1895 / 98 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 24 Apr 1895 18:00:01 GMT) scan diff

der Regentschaft ein, so ernennt der Landtag einen Regenten aus Ie Zahl der Agnaten, bis eine Regelung erfolgt ist. Der Regent erhält 250 000 M aus der Domanialkasse. Die Staats- regierung erklärt sih bereit, baldmöglichst einen Akt der Reichs- gesezgebung zu beantragen, durch welhen das Reichsgericht als Gerichtshof zur Erledigung der Thronstreitigkeit eingeseßt wird.“ Nach 4!/ostündiger Berathung wurde der Antrag mit 15 gegen 6 Stimmen angenommen. Der Landtag vertagte sih darauf.

Elsaß-Lothringen.

D.r Landesaus\ chuß hat gestern in dritter Lesung ein- stimmig das Gesez über die Gebäudejteuer angenommen. Dasselbe stellt eine Ausgleihung und eine gerechtere Ver- theilung der bestehenden Gebäudesteuer her und hebt die Thür- und Fenstersteuer auf.

Oesterreich-Ungarn.

Der Minister des Jnnern Marquis Bacquehem hat die Einleitung einer allgemeinen Sammlung von milden Spenden in ganz Oesterreich für die hilfsbedürftigen Bewohner von Krain angeordnet. i i

Die Vereinigte deutsche Linke hat, wie „W. T. B.“ meldet, in der gestrigen Klubsißzung einstimmig ‘und unter lebhaftem Beifall eine Resolution beschlossen, worin im Hinblick auf mehrfahe Vorkommnisse und Erscheinungen der jüngsten Zeit und in Erwägung, daß die politishen und wirthschaftlihen Aufgaben der Koalition dringend einer Lösung bedürften, der Ausdruck der Ueberzeugung erneuert wird, daß die Partei in geschlossener Einigkeit inner- halb und außerhalb des Parlaments an ihren freiheitlihen und. nationalen Prinzipien unverbrüchlih festzuhalten habe. Gleichzeitig spricht die Partei ihrem altbewährten Führer Dr. von Vlener ihr volles Vertrauen aus und erwartet bejtimmt, die Regierung werde die Grundsäße des Programms vom 93. November 1893 in vollem Umfange verwirklichen.

Im Abgeordnetenhauje brachten gestern die Ob- männer der drei Koalitionsparteien einen dringenden Antrag auf umfassende Hilfeleistung für Krain und Steiermark anläßlih der durch die Erdbeben verursachten Schäden ein. Der Abg. Schwegel stellte einen dringlichen Antrag aufSiteuererleichterungen für die dur die Erd- beben nothwendig gewordenen Um- und Neubauten. Die Dringlichkeit wurde einstimmig angenommen. Die Anträge wurden sodann einstimmig genchmigt. Die Abgg. Kaizl und Genossen brachten hierauf einen dringlichen Antrag ein, worin fie verlangen, das Haus wolle über das Ver- balten der Regierung in der Verstaatlihungsfrage sein Mißfallen ausdrückden. Der Abg. Kaizl begründete unter dem Beifall der Jungczechen und Antijemiten die Dringlich- feit des Antrags. Der Finanz-Minister Dr. von Plener erflärte, er müsse, da der Handels-Minister im Hause nicht anwesend sei, die erhobenen Anklagen entschieden in dessen Namen zurückweisen. Für Zeitungsmeldungen sei der Handels-Minister, welcher den Abschluß niemals als nahe be-

ay sondern nur die öffentlihe Meinung auf den großen

¡lan allmählich vorbereitet habe, ebensowenig verantwortlih wie für die in der legten Zeit seitens der ungarishen Regierung vorgebrachten Differenzpunkte, wcihe cin Novum be- deuteten. Ein formeller Abschluß des Handels-Ministers mit den Gesellschaften habe niht stattgefunden. Die Einbringung der Vorlage im Juni würde nicht möglich gewesen sein. Jn der Haltung des Handels-Ministers liege keinerlei Widerspruch ; es gebe feine bestimmte Zusage, die am Tage zuvor zurück- gezogen worden sei. Die Regierung für die entstandene Kurs- treiberei verantworilih zu machen, bedeute einen ungerechten, gehässigen, unwahren Vorwurf. (Lebhafter Beifall.) Die Nzgie- rung fönne fih das nit gefallen laffen. Er appelliere an alle wohldenkenden Männer, ob die Regierung oder der Handels- Minister, dessen Makellosigkeit selbst von seinen Gegnern an- erkannt werde, im Parlament mit den Kurstreibereien in Verbindung gebraht werden dürfe. (Beifall.) Es liege kein Grund vor, die Aktion des Handels-Minisiers in Bausch uni Bogen zu verdammen. Es entsprehe auch den Wünschen der Majorität des Hauses, daß die Vorlage erst im nächsten Sessions- abshnitt an das Haus gelange. (Lebhafter Beifall und Hâändeklatschen.) Der Abg. Lueger legte Zeugniß ab für die persönliche Ehrenhaftigkeit des Handels-Ministers. Als Redner erklärte, wenn die Koalition die Dringlichkeit ablehne, so werde fie unter der Verachtung aller anständigen Menschen zusammen- brechen, wurde er vom Präfidenten zur Ordnung gerufen. Der Aba. Ruß erklärte, seine Partei, die Polen, die Konservativen und das linke Zentrum erblickien in der Zurük- fielung der Eisenbahnverstaatlihung feinen Anlaß, der Regierung ein politishes Mißtrauen auszusprechen. Der Abg. Kramar fsprach fich en Antrag Kaizl aus. Der Abg. Steinwénder nannte die Haltung Ungarrs in der Verstaatlihungsfrage eine Impertinenz. Der Präsident rügte diesen Ausdruck gegenüber der befreundeten Regierung. Nachdem nochmals der Abvg. Kaizl als Antragsteller ge- \sprochen, wurde die Dringlichkeit des Antrags Kaizl mit großer Majorität abgelehnt. Der Anirag wird daher ge- mäß der Geschäftsordnung behandelt werden.

In Prag hat gestern. vor dem dortigen Schwurgericht die Schlußverhandlung gegen 17 Angeklagte, die beschuldigt find, anarhistishe Vereinigungen gestiftet zu haben, begonnen. Die Verhandlung wird geheirn geführt.

