das uneingelôste König8wort betrifft, fo wollen wkr do einmal ehrlih fein, mit diesem uneingelösteu Königswort ist in der Wahlbewegung eta Riesenschwindel getrieben worden. Ich möchte ein anderes Königs- wort nennen und die Linke daran erinnern, wie sie mit diesem Kênigswort umgegangen ist. Ju der Thronrede von 1899 wird gesagt, daß es un- abweisbare Pflicht der Staatsregierung jei, die perfönlihe Freiheit u s{ützen, insbesondere auf dem Gebiete des Arbeitswilligenschuyes. Oi sind Sie denn mit diesem Königswort Ihrerfeits umgegangen? Ih Partei hat einen darauf bezüglichen Gesegentwurf im Reichstag abgelehnt. Will man denn bestreiten, daß meine Freunde an der Wakhlreform von 1910 ernstlich mitgearbeitet haben? Wir haben uns nit verständigen können, aber wir haben doch den ernsten Willen gehabt, etwas Gutes zu schaffen, und man war bereit, auf beiden Seiten weitgehende Konzessionen zu machen. Lafsen Sie uns doch mit diesem Köntaswort zufrieden. Wir vertreten die Interessen der Monarchie nah bestem Wissen und Gewifsen. Wir würden auch kein Bedenken haben, die Interessen des Königs und der Monarchie ge- gebenenfalls auch gegen den Wunsch des Königs zu vertreten. Ich fomme nun zu den Reden, die bei der Generaldebatte des Etats von den Abgeordneten Nè@ling, H: ydebrand und Schiffer g-halten worden find. Wenn man fie zusammenfaßt, fo ergeben sie ein böôhit interessantes Mild der politischen Lage in Preußen. Die Rede des Abgeordneten Röchling hat uns alle an die besten Zeiten der Nationollibcralen er- innert, sie hat daran erinne:t, wie zahlreih und eng die bestehenden Berührungspunkte zwischen den Konservativen und Nationalliberalen find und wie unsinnig es eigentlich is, wenn wir uns mit folcher Heftigkeit bekämpfen. An den Ausführungen des Abgeordneten hon Heydebrand war das Interefsanteste seine Erklärung über unsere zu« Tünftige Wirtschaftspolitik und die Stellungnahme seiner Partei dazu. (Nedner verliest dea betreffenden Passus.) Das tft eine so staatsmännische und maßvolle Politik, daß wir dazu nur unsere aufrichtigste Genugtuung aussp: ehen können. Wir dürfen ohne Ueberbebung fagen, daß wir unsere wirtshaftépolitishe Anschauung seit 1872, seit den Tagen des Herrn von Stumm und meines verewigten Vaters, immer mit Nachdruck oft gegen schwere Widerstände, aber auch mit Erfolg vertreten haben ; die MTofibtungen des Abg. von Heydebrand zeigen, daß zwischen diesen Anschauungen bei uns und bei den Konservativen nach keiner ichtung ein Gegensaß vorhanden ist. Jch bedaure, daß diese außerordentlich maßvolle entgegenkommende Grfklärung bei dem Abgeordneten Schiffer fein freundliheres Echo gefunden hat. Der Abg. Schiffer hat etwas viel linksliberales Wasser in den altliberalen Wein gegossen. Cr hat gefragt, was denn etgentlich freikonservativ fei. Wer in einem solchen (Slathause sitzt, sollte doch niht derart mit Steinen werfen. Der Nbg. Schiffer gehört doch einer Partei an, die unzweifelhast in den leßten Fahren schwere Krisen durchgemaht hat. Sie haben fich hier fayen lassen müssen daß der Abg. Bassermann am 4. Dezember dem MNeichskanzler ein Mißtrauensvotum erteilte und dann am s. Januar in Stuttgart gesagt hat, der Reichskanzler sei eigentlich ein national- liberaler Parteimann ; fo etwas ift doch noch nicht dagewesen. Unsere Haltung in den großen Fragen der leßten Zeit tst eine ganz einwand- freie, ganz fonsequeat gewesen, wir haben in allen Fällen eine Politik der geraden Linie verfolgt. Wir haben die Hetchefinanzreform von 1909 mitgemat, wir find damals mit Entschiedenheit auf die Seite der Deutschkonservativen getreten und haben die große Freude gehabt, daß die Nationalliberalen Graf ODriola, von Heyl und Lehmann fich uns anschlossen. Wir haben bei der Neichsfinanzreform von 1913, bei der Besißsteuer, uns von den Deutschkonservativen ge- trennt und haben die Freude gebabt, daß auch die Deutsch- fenservativen Nehbel und von Veit sih uns anslossen. In diesem Sukkurs von beiden Seiten sehe ich bestätigt, : daß wir in allen Fällen eine gradlinige Politik verfo"gt haben. Wir haben große Verluste bei den leßten Neichstagswahlen gehabt. Ich habe selbst dem Abg. von Heydebrand gegenüber erklärt, daß wir als Partei wohl nicht wiederkehren würden. Lroßdem haben wir fo gehandelt. Wir haben das Vaterland über die Partei gestellt. Der Nbg. Scbiffer hat Freiherrn von Zedliß ironisch mangelnde politische Zuverlässigkeit vorgeworfen. Das hat auf uns einen erheiternden Eindruck gemacht; denn gerade auf dem Gebiete der politischen Un- zuverlässigkeit dürfte doch gerade der Abg. Schiffer Autorität sein. Gr ist mit einer der besten Redner des Hauses. Ich fage offen, wenn ih ihn reden höre, so beschleicht mich immer ein Gefühl des Neides, daß i diese rethorishe Fähigkeit nit habe. Mein Vater tuöstete imi aber einmal, indem er jagte, daß wirklich große Redner meist \chlechte Politiker sind. Auch Fürst Biemarck hat es ja einmal aus- gesprochen, daß er es sehr übelnehmen würde, wenn man ihn füx einen guten Nedner halten würde. Die politisce Fähigkeit des Abg. Schiffer shäße ich darum ntt so hoch ein. Zieht man die Bilanz dieses Streites, so hat die nationallibcrale Partei nichts gewonnen. Die konservativen Parteien haben {were Verluste gehabt, sie haben dagegen an Einigkeit und Geschlossenßeit gewonnen. Vie National- liberalen sind infolge ihrer Haltung von {weren inneren Krisen heim- gesucht worden, die [hlimmer als alle Mandatéverluste find. Gegenüber den Ausführungen des Abg. Schiffer möchte ih noch ganz besonde18 hervorheben, daß die dringende Notwendigkeit vorliegt, daß ih alle rational Gefianten über unsere Wirtschaftspolitik verständigen. Der Abg. von Heydebrand hat den Reichskanzler gewissermaßen als unseren Parteigenossen hingestellt und es deéhalb verständlich gefunden, daß wir ihn unterstüßen. Wir stehen aber dem Ministerpräsidenten durchaus unabhängig gegenüber, Der Abg. von Zidliß hat ja_ au in seiner Rede Aeußerungen getan, dur die sich der Ministerpräsident sehr verletzt gefühlt hat. Das beweist doch nur, daß auch wir der Politik des Reichskanzlers durhaus unabhängig gegenüberstehen. Der preußische Ministerpräsident hat sich als Reichskanzler dur die Durch- bringung der Wehrvorlaze ein großes und dauerndes Berdienst er- worben. Auch für d'e Beilegung der Welfenfrage danken wir ihm. Fch bedaure aber, daß in den Ausfüh:ungen des Minislerpräfidenten ein so ftarfkfes Maß von Empfindlichkeit enthalten ist. Wenn Angriffe von unserer Seite kommen, fo kommen sie niht, um zu kränten, fondern wir wollen nur, daß Fehler der Vergangenheit in der Zukunft vermieden werden. Parlamente sind keine Mädchenpensionate. Wo gehobelt wird, fallen Späne! Gerade die Regierung hat ein Inter- esse daran, daß wir selbständig konservative Politik Treiben. Das ist bet der Unterstüßung, die wir thr ja in den meisten Fällen angedeihen sassen, von um fo höherem moralischen Wert. Ueber unserem ganzen Volke liegt ohne Zweifel ein tiefer Unmut, der fich nicht durch die Beseitigung der Polizeiverordnungen aus der Welt schaffen läßt. Die Verstimmung rührt her aus dec Belastung des Vesizes m Steuern und auch aus den nahezu unerträglichen sozialen Sale, o handelt sih da niht um die finanztellen Opfer, sondern um das Maß von Arbeit, das die einzelnen aufbringen müssen. Wir meinen, daß mit dieser Versicherungsgesezgebung endgültig S{luß gemacht werden könne. Es würde allgemein mit Freude begrüßt werden, wenn zehn Fahre lang kein Geseß gemacht wird, alles würde dann aufatmen. Bir verkennen dabei nicht, daß, auch fn unferem sozialen Leben noch manches zu tun und bessernde Hand an manche Schäden zu legen ist, ba ist die Bekämpfung der Tuberkulose, der Syphilis, Schuy ee Kinder gegen Ausbeutung, Beschränkung der Nachtarbeit iti Q „Das Korrelat dieser Soztalpolitik ist aber ein rücksichtsloses und energi}ches Borgehen gegenüber der Sozialdemokratie, fei es dur Ausnahme- geseze, sei es auf dem Wege des gemeinen Rechts. Auf dem leßten Dauteitage hat sich zwar die Sozialdemokratie eines möglichst an- ständigen Tones befleißigt. Ihr wahres Gesicht hat sie aber am 3. Dezember v. I. gezeigt. Da hat sie einen großen Mangel an Herzensbildung erkennen lassen, der auch fonst bet ihr zu finden ist. Ünd man braucht nur an das Verhalten der Partei bei den Aus- führungen des Kriegsministers zu denken. Man stelt es so hin, als ob von fkonseryativer Seite die Grundlagen des Reichs angegriffen würden, als ob wir eine Verfafsungsänderung wollten. Das Gegenteil ist rihlig. So wie die Dinge liegen, treten gerade wir für die Aufrechterhaltung der Neichsverfassung ein, und dicjenigen, die die Verfassung stürzen wollen, find in einem ganz anderen Lager. Man braucht nur den Resolutionsunfug im Reichstag zu betrachten, der jeder Beschreibung spottet, Der Abg. Dr. Müller-Meiningen hat neulich gesagt, es wäre eine unerhörte Provokation des Reichstags,
waren nun aber fm Gegenteil eine außerordentliche Probokation des Königs von Preußen. Die Kommandogewalt des Königs und Kaisers ist in erster Linie eine Kommandogewalt des Königs von Preußen. Man vergißt, daß der König von Preußen die Militärkonvention ab- geschlossen hat. Aber die Herren sind wohl mit den PaaigreU then Dingen nit so vertraut. Die Verordnungen des Kaisers hier ei werden meist nur vom Kriegsminister gegengezeihnet. Das ist die Rechtslage, die durchaus der historishen Entwicklung entspricht. Wir wünschen es niht, was der Reichstag will, daß der König von Preußen abdankt zugunsten einer Demokratie, mag fie geleitet werden von dem Abg. von Vaver oder-von dem Abg. Erzberger. Wir lassen den süddeutschen Staaten ihre Eigenart. Wir wollen aber auch unsere Eigenart behalten. Wir führen den- Kampf für das Reich, für ein mächhtiges Deutsches Reich. Ich bin überzeugt, daß, wenn die Negterung diesen Kampf führen will, sie die Unterstüßung der besten Glemente bis in dite Reiben des Zentrums und der liberalen Parteien haben nird. Wenn da3 geschieht, wird das Land befreit werden von den Gefahren, von denen es jetzt gn ist. a Nbg. Linz (Zentr.): Der Abg. von Kardorff hat mit Unre bett Val ibm e rhétorische Fähigkeit abgeht; er hat das Wort mit großer Meisterschaft beherrscht, aber sich doch sehr stark mit Gegenständen beschôftigt, die meiner Auffassung nah in den Reichetag gehören. Jch kehre zurück zum preußischen Minlsterium des Innern und zu unserer Aufgabe, die Spezialaufgaben dieses „Ressorts einer Erörterung zu unterziehen. Leider sind ja jeyt die wichtigsten Materien ausgeschieden; man darf nicht reden über die Kommunalabgaben, über die allgemeine Landesverwaltung. Was die Gemeindeverwaltung be- trifft, so wird vielfah die Klage wegen Ueberlastung der Gemeinde mit Wahrnehmung von Staatsgeschäften erhoben. Nach meiner Ansicht darf eine gewisse Belastung dieser Art son im Interesse der