1914 / 30 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

daß die Ostseekonvention demnächst zur Wirklichkeit wird. Eine An- stellung der Beamten bei der Internationalen Meeresforschung ist nicht angängig, da die betreffenden Herren zu {nell wechseln. Deshalb 1st auch eine höhere Dotierung dieses Titels nicht nötig. Die Verhältnisse ¿m Fischereiberuf sind ja keine idealen. Der Beruf ift sehr s{wer. Aber auch die Fishdampfer unterstehen im großen und ganzen den Vor- schriften der Seemannsordnung und der Seeberufsgenossenschaft. Ge- rade die Aufsicht der leßteren ist gegenüber den Mißständen in der Fischerei eine außerordentli strenge. Das {ließt natürlich nicht aus, daß einzelne Verstöße vorkommen. Die Vorschriften über Arbeitszeit und Verpflegung der Seemannsordnung hat man mit gutem Grunde nicht auf das Fischereigewerbe angewandt. Es haben daruber seinerzeit sehr eingehende Verhandlungen geschwebt. Man hat sich aber nicht ent- \chließen können, auch in diesen Punkten die Fischereifahrzeuge den all- gemeinen Vorschriften zu unterwerfen, da es eine Schematisterung nil verträgt. Der Besaßung der Fischereifahrzeuge aeht es aber nicht fo \{lecht, wie es hier dargestellt worden ist. Auf alle angeregten Fragen zu erwidern, bin ih hier natürlih nicht in der Lage. Ich darf jedoch die Hoffnung aus\prechen, daß wir bald in der Lage sein werden, den betreffenden Fonds zu erhöhen. j

Abg. Körsten (Soz.): Für die Fischer gelten heute noh die Vorschriften aus dem 14. Jahrhundert! Die jungen Leute, die dret Jahre in der Marine gedient haben, können sih nicht selbständig machen, sie unterstehen der Aufsicht des Vaters. Die Strafbestim- mungen der Seemannsordnung sind veraltet. Wegen kleiner Ver- gehen wird zuerst eine Strafe von 30 4 verhängt. Diese steigert ih im Wiederholungsfalle auf 50 und 100 4; dann tritt Cntziehung der Konzession ein. Was das bedeutet, wird klar, wenn man si ver- gegenwärtigt, daß die Fischer in der Negel ein kleines Anwesen haben und thren Beruf niht wechseln können. Die Fischmeister herrschen ganz nach Willkür und Gunst, sie verpachten das Wasser an Reiche teuerer als an arme Fischer. Wer Fischer werden will, muß eine Fischer zum Vater haben; ih kenne aber cinen Fischmeister, det Gemüsehändler gewesen ist. Die Regierung muß dafür sorgen, daß diesem Willkürregiment ein Ende gemacht wird. H

Abg. Fegter (forts{hr. Volksp.): Es kommt zunächst darauf an, das Absaßbgebiet für die Seefische zu erweitern, die Konsum- fähigkeit zu erhöhen. Die Mehrzahl der deutschen Hausfrauen wei} noch immer nicht die Seefische richtig zuzubereiten. Da wäre es Pflicht der Regierung, für eine Schrift zu forgen, in der die deutschen Hausfrauen darüber belehrt werden, ein wie billiges und gesundes Bolksnahrungsmittel die Seefische sind. Ich denke dabei vor allem an die kleinen und mittleren Volksschihten. Ich erkenne an, daß die Eisenbahnverwaltung hon manches für die schnellere Beförderung der Seefische getan hat; es könnte aber noch mehr geschehen. Der Vertreter der Regierung sagte, es fehle an Mitteln. Jch meine doch, in diesem Jahr, wo der Wehrbeitrag erhoben wird, müssen doch für einen solhen Zwedck die Mittel vorhanden sein. Wo ein Wille, ist auh ein Weg.

Aba. Noske (Soz.): Es ist außerordentlich charakteristis{ch für die deutschen Zustände, daß der MNegtierungsvertreter eine bewegliche Klage über die Finanznot erhob, wo es sich um lumpige 100 000 mehr handelt. Dabei werden Hunderte und aber Hunderte von Millionen anstandslos für Militärzwecke ausgegeben. Der Ministerialdirektor zog sih darauf zurück, daß ihm das einfshlägige Material nicht zur Hand sei. Gr brauchte es gar nicht, da ich darauf hinwies, daß die gerügten Schäden in der Mangelhaftigkeit der See- mannsordnung begründet sind. Die Regierung hat um der Profit- interessen einer Anzahl von Needern willen wichtige Lebensinteressen der Fischer preisgegeben. Es ist ein unerträgliher Zustand, daß für die Fischer eine Mindestarbeitszeit von 16 Stunden besteht, die sich bis zu drei Tagen steigert. Ich habe auh ausdrücklich die Kontrakt- bestimmung der Glückstädter Reederei zitiert, wonah bei Strafe der Einhaltung des ganzen Lohnes die Schiffsmannschaft sich auh am Löschen ‘der Ladung beteiligen muß; eine solche ungeseßlichhe Bestim- mung müßte doch sofort beseitigt werden. Die Regierung hat nicht mit einem Worte ihre Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben, an dem traurigen Lose der Heringsfisher auch nur das“ geringste zu bessern; danach bleibt den Fischern nur noch das einzige Mittel, ihre eigene Organisation zu stärken, um fo der Erfüllung ihrer berechtigten Wünsche vorzuarbeiten.

Damit {ließt die Erörterung; der Titel wird bewilligt und die Resolution der Nationalliberalen angenommen.

Für die Unterstüßung deutscher Seemannsheime im Auslande sind 28000 4/6 ausgeworfen, 6000 4 mehr als im Vorjahre.

