etat des Bureaus des Staats-Minifteri ums beschwert si

Ober-Bürgermeister Struckmann über die zu große Zahl von Formalien, welche bei den Schreiben ‘der Behörden beobachtet würden. Ueber Zunahme der Schreibarbeit werde in allen Kreisen {hon seit lange geflagt. Es sei zu hoffen, daß hier eine Aenderung. vorgesehen werde. Es sei Zeitvershwendung, eine Adresse zu \{chreiben, wie: Seiner Hochwohlgeboren dem Wirklichen Geheimen Ober-Regierungs- Rath, Regierungs-Präfidenten Dr. Freiherrn von X. Die Minister würden sich ein Verdienst zuschreiben können, wenn fsie- diesen For- malien entgegenträten. :

Beim Etat der Staats-Archive bittet

Ober-Bürgermeister Struckmann um Erhöhung der Gehälter der Archivare in! den C riamg roy

_ Geheimer Ober- inanz-Rath Lehnert erwidert, das Finanz- Ministerium stehe der Erböbung dieser Gehälter niht entgegen ; im rge Etat würde der Wunsch des Vorredners Berückst¿gung

nden.

Ohne Debatte werden weiter erledigt die Etats der General-Ordenskommission, des Geheimen Zivil- kabinets, der Ober-Rehnungskammer, der Prüfun gs- kommission für höhere Verwaltungsbeamte, des Disziplinarhofs- und des Gerichtshofs zur Entschei- dung der Kompetenzkonflikte, des Geseß-Sammlungs- amts in Berlin, des „Deutschen Neichs- und Preußischen Staats-Anzeigers“, der Ansiedelungskommijsston für Westpreußen und Posen und des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten.

Beim Etat des Finanz-Ministeriums beschwert sich

Ober-Bürgermeister Struckmann darüber, daß von der kommu- nalen. Umsabsteuer - die: Objekte befreit . bleiben sollen, die von der Staatsstempelsteuer befreit sind. j

Ober-Bügermeister Zweigert {ließt sh der Beschwerde des Vorredners an.

Ohne Debatte wird erledigt der Etat der Bauver- waltung, einschließlich der Zentralverwaltung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten.

Beim Etat der Handels- und Gewerbeverwal- tung frag!

i ber-Bürgermeister Dr. Baumbach, ob der Minister die staat- lien Fortbildungs\{chulen in Pofen und S noch für längere Zeit “fortbestehen lassen und die bisherigen Zuschüsse weiter zahlen wolle. Er hoffe: auf Einführung der obligatorischen Fortbildungs8- schule, die. ein Korrelat sei zum Bolksschul;wang. Das gewerbliche Fachschulwesen sei das beste Mittel zur Hebung des Handwerks.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berl ep ch:

Meine Herren! Die Frage des Herrn Vorredners hat, wie mir

eint, darguf basiert, daß er sich, in einer gewifsen Unruhe befunden hat über das, was der Stadt Danzig seitens des Ministeriums füx Handel und Gewerbe zugesagt ist. Ich kann seine Frage dahin beant.