Gemeinden selbst gar nit fehlen. UÜebernimmt der Staat etwa die Armen- oder die Schullasi, so würde man damit in die ganze historishe Entwicklung der Gemeinden hineinschneiden ; wid umgekehrt verlangt, daß der Staat den Gemeinden Geldgeschenke macht, fo müssen die Gemetnden diese selbstverständlih mit etner vershärften Staatsaufsicht bezahlen, Nur in einem Punkte sollte man mit der Belastung der Gemeinden vorsichtiger sein, nämlih in der Belastung mit statistishen Ermittlungen; es gibt Landgemeinden, die unter dem Uebermaß diefer Zumutung geradezu ersiick.n. Durchaus revistons- bedürftig sind die Landègemeindeordnungen. Der Minister hat vor kurzem eine Deputation von Landgemeinden empfangen, die ihre Wünsche wegen Nevision der Landgemeindeordnung vortrug; auch die rhetnishen Landgemeinden haben einen gleichen Wunsch dem Minister ausgesprochen. Die t1heinishe Landgemeindeordnung hat zu unerträglihen Zuständen geführt. Der Kernpunkt aller Beschwerden ist, daß bei der Wabl * der rheinishen Land- bürgermeister die Selbstverwaltung gänzlich “ausgeschlossen ift. Der rheinische Landbürgermetsler ist aber die Basis, auf der sich die ganze Landgemetndeordnung aufbaut, und ausgerechnet bet dessen Wahl joll die Selbstverwaltung beiseite bletben. Sachliche Gründe dafür gibt es nicht, die Gründe liegen anderswo, man will verhindern, daß noch mehr Angehörige des Zentrums in diese Posten kommen. „Haben denn aber die Herren, die unserer Partei angehörea und ins Nathaus eingezogen find, einen Nathausturm ins Wanken gebraht? Nein, das haben sie nit, sondern sie haben thn auf der Basis des Gemein- woh18 und der eten, wahren Toleranz gefestigt. Ich bitte also den Minister, zu erwäaen, ob es nit angebracht ist, unseren Klagen auf diesem Gebiete recht bald nahzugeben; der Rheinländer will dasselbe Recht haben, was die anderen Provinzen hon besizen. Mit unseren bisherigen Klagen über die mangelnde Parität bei der Beseßung der Aemter haben wir keinen Erfolg gebabt; wir werden jeßt, um darin weiter zu kommen, dem Minister shwarz auf weiß den Beweis für die Berechtigung unserer Beschwerden bei diesem traurigen Kapitel erbringen; wir werden so ost und fo lange damit kommen, bis Remedur eintritt. Die Erörterung der Frage des Berliner Schuß- mannsvereins hat sich der Abg. von Kardorff doch gar zu leiht ge- macht. Er hält das Verbot des Polizeipräsidenten für berechtigt, weil das Geseß ihm zur Seite stehe und weil die Schuymänner eine militärishe Organisation haben. Wir aber halten die Koalitions- freiheit der Beaniten hoch; fie kann nicht durch ein einfaches Verbot beseitigt werden. Jh habe ‘die Statuten des Vereins ganz genau durHttudiert; ih finde nichts darin, was mit den Pflichten und Rechten der Beamten in Widerspruch stände, ih finde darin auch nichts von EStaatégefahr und von politischer Be- denklihkeit; und die Schußmänner sind doch auch Staatsbürger Ein ziemlich trübes Bild bot der Prozeß wegen der Cölner Polizei- mannschaft. Es hat ih ja erfreuliherweise®gezeigt, daß der größte Teil der Beamten ehrlich und unbestechlich ift; es hat fich aber her- ausgestellt, daß tatfählich Durchstehereten vorgekommen sind. Damit will ih nicht sagen, daß die Gelder alle in die Taschen der Beamten geflossen find. Mein Kollege Marx hat ausgesprochen, daß die Sitten- polizei in Cöln die Zügel am Boden \{chleifen läßt. Er hat gebeten, hier \chärfer einzuschreiten. Es ist jedoch nichts ge\chehen. Die Woh- nungen, die man höheren Beamten anweist, sind oft nur für g mz kleine Beamten autêreihend. Es erxistiert ein Erlaß, nach dem solche Beamten, die nit repräsentieren können, eine besondere MNepräsen- tations8zulage erhalten Tönnen. Lider wird hiernach niht immer verfahren. Der Geburtenrückzang ist eine sehr betrübende Erscheinung Namentlich in Berlin und in den Vororten ift er besonders zu beobachten. Wenn wir nicht cingreifen, fo leidet das Wohl des Staates und das Wohl des Volkes. Jch fceue mich, daß im deutschen Meichs- tag in dieser Frage auch alle Parteien (Ruf rets : bürgerliche) — jawohl, bürgeruce Pa1teien einig find, daß Maßnahmen ergriffen werden müssen. Ich bedaure, daß sogar deutshe NReichspatente erteilt sind, um gegen die Volksvermehrung zu wirken. Das ist unerböit. Glauben Sie denn, daß sie mit diesen Mitteln der Krankheit steuern ? Ist das eine Krankheit des Körpers oder der Seele? Es handelt sih nicht nur um elne sittlihe Frage, fondern um eine sittlich-religiöfe. Mit allen diefen äuß-ren Mitteln läßt sich die volksverzhrende Krank. heit nit heilen. Man kann sie nur bekämpfen. Mer hat zuerst seine warnende Siimme erhoben? Das waren nicht die Gelchrten auf dem Katheder, jondern es war die christliche Kirhe. Die fatholishe Kirche hat hinter jedes fatholis@e Ghepaar den Beichtvater gestellt. Ihre Sittenreinheit ist ihr St-lz. Nur durch die Ausbreitung des religiöjen Grdankens kann diesem Uebel gesteuert werden.
Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt:
Meine Herren! Jch glaube, die Frage des Geburtenrücganas wird wohl zweckmäßiger beim Etat der Medizinalabteilung in der Spezialberatung eingehend zu behandeln sein. Jch möchte mich daher darauf beschränken, auf die anderen Anregungen des Herrn Vor- redners einzugehen. Er hat eine ganze Reihe wichtiger, das sittliche Gebiet berührender Fragen uns vorgetragen, und auch in manchen Beziehungen Wege angedeutet, auf denen eine Besserung erfolgen könnte.