Das „Budapester Amtsblatt“ veroffentlicht die Ernennung des pensionierten Senats - Präfidenten der Kurie Lorenz Thot zum lebenslänglihen Mitgliede des Oberhauses.

Die Berathung der Nuntien des Oberhauses be- züglih der Rezeption der israelitischen Religion un der freien Religionsübung im Unterhause ift auf den

25. und 26. April angeseßt worden.

Großbritannien und Frland.

Jn der gestrigen Sißung des Unterhauses erklärte der Parlaments - Sekretär des Auswärtigen Sir E. Greg, die genauen Bedingungen des Friedens zwishen China und Japan seien der britishen Regierung noch nicht offiziell mitge- theilt er könne daher übcr diesen Gegensiand vor der Oeffent- lichkeit keine Angabe machen. Weiter erklärte Sir E. Grey, der Ort Keuz-Tong (?) liege nit auf britishem Gebiet, sondern sei ein al wo erst fürzlich ein französischer Posien errichtet worden sei. Es bestehe in feiner Weise die Absicht, britishe Truppen dorthin zu senden. Der Kriegs-Minister Campbell Banner- man sagte, er habe feine Kenautniß, ob das Gerücht irgend-

wie begründet sei, daß der Herzog von Cambridge scinen Abv- !

schied genommen habe. Der Antrag des Schaßkanzlers Sir W. Harcourt, dem früheren Sprecher Peel eine Pension von Pfund zu bewilligen, wurde angenommen. Keir A beantragte, die Penjion auf 1000 Pfund zu reduzieren, and aber keine Unterstüßung.

Frankreich.

Die Königin von Großbritannien und Jrland ist gestern Vormittag von Nizza nah Darmstadt abgereist. Bei der Abreise wurden Allerhöchstderselben die üblichen militärischen Ehren erwiesen. Am Bahnhofe waren die Spigen der Zivil- und Militärbehörden erschienen.

Rußland. i Der Kaiser besuchte gestern, wie „W. T. B.“ aus St. en berichtet, in Begleitung der Großfürsten und roßfürstinnen die russishe Ausstellung des _Druckwesens und wurde bei seinem Eintreffen vom Finanz-Minister Witte, dem Präsidenten der technischen Gesellschaft Kasi und dem Vize- Präsidenten der Ausstellung Madckoff empfangen. Ftalien.

Wie die „Tribuna“ versichert, soll der italienische Ge- sandte in Madrid Marchese Maffei di Boglio für den Posten in St. Petersburg bestimmt sein; na Madrid werde ein jüngerer Diplomat gehen.

Türkei.

Dem „Reuter'shen Bureau“ wird aus Larnaca von estern gemeldet, ein daselbst abgehaltenes Massenmeeting habe ie gegenwärtige Lage Cyperns erörtert und eine Petition

an die britishe Regierung berathen, worin der Uebergang der

Insel an Griechenland erbeten werde. Die Angelegenheit

verursahe erheblihe Erregung unter den Einwohnern, und

man befürchte Zusammenstoße zwischen Türken und Griechen. Serbien.

Der Verifikatiorsausschuß der Skupschtina hat nah einer Meldung des „W. T. B.“ aus Ni sch seine Arbeiten beendet und wird der sich heute fkonstituierenden Skupschtina Bericht erstatten. Die Skupschtina wird heute sechs Kandidaten für die Präsidentschaft wählen, aus welchen der König den Präsidenten und die Vize-Präsidenten ernennt. Die feierlihe Eröffuung der Skupschtina mit einer Thronrede findet heute oder morgen jtatt.

Schweden und Norwegen.

Wie aus Christiania berihtet wird, werben von seiten der Linken wie der Rechten Unterschriften unter eine Petition an das Storthing gesammelt, worin der Wunsch ausgesprochen wird, daß die Streitfragen unter einem Geschäfts-Ministerium neutraler Männer vertagt werden möchten, bis sich bessere Aussichten zu einer befriedigenden Lösung darbieten würden.

Amerika.

Nach einer Meldung aus Havanna isstt die tele- graphishe Verbindung mit Manzanillo, dem Haupt- quartier des Marschalls Martinez Campos, wiederhergestellt. Der Marschall hat sein Hauptquartier verlassen, sein Ziel ift unbekannt. Der General Bosch hat die Aufständischen bei Guayabal geschlagen. Zehn Rebellen wurden getödtet und viele verwundet. E i: L

Die Regierung von Costarica hat versprochen, auf ihrem Territorium die Bildung von Erpeditionen gegen Cuba zu verhindern. t :

Jn New-York eingetroffenen Nachrichten aus Managua zufolge sind drei britishe- Kriegsschiffe in Corinto (Nicaragua) eingetroffen, wie man vermuthet, um die Er- füllung der in dem leßten englishen Ultimatum enthaltenen Forderungen zu erzwingen. i i s

Aus Santiago (Chile) wird berichtet, der Kriegs- Minister habe seine Entlassung genommen.

Afien.

Dem Vertreter des „Reuter'shen Bureaus“ in Hiroshima ist die folgende offizielle Mittheilung zugegangen:

Der Minister-Präsident Graf Jt o und der Minister des Aeußeren Vicomte Mutsu hatten bei ihrer Rückehr nah Hiroshima eine Audienz bei dem Kaiser, um über die Friedensverhandlungen zu berihten. Der Kaiser er- flärte die mitgetheilten Hauptpunkte für durchaus be- friedigend, dieselben würden den Ruhm des Reiches sehr erhöhen; er sei durch die von den Ministern geleisteten aus-

l a L E A, E gezeichneten Dienste hoch erfreut. Darauf erliez der Kaiser die nahfolgende Pro fklamation an das Volk:

