1914 / 44 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Kunft und Wissenschaft.

Die physikalisch-matbematishe Klasse der König- lihen Akademie der S R hielt am 12. Februar cine Sißung unter dem Vorsiß ihres Sekretars Herrn Planck. Herr Lieb isch sprach über - Kristallisationsvorgänge in binären Systemen aus Chloriden von einwertigen und zaweiwertigen Metallen. Dur thermishe und mikroskopisde Analyse wurden die in 42 Systemen auftretenden Doppel- wloride und Mis(hkristallreihen. etmittelt. Die Ergebnisse ge- statten vergleihente Betrachtungen über die Verbindungsfähtg- keit und Mischbarkeit der “benußten Komponenten. Herr Nernft legte etne gemeinfam mit dem Dr. F. Schroers ausgeführte Erperimentaluntersfuhung über die Bestimmung spezift\cher Wärmen bei sehr tiefen Temperaturen vor. Die ia den früheren . Mitteilungen beschriebene Methode wurde in mehrerer Hinsicht verfeinert; die Temperaturmessung geschah anstait mit dem Platinthermometer mti einem Kupserkonstantanelement. Herr Warburg überreichte eine Mitteilung der Herren Prof. Dr. L. PALOLn und Dr. M. Jakob aus der Physikalish-Technischen

eibéanstalt: Ueber die \pezifische Wärme cp der Luft zwischen 1 und 200 Atmosphären. Die Vetfasjer finden die Zunohme der spezifischen Wä1me der Luft bet ODruksteigerung viel Ueiner als Lufsana, abec in sehr guter Uebereinstimmung mit der Berechnung aus dem Thomson-Joule-Cffekt nad von Lindes Theorie. Bei 60° beträgt die Zunahme zwischen 1 und 200 Atmosphären 21 0/6.

In der an demselben Tage. unter dem Vorsit ihres Sekretars Herrn, Diels abgehaltenen Sklgzung der philosophisch-hi|to- rischen Klasse las Herr Norden über das siebente Buch der Annalen des Ennius. Dle bisherigen Versuche, diesem Buche die Erzählung des Ersten Punisclhen Krieges zuzuweisen, treten in Widerspruch mit dem Zeugnisse Ciceros, daß Enniys diesen Krieg übergangen babe. Auf Grund eines Vergleis der erhaltenen Frag- mente mit Nachahmungen Vergils sowie den Nachrichten des Polybios und Livius wird gezeigt, daß die in diesem Buche erzählten Ereignisse die Jahre 239—217 umfaßten.

Im Institut für Meereskunde (Georgenstraße 34—36) spriht am 24 d. M. der Or. H. Michaelsen- Berlin über den modèrnen Passagierdawpfer und am 27, d, M. der Dr. W. Behr- mann -Berlin über das Thema: Nath Deutsh-Neugutnea. Die Vorträge werden, soweit mögli, dur ch Lichtb‘ldec erläutert. Sie beginnen um 8 Uhr Abends. Eintrittékarten zu 025 4 sind an den Vortrags- Hes von 6 Uhr an in der Geschäftéstelle (Georgenstraße 34—36) zu haben.

Gefundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßzregeln.

Griechenland.

Laut cinem Königlichen Dekret vom 22. Januar d. J. (a. St) ist die ärztlihe Untersuhuna der Herkünfte von Beirut, Alexandretta, Mersina, Sardinien, Syrien, Samsoun, Trapezunt, Trivolis in der Berberet, Odessa und Dedea- gatsch, einschlteßlich und bis zum Hafen von Ekaterini dieser nit cinbegriffen, aufgehoben worden.

Die für die Herkünfte von der asiatischen, der europäischen und der Küste des Marmara-Meeres sowie von Kostanttinopel erlassenen sanitätspolizeilihen Vorschriften bleiben in Kraft.

(Val. „R -Anz.“ vom 2. u. 15, November 1912, Nr. 262 u. 273, 15, u. 19. März v. J. Nr. 65 u. 68, 5, November v. F., Nr. 262, und 15, Dezember v, J., Nr. 295.) |

Aegypten.

Der internationale Gesundheitsrat in Aegypten hat beschlossen, auf Herkünfte aus Dieddah das Pestreglement anzuwenden.

Theater.

Königliche Schauspiele. Sonn- abend: Opernhaus. 40. Abonnementsyor- stellung. Dienst- und Freipläße find auf-

ehoben. Loheugrin. Romantische Oper n dret Akten von Richard Wagner.

Venedig. i Montag: Hamlet.

Sonntag: Der Snuob.

Musikalische Leitung: Herr Kapellmeister von Strauß. Regie: Herr Oberregisseur Droescher. Chöre: Herr Profefsor Rüdel. | mittags 31 Anfang 7 Uhr. Messina.

Schauspielhaus. 52, Abonnementsyor- von Friedriß Sgpiller.