Der Herr Vorredner hat u. a. den steigenden Luxus in Beamtenkreisen erwähnt und seine Bekämpfung durch den Erlaß einer allgemeinen Rundverfügung in Anregung gebracht. Ich fürchte, daß auf diesem Wege das Ziel nicht erreiht werden konnte. Jch teile durhaus den Standpunkt des Herrn Vorredners, daß der überhand nehmende Luxus ein Krebsschaden für das VBe- amtentum ist, und daß manches der traurigen Vorkommnisse, auf die ich nachher zu sprehen kommen werde, dem allgemeinen Luxus ¡uzuschreiben ist, glaube aber, daß die Schlichtheit und Einfachheit des Beamtentums nur durch die Grziehung des heranwachsenden Be- amten und dadurch aufrecht erhalten werden kann, daß das Beamten- tum sih nah wie vor von denjenigen Kreisen fernhält, deren Mittel die seinigen übersteigen und deren Verkehr es mitzumachen nicht in der Lage ist, Jm übrigen habe ih aber doh die Empfindung, und
wie der Bundesrat diese Resolutionen behandelt, Diese Resolutionen
glaitbe e2 zitt Ehre bes Beaintenkumê aus\preDen zit Jolle, S iy allen Orten, die niht wie ‘die Großstädte besondere Verhältnisse mit fich bringen, die Lebensweise der Beamtenschaft nah wie vo- eine \{lihtere und einfachere ist als die mancher andeten Eürgex- lien Kreise.
Der Herr Abg. Linz hat die Behauptung aufgestellt, daß in Cóln die Zahl der sittenpolizeilihen Kontraven- tionen außerordentlich zugenommen habe, daß aber troß aller Be- schwerden, die dieserhalb vorgebracht seien, nihts geschehen sei, und mithin nach dieser Richtung eine Besserung auch nicht eingetreten sei und eintreten könne. Ich glaube dem widersprehen zu follen. (s sind sehr scharfe Verfügungen gerade nach Cöln gegangen, um die Aufmerksamkeit der Beamtenschaft auf die dortigen Verhältnisse zu lenfen, und der Erfolg hat sich auch in. einer außerordentlichen An- häufung der wegen Sittenpolizeikontraventionen verhängten Strafen bereits gezeigt.
Der Herr Abg Linz ist auch auf die Vorfälle in Cöln bei dem Prozeß Sollmann zu sprehen gekommen, und ih muß leider bestätigen, daß sih in diesem Prozeß gezeigt hat, daß eine Anzahl unwürdiger Elemente längere Jahre hindurch bei der dortigen Po- lizeiverwaltung tätig gewesen find, ohne daß es gelungen wäre, diese Elemente rechtzeitig ausfindig zu machen und geeignetenfalls auc abzustoßen. Es hat aber allerdings nicht erst dieses Prozesses bedurft, um die Aufmerksamkeit der Behörden auf die dortigen Zustände zu lenken. Das ergibt sih aus dem Prozeß Sollmann selbst und aus den Vorgängen. Schon im Jahre 1911 hatte die Aufsichtsbehörde gegen den Kriminalkommissar Hannemann, der ja eine ethebliche Rolle in dem Prozeß Sollmann gespielt hat, ein Vorverfahren, eine gerichtliche Untersuchung bei der Staatsanwaltschaft beantragt, weil ver Verdacht gegen ihn vorlag, daß er mit Altwarenhändlern, gegen die eine Untersuhung \{chwebte, in unerlaubten Verbindungen ge- standen habe. Diese Untersuchung ist seitens der Staatsanwaltschaft gegen Hannemann und gegen eine Reihe fonstiger Beamten geführt, nach einem Jahre aber wieder eingestellt worden, weil ein genügendes Beweismaterial, um gegen sie einzuschreiten, nicht hatte ermittelt werden können. Im Jahre 1913 is wiederum gegen den Hanne- mann auf Veranlassung der Behörde ein weiteres Unterfuchungs- verfahren wegen: Unterschlagung amtlicher Gelder eingeleitet worden. Dieses Verfahren hat zur Freisprehung des Hannemann vor dem Schwurgericht geführt. Unmittelbar darauf ist erneut ein Ver- fahren seitens der Aufsichtsbehörde gegen diesen selben Kriminal- tfommisffar eingeleitet worden wegen unerlaubter Annahme eines Geldgeschenks von 300 4. Auch in diesem Falle ist Freisprechung erfolgt.
Sie sehen also, meine Herren, daß es tatsählich nicht an der nötigen Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörden gefehlt hat, die ihrerseits wohl den Eindruk gehabt haben, daß unerlaubte Dinge vorgingen, denen aber die Möglichkeit nicht gegeben war, dagegen einzuschreiten, weil alle Bemühungen, die Beweise dafür zu beschaffen, nicht ge- lungen waren.
Der unmittelbar daran anshließende Prozeß Sollmann i} nun in folgender Weise zustande gekommen. Jn dem lehten Prozeß gegen den Kriminalkommissar Hannemann hatte dieser die Behauptung auf- gestellt, daß er zahlreihe Fälle anführen könne, wo Beamte von den höchsten bis zu den niederen Graden von Privaten rechtswidrig Ge- schenke angenommen hätten, und in einem neueren Falle fogar mit Wissen der Staatsanwaltschaft, ohne daß diese eingeschritten wäre. Daraufhin hatte die von dem Redakteur Sollmann vertretene „Rhei- nische Zeitung“ diese Behauptung des Hannemann übernommen und ihrerseits hinzugefügt, daß die Beamten des Polizeipräsidiums Cöln, besonders die höheren, bestechlich seien, und daß die Bestehungen die Billigung des Polizeipräsidenten gefunden hätten.