„Durch den Frieden soll die nationale Wohlfahrt befördert werden. Leider bat der Bru unserer Beziehungen zu China uns einen Krieg aufgezwungen, welher, nachdem zehn Monate verflofsen sind, noch niht zu Gade ist. Während dieser Zeit haben unfere Minister gemeinsam mit dem Heer, der Flotte und den Häusern des Parlaments alles in ibrer Macht Siehende gethan, um unsere Ziele, unseren Anweisungen gehorsam, zu fördern. Unser heißer Wunsch ift, durch Leyalität, Aufrichtigkeit und die Mitwirkung unserer Unterthanen den Frieden wiederberzustellen und hierdurch das Ziel der Förderung der nationalen Wohlfahrt zu erreichen. Ießt, da der Friede vereinbart und der Waffenstillstand verkündet ift, ist die auernde Einstellung der Feindseligkeiten nahe. Die durch unsere Minister festgestellten Friedenébedingungen befriedigen uns vollfommen, da der Friede und Kuhm dadurch gesi sind. Jeßt ift die vafsende Zeit, um Ihnen und unseren guten Unterthanen das Ziel, das wir ins Auge gefaßt haben, zu erflären und Sie in Bezug auf den zu- fünftizen Gang unferer Politif zu unterrihten. Wir freuen uns, daß unsere lezten Siege den Ruhm des Reiches erhöht haben, aber gleichzeitig bleiben wir eingedenk, daß der Weg, den das Reich auf der Bahn der Zivilisation zurücckzulegea hat, lang is und viel zu erreichen übrig bleibt. Daber bofen wir, gemeinsam mit unseren getreuen Unter- thanen uns immer vor Selbstzufriedenheit zu bewahren und ftets im Geiste der Bescheidenheit und Demuth nah Vervollkommnung unserer militärishen Vertheidigung zu ftreben, ohne in Extreme zu verfallen. Furzum, unser Wunsch ift, daß Regierung und Voik in gleiher Weise tem gemeinsamen Ziele zustreben und unsere Unterthanen aller Klassen, jeder in feinem Kreise, bemüht sein möchten, daß der Grund gelegt werde zu dauernder Wohlfahrt. Hierdurch wird endgültig befannt gegzben, daß von uns denjenigeu feine Gunst gewährt wird, welhe im Gedanken an unsere neuen Siege etwa andere Staaten beleidigen und unsere Beziehungen zu befreun- deten Mächten shädigen. Was insbesondere China betrifft, so sollte nah Auêtausch der Ratifikationen tes Friedensvertrags die Freund- schaft wiederhergestellt werden, und es follten Bemühungen gemacht werden, mit ihm mehr als je die Beziehungen guter Nachbarschaft zu pflegen. Es ift unser Wille, daß unjere Unterthanen diesen unseren ausgesprochenen Wünfchen die s{uldige Achtung erweisen.“

Der „Times“ wird aus Hongkong gemeldet, daß im Norden von Formosa Banden von Soldaten umher- shwärmten; 28 Personen, darunter 2 Offiziere, seien getödtet und 50 verwundet worden.

Aus Madagascar sind dem französishen Kriegs- Minister Nachrichten zugegangen, wonach die Franzosen das Fort Ambohimarina und die kleine Batterie Mahabo genommen haben. Jn dem leßteren Kampf verloren die Hovas 8 Mann und 2 Kanonen. Vier Kompagnien und zwei Sektionen Artillerie unter dem Befehl des Generais Megzinger haben am 3. April das verschanzte Lager von Miadane, das von 3000 Hovas vertheidigt wurde, genommen. Eiwa 100 Prhee wurden getödtet und viele verwundet; auf französisher Seite wurden 3 Tirailleurs verwundet. Die Hovas wurdèn in die Flucht geschlagen.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sißzung des Ne ichs- tags und der Shlußbericht über die gestrige Sizung des aues der Abgeordneten befinden si in der Erften

eilage.

In der heutigen (75.) Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär, Staats-Minijter Dr. von Boet- ticher und der Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky beiwotnt-n, wurde zunächst die Wahl eines Schriftführers an Stelle des Abg. von Holleufer vorgenommen. Auf Vorschlag des Abg. Grafen von Hompesh (Zentr.) wurde der Abg. von Normann (d, kons.) durch Zuruf gewählt.

Das Qous seßte sodann die Berathung der Zolltarif- Novelle fort. Die Ziffcr 3 dieser Vorlage, welche die Zoll- säße für Waaren aus Bernstein, Celluloid u. \. w., sowie für Waaren aus unedlen Metallen, vergoldet und versilbert, festsezt, wurde ohne Debatte angenommen.

Die Ziffer 4 erhöht den Zoll auf Honig, welcher nicht in Waben eingeht, von 20 auf 36 A für 100 kg.

Abg. Let oa (Zentr.) beantragte, den Zollsay für allen Honig gleihmäßig auf 36 Æ festzuseßen, und führte hierfür als Motiv an, daß in Amerifa auch die Waben künstlih hergestellt würden.

Abg. Grillenberger (Soz.) sprah \sih gegen jede Erböhung des Zolles auf Honig aus, weil dadurch die Lebkuchen-Industrie em- pfindlih geschädigt würde. Auf das Pfund Lebkuchen würde die be- antragte Zollerhöbung 10 „1 ausmachen.

(Schluß des Blattes.)

Die heutige (57.) Sißung des Hauses der Ab- eordneten, welcher der Finanz-Minister Dr. Miquel, der Minister für öffentlihe Arbeiten Thielen und der Justiz- Minister Schönstedt beiwohnten, wurde um 11/4 Uhr eröffnet. Zur ersten Berathung des Gesezes wegen Ab- änderung und Ergänzung einiger Bestimmungen des Kommunalabgabengeseßes (Freilassung des Ein- fommense aus außerpreußishem Grundbesiß und Gewerbe- betrieb) erhielt das Wort

Abg. von E vnern (nl.): Nach den bisherigen Grundsäßen war .

das Einkommen pbysisher Personen aus Grundbesiß und Gewerbe- betrieb aus anderen Orten als ihren Wohnorten von der Kommunal- befteuerung frei. Das ist in dem neuen Kommunalabgabengeseß durch eine Aenderung des Herrenhauses aufgehoben. Zahlreiche Handeléfammern vrotestierten aegen die neue Bestimmung, wie dics auch von anderen Seiten geshah. Dies führte zu unseren Verhandlungen am 13. März und zur Annahme der Resolution Böttinger-Vopelius; auf Grund diefer ist der jetzige-Gesezentwurf vorgelegt worden. Ih kann ibm nur zustimmen, do balte ih eine Berathung in einer Kommission im Hinblick darauf für geboten, daß dem Geseße rüdwirkende Kraft ge- geben werden foll. Jh beantrage Ueberwei]ung an eine Kommission von 14 Mitgliedern.