Abg. Me ye r - Herford (nl.) dankt der Reichsverwaltung für die Erhohung des Fonds und führt dann aus, daß Deutschland in bezug auf diese Seemannsheime schon immerhin viel geleistet habe und hinter England niht mehr allzu weit zurückstehe. Auch die deutsche Seemannsmission habe ihre großen Verdienste; trgendein Zwang auf die Seeleute werde von thr nicht geübt, auch keine religiöse Propaganda getrieben, es werde in diesen Seemannsheimen christlich national ohne jede fonfessionelle Einseitigkeit gewirkt, sie würden feinen anderen Zwecken dienstbar gemaht. Dex Nedner gibt dann einen UÜeberblick über die Zahl der Seemannsheime, thre Einrichtung und ihre bisherige Wirksamkeit. Den bedeutenderen Heimen seien neue Aufgaben zugewiesen in der Errichtung von Heuerbureaus und in der Annahme von Heuerersparnissen; beide neue Zweige hätten bereits segensreihe Grfolge aufzuweisen. ;

Abg. Siv ko vi ch (fortshr. Volksp.): Die deutsche Seemanns- mission hat besonders in England und in New York 1n der Aufbe- wahrung von Seemannsheuern große Erfolge erzielt und die deutschen Seeleute im Auslande zu praktischer Sparsamkeit erzogen; diese Ein- richtung hat in hervorragendem Maße zur Förderung der Wirksamkeit der Seemannsheime beigetragen. Von ihren beiden neuen Aufgabe- zweigen ist in érster Linie die Errichtung von Heuerbureaus sehr be- achtenswert, weil sie den noch heute bestehenden groben Mißständen auf dem Gebiete des Heuerpaßwesens zu steuern geeignet erscheint. Wir hoffen, daß im nächsten Jahre zum Ausbau dieser Institution eine weitere Erhöhung des Fonds erfolgen wird; eine Summe von etwa 50 000 4 im Ordinarium ist mindestens für diese Seemannsheime er- forderlih. Wie steht es mit der Aufnahme von kranken Seeleuten in ein Krankenhaus, und kann dabei die Vermittlung der Seemannsheime in Anspruch genommen werden?

Der Titel wird bewilligt. L ;

Die Subvention für die ostasiatischen und australischen Postdampferlinien is in diesem Etat einstweilen nur mit der halben Summe von 3 045 000 s eingeseßt, weil die bezüglichen Verträge mit dem Norddeutschen Lloyd mit dem 30. Sep- tember d. J. ablaufen und die Neuregelung der Erwägung unterliegt.

Wie der Referent der Budgetkommission

Abg. von Graefe (dkons.) mitteilt, hat der Staatssekretär in der Kommission sich bereit erklärt, die neuen Verträge dem Hause bald- möglichst zur Kenntnis zu bringen.

Ünter den „Allgemeinen Fonds“ stehen auch 1000 s für Maßregeln gegen die Neblauskrankheit.

Abg. Peiro tes (Soz.) führt Beschwerde über die zu shematische und unzulänglihe Durchführung des MNeblausgeseßes. Der Redner wünscht ferner Auskunft über die Behandlung der Beschwerden betreffs zu rigoroferer Auslegung der Bestimmung dieses Geseßes. Die Kosten für Bekämpfung der Reblaus hätten in Clsaß-Lothringen immer mehr zugenommen. Dagegen sei für den Weinbau selbst so gut wie nichts geschehen.

Direktor im Reichsamt des Innern von Jonquières§: Wegen der Zulassung von Ausnahmen wird jedesmal an Drt und Stelle mit Sachverständigen verhandelt. Man kann aber niht immer so {nell zu- einer Entscheidung kommen. In Bingen hat eine Versammlung itattgefunden, an.der neben Winzern auch Mitglieder des Reichstags und Vertreter der betreffenden Regierungen teilgenommen haben. Auf

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Grund des Ergebnisses diesex Versammlung ist unter den Regierungs-

vertretern im Laufe des Oktobers in Würzburg weiter darüber verhandelt worden, inwieweit die Bestimmuüngen des Bundesrats über die Aus- führung des Reblausgeseßes abgeändert werden können. Bis auf wenige Punkte ist nur die notwendige Aufklärung zu schaffen. Sobald die Er- örterungen zu Ende sind, wird eine neue Vorlage an den Bundesrat eingebracht werden. j :

Abg. Dr. Ha e g y (Els) hält alle bisher angewandten Mittel für vollständig unwirksam. Man solle sh da die Erfahrungen des Aus- landes zum Muster dienen lassen. Ganz besonders vorbildlich sei das Vorgehen des Kantons Neuenburg. Ueberall sei man von dem Wege abgegangen, den wir eingeschlagen haben. Auf jeden Fall müsse aber die Cntschädigungsfrage anders geregelt und die vielen Verxationen ein- gestellt werden. Da es bisher nicht gelungen sei, die Reblaus auszu- rotten, so müsse man nach anderen Mitteln suchen und wie Frankreich auf die ameritanische Nebe zurückgreifen. In den leßten 10 Jahren sei infolae der Reblausbekämpfung allein für 39 Millionen Mark weniger Wein geerntet worden, als sonst möglich gewe}en ware. Auf jeden Fall müsse auf die süddeutschen Verhältnisse Rücksicht genommen werden.

Abg. Bee r - Hessen (nl.) erklärt, daß die hessischen Winzer unbedingt an dem Meblausgeseß und dem Ausrottungsverfahren fest- halten wollen. Es müßten aber größere Versuche mit dem Anbau der amerifanishen Reben und möglichst an vielen Orten gemacht werden. Es sei bereits eine Reihe von solchen Mustergärten an- gelegt worden. Dié Ausführung des Geseßes müßte möglichst ein- heitlih gehandhabt und die benachbarten verseuchten Gebiete als einheitlih verseuchtes Gebiet betrahtet und behandelt werden.

Abg. Dr. Paas che (nl.) ist ebenfalls für eine einheitliche Be- handlung und spricht sih für ein möglichstes Entgegenkommen gegen- über den Winzern aus. Die ganze Frage müsse praktischer behandelt und die Erfahrungen anderer Länder berücksichtigt werden. (És handle sih doch um ungeheure Verluste.

Der Titel wird bewilligt und darauf Vertagung be- \{hlofsen.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sißung Mittwoch 1 Uhr. (Fortseßung der Beratung des Etats Des Reichsamts des Jnnern: Diskussion über die zur Ausführung des Reichs vereinsgeseßes zum Titel Staatsfekretärgehalt eingebrachten Resolutionen.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 17. Sizung vom 3. Februar 1914, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht die Junterpellation der Abgg. Brust und Genossen (Zentr. ):

Ft die Staatsregierung in der Lage, über die Ursachen des Grubenunglücfs auf der Zehe Achenbach im Landkreise Dortmund am 30. Januar 1914 Mitteilung zu mohen? Welche Maßnahmen gedenkt die Staatsregierung zur Verhütung der häufigen Unglücksfälle in der Zukunft zu 1reffen ?

