1895 / 84 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Apr 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Empfang und dessen Entgegenkommen aussprach. Das beste Programm für ihn sei, das zu pflegen, was sein verehrter und bewährter Vorgänger, der Reichskanzler, zum Wohle des Landes geschaffen habe; er wolle erst mit der Eigenart des Landes vertraut werden, darnach müsse die Verwaltung des Landes eingerihtet werden. Der Statthalter sprach dann seinen Dank und seine Anerkennung für die Annahme der Gebäudesteuer- reform aus und bezeichnete die Aufgaben, an denen der Landes- ausschuß mitwirken müsse, um geordnete Zustände aufrecht u erhalten, da au hier Elemente seien, die nihts zur Ruhe Tommen ließen. Erstrebt werden müsse die Herstellung eines Wasserwegs auf dem Niederrhein, ferner- sei die Bewässerung der durh die Rheinregulierung verödeten Gegenden nothwendig. „Seien Sie überzcugt“, {loß der Statthalter, „daß mich nur der cine Gedanke beseelt: Wie ih dem mir gewordenen Auftrage zum Heile des Landes am besten nachkomme.“ Nachdem der Statthalter seine Rede mit einem Hoch auf den Landesauss{chuß und das \s{höne Elsaß- Lothringen beendigt hatte, brachte der Präsident des Landes- aus\hufses Dr. von Schlumberger ein Hoh auf den Statt- halter aus,

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser empfing gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, eine Abordnung aus Jstrien und betonte ihr gegenüber, die Regierung werde die Denkschrift über die wirthshaftliche ‘Nothlage in Jstrien eingehend prüfen und zur Hebung derselben ihr Möglichstes thun. Die Abordnung er- schien hierauf bei dem Minister - Präsidenten Fürsten Windischgräß und sprah die Bitte um Unterstüßung der Regierung für verschiedene wirthschaftlihe Untersuhungen aus, um die Wirkungen der Weinzollklausel des mit Jtalien abgeschlossenen Handelsvertrags aufzuheben. Der Minister-:Prästdent sagte eine forgfältige Prüfung der ange- deuteten Pläne zu.

Der Abgeordnete Baron Dipauli ist aus demSubcomité ur Vorberathung der Wahlreform ausgeschieden.

egenüber den an diese Thatsachen anknüpfenden Meldungen

der Blätter, wonach die Wahlreformaktion angeblich gefährdet sei, stellt, dem „W. T. B.“ zufolge, cine autgzentishe Mit- theilung fest, daß die Sizungen des Subcomités in der leßten Zeit zur Fixierung verschiedener rihtiger Grundsäße geführt hätten und daß die Arbeiten sofort nah Wiederzusammentritt des Reichsraths fortgeseßt werden würden.

Das österreichische Abgeordnetenhaus hat gestern den Geseßentwurf, betreffend die Ausdehnung der S D ruhe a das Hausiergewerbe, angenommen. Der Abg. Dr. Lueger stellte cinen Dringlichkeitsantrag, worin er den Handels-Minister aufforderte, eine Ge bege oe noch in diesem Sessionsabschnitt einzubringen. Der Handels-Minister Graf Wurmbrand erklärte, die Gewerbegeseßznovelle sei fertig, diesclbe sei bisher nicht vorgelegt worden,. weil der Gewerbe- aus\{chuß mit Arbeiten überhäuft sei ; er hoffe, die Durhführung der Novelle werde im nächsten Jahre möglich sein. Hierauf wurde der Dringlichkeitsantrag Lueger's angenommen. Der Abgeordnete Steinwender und Genossen brachten sodann eine Jnterpellation über die an die geplante Eisenbahn- Verstaatlihung geknüpften Börsenspekulationen ein und rich- teten die Anfrage an den Minister, ob er sih nicht ver- anlaßt fühle, behufs Vermeidung einer noch weiteren Ausbeutung des Publikums Erklärungen abzugeben, durch welche der Kurstreiberei jede Berechtigung entzogen werde. Der Minister Graf Wurmbrand führte aus, er habe im Budgetausschusse vor Börsenspekulationen und vor allzu hoher Bewerthung der Papiere gewarnt. Wer unter- \häßte Papicre kaufe, gewinne, wer überschäßte Papiere kaufe, müsse verlieren. Wenn das Publikum noch immer seinem Uebermuthe folge, so sei die Regierung dafür nicht ver- antwortlich zu machen. Das Haus vertagte sih hierauf bis zum 23. d. M.

Großbritannien und Jrland.

Im Oberhause verlas gestern der Parlaments-Sekretär im indischen Amt Lord Reay eine Depesche des Vize-Königs von Jndien, worin es heißt: Der Malakand-Paß ist am 3. d. M. genommen worden. Der Paß wurde hartnäckig von 3000 Mann vertheidigt, hauptsählih Mullahs und Shiks und deren Gefolge. Die auf dem Morah- und dem Shakot-Paß angesammelten Mannschaften hatten feine Zeit, sich zu vereinigen. Die Höhen wurden \{ließlich mit dem Bajonett genommen. Die Artillerie und die Maxim-Kanonen betheiligten sih mit groben Erfolg. Der Feind verlor wenigstens 500 Mann, wahrscheinlih mehr. Unsere Verluste sind no nicht vollständig bekannt; es wird aber gemeldet, daß sie si in der zweiten Brigade allein auf 50 Mann belaufen. Die erste Brigade rückt in der Richtung auf den Swat-Fluß vor; die zweite Brigade folgt, sobald der Paß für Kameele gangbar sein wird. E

