1914 / 7 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Jan 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Dieser Antrag soll auf die Tagesordnung der Sonnabend- sizung geseßt werden.

Schluß 334 Uhr. Nächste Sizung Freitag, 2 Uhr. (Geschäftlihe Mitteilungen, Vereidigung von fünf neu ein- getretenen Mitgliedern; Beschlußfassung über die geschäftliche Behandlung der dem Hause bereits zugegangenn Vorlagen.)

Haus der Abgeordneten. 1. Sigzung vom 8. Januar 1914, Nachmitiags 2 Uhr.

(Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Als Präsident des Hauses in der vorangegangenen Session eröffnet Abg. Dr. Graf von Schwerin -Löwth d1e Sthung mit den Worten:

Unserem altehrwürdigen Brauch entsprechend bitte ih Sie, au beim Beginn dieser neuen Seshon etnzuslimmen 1n den Ruf: Seine Majestät, unser Allergnädigster Kater und Kon1g lebe hoch! (Vle Versammlung stimmt dreimal begeistert in diejen Nuf ein.)

Der Präsident beruft zu provisorischen Schriftführern die Abgg. von dem: Hagen, Dr. Röchling, Schulze-Pelkum und Blell und erteilt das Wort dem Finanzminister.

Finanzminister Dr. Lenßte :

Meine Herren! Mit Allerhöhster Ermächtigung Seiner Majestät des Königs habe ih die Ehre, Ihnen zu überreichen: 1) die allgemeine Renung über den Staatshauthalt für das Etatsjabr 1910, 2) die Uebersiht von den Staats¿innahmen und Staat8ausgaben für das Etatsjahr 1912 und 3) den Geseßentwurf, betreffend die Feststellung des Staatshaushaltêtetats für das Etatsjahr 1914.

Fch habe die Ehre, sie dem Herrn Präsidenten zu übergeben.

Meine Herren, als ih dem Hause vor einem Jahre den Staats- hauShaltsetat vorlegte, welher zum ersten Male seit dem Fahre 1908 sich wieder im Gleichgewicht befand und Fkeiner Zuschußanleiße bedurfte, habe ich mit der Hoffnung geschlossen, daß es ih ermög- liden lassen werde, auch in den folgenden Fahren den Staatshaushalt aus sich selbst im Gleichgewicht zu erhalten. Diese Erwartung hat sh in diesem Jahre erfüllt ; denn erfreuliherweise {ließt der Etat ohne einen Fehlbetrag ab.

Meine Herren, der Staatshauthalt bietet heute folgendes Bild Die Situation war glänzend in den zuleßt vergangenen Jahren, fle ist nit mehr so glänzend, aber durchaus befriedigend in dem laufenden Jahre; sie ist ebenfalls durhaus befriedigend im Ausblick auf das kommende Fabr, jedoch sind verschiedene Unsicherheitsmomente bvor-

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© handen, an denen wir nicht ahtlos vorübergehen dürfen, und die für

die Zukunft Vorsicht gebieten. Aus meinen Ausführungen werden Sie ersehen, daß unsere dauernden Staatsausgaben star? im Steigen begriffen sind, während unsere Einnahmen teils Konjunkturs{chwan- kungen unterliegen, teils durch die neuen Neichsfinanzgesetze beschnitten sind, und daß es voraussihtlich in den nächsten Jahren niht möglih sein wird, durch Jnanspruhnahme von Mitteln des Ausgleihsfonds der Eisenbahnen oder von Reinübershüsjen der Gifenbahnen die vor- handenen Etnnahmequellen zu vergrößern. Sie werden dann selbst ermessen, daß der von vielen Seiten geäußerte Wuns, die Steuer- zuschläge in Wegfall zu bringen oder zu ermäßigen, ih aus Mangel an Ersazmitteln niht ermöglichen läßt. (Zurufe links.)

Fch bitte zunächst um die Erlaubnis, mit einem Rükblick auf das zulegt abgeschlossene Wirtschaftéjahr 1912 beginnen zu dürfen.

Vor zwet Jahren bei der Aufstellung des Etats für das Iahr 1912 lagen die wirtschaftlichen Verhältnifie durchaus aünstig. Trotz der vorangegangenen monatelangen Dürre war die Ernte sehr gut ge- wesen, und au die Konjunktur ließ eln Aufsteigen überall erkennen. Andererseits mußte aber in Betracht gezogen werden, daß ein namhafter Teil der Eisenbahneinnahmen auf das monatelange Versiegen der Wasser- straßen zurückzuführen war, und daß die großen Mehrerträgnisse bei den Forsten zum großen Teil mit dur die starken Einschläge in Ost- preußen verursacht waren und daher nicht angenommen werden konnte, daß diese außergewöhnliten Umstände auch in dem folgenden Jahre wieder eintreten würden. Dementsprehend wurden im Etat für 1912 die Einnahmen wesentlih in die Höhe gesetzt, andererseits ist aber: au den leßteren Erwägungen Rechnung getragen worden. Der Etatsentwurf {loß daher bei den Eisenbahnen mit einer Ueber- weisung an den Ausgleichsfonds von 57,4 Millionen, bei dem Gesamt- bausbalt mit einem Fehlbetrage von 19 Millionen Mark ab.

Troß des im Jahre 1912 ausgebrochenen Balkankrieges und der fritishen außerpolitishen Lage baben sich aber die wirtschaftlichen Verhält- nisse so glänzend entwidelt, daß die Rechnung bei den Eifenbahnen mit einer Ueberweisung von 173; Millionen abshloß (hört, hört !), und daß sih beim Staatshaushalt niht nur kein Fehlbetrag, sondern ein Ueberschuß von 29 Millionen ergeben bat. Das bedeutet intgesamt eine Verbesserung von 164 Millionen ein Betrag, der wobl so bald nit wieder eintreten wird.