Abg. von Bodckelberg (konf.): Das Herrenhaus hat die von ibm getroffenen Aenderungen nicht chne weiteres vorgenommen, ti berubten vielmehr auf einem Kompromiß. Es dürfte vielleicht ni@t richtig sein, diese Bestimmungen wieder aufzuheben, ehe wir idre Wirkungen kennen gelernt haben. Auch bisher war die Doppel- besteuerung niht überall ausges{lofen, in Frankfurt a. M. z. B. bestand sie an früher schon. Immerhin sind au wir dec Ansicht, daß die Vorlage forgfältig berathen werden muß, und schließen uns dem Antrag auf Ueberweikung an eine Kommission an.

Abg. Gothein (fr. Vg.) macht auf die in Preußen Steuer- pflichtigen aufmerksam, die ihr Einkommen niht nur außerbalv Preußens, sondern außerhalb Deutschlands finden. Die Verhältniße ter Leute erforderten eine besondere Behandlung, weshaib auch er für Kommissionsberathung stimme. /

Abg. Hansen (fr. fons.): Wir sind eigentli prinzipiell für Ueberweisung des Geseßentwurfs an die verstärkte Gemeindekommi!- fion, baben aber nihts dagegen, wenn die Ueberweisung an etne be- fondere Kommission gewünscht wird. Der Einwand, es sei zu früb, an dem Kommunalabgabengeseß etwas zu ändern, scheint mir nicht stichbhaltig. Wenn nachgewiesen wird, daß das Gefeß in vielen Punkten un- richtig ist, so muß es geändert werden ; man darf nicht warten, bis es fi mit seinen Fehlern einlebt. Eine Kommissionsberathung ist schon deê- halb nothwendig, weil die Frage, ob nur das Einkommen aus Grund- besiß und Handels- und Gewerbebetrieb in au erpreußischen deutschen Staaten oder au in außerdeutshen Staaten steuerfrei sein foll, eine Erledigung erhbeisht. egen diesen Geseßentwurf kann das Ab- geordnetenbaus feine großen Bedenken haben; denn es hat ja- gerade für die Faffung der Regierungêvorlage, die jeßt hergestellt werden joll, gestummt, während das Herrenhaus die Aenderungen veranlaßte.

Geheimer Ober - Regierungs -Rath Nöll: Wenn die _Be- stimmungen des Kommunalabgabengeseges, soweit der Entwurf 11e ändern will, wirklich auf einem Kompromiß beruhten, wie der Abg- von Bodeliberg meinte, so würde“ die Regierung sie niht einjettig ändern wollen. Das ist aber nit der Fall. Ès mag ja auffällig sein, daß wir schon jeßt an eine Aenderung des Geseßes herantreten, aber es bandelt sich bier um Bestimmungen grundfäßlicher Natur, deren Regelung feinen Aufshub duldet. Der Gesehentwurf bezwedt, im wesentlichen das bestehende Recht fortbestehen zu laffen.

(Schluß des Blattes.)

Die Kommission des Reihstags zur Vorberathung der Novelle zum Gerichtsverfassungsze]eß und zur Stra?- prozeßordnung hat gestern ihre Arbeiten aufgenommen. V Tabadcksteuerkommission des Reichstags ist zum 1. Mai einberufen, um die dur die Ofterferien unterbrochene Berathung fortzusetzen.

Die X1IV. Kommission des Reichstags zur BVor- beratbung des von den Abgg. Holt, Graf von Kaniß, vok Kardorff, Graf zu Limburg-Stirum, Loge, von Ploes, Graf von Schwerin eingebrahten Antrags wegen Ankaus® und Verkaufs ausländischen Getreides nur für Rechnuns des Reichs hat sich konstituiert und zu ihrem Vorsigenden den Abs- Dr. Paashe, zum Stellvertreter des Vorsigenden den Aba. Dr- Mever (Halle), zu Schriftführern die Abgg. Sailer, Rembold Wamhoff und Will gewählt.

ist ihm solcher Betrieb nicht vecboten.

Entscheidungen des Reichsgerichts,

Der Verkäufer einer Waare haftet, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, 1. Zivilsenats, vom- 10. November 1894, aus leicht-

- fertigen Anpreisuñigen und Zusicherungen, indem er etwas

versichert, was er selbst, niht weiß, nur dann, wenn der Käufer ange- ommen hat und annehmen durfte, der Verkäufer habe sich ver -

ewissert,-daß seine Zusage der Wahrheit entsprehe. B. unter-

ndelte in dem Laden des D. wegen einer Leiter mit einem Laden- fommis. Der Kommis erklärte hierbei die Leiter als eine befonders feste und dauerhafte, als eine „Patentleiter“, und ftieg vor den Augen des B. auf die Leiter bis oben herauf, obne -daß die Leiter zerbrach. Da der Kommis ein normal-s{werer Mann war, so genügte anfeinend dem Käufer diese Proke, und er kaufte die Leiter für 7 90 „s. Kaum nabm aber der Käufer die Leiter in Benußung, so brach sie unter der auf ibr befindlihen Last zusammen. Der Käufer klagte hierauf gegen den Verkäufer auf Eni¡hädigung. Die Klage wurde vom Reichsgeriht für nicht begründet erahtet, indem es den oben hervorgehobenen Rechtssay aussprad urd des weiteren ausführte: „- - « Daß Kläger für solhen Preis eine ganz bésonders zu- verlässige Leiter erhalten würde, oder daß im Geschäft des äufers besondere außergewöhnliße Erprobungen des Systems gemacht sein würden, fonnte der Kläger erwarten. Wenn er der Probe, welhe vor seinen Augen gemacht wurde, traute, fo fonnte er aus den Erklärungen des Kommis des Beklagten nihts weiter ableiten, als daß man folhe Probe über- haupt gemacht vnd daß dabei ein Unfall niht vorgekommen war. Alles, was darüber binausging, wie namentlich die Erklärung, „das sei eine Patentleiter“, waren allgemeine Anpreifungen und als solche au für den Kläger erkennbar. Hat jene Probe ein sicheres und zuver- lässiges Ergebniß nicht geliefert, so ifi der Schaden, welchen der Kläger erlitten hat, als ein unglüdlihes Ereigniß anzuseben, für welches der Verkäufer nit hafibar gemacht werden Taun.“ (241/94.)