Im Unterhause erklärte der Präsident des Landwirth- \chafts- und Ackerbauamts Gardner: zu Anfang des vorigen Monats sei zur Kenntniß der deutschen Regierung gebracht worden, daß fein Grund irgend welcher Art zu der Annahme vorhanden sei, daß in dem Vereinigten Königreiche die Maul- und Klauenseuche herrshe. Die gegen Ende des vorigen Jahres durch den Ausbruch von Seuchen nothwendig gewordenen Einschränkungen seien seit dem 15. Januar aufgehoben worden. Er hoffe, das dies die deutsche Negierung veranlassen werde, jedes Einfuhrverbot für Vieh aus dem Vereinigten Königreih nah Deutschland auf- zuheben. Jm weiteren Verlauf der Sißung führte der Par- laments-Sefretär des Auswärtigen Amts Sir E. Grey aus, seines Wissens habe er zuerst die Wendung von dem „Wasser- wege des Nils in seiner Gesammtheit“ gebrauht und zwar in Beantwortung einer aus der Mitte des Hauscs an ihn gerichteten Anfrage. Als cr diese Wendung auch später gebraucht habe, habe er den Nilfluß im allgemeinen gemeint. Natürlich dürfe dieser Ausdruck nicht als eine spezielle Definition des Territoriums aufgefaßt werden ; dafür müsse man auf die oft angeführten Uebereinfommen Bezua nehmen. Die Regierung habe von ernstlichen, durch Heuschrecken angerichteten Schäden in den Distrikten in der Nähe der Machahos und in der Nähe von Kikuyse in der britishen Sphäre sowie in Bondei, Usagara und Lindi in der deutshen Sphäre gehört; es sei aber zu hcffen, daß der Regen den dadurch entstandenen Mangel beseitigen were. Zu der Annahme, daß der Sfklaven- handel zugenommen habe, sci kein Grund vorhanden. Aus den in Brüssel veröffentlichten Berichten gehe hervor, daß die

Soldaten des Congostaais die arabishen Händler überwältigt :

und ihre Ortschaften zerftört hätten. Weitere Mittel zur Jn- formation ständen der Regierung niht zu Gebote. Tippoo- Tipp befinde sih jeßt in Sansibar; es sei niht anzunehmen, daß er fich in irgend eincm unter englischer Kontrole stehenden Gebiet auf Sklavenhandel einlassen werde. j

: Fraukreich.

Der Senat hat gestern die Etats für Kultus, Handel und Unterricht angenommen, nahdem er sämmt- liche von der Deputirtenkammer genehmigten Erhöhungen ge- strichen hatte; diese Etats müssen daher wieder an die Depu- tirtenkammer zurückgehen. ,

JFtalieu.

Dem „Fanfulla“ zufolge wird sich der Herzog von Genua am 1. Mai in La Spezia an Bord M „„Savoia““ einschiffen und das Kommando über das Geschwader über- nehmen, das sich in ver ersten Woche des Mai zunächst zum E mehrerer Häfen nah England und alsdann nah Kiel

egiebt. Spanien.

Der Minister-Präsident Can ovas theilte, wie „W. T. B.“ meldet, gestern im Kabinetsrath ein Telegramm aus Havana mit, welches bestätigt, daß die spanishen Truppen bei ian Zusammentreffen die Aufständischen bisher geschlagen

aben.

Der Marshall Martinez Campos hat si gestern in Cadix unter lebhaften Ovationen der Bevölkerung nah Cuba eingeschifft.

Die Madrider „Correspondencia“ veröffentliht eine Note, welche besagt, die Haltung der Vereinigten Staaten in der cubanischen Angelegenheit sei, wie in allen anderen Fragen, von aufrichtiger loyaler Freundschaft durch- drungen.

Schweiz.

Der Nationalrath hat mit 75 gegen 54 Stimmen be- \{hlossen, auf die Vorlage des Bundesraths, betreffend die Errichtung einer Bundesbank, einzugehen. Die 54Stimmen der Minderheit ficlen auf einen Antrag Ramu auf ein- fache Rückverweisung des Entwurfs. Die artikelweise Berathung der Vorlage wurde auf die Juni-Session ver- schoben.

Niederlande.

Die Zweite Kammer hat gestern cinstimmig die Deklaration mit Portugal angenommen, durch welche die Handelsbeziehungen zwishen beiden Ländern pro: visorisch geregelt werden. Ebcnso wurde mit 69 gegen 5 Stimmen der Geseßentwurf genehmigt, wonach vom 1. Juni ab der Ausfuhrzoll für ostindishen Zudcker provisorisch auf ein Jahr aufgehoben wird.

Velgien.

Die Abstimmung über das Kommunal-Wahlgeseß im Ganzen, nachdem sämmtliche Artikel in der von der Regierung vorgeschlagenen Fassung von der Repräsentantenkammer angenommen worden sind, wird, wie „W. T. B.“ meldet, heute erfolgen. Von allen Amendements is nur ein einziges, das von der Regierung genehmigt worden war und worin vorgeschlagen wird, daß in den großen Jndustriezentren einige weitere Gemeinderäthe von den Jndustrie- und Arbeitsräthen ernannt werden sollen, angenommen worden.

Rumänien.

Der Minister des Auswärtigen Lahovary is gestern von Bukarest nah Paris abgereist. Der Minister der Domänen Carp leitet interimistisch das Ministerium des Auswärtigen.

Serbien.

Der Kassationshof hat infolge mehrfacher Beschwerden entschieden, .daß die Personalsteuer in den Wahlzensus nicht eingerechnet werden kann.

Bulgarien.

Jn Sofia begann gestern vor dem Appellhofe ein Prozeß gegen den ehemaligen Polizei-Präfekten Lukanow. Vier Vertheidiger sind bestellt, darunter Grckow. Die An- klage ist erfolgt auf die Aussage des im Jahre 1894 wegen Komplotts gegen das Leben des Prinzen Ferdinand von Sachsen-Coburg verurtheilten und später begnadigten Luka Jwanow, der den Lukanow beschuldigt, ihn während der Untersuchung mißhandelt zu haben.

Schweden und Norwegen.

Jm Storthing brachte gestern, wie „W. T. B.“ aus Christiania berichtet, der ehemalige Minister Astrup be- züglih- des außerordentlihen Heeresbudgets eine Jnter- pellation ein, worin er betonte, es sei die Hauptsache, in der Wehrkraft Ordnung zu halten, da man bei der jeßigen Lage der auswärtigen Angelegenheiten niht wissen könne, wann ein Krieg ausbrechen werde. Jm weiteren Verlauf wies der Jnterpellant auf die starke Entwickelung der Wehrkraft Shwedens während der leßten zehn Jahre hin und fr&zte, wann das außerordent- lihe Budget werde vorgelegt werden. Der Kriegs-Minister erwiderte, die Vorlegung desselben werde eine Woche nah Ostern erfolgen.

Amerika.

Dem Jnsurgentenführer Maceo soll es, wie „W. T. B.“ aus Madrid berichtet, geglückt sein, mit zahlreichen, von zwei an- geblichen Generalen Crombet und Valdes befehligten Freibeutern auf Cuba zu landen. Wie es heißt, hätten fie den Kapitän

des Schiffs ums Leben gebracht, um den Ort ihrer Aus-

\chiffung gehcim zu halten. Der General Salcedo soll den Aufständischen bei Manzanillo eine Niederlage beige-

braht haben. Asien.