Uhr:

stellung. Dienst- und Freipläge sind auf- | 8 Uhr: Wie eins im Mai.

ehoben. Zum ersten Male olt: Peer Gyut von Henrik öIbsen. 1. Abend. (In fünf Bildern ) In freier Uebertragung für die deutsche Bühne ge- staltet von Dietrih Eckart. Musik von Mai. Gdward Grieg. In Szene gesekzt von Mcntag und n Regisseur Dr. Reinhard Bruck. einst im Mai. usikalishe Leitung: Herr Kapellmeister Paus, Anfang 74 Uhr. onntag: Opernhaus. 41. Abonne- h mentsvorstellung. Dienst- und Freipläße | Straße. find aufgehoben. Die Hugenotten. Die füuf Fraukfurtcr.

Bernauer und Schanzer.

Große Oper in fünf Akten von Giacomo | drei Akten von Karl Nößler. Sonntag: Köxia Richard 31. Montag: Hiauter Maueru.

Meyerbeer. Text nah dem Französischen des Eugène Scribe, überseßt von Ignaz Castelli. Anfang 7# Uhr. Schauspielhaus. 53. Abonnementsvor- stellung. Dienst- und Freipläge sind auf-

Uebertragung für die deutshe Bübne ge- staltet von Dietrichß Eckart.

74 Uhr. Edward Grieg. Anfang 7& Uhr músik,

Veues Operutheater. (Kron. Sonntag, Nachmittags 2 Uhr: Auf Allerhö stellung falt olberg. Bei in fünf Aufzügen von Heyse. (Die Eintrittskarten werden durch die Zentralstelle für Volkswohlfahrt nur an Arbeitervereine, Fabriken usw. abge- eben. Ein Verkauf an einzelne Personen e tur) O Séustel dué P 5 „Vaterland“, Schauspiel aus Preußens Nacht und Not, von 2 Böttchex. Erstaufführung : onntag, | Abends 8 Uhr: Liliom. ten 22. Februar, 74 Uhr. Karien- | von Franz Molnär. bvorv:rkauf ducch A. Wertheim, den In-

zietät).

validendank und tic Theaterkasse täglich | feffor Berubardi. Abends:

von 11—2 Ußr. Montag: Pygmalionu.

Deutsches Theater. (Direktion: Max

Reinhardt.) Sonnabend, Abends 72 Uhr: Bride.

Shakespeare - Zyklus: König Lear. [Wer zuleht locht ., ,!

Sonntag: Der Kausmann vou [mit Gesang

Kammerfpiele.

Montag: Wetterleuchten.

Berliner Theater. Sonnabend, Na(- Die Braut von Ein Trauerspiel mit Chören

L A : t . Fliege. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Große | schäft ist Geschäft, Abends: Das Rofineu. Abends: Wie eiust im | Glück im Winkel.

folgende Tage:

Theater in der Königgräßer Gußkow. Abends 8 Uhr: Die beiden Sonnabend, Abends 8 Uhr: Leonoren.

Komödienhaus. Sonnabend, Abends

ehoben. Pcer Gynt von Henrik Ibsen, |8 Uhr: Kammermufik. Lusispiel in drei lottenburg,

N i: Bildern, f Akten von Heinrich Ilgenstein. Abend. (In ses Bildern.) In freier Vbnntac, Nabmittacs 3 Ubr: fili: Direktion: Geo

f zauber. Abends: Kammermusik. Funk, von Montag und folgende Tage: Kammer-

Deutsches Künstlertheater (So- (Nürnbergerstr. 70/71, gegenüber sten Befehl: Sechste Vor- | dem Zoologischen Garten.) ür die Berliner Arbeiter- | Nahmittacs 32 Ubr: Petercheus Mond- Historishes Schau- | fahrt. Abends 8 Uhr: Das Phantom. Paul | Komödie in 3 Akten von Hermann Bahr. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Das Prinzip. Abends: Das Phautom. Montag: Schirin uud Gertraude.

Lessingtheater. Sonnabend, Nach-

Maximilian | mittags 35 Uhr: Dex Erbförster. Eine Legente

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr Vro- |Zo ¿gisher Garten.

Theater an der Weidendamme1 Sonnabend, Abends 8 A oj ontag und folgende Tage: Polen- | 75 Ubr: ut,

Theater uud Mufik,

Königliches Schauspielhaus.