Nah § 71 Abf. 1 und 2 tes Militär-Pensionsgeseßes vom 27. Juni 1871 erbalten im Dient bescädigte Unteroffiziere und Soldaten eine Verstümmelungszulage bei dem Verluft einer Hand x., beim Verlust der Sprache und bei Störung der aktiven Bewegungéfähbigkeit einer Hand 2c. Hieran {liezt si Abf. 3 an, wona ¿e Bewilligung dec Verstümmelungszulage „ferner zulässig* ist: bei solchen shweren Schäden an sonstigen wihtigen äußeren oder inneren Körpertheilen, welde in ihren Folgen für die Erwerbsfähigkeit einer Verstümmelung glei zu achten find. In Bezug auf diesen Absay 3 hat das Reichszericht, IV. Sivilsenat, durch Urtheil vom 83./19. Dezember 1894 aus- geiprocen, daß in den darin erwähnten Fällen ein Rechtsanspr u des Beschädigten auf eine Verstümmelungszulage n iht besteht, die Bewilligurg einer solchen vielmebr in das Ermessen der Militärbehörde gestellt ist. „Aus dem Wort „zulässig“ ergiebt ih, daß die Bewilligung der Zulage lediglih in das Ermessen der Bebörde geseßt ift.“ (162/94.)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Die Bestimmungen der §§ 51 und 52 der Gewerbeordnung : S 51. Wegen überwiegender Nachtheile und Gefahren für das Gemeinwohl fann die fernere Benußung einer jeden gewerb- lihen Anlage dur& die höhere Verwaltungsbehörde zu jeder Zeit untersagt werden . . . & 52. Die Bestimmung des § 51 findet auch auf die zur Zeit der Verkündigung des gegenwärtigen Gesetzes bereits vorhandenen gewerblihen Anlagen Anwendung . . .“ E finden, nah einem Urtheil des Ober-Verwaltung8gerihts, 111. Senats, vom 13. Dezember 1894, nur Anwendung auf die mit befonderer volizeiligzer Genebmigung unternommenen Gewerbebetriebe ; birsihtlich der ohne besondere polizeiliche Genehmigung unter- nommenen Gewerbebetriebe sind in Preußen die Ortspolizei- beböôrden befugt, jeglihem Betriebe entgegenzutreten, welcher, sei es durch die sih verbreitenden Gerücbe, sei es in anterer Art, die Gesundbeit des Publikums zu gefährden gecignet ist (S 10 Tit. 17 Tb. 11 Allg. L.-R., § 6 zu f des Geseyes vom 11. März 1850 über die Polizeiverwaltung). Dem Kaufmann H. zu H. in Schlesien, welcher gewerbämäßig den Handel mit Fellen und Häuten betreibt, wurde durch ortäpolizeilide Verfügung vom 2. Oktober 1893 in Rüdsicht auf die sih verbreitenden gesundheits{ädlihen Gerüche das fernere Lagern von Fellen und Häuten auf seinem Grundstück G. . straße untersagt und zugleih für jeden Uebertretungsfall eine Geldstrafe von 10 M angedroht. Die Beschwerden des H. bei dem Regierungs- und sodann bei dem Ober-Präsidenten hatten feinen Erfolg, und die K:age des H. auf Aufhebung der ortépolizeilihen Verfügung wurde vom Ober-Verwaltungégeciht abgewiesen, indem es begründend aus- führte: „Die Polizeibehörden sind nach ibrer landesgeseßlih geregelten Aufgabe befugt, ieglihem Betriebe entgegen- zutreten, welWer, sei es dur die sih verbreitenden Gerüche, fet es in anderer Art, die Gesundheit des Publikums zu gefährden geeignet is. Für die gewerblichen Betriebe insbesondere ift dies der Polizeibehörde niht grundsäglih verwehrt, sondern nur insoweit, als ibre Zuständigkeit reihsgeseglich ausges{chlofen - oder fonst ein- gescränft ift. Als solbe reichsgeseßlihe Vorjchrifr kommen héer aber, [elbst wenn es dem Kläger an der Möglichkeit, seinen Gewerbebetrieb in einer die Verbreitung gesundbeitsschädlicher Gerüche auss{ließenden Art einzurihten, fehlte und also das polizeilihe Gebot nicht anders als unter Einjtellung des Betriebs zu befolgen wäre, die §§ 51, 52 der Gewerbeordnung nicht in Betracht, weil sie ih lediglih auf die mit besonderer volizeiliher Genebmigung untecnommenen Ge- werbebetriebe beziehen, während Kläger seinen Gewerbebetrieb ohne volizeilihe Genehmigung begonnen und seither betrieben hat. War hiernach die Zuständigkeit der Ortépolizeibehörde an fich an- zuerkennen, fo ift ihre Anordnung nit etwa dahin aufzufassen, daß dem Kläger die fernere Lagerung von Fellen und Häuten allgemein und selbst dann untersagt ist, wenn nach ihrer Beschaffenheit die Verbreitung gesundheits{hädliher Gerüche überhauvt niht möglich ift.

ies ginge über die auf Anordnungen zur Verhütung von Gefahren beschränkte Zuständigkeit der Ortspolizeibehörde hinaus und it von ibr ersihtlich nicht beabsihtigt; fie fnüpft an den durch Zeugen und Sachverständige threr Ueberzeugung nah bestätigten Thatbestand an, daß fsich seit Jahren von den Lagerräumen des Klägers gesundheitsschädlihe Gerüche ver- breiten, und folhem mißbräuhlihen Betrieb will sie in Zukunft hindernd evtgegentreten. Sofern also Kläger seinen Betrieb in einer gesundbeitsshädlihe Gerüche ausshließenden Art einzuridten vermag und sofern er insbesondere derart trockdene Felle auf Lager nehmen will, welche frei von der Verwesung ausgeseßten Bestandtheilen find und keine oder doch nicht gesund E ee verbreiten, fo IL[. 1379.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Die Honig- und Wachsproduktion in Europa. Die jährlihe Produktion dieser beiden so unsheinbaren Handels-

artikel hat in einzelnen Staaten dcch immerhin einz nicht unerhebliche

wirthschaftlihe Bedeutung, sodai die folgenden Angaben des Patent- und technishen Bureaus von Richard Lüders in Görliß hierüber, namentli für Bienenfreunde, nit ohne Interesse sein dürften.