Aus Simla erfährt das „Reuter sche Bureau“, Umra Khan sammle Streitkräfte, um dem Vorrücken der Engländer Widerstand entgegenzuseßen. Ave! britishe Offiziere be- fänden sih als Gefangene in der Gewalt Umra Khan's; man nehme an, daß es zwei Lieutenants seien, die seit zwei Wochen vermißt würden. Von ebendaher meldet dasselbe Bureau von heute, der Oberst Kelly habe, von Gilgit aus vor- gehend, einen entschiedenen Versuch gemacht, Chitral von dieser Seite aus zu- erreichen, er sei jedoch durch heftigen Schnee- sturm zur Umkehr gezwungen worden.

Die „Times“ meldet aus Simonoseki vom 31. März: Die militärishe Thätigkeit dauere ungeschwächt fort. Am 30. v. M. seien fünf Transportschiffe mit Jnfanterie und Kavallerie eilig vor der Verkündung des Waffenstillstands ab-

gegangen. Jn den Vertragsbedingungen sei der Wuns Chinas u erkennen, Peking um jeden Preis vor einem Angriff zu ewahren. Der ustand Li-Hung-Tschang’'s bleibe zweifelhaft, bis die Lage der Kugel bestimmt sein werde. Das „Reutecrshe Bureau“ berichtet aus Hirofhima von heute, der General Nodzu habe telegraphish gemeldet, einc Abtheilung japanisher Truppen, die unter Führung der Parlamentärflagge - die chinesishen Truppen von dem Eintritt des Waffenstillstands habe unterrichten sollen, sei von den Chinesen beshofen und zum Rückzug gezwungen worden. General Nodzu bezweifele, ob die Chinesen in der Mandschurei etwas von dem Waffenstillstand wüßten, da die Truppen ihr Verhalten gegen früher niht geändert hätten. G Aus Hongkong vom 4. April meldet die „Times“, die Chinesen flöhen von Süd-Formosa nach dem Festlande und nah Hongkong. Die Japaner rückten auf Tokau in Nord-Formosa vor; dort solle fih eine chinesishe Armee von 80 Mann befinden, von denen 50 000 gut bewaffnet, die übrigen neu Aus= pen seien. Ein Gefecht sei bevorstehend, man glaube aber, daß ür die Ausländer keine Gefahr bestche. Ju Swatow und Kanton würden kräftige Vertheidigungsmaßnahmen getroffen. Ueber den Kantonfluß T Sperrbäume gelegt und im Hafen von Swatow Torpedos versenkt worden; auch werde mit Truppenaushebungen vorgegangen.

Afrika. \

Der „Agenzia Stefani“ wird aus Massova h berichtet,

der General Baratieri sei auf dem Rückmarsche von Adi-

grat durch Adua gekommen, wo er die Huldigung der Geist-

lichkeit und“ der Bevölkerung entgegengenommen habe. Von

dort werde sih der General sogleih weiter begeben, um die: Truppen ihre Kantonnements beziehen zu lassen.

Parlamentarische Nachrichten.

__ Bei der Reichstags-Ersaß wahl im 7. elsaß-lothrin- gishen Wahlkreise (Erstein-Molsheim) erhielten, wie „W. T. B.“ meldet, nach vorläufiger Feststellung der Unter- Staatssekretär Zorn von Bulas 11751, Boehle (Soz.) 5400 Stimmen. Zersplittert waren 540, ungültig 681 Stimmen.

Die X. Kommifsion des Herrenhauses zur Vorberathung des Antrags des Grafen von Mirbach, betreffend die Währungs=- frage, hat fich konstituiert und zum Vorsißenden den Freiherrn von Manteuffel, zu dessen Stellvertreter den Grafen von Franken- berg, zum Schriftführer den Ober-Bürgermeister Fuß, und zu defsen Stellvertreter den Grafen von Seidliß gewählt.

Im 2er der Abgeordneten ist von den Abg Letocha, Graf von Strachwiß, Szmula und Gothein nah- stehender Antrag cingebracht worden:

„Das Haus der Abgeordneten wolle be. Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, die beftehenden Eisenbahnfrachtsäte für Montan- und landwirthscaftlibe Produkte aus S{hlesien

a. nah den Ostseehäfen (Ortsverkehr) und nach den übrigen Stationen des Ostseeküstengebiets unter Einbeziehung der Stationen Bromberg, Thorn, Frankfurt a. O.,

b. nah den Ostfeehäfen zur Ausfuhr nah außerdeutschen Ländern

zu ermäßigen und derart festzusetzen, daß die Bahnfrachten ab Schlesien, die Wasserfrahten ab rheinische Häfen und ab England nach den Hafenpläßen der Ostfee nicht in eincr den schlefishen Absaß nahezu auss{ließenden Weise über- steigen und für Montanprodukte zum mindesten denjenigen Bahn- frahten gleihgestellt werden, welche der rheinisch-westfälishen

Montanindustrie nah den Nordseehäfen und \peziell Hamburg zur

Verfügung stehen.“

Entscheidungen des Neichsgerichts.

Zur Begriffsbestimmung des unklagbaren Börsen- Differenzgeshäfts sind neuerdings vom NReichsgericht in Ueber- einstimmung mit der bisherigen Rechtsprehung, mehrere Urtheile gefällt worden, von denen nachstehende hervorgehoben werden:

1) Ein Auftrag zu Börsenspekulationégeschäften mit der Verein- barung der Differenzausglcihung verliert, nah cinem Urtheil des Neichsgerichts, 1. Zivilsenats, vom 20. Oktober 1894 dadurh nicht den Charakter des unklagbaren Differenzspiels, daß der Beauftragte nicht als Selbstkontrabent eintritt, sondern als Kom- missionär die Geschäfte durch einen Dritten effektiv zur Aus- führung bringt oder selbst mit dem QDritten Differenzaus- aleihung vereinbart und diesem die Differenzshuld, obne sich des Einmwandes des Spiels zu bedienen, zahlt. „. . . hat die Klägerin G. mit dem dritten Kontrahenten wahre Kaufgeschäfte ab-

