1895 / 102 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 29 Apr 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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E E E L R E E A E

Meine Herren, ferner hat der Herr Abg. Richter ausgeführt, es wäre unbegreiflich, wie ein Vertreter der westlichen Provinzen nur die Möglichkeit zulassen könnte, für dieses Gesez zu ftimmen. Ich glaube im Gegentheil, die Vertreter der westlichen Provinzen haben das allergrößte Interesse, für dieses Geseh zu stimmen (sehr rihtig!); denn Sie haben bereits aus Petitionen gebört, daß die kleinen Brenner dur dieses Geseg ganz unverhältnißmäßig begünstigt werden, und die kleinen Brennereien find vorzugsweise im Weften und Süden. Ich glaube also, die Vertreter der westlihen Provinzen würden das Interesse ihrer Landestheile sehr {chlecht wahrnehmen, wenn fie für dieses Geseg nicht stimmten.

Es if dann ferner wieder auf England exemvlifiziert worden, und man hat gesagt: ja, in England das wäre ganz richtig bätte si eine gewaltige gewerbliche Spiritusindustrie entwickelt, aber in England flage kein Mensch darüber. Das mag fein. Aber es is} leider auch wahr, daß eben in weiten Theilen der Landwirthschaft Englands bereits. die Ruhe eines Kirh- bofs herrshi. (Sehr richtig! rechts.) Fn England is zum theil die gefährlihe Krisis der Landwirthschaft abgelaufen; da kann die Landwirthschaft garniht mehr mit der überseeishen Produktion fon- furrieren, weil fie dur diese zum theil bereits lahmgelegt ift. Das weiß jeder, der die Verhältnisse der englischen Landwirthschaft wirk- lih kennt. (Sehr richtig! rechts. Zuruf links.)

Es ist dann ferner behauptet, daß der Konsumrückgang von Kar- toffeln durch das Geseß von 1887 garniht so groß wäre. Es ift richtig, daß der Prozentsaß der Kartoffeln, der vor 1887 zu Brennereizwecken verwendet ist, 11 9% gewesen und jeßt auf 7 % der gesammten Produktion zurückgegangen ist. Aber ih bitte nicht zu ver- gessen, daß si diese 7 9% nicht über das ganze Land vertheilen, fon- dern die Kartoffeln in ganz bestimmten Gegenden, überwiegend auf einem leihten Boden gebaut werden, und dieser Durchschnittsprozent- sat auf jene Landestheile ganz anders wirkt, als wenn man ihn auf das ganze Land vertheilt. Die Herren Sozialdemokraten haben ein- mal bemerkt, man manipuliere häufig mit dem statistishen Durch- schnittskopf, der niht zutreffe. Hier trifft dieser statistische Dur(h- schnitt in der That nicht zu.

Es if ferner auf meine Aeußerung bezügli der Schweiz exemplifiziert worden. Es hat mir selbstverständlih eine Pa- rallelifierung der Spiritusbesteuerung in der Schwéiz mit unserer deutshen Spiritusfteuer fern gelegen. Sie ist ja total verschieden. Fh habe nur darauf binweisen wollen, daß in einem Lande, wie der Schweiz, wo die Industrie selbstverständlich eine viel größere Nolle spielt, die Regierung gegenüber dem Kartoffelbau eine ganz andere und meines Erachtens sehr zutreffende wirthschaftlicße Auf- fassung hat wie die Herren von der linken Seite des Hauses.

Es ift ferner gesagt worden, diese großen Bestände an Spiritus wären ein ganz vorübergehendes Verhältniß. Das kann ich nit zugestehen. Es ift alljährlich ein größerer Ueberschuß an Spiritus auf Lager nach Beendigung der Kampagne, und dieses if es, was geeignet ift, die Nahfrage nach dem Produkt der neuen Kampagne zu begrenzen und dadur einen gefährlihen Druck auf die Spiritus- preise überhaupt zu üben, gerade in dem Augenblicke, wo der Land- wirth nöthig bat, seinen Spiritus zu verkaufen, um nach der Ernte Geld zu bekommen und seine Zinsen zu bezahlen.

Fc glaube, au die Wirkung der Erportprämie wird bier fals beurtheilt. Man kann die Exportprämie in ibrer Wirkung auf die Preisbildung nicht erseßen dadur, daß man den heimishen Konsum vermehrt. Die Hauptsache dieses Geseßes if die Staffelsteuer; die Exportprämie soll uns als Ventil dienen, wenn große Läer sind, um mit ihrer Hilfe diese Preisdrücker ins Ausland zu schaffen.

Menn gesagt worden ist, die Exrportprämie würde nihts nügen, weil die Rendements nach Hamburg nicht reihen, so ist auch das zablenmäßig unrihtig. Das Rendement nah Hamburg bildet \ich aus der Maischraumsteuer von 16 Æ, der Prämie von 6, mat 99 9%, minus Transportkosten bis Hamburg 2 , also aus 20 Æ Daraus folgt, daß, je größer die Spannung zwishen Hamburg und Berlin ift, desto schwieriger ift zu exportieren; wenn die Preis- spannung eine größere ift als 20 Æ, fo wird man nit erportieren können, weil es vortheilhafter ist, in Berlin zu verkaufen; sinkt aber die Spannung zwishen Hamburg und Berlin unter 20 #4, dann wird es vortheilhaft sein, na Hamburg zu verkaufen.

Es ift auch die Behauptung übertrieben, daß der Konsum zu ge- werblihen Zweden \sih versehsfaht babe. 1886/87 hat der Verbrauch zu gewerblihen Zwecken 183 000 hl, 1892, 93 606 000 11 betragen. Dabei ift aber zu berücksihtigen, daß bis 1886/87 der ganze Ver- brau zu Haushaltungszwecken dem versteuerten Branntwein ent- nommen wurde, während diese auf mehrere 100 000 11. zu ver- ans&lagende Menge seit 1887 unter dem denaturierten Spiritus naGgewiesen ift. Man wird nit behaupten können, daß die Zunahme des gewerblichen Verbrauchs die Ausfuhr auch nur einigermaßen erseßt.

