Zu 88S 70, 71, 72, 74.
Formell werden die Vorschriften über das Rechtsmittelverfahren mit der Novelle zum Landesverwaltungsgeseße in Uebereinstimmung gebracht. Insbesondere wird in § 70 an die Stelle des Bezirks- ausschusses die Kammer für Abgabensachen geseßt (vergl. § 28 a daselbst) und in § 72. der Antrag auf mündliche Verbandlung dur die Klage im Verwaltungsftrettverfahren erseßt (veral. § 63 a daselbst). Auch ist im § 70 Abs. 2 Say 2 die bisherige Fassung, welhe nur Landgemeinden, Gutsbezirke und Stadtgemeinden benennt, zu eng. Mit Nücksiht auf § 6 war diese Aufzählung {hon bisher unvoll- ständia. Nachdem nun die Zweckverbände hinzugekommen und die im S 6 benannten Verbände auch in den 88 4 und 9 bis 9b den Gemeinden gleichgestellt sind, muß die Fassung dieses Sayes er- weitert werden. :
Die aufrecht erhaltene Vorschrift des ersten Satzes in Abs. 2 wird nach Vorgang des § 11 Abî. 4 des Kreis- und Provinzial- abgabengeseyes dur Fortlafsung alles Ueberflüssigen vereinfaht. Die bisherige Vorschrift in § 70 Abs. 2 Say 3 erübrigt sich dur die S8 74a und 74b der genannten Novelle.
Materiell sieht der Entwurf eine Vereinfahung und Beschleuni- gung des Verfahrens bei Heranziehung in mehreren Gemeinden vor. Die neuen Vorschriften des § 71 in Verbindung mit dem Zusaß im 8 70 Abf. 1 ersparen eine Entscheidung des Gemeindevorstandes und einen darauf folgenden Antrag des Steuerpflichtigen für den sehr bäufig vorkommenden Fall, daß der Antrag auf Ermäßigung mit der Heranziehung des Einkommens auch in einer anderen Gemeinde be- gründet wird und der Gemeindevorstand dem Antrag nicht voll statt gibt. Jn diesem Fall foll künftighin der Gemeindevorstand den Einspruch sogleih an die Beschlußbehörde abgeben, welche ihrerseits das weiter Erforderliche von Amts wegen veranlaßt.
Eine Verminderung der Anzahl der Verteilungsanträge und zuglei in manchen Fällen eine zutreffendere Veranlagung ist von der Vorschrift im neuen leßten Satze des Abs. 1 des § 71 zu erwarten. Da bisher im Vertetlungsverfahren zwar die zu hohen Säße erniedrigt, aber die zu niedrigen niht erhöht werden dursten (vergl. die Worte „unter Zugrundelegung der Etnshäßung der einzelnen Gemeinden" im vorhergehenden" Sage), fo ergab fich bisweilen eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Gemeinden dadur, daß zwar in einzelnen die anteilig zu hohe Veranlagung herabgeseßt wurde, die anteilig zu niedrige in anderen aber niht entsprehend heraufgeseßzt werden fonnte. Das führte wiederum die Gemeinden vielfach dazu, im Zweltfelsfalle thren Anteil möglichst hoch zu veranlagen, wodur der Steuerpflichtige auf den Weg des Verteilungsverfahrens gedrängt wurde. Durch die Zulassung einer Hinaufsezung der Anteilsveran- lagung . in einer Gemetnde wird beidèn Mißständen der Boden ent- ogen. va Da bei den Verteilungsanträgen vielfah verschiedene Beschluß- behörden in der Zuständigkeit konkurrieren, so ergab fih bisher durch die Notwendigkeit der Bestimmung der zuständigen Bischlußbehörde gemäß § 58 des Landesverwaltungsgeseßes bis in die Zentralinstanz hinein für das Verteilungsverfahren ein unverhältnismäßtg ausge- dehntes Schreibwerk. Die neue Vorschrift in § 71 Abs. 2 Sag 2 wird dasselbe zum weitaus größten Teile beseitigen. Saß 3 daselbst wird nur noch Anwendung finden, wo eine Veranlagung zur Staats- einkfommensteuer in Preußen nicht stattgefunden hat.
ZU D (9:
Die an sih schon zur Vermeidung unbegründeter, lediglih in der Absicht des Zahlungs8aufschubes eingelegter Nechtsbehelfe unbedingt erforderliche Vorschrift des § 75 hat verschiedentlih zu großen Härten geführt. Häufig ergaben si z. B. solhe Härten, wenn dasfelbe Etn- fommen von mehreren Gemeinden veranlagt wurde. Ein Zahlungs- aufschub der Gemeinde, welche als zweite oder gar als dritte die Ein- fommensteuer von einem bereits in einer anderen versteuerten Ein- fommen forderte, war oft niht zu erla ngen, insbesondere dann nicht, wenn die später veranlagende Gemeinde sich dabei troy des Einspruchs und Verteilungsantrages in vollem Recht fühlte. Dadurch erwuchsen dem Stkteuerpflihtigen niht nux schwere Unannebmlichkeiten, fondern me!st auch durch Zinsverluste finanzielle Nachteile. Andere zahlieihe Fälle besonderer Härten find bei denjenigen Arten von Gemeindeabgaben beobahtet worden, die wie Beiträge, Umfat- und namentlich Zuwachssteuern, eine Höhe err-ichen fönnen, die dem Pflichtigen die Zahlung aus laufenden Mitteln unmöglich macht, vielmehr etn Angreif n seines Kapitals oder die Aufrahme eines Darlehns etfordert. Besonders unbillig kann bei solchen großen Forderungen die sofortige Einztehung wirken, wenn die Forderung der Gemeinde streitig ist. Hier liegt die Möglichkeit vor, daß der Steuerpflichtige die Nückzahlung erstreitet. Ihm is dann durch die etnstweilige Zahlung ein ganz ungerechtfertigter Schaden erwachsen, der sich aus entgangenen oder gezahlten Zinsen und aus den Kosten der Geldbeshaffung zusammenseßt. Die Gemeinde andererseits ist ebenso ungerechtfertigterweise um die Zinsen bereichert.
Die neuen Absâge 2 und 3 sind bestimmt, dieien Härten vor- zubeugen. Die Beschwerde im Aufsichtswege ist durch die einschlägigen (Finzelgeseße durchweg an eine zwetwöchige Frist gebunden (vergl. &8 5, 7, 24 des Zuständigkeitägeseßes, 55 c Abs. 2 der Kreisordnung für die östlichen Provinzen, 47 der Kreisordnung für die Provinz Schleswig-Holstein, 22 des Zwekyerbandsögesetzes).
Zu § 77.
Zur Umgestaltung der Abî. 2 und 3 vergl. die allgemeine Be- gründung S. 32/33. — Die Streichung der Lit. þ und c im Abs. 3 wird schon durch den Forlfall der daselbst angezogenen Geseßzesstellen erforderlich.
Wegen der Aenderung in Abs. 1 vergl. Abs. 1 Say 3 bis 5 der Begründung zu § 70. Der Zusay im Abs. 4 dient nur der Klar- flelung. Das Necht, die Zustimmung an eine Frist zu knüpfen, haben die Minister hon jeßt, und üben es öfters aus.
Zu § 78 Abs. 4.
Die Frist ist mit § 51 der Novelle zum Landesverwaltungsgeseß in Uebereinstimmung zu bringen.
Zu §79. Abs. 1.