eschlossen, und ihre Verpflichtungen aus diesen Geschäften erfüllt, fo fann sie hierauf eine Forderung gegen ihren Kommittenten Z. niht gründen, weil nach ihrer Vereinbarung mit Z. nur ein Spiel statt- finden sollte, ans welchem eine klagbare Forderung gegen den leßteren nicht entstehen konnte. Dieser war niht gehalten, wahre Kaufgeschäfte, zu denen er einen anltrog nicht ertheilt hatte, für seine Rechnung gelten zu lassen und folgeweise auch nicht verbunden, der Klägerin die in Ausführung solcher Geschäfte gemachten Aufwendungen zu er- seßen und ihr dafür Provision zu zahlen. Hat dagegen die Klägerin mit dem Dritten im Sinne einer auf bloßes Spiel. gerih- teten Vereinbarung mit Z. kontrahiert, so stellen die fi ergebenden Differenzen eine Spielswuld dar. Wenn die Klägerin diese für Rechnung des Z. kontrahierte Spielshuld bezahlt hat, so stehen ihrem Erstattungsanspruch die §§ 578, 581 I 11 A. L. R. entgegen, denn es fann nah dem Zweck dieser Ersaßzesvorschriften feinen Unterschied begründen, ob dem Spieler selbst Geld zum Spiel oder zur Bezahlung des Spielverlustes in die Hand gegeben wird, oder ob mit Wissen und Willen des Spielers zum Zwecke eines für dessen Rehnung betriebenen Spiels Geld aufgewendet oder für Nehnung des Spielers der entftan- dene Spielverlust bezahlt wird. Daß das Spiel, wie das Berufungs- geriht bervorbebt, an sih niht unerlaubt und der Auftrag zum Ab- {luß eines Spielvertrags deshalb nicht ungültig ist; steht dec Unklag- barkeit der aus \olhem Auftrage entstandenen Schuld, als einer Spielschuld, niht entgegen. Auch Provision kann die Klägerin dann nicht beanspruchen, denn es versteht sih von selbft, daß der Anspruch auf Provifion nur durch die Thätigkeit des Kommifsionärs im wahren Handelsverkehr, niht aber dur feine Mitwirkung bei zwar in die äußere Form von Handelsgeschäften gekleideten, rechtlich aber niht anerfannten Spielgeschäften begründet wird.“ (213/94.)

2) Der Thatbestand eines unklagbaren Differenzspiels ift, nach einem Urtheil des Neichsgerichts, 1V. Zivilsenats, vom 5. November 1894, {hon dann vorhandeu, wenn einem der beiden Kon- trahenten vom Gegenkontrahenten das Neht, Differenzauëgleihung zu fordern, eingeräumt ‘ist, während der Gegenkontrahent, auf Ver- langen des ersteren, zur effektiven Erfüllung verpflichtet sein soll. „Die Deutung, die der Aeußerung des Agenten des Klägers gegeben ist: Beklagter brauche nicht effecktiv zu liefern, er dücfe Differenzaus- gleihung verlangen, fann nur dahin aufgefaßt werden, daß auf der Seite des Beklagten keine L aE zur effektiven Erfüllung bestehen, vielmehr nur das Recht, Differenzausgleihung zu fordern, obwalten sollte. Ein so geschlossenes Geschäft stellt sich aber als ein nit klagbares Differenzgeschäft dar. Denn der Thatbestand eines folhen Geschäfts is nicht nur dann gegeben, wenn bei dem Geschäftsabshluß der übereinstimmende Wille

. feinem

beider Kontrahenten dabin gegangen ist, feine effekiive Erfüllung, sondern Differenzausgleihung eintreten zu lassen, sondern auch dann, wenn dieser Wille nur auf der einen Seite, allerdings für den anderen Theil erkennbar, vorhanden war, wobei es gleichgültig ift, ob die Verpflichtung zur éffektiven Erfüllung für beide Theile oder nur für einen Theil auégeshlossen sein sollte.“ (134/94.)

3) Eine Anzeige für die Spielnat ur von Zeitgeschäften über Börsenpapiere liegï, nah einem Urthei, des Reichsgerichts, I. Zivilsenats, vom 17. November 1894, vor, wenn sich jemand, der vermögen slos ift, auf fol%e Geschäfte einläßt, oder wenn die Höhe der cingegangenen Engagements in erheblichem Mißverhältniß zu ermögen steht, sofern anzunehmen ift, daß feine Vermögens- lage dem anderen Kontrabenten bei Eingebung der Geschäfte bekannt war ; für die Frage, ob ein derartiges Mißverbältniß anzunehmen sei, ist niht der Betrag, der auf den Geschäften voraussichtlich rubenden Differenz, fondern die Höhe der eingegan-

enen Verpflichtungen selbs entscheidend. „Die Möglich- eit, {hon vor dem Stichtag ein Gegengeshäft abzuschließen, ist allerdings für den Börsenspekulanten stets oder do regelmäßig vor- handen. Hierdurch wird aber die Spielnatur des Grundgeschäfts, vorausgeseßt, daß dieselbe sfih aus den sonstigen Umständen des Falls ergiebt, nicht beseitigt; denn der Abschluß des Gegengeschäfts ist in {olen Fällen nihts Anderes als eine verfrühte Differenzausgleichung. Was sodann die im Berufungsurtheil betonte Möglichkeit von Lom- bardierungen anlangt, so ift an ein wirklizes Hereinneb men der gekauften Effekten und ein Lombardieren derselben bei der hier voraus- geseßten Sachlage shwerlih zu denken. Die Verpfändung von Werth- papieren mag ein geeignetes Mittel sein, sich Geld zu verschaffen, wenn es sih um einen vorübergehenden Geldbedarf handelt. Wenn dagegen jemand, der ganz oder fast ganz vermögenslos ift, Zeitgeshäfte abshlicßt, so handelt es sid bei ungünstigem Ergebniß der Spekukation eben nicht um einen bloß vorüberachenden Geld- bedarf. Erfahrungsmäßig findet dann au in solchen Fällen die Lösung des Engagements am Stichtage nicht "vermittels der Aufnahme von Lombarddarlehen statt, sondern die {webenden Engagements werden, sofern die Parteien ihre Geschäftsbeziehungen über den Stich- tag hinaus fortsezen, durch Abschluß von Prolongationsgeschäften auf den nähsten Monat übertragen.“ (250/91.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Nach § 19 des Einkommensleuergesezes rom 24. Juni 1891 ist es bei der Veranlagung gestattet, besondere, die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen wesentli beeinträhtigende wirthschaftlicche Verhältnisse in der Art zu berücssichtigen, daß bei cinem steuer- pflichtigen Einkommen von nicht mehr als 9500 eine Ermäßigung der im § 17 vorgescbriebenen Steuersäße um höchstens 3 Stufen ge wird. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober-