Meine Herren, es is ferner bemerkt, daß die Verschiedenheit der Betriebskosten bereits durch die Maischraum-Steuerermäßigung ausgeglihen wäre. Die Differenz von 8 # in den Produktions- kosten, wie fie in den Motiven Seite 23 angenommen find, is nur für Brennereien berechnet, die mehr als 1500 1 täglih bemaischen. Für die kleineren Brennereien beträgt die Differenz mehr und erbeblih mebr, worauf in den Motiven ebenfalls ausdrüdcklich hingewiesen ift. Für Brennereien mit mehr als 1500 1 Tageësmaischung beträgt die Maishbottih-Steuerermäßigung höchstens eine Mark; ein Ausgleich des Produfktionskoftenuntershiedes von 8 wird also dadurch nicht herbeigeführt.

Herr Dr. Paasche hat, glaube ih, die Gefahr, die aus einer vet- ftärkten Verwendung von Melasse zum Brennen originieren kann, eiwas nabsichtig beurtheilt. Darin liegt ja die Gefahr von Melafsebrennereien, daß fie für gewöhnlih bei niedrigen Preisen allerdings in ihrer Produktion beengt sind. Sobald aber die Preise anziehen, dann können fi die Melafsefabriken entwidckeln, ihre Produktion ganz rapide fteigern, und fie tragen dann dazu bei, daß fie die Preisfteigerung, die im Spiritus eingetreten ist, wieder niedershlagen dur eine Ueber- produktion, die sie jeden Tag herbeiführen können; daß diese Gefahr steigend ift, je mehr die Preise der Rohprodukte, der Melafse, sinken, ift ja ganz klar. Die Melassefabriken find auch nicht, wie Herr Dr. Paashe annimmt, entwickelt infolge des leßten Zucker- fteuergesezes, sondern sie haben sich ich glaube da niht im JFrrihum zu sein entwickelt auf Grund des Geseßes von 1887, weil fie bis dahin unregelmäßig brannten , einen unregel- mäßigen Betrieb hatten , auf Grund des Gesetzes von 1887 neu kon- tingentiert wurden und sehr günstige Kontingente bekamen. Es

bandelt fi auch nit darum, meine Herren, daß gegenwärtig die Melassebrennereien auf den Preis des Spiritus durch ihre Produktion wesentlich drüden, sondern darum, daß die Melassebrennerei in jedem Augenblick außerordentli ausdehnungsfähig ist und dadurch rine ernste Gefahr für die Entwickelung der Preise bildet.

Herr Dr. Pachnie hat nun erklärt, er könne für dies Geseß nit stimmen, weil es nur einem kleinen Theil der Landwirthe zu gute komme. Ich bitte Herrn Dr. Pachnicke, mir diejenige Mafß- regel anzugeben, die der ganzen Landwirthschaft zu gute kommt. (Sehr rihtig! rechts.) Von den Herren Agrariern if behauptet worden, daß nur der Antrag Kaniß der ganzen Landwirtbschaft helfen könne; ih nehme nit an, daß Herr Dr. Pachnike geneigt wäre, für diesen Antrag zu stimmen, und ih glaube auch nit, er habe bei der Regierung für den Antrag plaidieren wollen: Welche Maßregel giebt es also, um der ganzen Landwirthschaft zu helfen ? Wenn die Regierung gegenüber der Krisis, in der sih die Landwirthschaft befindet, Mittel ergreift, so kann fie nur Detailarbeit leisten, und eine dieser Detailarbeiten soll das Gese fein, das Jhnen vorliegt. Wenn man wirkli Wohlwollen für die Landwirthschaft bat, glaube ih, fann man eine einzelne Maßregel damit niht ablehnend begründen, daß sie nur einem Theil dèr Landwirthe zu gute komme.

Und nun, meine Herren, möhte ich mir noch- zum S@hluß eine Bemerkung gestatten. Der Herr Abg. Dr. Pachnicke erklärte: bei dieser Vorlage sind die verbündeten Regierungen von ihrem Macht- gefühl geleitet worden und niht von der Weisheit. Es ist das nit sebr entgegenkommend gegen die verbündeten Regierungen. Ich gestatte mir aber zu bemerken, daß das, was man theoretisch Ton- ftruiert, niht immer Weisheit ist ; sondern die wahre Weisheit beruht in der Erkenntniß des Wesens der Dinge und namentlich in der Er- kenntniß defsen, was im wirthschaftlihen Leben praktis ift, und ih glaube, daß die Vertreter der verbündeten Regierungen in dieser Be- ziehung dem Herrn Abg. Pachnicke vollständig ebenbürtig gegenüber- stehen. (Bravo! rechts.)

Damit ist die Berathung beendet, und das Haus beschließt, die Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen.

Darauf wird um 51/2 Uhr Vertagung beschlossen.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 59. Sißung vom Sonnabend, 27. April.

oten den Beginn der Sigzung ist am Sonnabend berichtet worDen.

Auf der Tagesordnung stand zunächst die dritte Berathung der Gebührenordnung für Notare.