Der gestrige zweite Peer Gynt-Abend verlief anregend *und bot in einigen Bildern darstellerisch wie szenish ausgezeichnet:s, im ganzen aber war der Eindruck des esten Abends stärfer und nacbhaltiger. Die Gründe hierfür liegen zum größten Teil in der Dichtung felbst, die gegen die Mitte in der Handlung abs{chweift, an Gedankentiefe verliert und ‘unter dem Einfluß der sie stetiger be- gleitenden Musik stellenweise einen melodramenartigen Cbarakter annimmt. Wenn nach dem äußerst dramatisGen Schiffs- untergang der Dichter seinen Helden wieder in die Heimat zurück- führt, nimmt er au die leitenden Gedanken wieder auf und erweitert und vertieft sie z. B. in der Szene pen Peer und dem Knopf- gießer mit großer dihterish-r Kraft. enn aber gegen den Schluß alles zur sung drängt, bleibt doch der Gedankenkern so dicht von Gleichnissen und Sinnbildern verhüllt, daß auch ein Zuschauer, der für den Reiz des Symbolish-Mystishen niht unempfänglich ist, sich etwas mehr Klarheit wünschte. Diese Mängel der Dichtung wurden nun gestern dur diz Eckartihe Uebersezung und au dur den Leiter der Aufführuna noch unterstridhen und finnfällig gemacht. Die Ueber- seßung erwtes sih nämlich an einigen besonders wichtigen Stellen, so in der erwähnten Szene mit dem Knopsgießer, als unzulänglich und die Regie tat nit gut daran, die in Aegypten \ptelenden eptsodenhaften Szenen noch besonders hervorzuheben und durch ein ausgestaltendes Spiel zu verlängern. Die hübschen Bühnenbilder dieser Einleitung des gestrigen Abends konnten nit dafür entschädigen, daß die für den Verlauf des Stückes ungleich wichtigeren Szenen zwihen Peer und dem Tod und Teufel so nebenher vor einem dunkeln Vorhang gesptelt wurden. Zu bedauern war es au, daß in der nächtlihen Waldfzene, die dem Zusammentreffen mit dem Knopfgießer vorausgeht, die Geistersiimmen gejurgen wurden; der Wortlaut ging dadurch nahezu verloren. Herr Clewing ging in der naturgetreuen Darstellung des Gebarens des Propheten-Pasha wohl über die Grenze hinaus, die der Gesamt- charalter des Stückes zieht; beim Sch'fféuntergang und in den letzten Szenen bot er wiederum Ausgezeilnetes. Fräulein Helsler bewährte S in der tolle der Anitra nit nur als tüchtige Schauspielerin, ondern auch als stimmbegabte Sängerin und Tänzerin von Rasse und Eigenart. Vorzüglich in Maske und Darstelung waren die Herren Vallentin als Dr. Beg1iffenfeld, von Ledebur als fremder Passagier und Herr Eggeling als der Magere. Herr Kraufßzneck gab den Knopf- gießer als würdigen, ehrlihen Handwerksmeister, wobei das Mystische und Schauerliche, das diese Gestalt umweht, niht zum Ausdruck tommen fkonnte. Die durhweg geschmackvolle und malerische szenishe Ausstattung fand ihren Höhepunkt in dem Bild an Bord des unter- gehenden Schiffes. Das auf den Wozen hin und her geworfene Fahrzzug mit seinen \{chwankenden Lichtern, der Wogenanprall an seinem Bug, das Durcheinander der “an der Rettung ver- zwelfelnden Mannschaft, der Kampf zwischen Peer und dem Schiffskoch um ihr Leben waren von packender Wirkung. Die Schönheiten der Griegshen Musik, die im zweiten Teil der Dichtung ja noch reicher ausgestaltet ist als im ersten, kam unter des Kapellmeister Laugs feinsinnniger Leitung zu voller Geltung. Die Aufführung fand in dem vollbesezten Hause herzlichen und lebhaften Beifall. e

Im Königlichen Opernhause findet morgen, Sonnabend, eine Wiederholung von „Lohengrin“ unter der müfsikalischen Leitung des Kapellmeisters von Strauß statt. Herr Kirchhoff singt die Titel- rolle, die Elsa: Frau Denera, die Ortrud: Frau Plaichinger, den Telramund: Herr Bischoff, den König: Herr van de Sande, den Heerrufer: Herr Habich. (Anfang 7 Uhr.)

Im Köntglichen Schauspielhause wird morgen ‘der erste Teil von IbsensJ, Peer Gynt* aufgeführt. Die Titelrolle spielt Herr Clewing, die Aase Frau Conrad, die Solveig Fräulein Thimig. Außerdem sind noch in wichtigen Rollen beschäftigt: die Herren Zimmerer und Dr. Pohl sowie die Damen von Mayburg und Schönfeld. Die musikalishe Leitung hat der Kapellmelster Laugs.

In den Kammerspielen des Deutschen Theaters findet Ende nächster Woche die Erstaufführung von Knut Hamsuns S{sau- spiel „Vom Teufel geholt“ ftatt.

Livpsi Ñ L Beek ; E T a

pp und A. Bernstein - Sawersky.

Musik von Leon Jessel. Sonnabend, Sonntag, Nachmittags 3 Ubr (balkbe Pri

lat... ! Montag und folgende Tage: zuletzt lacht .….!