Nach der Begründung der Jnterpellation durch den Abg. Jmbusch (Zentr. ), über die bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, nimmt zu deren Beantwortung das Wort der

Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow:

Meine Herren! Als sih am vorigen Sonnabend die Nachricht von dem Grubenunglück auf der Zehe Minister Achenbach verbreitete, hat das hohe Haus eine Beileidskundgebung beschlossen, dur die es den Verunglückten und ihren Angehörigen seine wärmste Teilnahme aussprach. Sie haken dadur, meine Herren, bei allen Angehörigen der Bergverwaltung eine gleichgestimmte und daher „stark mit- \hwingende Saite berührt. Auch wix sehen es nicht nur als unsere Aufgabe an, mit Willen und Verstand die bei solhen Unfällen wieder zutage tretenden Gefahren zu bekämpfen, sondern wir fühlen in dexr Bergverwaltung alle, ob wir auf seiten der Bergpolizei, auf seiten der Arbeitgeber oder auf seiten der Arbeitnehmer stehen, das were Leid von Herzen mit, das dur solche Unfälle über zahlreiche Familien hereinbricht. Aus diesem Grunde möchte ih Ihnen vor allem für Jhre Kundgebung hier namens der gesamten Bergverwaltung, sowohl der privaten wie der staatlichen, von Herzen danken. (Bravo!)

Als die staatliche Bergverwaltung von dem Unfall, der sih am Abend des vergangenen Freitag gegen 614 Uhr ercignete, Kenntnis er- hielt, hat sie sofort die Maßregeln zur Feststellung des Tatbestandes und zur Aufklärung der Ursachen ergriffen. Bereits um 8 Uhr fuhr der zuständige Bergrevierbeamte cin; am Abend war der Berghaupt- mann von Dortmund und sein Referent an Ort und Stelle. Sie sind um 1214 Uhr in die Grube gefahren und doxt bis gegen 4 Uhr ge- blieben. Jch selbst habe am Sonnabend den Referenten der Mis- nisterialabteilung für Bergwesen an die Stätte des Unglüks entsandt, und er hat den Sonntag zu einer Untersuhung an Ort und Stelle und zur Einfahrt in die Grube benußt.

So bin ih in der Lage, Jhnen die Mitteilungen auf Grund von authentischen Feststellungen zu machen, die zu einer Zeit, wo sich der Tatbestand noch wenig verändert haben konnte, getroffen find. Das Ergebnis der Ermittlungen ist folgendes:

Zunächst einige Worte über die allgemeinen Verhält- nisse der Unglüdtksstätte. Das Unglük hat sih im Süd- feld der den Gebrüdern Stumm gehörigen Fettkfohlengrube Minister Achenbach, und zwar in den beiden Flözen 19 und 21, ereignet. Von diesen beiden Flözen ist das Flöz 19 das übergelagerte, das Floz 21 befindet sich darunter. Das Floz 19 wird von der dritten Tiefbau- sohle, die sih 660 Meter unter Tage befindet, im Strebbau nach aufwärts abgebaut. Die zweite Tiefbausohle befindet sih in 520 Meter Teufe, und zwischen beiden in der Mitte, also in 590 Meter Teufe, ist eine Teilsohle. Zwischen dieser Teilsohle und der dritten Tief- bausohle ist die Stätte des Unfalls.

In Flôz 19 «arbeitete die Steigerabteilung des Hilfssteigers Dietrich, die an dieser Stelle mit 22 Mann tätig war. Die andere Hälfte der Steigerabteilung war in Flöz 21 beschäftigt. Dort arbei- teten 20 Mann. Die Arbeitsstelle in Floz 21 war mit der in Flöz 19 durch cinen Querschlag im Niveau der Teilsohle zu Forderungs- und Bewetterungszwecken verbunden. Es handelt sih also im ganzen um 42 Arbeiter in beiden Abteilungen, zu denen noch 4 Hilssmann- chaften kamen, sodaß im ganzen 46 Mann vor Ort tätig waren. Zu diesen kam dann noch der Fahrsteiger, der sih zur Zeit des Unfalls in dem Hauptquerschlag befand.

Die leßte Befahrung durch bergpolizeilihe Beamte hat am 27. November 1913 und am 3. Januar d. J. durch Einfahrer statt- gefuniden, die damals alles in Ordnung befunden haben. Die leßte Befahrung durch den Sicherheitsmann hat «an 26. Juli vergangenen Jahres stattgefunden (Hört, hört!); das muß auffallen, erklärt sich aber in folgender Weise: Der Sicherheitsmann war der Schicß-

meister der Abteilung, der täglih an Ort und Stelle zu tun hatte und erklärt hat, er habe täglich die Strecke begangen daran ist auc niht zu zweifeln und habe seine Mitteilungen dem zuständigen Steiger jedesmal gemacht, sodaß also nah feiner Auffassung nur in- sofern eine formelle Unterlassung vorliegt, als er seine Fahrten nicht in das Fahrtenbuch eingetragen hat.

Slagwetter sind in den Flözen 19 und 21“ vor ‘dem Unfal][ weder vom Wettermann, noch vom Grubenbeamten, noch von den Mettersteigern, noch von den Bergpolizeibeamten je gefunden worden.

Zum Schießen wurde in beiden Flözen Sicherheitssprengstoff verwendet. Als Lampen dienten die Benzisicherungslampen, gaußer- dem waren in der Grube %0 elektrishe Lampen zur Probe verwendet.

Was nun den Hergang des Unfalls betrifft, so ist die (Frplosion, wie ih bereils sagte, am vergangenen Freitag um 614 Uhr Abends vor si gegangen. Sie hat ihren Ausgang von Flöz 19 ge- nommen, ist hinüber ges{lagen nah Flöz 21 und rückwärts zum Hauptquershlag der dritten Sohle, .dem Wetterstrom entgegen. Ich bemerke dabei, daß die Bewetterung gerade diejer beiden Arbeitsstellen darum sehr günstig war und weit über die bergpcolizeilichen Vorschriften hinausging, weil der einzichende Wetterstrom aus der Tiefbausohle 3 unmittelbar zur Unfallstelle geleitet wurde. Also diesem Wetter- strom entgegen {lug die Erxplosionsflamme auh nah dem Haupt: quershlag der dritten Sohle hinüber, traf hier mit großer Gewalt den Fahrsteiger, den sie tötete und weit fortshleuderte. Ebenso ist der Hilfssteiger auf diesem Hauptquerschlag ein Opfer seines Berufes geworden. Auf Flöz 19 wurden durch die Explosion 14 Mann, auf Flôz 21 weitere 8 getötet; im ganzen haben wir also den Tod von 94 Knappen zu beklagen. Die Leichen sind sämtlich geborgen. Außer ibnen sind 7-Verleßte im Krankenhause, die noch nicht vernehmungs- fähig sind.