Die bei der Aufstellung des Etats angenommene Verkehrs- steigerung bei den Eisenbahnen ist dur die Wirklichkeit ganz erheblich überbolt worden. Dabei hat \sich aber die höchst unerfreulihe Be- gleitersheinung gezeigt, daß der Betriebskoeffizient zu gleicher Zeit in die Höhe gegangen ist. Nachdem der Betriebskoeffizient im Jahre 1908 seinen bösten Stand erreicht haite und seitdem allmählich bis zum Jahre 1911 beruntergegangen war, ist er im Jahre 1912 um meßr als 19/6 gestiegen. Dabei hat sich wieder die alte Erfahrung bestätigt, daß nah starken Verkehrssteigerungen der Eisenbahnen die Autgaben den Einnahmen nachinken. Es darf aber aud nicht unerwähnt bleiben, daß durch den Nachtragtetat für das Jahr 1912 zur Verhütung der Wieterkehr der in den west- liden Provinzen eingetretenen unerfreulidhen Veikebrsstockungen zur Berbesserung des Extraordinariums 60 Millionen Mark aus dem Ausgleichéfonds entnommen worden sind. Der boben Zuführung zum YAuégleihéfonds von 1737 Millionen muß die Entnahme dieser 60 Millionen gegenübergestelt werden, wenn das Bild vollständig sein soll.

Die hoben Uebershüsse beim Staatshaushalt sind im wesentlichen dur beträhtlihe Mehreinnahmen der Bergwerke und Forsten sowie der direkten Steuern herbeigeführt worden. Die indirekten Steuern baben einen Minderertrag gebraht; bei ihnen hat überhaupt in diesem Jahre eine rüdckläufize Bewegung eingeseßt, welhe ih bis beute in erhöhtem Maße fortseßt und auf bas fast völlige Daniederliegen des Grundstúckz- und Baumarktes in und bei den großen Städten zurückzuführen is. Der Reinübershuß von 99 Millionen ist nach

Eisenbahnen mehr als 200 Millionen enthält, zur außerordentlichen Tilgung der “Staatés{ulden verwendet worden.

Auch das laufende Wirtshaftsjahr entwielt si günstig. Zwar nimmt cs nicht denselben glänzenden Verlauf wie das Jahr 1912, aber immerbin ist die Einwirkung der Hohkonjunktur, wenn auch mit Abshwächhungen, noch zu bemerken. So ist bei der Eisfen- babnverwaltung der Verkehr noch weiterhin gestiegen, die Verkehrs- steig:rung ist aber doch erheblich schwäcer geworden als im Vor- jahre; immerhin if der im Vorjahre angenommene Steigerung8- say noch überschritten worden. Die dadurch erzielten Mehr- einnahmen sind jedo durch die Ausgaben \o vollständig verzehrt worden, daß es nach dem bisherigen Verlaufe des Jahres 1913 und nach den eigenen Schäßungen des Herrn Eisenbahnministers nit zu erwarten ist, taß ein höherer Betrag an den Aus- gleihsfonds überwiesen werden kann als die in den Etat eingestellte Summe von etwa 93x Millionen. Wir haben also bei den Eifen- bahnén die Erscheinung, daß sie bei steigenden Einnahmen sowohl im Fahre 1912 wie im Jahre 1913 durh noch stärkere Auëgaben in ihren Erträgnissen wesentlich beeinträhtigt find.

Von den übrigen Betriebsverwaltungen werden voraus- fihtlih die Bergwerke, die Forsten und auch die direften Steuern wiederum erbeblihe Mehreinnahmen erbringen ; nach Abzug der an anderen Stellen entstehenden Mindereinnahmen oder Mehrausgaben betragen fie insgesamt 20 Millionen Mark. Wir werden also darauf rechnen können, daß tas Jahr 1913 bei den Eisenbahnen mit einer Ueberweisung an den Ausgleihefonds von etwa 937 Millionen und bei dem Staatshaushalt mit einem Reinübershuß von 20 Millionen abschließen wird.

FIch müßte mich nun zu dem neuen Etat werden. Da jedech im vergangenen Sommer die neuen Neichsfinanzgeseßze ver- absciedet sind, welhe einen wesentlihen Einfluß au auf unseren Etat baben, so ist es vorher erforderli, auf sie ncch näher einzugehen.

Meine Hexren, es ist Ihnen - bekannt, daß für einmalige Aus- gaben zu militärischen Zweck:n rund eine Milliarde und an dauernden Ausgaben jährlich rund 400 Millionen Mark zu beschaffen waren und daß diese \{chwierige Aufgabe dadurch gelöst worden ift, daß die einmaligen Ausgaben durch den Wehibeitrag und die dauernden Ausgaben durh die Reichsvermögenëzuwachssteuer, dur Aenderung des Reichsstempelgesetes, namentlich durch Einführung eines Reics\stempels auf Gesellshafts- und Versicherungsverträge, durch die Erhöhung der bestehenden Neichserbschaftssteuer und die Herabsetzung des Anteils der Bundesstaaten an dieser Steuer von 1/, auf !',, turch den Fortfall der in Aussicht genommenen Er- mäßigung der Zuckersteuer und durch die Hinausschiebung der Herab- sezung der Besizwechfelabgabe auf !/; 9/9 bis zum 1. April 1916 ge- deckt werden sollen. Zu gleicher Zeit sind der Neichsanteil an der Wertzuwachssteuer vom 1. Juli 1913 ab und der Scheckstempel vom 1. Sanuar 1917 ab aufgehoben worden.

Allen diesen Neichsfsteuern ist zu eigen, daß fie aus\{lißlich oder fast aus\schließlich die besizenden Klassen treffen und die nicht“ besißenden Klassen mit Abgaben vershonen. Obenan steht dabei der Wehrbeitrag. Er soll nit weniger als eine volle Milliarde Mark dur eine einmalige, in drei Raten fällige, nach oben hin stark progressiv gestaffelte Steuer von den größeren Vermögen auf- bringen. Einmüttig ist dieses in der ganzen Welt obne Beispiel da- stehende Gese von der Nation und den davon Betroffenen gutgeheißen worden. (Lachen bei den Sozialdemckraten.) Von dem ersten Êr- scheinen des geseßgeberi‘chen Gedankens an bis zur Verabschiedung des Gesetzes ist der Wehrbeitrag günstig beurteilt worden. Es ift ein Ruhmesblatt in der Geschichte unseres Volkes (sehr richtig !), daß die besizenden Klassen die Fürsten freiwillig voran dieses große Ovfer zum Wohle unseres Vaterlandes auf fh genommen haben. (Lebhafter Beifall.)