Meine Herren, die hier gegen die Staatsanwaltschaft und gegen den Polizeipräsidenten persönlich erhobenen Anschuldigungen haben si als völlig grundlos erwiesen. Jm übrigen hat aber der Prozeß gegen den Redakteur Sollmann zwar die Integrität aller höheren Beamten, der Polizeiräte und Polizeiassessoren wie aller Bureaubeamten er- geben, jedoch zugleih das bedauerlihe Ergebnis 'gezeitigt, daß ein Kriminalkommissar und vier Polizeiinspektoren, fünf Polizeikommissare und etwa zwanzig untere Erekfutivbeamte ohne Erlaubnis teils Geld-, teils Naturalgeschenke angenommen haben für amtliche Handlungen, die an sih nicht pflihtwidrig waren, daß sie sih mithin gegen § 331 des Strafgeseßbuches vergangen haben. Es sind also immerhin 3 % bei einer gesamten Beamtenschaft von 960, die der Bestehung oder vielmehr des Vergehens gegen § 131 des Strafgeseßbuches überführt worden sind. Wenigstens hat das Gericht dies vorläufig in den Ürteilsgründen gegen Sollmann für festgestellt erahtet. Ein ho- bedauerliches Ergebnis. Das hat natürlich alsbald zu verschiedenen Maßnahmen Veranlassung gegeben, welche dazu dienen follen, wieder geordnete Verhältnisse in Cöln und bei der dortigen Polizeiverwaltung herzustellen. Es ist deshalb zunächst die Amtsfuspension und die (Finleitung des Disziplinarverfahrens gegen die vier am meisten be- lasteten Polizeinspektoren verfügt worden. Ebenso sind gegen die be- lasteten Polizeikommissare disziplinare Maßnahmen eingeleitet wor- den; gegen die unteren Grekutivbeamten, die belastet sind, noch nit, weil ein s\trafgerihtlihes Verfahren gegen sie wegen Verstoßes gegen den § 131 des Strafgeseßbuches von der Staatsanwaltschaft eir geleitet worden ist. Gegen die anderen höheren Beamten natürlich ebenfalls.
Es ist nun behauptet worden, und diese Behauptung hat auŸ der Herr Abgeordnete Linz sich angeeignet, daß zum größeren Teil die unteren Beamten veranlaßt worden wären, Geldgeschenke anzu- nehmen, weil der Ersaß der von thnen verauslagten Gelder in mangelnder, unzureihender Weise erfolgt sei, und er- hat geglaubt, dies auf die nicht ausreichende Dotierung des Fonds für die Be- streitung der Kosten der Kriminalpolizei zurückführen zu können.
Zunächst möchte ih anführen, daß es tatsächlich nicht richtig ist, wenn geglaubt wird, daß in allen diesen Fällen die Kriminalkommissare und die Beamten bare Auslagen haben. Es gibt eine Reihe von polizeilichen Ginrichtungen;, mit deren Hilfe zahlreihe die Kriminal- polizei beshäftigende Fälle sih erledigen lassen, ohne daß bare Auê-
lagen werden regelmäßig erforderlih sein, wenn es zur Ermittluns eines Verbrechens der - Annahme von Agenten oder einer mit be- sonderen Kosten verknüpften Vigilanz bedarf. Jn diesen Fällen iff ausdrücklich der Grsaß solcher Auslagen in vollem Umfange zugelassen.
t (Fortseßung in der Vierten Beilage.) 4 2A
lagen seitens der betreffenden Beamten in Frage kommen. Bare Aué-
zum Deutschen Reihhsanzeiger und König
(Fortsezung aus der Dritten Beilage.)
e ———————— R O Ter
Jn dem Ministerialerlaß vom 20. Oktober 1902 ist hierüber folgendes
bestimmt: Agentenlöhne und sonstige im Interesse des kriminalen Dienstes gebotene Aufwendungen für dritte Personen, welche der Negel nah der Genehmigung der vorgeseßten Kriminalkommissare bedürfen, sind immer zu erstatten. Aufwendungen der Kriminalbeamten für ihre eigene Person sind, wenn sie geringfügig sind, aus dem Dienst- aufwand der Beamten zu bestreiten, wenn sie erheblih sind, eben- falls von der Behörde zu erseßen. Gewährung von Pauschver- gütungen ift nicht statthaft.
Diese Bestimmungen seinen allerdings in Cöln nicht richtig oder zu engherzig gehandhabt worden zu sein: denn es ist dort, wie si bei der Vernehmung in dem Prozeß Sollmann ergeben hat, in der Regel ein Erfahrungssaß von 9 4 pro Monat zugrunde gelegt worden und die Erstatiung höherer Auslagen vielfah beanstandet worden. Dadurch hat sich bei einzelnen Kriminalbeamten die An- sicht gebildet, daß die Erstattung höherer Auslagen nicht zulässig sei, was aber tatsählich niht dem Inhalt ver allgemeinen Bestimmungen und auch niht dem Willen der Zentralinstanz entspricht.
Wenn nun gesagt worden is, daß der Fonds für Auf- wendungen der Kriminalpolizei und der Fonds für politishe Zwedcke ungleihmäßig dotiert worden seien, derart, daß der leßtere reichliche Mittel biete, der für Ériminale wede aber unzulänglich bemessen sei, so ist gerade das Gegenteil der «all. Denn der Fonds für kriminale Zwecke ist überhaupt unbegrenzt; er findet seine Grenze nur in dem vorhandenen Bedarf, während der ¿Fonds für politische Zwecke von vornherein begrenzt ist, sodaß zu seiner Ueberschreitung es jedesmal der Nachbewilligung der Zentralinflanz bedarf.
ZUr Beseitigung der in Cöln aufgedeckten Mißstände ist in Aus- ficht genommen, daß zunächst die Stellen der vom Amte suspendierten Polizeiinspektoren dur in der Anwärterliste für Polizetinspektorstellen notierte Kommissare, die bereits nah Cöln gesandt worden sind, ver- seben werden sollen; daß ferner eine erneute Cinshärfung des Ver- bos der Annahme von Geld- und sonstigen Geschenken an die be- teiligien Beamten erfolgt, weiter, daß die Prüfung der Liquidationen der Kriminalbeamten in Zukunft niht mehr lediglich durch einen Nechnungsbeamten, sondern durch einen mit der Praxis vertrauten Kriminalbeamten zu erfolgen hat, und endlich, daß periodishe Revi- sionen sämtlicher Polizeiverwaltungen stattfinden sollen, ähnlih wie das bei den MNegierungen bereits eingeführt und mit Erfolg durch- geführt worden ist. Es soll dort nit nur der innere, fondern auch der äußere Dienst revidiert werden, und wir hoffen, daß sich auf diesem Wege Unregelmäßigkeiten in dertartigem Umfange, wie sie in Cöln leider vorgekommen sind, werden verhüten lassen.