S 14 (Gebühren für Empfang, Auszahlung, Verwahrung von Geldern) beantragte

Abg. Dr. Opfergelt (Zentr.) dabin zu ändern, daß dieselben im Fall des Empfangs von Geldern zum Zwecke der Auszahlung an dritte Personen für Rechnung des Auftraggebers von einem Betrage bis 50 M einsließlih um 40 A, für jede ‘angefangenen 50 M des weiteren Betrags bis 400 &# um 20 4, für je weitere ange- fangene 100 A bis 1000 A um 20 4, für je weitere angefangene 900 bis 10000 A um 20 § und für je weitere angefangene 500 A um 20 4 erböbt werden. Im Fall der Erhebung von dritten Personen foll das Doppelte dieser Gebühren erhoben werden. Bei gesonderter Auszahlung oder Erhebung der Beträge werden für jeden Betrag die Gebühren besonders berechnet, doch dürfen die Gesammtgebühren in derselben Angelegenheit das Fünffache nit übersteigen.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Es is mir zwar niht mögli gewesen, die Be- gründung des von Herrn Abg. Dr. Opfergelt gestellten Antrags zu verstehen bei der Unrube des Hauses; ih kann aber die Erklärung ab- geben, daß die Königliche Staatsregierung dem Antrage einen Wider- stand nit entgegenfezt. Ich will nur darauf aufmerksam machen, daß wohl in dem leiten Absaß sih ein Druckfehler findet, und mir das Einverständniß der Herren Antragsteller dazu erbitten. Es beißt dort:

Für Empfang, Verrechnung und Ablieferung von Werth- papieren. h

Es soll wobl statt „Verrechnung“ beißen „Verwahrung“. Ich nehme

an, daß die Herren damit einverstanden find, und daß nur in dieser

berihtigten Form der Antrag zur Abstimmung gestellt werden wird.

Abg. von Cuny (nl.): Auch er stimme dem Antrage zu, nur halte er im Interesse der Notare und des Publikums die Beseitigung der Zablung der gesondert berehneten Gebühren in einzelnen Raten für wünschenswerth.

Justiz-Minister Schönstedt:

Nur zu dem leiten Punkte möchte ih mir ncch eine Bemerkung gestatten, die ih vorher abzugeben vergefsen „habe. Es können ih aus der praftishen Anwendung der Vorschrift, daß bei Erhebung von Theilbeträgen der fünffahe Betrag der Gebühren, die bei Erhebung des Gesammtbetrags zuständig sein würden, nit überschritten werden soll, praktishe Schwierigkeiten ergeben, und man fann aus demAntrag nicht er- sehen, in welhem Stadium des Verfahrens diese Feststellung erfolgen soll : ob etwa schon bei der ersten Rate, die erhoben wird, oder erft am Schlusse nah Annahme sämmiliher Raten. Jh würde es für schwierig halten, in dieser Beziehung bestimmte Vorschriften im Geseze selbft zu geben und möhte mir nur das stillshweigende Ginverständniß des hohen Hauses dazu erbitten, daß es der vom Justiz-Minister zu erlassenden Instruktion überlassen wird, in dieser Beziehung die maß- gebenden Grundsäße aufzustellen.

Der Antrag wurde: angenommen.

I ift bestimmt, daß für einzelne Beurkundungen von den Vorschriften der Gebührenordnung abgewichen werden fann.

Abg. Sh naubert (kons.) beantragte, die freie Feftsezung von Gebühren bei Beurkundung von leßtwilligen Verfügungen und Erb- verträgen auszuschließen.

Justiz-Minister Schönstedt:

Fch bitte gleichfalls, es bei der in der zweiten Lesung beshlofsenen Fafsung des § 28 zu belafsen und den Antrag Schnaubert abzulehnen. Es ift ja in der früheren Debatte in der zweiten Lesung über das Prinzip der Vereinbarungsfreiheit eingehend verhandelt worden. Eine besondere Sympathie dafür besteht nirgendwo; aber es ift allseitig an- erkannt worden, daß die Vereinbarungéfreiheit niht vollständig entbehrt werden fann, und ih glaube, wenn man das zugiebt, daß es dann rihtig ift, die freie Vereinbarung bei der Beurkundung und Aufftelung von Entwürfen für leßtwillige Verfügungen und Erbverträgen zulaffen. Ih

glaube, in dieser Beziehung den Ausführungen des Herrn Abg. ‘von Cuny beitreten zu müssen, und darf noch hinweisen auf die Bemerkung,- die gestern der Herr Abg. Knebel gemacht hat : wie ihm gerade aus den Kreisen der rheinishen Notare die Mittbeilung gemacht fei, daß sie unter Umständen genöthigt sein würden, Gebühren zu erheben, die von den Auftraggebern zu fordern, sie in der That Anstand nehmen müßten, weil sie in keinem Verhältniß zu ihrer Leiftung ftänden.

Daß dieser Fall besonders häufig eintreten kann, wenn

Personen, die über große Vermögen verfügen, leßtwillige Verfügungen errihten, das bedarf wohl keiner Ausführung. Und wenn diese Erhebung hoher Gebühren ihre Berechtigung hat, soweit sie der Staat bekommt unter dem Gesichtspunkt der Steuer, so fällt dieser Gesichtspunkt fort, wenn es fh um Notare handelt. Deshalb glaube ih, namens der Staatsregierung die Erklärung ab- geben zu müssen, daß sie die von dem Herrn Abg. Schnaubert vor- geshlagene Beschränkung der Vereinbarungsfreiheit nicht für wünschens- werth hält, und zwar im Interesse der Bevölkerung.

Der Abänderungsantrag wurde abgelehnt und der Para- graph in der Kommissionsfassung angenommen.

Der Entwurf gelan nah Beendigung der Spezial- berathung in der sogleich vorgenommenen Gesammt- abstimmung zur Annahme.

Das Gesetz, betreffend die Aufhebung des in dem vor- maligen Fürstbisthum Fulda für die Einwilligung der Ehe- frauen in Bürgschaften und Expromissionen der Ehe- männer bestehenden Erfordernisses der gerichtlihen Form, wird in dritter Berathung ohne Debatte angenommen.

Darauf ging das Haus zur dritten Berathung des Ge- seßes wegen Errichtung einer General-Kommission für die Provinz Ostpreußen über. Das Wort E dazu

_ Abg. Freiherr von Feri (fr. fons.), der im Namen des srtleren Theils seiner politischen Freunde seine Zustimmung zu der

orlage in der Voraussetzung erklärte, daß demnächst ein Geseß über die Abgrenzung der Befugnisse der General-Kommissionen vorgelegt werden würde. Der Landwirthschafts - Minifter habe ja eingehende Prüfung der Angelegenheit zugesagt. Die General - Kommissionen müßten in eine lebendige organische Verbindung mit den Selbst- verwaltungêkörpern und den landwirthschaftlichen Interefsenvertretungen gebraht werden. (Beifall rechts.)