Es ift nit einzusehen, warum nur der Einspruch, niht aber au der weitere Nechtsmittelzug gegen unrichtige Angaben der Pflichtigen geshüut wird. Das Einkommensteuergesetß (§ 72) erstreckt den Schuß auf alle Rechtsmittel. Es empfiehlt \ih, für das Gemeindeabgaben- wesen diesem Vorbilde zu folgen
Die Ergänzung des Strafshußes der Gemeinden durch Einfügung des in § 48 erwähnten BVerteilungsplans hat sich in der Praxis als erforderlih erwiesen. Dieser Verteilungsplan is mehrfach in der Absicht der Steuerhinterziehung zugunsten gering belasteter und zu- ungunsten hoch belasteter Gemeirden aufgestellt worden.
Der Ersaß des grammatikalifh falschen Wortes „stattgehabt“ dur „erreihten“ hat nur redaktionelle Bedeutung.
Zu 88 79 a, 80, 81 Abs. 1 und 2.
Das durch den bisherigen § 63 den Gemeinden eingeräumte Au! kunftsrecht war durch die Vorschriften des § 82 ausreichend ge- \{chüßt. Nachdem nunmehr § 67a das Auékunfisrecht auch auf die- jenigen Fälle ausgedehnt hat, in denen eine Veranlagung ohne Steuer- ordnung erfolgt, ist es erforderli, ihm einen strafrechtlihen Schuß im Geseß zu geben. Auch für einen strafrehtlihen Schuß der Ver- pflichtung des Unternehmers aus § 48 Sah 1 hat si ein praktisches Bedürfnis ergeben. Diese Verpflihtung wird der AuskunftspfliŸt aleihzuftellen sein. Seinen Vorgang findet dieser Paragraph im § 74 des Einkommensteuergesetzes.
Die Mindeststrafe beträgt nah § 27 R.-Str.-G.-B. 1 4.
Die Aufnahme der neuen Vorschrift macht cine entsprehende Er- gänzung der Af 1 und 2 des § 81 erforderli.
Fm § 80 Abs. 1 ist lediglih das Paraaraphenzitat berihtigt und die neue Ausdrucktweise des § 67a berücksichtigt sowie das Wort „beziehungsweise“ durch „oder“ ersegt.
Zu § 82. Fn der Wissenshaft wie in der Praxis besteht Streit darüber, ob die nah § 82 festgeseßten Geldstrafen im Falle der Unbettreiblich- Feit gemäß §8 28 und 29 R.-Str.-G.-B, in Fretheitéstrafen umzu-
wandeln sind. Eine Aae daher erwünscht. Es empfiehlt si, diese sowohl dein praktishen Bedürfnis als auch der Stellung- nahme des Kammergerichts. entsprehend (vergl. „Deutsche Juristen- zeitung“ 1910 S. 829) in bejahendem Sinne zu treffen.
Zu 88 83 Abs. 2 und 3, 84.
Das Oberverwaltungsgeriht bezweifelt in seiner Entscheidung Bd. d5 S. 167, daß das Nacforderungsrecht der Gemeinden gegen- über den Erben ein auf ihrer Steuerfreiheit beruhendes „Heran- ziehungsreht* sei, neigt vielmehr der Ansicht zu, daß den Erben nur eine zivilrechtlihe Haftung obliege. Die neue Fassung des § 83 und des § ‘84 Abs. 2 stellt außer Zweifel, daß es fch um einen Ausfluß des Steuerhoheitörechts der Gemeinden handelt.
Der Abänderungsvorschlag im § 84 Abf. 1 will die zuungunsten der Gemeindeabgaben bestehende Differenz zwischen diesem Paragraphen und dem § 85 des Einkommensteuergesetzes beseitigen. Ein tnnerer Grund dafur, daß im Gemeindeabgabenreht eine Nachforderung wegen zu geringer Veranlagung ausge|\chlossen ist, während sie im Staats- steuerreht in gewissem Umfange besteht, ist nicht vorhanden.
Eine besondere Bedeutung kommt dabei noch der Ersetzung des bisherigen Ausdrucks „übergangen“ durch „unveranlagt“ zu. Die Aussetzung der ordentlichen Veranlagung über das Steuerjahr hinaus bedeutete ketne UÜebergehung. Deshalb war bisher bei einer solchen Ausseßung eine Nachveranlagung unzulässig (Urt. des O.-V -G. in Steuersachen Bd. 10 S 351, Bd. 12 S 7). Die Novelle zum Einkommensteuergeseß vom 19. Juni 1906 hat diese Rechtsprehung zum Anlaß genommen, den früher in § 80 daselbst enthaltenen Ausdruck „übergangen“ durch „unveranlagt“ zu ersegen (§ 85 des Einkommensteuergeseßes). Der Entwurf stellt nunmehr das Gemeinde- steuerreht dem Staats|teuerrecht au in dieser Hinsicht gleich.
Zu § 85.
Die im Abs. 1 bisher enthaltenen Worte „gemäß den hierfür geltenden Vorschriften“ haben zu der Auslegung geführt, daß auch im ¿Falle der Steuerhinterziehung (§ 78 des Eink.-St.„G.) die im § 84 Abs. 1 Say 2 enthaltene Beschränkung der Nachsteuerpfliht auf den Zeitraum von 3 Jahren Play areife. Dtese Beschränkung ist aber nur berechtigt, wo eine Steuerhtnterziehung nicht stattgefunden hat, während Steuerdefraudanten einen solhen Schuß nicht verdienen Dem- gemäß findet bei der Staatseinkommensteuer eine Beschränkung der Nachforderung auf 3 Jahre nur dort statt, wo ketne strafbare Hinter- ztehung vorliegt (§ 85 Abs. 1 Sah 2 des Etnk.-St..G.), während bei Steuerdefraudationen die htnterzogene Steuer ohne Einschränkung nahzuentrihten ist. Der Entwurf will durch die Streichung iener Worte auch hier das gleihe Necht für die Gemeindeeinkommensteuer \chaffen, wie es für die Staatoeinkommensteuer besteht. Für Fälle, in denen eine strafbare Hinterziehung nicht stattgefunden hat, bleibt die Beschränkung der Nachforderung auf 3 Jahre troy der Streichung bestehen, weil die Nachsteuer des Staates \ich auf diesen Zeitraum beschränkt und es sih hier nur um einen Anspruch der Gemeinde auf Zuschläge handelt.
Der bisherige § 85 behandelt die Nachfteuerpfliht an die Ge- meinde nur für den Fall, daß für den Staat gemäß 8 73, 85 des Etnkommensteuergeseßes eine Nachsteuer festgesetzt is. Demnach ift b sher die Anwendung des § 85 nur dort mögli, wo staats- und gemeindesteuerpfltchtiges Ginkommen fich decken (vergl. Urt. des D.-V.-G. Bd_ 52 S 182). In den Fällen des § 36 Abf 2 fehlt es daher bivher an einem dem Necht des Staats gleichen Nachbesteuerung8srecht. Die Vorschrift des § 84 Satz 2 reiht niht aus, weil sich die Nach- besteuerung aus diesem Paragraphen und auf 3 Nechnungsjahre zurück erstreckt. Diese Lücke wird dur den neuen Abs. 3 ausgefüllt.
Das Gesegeszitat im Abs. 1 wird berichtigt.
Zu § 85a.
Die Vorschrift dieses neuen Paragraphen scheint von der Grund- regel des Steuerrehts, nah der für die Veranlagung grundsäßlich der Zustand der Einkommensquelle - bei Beginn des Veranlagungsjahres maßgebend ist, abzuweihen. Diese Abweichung ist aber nur \{einbar. Denn es handelt fih nicht um dais Entstehen einer neuen Steuer- quelle für die zur Nachveranlagung berech igten Gemeinden, es handelt sich vielmehr nur darum, daß ein Besteuerungsrecht, daß die Ge- meinden von Anbeginn des Steuerjabxes gebabt baben, zunächst dur die Konkurrenz einer anderen \ ebenfaïls steuerberechti\gten Gemeinde eingeshränkt gewesen ist. gane diese Fonkurrerz im Laufe des Ver-. anlagungsjahres fort, so fällt auch der Giund fort aus dem die Ver- anlagung durch die andere Gemeinde unterblieben ist.