erwaltungsgeriht, V. Senat, 1. Kammer, du1ch Entsceidung vom 21. September 1894 ausgesprochen, daß ein erst na der Steuererklärung, aber vor dem Beginn des Steuerjahres eingetretenes, die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wesentli beeinträchtigendes wirthshaftliches Ereigniß bei der Veranlagung zu berücksichtigen ist. Ein Zensit legte, nahdem er seine Steuererklärung eingereiht batte, wonach er cin Einkommen von 4070 Æ zu ver- steuern habe, gegen feine daraufhin geshehene Veranlagung Berufung ein, indem er in seiner Berufungsschriît geltend machte, daf vor Beginn des Steuerjahres in seiner Wirthschaft ein Brand sich er- eignet habe und daß mit Rücksicht auf diesen Unglückéfall cemäß S 19 des Einkommensteuergeseyes sein Steuersaß ermäßigt werden möge. Die Berufungskommission lehnte aber das Gesu des Zen- siten ab, ohne zu der von ihm behaupteten Thatsache Stellung zu nehmen. Auf die Beschwerde des Steuerpflichtigen gab das Ober- Verwaltungsgeriht die Sache an die Berufungsk-mmission zur ander- weiten Entscheidung, insbesondere zur Feststellung des Brandes und der etwa dadurch beeinträchtigten Leistungsfähigkeit des Zensiten, zurück, indem es begründend autführte: „Der Umstand, daß das Frage Ereigniß nicht innerhalb des Zeitraums liegt, welchber für die

erechnung des Durhschnittseinkommens aus dem Grundbesiß maß- gebend is Art. 5 Nr 2 der Au€führungsanweisung vom 5. August 1891 —, {ließt die Anwendung des § 19 a. a. O. nicht aus, da nicht das fteuerpflitige Einkoinmen, sondern nur der festzustellende Steuersaß durch § 19 becinflußt wird. (V. A. 2112/93.)

Die Thâtigkeit der vereidigten Börsenmakler ist, nah einer Entscheidung des Ober-Verwaltungsgeribts, VI. Senats, 1. Kammer, vom 25. Oktober 1894, ein \teuerpflichtiges Ge- werbe. „Nah der bisherigen Steuergeseßgebung ist die Thätigkeit eines bei der Kaufmannschast angcstellten und vereidigten Mafklers stets als fsteuerpflichtiges Gewerbe behanrelt worden, weil troß ge- wiffer amtlicher Funktionen der gewerbliwe Charakter bei weitem überwiegt, und zwar hat man darin die Ausübung eines stehenden Gewerbes erblickt. Eine Aenderung des ftenerlihen Begriffs des stehenden Gewerbes ift in keiner Weise dur das Gewerbesteuergeseßz vom 214. Juni 1891 beabsichtigt worden. Die Makler oder Sensale betreiben daher auch nah diesem Gesetz ein steuerpflihtiges Gewerbe. Der Ertrag der Thätigkeit des Steuerpflichtigen als Börsensensal ist deshalb mit Recht zur Besteuerung herangezogen worden.“ (VI G. 33/94.) :

Statistik nnd Volkswirthschaft.

Elektrishe Stadtbeleuhtung in Deutschland.

Die „Elektrotechnische Zeitschrift“ veröffentlicht in ihrer Nummer vom 4. April eine Statistik der zur Zeit im Deutschen Reich im Betriebe befindlichen bezw. im Bau begriffenen Elektrizitätswerke, die in mehrfacher Hinficht interessant ist. Die Sta'istik enthält nur solhe Werke, welche zur Stromvertheilung die öffentlihen Straßen benußen und dem Zwecke der Energielieferung für Licht- und Klein- motorenbetrieb dienen; ausges{lofsen find Blockstationen und Einzel- anlagen, weldhe zur Leitungsführung nicht die öffentlihen Wege in Anspyruh nehmen, sowie diej-ningen Elektrizitätswerke, welhe aus- \chließlich für den Betrieb von Straßenbahncn erriht.t sind. Nach dieser Zusammenstellung, der vollständigsten, die bisher veröffentlicht wurde, sind gegenwärtig 148 elektrisbe Zentralstationen im Deutschen MReich in regelmäßigem Betriebe, welche sih auf 135 verschiedene Ort- schaften vertheilen. Im Bau begriffen sind weitere 34 Werke. Eine Uebersicht der Werke nah System der Energievertheilung, Betriebs- kraft, Größe, Lampenzahl und Datum der Betricbêeröffnung regt zu mancherlei interessanten Betrachtungen. an. Die bei weitem größte Zahl der Werke, nämli 120 Stück oder 81 0/0, verwendet Gleichstrom , theils mit, theils ohne Accumulatoren, während 15 Werke mit Wechselstrom und 8 mit dem erst in neuerer Zeit aufgekommenen Drebstrom arbeiten. Die Mascinenleistung sämmt- liher Werke beträgt 33 896 Kilowatt oder etwa 46 000 Pferde- stärken, die totale Leistungsfähigkeit einsließlich der Accumula- toren teläuft sih auf 38 485 Kilowatt (= 52300 P.-S.). Von den 120 Gleistromwerken find 80 mit Accumulatoren ausgerüstet, wäh- rend die übrigen 40 ohne solche betrieben werden. Die Maschinen- kraft der Gleihstromwerke mat 78 9/0 der Gesammtleistung aller Werke aus. Die vorherrschende Betriebskraft ist der Dampf. Aus- \{ließlih mit Dampf betrieben werden 80 Werke mit 27 290 Kilowatt (= 37100 P.-S.) Leistungsfähigkeit oder der Zahl der Werke nah 54 9/0 und der Leistung nah 81 9/0. Dem gegenüber ist der Betrieb von Werken auéscließlich mit Wasserkraft unbedeutend; derselbe kommt bei 44 Werken mit zusammen nur 3938 Kilowatt (9390 P.-St.) Leistungsfähigkeit zur Anwendung, während Gas als Betriebskraft nur vershwindend wenig benußt wird. Der Grund dafür, daß die Zahl der aus\{ließlich mit Wasser betriebenen Werke im Vergleich zu deren Gesammtleistung eine verhältnißmäßig hohe ist, dürfte darin zu suchen sein, daß sehr viele kleine Orte, welche