Der Hauptquerschlag ist infolge der Explosion stark zu Bruche gegangen, desgleichen verschiedene Teile der Betriebsstrecke. Koks- perlen sind nur in geringer Menge in Flöz 19 gefunden, in Flöz 2 gar nicht, sodaß wohl daran kei nZweifel ist, vaß hier eine Schlag- wetterexplosion, keine Kohlenstaubexplosion vorliegt.

Der Ministerialkommissar, der hier anwesende Geheime Ober- bergrat Cleff hat bei der Befahrung am Sonntag nirgends Schlag- wetter feststellen können. Woher nun die Schlagwetter ge- kommen sind, ist nicht aufgeklärt, ebensowenig die Ursache der Ent- zündung. Immerhin werden die Ermittelungen noch fortzuseßen sein. In bezug auf den Ursprung der Schlagwetter is möglicherweise eine Fährte in folgender Richtung zu suchen. Der Herr Kommissar der Ministerialabteilung hat bei seiner Befahrung im Liegenden des Flóz 19 eine Senkung gefunden, welche Risse zeigte, hat allerdings damals keine Schlagwetter dort entdeckt. Nach einer mir heute früh zugegangenen Mitteilung hat der Bergrevierbeamte bei seiner gestrigen Befahrung das Hervortreten von Schlagwettern aus diesen Nissen festgestellt. Ferner werden natürlih die Verleßten, sobald sie ver- nehmungsfähig sind, noch zu hören sein, ob sie über die Ursache der Entzündung irgend etwas sagen können. Es is auch nicht ausge- \{lossen, daß sih bei den Aufräumungsarbeiten aus dem Zustand der Sicherheitslampen erkennen läßt, ob bei deren Gebrauh irgend etwas verfehlt ist.

Der Herr Kommissar der Ministeriälabteilung hat den Sicher- heitsmann eingehend über feine Wahrnehmungen vernommen. Der Sicherheitsmann ist nämlih dadurch gerettet, daß er sih zur Zeit der Explosion in dem Betriebe des Flöz 21 befunden hat. Er ift seit dem 16. Lebensjahre Bergmann, 37 Jahre alt, 8 Jahre auf Zeche Achenbach tätig. Er hat erklärt, daß er bei seinen täglichen Unter- suhungen der Strecke die Bewetterung in Ordnung gefunden habe. Die Lampen sfeien in gutem Zustande gewesen, Schlagwetter habe er nie wahrgenommen. Jn der Belegschaft dieser Steigerabteilung seien viele ältere Leute gewesen und kein großer Wechsel. Die Berieselung sei in Ordnung gewesen, und an Wasser habe es nicht gefehlt. Festgestellt is ferner, daß zur Zeit des Unfalls nicht geschossen is und daß auch nicht etwa der Schießmeister Schießmaterial an andere ab- gegeben hat.

Ich will noch der Vollständigkeit halber bemerken, daß der Un- fall, der in der Zeche Minister Achenbach sih vor 13 Monaten, im Dezember des Jahres 1912 zugetragen hat, ebenfalls im Südfeld aber in anderen Flözen geschehen ist, nämlih in den Flözen 17 und 18, die dem Flöz 19 überlagert waren, und daß er damals von dort nah Flöz 16 übergesprungen ist. Bei jenem Unfall hat in- folge der Schlagwettererplosion ein großer Brand stattgefunden; damals waren 47 Tote zu beklagen.

Was den zweiten Teil der Anfrage betrifft, welche Maßnahmen die Staalsregierung zur Verhütung in Zukunft zu treffen beabsichtigt, so ist es wohl bekannt, daß die Staatsbergbauverwaltung, solange sie besteht, einen unausgeseßten Kampf gegen die Gefahren des Berg- haues führt. Der Herr Interpellant hat niht mit Unrecht hervor- achoben, daß die Gefahren der Schlagwetter nich? diejenigen sind, welche die meisten Opfer fordern, sondern daß dur Stein- und Kohlen- fälle viel mehr Todesfälle herbeigeführt werden. Immerhin machen die Schlagwettererxplosionen in der Oeffentlichkeit natürlich dadurch einen stärkeren Eindruck, daß sie zwar im ganzen selten, aber dann mitunter mit einer so elementaren Gewalt auftreten, daß die Zahl der zu Tode Gekommenen überraschend groß ist. Ich erinnere an Nadbod mit etwa 350 Todesfällen, Neden mit 100 und einigen fünf- zig Toten, Lothringen mit 117 Toten, Osterfeld mit 18 und dazu die beiden Unfälle auf Zehe Minister Achenbach.

In dem Kampf mit den Gefahren des Bergbaus hat sich die Vergverwaltung in allen wichtigen Fragen besonderer Kommissionen bedient, durch die sie tehnische Verbesserungen vorbereiten ließ. Ic erinnere an die Schlagwetterkommission, die von 1880 bis 1887 tagte, und deren Arbeiten verbesserte Bestimmungen über die Bewässerung und Berieselung zur Folge hatten; dann die Stein- und Kohlen- fallklommissionen, die im Jahre 1898 und in den folgenden Jahren vereinigt war und Vorschriften über den systematischen Ausbau bracht: In dieser Beziehung möchte ih dem Herrn Interpellanten bemerken, daß Vorschriften über den systematischen Ausbau, soweit ein solcher überhaupt durch unmittelbare Anordnungen der Bergpolizeibehörde erzwungen werden kann, sich in den §8 32 und 33 der Bergpolizei- verordnung für die Steinkohlenbergwerke des Dortmunder Bezirks befinden. Endlich besteht noch jeßt die Seilfahrtkommission, deren Arbeiten demnächst zum Abschluß gelangen werden, und die bedacht ist, die mit der Seilfahrt verbundenen Gefahren herabzumindern.

Was nun insbesondere die mit den Explosionen verbundenen Gt- fahren betrifft, so haben gerade die Unfälle der lezten Jahre ¿l

erneuten Prüfungen geführt. Die Explosionen sind einmal beim Schießen und fodann bei irgend einer unvorsihtigen Behandlung der Lampen zu befürchten.