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hamme r- stein-Lorxten:

Meine Herren! Zunächst gestatten Sie mir mit wenigen Worten auf Bemerkungen, die in der zweiten Lefung in der Diskussion über diese Vorlage gefallen sind, zurückzukommen. Ich habe das Gefühl, und bei Dur(lesung des stenographischen Berichts hat sich die Richtig- keit dieses- Gefühls bestätigt, daß in der öffentlihen Meinung durhch die Diskussion zweiter Lesung den General-Kommissionen ein gewiffer Makel angehängt werden könnte. Das, glaube i, ift niht die Absicht der Herren gewesen, welche die bedenklihen Aeußerungen gemaht haben und ih babe deshalb derzeit diese Aeußerungen nit sofort beantwortet. Ich glaube, daß das hohe Haus, ebenso wie im Großen und Ganzen auch das weitere Publikum der Meinung is, daß die General- Kommissionen in ihrem Beruf namentlich in Gemeinheitstheilungs- und Konsolidationsangelegenheiten eine hervorragend tüchtige und segensreihe Thätigkeit entwickelt haben. (Sehr richtig! rechts.) "Ich nehme an, daß die Herren niht die Absicht gehabt haben, irgendwie die Autorität der General-Kommissionen zu s{hädigen. (Sehr wahr! rets.)

Meine Herren, dann gehe ich über zu den Bemerkungen des Herrn von Zedlitz. Ich darf darauf hinweisen ich habe das auch schon bei der vorigen Diskussion ausgesprochen —, daß die Staats- verwaltung ursprüngliÞh die General-Kommissionen zu wesentlih anderen Organen auszubilden beabsihtigte, wie sie sih s{ließlich ge- staltet baben. Es sollten im wesentlichen agrartehnische Behörden sein, die wie das Landes-Oekonomie-Kollegium den Ministerien der Regie- rungen als agrartechnishe Behörden zugeordnet werden sollten. Diese Entwickelung hat si nit in vollem Umfange vollzogen. Aus den General-Kommissionen sind im Laufe der Zeit andere Behörden geworden; aber, meine Herren, ih erwidere dem Herrn von Zedliß, daß man dem Wege, sie zu dem umzugestalten, was man ursprünglih bei ibrer Organisation ins Auge faßte, hon in gewisser Weise näher getreten ift und zwar in der Richtung, daß man ihnen Kulturtechniker beiordnete und daß die neugeordneten Meliorations - Bau- insvektoren, welde allerdings zunähst unter dem Ober- Präsidenten stehen, als sachverständige Organe den General- Kommissionen nebenamtlich zugeordnet sind. JIch kann übrigens die Anregung, welche Herr von Zedliß gegeben hat, nur als zutreffend und erwähnenéwerth anerkennen und meinerseits verspreen, daß i die hier gegebene Anregung im vollsten Maße weiter prüfen und daß ih in dieser Richtung die General-Kommissionen auszubauen mi bemühen will, wenn i die Zustimmung des Staats-Ministeriums finde.

Dann komme ih auf die Resolution. Es if niht mögli gewesen, zwischen der zweiten und dritten Lesung einen Beschluß darüber herbeizuführen, ob das Staats-Ministerium gewillt und in der Lage is, der hier im Hause durch die Resolution, namentli dur die Resolution unter 2, gegebenen Anregung Folge zu leisten. Ich kann heute nur nochmals wiederholen, daß ih bis dahin, daß die Staatsregierung zu den vom hohen Haus in der Resolution angeregten Fragen Stellung nimmt, gewillt bin, diejenigen Anordnungen im Wege der Instruktion zu erlassen, welche ih näher bezeichnet habe, die im gedruckten Bericht formuliert vorliegen, sodaß nah meiner Meinung sahlich für das laufende Jahr schon das erreiht werden wird, was Sie thatsächlich wünschen.

Nun mathe ih darauf aufmerksam, daß, wenn man den angeregten Fragen näher treten will, wenn man die Zuständigkeit der General- Kommissionen, das ganze Gebiet ihrer Thätigkeit gesezliG neu ordnen will, wenn man mehr ihre Thätigkeit mit derjenigen der Kreis- ausschüfe und deren Zuständigkeit gesetzlich festlegen will, so ift das eine äußerst \hwierige Aufgabe, deren Lösung umfangreiche Vorverhand- lungen nothwendig macht, die überall in kurzer Zeit nicht zu lösen sein wird.

Fch mache ferner darauf aufmerksam, daß bei der Staatsregie- rung son erwogen wird, ob die Rentengutsgeseßgebung nah ver- schiedenen Richtungen zu ändern und zu erweitern ist. Auf Spezielles will ih nit eingehen. Bei solchem Ausbau werden die aus der Thätigkeit der General-Kommissionen gerade auf dem Gebiet der Rentengutébildung

gewonnenen Erfahrungen zu berüdsichtigen sein. Ich zweifle keinen Augen- bli, daß bei der Gelegenheit auch die von Ihnen angeregten Fragen einer sorgfältigen und eingehenden Prüfung zu unterwerfen sein werden. Darin hberrsht + doeh zwishen der Staatsregierung und dem hohen Hause volles Einverftändniß, daß wir

wünschen, die Rentengutsgeseßgebung so auszugestalten, daß sie dem Zweck, für welchen sie geschaffen if, vollständig nah allen Richtungen hin dient; wir können daher auch nur folhe Behörden mit Ausführung der Gesetzgebung betrauen, welche dieser so s{chwierigen Aufgabe gewachsen sind, und daß, wenn es nothwendig ift, die General- Kommissionen, denen ja Laienelemente nicht angehören; in engere Fühlung mit den Laienelementen, mit den Kreisausshüfsen u. \. w. zu bringen, in dieser Richtung mögliherweise auch der Weg der Geseßgebung zu betreten sein wird. Die Staatsregierung wird, wenn sie sich überzeugt hat, daß das nothwendig ist, um den bereits einge- tretenen Mißständen zu begegnen, in loyalster Weise Jhren Wünschen entgegenkommen.