Weniger allseitigen Beifall als der Wehbrbeitrag hat die Rei ch8- vermögenszuwachssteuer oder, wie sie kurz heißt, die Besibsteuer gefunden. (Sehr richtig! rechts.) Dieses Gesetz will nicht, wie der Wehrbeitrag, das Reich mit einmal'gen Einnahmen versorgen, sondern es soll ibm, wie jedes andere Steuergesetz, dauernde EGinnahmen vír- hafen. Es belegt zu diesem Zweck unter bestimmten Voraussetzungen den innerhalb 3 Fahren entstehenden Vermögenszuwachs über 10 000 #4 mit einer gleichfalls na oben hin progrefssiv steigenden Steuer, welche in drei Jahreétraten fällig t. Woher der Vermögengzuwachs stammt, ob aus Erbschaften, Vermächtnissen, Schenkungen, Erspar- nissen, Arbeitsverdienst oder sonstigen Quellen, ift gleihgültig; auch das Kindeserbe fällt darunter (Zuruf rets: Leider!), nur das Gatten- erbe ist ausgenommen. Hiermit greift die Besißsteuer auf das Gebiet hinüber, das bisber den Bundesstaaten zur ausschließlichen Besteue- rung vorbehalten war. (Zuruf rets: Leider!)

Es ist dem hohen Hause bekannt, daß die verbündeten Regte- rungen beim Reichstag eine ardere Regelung beantragt hatten. Nach ihrem Entwurf sollte es den Bundesstaaten selbst überlassen bleiben, ¡u bestimmen, welche Besißsteuer in dem Lande einzuführen wäre

(sehr rihtig !), und nur für den Fall, daß ein folches Gesetz in einem Unde nit zustandekam, sollte die Vermögenszuwachssteuer in dem be- treffenden Lande in Kraft treten. Erst durch ein Kompromiß verschiedener bürgerlißen Parteien des Reichstags (Zuruf rechts: Leider !) ist dieses Gese an die erste Stelle gerüdt (Zuruf rechts: Sozial- demokraten! Lachen) und hinterher verabschiedet worden. Als ih vor zwei Jahren die leider niht zur Verabschiedung gelangte Steuer- novelle in diesem hohen Hause einbrachte, habe ‘ih in der dem Geseß- entrourf beigegebenen Denkschrift mih eingehend über etnen allerdings gapz anders gearteten Vorschlag zur Besteuerung des Vermögen8zuwachses ausgesprcchen und bin dabei zu einer Ablehnung gelangt. Ferner habe ich im vorigen Jahre, während im Reichstage die neuen Besitz- steuergesege zur Beratung standen, mich ganz entschieden gegen eine Fnanspruchnahme der Einkommen- und Vermögenssteuer durch das

Reih gewandt. (Bravo! rechts.) Es könnte nun auffällig erscheinen (sehr richtig! rechts), daß ich troßdem der Besitsteuer zugestimmt habe. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, ih braue wohl nicht zu versichern, daß ih es

bei weitem vorgezogen haben würde, und daß es mir sehr viel sym- pathisher gewesen wäre, wenn die Vorlage der verbündeten Re- gierungen angenommen worden wäre. (Sehr richtig! im Zentrum.) Es bestand aber bei verschtedenen bürgerlihen Parteien des Reichstags eine fo große Abneigung gegen die partikulare Regelung und gegen das Hinüberweisen der Kämpfe um die zu wählende Besißsteuer vem Reichstag in die Einzellandtage, daß für die Vorláge der vêrbündeten

Maßgabe der geseßlihen Bestimmungen, da der Ausgleichéfonds ter

Regierungen eine Mehrheit im Reichstage nit zu finden war.

Anderseits standen große und wichtige vater«

(Widerspruch rechts.) ländische. Interessen auf dem Spiele (fehr ridtig! bei den Nationalliberalen), melde eine möglihst schleunige Ver-

Wehrvorlage ‘unter gleichzeitiger Verabschiedung der Deckungsvorlage durch eine Mehrheit der bürger- lihen Parteien erbeishten. (Zuruf rets: Sozialdemokraten !) Enfolgedessen mußte ih mir die Frage vorlegen, ob meine Bedenken so schwerwiegend wären, daß ich es verantworten könnte, dem Zus standekommen hindernd in den Weg zu treten. Diese Frage habe ih dann allerdings nach reifliher Erwägung verneinen müssen, (Bravo! links), und zwar aus folgenden Gründen.

Meine Herren, die vor zwei Jahren in der Denkschrift béê- \prohenen Vorschläge für eine Vermögenszuwachësteuer unterscheiden ih ganz erheblich von dem jeßt zustandegekommenen Besitzsteuergeseß. Während das Besißzsteuergesez auch den steuerpflihtigen Zuwachs aus Erbschaften, Vermächhtnissen und Schenkungen mit ergreift, wollten die damaligen Vorschläge ihn ausdrücklich ausgenommen wiffen. (8 liegt auf der Hand, daß ein durch ein fo großes Anwendungsgebiet erweitertes Geseg ganz andere Möglichkeiten für die Dur{- führung und für den Ertrag det Steuern bietet als die damaligen engbeshränkten Vorschläge. Ferner ist auch ein sehr erheblihes damals aufgetretenes Bedenken, daß nah geschehener Besteuerung des Vermögens8- zuwachses eine neue Besteuerung eintreten müßte, wenn der Zuwachs ¿. B. durch Konjunkturschwankung ersi verloren und dann wieder- gewonnen wäre (sehr richtig! rechts), durch eine alüdlihe Löôsfung beseitigt worden. Bei dem weiteren Durcharbeiten des Gedankens etner Vermögentzuwachssteuer ist der Ausweg gefunden, daß der Zuwahs in der Zwischenzeit solange unberüdcksichtigt bleibt, bis der früher bestandene höhere Vermögenestand in steuerpflihtiger Höbe: wiederum überschritten ist. Mit diesen Aenderungen ist aller- dings eine Vermögenszuwachébesteuerung durchführbar, und ih konnte deéhalb meine sonstigen auf diesem Gebiete liegenden Bedenken zurüstellen. j “A