Was nun zunächst die mit dem Schießen verbundenen Gefahren anlangt, so is die Bergverwaltung fortgeseßt bemüht, daß ver- besserte Sprengstoffe angewendet werden. Diesen Zwecken dienen insbesondere die beiden Versuchsstrecken zu Herne, die von der Knapp- \haftsbevufsgenossenschäft und der Berggewerkschaftskasse, also in der Hauptsache von dem privaten Bergbau, unterhalten wird, und die staatliche Versuchsstrecke in Neunkirchen. Das Unglück auf der Zeche Lothringen hat ferner den Anlaß gegeben, in den \chlagwettergefähr- lien Zechen des Dortmunder Reviers eine Reihe einschränkender Verordnungen zu erlassen, die ih {on einmal. bei der Etatsberatung hier streifen konnte, die ih aber der Vollständigkeit wegen heute auch erwähnen muß. Es is vom Oberbergamt in Dortmund bestimmt, daß in den sclagwetterge{ährlihen Gruben einmal im Gestein derart vorgebohrt werden muß, daß man nicht beim Schießen zur eigenen Ueberraschung auf die Kohle kommt; denn in der Kohle darf nur mit Sicherheits\sprengstoffen, niht aber auch mit anderen Sprengstoffen geschossen wecden. Es ist ferner das Laden und Beseben der Schüsse durch das Aussichtspersonal oder unter seiner unmittelbaren Aufsicht zur Pflicht gemacht. Weiter ist beim Wegtun der Schlisse die An- wendung von Momentzündern vorgeschrieben im Gegensaß zu Zeit- zündern, weil bei diesen die Gefahr besteht, daß durch den späteren Schuß die vom früheren Schuß ausgelöste, frei gewordene Gasmenge zur Erploston gebracht werden könnte. Endlich ist bestimmt worden, daß bei dem Ueberbrehen nicht eher geschossen werden darf, als bis im Querschnitt des Ueberbrehens der Wetterstrom wieder erreicht worden ist.

Was sodann die Lampen angeht, so ist seit Jahren auf den be- sonders gefährdeten Zechen wie z. B. in Nadbod die Anwendung elef- trisher Sicherheitslampen vorgeschrieben, wenigstens für die Berg- arbeiter. Das Bergaufsichtspersonal darf andere führen. Es ist ferner dem hohen Hause bekannt, daß infolge des Unfalls auf der Zeche Lothringen durch die hocherzige Jnitiative Seiner Majestät des Kaisers Untersuchungen in Angriff genommen worden sind, welche bezwecken, eine leichte Erkennung der Sclagwettergefahr ohne Ver- wendung der offenen Flamme zu erreichen. Der Herr Interpellant hat bereits als Ergebnis dieser Bemühungen die Konstruktion der Schlagwetterpfeife des Geheimrats Haber erwähnt, die durch ein gewisses Vibrieren des Tones das Vorhandensein eines größeren Methangehalts in der Luft erkennbar macht. 100 Pfeifen dieser Konstruktion sind bestellt und werden versucht werden. Es ist nit zu leugnen das kam auch in den Worten des Herrn Interpellanten zum Ausdruck —, daß die Bergarbeiter selbst diesen Versuchen zunächst nit einem gewissen Mißtrauen gegenüberstehen, weil eine solche Pfeife allerdings nit so leiht wie der Lichtkegel der Grubenlampe jeder- mann das Eintreten von matten Wettern erkennbar mat. Immer- hin müssen wir sehen, wie sih die Lampe praktisch bewährt.

(s ist ferner von Zeyß in Jena ein Apparat, der \fôgenannte JInterferometer konstruiert worden, der tragbar und zum Gebrauch durch die Wettersteiger bestimmt ist, und auf optishem Wege leichter als bisher den Prozentsaß des Methangcehalts in der Luft bestimmen laßt.

(Sndlich ist zu erwähnen das Ausschreiben, das der Bergbauliche Verein für den Oberbergamtsbezirk Dortmund zum Zweck der Her- stellung einer elektrishen Sicherheitslampe, die zugleih die Verän- derungen im Grubengasgehalt der Luft erkennen läßt, hat ergehen lassen. Der Wetteranzeiger soll mindestens in gleichem Maße wie die Benzingrubenlampe Grubengas und matte Wetter anzeigen, die Lampe elektrisch und völlig \{lagwettersicher sein und eine Leucht kraft von mindestens einer Hefnerkerze haben, auch wenigstens, wenn ih nicht irre, 12 Stunden ununterbrochen brennen können. Für die Konstruktion dieser Lampe war ein Preis von 25000 # ausgeseßt. Die Bewerbungen um den Preis sind zum vorigen 1. Oktober ein- gegangen. Sie werden jeßt geprüft, und das Ergebnis wird abzu- warten sein.

Wenn Sie nun nach den Erfolgen aller diefer Bemühungen fra- gen, so muß ih zugestehen, wie es auch der Herr Interpellant ge- sagt hat, daß im allgemeinen eine Verminderung der Unfälle, ins- besondere der tötlichen Unfälle, nicht damit erreicht ist. (Abg. Gro- nowski: Hört, hört!) Jn bezug auf die Explosionen liegt die Sache allerdings etwas günstiger. Hier kann man wohl sagen, daß die Be- mühungen der BVergverwaltung von einem gewissen Erfolge gekrönt sind, insofern als die Zahl der Erxplosionen erheblich zurückgegangen ist. Von 1881 bis 1890 hatten wir im Jahresdurhschnitt 1162 Grplosionsfälle. Diese Zahl ist in den Jahren 1891 bis 1900 auf 00,5, in den Jahren 1901 bis 1910 auf 30,7 zurückgegangen. Aber auf der andern Seite ist nicht ein ähnlich gleichmäßiger Nückgang in der Zahl der getöteten Personen eingetreten; und das erklärt sich ganz natürlich, weil einzelne Massenerplosionen den ganzen Durch- {nitt vershieben und menshliches Können es ja nicht in der Hand hat, zu bestimmen, wie weit die Schlagkraft einer Explosion reit; die Bemühung kann nur auf gänzliche Vermeidung der Explosionen gerichtet sein.

In den Jahren 1881 bis 1890 war die Zahl der bei Schlag- wettererplosionen tötlih verunglückten Personen im Jahresdurch- schnitt 100, in den Jahren 1891 bis 1900 ist sie auf 72,2, in den Jahren 1901 bis 1910 auf 69 zurückgegangen. Aber wenn man diese Jahre einzeln ansieht, findet man sehr große Verschiedenheiten. Das Jahr 1907 mit dem Unglück auf Grube Reden bringt 157 Tote, 1908 mit Nadbod 376 Tote, das Jahr 1906 dagegen nur 6 Tote. Ebenso im Jahre 1911 sind 37 Todesfälle festgestellt worden; da- gegen im Jahre 1912 190. Darin stecken die Zahlen von Lothringen, Osterfeld und Minister Achenbah. Die Gründe nun, weshalb im allgemeinen kein Zurüdgehen der Unfälle eingetreten ist, hat zum Teil der Herr Interpellant nach einem Zitat angegeben, aus der Mit- tcilung, die diesem hohen Hause seitens der Bergverwaltung zuge- gangen ist und welche die Bergwerksindustrie und die Bergverwaltung Preußens im Jahre 1912 behandelt. Es ist dort allerdings gesagt:

Das Bestreben, eine möglichst hohe Förderung zu erzielen, kann leiht dazu führen, daß die Sicherheitsvorschriften weniger genau beachtet werden. Außerdem wird durch den Zuwachs un- geübter Kräfte das Gefahrenmoment im Grubenbetriebe nicht un- wesentlih erhöht.