Sthillertheater. 0. (Wallner- theater.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Abends | Herodes und Mariamnue. Eine Tra- Pofse mit | aôdie in fünf Aufzügen von Friedrich

Wer

Sretl.

Gretl.

Montag: Weh? dem, der lügt!

Charlottenburg. Sonnabend, Nach- mittags 37 Uhr: Zopf und Schwert. Lustspiel in fünf Aufzügen von Karl

Wie Montag

toren. Lustspiel in vier Aufzügen Lustspiel ü von Paul Lindau. dreas Hofer. Abends: Der Leib- gardift.

Montag: Die beiden Leonoren.

Bismarck - Straße 34—37.

Direktion: Georg Hartmann.) Sonnabend,

um ersten PVeale: Die

Tae Ímittags 3 Ube i onntag, Nachmittags 3 Uhr: Figaros

Hochzeit. Abends: Parsifal. Schönfeld.)

Montag: Der Freischüt. fang und

Sonnabend, M Neues Theater.) Sonnabend, Abends | Sonntag 8 Uhr: Jung England. drei Akten von Nud. Bernauer und Ernft Welish. Musik von Leo Fall.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Die

land. : Montag und folgende Tage:

un England. Jung

Hochzeit.

Theater des Westens. (Station: Kantstraße 12.) DOMAER,

Theater am Nollendorfplaß.

Nachmittags 4 Uhr: Die |8 Uhr: Konzert von Jules Voucherit M benen, S na M,

Sonnabend, Abends 8 Uhr: Der Snob. | Preise) und Abends 8 Uhr: Wer zuletzt von e vilner s Rob Bodanzky, braud. Am Klavier: Marcel van Gool,

Musik von Heinrih Reinhardt.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Orpheus

in der Unterwelt. Abends: Prinzeß

Montag und folgende Tage: Prinzeß | Lutzeuko.

Residenztheater. Sonnabend, Abends 8 Uhr: eit s Sonntag, Nachriittags 3 Uhr: An- falisbe e in E tions p De Auftreten sämtliczer Spezialitäten. Landsberger und Willi Wolf. Musik Zum Schluß: E “ias ers n: Gd

Sonntag, Nachmittags 3 r: Haben u j Sie nichts zu aeg S Abends: | Abends 7{Uhr: 2 große Vorstellungen. Opernhaus. (Char- | Soheit der Franz! E Deutshes Opernhaus. (Char Montag und folgenve Tage: Dobeit | E der Franz!

Thaliatheater. (Direktion: Kren und | Verlobt: Frl. Anna-Talea Janssen nit Sonnabend, Abends 8 Uhr: Die Taugopvrinzesfin. Posse mit Ge- anz in dret Akten von Jean . i Kren und Curt Kraay. Montis Operettentheater.(Früher: | von Alfred Ce : und folgende Operette in | Taugoprinzesfiu. Trianoutheater. (Georgenstr., nahe

led A : - | Bahnhof Friedrl{chs\tr.) Sonnabend, Abends Fledermaus Abends: Juug Eng § Ubr: Áu atvles Hochzeit. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Die

Montag und folgende Tage: Anatoles

Marie Blitar und Ag vom Rhyn geben am 2. März inr Meister saal (Köthenerstraße 38) einen gemeinsamen Bortragsabend. Marie Blitar singt Lieder zur Laute, zumeist solche, deren Text von Ay vom Rhyn stammt oder von ihm ins Deutsche übertragen ist, Der rheinische Schriftsteller liest aus seinen Werken Jagd- und Wander: \fkizien, Humoresken, ernste und heitere Verse vor. Das Melodiam „Die Rosen von Altenberg“ von vom Nhyn, Musik von Ernst Heuser, wird durch Marie Blitar vorgetragen; die Begleitung am Flügel. hat die Hofpianistin Henriette Schelle übernommen, Eintrittskarten sind tn der Hofmusikalienhandlung von Bote u. Bock und im Kaufhaus des Westens zu haben.

(Der Konzertbertcht befindet fch in der Vierten Beilage.)

Mannigfaltiges. Berlin, 20. Februar 1914.