in ihrer Nähe eine bisher vielleiht unbenußt gebliebene Wasserkraft besigen, diefe nunmehr zum Betrieb einer clektrishen Zentrale aus- nußen und \ih auf diese Weise ein splendides und doch sehr billiges Licht verschaffen. Durch Ausnußung vorhandener Wasserkräfte wird ofenbar noch vielen kleinen Ortschaften, die sonst wohl kaum in der Lage wären, von der Petroleumbeleuchtung ab- und zu einer bessern Beleuhtung überzugehen, die Möglichkeit geboten sein, eleftrische Beleuchtung einzuführen, sodaß die Zahl elektrisch beleuchteter Städte in naber Zukunft eine erhebliche Steigerung erfahren dürfte. Es ift höchst beahtenswerth, daß nahezu zwei Drittel aller Werke eine Kapazität von unter 100 Kilowatt, entsprebend etwa 1500 sechzehnkerzinen Glühlampen, baben. Da jedoch überhaupt nvr 44 Werke dur Wasserkraft betrieben werden und unter diesen noch cine größere Anz1hl“ mittlerer Werke sich be- finden, fo ergiebt si, daß viele kleine Stätte und Dörfer, troßdem sie nidt über eine billige Wasserkraft verfügken, sondern die. viel theurere Dampfkraft benußen mußten, denno si nicht ges{eut baben, eleftrische Beleuchtung einzuführen. Mittelgroße Werke zwischen 100 und 500 Kilowatt Gesammtleistung sind 43 und ser große Werke von über 500 Kilowatt 20 vorhanden. Unter den leyteren ftchen natürli die Berliner Elektrizitätäwerke mit ivsgesammt 8853 Kilomatt (12 000P.-S.) Maschinenlcistung obenan. Diegrößte elektrische Zentrale Deutsclands ift die Zentrale „Mauerstraße“ der Berliner Elektrizitäts- werke mit 3198 Kilowatt; es folgen das ftädtische Elekirizitätzwerk Hamburg mit 2448 Kilowatt, Berlin Spandauerstraße und Berlin Schiffbauerdamm mit je 2028, Berlin Markgrafenstraße mit 1599, Frankfurt a. M. mit 1566, Jfarwerke bei München mit 1360, Köln a. Rh. mit 1280 und Weimar mit 1098 Kilowatt. Die drei Stationen der Berliner Elektrizitätswerke in der Markgrafenstraße, Mauerstraße und Spandauerstraße werden noch in diesem Jahre eine bedeutende Erweiterung erfahren, und zwarerstere um 847, diezweite um 983 und dië letzte um 1035 Kilowatt. Zwei weitere Zentralen von 1000 Kilowatt und darüber find gegenwärtig im Bau begriffen, nämli Stuttgart mit 1000 und Dresden mit 2088 Kilowatt. Die Gesammtzahl der an die bestehenden Elektrizitätswerke ange- \{lossenen Normalglühlampen 16 Kerzen) beträgt 493 081, die der 10 Ampère-Bogenlampen 12 357 und die Leistung der ange\{lossenen Motoren 5635 Pferdestärken. Rechnet man von der gesammten Ma- schinenleistung der Werke 20 9/% auf die Reserve, fo ergiebt ih, daß die zur Zeit angeschlossenen Motoren nur etwa 1509/9 der Gesammt- leistung beanspruchen, sodaß hier den Elektrizitätêwerken noch ein weites Feld zur besseren Ausnußung ihrer Maschinenkraft und damit zur Verbilligung des Betriebs und Herbeiführung einer höheren Rentabilität offen steht. ;

Die elektrishe Stadtbeleuhtung hat fich in wenigen Jahren zu der Höhe entwickelt, auf der sie heute bereits steht. Während es bis zum Anfang des Jahres 1889 nur 14 Elektrizitätswerke in Deutsc- land gab, find im Jahre 1889: 10, 1890: 9, 1891: 13, 1892: 23, 1893: 29, 1894: 39 weitere Werke in Betrieb geseßt worden, sodaß die Gesammtzahl der elektrishen Zentralstationen eins{chließlich der 11 Werke, bei denen das Datum der Betriebseröffnung nicht angegeben ist, wie oben {on bemerkt, auf 148 gestiegen ift.

Die Branntweinbrennerei in Elsaß-Lothringen im Betriebsjahr 1893/94.

Die Branntweinbrennerei in Elsaß-Lothringen hatte im Betrieb®- jahre 1893/94 einen bedeutenderen Umfang als im Vorjahre. ‘Während im Jahre 1892/93: 22029 Brennereien im Betrieb waren, belief sh die Zahl dieser Brennereien im Jahre 1893/94 auf 24 992. Die Gesammtproduktion an reinem Alkohol stieg von 12877 h1 im Vor- jahr auf 23 611 hl im Jahre 1893/94.

Diese Zunahme ter Produktion ist hauptsählich auf die günstige Obst. und Weinernte des Jahres 1893 zurückzuführen. Da der Sommer äußerst trocken war, gelangten Obst und Wein gut zur Reife, der Zudergcehalt war infolge dessen ein sehr reihliher und die Ausbeute eine ziemlich hobe. Zur Steigerung der Produktion hat auch der Umstand wesentli beigetragen, daf die dur Art. T1 Ziff. 4 und 5 der Branntweinfteuernovelle vom 8. Juni 1891 geschhaffene Er- leihterung auch denjenigen Materialbesißern zu theil geworden ift, welche, ohne im Besitz einer eigenen Brennvorrihtung zu fein, ihr Material in der Brennerei eines anderen zu Branntwein verarbeiteten oder verarbeiten ließen. :

Die Branntweinauétfuhr aus Elsaß-Lothringen hat eine geringe Steigerung erfahren, muß jetoch noch imtner als unbedeutend be- zeichnet werden. Die Ausfuhr beschränkte sh hauptsächlih auf geringe Mengen feinerer Trinkbranntweine, meist aus felbstgewonnenem Material.

Das Hauptabsatzgebiet des ausgeführten Branntweins ift Frank- rei, ein fleiner Theil wurde nach Belgien, Luxemburg und nah Amerika versandt. é

Die Hauptsorten von Trinkbranntwein, welche in Elsaß-Lothringen kfonsumiert werden, sind Kirschwasser, Zwetshenwasser, Weintreber- branntwein, Weinhefenbranntwein, Obsttreberbranntwein, Korn- und Kartoffelbranntwein. Der Preis des Kirschwassers betrug 1,60 bis 3,20 M, des Zwetschenwassers 1,40—2,50 4, des Weintreberbrannt- weins 1,10—1,60 Æ, des Weinhefenbranntweins 1,70—2,50 A, des Obsttreberbranntweins 1—1,60 4, des Korn- und Kartoffelbrannt- weins 0,52—1,20 A für das Liter bei Abgabe aus der Brennerei.