Zu § 85 b.
Bet den În diesem Paragraphen genannten Gesellshaften tritt nach § 9 des Cinkommensteuergeseßes die Einkommensteuerpflicht erst ein, wenn ein das Vorhandensein von Uebershüssen ergebender Ab- {luß vorliegt. Sie sind also mindestens für das erste Geschäftsjahr auch dann steuerfrei, wenn fe erheblihe Einnahmen erzielen. Ent- behrt schon diese Steuerfreiheit der wirt!haftlihen Berechtigung, \o verwandelt fi für die Gemeinde das lucrum cessans in ein damnum emergens, wenn die Gesfellchaft durÞ Umwandlung aus einer Einzelfirma entsteht. Die Steuerpflicht des Einzelkaufmanns oder der einzelnen5Firmen- teilhaber erlischt mit dem auf den Gründungstag fallenden Monats- erde, während die Steuerpsliht der Gesellschaft erst nach Ablauf des Geschäftsjahres, oft erst im Laufe des zweiten Nehnungtjahres nach dem Gründungéêtapge, ‘entsteht. Der Verlust ist für die Gemeinden um so empfindlicher, als es {ih regelmäßig um den Fortfall hoh veranlagter Ginfommen handelt. Durch die Unterwerfung der Gesell- schaften mit beschränkter Hastung unter die Gemeindeeinkommensteuer (§8 33) verschärft der Entwurf den Mißstand, da die bisher mit ihrem (Finkommen aus der Gesellschaft veranlagten Gesellschafter \olche Steuerfreiheit während des ersten Jahres nicht genossen haben.
Es erscheint daher dringend erforderli, eine Abhilfe zu \chaffen. Da innerhalb des durch das Einkommensteuergesey geschaffenen Systems für die Besteuerung juristisher Personen eine Veranlaaung vor dem Vorhandensein einer Üebershußbilanz technisch niht denkbar ist, so kann die Abhilfe nur durch Gewährung eines Nechts auf Nach- veranlagung geschaffen werden.
Zu § 836.
Es sind ledigli die Geseteszttate berichtigt.
Zu S 90 Abs. 1.
Es ift lediglich das Ben Pericgligl.
u § 96.
Bis auf den leßten Absatz enthielt dieser § 96 nur Uebergangs-
vorschriften und i} insoweit obsolet. Die entsprechenden neuen Üeber- gangsvorschriften finden sich in Artikel II1 des Entwurfs.
Zu Artikel Ux:
Vergl. die allgemeine Begründung, „Reihs- und Staatsanzeiger“ Nr. 33 vom 7. d. M., zweite Beilage.
Die 88S 1 bis 5b folgen dem Vorbilde der 88 1 bis 4, 7 und 9 bi8 9b des Kommunalabgabengeseßes und find den Neuerungen durch Artikel T des Entwurfs entsprehend neu gefaßt. In § 7 Abs 6 ver- ltert die besondere Kreiseinkommensteuerpfliht. des Staates bezüglich seines Einkommens aus den zu Ansiedlungszwecken angekauften Be- sißungen ihre Bedeutung, nahdem die Gemeindeeinkommensteuerpfliht des Fiskus auf das Einkommen aus diesen Grundstücken ausgedehnt it (Art. T S8 33 Abs. 1 Ziffer 4, 44 Abs. 1 Say 3). Ebenso folgt S 8 den neuen Vorschriften im § 25 und § 11 Abf\. 4 denen im § 70 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetes.
15 Abs. 2 wird dem bettébehden NRechtszustand angepaßt.
In § 16 Abs. 1 werden zunäch# die neuen Abs. 2 und 3 im 8 75 des Kommunalabgabengeset8es auch für die Kreisabgaben wirksam gemacht. Sodann wird unter die Vorschriften des genannten Gesetzes, welche au bei Kre!sabgaben für die Nachforderung und Verjährung Anwendung finden sollen, der § 84 eingefügt. Nach der Necht- \sprechung des Obe! verwaltungsgerih's besteht hier bisher eine Lüdcke im Kreis- und Provinztalabgabengeseß, da die Frage der Nach- forderung durch die Zitierung des § 87 K.-A.-G. nur für indirekte Steuern geregelt werde, während eine Regelung für direkte Steu-rn nicht getroff:-n sei (Bd. 57 S. 1). Durch Mitbenennung des § 84, der die Nachforderungen bet direkten Steuern behandelt, wird diese Lüdke geschlossen.
Im & 19 muß die Nr. 1 nah der anderen Gestaltung, wel3- die D IEENE, durch § 5 as en hat, fortfallen. Der ede Say 2 des § 20 Abs. 1 entspriht der Neuerung im § 77 des Kommunalabgabengefetzes.
Die §8 21 bis 24 waren näch den gleihen Gesichtspunkten urm- zugestalten wie die 88 1 bis 5. Zur Ausschaltung des Wortezg eFestseßung“ in § 24 vergl-ihe den leßten Absaz der Begründung zum § 8 des Kommunalabgabengesegzes.
. Im § 31 Abs. 1 Saß 2 waren, wie im § 16 Abs. 1 die neuen Abs. 2 und 3 in § 75 des Kommunalabgabengeseßzes zu erwähnen ebenso im Abs. 2 der § 84 des Kommunalabgabengeseßes. Der 8 33 mußte dem Vorbilde des § 19 folgen.
Zu Artikel I].
Die Vorschriften des Deklarationsgeseßes sind in den Entwurf hineingearbeitet. Zur Vermeidung von Unklarheiten empfiehlt fi seine ausdrückltche Aufhebung. :
Die beiden leßten Absäße entsprehen den Abs. 3 und 4 in 8 96 des Kommunalabgabengeseßes Ersterer soll es ermöglichen, daß die neuen Rechte, welhe den Kommunen durch das Gesetz gegeben werden bereits vom Inkrafttreten desselben ab in Wirksamkeit geseßt werden können. ne sichert in denjenigen Gemeinden, in denen zurzeit eine Grund teuer nach dem gemeinen Wert auf die bodenständigen Landwirte ntt die erforderlihe Rücksicht nimmt, den Uebergang zu einem den neuen Vorschriften im § 25 des Kommunalabgabengesetzes entspcehenden Rechtszustand.
Deutscher Reichstag. 210. Sißung vom 10. Februar 1914, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.) Nach der Abstimmung über die Ausgabe- und Einnahme-
positionen aus dem Absaz von Kalisalzen, worüber in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, seßt das Haus die Beratung des Etats für das Neichsamt des Jnnern beim Kapitel „Gesundheitsamt“ fort.