Die jährlihe Produktion Europas an Wachs {äßt man nah

18 neuesten Angaben der Statistik auf ungefähr 15 000 Tonnen zu

000 kz, die einen Werth von etwa 27 Millionen Mark haben, sodaß der Werth von einem Kilogramm sih auf 1 M 80 beläuft.

Die jährlihe Honi gprodultion beläuft sich ungefähr auf 30 000 Tonnen im Werthe von etwa 44 Millionen Mark. Daran sind die

¿wichtigeren Produktionsländer mit folgenden Beträgen betheiligt:

nit

Deutschland . mit 1 910 000 Bienenstöcken und 20 000 Tonnen Honig, Spanien . . 1 699 000 e 19000 Ö Oesterreich 1 550 000

Franfceih 950 000

Holland . 249 090

Belgien .

Griechenland 130 000 Rußland .

l ; 110 009 Dänemark ¿ , 90 003 L

Der Rest entfällt auf die übrigen europäischen Staaten. Jn den Verrinigten Staaten von Amerika giebt es rund 2800 000 Bienen- stêde, die jährlih etwa 30 000 Tonnen Honig erzeugen.

Allgemeiner Deutscher Handwerkertag.

In der gestrigen Sißung des VIIT. allgemeinen deutshen Hand- werkertages wurde, wie auë Halle a. S. beribiet wird, zur Frage des Hausierhandels eine vom Vorstand eingebrahte Entschließung an- genommen, der zufolge der Handwerkertag an di? verbündeten Regie- rungen das Verlangen ftellt, daß der Haufierhandel der Ausländer und der Hausierhandel mit Handwerkserzeugnifsen verboten und der Hausierhandel der Juländer von der Bedürfnißfrage abhängig gemabt werde. Zugleih- wird zu der dem Reichstag vor- gelegten Gewerbeordnungsnovelle Stellung genommen. Ferner gelangte folgende vom Schuhmachermeister Beut el - Berlin beantragte Ent- \chließung zur Annahme: „Der Handweèrkertag begrüßt es mit Freuden, daß die verbündeten Regierungen einen Geseßentwurf über den unlauteren Wettbewerb eingebracht haben, richtet aber an den Reichtstag das Ersuchen, die Vorlage in einer Fafiung zur Annahme zu bringen, die den berech- tigten Anforderungen des Handwerker- und Gewerbestandes entspricht.“ Beim nächsten Punkt der Tagesordnung „Der Baushwindel“ vrotestierte der Handwerkertag in einer Entiließung dagegen, daß die Beseitiaung des Bauschwindels dur gesezzeberishe Maßnahmen bis zur Ein- führung des Bürgerlichen Gefetzbutes vershleppt werde. Zum 6. Punkt der Tageéordnung „die Gesängniß- und Militärwerkstättenarbeit“ lagen drei Entschließungen vor, die alle mit der Maß- gabe angenommen wurden, daß der Vorstand fie zusammen- fassen und den Behörden einreihen fol. Die vom Vorstand zu diesem Gegenstand eingebradte Entschließung lautet: „Der Handwerker- tag erflärt sih in Konfequenz seiner früheren Beschlüsie für Auf- bebung der Militärwertstätten und Beschäftigung der Gefangenen mit Herstellung von Halbfabrikaten, unter Ausschluß der Verwendung von Maschinen, oder mit Ausfübrung von Kulturarbeiten.* Alêdann wurden noch zwei Entschließungen gegen die KLksumvereine an- genommen. Ferner wurden eingehende Entschließungen gefaßt zu der Frage der politishen Vertretung des Handwerks, der Frage der Fahschulen und über den Marimal-Arbeitstag im Bäcker- gewerbe. Im Laufe der Verhandlungen war auf das an den Kaiser abgesandie Begrüßungstelegramm folgende Ant- wort eingegangen: „Seine Majestät der Kaiser und König haben den Huldigungsgruß des Handwerkertages gern ent- gegengenommen und wünschen, daft seine Berathungen dem deutschen

ndwerk mit Gottes Hilfe zum Segen gereihezn mögen. Im Aller- osten Auftrage. von Lucanus.“

Zur Arbeiterbewegun g.

i In Hamburg haben über 200 Zimmerer bei dem Bau der italierisden Ausstellung infolge von Streitigkeiten über Lohn, Arbeitszeit und Entlassung Unzufriedener am Montag die Arbeit ein- estellt. Ebenso feiert eine Anzahl Tapezierer. Wie die „Köln. tg." mittheilt, wurden dem Anschein nah wegen Zwangëlage durch die auf Anfang Mai festgeseßte Eröffnung der Ausstellung die Forderungen der Ausständigen bewilligt. Die Arbeit wurde deshalb gestern wieder aufgenommen.

__ Zum Ausstande der Maler in beck berichtet der „Vorwärts“, daß die Forderungen der Gebilfen bis jeßt von 19 Meistern, welche 39 Gesellen beschäftigen, bewilligt wurden: 9 Meister haben noch nicht bewilligt: 22 Gebilfen steben noch aus.

Hier in Berlin erklärten sich einer Mittheilung der Berliner

Volksztg.* zufolge die Maler, Lackierer und Anstreicher in einer Versammlung am 22. d. M. für unbedingte Arbeitsrube am 1. Mai, lebnien es jedo ab, eine Verpflihtung- zur Unterstützung der wegen der Maifeier etwa Entlafenen anzuerkennen. . Aus Wien ftkerihtet „W. T. B.“ zum Ausstande der Ziegeleiarbeiter: 200 ausständige Ziegeleiarbeiter in Heiligen - stadt nabmen beute die Arbeit wieder auf, sont dauert der Ausftand überall fort.