Aber es kommen noch andere Momente dazu. Insbesondere die erhöhte Schlagwettergefahr in der größeren Tiefe, und der Stein- tohlenbergbau muß ja in immer größere Tiefen hinabstcigen, damit

ist das Anschlagen gasreicher Flöze verbunden, dann aber auch die in- tensivere Förderung. Der Herr Interpellant hat von der Jagd nach Kohlen gesprochen; aber man darf die Sache doch nicht so einseitig darstellen. Wir haben in der Tat einen großen Mehrbedarf an Kohlen, der mit“ den gesteigerten Bedürfnissen unserer Industrie zu- sammenhängt. Wir haben ferner, wie nit zu verkennen ist, in den bergbaulichen Bezirken allgemein das Saarrevier macht eine Aus- nahme nit die Arbeiter, die zur Beschaffung dieser Menge Koh- len notwendig sind. Darum und nicht aus Lohnrücfsichten sind die ausländischen Arbeiter hinzugezogen. Jeder Bergwerksbesitzer wird froh sein, wenn er von ausländischen Arbeitern absehen und {tatt dessen deutsche nehmen kann. Nach den Bestimmungen der Béêrg- polizeiordnung ist insofern auh auf die sprahlihen Schwierigkeiten, die sh bei den ausländischen Arbeitern für den Betrieb ergeben, AHüdcksiht genommen, als der § 336 vorschreibt, daß als Aufsichts- beamten, Maschinenführer, Pumpen- und Kesselwärter, Ortsältesten, Schachtreparaturhauer, Anschläger usw. usw. fremdsprahliche Ar- beiter nur beschäftigt werden dürfen, wenn sie deuts{ch sprechen und deutsche Schrift und Druck lesen können, im übrigen aber nah § 335 fremdsprachlihe Arbeiter nur im Bergbau usw. beschäftigt werden dürfen, wenn sie des Deutschen soweit mächtig sind, daß sie münd- liche Anweisungen ihrer Vorgeseßten und Mitarbeiter richtig auf- fassen und wiedergeben können. Es ift also Aufgabe der Angestellten der Werksbesißer, für eine Aufklärung der Leute möglichst Sorge zu tragen; darin kann ih dem Herrn JInterpellanten nur beistimmen.

Neben den von mir erwähnten bergpolizeilihen Vorschriften haben wir uns dann bemüht, auf organisatorischem Wege dadurch für die Sicherheit zu sorgen, daß die zur Kontrolle der Befolgung der bergpolizeilihen Vorschriften vorhandenen Organe in ausrei- chendem Maße vorhanden sind. Während wir am 1. April des Jah- res 1899, abgesehen von einigen Assessoren, im wesentlichen nur 65 Bergrevierbeamte hatten, sind damals die staatlichen Einfahrer, also Beamte ohne höhere Ausbildung aber mit reichlichen technischen Er- fahrungen, die die Kontrolle in den Gruben wahrnehmen, eingeführt worden, und es sind dann später noch Nevierinspektoren und Assesso- ren in größerer Zahl den MNevierbeamten beigegeben worden, s\odaß fich die Zahl der mit der Staatsaufsicht beschäftigten Beamten im Jahre 1901 auf 150, jebt auf 216 erhöht hat. Es interessiert viel- leicht die Feststellung, daß in Preußen auf 3430 Arbeiter eine solche Aufsichtsperson entfällt, während in England nur auf 23 700 eine Aufsichtsperson kommt. Also glaube ich niht wenn auch die Ver- haltnisse ganz gleih sind —, daß wir in dieser Beziehung zu wenig getan haben.

JInterpellañt hat der Meinung Ausdru gegebe durch eine bessere Ausbildung des vor einigen Jahren geseßlid geführten Instituts der Sicherheitsmänner die Gefahren wesentlich würden vermindert werden können. Er hat sowohl gegen die \taat- liche wie gegen die private Bergverwaltüng den Vorwurf erhoben, daß ste den Sicherheiksmännern nicht die genügende Förderung haben zu- teil werden lassen. Jch habe bereits früher ausgesprochen und wieder- hole es, daß da, wo uns bekannt geworden ist, daß die Bergwerks- besißer den Sicherheitsmännern nicht in der Weise, wie das Gesetz f vorausseBt, entgegengefommen find, überall ven feiten der staat- ichen Bergverwaltung eingeschritten ist. Neuerdings sind mir Klagen nach der ichtung hin niht zu Ohren gekommen.

Eins ist aber zuzugeben: daß das Interesse der Bergarbeiter felbst an dem Institut der Sicherheitsmänner nachgelassen hat. Die Schwächen dés Instituts liegen ja darin, daß die Sicherheitsmänner nicht in dem Maße technische Kenntnisse besißen, wie die oberen Beamten. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen. Widerspruch und Zurufe bei den Soz.) Es ift festgestellt, daß Sicher- heitsmäanner wiederholt Mängel nicht wahrgenommen haben, die der bald nachher kommende Nevierbeamte oder Einfahrer erkannt hat. (Hört, hört! b. d. Natl.)

Zweitens liegt ein Mangel darin, daß vielfah die Sicherheits- männer Mängel, die auf dem Verschulden ihrer Mitarbeiter beruhten, nicht zur Anzeige gebraht haben (Sehr richtig! b. d. Natl. und rechts), weil sie, wenn sie dies getan hätten, sih die größten Unc nehmlichkeiten zugezogen hätten. (Zuruf b. d. Soz.: A waltung!) Ich weiß, daß Sie nachher sagen werden: Führen Sie doch

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von den Arbeitern gewählte, vom Staate besoldete Kontrolleure cin.