Abg. Meyer - Celle (nl.) fortfahrend: Die Behauptung des Abg. Giesberts, daß die Unfälle nur in relativ geringer Zahl durch eigene Schuld der Arbeiter herbeigeführt würden, ent- spricht den Tatsachen nicht. Es ist auch fraglich, ob durch Verkürzung der Arbeitszeit die Zahl der Unfälle sih vermindern würde. An- erkannt ist, daß die Einrichtung der Sicherheitsmänner in den Berg- werken den gehegten Erwartungen nicht entsprochen hat. In dem Interesse einer wirksameren Unfallverhütung liegt es jedenfalls auch, wenn die Arbeiter längere Zeit auf einer und derselben Arbeitsstelle verbleiben, und auch aus diesem Grunde rechtfertigt sih die In- stitution der Werkspensionskassen, deren Verbot gewisse Berufs- vereinigungen von Arbeitern in Petitionen an den Reichstag ver- langen. Die Klagen über die unmäßig hohe Zahl der Ueberstunden ist auch jeßt wieder erhoben worden. Gewiß sind die Ueberstunden ein Mißstand; häufig sind es Werkmeister, die den Arbeitern, denen sie wohlwollen, zahlreiche Ueberstunden zushanzen. Wenn im Bezirk Düsseldorf bis zu 30 Ueberstunden in der Woche vorgekommen sind, so ist das ein Unfug, an dessen Abstellung die Werke felbst ein drin- gendes Interesse haben. Das Ueberstundenwesen wird denn au nah PMöoglichkeit eingeschränkt, aber ganz beseitigen läßt es nch nicht. Es wird da auch mit einbegriffen die notwendige Sonntagsarbeit, obne die der Betrieb am Montagmorgen nicht fortgeführt werden könnte; diese Sonntagsarbeit is hauptsächlih den notwendigen MNe- paraturen gewidmet. Von einer Ueberanstrengung der Arbeiter kann dabei nicht die Rede sein. Die von Arbeitgeberseite veranlaßte Darstellung der wirklichen Arbeitszeit der Arbeiter in der Großeisen- industrie innerhalb der Zwölfstundenshicht ist von den Sozialdemo- traten angegriffen worden. Wenn die Herren diese Arbeit des Dr. Kind fo abfällig behandeln, was soll man dann von den Erhebungen halten, die einseitig von den Sozialdemokraten angestellt sind? Die Petitionen, die Verkürzung der Arbeitszeit verlangen, übersehen ganz, was auch der Abz. Giesberts zugegeben hat, daß die förperliche Arbeit in diesen Betrieben überhaupt abgenommen hat. Uebrigens h auch die Darstellung des Abg. Spiegel über Entlassungen älterer Arbeiter und über die Umgehung der bestehenden Vorschriften über die Be- schäftigung Jugendlicher nicht zutreffend; im leßteren Punkte gibt [hon die scharfe Kontrolle der Gewerbeaufsichtébeamten genügende Bürgschaften. Desgleichen sind die Bemängelungen, die der Abg. Sosinski über die Nevision der Werkspensionskassen vorgetragen hat, nicht stichhaltig, ein s{chwerer Vorwurf gegen die gesamte Arbeitgeber schaft 1} es, wenn gesagt wurde, sie habe es verstanden, wie alle Ge- seße so auch die Bundesratsverordnung von 1908 zu umgehen; i weise diesen Vorwurf mit aller Entschiedenheit zurück. Die 24stün dige Wechselschicht bei den Hochöfen ist fortgeseßt Gegenstand heftiger Angriffe; 1ch hoffe, daß die zur Prüfung der Frage eingeseßte Kom-
mission zu einem erf wird.
Vizepräsident Dr. A O e: Es sind zu dem ersten Titel dieses Kapitels noch 15 Redner gemeldet. Wenn alle Gemeldeten so lange reden wollen wie der Vorredner, so wären wir morgen mit diesem Kapitel noch nicht fertig.
Abg Bü chner (Soz.): Der Abg. Baron Knigge hat sih mit dem Geburtenrüdgang beschäftigt; dabei is der Geheime Regierungs rat Elster ebenso wie bei den Gesinnungsgenossen des Barons Knigge im preußisben Abgeordnetenhause \{chlecht weggekommen. Dieser Geheime Nat bringt den Geburtenrückgang mit einer gewissen Höhe der Kultur in Zusammenhang. Jch hätte gewünscht, daß Geheimrat Glster darauf hingewiesen hätte, aus welhen Grundursahen mit einem Rückgang der Geburtenziffer zu rechnen ist. Es sind dies die sozialen, wirtschaftliben Verhältnisse. Mit kleinen Palliativmittel-= chen, wie mit einer Bekämpfung der Antikonzeptionsmittel ist nichts zu erreichen. Daß der Nückgang der Sterblichkeit mit den Schutz zollen zusammenhängt, is eine neue Offenbarung der Konservativen. Die Herren wollen sogar das wichtigste Mittel zur Bekämpfung der Kindersterblichkeit, die Milch, mit einem Zoll belegen. Das ift Gegenkultur; das ist die Politik der Satten gegen die Hungrigen! Wir verlangen eine reichsgeseßlihe Regelung des Hebammenwesens, der Geburtshilfe. Bekanntlich ist diese Forderung nicht seit heute, und seit ein paar Jahren, sondern \chon seit 30 Jahren gestellt: worden Alle Petitionen in dieser Richtung sind bisher unerfüllt ge- blieben. Der damalige Staatssekretär des Innern von Bethmann Hollweg hat gesagt, das Hebammenwesen eigne sich nicht zu einer reichsgeseßlichen Regelung. Das ist nicht einzusehen. Wo ein Wille ist if auh ein Weg; die ewigen Erwägungen nüßen nichts. Jm Kreise Allenstein wird ein Drittel aller Frauen ohne jede Hilfe ent bunden. Dafür gibt es dort eine große Zahl Kurpfusher. Von 10 000 Müttern, die bei der Geburt sterben, sterben 7000 an Kind- bettfieber. Gerade die ärmsten Frauen werden davon getroffen. Die Reichen leisten sih Spezialärzte, sie werden gegen Ansteckung ge\{chüßt. In den Wochenstuben der Armen wird gekoht und Hausindustrie getrieben. Gs hieß im vorigen Jahre, die Regierung ginge mit der Absicht um, einen Teil des Hebammenwesens reihsgeseßlich zu regeln. Die e Dos des Bundesrats auf unsere vorjährige Wtolution hat diese Hoffnung zu handen gemacht. Für Kulturzwedcke hat die: Regierung keine Mittel. Die Hebammenvereine haben an den Reichstag gerichtet, die alle Beachtung verdienen, Sie fordern eine Grhöhung der Ausbildung bis zu ungefähr zwei Jahren. D Hebamme soll die Beraterin der Mutter sein. Die Stellung ver Paten muß sozial und wirtschaftliß gehoben werden. 75 % aller ckebammen ber uns nagen am Hungertuch, besonders die auf dem platten Lande angestellten. Es kommt vor, daß Hebammen mit empörender Nücksichtslosigkeit behandelt werden, daß sie in Armen- häusern wohnen müssen, daß sie bei Wind und Wetter \tundenlang zu Fuß allein nach Hause gehen müssen. Die evan haben heute noch keinen Anspruch auf eine reichsgeseßlide Krankenversiherung. Solange die Hebammen keine geseßliche Unterstüßung erhalten, bleibt
S \ - Fr P ck . prießlichen Resultat auf diesem Gebiete kommen
Petitionen
die Gefahr der Ansteckung durch sie bestehen. Das Reich hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die Hebammen im Alter versorgt. werden. J bitte Sie, unserer Resolution zuzustimmen. Möge die Regierung cudlich zur Tat übergehen.