Sehr viel \{hwerer waren für mi die Gründe, welhe gegen das Geseß sprachen, weil es eine teilweise Besteuerung des Vermögens enthält. Ich bin nah wie vor der Ansicht, ‘daß den Bundesstaaten die Einkommensteuer und die Vermögensfieuer erhalten bleiben müssen. (Sehr richtig! und Na, also! rechts). Die Bundeëftaaten haben so wichtige und so gewaltige fulturele und wirtschaftliche Aufgaben (sehr ridtig! rets), daß sie über ausreihende Steuerquellen ver- fügen müssen, wenn fie jene erfüllen wollen. (Sehr richtig! rechts.) Werden ibnen ibre Steuerguellen genommen oder ge\dchmälert, dann sind fie außerstande, die Wohlfahrt ihres Landes nah eigenem Er- messen zu fördern, und sie sind dadurch in ihrer Selbstständigkeit be- \{ränkt. (Sehr richtig! rets.) Da die Einkommensteuer und die Ergänzungssteuer in Preußen die einzigen ergiebigen Landessteuern sind, die wir noch besißen, und zu gleicher Zeit unsere Kommunen und Gemeindeverbände aus dieser Steuerquelle {öpfen, so ist es unmögli, daß derselbe Steuerträger noch von einer dritten Seite in Anspruch genommen wird. (Sehr rihtig! rechts.) Auch feine Leistungsfähigkeit hat seine Grenzen, und Staat und Kommunen werden in ibrem ‘Lebensnerv getroffen, wenn auch das Reich dieselben Steuern erbebt. (Sehr richtig! rechts.) Ich würde mich daber unbedingt gegen ein Gese ausgesprohen haben, das eine Reichs- einkommen- oder Reichsvermögenétsteuer enthalten hätte.

Manche von diesen Bedenken treffen aber im vorliegenden Falle nit zu. (Zurufe rechts: Manche!) Zunächst wird nicht das Ver- mögen \{lechthin, sondern nur ein Zuwachs zum Vermögen bésteuert, und dieser Zuwahs nur dann, wenn er 10 000 46 und mehr über- steigt. Sodann wird der Zuwachs nicht dauernd, fondern nur einmal, wenn auch in drei Jahresraten, besteuert und derselbe Steuerträger wird von dem Reih niht wieder mit der Besißsteuer in Anspru genommen, wenn er nicht abermals einen Vermögenszuwachs erhält- (Lachen rechts.) Der von dem Staat und den Kommunen in An- \pruch genommene Steuerträger wird mithin vom Reich nur vorüber- gehend tin Anspru genommen (Abg. von Pappenheim: Aber immer wieder!) —, wenn er einen Vermögentzuwahs erfährt, Herr von Pappenheim, sonst nicht wieder —, und die Befürhtung, daß dur die Reichsbesteuerung die Landesbesteuerung unmögli gemacht würde, ist daher nickt allzu groß.

Sehr viel bedenklicher war für die Besitsteuer die. \charfe Grenze quellen des Staates und des Reiches zum ersten Male zu- ungunsten des Staates überschritten hat (fehr richtig! rechts), und daß sie die Hoffnung aller derer nährt, die auf eine Neichs- einkfommen- und Reilhsvermögenssteuer hinarbeiten. Gegenüber den großen auf dem Spiele stehenden vaterländischen Interessen babe ih dann trozdem zugestimmt, weil ich genau weiß, daß die Bundes- staaten fest entshlossen find (Lachen rechts), es hierzu niemals fommen zu laffen; fie würden sih ja selbsi aufgeben, wenn sie es täten. Der Herr Reichskanzler hat dem Reichstage gegenüber keinen Zweifel gelassen (Lachen rechts), daß die Bundesstaaten diesen Schritt niemals mitmacen werden. (Na, na! rechts.)

Meine Herren, die Besißsteuer wird von den Bundesstaaten veranlagt und erstmalig im Jahre 1917 erhoben. Ste erhalten für die Verwaltung, für die Veranlagung und Erhebung zum ersten Male 10 9/0, hinterher 59/9 des Rohertrages der Steuer. Die Reicbsbevollinächtigten haben bet Ausführung dieses Gesetzes dieselben Befugnisse und Pflichten, wie sie ibnen hinsichtlich der Zölle und Verbrauchésteuern beigelegt find. Alljährlih ist im Reichstage úber die Tätigkeit der Reichsbevollmächtigten bei Aus- führung des Besißsteuergeseßes Bericht zu erstatter. Die Be- stimmung derjenigen Behörden, welche für die Verwaltung der Besiß- steuern zuständig find, der sogeriannten Besigsteuerämter, ist der Landesregierung übertragen. Ihre Einrichtung ist {nsofern dringlich, als nach den geseßlihen Bestimmungen nah näherer Vorschrift des Bundesrats von den Besißsteuerämtern die Nachlafverzeichnisse hon jeßt eingefordert werden können. Ein Beschluß de3 Staats- ministeriums über die in Preußen zu treffende Organisation ist noch nit ergangen, die Erwägungen darüber {weben noch. Wegen des engen Zusammenhanges der Besißsteuer mit der Ergänzungssteuer wird sie von keiner anderen Behörde verwaltet werden können wie die Ergänzungésteuer, d. h. von den Einkommensteuerveranlagung8- kommissionen. Diese Regelung ist die gegebene und nabeliegendste. Sie birgt aber die wihtige Frage in sich, ob die Grbschaftssteuerämter neben den Besibsteuerämtern bestehen bleiben können. Denn da die Besißsteuer auch den \teuerpflihtigen Zuwachs aus Erbschaften und Vermäthtnissen er-

abshiedung der

mich die Tatsache, daß zwishen den Steuer-

faßt, würden sonst zahlreiche Erbfälle von verschiedenen Behörden

behandelt werden müssen, ein Zustand, der weder im Interesse des Staates, noch im Interesse des Publikums zu wünschen ist. Ferner find die Veranlagungskommiffionen jeßt fon vielfach voll belastet ; es ist daher zu prüfen, ob die- Veranlagungskommissionen überall imstande sind, die ibnen durch die Verwaltung der Besißsteuer ent- stehende Mehrarbeit zu übernehmen.