Im übrigen sind bereits amtlihe Ermittlungen darüber in die Bege geleitet, welhe Bewandtnis es mit den Vorschriften für le Sittenpolizeibeamten habe, von denen der Herr Abg. Linz vorhin auch gesprochen hat. Diese Vorschriften werden einer näheren Prüfung unterzogen und abgeändert oder aufgehoben werden, soweit dies erforderlih erscheint. Jch darf der Hoffnung Ausdru geben, daß es gelingen möge, auf dem von mir angedeuteten Wege in Göôln wieder zu geordneten Verhältnissen zu kommen.
Der Herr Abg. Linz hat ferner das Vorgehen des Polizeipräsi- denten von Berlin, soweit dadurch eine Vereinigung ber ge- samten Schußleute Berlins untersagt ist, als nicht zu- lässig bezeichnet. Die rechtlihe Zulässigkeit der Verfügung des Polizei- präsidenten kann aus den von Herrn Abg. von Kardorff dargelegten Gründen niht in Zweifel gezogen werden. Das Vereins- und Ver- sammlungsgeseß regelt ledigli die polizeilihen Beschränkungen des Vereinswesens, nicht aber diejenigen Beschränkungen, welche außerhalb dieses Nahmens insbesondere aus Disziplinargründen zulässig sein sollen.
Der Herr Kommissar der Reichsregierung hat im Reichstage zwei sehr zutreffende Beispiele angeführt. Er hat darauf hinge- wiesen, daß polizeilich zwar natürlih eine Versammlung sämtlicher Oberprimaner Berlins niht inhibiert werden könne, wohl aber von dem Direktor, und ebenso daß polizeilich ein Verein des gesamten Diözesanklerus nicht untersagt werden könne, wohl aber durch den Bischof; ebenso kann die vorgeseßte Behörde, der Chef einer Be- hörde den ihm unterstellten Beamten diejenigen Beschränkungen in bezug auf das Vereins- und Versammlungswesen auferlegen, die dur den Dienst und die Nückfsiht auf die dienstlihen Bestimmungen ihm geboten ersheinen. Das ist auch in der Kommission des Reichstags ¿ur Vorberatung des Neichsvereinsgeseßes ausgeführt worden — ih kann Ihnen die Ausführungen vorlesen; aber ih glaube, es genügt bier wohl, wenn ih das feststelle —, und es ist chließlich auch im Plenum des Reichstags zweifelsfrei anerkannt worden, daß ein solches Verbot zulässig ist.
Nun fragt es si, ob es notwendig und zweckmäßig war. Diese Frage war zu prüfen, und da muß man doch die Vorgänge, die si abgespielt haben, in Nüssicht ziehen, und auh die Zwete, die aller Voraussicht nah mit dieser Vereinigung verfolgt werden sollten.
Am 28. November vorigen Jahres hat \ich herausgestellt, daß 1800 Schußÿleute an einem Abend in verschiedenen Lokalen zusammen- getreten waren, um einen neuen Verein zu begründen. Zweck, Saßungen usw. waren unbekannt; kein einziger von den beteiligten Schußleuten hatte eine Anzeige darüber erstattet, obwohl in der Dienstanweisung ausdrücklich ein Verbot des Beitritts und natürli auch der Begründung von Vereinen ohne Genehmigung der Vor- geseßten vorgesehen is. Also es hat bei der Begründung dieses Vereins eine besondere Heimlichkeit gewaltet, und zwar entgegen den ausdrücklihen Vorschriften der Dienstanweisung für Schußleute. Meine Herren, am 2. Dezember hat daraufhin der Polizeipräsident in einem Tagesbefehl verboten, Einladungen ergehen zu lassen und
N Ö
Vierte Beilage
Berlin, Dienstag, den 10. Februar
E O a At E E R
achtet worden. (Hört, hört!) Es sind weitere Einladungen, Auf- forderungen zu Beitrittserklärungen in Umlauf geseßt worden. Der Versuch, sich zusammenzuschließen, ist also entgegen dem Verbot fortgeseßt worden. Daraufhin hat am 24. Dezember 1913 der Polizeipräsident folgenden Tagesbefehl erlassen:
In einer militärish organisierten Schußmannschaft können in Anbetracht der besonderen dienstlichen und disziplinaren Ver- hältnisse irgendwelche, die gesamte Schußmanz(haft umfassende Vereinigungen von Schußleuten mcht geduldet Werden. Dagegen ist gegen die bei den Hauptmannschaften und Abteilungen be- stehenden Vereinigungen der Schußleute nichts einzuwenden.
Er hat also die bestehenden Vereine in keiner Weise angetastet, die rein geselligen und Wohlfahrtszwecken dienen, in einem Rahmen, der sich dazu eignet, er hat aber mit Rücksicht auf die durchaus disziplin- widrigen und in keiner Weise zu billigenden Vorgänge bei Begrün- dung des Vereins die Vereinigung der gesamten Schußmannschaft zu einem Verein untersagt, und zwar auch mit Rücksicht darauf, daß es bei einer militärisch organisierten Truppe absolut unmöglich ist, die Disziplin aufrehtzuerhalten, wenn sie sih insgesamt — in einer Anzahl von 6000 Personen — zusammenschließt, doch augenscheinlich ¿zu dem Zwede, um dur die Masse einen Druck auf die Entscließun- gen der vorgeseßten Behörde auszuüben. (Sehr rihtig!) Daß das der Zweck gewesen ist, ergibt sich aus der Heimlichkeit, aus den Vor- gängen bei der Begründung, aus der weiteren Agitation und daraus, daß an sih ja Vereine für gesellige und ähnliche Zwecke bereits zur Genüge bestehen und nicht in Frage gestellt waren. Daß die Pflege der Geselligkeit in einem Verein, der alle 6000 Schußleute derx Hauptstadt umschließt, überhaupt nicht mögli ift, liegt ja auf der Hand. (Sehr richtig!) Wollen die Beamten sih zum Zwecke der Gewährung von Unterstüßungen in Sterbefällen und ähnlichen Fallen an Witwen und Waisen usw. vereinigen, dann bleibt es ihnen unbenommen, Sterbekassen zu gründen. Aber eine Bereinigung der hier geplanten Art ist an sih durchaus unzulässig, namentlich wenn sie in einer Weise inszeniert wird, wie dies hier geschehen ist. (8s fann ‘hiernach, zumal auch in der Presse, die den Kreisen, die die Begründung dieses Vereins betrieben baben, nahe- steht, ausdrücklich mitgeteilt worden war, daß der Verein, abgesehen von den anderen Zwecken, die in der Saßung stehen, auch die Inter- essen der Schußleute nah außen