Abg. Krin 8 (Zentr.): Ih habe shon vor zwei Jahren auf die Staubentwicklung der Autos hingewiesen. An vielen Orten, be- sonders am Rhein, werden infolge dieser Staubentwicklung viele Ge- bäude geschädigt. Dazu kommen die hygienishen Gefahren für die Atmungsorgane. Die von der Natur am meisten begünstigten Ge- genden sind besonders gefährdet.- Der Ministerialdirektor Lewald er- flärte vor zwei Jahren, es sei dies eine straßenbautehnishe Frage. Bei einigem guten Willen könnte auf die Provinzialverwaltung ein Dru ausgeübt werden, damit diese gesundheits\{hädlihen Belästi- gungen eingeschräntt oder vermieden werden. Ueber die Ergebnisse des internationalen Straßenkongresses, auf den man uns vor zwei Jahren hingewiesen hat, haben wir noch nichts gehört. Jch möchte quf die Gefahren des fürchterlihen Rasens der Autos hinweisen, worüber ja anläßlih des Unfalls unserer beiden Kollegen heute im Abgeordnetenhause eine Interpellation stattfindet. Bor einigen Fahren hat man die Höchstgeshwindigkeit in den Straßen von 15 auf 20 km erhöht, weil ja au ein Pferd fo {nell läuft. (Vize- prasident Dr. Dove bittet den Redner, micht zu ausführlich auf diesen Gegenstand einzugehen.) Es ist doch bedauerlich, daß unsere Straßen für internationale Wettrennen freigegeben werden. Man sollte des- halb eine bessere Kontrolle über die Geschwindigkeit der Autos ausüben. (Vizepräsident Dr. Dove weist den Abgeordneten darauf hin, daß jeßt das Gesundheitsamt zur Verhandlung \tebe, das bier fcine Abhilfe schaffen kann.) Man muß unbedingt darauf dringen, daß die Straßen bei trockenem Wetter gesprengt werden.
Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Es 1st ohne weiteres zuzugeben, daß durch die schnelle Entwicklung des Auto- mobilverkehrs die Staubplage zugenommen hat. Man kann sich fragen, wo Abhilfe zu schaffen ist, bei den Automobilen oder bei der Chaussee. In England hat man mit der Teerung der Landstraßen die Ztaubplage fast vollständig gebannt. Jch fuhr zusammen mit dem (rafen Pofadowsky bei 23 Grad Hiße, es hatte zudem eine lange Zeit vorher nicht geregnet, sodaß die ‘Felder ausgetrocknet waren, von Southampton nach London in 4 Stunden, und wir waren vollständig staubfrei geblieben. So etwas kennt man bei uns niht. Man muß zugeben, daß eine solhe Staubplage gesundheitlihe und wirtscaft- liche Schaden bringt. Hier kann aber nur ein anderer Bau der Land- straßen Abhilfe schaffen, womit sehr große Unkosten verknüpft sind. Jn England hat man die gesamten Beträge der Benzin- und Auto- mobilsteuer einer besonderen Behörde übertragen, die 3 Millionen Pfund einnimmt und sie systematisch an Gemeinden und andere Stellen verteilt zur Teerung der Straßen. Bei der viel größeren Ausdehnung Deutschlands würde das ganz enorme Summen kosten. Tmmerhin haben wir au in dieser Beziehung Fortschritte gemacht. Man hat ganz umfassende Versuche vorgenommen, und 1ch habe mich bei München davon überzeugen können, daß wir durch Teerung der Straßen zu den gleichen Resultaten wie in England kommen. 1916 findet in München ein internationaler Straßenbaukongreß statt, wo diese Fragen und ähnliche noch einmal genauer geprüft werden müssen.
(Fs ist zu hoffen, daß man allmählih auch in Deutschland dahin ge- langen wird, wenigstens die großen Straßen, die vorzugsweise dem Automobilverkehr dienen, zu teeren. Durch Versuche der Biologischen Anstalt wurde festgestellt, daß durch die Teerung die anliegenden Felder und die Bäume keinen Schaden erleiden. Jch möchte dann noch darauf hinweisen, daß Geschwindigkeitsprüfungen auf deutschen Landstraßen {on seit Jahren nicht mehr gestattet sind.
Abg. Dr. van Calker (nl): Jch danke dem Staatssekretär für die freundliche Erklärung zu unserer Resolution. Es ist zu be- grüßen, daß durh das MNeichsgesundheitsamt allgemeine Grundsätße über Megelung der Arbeitsverhältnisse des Krankenpflegepersonals aufgestellt und an die einzelnen Bundesstaaten geshickt worden sind. Jch glaube, daß dadurch zum ersten Male bekannt geworden ist, daß fole Grundsäße überhaupt aufgestellt sind. Das muß günstig wirken. Vielleicht wird es sih empfehlen, daß außerhalb des Nahmens des stenographischen Berichts darüber eine generelle Bekanntmachung herausgegeben wird. Jch hoffe, daß dadurch die einzelnen Kranfken- hausverwaltungen sich mit der Frage unmittelbar beshäftigen werden und sich klar machen, daß dies die Grundsäße sind, an die man sich zu halten hat. Der Resolution der Sozialdemokraten kann ich nicht zu- stimmen, und zwar aus dem merkwürdigen Grunde, weil sie mir nicht weit genug geht. Unsere Resolution geht entschieden weiter. Der Staatssekretär hat mit Necht darauf hingewiesen, daß es möglich sein könne, durch Vereinbarungen zwischen den verschiedenen MNegierungen etwas zu erreichen. Damit kommen wir über das Gebiet der Reichs- gewerbeordnung hinaus und können unsere Wirksamkeit auf alle Ge- biete erstrecken, wo Krankenpfleger. beschäftigt werden. Ich hoffe, die Annahme unserer Resolution wird in dem Sinne auf die verbündeten Negierungen wirken, daß überall da, wo geseßliche Regelung nicht möglich ist, die Vereinbarung an die Stelle tritt; die Annahme der Re- solution wird aber auch unseren Krankenpflegern und -pflegerinnen die Opferfreudigkeit in ihrem entsagungsvollen Berufe zu steigern geeignet ein. ; / : Abg. Leube (fortshr. Volksp.): Die Bestimmungen über die Quarantäne des einzuführenden Schlachtviehs schießen weit über das Ziel hinaus. Sie verteuern zunächst den Viehimport, insbesondere den aus Dänemark, Wenn die Maul- und Klauenseuche bei uns wieder stärker aufgetreten ift, so ist nicht die Einschleppung aus dem Auslande daran \{chuld. Jn gewissen Fällen is wahrzunehmen ge- wesen, daß eine verschiedenartige Behandlung der Interessenten bei den Abschlachtungen stattgefunden hat. Wir müssen durchaus gleich- mäßige Behandlung oder Ausschluß jeder Bevorzugung der größeren Besißer verlangen. Auch sonst ist das deutsche Fleisch beschaugeseß- reformbedürftig, so hinsihtlih der Vorschriften über die eventuelle Vernichtung eingeführten ausländischen Fleisches. Für alle diese Neformforderungen kann ih mich auf das Zeugnis des christlichen Ge- werkschaftsführers Stegerwaldt berufen. Das MNeichsgesundheitsamt fördert durch sein Gutachten unter Umständen agrarische Interessen. (Vizepräsident Dove: Sie wollen doh dem Amt nit unterstellen, daß es bewußt falsche Gutachten abgibt?) Das Reichsgesundheitsamt gibt setne Gutachten nah Pflicht und Gewissen ab; aber nachher werden dann Höhere „politishe“ Interessen damit verquidt.