Von unmittelbarem Einfluß auf unferen Etat is nur das Reichsstempelgeseß, welches vom Jahre 1915 ab unsere Ein- nahmen um 13 Millionen kürzt; ferner die Herabseßung des Anteils der Bundesstaaten an der Reihserbschafts- teuer von ein Viertel auf ein Fünftel, welhe durh die Erhöhung dieser Steuer niht aufgewogen wird, und {ließli die Ab- ¿nderung des Wertzuwachssteuergeseßes, welhe für das kommende Jahr uns einea Ausfall von mindestens einer halben Million erbringen wird. Bekanntlih kann nach dieser Ab- ¿änderung durch Lande8ge)jeg oder in Gemäßheit des Landes- rechis durch Ortsstatut die Wertzuwachssteuer in anderer Weise geregelt werden. Verschiedene Kommunen und Kommunal- verbände haben auch die Absicht, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen. Es ist auch ein Ausführungëgeseg zum Reichëgesez für Preußen in Bearbeitung, welches diese Frage regelt; in diesem Gesetz wird aber, in Abweichung von den in Bayern und in Sachsen ein- gebrabten Geseßen, welhe aus finanziellen Rücksichten den Anteil des Reiches an der Wertzuwachssteuer als Landessteuer weiter erheben wollen, davon Abstand genommen, für Preußen etwas ähnliches vor- zuschreiben. (Bravo! Sehr richtig! bei ten Nationalliberalen.) Die Rüúdcksihten auf den stark belasteten Grundstücksmarkt und die während der Geltung des Wertzuwachssteuergeseßes zutage getretene Unmöglih- fait, diese eine einheitlihe Regelung für ein großes Gebiet niht ver- tragende Steuer für den ganzen Staat einheitlich zu regeln, find dafür maßgebend gewesen. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Die Wertzuwachssteuer kann fehr viel besser von den Kommunen und Kommunalverbänden geordnet werden. (Sehr richtig! bet den Nationalliberalen.)

Wir haben also dur die neuen Reichéfinanzgeseze Einbußen an unseren Einnahmen zu erwarten, welche vom Jahre 1915 ab mindestens 15 Milltonen betragen. Außerdem ist uns auch die kostenlofe PVeranlagung und Erhebung des Wehrbeitrages auferlegt. Hierfür haben wir mindestens eine Million aufzuwenden. Ein Teil davon fâllt allerdings \chon auf das laufende Etatsjahr, weil bekanntlih der Wehrbeitrag hon in diesem Monat veranlagt wird. Ob die für die Verwaltung der Besißsteuer uns zugesprochene Vergütung ausreichen wtrd, die entstehenden Kosten zu decken, steht noch vollständig dabin; es ist ebenso ungewiß, ob die Vergütung au®- reiht oder ob etwa ein Ueberschuß dabei herausspringt.

Nach diesen Vorbemerkungen wende ih mich zu dem Etat für 1914 felbst. Die wirtschaftliche Lage ift seit dem Vorjahr verändert. Vährend im Vorjahr auf den Gebieten des Handels, der Industrie und der Schiffahrt Hochkonjunktur herrschte, ist in diesem Jahr auf den verschiedensten Gebieten ein Rückgang festzustellen. Bei zahl- reihen Industrien sind die Bestellungen langsamer eingelau*en, die Preise gesunken und die Werke genötigt, . mehr wie bisher auf ger zu arbeiten. Jedoch cheint ein frisenartiger Rückgang nit bevorzusteben, der Niedergang vollzieht \sch mehr allmäbli. Unsere Industrie ist eben in diesem Jahre einem Niedergang gegenüber ganz anders gerüstet wie in früheren Jahren, auch hat die Ausfuhr in der leßten Zeit wesentlih zugenommen. Zum Teil bat zur Ab- schwähung des Niedergangs auch die gute Ernte des Vorjahrs, welche die beste Ernte war, die wir seit zehn Jahren gehabt haben, mit beigetragen. Es hat ih dabei die alte Erfahrung wieder bestätigt, daß für Handel und Industrie der innere Markt die beste Stütze bildet (sehr rihtig!), und daß die Rückshläge um so schwächer aus- fallen, je fauffräftiger der innere Markt ist. Da auch eine Ent- spannung der internationalen Lage eingetreten is und eine unmittel- bare Kriegsgefahr niht mehr besteht, können wir der weiteren Ent- wicklung ohne besondere Befürchtung entgegensehen. Bei der Aufstellung des Etats ist der Nirkgang der Korjunktur natürli berüdsfichtigt worden. Dies gilt namentlich für die Etais der Eisenbahnen und der Berg- werke, weil diese von dem Wirtschaftsleben aufs innigste tn Mit- leidenschaft gezogen werden. Troßdem ist auch bet diesen keine allzu große Zurückhaltung geübt worden.

Unser Etat {ließt ab in Einnahme und Ausgabe mit 4846 200 000 und ist um rund 250 Millionen gestiegen. Das Extra- ordinarium is auf 303,4 Millionen bemessen und um die hohe Summe von 58,4 Millionen erhöht worden. Dies ist bewußtermaßen zu dem Zweck geschehen, um dem Rückgang der Konjunktur entgegen- zuarbeiten und es zu ermöglihen, daß der Industrie und den arbeitenden Klassen die Arbeitsgelegenheit erhalten bleibt. (Bravo!) Da der größte Teil des Ertraordinariums für Bauten und Anschaffungen bestimmt ist, so liegt es auf der Hand, daß mit so großen Summen ganz erheblih auf den Arbeit8markt eingewirkt werden fann und dieser dadurch ganz wesentlich gestärkt wird. Den besten Beweis dafür liefert das laufende Jahr. Aus den Jahresberihten der verschiedensten Verbände und Werke geht ganz unzweideutig hervor, daß in diesem Jahre die reihlihen Staatsaufträge sehr wesentli ¡ur Belebung des Erwerbslebens beigetragen und es ermöglicht haben, daß an vielen Stellen Arbeitseinshränkungen vermieden werden konnten. Vir wollen hoffen, daß mit den erhöhten Beträgen diese Ziele noh besser erreiht werden können.