worten, daß, durch die Herabseßung des, Etatstitels von. 350 000 auf 300 000 M eine Aenderung in. den gegebenen Zuständen in keiner Weise eintreten kann. Die Zusage, die gemacht ift, basiert darauf, daß die Stadt Danzig, wie der Herr Vorredner bemerkt hat, ein Schulgebäude für 400 000 4 aufgeführt. Es ist hierfür zugesagt, daß : ihr als Aequivalent - für die nächsten zwölf Jahre ein jährliher Staatszushuß von 8000 \ gewährt werden soll, Außerdem ist die Absicht ausgesprochen worden, die Schule in Dänzig für eine ebensolange Frist als Staatsanstalt, was sie jeßt ist, zu er- halten. Ob ich in der Lage sein werde, diese Absicht auszuführen denn eine Zusage ist in dieser Beziehung nicht gemaht worden, das iff dem Herrn Vorredner auch bekannt _—, das wird von den finanziellen Verhältnissen abhängen. Im übrigen muß ich mir versagen, auf die Frage einzugehen, ob es in der Absicht der Negierung liegt, die all- gemeine obligatorishe Fortbildungsshule in Preußen einzuführen. Dazu ist die Sache noch nicht reif. Wenn ih in der Denkschrift, die Ihnen bekannt i, von der eventuellen Einführung der obligatorishen Fortbildungsshulen gesprochen habe, so hat sih diese Aeußerung nur auf die gewerblichen Fortbildungs- \Gulen bezogen und nur darauf beziehen können ; sonst hâtte mi ein Beschluß des Staats-Ministeriums zu einer folchen Zusage ermähtigen müssen, und das ist nicht der Fall. Also diese in der Zukunft liegende Frage heute zu beantworten, bin ih nit in der Lage. Das Inter- esse der Staatsregierung wird der Ausbildung des Fortbildungswesens immer zugewendet bleiben, namentlich in der Richtung, die au der Herr Vorredner betont hat, in der Richtung der Fachausbildung. Die Ausbildung des Fortbildungsshulwesens, des allgemeinen Fort- bildungs\{ulunterrichts wird, wie ih annehme, immer wesentlich eine Sache der Kammer bleiben müssen. Aber wie gesagt, augenblicklid irgend welchen Ausspruch zu thun, ob die Staatsregierung intendiert, durch ein Geseg den allgemeinen Fortbildungsunterrit in Preußen einzuführen, bin ih niht in der Lage. Es wäre das ja auch nit meine Sache allein. : Dieser Etat ist hiermit erledigt. ierauf wird die E Enn des Etats vertagt. chluß 41/4 Uhr.

Haus der Abgeordneten.

51. Sitzung vom Donnerstag, 28. März.

Ucber den Beginn der Sigzung ist gestern berichtet worden.

Bei der Besprehung der Juterpellation der Abg. von Ploet (kons.) und von Mendel -Steinfels (fons,):

Beabsichtigt die preußische Regierung, noch in dieser Session gefeßlihe Maßregeln zu ergreifen, um die Berfälschungen der Futter- und Düngemittel zu verhindern ?

nimmt nah der Begründung dur den Abg. von Mendel- Steinfels das Wort der

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von-Hammer- stein-Loxten:

Meine Herren! Die Interpellation {tellt zwei Fragen an die Staatsregierung: erstens die Frage, ob: sie gewillt sei, Maßregeluz ¡u ergreifen gegen die Verfälschung der Futter- und Düngemittel; ud die zweite Frage, ob diese Maßnahmen schon in der jeßigen Session ergriffen werden sollen. Der Herr Interpellant hat dann die Inter pellation erweitert au auf Sämereien.

Meine Herren, ih will zunächst die erstexe, von mir erwähnte Frage beantworten. Ich darf zunächst daran erinnern, daß die Reichs- verwaltung bereits eine Reihe von Spezialgeseßen erlassen - hat, welehe den Verkehr mit Nahrungsmitteln,, mit Wein und- mit Butter betreffen. Jch will ferner noch bestätigen, daß: es durchaus zutreffend ist, was der Herr Interpellant ausgeführt hat, daß. an; den Reichstag ein Geseg gegen den unlauteren Wettbewerb gelangen wird. Nun theile ich mit, daß die preußishe Staatsregierung mit. der Reichs regierung Verhandlungen darüber geführt hat, ob es mögli und zweckmäßig sei, in diesem lehterwähnten Geseg allen denjenigen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, welche erkenne, die der Herr Vertreter der Interpellation hier. ausgeführt hat. Die erwähnten Verhandlungen find zwar zu einem Abschluß noch niht gelangt. Ich ann aber. namens der Staatsregierung erklären, daß man annimmt, in dem Geseß über den unlauteren Wetthewerb seien genügende Bestimmungen zur Beseitigung der vom Herrn Interpellanten dargelegten Mißstände nicht zu treffen. Es - wird daher der Weg zu betreten sein, der, „wie der Herr Interpellaut durchaus zutreffend ausgeführt hat, auch bereits in anderen Staaten beschritten worden ist. Das Ergebniß wird also voraussiht- lih sein, daß die Staatsregierung im Einverständniß mit der Reichs- regierung zur Abstellung - dieser Mängel einen - besonderen Geseß- entwurf an den Reichstag gelangen lafsen „wird; denn dahin gehört, meine Herren, die Sache.