Nun, meine Herren, bitte ich das bohe Haus nohmals die Bildung einer zweiten General-Kommission für Königsberg nicht von Gewährung der von Ihnen gestellten Forderungen abhängig zu machen; Sie können von mir nit verlangen, daß ich über die angeregten fo schwierigen Fragen {hon jeßt eine bündige Erklärung abgebe. Jch bin, wie ich {on hervorhob, dazu umso weniger in der Lage, weil die Staatsregierung fih mit der Frage noch niht hat eingehend beshäftigen Föônnen. Ich wiederhole nochmals, daß ich der Ueberzeugung bin, daß die Staatsregierung in loyalster Weise Ihren Wünschen Folge geben und sie sorgsam prüfen wird. Jch gebe mich der Hoffnung hin, daß, da in der Sache nah meiner Meinung volles Einverständniß herrscht die Regierung will das von Fhnen erstrebte Ziel, höchstens besteht Zweifel über den Weg zum Ziele —, Sie nicht den Weg betreten werden, gewissermaßen eine Pression auf die Regierung auszuüben, die zum Nachtheil der Sache und speziell der öftlihen Provinzen gereichen wird, weil das Bédürfniß einer zweiten General-Kommission im Osten ganz zweifellos ist. Das ist ja au in der zweiten Diskussion anerkannt. Sie würden dadurch meiner Meinung gerade den Often schädigen, Fch gebe mih daher der Hoffnung hin, daß Sie beschließen werden, der Staatsregierung die Ermächtigung zu ertheilen, die General- Kommission zu bilden, und wiederhole das. Die Staatsregierung wird, da sie an sich hon die Frage prüfen muß, ob die Gesetzgebung niht nah verschiedenen Richtungen hin geändert werden muß, auch die von Ihnen nah diejer besonderen Richtung hin geäußerten Wünsche einer durchaus loyalen und forgsamen Prüfung unterwerfen.

Abg. von Puttkamer-Plauth (kons.) erkannte die Thätigkeit der General-Kommissionen durchaus an, ftellte aber in Frage, ob diefe, von den Selbfstverwaltungsbehörden losgelöft, Ersprießlihes zu leisten im stande sein werden. (Zustimmung rechts.) Leider habe der Minister noch immer keine Erflärung abgegeben, wie dieses Verhältniß geregelt werden solle. Wenn der Minister der Ansicht sei, die Rechte mache ihre Zustimmung von dem Entgegenkommen der Regierung auf einem anderen Gebiete geltend, so sei das eine ungerechtfertigte Annahme. Die Rechte mache keine politishen Tauschgeschäfte, wie das andece Porioien zu thun gewohnt seien, und wie das in leßter Zeit au die

egièrung zu thun scheine. (Sehr rihtig! rechts.) Zum Schluß bittet Redner nochmals im Namen seiner Partei um eine definitive Erflärung. (Bravo! rechts.)

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Wenn es richtig ift, daß die General-Kommission in Königsberg notbwendig ift, auch selbst, wenn sie mit der Rentengutsbildung gar nihts zu thun hätte, dann wird Herr von Puttkamer mir zugeben, daß die Bedingungen, die hier geftellt werden, in Anknüpfung an die Bewilligung der General- Kommission in Königsberg, allerdings “einen heterogenen Gegenstand betreffen.

Nun is in den Motiven allerdings gesagt, daß die starke Be- schäftigung der General-Kommission in Bromberg mit Rentenguts- bildungen ein besonderer Grund sei, eine neue General-Kommisfion in Königsberg einzurihten. Gewiß; aber diese Thätigkeit der General- Kommission dauert auch fort, ob Sie diese General-Kommission in Königs- berg bewilligen oder niht. Wenn wir allein in Ostpreußen 257 Gemein- beitstheilungen anhängig haben und in Westpreußen und Posen zu- sammen nur 179, so geht allein hieraus meines Erachtens hervor, daß die Trennung dieses Bezirks in zwei General-Kommissionen nothwendig ist, auch ganz ohne Rücksicht darauf, daß dieselben in Königéberg \ih auch ihrerseits mit der Rentengutsbildung zu beschäftigen hätten. Die Nothwendigkeit dieser Theilung ist allerdings verstärkt dur die starke Vermehrung der Beschäftigung der General-Kommission in Bromberg mit der Bildung von Rentengütern ; aber diese Nothwendigkeit is vorhanden, und infolge dessen kann sie eben auch nicht mehr für die Gemeinbeitstheilungen und fonstigen Aufgaben in Ostpreußen so gut sorgen. Hieraus ergiebt fich, glaube ih, ganz klar, daß man die General-Kommission in Königëberg bewilligen kann ledig- li mit Rücksicht auf ihre sonstigen Geschäfte.