Der ¿zum Konsum gela” aente Kartoffel- und Getreidebranntwein bat durhschnittliÞ eine Stärke von 45—50 °%/0, die übrigen Sorten haben eine folbe von 45— 52 9/0. ;

Preßbcfenfabrikation in Verbindung mit Brennereibetrieb wird nur von einer Gewerbs8anstalt betrieben.

Zur Arbeiterbewegung.

úIn Leipzig beschäftigte sh eine Versammlung der Stein- meßgehilfen am Mittwoh wieder mit dem neuen Lohntarif der Innung. Die Innung hat sich in einem Schreiben bereit erklärt, ihren Tarif in einigen Punkten zu Gunsten der Gehilfen abzuändern. Da durch diese Zugeständnisse die Lohnsäße des Innungstarifs fast auf die Höhe derjenigen des früheren Gehilfentarifs kommen, beschloß, wie die „Lpz. Zig.“ berichtet, die Versammlung, die Vorschläge der Innung anzunehmen und den Gehilfentarif fallen zu lassen.

In Offenburg in Baden ist einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge in der Shumacher’shen Bürstenfa brik ein Ausftand der Arbeiter wegen Lohnstreits O e

Aus Brüssel meldet „W. T. B.“: In mehreren Kohlen - gruben von Seraing und Flemalle sind kleinere Ausstände aus- gebrochen. Die Arbeitseinstellung hat indessen keine weitere Aus- dehnung angenommen. In den übrigen Kohlengruben des Bekens fährt die Mannschaft vollzählig ein. Es herrsht Nuhe.

Aus Charleroi wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 3. d. M. geschrieben: Der Ausstand der Glasarbeiter ist bis jeßt noh kein allgemeiner. Von den 21 Oefen des hiesigen Beckens waren gestern 10 in Betrieb. Ruhestörungen sind bisher niht vorgekommen.

Verkehrs-Anstalten.

Hamburg, 4. Aptil .(W, L. B) fanishe Padcketfahrt-Aktiengesellshaft. Der Postdampfer „Normannia* hat heute Mittag Scilly passiert. Der Post- guter „Phönicia* ist heute Nachmittag in Curhaven ein- getroffen.

Hamburg-Ameri

Theater und Musik.

Königliches Schauspielhaus.

Axel Delmar, der Verfasser des ersten, am gestrigen Abend gebotenen Stücks: „See, Drama in 2 Aufzügen“, hat bereits durch feinen früher zur Aufführung gelangten Einakter „Die Ahrenshooper“ bewiesen, daß er ein starker Theatralifer ist. Er war einst selbst Schauspieler, und die innige Vertrautheit mit den tehnischen Er- fordernissen eines wirksamen Bühnenstücks wird ihn davor bewahren,

Dramen bloß für die Lektüre zu s{reiben. Dazu kommt unleugbar ein kräfliges dihterishes Talent, das niht án psyhologisden Details haftet und ih bemüht, dur tausend einzelne Züge ein Milieu her- zustellen, sondern eine Freude an einfaGen Figuren und einfachen großen Leidenschaften hat. h :

Sein neues Stück zeigt die guten Eigenschaften. dieser klaren Begabung, aber auch die Mängel, die seine Sucht, theatralish effektvoll zu roirken, im Gefolge hat. Im Grunde genommen ist das ganze Stück nur die konfequente und erwartete Löfung einer langen Vor- geshihte. Vor Beginn des Stückes sind bereits alle Fäden im Gange, und der Verlauf des Zweiakters Mos inhaltlih feine Ueber- rashungen mehr zu bieten. In der Vorgeschichte hat Trudel Renim nicht auf ihren Geliebten wartet wollen, der als Matrose jahrelang verschollen gewesen ist, sondern einen anderen geheirathet. Als aber Peter Bellbobhm doch heimkam und seine Geliebte als das Weib eines anderen wiederfand, beirathete er ein anderes Mädchen Namens Rieke. Jahrzehnte gingen ins Land. Bei einer ungeheuren Fluth verlor Trudel Renim ihren Mann und ihr Häuschen, und ihre erwachsene Tochter Stine, die sich dem Matrosen Franz Molchin versprochen hatte, wurde blind. Nach jenér furhtbaren Katastrophe ging Molchin in die Welt und versprach heimzukehren. Acht Jahre lang blieb er aus und hier fett die Handlung des Stüdæs ein.

Der Familie Renim gebt es bitterelend, und nur Peter Bellbohm und sein Weib eine prächtig gezeichnete Figur, die Frau Schramm vorzüglih wiedergab nahmen fich ihrer an. Aber auch der Schulze des Dorfes, der Bösewiht des Stücks, will ibnen helfen, um Stine zu veranlassen, sein Weib zu werden. Da konmint eîne Flaschenpost aus der Südsee an, die den Untergang Franzens meldet. Nun giebt die Blinde nach und wird Pätow's, des Schulzen, Weib. Drei Tage nach ihrer Hochzeit fkehrt der Todtgeglaubte zurüdck, und es kommt durch einen sehr ungeschickten Brief- Diebstahl an den Tag, daß der Schulze bei seiner Schwester in Batavia sich jene Flashenpost bestellt hat! Diese etwas dilettantische Motivierung veranlaßt das Fischerdorf, an dessen Spiye sich der ehr- lihe Peter Bellbohm stellt, selbs Gericht zu üben, und bei einer gemeinsamen Dünenarbeit werden Pätow und Bellbohm auf Nimmer- wiedersehen in die See hinaus getrieben. Die Bahn if jeßt für Franz und Stine frei. i:

Es ist schade, daß dem rein dramatischen Können nicht das intime psyhologishe Können des Verfassers entspriht. So sehr er si bemüht, \charfe Charaktere zu geben, über die Anfänge ift er niht binausgekommen. Die friesishen Schiffer schwatzen nicht fo viel und sind weniger sentimental. Die TaLRETUng, ar meift anzuerkennen. Naturgemäß lag der Schwerpunkt auf den Rollen der Männer, von denen die des Franz (Herr Matkowéky) vom Dichter am stiefmütter- listen behandelt worden ift.