Nun, meine Herren, die zweite Frage: ob es möglich. sei, noh in dieser Session die Maßregeln zur Ausführung zu bringen, kann - ih abschließend niht beantworten; das hängt niht von der preußischen Staatsregierung, sondern von der Reichsregierung ab. Ich darf aber annehmen, daß die Staats- und die Reichsregierung gewillt sind, alles zu thun, um noch in dieser Session die Sache zum Abschluß zu bringen- Vorarbeiten für, den Erlaß eines. solchen Spezialgeseßes liegen bereits vor, sodaß es meines Erachtens möglich sein würde, den Geseßentwur! baldigst an die Reichsvertretung gelangen zu laffen. :

Im übrigen erkennt die preußische Staatsregierung das Bedürfniß für einen solhen Geseßentwurf in vollem Umfang an, und zwar aus denjenigen Gründen, die der Herr Interpellant in ausführlicher und durchaus sachgemäßer Weise vorgetragen hat. Meinerseits wexde ih bestrebt sein, so rasch wie möglich diesen, wie ih anexkenne, die- Land- wirthschaft s{chädigenden. Mißständen abzuhelfen. (Bravo! rechts.)

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

ih an-

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Der Minister hat zu unserer Freude eine woblwollende Erklärung abgegeben 2 ic hatte das auh nit anders erwartet —, aber welhen Werth hat es, mit allen Mitteln eine Erhöhung und Verbesserun der Produktion zu bewirken, solange für die Produkte selbst ein gesicherter Preis nicht gewährleistet ist, solange die Land- wirthe noch ferner unter dem Selbstkostenpreis verkaufen müssen ? Mit ver Interpellation steht im engsten Zusammenhange die Frage der dauernden Hebung der Getreidepreise. Die Verhandlungen des Staatsraths will ich keiner Kritik untertverfen ; ih möchte aber fragen, zu welchen Entschlüssen die Königliche Staatsregierung in dieser ‘Pan gekommen is. Die Regierung muß einheitlich und eshlossen ihrerseits Mittel und Wege vorschlagen und fich niht darauf beschränken, die Vorschläge der Inter- essenten zu prüfen. Es kann niht zur Erhöhung ihrer Autorität beitragen, wenn sie in solch prekären Lagen abwartend da- steht und die Interessenten, wie es gestern der Minister für Land- wirthschaft gethan hat, auffordert, selbst mit geeigneten Vorschlägen zu fommen. Der Hinweis auf andere Länder, wo die Landwirthschaft ebenfalls Noth leide, hat wenig Bedeutung; jedes Land hat seine eigenartigen wirthschaftlichen Verhältnisse. Wir müssen in die Lage eseßt werden, den MWeltmarktpreis von uns fernzuhalten. Die Régierung erkennt einen Nothstand der Landwirthschaft, den sie gewisser- maßen selbst mit verschuldet hat, an. Jch bitte um eine bestimmte Antwort, was sie zur Abhilfe zu thun gedenkt. Die Landwirthschaft hängt jeßt an dem Munde der Staatsregierung und erwartet von ihr das erlôöjende Wort.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein-Loxten:

Meine Herren! Ih habe zunächst eine Unterstellung, die mir eben gemaht is, zu berichtigen. Sie bezieht sich auf eine Erklärung, die ih gestern abgegeben habe. Gestern wurde infolge eines gestellten Antrags die Frage geprüft, welhe geseßlihe und administrative Maßnahmen zu ergreifen seien, um den Mißständen hier auf dem hiesigen Viehhof Abhilfe zu schaffen. Darauf habe ih gestern und das wird der steno- graphische Bericht beweisen gesagt: Der Herr Vertreter seines Antrags habe zwar von einer Reihe administrativer Maß- regeln gesprochen, die geseßlihen Maßnahmen, die er. m Auge habe, aber niht bezeichnet. In der Richtung haben sich auch lediglilh meine weiteren Aeußerungen bewegt.