In der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten stand die erste Beratung des Stadthaushaltsetats für 1914 auf ter Tagesordnung. Der Etat \{ließt in Einnahme und Ausgabe mit 408 736432 # ab. Der Stadtkämmerer Boeß leitete dio Beratung mit einer längeren Rede ein, in dex er die all. aemeine Finanzlage Berlins, verglihen mit der anderer Groß- städte, als günstig bezeichnete, aber gleih hinzufügte, daß die befondere Lage des Etats für 1914 gedrückt sei durch die kostspieligen Unter- nehmungen, dite die Stadt mit einer gewissen Plöplichkeit im leßten zahre beschlossen habe. - Nah der Rede des Kämnierers wurde die Besprechung des Ctats auf die nächste Sitzung vertagt. Im weiteren Verlaufe der Sihung bewilligte die Versammlung {üx dle Dpser der Dstseesturmflut 5000 #4. Ohne Debatte wurde ferner dem Verein für innere Kolonisation tn Reppen ein Darlehen von 100000 #6 bewilligt. Diese Be. willigung soll den Berliner Arbeitslosen zugute kommen. - Auch die Vorlage über die Eingeméindung der Gemeinde Reinicen- dorf wurde ohne jede Wortmeldung cinstimmig angenommen. Auf die öffentliche folgte eine geheime Sitzung.

Die Ausgabe der Eintrittskarten für den „Gesindeball“ deg Vereins Berliner Bühnenkünstler, der aiz-Sonnabend, den 7. März, in den Festräumen des Zoologishen Gartens ftattz findet, beginnt am 25. Februar im Kaiserhotel (Friedrichstr. 178, Teilnehmerlisten liegen im Waarenhaus A. Wertheim (Leipziger Plas) sowie im Verkehrsbureau am Potsdamer Play (Cafs Jotty) aus.

Breslau, 19. Februar. (W. T. B.) Die Stadtverordneten haben in threr heutigen Sißzung einstimmig die Aufnahme einer städtishen Anleihe von über siebzig Millionen Mark zum Bau von Krankenhäusern, höheren Lehranstalten, Oderbrüen und eines zweiten Hafenbeckens, zur Vergrößerung der Gas- und Glekirizitätswerke und der Friedhofsanlagen nebsi Bau eines Krematoriums genehmigt.

Hamburg, 20. Februar. (W. T. B.) Der Altonaer Fish, dampfer „Scholle“ von der Reederei Heinrih Fo ist {n der Nacht zum Donnerstag in der Nordsee vermutlih auf ein Wrat gestoßen, leŒgesprungen und gesunken. Die Besatzung wurde von einem \chwedishen Dampfer gerettet und nah Rotterdam gebracht.

(Fortseßung des Nichtamilichen in der Ersten, Zweiten, Dritten und Vierten Beilage.)

Singakademie. Sonnabend, Abends

Abends 8 Uhr: | (Violine) mit dem Philharmonischen

Orchester. Dirigent: Camillo Hilde-

Beethoven-Saal. Sonnab., Abends 8 UVhr: Klavierabend von Paul

Zirkus Schumann. Sonnab., Abends

var. Lustspielhaus. (Friedrichstraße 236.) | 77 Uhr: Große Galavorstel 2 wieder- | Gesang und Tanz in vier Bildern von | Hebbel. O # Uhr: Große Galavorstellung. : onntag, Nachmittags 3 . { Sonnabend, Abends 8 Uhr: Die spanische | Vorzügliches Aa, S gtiiago 2 Uhr: Ge Schwank in drei Akten von | Schluß: „Tipp“, der Derby-Favorit

ranz und Ernst Bach. 1914 Sonntag, Nachmittags 34 Uhr: Hof- gunst, Abends: Die spauische Fliege. | Abends 71 Uhr: und ‘folgende

spanische Fliege.

Programm. Zum

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr und 2 große Galavor- Tage: Die | stellungen. In beiden Vorstellungen: das große Spezialitätenprograumm.

Birkus Busch. Sonnabend, Abends 73 Uhr: Große Galavorstellung.

Die große Prunk- pantomime: Pompeji.

Sonntag, Nachmittags 34 Uhr und

Familiennachrichten.

Hrn. Leutnant Adalbert von Nosenberg- Gruszczynskt (Lüneburg). l Geboren: Ein Sohn: Hrn. Haupk- mann yon Czernicki (Berlin). Gestorben: Hr. Geheimer Regterungs- rat, Professor Dr. Hermann Nietschel (Charlottenburg). Hr. Major a. D, Carl Walleiser (Berlin), Maric MNeichsgräfin Henckel von Donnersmare, geb. Gräfin von Schweiniß und Krain Freiin von Kauder (Naklo O.S.).

Gesangstexte Tage: Die

Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg.

Verlag der Erpedition (Heidr i ck) in Berlin.

Abends: Anatoles

Liliom. | Sonnabend, Abends 8 Uhr: Volenblut. Dperette in drei Akten von Oskar Nedbal.

Sonntag, Nachmittags 34 Uhr: Der liebe Nugustin. Abends 8 Uhr:

Polenblut,

Poffe

Konzerte,

Bechstein-Saal. Sonnabend, Abends Klavierabeud von Gabriele Leschetizky, j zei

Druck der E Buchdruckeret und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32.