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Ich will Jhnen von vornherein antworten: Jch denke gar nicht daran; denn dann würden sich dieselben Mängel finden und fogar in potenzierter Form dadurch, daß diese Kontrolleure sich als Vertreter der Arbeiterorganisationen, zu denen sie gehören, fühlen und deren Agitation unter Tage tragen würden. (Sehr richtig! rechts und b. d. Natl.) Wir haben eine Mitwirkung von Arbeitern bei der Bau- fontrolle in Bayern, und das Ergebnis ist, daß bei der Baukontrolle in Bayern immer noch mehr Unfälle passieren, obwohl Arbeiter mit wirken, als bei der polizeilichen Baukontrolle in Preußen, wo keine Mitwirkung stattfindet. (Hort, hort! b. d. Natl.) Also ein Pangazee ist das auch nicht. (Zurufe b. d. Soz.: Das ist kein Beweis dafür!)

Jch kann {ließen mit der Versicherung, daß wir uns weiter be- mühen werden, den leßten Ursachen des beklagenswerten Unglücks, das sfih am vorigen Freitag auf der Grube Minister Achenbach zu- getragen hat, auf den Grund zu kommen, und daß wir im Kampfe gegen die Gefahren des Bergbaues nicht erlahmen wèrden. Freilich, darüber muß man sich klar bleiben: der Bergbau ist seiner Natur nah mit großen objektiven Gefahren verknüpft, und alle bergpolizeilichen Vorschriften können sie nicht ganz beseitigen, solange ihre Ausübung in der Hand fehlsamer Menschen liegt und solange Elementar- ercignisse eintreten, die sih von der menschlichen Weisheit nicht vor- aussehen lassen, und die so stark sind, daß sie durch menschliche Kräfte nicht völlig überwunden werden konnen. Aber was an uns liegt wollen wir tun, im wirtschaftlichen, vor allem aber auch im mens{- lichen Juteresse. (Lebhaftes Bravo.)

Auf Antrag des Abg. B r u st (Zentr. ), der von allen Parteien unterstüßt wird, tritt das Haus in die Besprechung der Juter- pellation ein.

Abg. S ch ul z e - Pelkum (konf): Wie uns der Minister mitteilte- find die Untersuhungen über die Ursache des Unglücks noch nicht ab- ges{lossen. Soviel wir jedoch bisher erfahren haben, ift direktes Verschulden irgend einer Instanz nit zu erkennen. Wir haben zu der Staatsregierung das Vertrauen, daß sie uns Mitteilung macht, sobald die Untersuhung abgeschlossen ist, Auch wir meinen, daß die Negterung heute natürli noch nicht sagen kann, welche Mittel fie anwenden will, um folchen Unfällen vorzubeugen. Aber wir haben auch hier das Vertrauen, das alles gesehen wird, was menschen- möglich ist.

„gegcben.

Abg. Traub (fortshr. Volksp.): Ehe" nlcht die Unter- suchung abgeschlossen ist, können wir natürli kein endgliltiges Urtéil abgeben. Jch weise nur darauf hin, daß auch über die Entstehungs- ursache ‘des Unglücks im Dezember 1912 noch keine völlige Klarheit herrsht. Dankbar begrüßen wir es, daß der ieziae Vorfall uns Ge- legenheit gibt, die Frage nach den Mitteln zur Verhütung künftiger Unfälle uns vor Augen zu führen. Gerade der Bergarbeiter hat in- folge der geshichtlihen Sonderstelung des Bergbaus ein besonderes Anrecht auf Shuyz. Die Nation ehrt ih selbst, die ihre werktätige Arbeit ehrt. Es muß auch von dieser Stelle aus gesagt werden, doß wir ftolz darauf sind, daß wir nicht hinter den englischen Sicherheitszuständen zurüsteh-n, sondern daß die Engländer sogar manche unserer Einrihtungen übernommen haben. Aber was nügen alle Sicherhetitsmaßregeln, wenn fie nit sinnzgemäß verwendet werden. Der Arbi iter muß selbst in die Lage versezt werden, die nötigen

Sicherheitsmaßregeln im rihtigen Moment anwenden zu fönnen.

eshalb ift eine allzulange Arbeitszeit verk ängnisvoll, die es nit immer möglich macht, die nötigen Unfallverbütungêvorschriften anzuwenden. Die Zusammensetzung der Arbeiterschaft gerade in unserem westlichen Bergbaurevier ist eine internationale. Man muß deshalb auf den außerordentli erzieherishen Wert der Arbeiterorganifation hin- weilen, der aus den Menschen den größten Menschheitéwert herausholt. Jeder gebildete Arbeiter, der organifiert ist, ist tatsächlich für eine sinkende Unfallziffer günstig, während jeder ungebildete Arbelter ein Steigen der Unfallziffer bedeutet Der Einrichtung der Sicherheits- männer muß ein viel größeres Gewicht als bisher beigelegt werden. In erster Linie muß für die Nechtssicherheit der Sicherbeitsmänner geforgt werden. Sie dürfen nit nur geseßlich verbürgt sein, sondern es missen au alle Konsequenzen daraus durchgeführt werden. Inter- ejjant ist, was der Minister im Vergleih der engl:\hen mit den deutshen Sicherheitsziffern anflihrte. Die niedrige Zahl in England rührt wahrsceinlich daher, daß ber englishe Arbeiter in einem engeren Verhältnis zu feiner Werkleitung steht, und dort die Stimme des Arbeiters mehr gehört wird als bei uns. Ih möchte die Gelezerheit nicht vorübergehen lassen, um auch der Gefahren der NRettungsmannschaften zu gedenken. Des- halb muß das im Reichstage in Ausficht gestellte Reichsgeseß über die Fürsorge bei Nettungslcistungen bald kommen. Es ijt eine Ebrenpflicht für das deutsche Volk. Trotz aller bisherigen Be- mühungen ist es in Preußen niht mögli gewesen, die Summe dér Unglüdsfälle im Jahre wesentlich zurückzudrängen. Es is nit ge- lungen, wie in anderen Fällen eine ständig nah abwärts. gefkehrte isser zu erreihen. Die industrielle Frage ist für Deutschland eine nationale Frage. Ste hängt mit der Produktivität der Kohle zusammen. Aber höher als die Produktivität der Kohle steht die Produktivität des Menschengeschlechts und des deutschen Arbeiters. Ich hoffe, daß wir nicht auf Kosten der mens{chlichen Gesund- heit die Güter der Nation vermehren. Das beste ist in erster Linie sür uns der Mensch, und erst dann kommt der Erwerb.