Wenn Herr von Heydebrand mir nun unterschiebt, ih habe die Frage, ob und welche geseßlichen Maßnahmen zu ergreifen feien von der Staatsregierung, abgewiesen und gesagt, sie müssen der Staats- regierung aus dem Hause gebracht werden so ist also die gegen mi erhobene Beschuldigung eine unrichtige. (Sehr rihtig! im Zentrum.)

Wenn ein Antrag gestellt wird, in dem gesagt wird, es sollen darüber Erörterungen stattfinden: welche geseßlihen Maß- regeln sind zu ergreifen? dann konnte die Staats- regierung mit Recht erwarten, daß auch diejenigen geseßlichen Maßnahmen der Staatsregierung bezeichnet würden, die man für zweckmäßig erachte ; lediglich in der Richtung habe ich die vom Vorredner geforderte Erklärung abgegeben. Ich habe übrigens meinerseits son diejenigen geseßlichen Maßregeln dargelegt, die, auf dem Gebiet der Gewerbegeseßgebung liegend, eventuell zu ergreifen sein würden, und will nun noch Folgendes hinzufügen. Meine Herren, ih glaube niht, daß man im Reichstag der Regierung eine fo weit- gehende diskretionäre Gewalt einräumen würde, daß sie bei jeder Marktkonzession auf Grund der geseßlih ihr ertheilten diskretionären Gewalt Auflagen weitgehendster Art als Bedingung der Konzessions- gewährung machen könne. Ein Geseß mit so weitgehenden Befugnissen für die Staatsregierung wird im Reichstage nit angenommen werden ; auch vielleiht kaum hier im Hause.

Meine Herren, was dann die bez. des Antrags Kaniß gestellte Frage betrifft, fo nehme ih gar feinen Anstand, den Herren mitzutheilen , daß das Staats - Ministerium auf Grund der Beschlüsse und der Berathungen, die im Staatsrath stattgefunden haben, zu der Ansicht gelangt ist, daß die sämmtlichen Wünsche, welche rücksihtlich der Monopolisierung zur Diskussion ge- standen haben, welche jeßt in einer konkreten Form wahrscheinli {on morgen den Reichstag beschäftigen werden, unausführbar (hört! hört !) und deshalb für die Staatsregierung unannehmbar find (hört! hört! rets), und zwar deswegen, weil die Staatsregierung sich davon über- zeugt hat, daß der unter dem Namen Graf Kani an den Reichstag gelangte Antrag mit den Handelsverträgen nit vereinbar ift (sehr rihtig!); die Staatsregierung is aber gewillt, die Handelsverträge, die mit Zustimmung der Reichsverkretung ges{lossen sind, ehrlich aufreht zu erhalten (Bravo! links); das er- achtet sie für eine Ehrenpflicht.

Meine Herren, zweitens hat die Staatsregierung auf Grund ein- gehender Prüfung die Ansicht gewonnen, daß der Antrag nicht aus- führbar sei und daß das Ziel, welches er verfolgt, nicht erreiht werde. (Hört! hört! und lebhafter Beifall im Zentrum und links. Be- wegung rechts.)

Meine Herren, heute Morgen ist eine Denkschrift im „Reichs- Anzeiger“ veröffentlicht, welhe Ihnen ein vollständig klares und über- sichtlihes Bild gewährt über die Verhandlungen im Staats- rath, über den Verlauf, den dieselben dort genommen haben, über die Gründe, die für und gegen die Anträge vor- gebracht sind. Ich möchte glauben, es wäre richtiger gewesen, vor Eintritt in die gegenwärtige Diskussion die Veröffentlihung der Staatsrathsverhandlungen abzuwarten. Ich \sprehe namens der Staatsregierung hier mit Bestimmtheit aus, daß eine ten- denzióse Zusammensezung des Staatsraths in keiner Richtung stattgefunden hat und daß man ein objektives Votum er- langen wollte (Rufe rets: Das hat niemand bestritten !) Ich berufe mi in dieser Beziehung auf den Herrn Grafen Kani, der zu meiner Freude hier ist; ih glaube, daß er mir das in vollstem Maße bestätigen wird. ‘Die Verhandlungen im Staatsrath find nah jeder Richtung hin objektiv geführt, die Staatsregierung hat si an den Verhandlungen nicht betheiligt, sie hat an der Abstimmung nicht theilgenommen. Das Ergebniß der Verhandlungen werden die Herren

t s E Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen „M 38. |

Berlin, Freitag, den 29. März

aus der Denkschrift des weiteren und ausführlich zu entnehmen in der Lage sein.