Mit einem mächtigen räumlichen und zeitlißen Sprung versetzte uns das zweite Stück: „Dumames Zeug wird hier getrieben Lustspiel in 3 Aufzügen nah dem Spanischen des Nojas“, in das galante und graziôse Leben Madrids im Anfang des 17. Jahrhunderts. Nachdem sih Cervantes, Calderon, Moreto, Lope de Vega bei uns auf der Bühne eingebürgert haben, hat das Schauspielhaus mit. dem Zeitgenossen Moreto?s, mit Francisco de Nojas-Zorrilla einen Versuch gemacht und fein lustiges Stück (Entre bobos anda el juego) unter dem Titel „Dummes Zeug wird hier geirieben“ in flotten, gereimten Versen vorgeführt. Diefe spanishen Scherz- und Liebesspiele ähneln sih wie ein Ei dem andern. Ein Vater, der seine {Göne Tochter an einen reihen Dum1inkfopf verbeirathen will, weil seine Weisheit in dem Verse gipfelt: „Mit sechstausend Golddukaten Rente Kann man schon ein ganzes Schaf sein*, eine intriguante Tochter mit ihrem schnippishen Kammerkäßchen, die jenen Dummkopf hbinters Licht führen, um scinen \{hönen, aber armen Vetter zu fangen, ein ewig Berse rasselnder, himmelnder Anbeter, dumme und geshickte Diener, eine angejahrte Jungfrau, die mit NVirtuosität in Ohnmacht fällt, und {ließlich der von Herrn Vollmer ausgezeichnet dargestellte reiche Dummkopf, der zum Schluß fauersüß bereut, daß andere „den Spaß und er die Spesen“ gehabt hat, das find die Helden auch dieses Stücks, die Jahrhunderte lang die spanische Bühne bevölkert haben. Den Inhalt kann man sich denken. Er war bei Rojas zu weit ausgesponnen und ermüdete das Publikum ein wenig, das vorher den Verfasser von „See“ einige Male lebhaft berausgerufen hatte. d

Berliner Theater.

Mit dem Schauspiel „Der Herenkessel“ führte sich gestern Abend ein junger Dichter, Georg Engel, auf der Bühne des Berliner Theaters vortheilhaft ein. Obwohl der dramatische Aufbau niht gerade geshickt ist und eher unsicher genannt werden darf, übte die Handlung doch starke Wirkungen auf das Gemüth der Zuschauer aus. Im ersten Aft sollte dem Anschein nach ein Konflikt angestrebt werden zwischen einem s\tarrköpfigen alten Bauernhofbesiter Karl Möller und dem eht wvaterländisch nnd pflichttreu gesinnten preußishen Offizier Kurt von Saliß, der am Tage der Schlacht von Saalfeld in den von Feinden beseßten und fiheren Tod bringenden „Hexenkessel“ marschieren foll. Der zweite Aufzug läßt aber diese Gegensätze fallen und richtet die ganze Auf- merksamkeit und Theilnahme aur das Aufkeimen und Erblühen eines zarten Liebesbundes zwishen dem Offizier und der lieblihen Pflege- tochter Marie des alten Möller, bei dem Kurt von Salitz im Quartier liegt. Der leyte Aft führt in kurzen wirkungsvollen Scenen den Schluß der bis dahin verworren hin- und hers{chwankenden Handlung herbei. Der Offizier wird als ein Sterbender aus dem Herxenkessel in das Haus seiner Geliebten zurückgebraht und der Segen des Land- pfarrers, der um Mariens Gunst vergeblich gefleht hatte, verbindet die Liebenden rechtmäßig auch vor den Augen der Menschen. Die überströmende Liebesfehnsuht und glühende Lebenslust, die den jungen Offizier im Angesicht des sicheren Todes zu gesteigerten Empfindungen und zu heftigen Entschlüssen unaufhaltsam hinreißt, hat der Dichter ergreifend zu schildern verstanden. Vorher aber wirkt {on die echt deutsche Treue und patriotische Hingebung erhebend, mit welcher der Jüngling bei offenen Augen, zwar bewegten Herzens, aber ficheren Schrittes in den unabwendbaren Tod geht. Die psychologishe Entwickelung und die Zeichnung der Empfindungen des Helden i|ff gut gelungen, obgleich die Führung des Dialogs dem Dichter erkenn- bare Schwierigkeiten bereitete. Troy aller Unsicherheit in dem allmählihen Fortschreiten der Handlung haben seine Bühnengestalten wirkliche Theilnahme erweckt, was immerhin ein günstiges Zeichen für die dramatishe Begabung des Verfassers ist. i i

Die Hauptrolle, die des Offiziers Kurt von Salit, spielte Herr Sommerstorff vornehm und mit natürliher Wärme der Empfindung. Fräulein Elsinger (Marie) bleibt mit ihrer Dar- stellungskunst noch zu sehr an der Oberfläche; sie war troßdem lieblich und manchmal rührend. Der Gestalt des alten Möller verlieh Herr Nollet die nöthige Schlichtheit und Kraft. In der kleinen Nolle des biederen Majorsburschen aus Pommern wirkte Herr Waldow durch seinen ungekünstelten Humor erfreulich.

Konzerte.

Der gestrige dritte Lieder- und Balladen: Abend des Herrn Eugen Gura (in der Philharmonie) brahte manh&s Neue und begann mit vier anmuthigen Gesängen aus „König Elf's Liedern“ von Henning von Koß. Hierauf folgten die mit großer Spannung erwarteten neuen Lieder von Richard Strauß, deren interessanter musikalisher Inhalt sih zugleih dur Originalität der Erfindung auszeichnet. Das Lied „Ach, weh mir unglück- haftem Mann“ wurde auf Wunsch wiederholt. Dann folgten sieben Gesänge aus Schumann's Liederkreis op, 39 und fünf Balladen von C. Löwe, deren erste durch ihren seltsamen Titel „Tod und Tödin“ auffiel. Der Ursprung dieser Kom- position ist ebenso seltsam und wurde dur die Behauvtung Löwe's angeregt: jeder, noch so fremdartige Text könne in Mußk geseßt werden, worauf der anwesende Dichter A. von Tschabuschnigg sofort die Verse improvisierte, in denen eine „Tödin®* als Frau des Todes fungiert, welche die Sterbel,emden anfertigt und die Gräber