Abg. Frommer (dkons.): Obwohl die Erörterung der Be- fämpfung der Maul- und Klauenseuche in der Hauptsache nah Preußen und ins preußt&he Abgeordnetenhaus gehört, so möchte ih doch dem Vorredner entgegen bemerken, daß es festgestellt ist, daß die Maul- und Klauenseuche fast nur aus dem Auslande bei uns eingesleppt ist. Wir in Ostpreußen sind für diese Seuche mit unseren Viehbeständen die Prellböcke. Jn den 70 er Jahren gehörte diese verderbliche Seuche in den Augen der Verwaltung noch zu den harmlosen Krankheiten. Um 1890 {woll die Seuche in unheimlicher Weise an; denn Tausende von Gehöften standen damals unter Seuche. UÜnendliche Verluste an Rindern und Schweinen hat die deutshe Viehzucht in den Jahren von 1887 bis 1910 zu verzeihnen gehabt. Daher ist ein strikter Grenz- \huß ebenso geboten wie eine sharfe Bekämpfung der Seuche im Inland. Das russische Viehseuhhengeseß gewährt nur einen papierenen Schuß, weil n Bestimmungen an der Grenze niht beobachtet wérden; auch sind die Möglichkeiten der Uebertragung außerdem noch zahllos. Wie können wir uns im Inlande sihern? Entweder dur Sperrbezirke oder durch weitergehende Maßregeln. Jch bin dafür, daß die Sperrbezirke, die verseuhten Gehöfte, mit der größten Strenge fontrolliert werden, daß aber die Beobachtungsgürtel doch milder fontrolliert werden. Ic bin sogar dafür, daß ber den Sperrbezirken die Kontrolle etwas Tchärfer gehandhabt wird, daß die chulen ge- lossen werden, daß die Untershweizer auch genauer fkontrolliert werden. Mit diesen Maßregeln sind für die Landwirte große Kosten verbunden. Man ist deneSeuchen au durch die berühmte Abschlachtunz zu Leibe gegangen. Man darf hier aber niht shematisch zu Werke gehen. Wo Zuchtzwecke vorliegen, kann doh nicht ohne weiteres eine Abschlachtung stattfinden. Fe Rücksichten spielen hier keine Rolle. An ih häben Abshlächtungen gewiß günstig gewirkt. Der Einwand, daß das Wild die Seuche übertrage, ist nicht stihhaltig. Es
ist wissenschaftlich festgestellt worden, daß wirklih be? ciner Gemse die .Maul- und Klauen}euche porgetomnmen ist, aber nicht bei anderem Wild. Ich weiß nicht, wie das Löffler'she Serum gewirkt hat, Pro- fessor Löffler ist ja hier und kann uns vielleicht Günstiges darüber be- richten. Jch bitte jedenfalls, die Versuche auf diesem Gebiete fortzuseßen und darum unsere Resolution anzunehmen. Sie geht dahin, den Reichs- kanzler zu ersuchen, für die wissenschaftliche Grforshung der Maul- und Klauenseuche und ihre Bekämpfung weitere größere Mittel möglichst noch in den Etat für 1914 einzustellen. Die deutsche Landwirtschaft be- darf eines solchen Schußes zum Segen des gesamten Vaterlandes.
Abg. Dombek (ole) beschäftigt sih ebenfalls mit der Frage der Bekämpfung der Maul- und Klauenseuhe und wendet \ih dann gegen die Ausführungen des Abg. Meyer-Celle hinsichtlih der sani- tären Verhältnisse dêr in der Großeiseninduftrie und im Bergbau be- \chäftigten Arbeiter. Die Werkspensionskassen im Bergbau seien in der Tat, wie sein Fraktionsgenosse Sosinski nachgewiesen habe, reform- bedürftig; es sei eine Zusammenfassung des gesamten Knappschafts- fassenwesens notwendig. Drei Werkskassen in Oberschlesien, zu denen die Arbeiter jahrelang Beiträge gezahlt hatten, seien durch die Miß- wirtschaft der Arbeitgeber zugrunde gerihtet worden (Vizepräsident Dove bittet den Redner, diese Ausführungen nicht zu weit auszü- dehnen). Die Arbeitgeber verständen es, die Bundesratsverordnungen von 1908 zum Schuß der Arbeiter zu - umgehen.
Abg. M u m m (wirth. Vgg.): Der Antrag Albrecht würde der Neform des Krankenpflegewesens nur Steine in den Weg legen. Daß die Reform wirklih marschiert, hat die gestrige Nede des Staats- fekretärs gezeigt. Die Zurückziehung des Antrages Albrecht würde der Sache am besten dienen. Es ift zu wünschen, daß eine wirklich durchgreifende Reform sobald als möglih wirksam eingeführt werde. (Fine Ausdehnung der Gewerbeordnung auf das Krankenpflegepersonal halte auh ih für untunlih. Es gibt in Deutschland allein 23 000 evangelische Diakonissen, auf welche die Gewerbeordnung nicht über- tragen werden kann. Zum Teil i} in den Diakonissenanstalten eine zehnstündige Arbeitszeit eingeführt, also eine kürzere, als fie der Abg. Äntrick befürwortet hat. Ferner besteht eine zweistündige Mittags- Pause und ein viermwöchiger nicht vierzehntägiger Grholungsurlaub. Es handelt sich um vorbildliche Zustände, die eine so tiefgreifende Aende- rung nicht nötig machen, wie sie von den Sozialdemokraten gefordert wird. Wo herrscht denn eine größere Beruféfreudigkeit? Hervor- ragende Aerzte kämpfen feit 20 Jahren für eine Reorganisation des Hebammenwesens. Die Sache. scheint auf dem Marsche zu sein. Man muß darauf achten, daß sie die notige Richtung einhält. Vor bald 20 Jahren ist von einer Gesellschaft, an deren Spiße Geistliche standen, eine Enquete zur Einschränkung der Unsittlichkeit gemaht worden. Hieraus hat die Sozialdemokratie einen Fall herausgegriffen, wo auf einer einzigen Domäne in einer Gemeinde infolge unzulänglicher Aufsicht verbesserungsbedürftige Zustände geherrscht haben. Aus dieser vor einem halben Menschenalter bestandenen Tatsache seßt nun die Sozialdemokratie Nachrichten in die Welt, als ob es in Brandenburg oder im Deutschen Neiche überall so aussieht. Die deutsche Regierung war in den 9er Jahren \elb\t einmal der Ansicht, daß das jugend- liche Schußalter auf 18 Jahre festgeseßt werden müßte. Es ist be- dauerlich, daß gerade die Vertreter Deutschlands auf der Internatio- nalen Konferenz in Bern gegen das Verbot der Nachtarbeit jugend- licher Arbeiter unter 18 Jahren waren. Selbst dem Kompromiß- antrag Hollands, der auf 17 Jahre lautete, stimmten sie nicht zu. Deshalb is notwendig, daß wir die dementsprechende Resolution Posa- dowsky einstimmig annehmen. In der Cisenindustrie ist durch die Ein- führung der 24stündigen Wechselschicht eine Verschlebterung einge- treten. Sie ist kein Ruhmesblatt für das sozialpolitische Deutsche Reich. Wir müssen unter allen Umständen darauf hinwirken, daß diese abgeschafft wird. Notwendig ist auch, daß die Arbeitszeit, insbeson- dere die Sonntags- und Nachtrube der in der BVinnenschiffahrt und Flößerei beschäftigten Personen geregelt wird. Das verlangt ja die Resolution Behrens, die ebenso angenommen werden muß. Vielleicht ist dies auch bezüglih des Gastwirtschaftsgewerbes möglich. L