Meine Herren, der Herr Vorredner verlangt von dem Herrn Landwirthschafts-Minister, daß er erklären foll, er werde unter allen Umständen im nächsten Jahre ein Geseß zur Regelung der hier frag- lien Kompetenzen vorlegen. Er sagt selbs: wir verlangen ja garnicht, daß der Minister uns sagen \oll, wie er das machen will, wie die Kompetenzen eingerihtet werden follen; wir verlangen nur, daß er sich verpflihtet, ein Geseg über die Neuregelung der. Kompetenzen vorzulegen. Ein Minifter, der noch garniht weiß, und von dem man gar verlangen wird, daß er dies wiffe, wie er eine Sache ordnen will, wie kann sich der positiv verpflichten, ein Geseß vorzulegen, ohne selbs irgendwie eine klare Auffassung, eine bestimmte Meinung über den Inhalt zu haben ? (Heiterkeit.) Das is doch garniht möglich. Ich bleibe auf dem Standpunkt stehen. Ih habe nah der mir sehr interessanten und lehrreihen und nach meiner Meinung höchst nüßlichen Erörterung in der zweiten Lesung reiflih über die Frage nahgedaht, wie man die Ab- grenzung der Kompetenzen wohl ändern kann, und bin dabei wenigstens mit meinem {wachen Verstand auf sehr große Schwierigkeiten gestoßen. (Heiterkeit.) Ich bin aber grundsäßlih bei der Ansicht stehen ge- blieben, daß die große Aufgabe der Vermehrung des kleinen und mittleren Besitzes in den östlichen Provinzen nur dur eine ein- zige Behörde erfüllt werden kann. Herr von Zedliß hat im Anschluß an eine Aeußerung, die ih bei der zweiten Lesung mir zu machen erlaubte, auf die Nothwendigkeit einer Reorganisation der General - Kommission hingewiesen, er hat auf eine etwaige Verbindung der Thätigkeit der General - Kommis- sionen mit den neu einzurihtenden Organen der Landwirthschaft, mit - den Landwirthshaftskammern, hingewiesen. Ih halte mit dem Herrn Minister für die Landwirthschaft diesen Gedanken für sehr erwägenswerth, wie wir überhaupt sehr oft noch in Zukunft, wenn diese Kammern erst ins Leben getreten sind, uns mit der Frage beschäftigen werden, wie wir ihre Gesammtstellung zu den Staatsbehörden fo

ordnen, daß eine gemeinsame, fruhtbringende Thätigkeit im Interefse der Landwirthschaft möglich is. Jh will mal voraussezen, wir kämen zur Ausführung derartiger Gedanken, so wird ih sofort die ganze Regelung der Behördenfrage in Beziehung . auf die Vildung von Rentengütern ganz anders gestalten. Dann werden ja naturgemäß die Interessen, die Freiherr von Zedlitz jeßt dur den Kreis-Ausshuß wesent- lih garantiert haben will, auf eine andere Weise zur Befriedigung kommen, ohne daß man zu einer Spaltung der Aufgaben in zwei Behörden zu schreiten brauht. Wenn nun -folhe Frage gerade jegt ih habe absichtlih in der zweiten Ææsung darauf hingedeutet auf die Tages- ordnung kommt, so if es ganz flar, daß ein Minister in diesem Augenbli, wo die Frage eben erst angeregt ist, unmöglih \sich verpflihten fann, {hon im nächsten Jahre ein ganz bestimmtes ‘Geseg vorzulegen. Ich will garnicht bestreiten, daß ein Theil der Einwendungen, die fih gegen eine spezifish tehnishe und mit einseitigen Aufgaben befaßte Behörde in Beziehung auf die Durchführung der Kolonisation geltend machen könnten, begründet sein fönnte, obwobl ih dabei stehen bleiben muß, daß, welhe Behörden wir au gehabt hätten, beim erften Angriff dieser neuen, ungeheuer schwierigen Aufgabe in einem alten Kulturlande mit einer folhen Behördenorganifation, mit einer solGen Gemeinde- verfafsung, mit solher Schwierigkeit durch die Kirhen- und Schul- verhältnisse, jede Behörde in dem ersten Anfang Schwierigkeiten nicht hâtte vermeiden können. Wir hatten gar keine Erfahrungen mehr, seitdem wir den alten Weg der preußischen Könige im vorigen Jahr- hundert verlassen hatten; wir hatten uns um diese Dinge garniht mehr befümmert daß da nothwendig erst wieder Erfahrungen ge- sammelt werden müfsen und im Anfang Fehler gemacht wurden, welche, auch wenn es die Kreis-Auss{hüfse allein gewesen wären oder irgend welche anderen Organe, unvermeidlich waren, das ist von vorn- berein flar. Nun fommt aber noch hinzu, wie ich wiederholt betone, daß diese Behörden doch in schwieriger Lage an sich waren; denn leider waren unsere wirthshaftlihen Zustände auf dem Lande und sind auh noch jeßt so, daß ein unendliher Andrang zur Zershlagung von Gütern und zur Bildung von Rentengütern vorhanden war, fodaß die Behörden gewissermaßen niht in Ruhe gelaffen wurden. Die notbleidenden Gutsbesißer glaubten auf die Weise sich noch einiger- maßen aus ihrer Schwierigkeit zu retten; fie drängten die Behörden mit aller- Gewalt, rasch vorwärts zu gehen; und umgekehrt fand sich eine große Anzahl von kleinen Leuten, die fi gern anfiedeln wollten, daß da allerdings ein rasheres Tempo eingetreten ift, vielleicht nit alle Fragen eingehend und vorsichtig genug erwogen sind, daß man vielleicht auch bier und da dazu gekommen ist, kleine Besißer unter Bedingungen anzustellen, die nicht die nöthige Garantie ihrer dauernden Existenz- fähigkeit hatten, das will ih nit bestreiten. Jh bin aber überzeugt, daß auch ohne die Anträge des Hauses, ohne die stattgehabte Dis- fussion an sich {hon durch die eigene Erfahrung die General- Kommissionen in Zukunft sich selbst korrigiert haben würden, und daß man in Zukunft bei einem langsameren Tempo in der Lage sein würde, die einzelnen Fragen vorfichtiger zu beurtheilen.

Ih acceptiere sehr gern die Bemerkungen des Herrn von Putt- famer-Plauth, nach welhen auch noch heute ihm und seinen politischen Freunden die Vermehrung der Bevölkerung und die Herstellung von Klein- und Mittelbesiß in den östlihen Provinzen nothwendig und wünschenswerth erscheinen ; und das ist doch s{chließlich die Hauptsache, daß wir in dem Ziel einig find.