Für die Beurteilung des Etats ist die Nettosteigerung der Verwaltungsausgaben von ganz besonderer Bedeutung. Ste gibt das klarste Bild, wie der Ausgabebedarf gestiegen ist, und wie er sich voraussihtlich weiter entwifeln wird. Die Staatsverwaltungs- ausgaben sind auch die einzige Stelle, wo man zur Not eine Er- |parnis eintreten lassen kann, indem man sie nach Möglichkeit zurück- shraubt. Das ist aber natürliherweise nur wenige Jahre mögli, da sonst wichtige Staatsinteressen Schaden leiden würden. Auch findet es seine Grenze in dem starken Ansteigen der auf geseßlichen Vorschriften beruhenden Ausgaben. s ist daher besser und wünschenswerter, daß neue Verwaltungsausgaben, soweit sie {ih als wirkliß notwendig erweisen, auch berüdcksihtigt werden. Hiernach konnte in den lezten Jahren erfreuliherweise verfahren werden. Während in den durch die Besoldungserhöhung so stark überlasteten Jahren die Verwaltungsauëgaben durchschnittlich nur um netto 2,7 Millionen Mark erhöht werden konnten, find fie im Jahre 1913 um 24,3 Millionen erhöht worden, und im Jahre 1914 sollen sie sogar um 263 Millionen Mark erhöht werden. Von diesen 26,3 Millionen sind 18 Millionen Mark dauernder Nettomehrbedarf,

während nur §,3 Millionen Mark auf das Extraordinarium entfallen. Es ist also ein starkes Anwachsen der dauernden Staatsverwaltungs- ausgaben - festzustellen, und dles beruht vornehmlich auf folgenden Gründen.

Die im vorigen Jahre vom Reich vorgenommene Erböhung der Besoldung der Postassistenten und der Postshzffner konnte niht obne Rückwirkung auf den preußischen Etat bleiben. Bei der Gleichartig- teit der Beamtenverbältnifse im Reich und in Preußen hat von jeher der Grundsay gegolten, daß im Reih und in Preußen die gleichen Beamtengruppen auch die gleihe Besoldung erhalten. Hiernach ist auhch bei der leßten Befoldungsordnung im Jahre 1909 verfahren worden. Es hatte das Neih nur bei 3 Beamtengruppen eine Ausnahme gemacht, nämlich bei den Vortragenden Näten, bei den NReichstagèbeamten und bei den Postassistenten, indem es für diese höhere Bezüge festsezte. Während dies hohe Haus gegen die Schlechtersiellung der Vortragenden Räte keine Bedenfen zu er- beben batte, hat es auf die wiederholten Petitionen der Eisenbahn- assfistenten hin im vorleßten und im leßten Jahre die Staatsregie- rung ersucht, die Eisenbabnassistenten im Gehalt den Postassistenten gleihzustellen. Da die Eisenbahnassistenten nicht einmal im Höchst- gehalt, sondern nur in den ersten fünf Gehaltsflufen s{chlechter gestellt waren als die Postassistenten, und da es außerdem ganz erheblichen Bedenken begegnete, die so mühevoll zustande gekommene Besoldungs- ordnung nach so kurzer Zeit ihres Bestehens wieder abzuändern, ist die Staatsregierung den Beschlüssen dieses hohen Hauses nicht in vollem Umfange beigetreten, sondern hat versuht, durch Gewährung von Ausgleichszuwendungen die Gehaltäuntershiede zu beseitigen. Auf diesem Standpunkte würde sie auch beharrt haben, wenn nicht im lezten Sommer das Neich die Gehälter der Postassistenten um 300 # erhöht hâtte. Dadurh find die Gebaltéuntershiede gegen- über den preußishen Assistenten noch größer geworden. Jeßt reihen Ausgleihsunterstüßungen nicht mehr aus; es bleibt viel- mehr nichts weiter übrig, als daß an eine Abänderung der Besoldung8ordnung herangegangen wird. Geschieht dies aber zugunslen der Assistenten, dann müssen, da au die Postshaffner und andere Postunterbeamte um 100 4 im Gehalt erhöht worden sind, die diesen entspre{enden Unterbeamtenklassen in Preußen, die Gerihts- diener, Boten, Heizer und dgl., in den Bezügen ebenfalls erhöht werden. Das Vorgehen des Reiches führt also zu einer Durhbrehung der Besoldungs8ordnung an verschiedenen Stellen.

Erleichtert wurde der Köntglihen Staatsregierung ihre so \chwere Entschließung durch die Tatsache, daß bei den am geringsten be- foldeten Unterbeamten mit einem Höchstgehalt bis zu 1600 #4 das Bedürfnis für eine Besoldungserböhung um 100 4 ohne weiteres anzuerkennen war (Bravo !), und deshalb die Aenderung des fo künst- lien Baus der Besoldungsordnung - verantwortet werden konnte. Auf der anderen Seite nötigten unsere Finanzlage und die unaus- bleiblihen Rückwirkungen auf das Reich, die Bundesstaaten, unsere Kommunen und die gesamte Privatwirtshaft dazu, die Abänderung der Besoldungsordnung nur da eintreten zu lassen, wo sie unbedingt geboten war, sonst jedoch die Befoldungsordnung, die auf eine längere Zeitperiode abgestellt war, nah wie vor aufrecht zu erhalten. Jn- folge dessen sollen nur diejenigen Besoidungsklassen, welhe den vom Reich aktgeänderten entsprehen das find die Klassen 4 und 9 und die Klasse 13 sowie teilweise 14 bis 16 unserer Besoldungs- ordnung abgeändert und auf die Reichsbesoldungssäße gebracht werden. Außerdem sollen nur noch die am geringsten be- soldeten Klassen 1, 2 und 3, in welchem \sich die groß? Ueber- zahl aller Unterbeamten befindet, um 100 4 erhöht werden. Zu weiteren Abänderungen der Besoldung8ordnung kann \ich die König- lihe Staatsregierung zurzeit nicht verstehen. Das neue Besoldungs- geseß wird dem hohen Hause demnäWhst vorgelegt werden.