hin und der vorgeseßten Behörde gegenüber wahrzunehmen berufen fein sollte, gar niht fraglich sein, daß er Dinge bezwelte, die m. E. sih mit der militärishen Disziplin in keiner Weise vereinigen lassen. Jch habe mir hon erlaubt, in der Budgetkommission darauf hinzuweisen, wie in anderen Ländern über solche Dinge geurteilt wird. Ich habe erwähnt, daß auffälliger- weise gerade zu der gleihen Zeit — ob das irgendwie auf inter- nationale Vereinbarungen beruht, will ih dahingestellt sein lassen —, (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten), jedenfalls ganz zu der gleichen Zeit in London und in Leeds ähnliche Vereinigungen begründet werden sollten, die zufälligerweise auch durch Verfügungen, welche ziemlich denselben Wortlaut hatten, von den „chief commissioners“ verboten worden sind. In England hat si kein Mensch darüber aufgeregt, man hat es als selbstverständlih und natürli angesehen, daß eine derartige Vereinigung sämtlicher Schußleute, deren Auf- gabe die Aufrechterhaltung der öffentlihen Sicherheit sowie die Be- kämpfung des Verbrechertums ist, nicht statthaft sei, weil die mög- lichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben konnen, ein solches Vor- gehen im öffentlichen und staatlihen Juteresse als unzulässig er- scheinen ließen. Herr Abg. Linz ist dann noch auf die ö ffe ntliche Lebens- versicherung zu sprehen gekommen und hat gewünscht, daß die öffentlihe Volksversiherung — und zwar handelt es sich um den Zweig der Lebensversicherung, der weiten Beyölkerungskreisen zugute kommen foll —, daß die öffentliche Lebensversicherung und die deutsche Volksversiherung — das ist der Verband der privaten Gesellschaften, welche Volksversicherung betreiben wollen — paritätisch behandelt werden möge. Das kann ich ohne weiteres sagen. Diese paritätische Behandlung, welche staatlicherseits die einseitige CGmpfehlung des einen Unternehmens gegenüber dem anderen vermeiden muß, halte auch ih für richtig. Die beiden Arten der Versicherung haben durchaus ver- schiedene Gebiete, in denen jede berechtigt ist und Erfolge erzielen kann. Sie können meines Dafürhaltens sehr gut nebeneinander bestehen und werden gemeinsam einer dritten Kategorie von Versicherungen, auf die ih nit weiter eingehen will, das Leben {wer machen können. Wohl aber muß ich zu meinem großen Bedauern feststellen, daß gerade diese beiden Volksversiherungsunternehmungen, die doh nationale Ziele für fih in Anspruh nehmen, sich zunächst in einer Weise be- kämpft haben, die über den Rahmen einer berechtigten Konkurrenz binausgegangen ist. (Sehr richtig! rechts.) Jch will nicht feststellen, wer hierbei der Angreifer und wer der Angegriffene ist. Jch habe die öffentlichen Anstalten darauf hingewiesen, daß ich diese Art der Bekämpfung niht wünsche, und ih hoffe, daß auch die andere Seite, die Deutsche Volksversiherung und die hinter ihr stehende Privat- versicherung dem folgen wird, daß sie ebenfalls der Agitation, soweit sie über das Maß einer lauteren Konkurrenz hinausgeht, Einhalt tun wird. (Sehr richtig! rets.) Denn es ist hohe Zeit, daß beide Gesellschaften sih darauf besinnen, daß nicht der Kampf gegeneinander ihre Aufgabe ist, sondern der Kampf gegen Dritte und daß sie dem- entsprehend ihr Verhalten zueinander nah dem Motto einrichten: getrennt marschieren, vereint {lagen! (Bravo! rets.) Der Herr Abg. Linz hat dann sih beshwert über die B e - lastung der Gemeinden durh zahlreihe Zuslellungen in polizeilihen Dingen und durh statistishe Er- mittlungen, die ihnen aufgebürdet werden. Jch stehe da ganz auf seinem Standpunkt und habe eine Verfügung dabin erlassen, daß in polizeilichen Angelegenheiten die Gemeindebehörden mit Zustellungen so wenig wie möglich behelligt werden möchten und daß alle Zu- stellungen, die dur die Post besorgt werden können, auch durch diese
sih an Versammlungen zu beteiligen. Dieses Verbot i} nicht bc-
lih Preußischen Staatsanzeiger.
fürchte ih, daß diese zum großen Teil auf Anregung dieses hohen Hauses erfolgen (Sehr richtig!) und daß nah dieser Nichtung hin es wohl nur zum Ziele führen würde, wenn der Landtag sich einige Be- schränkung in seinen Wünschen auf Mitteilung statistisher Daten auf- erlegen wollte.
Zu den Ausführungen des Herrn Abg. von Kardorff habe ih eigentlih niht viel zu bemerken (Hört, hört! und Zucufe bei den Sozialdemokraten), da diejenigen Punkte, welhe meinen Etat an- gehen, von mir bereits bei der ersten Lesung des Ciats behandelt worden sind. Es handelt \sih um die Einberu fungdes Land- tages. Ich habe die Gründe dargelegt, welche es außerordentli schwierig machen, den Etat früher festzustellen; ih glaube, daß der Herr Finanzminister in der Lage sein wird, die Gründe, welche ih damals angegeben habe, noch zu vertiefen. Es ist in der Tat nicht möglich, die großen industriellen, die großen Betriebsverwaltungen ihre Jahresrechnungen früher abschließen zu lassen als bisher, und ehe diese Abschlüsse nicht vorliegen, wird es sehr \chwierig sein, die Etats der inzelnen Betriebsverwaltungen aufzustellen und sie für das nächste Jahr zu fruktifizieren.
Im übrigen aber ist die Regierung gern bereit, in allen ven Fällen, in denen es sih ermöglichen läßt, größere Geseße bis zum No- vember fertigzustellen, dies zu tun und sie {on im November dem Landtage zu unterbreiten. Jh möchte aber darauf hinweisen, daß das nicht immer, vielleicht sogar nur ausnahmsweise der Fall sein wird, weil die Zeit zwishen Mai und November — falls der Landtag über- haupt hon im Mai geschlossen werden kann — so turz ist, daß größere Gesebesvorlagen bei den meisten Ressorts nicht werden fertig gestellt werden können.