Zwölf Beilagen

Marie | (cins{ließlichÞ Börsenbeilage und Warcn- A iSenboilage Nr. 17.4 w 17 B)

Erste Beilage

zum Deuischen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Ae

Deutscher Neichstag. 218. Sißung vom 19. Februar 1914, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Das Haus sett die zweite Beratung des Etats für die Neichsjustizverwaltung bei den Ausgaben für das ,(Be- halt des Slaatssekretärs“ mit der Besprechung der Angelegen- heit der Witwe Hamm aus Ftandersbach fort. /

Abg. Dittmann (Soz): Bei ‘dem Wiederaufnahmeverfahren gegenüber der Witwe Hamm handelt es sich um keine Frage der Partei, fondern um eine folcbe der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit. Am 12. Dezember vorigen Jahres haben vier Verireter des Zentrums, der Nationalliberalen, der Fortschrittlichen Volkspartei und der Sozial- demokratie dem Staatssekretär mitgeteilt, daß sie diesen Fall zur Sprache bringen werden. Jin Zuchthause zu Siegburg ist eine Bauersfrau lntermert, die wegen Beihilfe zur (Frmordung lhres (She- mannes vom SArvurgericht- Elberfeld zu 14 Jahren Zuchthaus vex- urteult worden ist, Cine ganze Lcenge von Tatsachen deuten nun darauf hin, daß hier ein grober ZUsUztrrtum vorliegt. Dem Wieder- aufnahmeverfahren stellen sich aber illegale Einflüsse in den Weg die wir our unsfere' heutige Besprechung möglichst beseitigen wollen. Der Verdacht auf die Frau ist durch den Berliner Kruninalkommissar pon Treskow I gelenkt worden, der von der Ansicht ausging, die Frau habe Meuchelmörder gedungen, um ihren Mann umzubringen. Auch die Verhandlung gegen die Frau wurde von der Aussage dieses Kriminalkommissars beherrscht, der si guf eine langiährige fkrimi- nalistische Crfabrung berief, troßdem ex erst ein Jahr im Polizei- dienste war, Der Gerichtshof und die Geschworenen \chenkten ihm blindes Vertrauen, fo daß man den vielen (Fntlastungézeugen feinen Glauben beimaß. Die Frau hat ‘bis heute fast ses Jahre ibrer Strafe abgebüßt. Das Urteil ist \{on- vom rein juristischen Stand- punkte aus eine Ungeheuerlichkeit. Wegen Beibilfe kann do nur jemand verurkeili iverden, wenn die Natur des Verbrechens selbst einwandsfrei estgestellt ist. Bicr- weiß man noch nit einmal, ob wirklih ein Mord vorliegt und nicht etwa ein Totschlag oder Körperverleßung nit todlichem «uégange. Pan weiß nit einmal, wer der Tâter war. Uu Ut micht nachgewiesen worden die Frau zu jemand in Be- öôtehungen stand, der als Täter in Frage kommcn könnte. Jeßt ist nachgewiesen worden vom Berliner Polizeipräsidium, daß es h hochst wahrscheinlih um eine Koörperverleßung mit tödlichem Ausgange handelt. Es hat sich inzwiscken die Unglaubwürdigkeit von Treskows herausgestellt. Der preußische Justizminister bat ja im Abgeordneten- haute in Abrede stellen wollen, daß von Tresckows Ausfage entscheidend gewesen sei, Man braucht aber nur sich den stenographiscen Bericht des „&lberfelder Generalanzeigers“ und andere Berichte anzusehen, um si zu Uberzeugen, daß ohne dicfe subjektiven Sclußfolgerungen des Berliner Krinunalkommissars, das Urteil einfa unmöglich gewesen wäre. Hätten die Geschworenen geahnt, welche zweifelhafte Eristenz von Treskow war, so hätten sie ihm kein Wort geglaubt. Der Mann war noch zwei Jahre vorher Schreibmaschinenhändler und vorher Leutnant. (ér war in Schulden geraten und feine Stellung als Kriminalkommissar hat er dur die Angabe erschlichen, daß er keine Schulden habe. Seine abjolute Unglaubwürdigkeit war evident. (Fs wird ihm u. a. auch wiederholter Bruch des Ehrenworts, sowie falsche eideóstattliche Ver- sicherung vorgeworfen. Als das Disziplinarverfabren geaen ihn ein- geleitet weriden sollte, nahm er seinen Abschied - unter Verzicht auf Pension. Er eroffnete dann hier in Berlin ein Detektivinstitut mit dem Zweck der Fabrikation von Ebebrüchen und des Ausleibens von Liebhabern und Liebhaberinnen. (s sind Zeugen aus der damaligen Schwurgerichtsyverhandlung vorhanden, die ceidlih bekunden wollen, daß Tresckow sie zu bewegen versuchte, falsche eidlicke Aussagen zu machen. Der Polizeirat Braun, der