Meine Herren, entschieden muß ih mi dagegen verwahren, daß ge- sagt ist: dec Landœirthschafts-Minister bezw. die Staatsregierung seien verpflihtet wenn ih den Herrn Vorredner richtig verstanden habe —, dafür zu sorgen, daß die Getreid-preise steigen. Meine Herren, das halte ich für unmöglich. Es handelt fich um Preise, die vom inter- nationalen Weltmarkt abhängig sind. (Sehr richtig !) Ich habe in meiner Etatsrede bereits ausgeführt und begründet, aus welchen Gründen voraussichtlich eine Hebung der Getreidepreise auf dem Wege der Monopolisierung nit ausführbar sein werde. Ich kann ja vielleiht zugeben, daß Maßnahmen zur Erleichterung der bestehenden Nothlage eher zu erzielen gewesen wären, wenn wir durch unsere Handelsverträge nicht gebunden wären; (lebhafte Rufe rechts: Ah, ah!) aber, meine Herren, auch das halte ich für zweifelhaft. Meine Herren, sehen Sie sich do die Getreidepreise in Frankreih an, wo man Zollerhöhungen und andere Maßnahmen ausgeführt hat. Ein wesentlicher Erfolg ift dort niht erreiht. Ich berufe mich auf meine allgemeinen Darlegungen in der Etatsrede; danach bestehen Mißstände, wie hier, in allen Staaten mag dort eine Schußzollpolitik, Protektionismus, Frei- handel oder autonome Zolltarife bestehen, im wesentlihen besteht überall derselbe Nothstand.

Wenn fo die Sache liegt, meine Herren, dann muß ih sagen: die Forderung, welche hier im Hause an den Landwirthschafts-Minister gestellt wird, derselbe sei verpflihtet, dafür zu sorgen, daß die Ge- treidepreise gehoben werden, is eine unerfüllbare. (Lebhafter Beifall links und im Zentrum.) Meine Herren, der Herr Vorredner hat an den Landwirthshafts-Minister eine solhe Forderung gestellt. Meine Herren, ¡h erkläre hiermit frei und ofen: ich bin von jeher nach Kräften ein warmer Beschüßer und Vertheidiger der Landwirthschaft gewesen; in meinen alten Tagen bin ih gegen meinen Wunsh in meine so s{wierige Stellung berufen; ih habe die Ueberzeugung mitgebracht, daß es {wer ift, in der gegenwärtigen Nothlage die rihtigen Wege zu gehen ; ehrlich bin ich bemüht, solche Wege zu finden; welche Hilfsmittel ih für möglich halte, führte ich eingehend aus. Wenn aber der Staatsregierung bezw. mir die Forde- rung gestellt wird, es müsse eine sofortige Hebung der Getreidepreise herbeigeführt werden, so weise ih solche Forderung als unerfüllbar zurück. (Lebhafter Beifall links und im Zentrum. Bewegung rechts. Exrneuter lebhafter Beifall links und im Zentrum.) Es ist das eine unerfüllbare Forderung. (Große Bewegung.) Die Staatsregierung hat bestimmt und klar gesagt: was sie kann, das will fie ausführen ; das Versprehen wird fie einlösen. So lange ih wenigstens an der Spitze der landwirthschaftlichen Verwaltung stehe, werde ih meine geringe Kraft dafür einsezen, daß das geschieht. Aber eine Forderung, wie die gestellte, weise ich mit Entrüstung zurück. (Hört, hört! und lebhafte Zustimmung links und im Zentrum, Bewegung und Zischen rets.)