Was die Stärkung des Deutshtums in den Städten der Provinz Posen anbetrifft, so freue ich mich, daß Herr Abg. von Kardorff in so beredter Weise auch dafür einge- treten ist. Jch kann hinzufügen, daß nach dieser Richtung ja wohl \hon manches geschehen ist. Jch möchte darauf hinweisen, daß mit Vorbedacht die Besiedlungstätigkeit der Ansiedlungskommission viel- fah um die Städte herumgeführt worden ist; ih glaube, das ist die beste Schußwehr dieser Städte. Natürlich wird es nicht möglich sein, auf diesem Wege das Deutshtum in allen Städten der Provinz zu fördern. Jh möchte ferner darauf hinweisen, daß von der An- siedlungskommission in Aussicht genommen ift, in Zukunft in kleineren Landstädten sogenannte Kleinbürgerstellen zu errichten und dort Deutsche anzusiedeln, daß auf diesem Wege also kleineren Städten mehr länd- lichen Charakters wohl in Einzelfällen wird geholfen werden können. Dann möchte ih aber darauf aufmerksam machen, daß die Deutsche Pfandbriefanstalt immerhin, wenn auch nur auf dem Gebiete der ersten Hypotheken, sehr segensreih gewirkt hat, und daß die Deutsche Hausbesißerkreditanstalt jeßt {hon zweite Hypotheken ausleiht, und daß Grund zu der Hoffnung vorliegt, daß nach dieser Nichtung eine Ausdehnung wird erfolgen können. (Bravo!)
Wenn ferner Herr Abg. von Kardorff gesagt hat, die Schwierig- keiten lägen wahrsckeinlich beim Herrn Finanzminister, so glaube ich, dem im Namen des Herrn Finanzministers widersprechen zu müssen. Denn die Schwierigkeiten liegen weniger bei ihm, als in der Scchwierig- keit der Verhältnisse überhaupt, dann au daran, daß man natürli mit staatlichen Mitteln haushälterisch umgehen muß und sie nur so weit anlegen kann, als volle Sicherheit und eine Sicherheit des Erfolges verbürgt ist. Jch kann versichern, daß das Finanz- ministerium genau so wie alle anderen Ressorts bestrebt ist, zur Stärkung und Förderung des Deutschtums in der Provinz Posen nah Kräften beizutragen. (Bravo! rechts.) Abg. Dr. Pachni e (fortshr. Volksp): Hier ist der Nat au?gesproßen worden, man solle bet Nebenfächlihkeiten nicht in episce Breite verfallen. Das ist ganz \{öôn, aber wir vermissen eine Gleichmäßigkeit der Behandlung, wenn andererseits beim Obst- und Gemüsebau alle Fragen der Wirtschaftspolitik erörtert werden. Wir müssen den schärssten Protest dagegen erheben, daß der Abg. von Kardorff fich zum Zenfor des deutshen Neichstages und cinzelner Abzeordneten aufführt. Wenn wtr hier gehört haben, etn guter Redner sei in der Negel kein guter Politiker, dann muß ih vor der Um- kehrung des Satzes warnen, damit man nicht zu dem Schlusse fommt, daß jemand, der hier cine s{chlechte Nede hält, sel wenn diese den Beifall des Ministers gefunden hat, ein guter Politiker wäre. Der Abg. von Kardorff möchte die Nationalliberalen zu ih herüberztehen ; in temselben Augenblick aber verletzt er den offiziellen Vertreter dieser Partei, das ist das Liebeswerben mit der Tate etnes jungen Bären, aber niht die Methode eines besonuenen Politikers. sih der Abg. von Kardorff so entsetzt
l . a D oe
Auf die Sozialpolitik, über die ) hat, wird mit besonderem Stolz auch gerade von der Negterung hin- gewiesen. Das wirtschaftliße Leben ist in unaufhalisamer Ent- wicklung und wirft dadur immer ncue Fragen auf, die geseßz« gebezisch zu bewältigen find. Der Abg. von Kardorff möchte am liebsten zehn Jahre lang überhaupt kein Geseß mehr haben. Es fommt auf die: Gesege an. Das Volk verlangt gute Geseßze und verwirft \{chlechte. Das Neichsvereinsgescs hat für alle Deutshen Geltung, au für _die Beamten. Ein- shränkungen hierbei sind nur insoweit zulässig, als es zum Wesen des Beamtentums gehört oder soweit es im 2E des Dienstes und der Pflichtbeziehungen zwischen Beamten und Behörde nötig ist. Das hat der damalige Staatssekretär des Innern, der jeßige Neichs» kanzler von Bethmann Hollweg, selbst bei der Beratung des Neichs- vereinsgescßes ausgeführt. Diese Vorausseßungen treffen für das Verbot der Schußmannévereinigung niht zu. Die Zwecke der Ver- einigung find, wie das Statut zeigt, durchaus cinwandfrei. Nach diesem Statut is die Erörterung dienstlicher Angelegenheiten sogar ausdrückiich ausgeschlossen. Die bloße Vermutung darf nit zu einem Verbote führen. Da mußte man abwarten, ob wirkllch einmal etne Diszipltnwid1 igkeit vorkäme; dann konnte mar immer noch die Kon- fequenzen zichen. Das ist niht nur unsere Meinung, das ilt die Meinung der Mehrheit des Hauses. Jn ähnlicher Weise hat sich die Mehrheit auch bei der Debatte über die Berliner Feuerwehrleute ausgesprcchen. Lie Schutzmannsvereinizung ist am 28. November gegründet worden, unterm 29. ist sofort die Anmeldung- erfolgt und die Genebmigung nachgesucht wordea. Als tann einige Tage lang der Bescheid ausblieb, find die einzelnen eingetreten. Und dann ijt plößlich einer ter Schußleute, der sih besonders für die Gründung
interessiert hatte, nah Zabrze verseßt worden. Das war gewiß keine Beförderung. und deutsche Verhältnisse vergleichen?
England wird herangezogen. Wie kann man englische Man muß erst das Statut
bewirkt werden sollen. Was die statischen Nachweise anbelangt, so
der Londoner Schußmannschaft kennen, um ein Urteil zu haben.