Vorgeseßte Tresfows, hat vor Zahr und Tag eine erneute Prüfung des Falles in EClberfeld ver- anlaßt, und das Ergebnis war ein vernitendes sür das Urteil des Schwurgerichts. Er stellte fest, daß (Einbruch und Körperverleßzung mit tödlihem Ausgange vorliegt. (&in amtliches wissenschaftliches Gutachten stellt außerdem fest, daß, die Angaben der Witwe Hamm über die Beschaffenheit des Blutes am Rote des Getöteten und an den zurückgelassenen Gegenständen auf Wahrheit beruben. Gegen cine (&rmordung spricht auch die gebrauchte Waffe, ein kleines Messer. Der Polizeirat Braun ist in einem 20 Seiten langen Bericht zu dem (Srgebnis gekommen, daß die Witwe Hamm unschuldig ist daß die Strafhaft unterbrochen und das Wiederaufnahmeverfahren eingeleitet werden muß. Das Urteil wird von jédem objektiven Mann in diesem Saale und in der Oeffentlichkeit geteilt werden müssen. Es liegt auch eine Fülle weiteren Beweisimagterials vor über die am Tatorte hinterlassenen Gegenstände und den mutmaßlichen Täter. Es ift anzunehmen, daß ein Knecht Imfkampf die Tat vollbracht hat, der dem Zuchthaus entsprungen war und sich nah der Tat wieder agcstellt hat, Verschiedene Personen haben gravierendes Material gegen diefen Knecbt beigebracht. (fin Mithelfer ift offenbar ein Schmiedegcselle Kielhorn. (5s stellte ih heraus, daß der am Tatorte zurüdgelaffene Stock dem Meister des Schmicdegesellen gehört; cin blutiges Hemd wurde als das des Schmiedegesellen refognosziert. Er sißt jeßt vier Jahre im Gefängnis wegen Straßenraubes. Jedenfalls liegt hier für die Täterschaft ganz anderes Belastungsmaterial vor als seinerzeit geaen die Witwe Hamm. Das Verhalten der Elberfelder Gerichts- behörde ist der cigentsliche Grund, daß wir uns mit diesem Fall über haupt beschäftigen. Es hätte allgemeinem MNechtéempfinden ent sprochen, wenn dic Elberfelder Staatsanwaltschaft sofort das Wieder- aufnahmeverfahren cingeleitct bätte. Sie hat sich aber hartnädig dagegen gesträubt, cine passive Mesistenz geübt. Es besteht zwischen der Staatêanmwvaltschaft und dem Gericht cine Solidarität. Im Hand- umdrehen ift aus einer Frage der Gerechtigkeit eine Frage des An- schens und der Autorität der Justiz geworden. Der vorliegende Fall it cin Schulfall, wie verfehlt manche Bestimmungen unserer Straf- prozeßordnung find, Der Minister Beseler bat im Abgeordneten- hause gesagt, daß all das genau geprüft worden ist, was die etwaige Inschuld der Frau beweisen könne. Aber das hat man nicht getan. Man hat es verabsäumt, wichtige Zeugen sofort zu vernchmen. So hat das fast ein ganzes Jahr gedauert, bis man (Xrhebungaen über die wichtigen Entdeckungen anstellte, wer der Eigentümer des blutigen Nockes, des Stockes und des Hemdes ift. Juzwischen hätte mancher der Zeugen verstorben sein können, Jeßt bedauert man cs, daß man einen der inzwischen verstorbenen Zeugen nit mehr ins Kreuzverhör nehmen kann, Die Loichtgläubigkeit der Justizbehörden in Elberfeld gegenüber den Belastüngszeugen war eine ganz bedeutende. Man hat JImkampf außer Verfolgung gcseßt, weil ibin die Tat- nicht nahge- wiesen werden Ffönnte. Gleichzeitig hat man einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgelchnt, aber nicht ctwa auf Grund neuerer Erhebungen, sondern cines vier Jahre vorher von der Witwe Hamm geschriebenen Briefes. Das muß natürlich auf die Oeffenflich- keit irreführend wixfen. Ganz besonders merkwürdig ist das Ver- halten des Elberfelder Staatéanwalts. Es ist klar, daß die dortige Staatsanwaltschaft kein Wiederaufnahmeverfahren will, Aber gerade dort sollte der Fall Ziethen als Mahnung dienen, die Zabl der Justiz- morde nicht zu vermehren. Aber au der Untersuchungsrichter hat és leider im leßten Hertst an der nötigen Objektivität fehlen lassen. ebt ist endlih ein neuer Staat8anroalt bor! und ein neuer Unter- suhungsrichter mit der Sache betraut worden. Man hat au das Er- mutelungsverfahren wieder neu aufgenommen. Der Slecin ist ün ollen und ih bin überzeugt, daß, wenn die unheilvollen Gegen-

.

tinflüsse ferngehalten werden, das Recht scinen Lauf nehmen kann.