Abg. Bueck (nl.): Wir stehen der Interpellation höchst sym- pathisch gegenüber. Von dem Geseßentwurf über den unlauteren Wettbewerb werden wir wohl s{chwerlich durchgreifende Hilfe erwarten können; ein Spezialgeseg ist dringend nöthig. Auch ih bin für friminelle Bestrafung der betrügerischen Fälschungen ; es wäre aber eine allzugroße Härte, wenn unbeabsichtigte Mischungen, wie z. B. die der Kleie mit Samen von Unkraut, der sih unter dem Getreide befindet, au) als Betrug bestraft werden müßten. Bei der Gesetz- gebung wird also mit großer Vorsicht vorzugehen sein.

Abg. von Kröcher (kons.): Wir wünschen, daß die Zeit der wed fudllenbh Erklärungen vorüber sei, die Landwirthe wollen Thaten sehen. Der Minister weist es zurück, daß die Regierung für bessere Fe der landwirthschaftlihen Produkte sorgen muß. Erkennt die

egierung den Nothstand an, |o muß sie einen A fassen, ob daß Deutschland ohne Landwirthschaft bestehen kann. Kommt sie zur Verneinurtg dieser Frage , so muß sie auf Mittel \innen, der Noth abzuhelfen, und das ist nur durch Hebung der Getreidepreise möglich. Will sie hierbei nicht auf den Boden des Antrags Kanißyz treten, so muß sie andere Mittel zur Hebung der Getreidepreise oder vielmehr zur Stabilisierung derselben vorshlagen. Die Cinwendungen gegen den Antrag Kanitz: Ver- theuerung des Brotes und einseitige nteressenvertretung, sind so oft widerlegt, daß auch ih fie nur mit Entrüstung zurückweise. Oder hält die Regierung wirkli den Nothstand der Landwirthschaft nicht für so groß ? Jch kann die dringende Noth aus dem praktischen Leben und aus den Akten feststellen. Ich selbst habe versucht, ein Gut in der Nähe von Berlin zu verpachten zu einer Pacht, die vor 52 Jahren gezahlt wurde ; ih habe auf eine derartige Anzeige kein einziges Angebot erhalten. Das fennzeihnet die allgemeine Lage. Angesichts solher Nothlage ift der Minister der Landwirthschaft verpflichtet, Mittel und Wege zu finden, wie abzuhelfen ift. Nach meiner Meinung is das einzige Mittel die Hebung der Getreidepreise; weiß die egierung andere Mittel, so \hlage sie sie vor! Der Worte sind genug gewechselt, laßt uns nun endlih Thaten sehen.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein-Loxten :

Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Vorredners find nur nach zwei Richtungen hin im hohen Grade überrashend. Ich bin kein Parlamentarier. Ich habe dem Abgeordnetenhause nie und nur einmal in meinem Leben dem Reichstage angehört. Jch bin hierher gekommen, um eine Interpellation zu beantworten, die erwägen soll, welhe Maßregeln zu ergreifen seien, um die Verfälschung der Futter- und Düngemittel zu verhüten. (Sehr richtig! links und im Zentrum.) Zu meiner größten Verwunderung befinden wir uns wieder mitten in der Agrardebatte, die wir vor mehreren Wochen vier Tage lang in aus8giebigster Weise geführt haben. Nun, das ift ja Geshmackssahe; ih habe fein Verständniß dafür. Jch glaube auch nicht, daß viel dabei herauskommt. (Zuruf rets: Leider!) Jch bin indessen erböôtig, auf die Sache einzugehen. Ferner muß ih meiner Ver- wunderung darüber Ausdruck geben, wenn Herr von Kröcher die be- stimmte Forderung an mich gestellt hat, ih solle in 35 Monaten solange bin ih thatsählich im Dienst bereits all den Nothständen abgeholfen oder sie doch bereits zum größeren Theil beseitigt haben, die erörtert sind. (Widerspru rets.)