Aus Paris liegen zum Ausftand der Omnibus- bediensteten folgende Mittheilungen des „W. T. B.“ vor: Die Ausständigen der Omnibusgesellshaft hielten gestern Nachmittag eine Versammlung ab, in welcher sehr heftige Reden gebalten wurden. Beim Verlassen des Versammlungslokals wurden Drohrufe gegen diejenigen Angestellten der Gesellschaft ausgestofen, die sih dem Ausstande nicht anges{lcfen batten. Am Boulevard Magenta kam es zwischen der Polizei und den Auêftändigen, welhe die Fenstersheiben eines Pferdebahn- wagené zertrümmerten, zu einem Zusammenstoß. In der Nähe der Place de le NRépublique \{chleuderten Ausftändige Steine gegen einen Pferdebahnwagen und stürzten ihn um. Die Gardes répu- blicaines [ritten lebbaft gegen sie ein; auf den großen Boulevards trafen die Ausständigen wieder zusammen, hielten mehrere Oinnibus- wagen an und zogen sich dann in der Richtung nah der Bastille zurück. Das Zentralcomité der vereinigten Droischkenkutscher von Paris beschloß, die Kutscher für den 25. d. M. zu einer Gzreral- versammlnng zu berufen, um über die Frage des allgemeinen Aus- standes aller im Personentransportwesen von Paris Angestellten zu berathen. Der morgen in Paris stattfindende Kongreß der Eisenbahnbediensteten soll gleihfalls die Frage eines Aus- standes berathen wollen.

Kurst und Wissenschaft.

Morgen, Donnerstag, wird im zweiten Cornelius-Saale der Königlichen National-Galerie eine Ausstellung des fünstlerishen Nachlasses der Maler Graf Stanislaus von Kalckreuth und Leonhard Gey eröffnet werden.

In vergangener Naht verstarb in Leipzig, wie „W. T. B.“ meldet, nach längerem Leiden der Ehrenbürger dieser Stadt, Professor Dn, L L ua irektor des physiologishen Instituts der dortigen

n iversität.

Die Shakespeare - Gesellschaft hielt gestern in Weimar in Anwesenheit Jhrer Königlichen Hoheiten des Groß- berzogs und der Großherzogin von Sachsen im Saal der „Armbrust- Gesellschaft“ ihre Generalversammlung ab, welcher in Ver- binderung - des Vorsitzenden, Geheimen Kommerzien - Raths ODechel- bäuser, Herr Professor Zupitza präsidierte.“ Aus dem Geschäftsbericht sei Folgendes erwähnt: Die Zahl der zahlenden Mitglieder beträgt 212 (gegen 1893 fünf mehr); die Einnahmen betrugen 4938 M 42 », die Ausgaben 4373 4 97 &, es bleibt also ein Bestand von 565 4. 45 . Dazu kommt noch die Zuwendung des Herrn Seit Leo (Gertruden- stiftung) im Betrage von 1013 A 17 4 Für Bibliothekzwecke sind im Jahre 1894 verausgabt 222 A 70 4 Alle übrigen Mittheilungen enthält der Jahresbericht, dem von jet ab auch der Wortlautëabdruck des Se in der Generalversammlung beiliegen soll. Leßteren hielt der Wirkliche Geheime Rath Professor Dr. Cuno Ane aus Heidelberg über die durch Erwin Bormann's „Shakespeare-Geheimniß“ wiederum akut gewordene „Bacon-Frage“. Der Redner kennzeichnete in überzeugender Weise die mangelhafte Beweisführung aller „Baconisten“ von Miß Delia Bacon bis auf Bormann und deduzierte aus der Philosophie des Lord von Verulam, daß dieser der Autor der Shakespeare-Dramen (die er übrigens ganz fo taxierte wie Voltaire) garniht bätte fein können. Als nächster Versammlungsort wurde wieder Weimar gewählt. Der Großherzog und die Großherzogin fprahen dem Redner in huldvoller Weise ihren Dank aus.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Makßregelu. E :

D

_ Auth in der Woche vom 7. bis 13. April blieb der Gesundhbeits- stand in Berlin ein günstiger und die Sterblichkeit nahezu die gleich aroße wie in der Vorwoche (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berehnet, 17,5 gegen 16,8 der Vorwoce). Etwas zahlreicher als in der vorangegangenen Woche gelangten wieder akute Entzün- dungen der Athmungsorgane zum Vorschein und führten au etwas häufiger zum Tode (in 79 gegen 66 Fällen der Vorwoche). Au Erkrankungen an Grippe wurden nicht selten beobachtet und endeten in 18 Fällen (gegen 16 der Vorwoche) tödtlih. Dagegen wurden akute Darmkrankheiten etwas seltener Todesveranlafjung. Die Betbeiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb faft die gleihe wie in der Vorwoche; von je 10000 Lebenden ftarben, aufs Jahr berehnet, 48 Säuglinge. Von den Infektionskrankheiten tamen Erkrankungen an Masern, Scharlach und Diphtherie seltener zur Anzeige ; doch zeigten sih Masern und Scharlach in keinem Stadt- tbeile, Diphtherie nur in der Rosenthaler Vorstadt und auf dem Wedding in nennenswerther Zahl; Erkrankungen an Unterleibstyphus blieben vereinzelt. An Kindbettfieber wurden 2 Erkrankungen betannt. Etwas hâufiger kamen rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut zur ärztlichen Bebandlung. Erkrankungen an Kéuchhuften, die meist den milden Verlauf behielten, wurden etwas weniger beobachtet. Rhbeumatisde Beshwerden aller Art zeigten gegen dig Vorwoche keine wesentlihe Veränderung in ibrem Vorkomtnen.

Handel und Gewerbe,

In Kolumbien is durch das Gescß Nr. 70 vom 21. November v. J. die Liquidation der dortigen Nationalbank angeordnet und zugleih durch Artikel 9 des bezeichneten Gescßes das Dekret Nr. 453 vom 10. Februar 1893, welches den Einfuhrzoll auf verschiedene Artikel er- bhöhte und die hierdurch gewonnene Mehreinnahme der Nationalbank zuwies, aufgehoben worden.