Daß die Staatsregierung ja gern jeden Weg sucht, der eine größere Garantie giebt, daß die neubegründeten kleinen Be- situngen dauernd leistungs- und exiftenzfähig bleiben, das fann do au wohl feinem Zweifel unterliegen. Denn es fönnte uns ja fein größeres Unglück passieren, abgesehen von den finanziellen Verlusten, welle der Staat dabei erlitte, als wenn wir Gebilde ins Leben rufen, die nachher wieder zu Grunde gehen und ein unzufriedenes Proletariat vermehren, welches seine Ersparnisse bei dem Unternehmen verloren hat unter Mitwirkung Königlicher Behörden. Darüber kann nit der geringste Zweifel sein : lieber weniger und langsamer als zu rasch vorwärts gehen! (Sehr rihtig ! rechts.) Diese Ansicht habe ich immer vertreten und auf dem Boden stehe ih noch beute, und nicht bloß ih, sondern auch die ge- sammte Staatsregierung.

Also, in den eigentlichen Zielen find wir vollkommen einig, und ih hoffe, daß es vielleicht gelingen wird, auch in der bezeichneten Be- ziehung noch mehr geseßlihe Garantien zu gewinnen. Jh glaube; niht etwas Unrihtiges und Shockierendes zu sagen, wenn ich die Meinung ausspreche, daß zur Zeit hier im Hause auch nicht ein Einziger ist, der im ftande sein würde, ein klar formuliertes, alle Kompetenzen vollständig regelndes Gese vorzulegen; die Sache ist an sich schwierig; es ist nicht nur das Plöglihe, fondern die Sahe i an sich \s{chwierig; und das Interesse der Nachbarn, das Herr Abg. Freiherr von Zedliß im Auge hat, liegt doch wesentlich darin, jeder Grundbefißzer wird ih fragen: wird eine Kolonie begründet, die \{ließlich wieder verarmt, zu Grunde geht, mebr Proletarier in die Nähe schafft, meinen Besiß und seine Sicher- heit gefährdet, oder bekomme ich leistungsfähige Besißer, die mir auch immer auf die Dauer übershüssige Arbeitskraft liefern? Das wird die Hauptfrage sein.

Diese Frage aber können Sie meiner Meinung nah, wenn Sie nicht das Ganze den Kreis - Ausshüssen überweisen wollen, garniht loslôsen von der Kompetenz der General-Kommisfion.

Meine Herren, aus allen diesen Gründen möchte ih die Herren von der konservativen Partei dringend bitten, in diesem Falle nicht den Weg zu beschreiten, an eine an sh nothwendige Sache eine hete- rogene Bedingung zu knüpfen. Das kann man thun, wenn man einer feindseligen Regierung gegenübersteht, wenn man einen Zwang glaubt ausüben zu müssen. Aber so, nach allen Erklärungen der Herren Minister, liegt doch hier die Frage nicht. Wir find ja im wesent- lien das hat der Herr Landwirthschafts-Minister seinerseits mit vollem Recht betont in den Sachen vollständig einig; wenn wir Mängel finden und wir werden uns ja die Darlegungen hier im Hause sehr merken —, dann werden wir ja gerne auch im geseßlichen Wege vorangehen. Sollte sih zeigen, daß darüber verschiedene Mei- nungen au bei Vorlegung eines solhen Geseyes bestehen, so werden wir uns zu einigen suhen; ein Grund, solche gewaltsamen Mittel zu gebrauchen, wie sie Herr von Puttkamer-Plauth in diesem Falle vor- {lägt, liegt gewiß hier nicht vor. (Bravo !)

Abg. Hobrecht (nl.): Der Sinn des Kommissionsvorschlags

war offenbar nicht der, daß die Zustimmung der Regierung zu den Resolutionen die Bedingung für die Annahme des Gefeßentwurfs sein

sollte, über dessen Nothwendigkeit in der Kommission keine Mage verschiedenheit beftand. Ih war deshalb aufs äußerste überrast, als bei der zweiten Lesung von der Rechten die Zustimmung zu dem Gese von einer Erklärung der Regierung im Sinne der Ne-

solution ebbängia genant wurde. Wenn die Herren auc heute auf diesem Standpu beharren, so werden Sie damit die von

mir natürli nit getheilte Auffaffung bestärken, daß die Refolu- tion nur ein Manöver war, um das Rentengütergesey zu Falle zu bringen. (Widerspruch rechts.) Gewiß ist nicht jede beliebige Fer s{hlagung großen Grundbesißzes ein Gewinn für die Kultur. Der große Grundbesiß hat bei uns in der rihtigen Mishung mit dem mittleren * und fleinen die bhöhsten wirthscaftlihen und sozialen Aufgaben -zu erfüllen. Aber für die östlihen Provinzen ift es zweifellos ein hoher Gewinn, wenn es gelingt, dur fortshreitende Parzellierungen in verständiger Weise dort den mittleren und kleinen Besi erstand dur Zuzug aus den westlichen Provinzen zu vermehren. Do eine folhe Politik kann nicht auf der Grundlage des Rentengütergesetzes verfolgt werden; dazu gehören ganz andere ittel. Ih halte es für unerläßlich, die Thätigkeit der General-Kommissionen mit der Selbstverwaltung geseglich in Verbindung zu bringen. Daß eine Reorganisation nit in zwei oder drei Monaten zu machen ist, gebe ih zu; aber möglich ist sie. Ich glaube, wir kommen dem Ziel am nächsten, wenn wir der Vorlage ¿zustimmen und die Resolutionen einstimmig annehmen. (Bravo!)