_… Abg. Althoff (nl.): Es war von vornheretü klar, daß der Mi- nister heute Aufshluß über die Ursache des Achenbahunglücks nicht geben konnte, fondern si darauf beschränken mußte, eine tatsächliche Darstellung zu geben. Gleichwohl begrüße ih, daß diese Erklärung heute erfolgen konnte, und ih versprehe mir au etne beruhigende Wirkung davon in der Oeffentlichkeit und nah der Nichtung, daß

gewissen Vermutungen und Auffassungen, die mit dem bisherigen Er- gebnis der Untersuchung im Widerspruch stechen, der Boden entzogen wird. Es liegt zurzeit nichts vor, was auf ein Verfehlen nach irgend einer Seite {ließen läßt. Zu dem vorgetragenen Sachverhalt möchte ih noch einiges nachtragen. Jch bin selbst an Ort und Stelle gewesen und habe Erkundigungen eingezogen; ih kann aus eigener Wissenschaft sagen, daß die Verhältnisse in jenem Feldes- teil, wo die Erplosion vorgekommen ist, außerordentlich günstige und ungewöhnlich regelmäßig sind; nichts ist dort vorhanden gewesen, was auf die Bildung von Grubengas hinwùiken könnte. Die Wetter- einrihtungen waren \o ausgezeichnet wie selten in einer Grube, es fommen 9 cbm auf den Kopf, während nah den bergpolizeilichen Vorschriften 3 cbm genügen; die Wetterwege waren außerordentli kurz; niemals fonnten bisher Schlagwetter nahgewiesen werden. Man steht also heute noch vor einem Nätsel, wie diese Explosion erfläit werden soll; auch dte Arbeiter dort sind derselben Auffassung. Alle vorgeschriebenen Sicherheitsvorrihtungen haben funktioniert. Man kann nah dem bisherigen Ergebnis der Untersuchung sagen, daß weder der Verwaltung noch den Beamten noch den Arbeitern eine Schuld zuzuschreiben ist. Das ist erfreulih, aber unbefriedtgend insofern, als man vorwiegend Maßnahmen erst treffen kann, wenn man die Ursache dieses Vorkommnisses erst kennt. Aus diesem Grunde hat ja auch der Minister unterlassen, hon solche Maßnahmen in Aussicht zu stellen. Man wird ja niht daran zweifeln können, daß eine Schlagwettererplosion vorgelegen hat: tafür spricht der ganze Befund, dafür sprehen besonders die im Flôöz 19 ange- richteten Verheerungen. Es wird eine Schlagwettererplosion gewesen sein, die unterstüßt wurde von kleinen Kohlenstaubexplosionen, die aber ganz minimal gewesen sein müssen. Es ist die Ansiht geäußert worden, daß möglicherweise durch Senkung des Querschlages: Risse entstanden sind, und daß dur dtese Nisse fh im Flöz 19 Gase ent- wickelt haben. Diese Möglichkeit licgt vor. Ih möchte dabei hin- weisen auf ein mir heute morgen von der Erdbebtenwarte Laibah zu- gegangenes Telegkamm, wonach am 30. Januar Abends fast alle Seismographen ein starkes Fernbeben zu verzeichnen hatten, das sehr wahrscheinli, ja fiher zur Avslösung der Achenba(hkatastrophe beigetragen hat. Eine zweite Depesche gibt der gleichen Auf- fassung Ausdruck; {ch mache hier davon Mitteilung, ohne dazu im übrigen Stellung zu nehmen. Die Explosion gehört zu jenen, ‘an denen der Bergbau nun einmal nicht vorbeikann. Wir müssen damit renen, daß es menshenunmöglich ist, alle Gefahren im Bergbau zu beseitigen; unsere Aufgabe kann nur fein, darauf hinzuwirken, daß diese Gefahrenquellen einges{chränkt werden, und da müssen alle Maß- nahmen getroffen werden, die im Interesse der Arbeiter wie der Gruben für eine wirflide Bekämpfung dieser Gefahren dienlih sind. Wir jaben jeßt im privaten Bergbau nach dieser Nichtung sehr eingehende Studien gemaht: wir haken das Preisausschreiben erlassen zur Ge- winnung eines Apparates an der Lampe, der auf die Schlagwetter- gefahr hinweist. In der Benzinsicherheitslampe haben wir einen Apparat, der in der Hand des Bergmanns ein außs- gezeihneter Berater ist. Es i ein Nathteil der elektrischen Lampe, daß fie zwar hinsichtlich der Beleuchtung besser als jene funktioniert, aber bei Schlagwettern vollständig - versagt. Vom Interpellanten sind verschiedene Gründe vorgebraht worden, die nach seiner Ansicht die Steigerung der Unglücksfälle im Bergbau her- vorgerufen haben. Jch will auf die Einzelheiten niht eingehen. Aber wenn gesagt worden ist, die Jagd nach der Kohle sei daran \{uld, so muß ih darauf hinweisen, wie auf der einen Seite verlangt wird, daß der Bergbau den Bedarf an Kohlen decken foll, und wie ihm auf der anderen Seite Vorwürfe darüber gemacht werden. Hauer dürfen nur nah einer bestimmten Lehrzeit eingestelt werden. Es sind ganz genaue Vorschriften darüber getroffen worden, die es vollständig unmöglih machen, daß Gruben ungelernte Arbeiter an ge- fährlihen Punkten einstellen. Zur FJllustrierung der Tatsache, daß die Jagd nach der Kohle durchaus nicht immer dasjenige Moment sein kann, das fördernd auf die Unglüdcksfäle einwirkt, weise ih darauf hin, daß das gerade im vorliegenden Falle nit zutrifft. Dagegen kann nichts gesagt werden, daß ein wenig beschäftigter Schicßmeister auch anderswo verwendet wird. Die Sicherheitsmänner haben nit die Erwartungen erfüllt, die man vtielfah an sie geknüpft hat. Wir haben das vorausgesehen und deshalb von Anfang an «gegen die Ver- wendung Einwendung erhoben. Das hat sogar Dr. Delbrück zu- Wir gehen in dem Bestreben nach Vermindèrungen der Unglücefälle mit der WBergwerksverwaltung vollkommen einig, und fie wird uns immer bereit finden, diejenigen Maßnahmen durchzuführen, diejenigen Mittel anzuwenden , die zur Errcihung des gestedten Zieles notwendig sind. Wir müssen aber daran die Bedingung knüpfen, daß wir keine Maß- nahmen treffen, die sih nacher im praktishem Betrieb als untauglih und {chädlih) herausstellen, Wenn wir derartige Maßnahmen cçina