Ferner ijt der Artifel 3 des Geseßes Nr. 85 vom 10. Dezember 1892 durh den Artikel 1 des Geseßzes vom 22. November v. J. abgeändert und der Einfuhrzoll auf Tabadck und Zigarren wieder ermäßigt worden.

Nach einem unterm 25. Januar d. J. an die Administra- tion der Zollämter gerihteten Zirkular des Finanz-Ministers, welches im „Diario oficial“ vom 1. Februar d. J. Nr. 9695 veröffentlicht ist, soll der bisher erhobene Zollzushlag niht auf einmal in Fortfall kommen, sondern soll die Abminderung der Einfuhrzölle auf die betreffenden Waaren, im Einklange mit den Vorschriften des Artikels 205 der Konstitution, vom 20. bezw. 21. Februar d. J. an monatlich mit je cinem Zehntel des Zuschlags bewirkt werden.

Es wird demnach der im „Deutshen Handelsarchiv“ Jahrgang 1893, Theil T S. 504 ff., veröffentlichte kolumb ische Zolltarif am 21. November in allen seinen Theilen wieder in Kraft treten: nur in der Abtheilung „Verschiedenes“ sind die Positionen :

Tabackx in Blättern oder fabrikation . Kautaback O; L Zigareiten und Zigarren verarbeiteter Taback 120 In anderer Form verarbeiteter Tabak . 00 » zu streihen und, wie folgt, zu seßen: a a ie qu 0e O D Geschnittener Taba oder Taba in irgend einer GNDEIEN O L 200

Zigaretten und Zigarettentabacke figurieren niht mehr im

Tarif, weil die Einfuhr derselben den Privaten verboten ist.

Zigaretten-

geshnitten zur ; . 0,05 Pesos 0,30

Der Rechnungsabschluß der Brandenburger Sviegel- glas-Versicherungs:-Gesellshaft für das Jahr 1894 ergiebt einen Bestand von 22 430 Versicherungen über 10 101 754 4 Ver- fiherungssumme mit einer Prämieneinnahme von 310938 4 Gegen das Vorjahr wurde ein Zuwachs 775 Versicherungen über 239 157 mit 18 018 4 Prämie erzielt. Im Jabre 1894 wurden für 7896 Schäden 169 963 A gegen 163779 # in 1893 gezahlt. Die Reserven wurden um 44019 Æ erhöht und betragen nunmehr 262 625 M i

_ S Petersburg. 23. April. (W.: T. B.) - Dent „Swjet zufolge gestattete das Finanz-Ministerium seinen Agenten, die für die Krone Getreide in den öôftliben Gouvernements kaufen, den Kaufpreis für Roggen um 2 Kopeken per Pud zu erhöhen.

Verkehrs-Anstalten.

Auf der Strecke der Königlichen Eisenbahn-Direktion Bromberg ergeben sich folgende wichtige Aenderungen des Sommer-Fahrplans 13895 gegen den Winter-Fahrplan 1394/95 - 1. Es werden neu eingelegt: Personenzug 27 Berlin Stettiner Bahnhof ab 8,20, Stettin ab 10,37, Alt-Damm an 10,51 nimmt, wie im Vor- jabre, nur den Verkehr auf für die von Alt-Damm ausgehenden Zweigbabnen nach Kammin, Wollin und nach der Alt-Damm- Kolberger Bahn ausschließlich Station Kolberg. Personenzug 28 Alt-Damm ab 3,17, Stettin an 3,30, Berlin Stettiner Bahnhof an 5,50. Die üblihen Sommerzüge auf den Strecken Danzig— Zoppot, Danzig—Neufahrwasser, Belgard—Kolberg und Stolp —Stolp- münde wie in den Vorjahren. 11. Sonstige Veränderungen. Personenzug 142, alte Nr. 12, bisher Königsberg ab 6,12, geht 13 Minuten später von Königsberg ab und wird in Elbing statt in Marienburg vom D-Zuge 4 übérholt. Personenzug 146, alte Nr. 14, bisher Königsberg ab 7,30 geht 20 Minuten später von Königsberg ab und wird in Elbing statt in Marienburg vom D-Zuge 2 überbolt. Gemischter Zug 679, alte Nr. 319, bisher Schneidemühl ab 9,42, fährt von Schneidemühl 64 Minuten später ab und trifft in Konitz 38 Minuten später ein. Gemischter Zug 905, alte Nr. 455, bisher Schneidemühl ab 3,23, fährt bis Neustettin 10 Minuten früb&. Gemischter Zug 906, alte Nr. 776, bisher Tilsit ab 1,11, Königsberg an 7,22, wird von Tilsit 11 Minuten früher gefahren und trifft in Königsberg 7 Minuten früher ein. Gemischter Zug 1109, alte Nr. 1507, bisher ab Neustettin 6,42, fährt 32 Minuten früher von Neustettin ab und trifft 55 Minuten früher in Konitz ein, sodaß damit der Anschluß an den Personenzug 5 nah Dirschau—Königsberg erreiht wird. Auf den Strecken Königs- berg—Eydtkuhnen und Memel—Bajohren ift der gewöhnliche Sommer- Fabrplau eingeführt.

St. Petersburg, 24. April. (W. T. B.) Der Aufgang der Newa hat begonnen. Bei dem herrschenden warmen Wetter dürfte in einigen Tagen voller Eisgang erfolgen. Bei Kasan hat sich das Eis der Wolga und bei Nishny-Nowgoröód das der Oka in Bewegung gefeßt. i

Odessa, 23. April. (W. T. B) Gestern gingen mit dem Dampfer „Orel* 969 Auswanderer und ferner eine Partie Schienen für die Sibirishe Eisenbahn nach Wladiwostok ab; auch be- finden sih zahlreihe Ingenieure für dea Ausbau der Usfuri- Eisenbahn und die weitere Tracierung der Sibirishen Eisenbahn, sowie der Dirigirende des Kaiserlihen Kabinets, General Gudim Lewkowitsch an Bord des Dampfers.

Christianta, 23. April (W. D. B) Vie rus\f@e Nee unterzeihnete einen Kontrakt mit der Werkstätte von Nyland über den Bau eines Cisbrecherdampfers für dén Hafen von Libau, welcher im nähsten Winter zu liefern ist.