Meine Herren, es wird mir vorgeworfen, ih hätte bisher nur wohlwollende Erklärungen abgegeben, Thaten hätte man meinerseits

sie meint,

Staats-Anzeiger. j 1895.

noch niht gesehen. Meine Herren, ih habe fleißig gearbeitet, auch eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, so rasch werden dieselben in- dessen nicht erledigt werden fönnen. Andere sind bereits in die Er- scheinung getreten. Dem Reichstag liegt bereits ein Spiritusgeseß vor, das Zuckersteuergeseß ist in Bearbeitung und wird hoffent- lich noch an den Reichstag gelangen. Ob es Annahme findet, weiß ich nit; es liegt dies nicht in meiner Hand. Es ist dann zu meiner größten Verwunderung gejagt zu beweisen, daß die Mittheilung richtig, bin ih nit in der Lage —, daß von seiten der konservativen Partei gar kein Werth auf das Spiritusgeset gelegt wird. Im Gegentheil, es soll gesagt sein, man wünsche, daß es abgelehnt würde; denn wenn man nicht den Antrag Kanitz erlangen könne, wolle man lieber, daß noch ein weiterer Nieder- gang der Landwirthschaft stattfinde. (Widerspruch rets.) Ich weiß nit, ob das wahr ift. F erzähle nur wieder, was mir erzählt ift.

Dann wird mir vorgeworfen, ih hätte mi bei allen Verhand- lungen lediglich auf wohlwollende Erklärungen beschränkt. Das muß ih auf das entschiedenste bestreiten. Ih glaube, daß ih eine große Zahl von Maßnahmen bezeichnet habe, an deren Durchführung ih mich mit allen mir zu Gebote stehenden Kräften betheiligen wolle und von denen ich auch heute noch überzeugt bin, daß sie nicht leeres Strobdreschen sind, wie seiner Zeit behauptet wurde, sondern Mittel, die zweifellos der Landwirthschaft aufzuhelfen in der Lage sind. Also ich muß den Vorwurf, der mir gemacht is, daß ih ledig- li wohlwollende Erklärungen hier abgebe, daß ich nit in der Lage sei, bestimmte positive Vorschläge zu machen, mit voller Entschiedenheit zurückweisen. Zu meiner größten Verwunderung wurde mir, als ih meine ausführliche Etatsrede hier hielt, vorgeworfen, ih habe mich viel zu eingehend geäußert und nur fleinere Mittel vorgeschlagen, es sei das überflüssig gewesen; ich hätte mih auf wenige Erklärungen beschränken sollen; nur der Antrag Kanitz könne helfen und heute wirft man mir sogar vor, ih wisse überall Vorschläge zur Beseitigung der Nothlage niht zu machen. Die Mittel, mit denen noch, meine Herren, Hilfe gewährt werden kann, verwerfen Sie, während ich die hier vorgebrahten Mittel für unausführbar halte. Ja, meine Herren, ih bedauere, daß derartige Angriffe gegen meine Stellung, gegen meine Thätigkeit hier erhoben werden. Ih bin mir bewußt, meine Herren daß ih bisher gethan habe, was in meinen Kräften, stand in der kurzen Zeit, die ih hier bin, und wenn Sie mehr von dem Landwirthschafts - Minister verlangen, so kann i Jhnen nur empfehlen: wenden Sie sich an Seine Majestät den König, daß er einen anderen Minister ernennt, der mehr leistet, als ich zu [leiften im stande bin, der vielleicht das ausführt, was ich für unausführbar halte. (Bravo! links und im Zentrum.) Dann hat der Abg. von Kröcher gesagt, er weise meinen Einwand, daß durch den Artrag Kaniß eine Brotvertheue- rung erfolge, mit derselben Entrüstung zurück, mit der ih die Erklärung des Abg. von Heydebrand zurückgewiesen habe. (Widerspruch rechts.) Fch habe den Einwand überall nit gemacht, damit fällt auch die dortseitige entrüstete Zurückweisung, da sie auf einer unrichtigen Be- hauptung beruht. Ih muß lebhaft bedauern, daß derartige Er- flärungen hier erfolgen. Jch kann nur abermals die bestimmte Erklärung abgeben: ih. werde thun, was in meinen Kräften steht; unerfüllbare und unmöglihe Dinge dürfen Sie von mir nicht ver- langen. (Lebhaftes Bravo links und im Zentrum.)