Finanz-Minister Dr. Miquel: s

Meine Herren! Ih möchte auf diese Bemerkungen des Herrn Abg. Hobrecht einige Worte erwidern. Jch erkenne vollständig an, daß die General-Kommissionen sich nicht auf den Standpunkt stellen dürfen, gewissermaßen Ausführer der Wünsche und der Interessen einzelner Gutsbesißer zu sein, sondern daß sie, ebe sie si entschließen, auf eine durhgeführte Parzellierung ihrerseits Rentenbriefe zu be- wifligen, alle öffentlihen Gesichtspunkte erwägen müssen, auch nit allein die Fráge, ob die Rentenbriefe wohl genügend ge- sichert sind, ob die Ansiedelungen wohl im stande find, die genügende reale Sicherheit auf die Dauer zu gewähren. Die General-Kommissionen find zweifellos in dieser Beziehung Vertreter des öffentlihen Gesammtinteresses (sehr wahr! rechts), und sie müssen au die allgemeinen Gesichtspunkte im Interesse der Nachbarn ebenso gut als die rein finanziellen Interessen des Staats ins Auge fassen. Danach sind sie auch immer infstruiert worden. Ob und welche Fälle vorliegen, wo nahweislich nah diesem Gesichtspunkt nicht ver- fahren ift, das ist mir bisher noch nicht recht flar geworden. Wir sprechen in dieser Beziehung so im allgemeinen, es wird noch einer genauen Prüfung bedürfen, ob man die in dem bisherigen Vorgehen der General - Kommissionen vielfah behaupteten Mängel nach- weisen kann.

Meine Herren, daß bei der Bildung von Rentengütern nit verbhütet werden fann, daß ein Theil dieser Rentengüter wieder in Verfall geräth, das lehrt die Geschichte der ganzen preußischen K-lonisation. Wer diese Geschithte studiert hat, wer beispielsweise weiß und aktenmäßig ersehen hat, daß bei den ersten Anfängen der Ko- lonisation unter König Friedrih Wilhelm IV. man als selbstverständlich annahm, daß von den angeseßten Kolonisten ein Zehntel wieder zu Grunde ging; wer \ich erinnert, wie viele von den Kolonisationen Friedrichs des Großen gescheitert sind, wer aber auf der anderen Seite au weiß, daß dur diese Kolonisationen beispielsweise in der Mark die Bevölkerung von 750 Seelen per Quadratmeile auf 1500 Seelen gebracht ist und im großen Ganzen die Sache doch als große Wohl- that angesehen werden muß; wer bedauert, - daß man diese Kolonisationspolitikk im Osten, die eine Fortseßung der Besiedelung des Ostens dur Deutsche is, in Wahrheit hat gänzlich fallen lassen auf Grund der falschen Anshauungen, die \ich an die Stein-Hardenberg’she Geseßgebung knüpften: der muß von vornherein finden, daß das nicht völlig zu vermeiden ist, daß, sci es einzelne, sei es ganze Kolonien, auf die Dauer nicht recht bestehen fönnen. Das hängt ja von sehr vielen Einzelfragen ab, ob ein Kolonist gedeiht, namentlich hängt es von seiner eigenen Persönlichkeit ab. Vielfah habe ih sagen hören: man foll nicht vorzugsweise darauf sehen, ob die Kolonisten allzu viel Kapital mitbringen; es giebt viele Kolonisten, die fast ohne Kapital größere Garantie in ihrer Persönlichkeit liefern als ein Mann, der etwas Kapital ererbt hat, im übrigen sich aber gern als Großbauer aufspielen möchte und statt zu arbeiten beispielsweise auf die Jagd geht.

Meine Herren, wir werden uns also klar mahen müfsen, daß Séhlacken dabei abfallen. Aber darin bin ih mit den Herren voll- ständig einverstanden, daß es die Anfgabe ist, jede mögliche Garantie zu s\{haffen, um solche Uebelstände, die mit der Sathe verbunden sind, mögli zu vermindern und, wenn thunlich, ganz zu beheben. Das muß unser aller Aufgabe sein, und deswegen fann ich immer nur wiederholen: die Staatsregierung hat gar kein anderes Interesse und gar kein anderes Ziel wie die Herren da drüben (rechts). Wir wollen genau dasselbe, und ich bin au überzeugt: wir werden \chließlich das Richtige finden. In diesem Augenblick ein Gese ausdrüdlih zuzusagen für das nächste Jahr, ehe wir die Vor- bedingungen für ein solches Geseß ganz klar vor uns haben, das fönnen wirkli die Herren billigerweise nicht von uns verlangen.

Abg. von Puttkamer-Plauth: Dem Herrn Landwirthschafts- Minister, der im Grunde genau dasselbe will, wie wir, steht ein ge- nügend langer Zeitraum zur Verfügung, das Geseh technisch fo zu ge- stalten, daß es hon im nächsten Jahre vorgelegt werden kann. Auch Abg. Hobrecht sieht die General-Kommissionen niht als geeignet an, um die in ihre Hände gelegten öffentlihen Interessen hinlänglih zu wahren ; ich bin erstaunt, daß er troßdem leichten Herzens eine folhe Behörde bilden will. (Sehr richtig! rechts.)

Abg. Humann (Zentr.) erklärte, für den Westen sei eine Aenderung der Rentengütergeseßgebung in keinem Falle nöthig. Der Gesezentwurf wurde hierauf gegen die Stimmen der konservativen Partei angenommen. Es folgte die Berathung des vom Abg. Gamp einge- N von zahlreichen Mitgliedern dés Hauses unterstüßten ntrages:

Das Haus wolle beschließen, die Regierung zu ersuchen, An- ordnungen zu treffen, daß die Staatsbetriebe beim Ankauf insbesondere von land- und forstwirthshaftlihen Erzeugnissen die inländischen Erzeugnisse bevorzugen, bezw. soweit es angängig ist, die Lieferung inländischer Er- zeugnisse v'oL Ee ben.

Aba. Gamp (fr. kons.) begründete eingehend seinen Antrag. Es es feft daß infolge der niedrigen ha ora? [le und der kommunalen asten die deutshe Landwirthschaft wesent s theurer produziere als die des Auslandes. Um so mehr habe die Regierung die Pflicht, nah Kräften für den Absayz der heimischen dandwirthshast u forgen. Die Regierung möge dem Beispiele des Herrn Eisenbahn-Ministers folgen, der nah dem richtigen Grundsay verfahre, keine Uebershußwirthshaft machen zu wollen. Die Regierung dürfe keinen Ee auf die

F Produktion ausüben. Der Kriegs-Minister habe den erfreu- lihen Grundsay, vor allem bei allen Lieferungen die inländische Pro-