Schon diese Aufbefserungen erfordern eine jährlihe dauernde Mehraus8gabe von 19,3 Millionen Mark. Hiervon entfallen 155 Millionen auf die Eisenbahnverwaltung und 3,8 Millionen auf die übrigen Verwaltungen. Es darf aber nicht unberücksichtigt bletben, daß diese Besoldungserhöhungen ja auch noch ihre Nück- wirkungen auf die Pensionen und Neliktenbezüge ausüben, und daß au für diese Mehrausgaben notwendig werden.

Neben diesen Mehrausgaben für die Erhöhung der Besoldungen ist au etn fleiner Betrag von 2,4 Millionen zur Verstärkung der Shuldentilgung eingestellt worden. Jh hatte bereits im vorigen Jahre darauf hingewiesen, wie bedenklich es für unsere Finarzwirtschaft ist, daß nur unsere Eisenbahnshulden in Gestalt des Extraordinariums, soweit dieses als Substanzvecmehrung ange- \prohen werden kann, eine verstärkte Schuldentilgung besigen, daß aber unsere gesamte übrige Staatss{huld von 2300 Millionen von den Beraschulden spreche ich hier niht, für die gelten besondere Bedin- gungen nur mit ?/;9%/6 des jeweiligen Schuldkapitals getilgt werden, Während unsere Reihss{hulden, soweit fie vor dem 1. Oktober 1910 entstanden find, mit 19/9 von dem ursprünglihen Schuldenkapital unter Hinzunahme der ersparten Zinsen getilgt werden und im Jahre 1953 voll zur Rückzahlung gelangen und, soweit fie später entstanden sind, je nahdem sie werbenden oder nicktwerbenden Zwecken dienen, in 30 oder gar 22 Jahren abbezahlt werden, gelangen unsere preußishen Staats\hulden niemals zur Abstoßung, weil fie weder vom ursprünglihen Schuldkapital noch unter Hinzurehnung der er- \parten Zinsen getilgt werden. Wie ih im vortgen Jahre bereits mitteilte, gehören 231 Jahre dazu, um auf diese Weise wenigstens * der ursprünglihen Schuld zurückzuzahlen.

Dies ist ohne Frage ein wunder Punkt in unserer Finanzwirt- schaft, besonders wenn man erwägt, daß manche unserer Anleihen überhaupt niht werbend oder, wie z. B. alle Anleihen für ünsere Siedlungspolitik, nicht in vollem Umfange werbender Natur find. Der normalen Schuldentilgung würde es am meisten entsprechen, wenn unsere Tilgung in eine Tilgung von dem ursprünglichen Schuldkapital unter Hinzurehnung der ersparten Zinsen umgewandelt würde. So gern ih diesen Weg aber begreiflicher Weise auch beschritte, so ungang- bar erscheint er mir doch, weil er auf die Dauer so große Mittel er- fordern würde, die aufzubringen wir ohne Erschließung neuer Steuer- quellen außer Stande wären. Bei der jährlihen Zu- nahme unserer Anleißben und dem untausbleiblihen Auftreten neuer Ausgaben ih erinnere nur an die legten, großen Besoldungs- erhöhungen mit 200 Millionen Mehrbedarf würde diese Art der Tilgung zu sehr in unsere Finanzen einshneiden.

Fch habe mich daher entschlossen, Ihnen etnen Weg vorzuschlagen, der noch nicht die goldene Mittelstraße darstellt, sondern fehr viel bescheidener ist, der aber doch den großen Vorzug hat, daß er mit

unseren Finanzen sich verträgt und in Preußen bereits erprobt is Die am S{lusse des vorigen Jahrhunderis abgetragenen 32 prozentigen preußischen Staatsshuldsheine find unter Hinzunahme der erfparten Zinsen in der Weise getilgt worden, daß die Tilgung immer nur in zehnjährigen Perioden erfolgte. Diefer Tilgungëmodus soll für die Verstärkung der Tilgung in Vorschlag gebraht werden. In den 10 Sahren bintereinander werden die ersparten Zinsen zur Verstärkung der Tilgung verwendet. Alsdann tritt eine Unterbrebung ein und die Bildung der Tilgungsmasse wird von neuem begonnen. Die dadur frei werdenden, bis dahin zur Tilgung ver- wendeten Beträge werden dann für neu auftretende Staat®autgaben in dem Etat verwendbar. Da die normale Jahrestilgung nur von der jeweiligen KapitalsGuld berechnet wind, halten \sih die Verstär fungs- summen in erträglihen Grenzen. Zu 4/9 berehnet, würden fie im ersten Jahre nur 2,4 Millionen betragen und von da bis zum Jahre 1923, als dem leßten Jahre der zehnjährigen Tilgungéperiode, bis zu 30 Millionen allmählich ansteigen. In der Zwischenzeit würden auf diese Weise ungefähr 140 Millionen Mark mehr getilgt sein. Vom Fahre 1924 ab würde dann mit der Hinzurechnung der ersparten Zinsen von neuem begonnen werden und die Verstärkungssumme von 30 Millionen Mark könnte anderweit für Staatszwecke Verwendung Ande