Abg. Dr. Gerlich (fr. konf.): Jh kann nur mein aufrichtiges Bedauern über diese Debatte aus|sprehen, und ich glaube im Namen meiner Freunde sagen zu können, daf fie uns ebenso überrascht hat, wie den Minister. Diese Debatte ist heraufbeschworen in einem Augenblick, den ih dafür niht für einen glüdlihen halte. Ich hätte am allerwenigsten gewünsht, daß Vorwürfe gegen den Minister gerihtet würden, der erst wenige Monate im Amt ist, während die Ursachen der Leiden aus früherer Zeit stammen. Ich bedauere mit Ihnen außerordentlich, daß es so ge- kommen ist. Man hâtte der Regierung die Freiheit lassen sollen, bei den gegenwärtigen niedrigen Preisen durch erhöhte Zölle erhebliche Einnahmen zu hafen. Statt dessen sind wir auf zwölf Jahre durh diese traurigen Handelsverträge gebunden. Aber wie kann man nur von dem Minister verlangen, daß er den Wagen aus dem Schmußze zieht? Ihm kann man doch gewiß keinen Vorwurf machen. Andererseits möchte ih bitten: Nehmen Sie es, Herr Minister, den Landwirthen nicht übel, wenn sie klagen! Auch der Wurm krümmt fich, wenn er getreten wird, und daß die Landwirthe getreten worden sind in furchtbarer Weise, daß es ihnen {lecht geht, is klar. Wenn darauf hingewiesen wird, daß die Landwirthschaft in anderen Ländern keine besseren Preise habe, so möchte ih doch darauf aufmerksam machen, daß die Land- wirthshaft bei uns für Schulzwecke, für den Arbeitershußtz u. \. w. belastet ist. Entlastet man sie hiervon, dann stellt man sie in gleicher Linie mit der Landwirthschaft des Auslands. Jeßt aber müfsen wir für unsere Landwirthschaft Schuß verlangen. as die zur Verhandlung stehende Frage anlangt, fo ist es ein Uebelstand, daß die Verfolgung von Betrügereien von den Staatsanwalten abge- lehnt wird, weil es sich niht um ein öffentlihes Interesse handele. Das englishe Geseß, das ich für mustergültig halte, verlanat die Deklaration der chchemischen Zusammenseßung und legt für alle Anpreisungen und Prospekte die Verpflichtung der Garantie auf. ur Untersuhung stellt der Staat besondere Analytiker an. Zu erwägen wäre, ob nicht gesundheits- \chädlihe Stoffe in den Futtermitteln gleich an der Grenze zurück- e bia werden könnten. Fch bedaure, daß der Minister erklärt, die Angelegenheit gehöre in die Reichsgesegebung. Soviel ih weiß, ist in Sasen eine staatliche Kontrole eingerihtet, und ih meine, wenn das Reich die Sache nicht bald mat, fo könnten wir sie wohl pro- visorish für den Staat ordnen.

Abg. von Ploet (kons.): Ich bitte den Minister, bei der Geseg- eung über den in der Snterpellation beregten Gegenstand auf den

eihêtag nicht Nüksiht zu nehmen. Wir wissen garnicht, wie lange der Reichstag noch zusammenbleibt und wir felbst nicht sowohl die Ehre wie die Nothwendigkeit haben, ihm anzugehören. Ueberrascht fann do der Minister durh die heutige Debatte niht sein. Er ist gestern noch darauf vorbereitet worden, daß heute die allgemeine wirthschaftlihe Lage werde erörtert werden. (Der inister widerspricht.) Es is ein Irrthum, daß der Minister erft seit 24 Monaten in seiner e ist, er ist bereits 4 bis 5 Monate darin. Wir haben ihm von Anfang an volles Vertrauen entgegen- gebracht, aber unsere Hoffnung auf baldige Hilfe von feiner Seite ist geshwunden. Was sollen nur unsere Wähler sagen, wenn wir legt mit leeren Händen nah Hause kommen? Die Lage der Landwirth-