Prâsident des Reichsgesundheitsamts Dr. Bumm: Im März v. J. hat der Reichsgesundheitsrat über Grundsäße zur Regelung des Hebammenwesens beraten. Es nahmen daran teil auch Direktoren von Hebammenschulen, Vertreterinnen des Hebammengewerbes und Ver- waltungsbeamte. Jn dem Entwurf find Richtlinien aufgestellt für die Zulassung zum Hebammenberuf, für die Prüfung, Nachprüfung, Wiederholungslehrgang und vieles andere. Auch finden sich Vor- schriften darin, nah denen die Hebammen darauf hinwirken follen, daß die Mütter die Säuglinge selbst stillen. Diese Grundsäße habe ih dem Staatssekretär des Innern vorgelegt, und dieser b ae mit der preußischen Regierung in Verbindung geseßt. Es sind a e Vor- fehrungen getroffen, mit den Bundesregierungen eine einheitliche Nege- lung herbeizuführen. Der Abg. Büchner hat fich darüber beklagt, daß soviele Frauen noch heute ohne jede Geburtshilfe bleiben, Jh will nicht bestreiten, daß es noch vielfah vorkommt, da es manchmal s{chwer hält, den Arzt oder die Hebamme schnell herbeizuholen. Aber man muß doch anerkennen, daß sich viel gebessert hat. Unsere soziale Ge- seßgebung hat sich alle Mühe gegeben, weitere Verbesserungen herbei- zuführen. Es kommt natürlih vor, daß einzelne Bestimmungen auf dem Papier stehen bleiben, so weigern sih manche Kassen, Hilfe zu leisten, troßdem sie es können. Das NReichsgesundheitsamt kann darauf nicht hinwirken. Man sollte auf die betreffenden Kassen einwirken und auf die Landesparlamente, damit das geschieht, was die Neichsgeseß- gebung gewähren kann. (s wäre auch undankbar, wenn man hier nicht hervorheben wollte, wieviel gerade die Privattätigkeit für die Sâäug- lingspflege und Wöchnerinnenhilfe leistet. Der Abg. Gerlach hat dann Wünsche und Beschwerden von Korkfabrikanten vorgebracht. Er hat es beflagt, daß unhygienische und gesundheitsgefährliche alte Korken wieder in den Verkehr gebraht würden. Dieselbe Klage hat schon im Jahre 1909 der Verband Deutscher Korkindustrieller erboben. Er hat felbst zugegeben, daß an und für sih gegen die Wiederverwendung ge- brauchter Korken nichts einzuwenden ist. Man müsse nur darauf achten, wozu es geschieht, Es würde ja auch ein großer Verlust für die Volkswirtschaft sein, wenn hier wirtschaftlihes Material vernichtet würde, wenn man die Korken alfo verbrennen wollte. Gegen die Ver- wendung zum Verschluß von Petroleum und von Flaschen, in denen sich Chemikalien befinden, läßt sih ja ohne weiteres nichts einwenden. Auch wenn die Korken gehörig gereinigt sind, läßt sich auch in anderer Beziehung nichts dagegen einwenden. Unzulässig ist jedoch die so- fortige Wiederverwendung von Korken, die aus dem Müll oder aus anderen unappetitlichen Vorräten gesammelt worden sind und dann zum Verschlusse von Bier und Wein benußt werden. Durch einen Erlaß des Neichskanzlers vom Jahre 1909 und durch Rundschreiben vom Sanuar 1910 sind ja auch alle Landesregierungen ersucht worden, auf die Verwendung von Korken in dieser Beziehung ihr Augenmerk zu richten. Den Verarbeitern von neuem Kork ist dies natürlich eine un- angenehme Konkurrenz. Aber danach kann man sich hier nicht richten, zumal ja auch die oberste französische Gesundheitsbehörde sich dahin ausgesprohen hat, daß gegen eine Wiederverwendung alten Korks an und für sich nihts einzuwenden ist. Man hat sih darüber beshwert, daß große Mengen Fleish auf Grund des Fleischbeshaugeseßes vernichtet würden, die sehr gut für den Ge- brau zu verwerten gewesen wären. Es handelt sich um die Ein- führung von Leber im Zusammenhange mit anderen Fleishbestand- teilen, die in dem vom Geseh festgeseßten Mindestgewicht über die Grenze kommen. Da die Importeure die übrigen Bestandteile außer den Lebern nicht brauchen konnten, fo ist gestattet worden, daß die übrigen Gegenstände vernihtet werden dürfen, damit sie niht verzollt zu werden brauchen. Es ist nun verlangt worden, daß dieje Gegen- stände nicht vernichtet, sondern zum Genuß für die Bevölkerung zu- gelassen werden. Erstens müßten nun diese Gegenstände verzollt wer- den, und zweitens handelt es fich um ungenießbare Teile, wie um den Kehlkopf, die Luftröhre, Schlundteile, sehnige Teile, das Zwerchfell usw. Außerdem handelt es sih um so geringe Mengen, daß sie für den Gesamtkonsum absolut keine Rolle jpielen. Es sind näm ih im ganzen nur 12 000 Doppelzentner gegenüber einer Cinfuhr von 551 000 Doppelzentnern aus dem Auslande. Die Ouarantänestationen für das S@lachtvieh aufzugeben, würde dem Schuß gegen Einschleppung von Viehkrankheiten aus dem Auslande widersprechen. Es wäre nicht
“ habén wird, Gefrierfleish für die
u verantworten, tvenn die Maul- und Klauenseude im Ausland4 exrsht, dänisches Vieh ohne Kontrolle in deutsche Schlachthöfe zu=« zulassen. Andere Länder lassen derartige Tiere überhaupt nicht herein, . B. England. Ob die deutsche Heeresverwaltung besondere Neigung ruppen zu verwenden, erscheint mir weifelhaft. Sie hat es bisher mit Recht vorgezogen, möglichst are leish in möglichst großem Umfange zu verwenden. Jn bezug auf die Maul- und Klauenseuche verweise ih auf die eingehenden Verhandlun- gen des preußischen Abgeordnetenhauses. Glücklicherweise ist die Maul=- und Klauenseuche, die im Oktober und November v. J. zuzunehmen chien, am 31. Januar 1914 nur noch in vier Bundesstaaten in 98 Kreisen aufgetreten. Wenn gewünscht worden ist, daß an der russishen Grenze noh eine größere Sperre vorgenommen werde, so vérweise ih den Herrn an den preußishen Landwirtschaftsminister. Dieser wird jedenfalls alles tun, was möglich ist, um das Inland zu süßen. Dasselbe gilt auch von der Abgrenzung der Sperrbezirke und der Beobnchtungsgebiete. Auch dies ist Sache der Landesbehörden, die betreffenden Beschwerdeführer mögen sih an diese wenden, Gewiß find die Sperrmaßregeln für den einzelnen fehr s{chmerzlich, nament- lich, wenn es sih um wertvolle Zuchttiere handelt, die der Stolz und die Freude des Züchiers sind. Aber die Interessen des einzelnen müssen gegenüber den Interessen der Gesamtheit zurücktreten. Die Tóôtung von Viehbeständen darf außerdem nur angeordnet werden, wenn wirklich die Gewähr besteht, daß dadurh die Seuche getilgt werden kann. Interessant ist, daß einer der preußischen Abgeordneten telegraphi\sch den Landwirtschaftsminister beschworen hat, eine Tötung von 150 Stück Bieh nicht vornehmen zu lassen, die Tötung ist erfolgt, der Minister bat recht gebabt, und der Abgeordnete ist aus einem Saulus ein Pau- lus geworden. (Fin Wort noch über die wissenschaftliche Erforschung der Seuche. Sehr dankenswert war die Anerkennung in diesem Hause für die Tätigkeit des Neichsgesundheitsamts auf diesem Gebiete. Leider mußte eine Untersuchung des Gesundheitsamts feststellen, daß die Annahme zweier Forscher, daß die von ihnen bezeichneten fleinen Lebewesen die Träger der Seuche seien, unzutreffend ist. Wenn manchmal darüber geklagt wird, daß zu wenig auf diesem Gebiete géè= forscht und gearbeitet werde, so möchte ih bitten, zu berücksichtigen, daß nicht überall diese gefährlihen Untersuhungen vorgenommen werden konnen. So sind wir z. B. nicht in der Lage, in dem Versuchsstall in Groß Lichterfelde mit der Maul- und Klauenseuche zu arbeiten, weil die Gefahr besteht, daß die Maul- und Klauenseuche auf die be= nachbarten landwirtschaftlichhen Bezirke übertragen wird. Jedenfalls werden die Versuche mit allem Nachdruck, soweit es nur möglich ift, fortgeseßt.