Wie Sie seben, ist es keine tief einshneidende Maßregel, welche Ihnen in Vorshlag gebraht wird, aber immerhin ist sie doch von niht zu untershäßender Bedeutung, denn fie hat neben der Ver- stärkung dec Tilgung noch den Vorzug, daß fe unserem Etat periodish immer wieder eine Reserve für neu auftretende Ausgaben schafft, welhe ihm bis dahin vollständig fehlt. Früher standen in Wirt- \aftsjahren mit guter Konjunktur immer die reihlihen Ueberschüsse des Staatshaushalts zur außerordentlihen Schuldentilgung zur Ver- tügung. So sind z. B. von 1882 bis 1902 1257 Millionen Mark mit Hilfe solher Uebershüsse getilgt worden. Nachdem jedo die Neinüberschüße der Staatseisenbahnen und auch die Ueberschüsse des Staatshaushalts bis zur Auffüllung des Austgleihefonds auf 200 Millionen Mark diesem Fonds zugeführt werden müssen, ist diese Quelle im wesentlichen versiegt, und es ijt deshalb dringend erforder lih, daß wenigstens ein Ersag geschaffen wird, welher einigermaßen an die Stelle tritt. Ich bin davon überzeugt, daß diese Schulden- tilgung, so bescheiden sie auh ist, ganz wesentli zur Stärkung unserer Finanzen beitragen wird, und ih biite deshalb dringend, ihr freundlih gegenübertreten zu wollen,

Von unseren Einnahmequellen, welhe diesen verstärkten Au?tgaben gegenüberstehen, kommen besonders die Erträgnisse der Berg- werke, der Forsten sowie der direkten Steuern und der Eisenbahnen in Betracht. Die indirekten Steuern mußten wiederum geringer in Ansatz gebracht werden, und von 1915 ab werden fie, wie ich Ihnen son verhin mitteilte, den Betrag von 13 Millionen Mark infolge der Neichsgese8gebung verlieren. Die im Etat des Finanz* ministeriums jeßt in Höbe von 77 Millionen ersheinenden Cinnahmen aus der Verzinsung des Ausgleihsfonds sind niht dauernder Natur, da fie von dem Bestande des Ausgleichsfonds abhängen.

Unsere Forsten liefern erfreuliherweise alljährlih steigende Er- trägnisse. So konnten die Reinübershüsse für 1914 um netto 3,1 Millionen Mark böber, insgesamt mit 81,8 Millionen Mark an- genommen werden. (Hört, bört!)

Unsere Bergwerke unterliegen den KonjunktursGwankungen fehr stark. Die Reinübershüsse im Jahre 1912 sind sehr beträchtlich gewesen, und auch im laufenden Jahre werden sie den Voranschlag erheblih übersteigen. Jeßt tis ein Rükschlag der Konjunktur ein- getreten, und infolgedessen find die Betriebsübershüsse der Bergwerke in dem Etat für 1914 nur in derselben Höhe angenommen worden wie in dem laufenden Etat. Damit ist sowobl den hohen Einnabmen des Jahres 1912 wie dem inzwischen eingetretenen Rückgang der Kon- junktur genügend Rechnung getragen worden. Die Steigerung des NReinübershusses um 3,3 Millionen is auf einen Minderbedarf des Ertraordinariums zurückzuführen.

Auch die direkten Steuern werden von der Konjunktur sehr wesentli beeinflußt. Da jedoch für die Veranlagung im wesentlichen nur die vorangegangenen Wirtschaftsjahre in Betracht kommen, die leßten Jahre aber gute waren, und da außerdem die Ergänzungssteuer neu veranlagt wird, fo fönnte für das nächste Jahr mit etner ganz beträchhtlihen Steigerung der Erträgnisse der direkten Steuern ge- rechnet werden, nämlich mit 27,6 Millionen Mark. (Hört, hört!) Angesichts des Konjunkturrückgangs ist allerdings nicht anzunehmen, daß diese hohe Steigerung sh im nächsten Jahre fortsezen wird. Ob die obligatorische Vermögensanzeige und auch der Generalpardon des Wehrbeitrags auf die Erträgnisse der Steuern einen besonderen Einfluß autüben werden, steht völlig dahin. (Zurufe: Ganz sicher!) Von vielen Seiten wird eine wesentlihe Steigerung erwartet, die von der Steuerverwaltung aber bezweifelt wird. (Glocke des Präsidenten.)

Es bleibt abzuwarten, wie der Erfolg des Wehrbeitrags auf diesem Gebtete sein wird.

Von der Wiedereinbringung der im vorigen Jahre leider niht verabschiedeten Steuernovelle habe ich Abstand nehmen müssen, weil der zwischen der Könizlihen Staatsregierung und dem hohen Hause bestehende Meinungsuntershied, welher das Nitht- zustandekommen des Gefeßes herbeigeführt hat, ob nämli die Finanzverwaltung in der Lage sei, auf die Steuerzuschläge zu verzichten, nah wie vor besteht. (Hört, hört!) Das Aufkommen aus. dem Ertrage unserer Steuerzushläge wird für das nächste Jahr auf 72 Milltonen geshäßt und es leuchtet ohne weiteres ein, daß die Staats- regierung ganz außerstande ist, auf diese hohe Summe von 72 Millionen zu verzichten, wenn thr niht an anderer Stelle ein Ersaß geboten wird. Manchen von Ihnen erscheint dies sicherlih niht {chwer. Nach ihrer Ueberzeugung läßt es fih bei der Neureglung des Eisenbahnetats im. nächsten Jahre angesichts der hohen Zuweisungen zum Ausgleih8- fonds und angesihts seines hohen Besiandes nicht allzus{hwer er- reihen, \o viel aus den Retnübershüssen der Eisenbahnen für allge- meine Staatszweckle mehr flüssig zu machen, als zum Ersaß der Steuerzushläge notwendig ist. Ich habe {hon im vorigen Jahre diesen Vorschlag bekämpft und für undurchführbar erklärt. In diesem Jahre gibt der Eisenbahnetat mir recht und ih möhte Sie deshalb bitten, sich mit mir den neuen Eisenbahnetat einmal etwas näher anzusehen.

Meine Herren, die Verwendurg der Nèinübershüse der Eisen- bahnen für allgemeine Staatszwecke i nach dem bekannten Abs kommen von 1910. vahin“ geregelt, daß 2,10% tes statistischen