Abg. Thumann (Els) hält die Berücksihtigung der berech= tigten Wünsche und Forderungen des Krankenpflegepersonals für er- forderlih, ebenso aber die Berücksihtigung der Wünsche des Apothekerstandes, besonders in den kleinen Landstädten. Dieser Teil des Apothekerstandes sei {on wegen seiner Zugehörigkeit zum Mit- telstand einer folhen Berücksichtigung wert. Die berechtigte Forde- rung einer zeitgemäßen Erhöhung der Arzneitare müsse endlich erfüllt werden. Der Ruf nach einem OÖbstweingeseß steigert sich im geraden Verhältnis zur Zunahme der Obstweinerzeugung. Obstweine werden jeßt zu Preisen angeboten, die eine reelle Grzeugung direkt als aus- geschlossen erscheinen lassen; es seien Untersuchungen angestellt, die ergeben hätten, daß solhen Obstweinen bis zu 75 % Zuckerwasser beigemengt war. Den berechtigten Klagen der Winzer über die Kon- kurrenz des Malzweins habe in einer Verordnung abgeholfen werden sollen; diese sei aber immer noch mcht erschienen. Die Resolution Baumann wegen Ermittlung einer wirksamen Bekämpfungsmethode gegen den Heu- und Sauerwurm würden auch die Elsaß-Lothringer unterstüßen. Die spanishen Weinwirtschaften seien in der Zunahme begriffen; die spanischen Weine scheinen sich hinsihtlih der Kon- trollvorschriften einer vielleiht niht ganz einwandfreien Bevorzugung zu erfreuen.
Direktor im Reichsamt des Innern Dr. von Jonquières: Der Entwurf einer Verordnung zur Bekämpfung des durch die Malz=- weine dem Wein bereiteten unlauteren Wettbewerbs is heute dem Bundesrat zugegangen.
Abg. Jädkel (Soz.): Die gesundheitlihen Zustände in den Kreisen der Heimarbeiter und Heimarbeiterinnen sind in zahlreichen Industriezweigen außerordentlih unbofriedigend. Die Hausbetriebe der Spißen- und Gardinenweberei müssen mit bleibes{hwertem Garn verweben, und es sind in Plauen bereits Todesfälle als Folge der Blei- krantheit zu fonstatieren gewesen! Die Plauener Polizei hat diese Bleiverfälshungen noch nicht entdeden können, vielleiht wäre die sächsische Regierung darin glücklicher gewesen, wenn sie einmal unver- mutete Revisionen angeordnet hâtte. Die Durchführung des Schußes der Jugendlichen in Ausdehnung des Verbots der Nachtarbeit bis zum 18. Jahre ist eine unbedingte Notwendigkeit; leider geht der An- tragsteller Graf Posadowsky nicht weit genug, wenn er die verbündeten Negierungen nur ersucht, auf der nächsten internationalen Konferenz in Bern für diese Maßnahmen einzutreten; er hätte sie auffordern sollen, in dieser Frage die Initiative zu ergreifen. Gerade die Zu- stände in der Spibenweberei in Plauen, wo diese Nachtarbeit im Schwange ist, sind ein Beweis für die Notwendigkeit dieser Aus- dehnung; nicht bloß die Jugendlichen werden {wer geschädigt, sondern Tausende von kleinen Leuten, die durh den Großbetrieb auf diese Weise niederkonkurriert werden, sehen den Ruin vor Augen. Wann endlich wird man mechanische Vorrichtungen zum Heransaugen des Fadens durch das Schiffchen vorschreiben und die unsauberen und ge- sundheits\chädlichen Manipulationen der Benußung des Mundes ver- bieten. Auch die Reinigung der Fabriken läßt so gut wie alles zu wünschen übrig; wenn nicht gerade hochgestellte Leute zum Besuch fommen, denen man dann Potemkinshe Dörfer vormaht, kommt jahrelang kein Pinsel, keine Bürste, kein Lappen in Bewegung. In den Flachsgarnspinnereien sind die Arbeiterinnen einem ständigen Sprühregen ausgeseßt. Sie müßten wasserdihte Kleidung erhalten. Ießt sind sie deshalb genötigt, meist halbnackt zu arb-iten. In den Familien der Textilarbeiter herrs{ht eine überaus große Kindersterb= lihkeit infolge der vhysischen Entartung des weiblihen Geschlechtes, die durch die lange Arbeitszeit bedingt ist.
Abg. Li st - Eßlingen (Natl.): In den Gesundheitsverhälträssen unserer Industriearbeiter ist noch manches zu tun. Aber auch hier geht es vorwärts. Die Entwicklung stebt nicht ill. Das Schiffchenküssen besteht, solange es einen Webstuhl gibt, da der Faden immer noch durch den Mund angesogen wird. Hier müssen mechanische Vorrichtunaen gefunden werden, da durch die bisherige Manipulation Krankheiten leiht übertragen werden und die Desinfektion fast unmögl\ch ist. Ein Schiffchen zu konstruieren, wie es der Abg. Jäckel im Vo'jahr erwähnt hat, ist noch nicht gelungen (Abg. Jäkel legt ein Schiffen auf den Tish des Hauses). Wie sehr die Unternehmer hier Besserung hafen wollen, geht daraus hervor, daß es nit weniger als 50 Patente und mehrere Gebrau8- muster für ein Schiffhen mit mechanischer Einfädelung gibt. Die Einführung #ößt aber meist auf den Widerftand der Arbeiter selbft, die da meinen, im Verdienst geschmälert zu werden. Wie Versuche gezeigt haben, ist eher das Gegenteil der Fall. Dem Wunsch des Vorredners, daß die Regierung dieser Angelegenheit ihre Aufmerksauw keit zuwenden soll, {hließe ich mich an.
Abg. Poppe (Zentr.): Das Nelchsgesundheitsamt hat sich mit seinen Untersuchungen über die Maul. und Klauenseuche den Dank der ganzen Landwirtschaft erworben. Alle Mittel, die zur Bekämpfung der Seuche verwendet werden, werden vor uns gern bewilligt werden. Wir sind auch für die Errichtung weiterer Versuchsstationen. Auf dem Gebiete der Kontrolle bestehen Klagen, die ih zum Teil {on im vorigen Jahre vorgetragen habe. Leider sind nit alle Bitten erfüllt, die ih damals ausgesprohen habe. Gewiß hat sich die Verwaltung bemüht, Milderungen eintreten zu lassen. Wir dürfen vielleiht jeßt erwarten, daß Tkünftig nicht mehr ein leerer Stall zehnmal hintereinander revidiert und dafür 55 Gebühren verlangt werden. Die Bitte, daß den Geschädiuten eine kleine Entschädigung zuteil werde, is unerfüllt geblieben. Landwirte find gepfändet worden, weil sie die hohen Rechnungen der kontrollierenden Tierärzte niht bezahlen konnten. Man will ni
einmal eine Krilik der rigorosen Verfügungen der Behörden in öffénta