Berlin, Freitag, den 20, Februar

Hoffentlih werden ih dann in Bälde die Zuchthauétore für die ¿rau öffnen. Bon der Stellung eines formellen Antrages febe ih ab, da ich annehme, daß der Staatssekretär au so dem Nechte zu

seinem Siege verbelfen wird. Es handelt sich nicht um ein Eingreifen

in ein shwebendes Verfahren. " Wir wollen nur alle illegalen Ein- flüsse von diesem ferngehalten wissen.

Aba. Dr. Pfeiffer (Zentr.): Der Staatssekretär bat gewünscht, wir sollten uns wenigstens bei dieser ängelegenheit möglihste Zurüd- haltung auferlegen. Ich spreche hier, weil jeder unschuldig ilde eine Angelegenheit ift, die jeden an tändigen Menschen angeht. Im November 1912 hatte ih miH an das Justizministerium gewandt und auch ein Neferat vorgelegt. Jch bekam den Bescheid, daß dies kein Anlaß sein könne, die von mir gewünschten Maßnahmen in Anregung zu bringen. Vie Sache sei eingehend geprüft. Es wurde auch darauf bingewiesen, daß über die Beschwerde wegen der Zurückweisung des xBlederaufnahmeverfahrens Erhebungen shwebten. Wir haben hier den typishen Beweis dafür, daß der Vorsitzende eines Scbwurgerichts durch einen wundervoll geführten Indizienbeweis den Scharfsinn. seines juristischen Könnens glaubte erbringen zu müssen, Es ist unglaublich, wle das Gericht zu diesem Urteil kommen konnte. Die Untersuchung gegen die Witwe Hamm war die erste VBetättgung des Kommissars von Tresckow in einer Mordsache.. Man kann nur annehmen, daß der wohlbegründete Ruhm des von Tresckow 1. auf von Treskow Il ab- gefärbt hat. Sein Schlußgutachten liest sich so, daß ein Sherlock- Holnies - Noman dagegen gar mckchts i. von Tresckow macht der ¿Frau den Hauptvorwurf, weil sie sich beim Tode thres Mannes nicht |merzlich bewegt gezeigt hat. Der Kriminalfkommissar hat bei seinen eststellungen lediglich feiner Phantasie die Zügel \chießen lassen. Die ¿srau foil feinen übergroßen Schmerz gezeigt haben. Hätte sie das Gegenteil getan, so hätte Tresckow das als Komödie aufgefaßt. Daß die Frau ihrer Arbeit nachgegangen ist, ist beim Landvolk selbst- verständlich; sie hat ihre Pflicht des Alltags getan. Wenn der Hund mt gebellt hat, so lieat das daran, daß der Gelegenheitsarbeiter Paberforn ihn in jener Nacht ins Heu mitgenommen hat. Tresckow haf gesagt, die aufgefundenen Gegenstände seien von der Witwe Hamm abltcollich dorthin gelegt worden. Es iff nun nachgewiesen worden, daß diese Gegenstände auf eine \charfumrissene Person hindeuten, auf den Imkampf. Dieser wurde von zwei Mädchen beobachtet, wie er nh im Bach die Hände wush und das damit erklärte, daß er Ka- mnchen geschlachtet habe. Es licgt bier offenbar ein Justizmord oder mindestens ein Justizirrtum vor. Der Justizminister hat gemeint, daß Ler Cingabe der Geschworenen um Wiederaufnahme des Ver- fahrens keine aroße Bedentung beizulegen sei, weil sie von gewisser Seite beeinflußt wären. Auch andre veteiligte Persönlichkeiten bat man zu disqualifizieren gesucht. Wie viele Kollegen, die an den Staats- sekretär geschrieben haben, würden die Sache nicht zur Sprache ge- bracht haben, wenn Richter und Staatsanwaltschaft nicht bisher voll- ständig versagt hätten! - Die Privatdetektivinstitute müßten der staat- lichen Aufsicht unterstellt werden. - Kein Mensch 1st vor dem WVigi- lantentum und dem Spiteltum sicher. Gerade der Kommissar T dor hat neuerdings wieder cine Sache gemacht, die cinc folcbe For- derung rechifertigt. Er hat bei einer Denunziation wegen Gatten- mordes, wo es sih um Absturz in den Dolomiten handelte, Zeugen betrunfken geinacht, um eine Verurteilung herbeizuführen. (Sr hat fch von dem Venunzianten eine kolossale Summe versprechen lassen. Jn einem andern Falle ift er ähnli vorgegangen. Möge im Falle Hamm das Wiederaufnahineverfahren bald eröffnet werden, damit die Ge- rechtigfeit zum Siege kommt.

Nbg. Dr. Hecckscher (foris{r. Volksp.): Ich bin mit dem Staatssekretär der Ansicht, daß es nit Aufgabe des Neibstages ein fann,: sich als Gerichtshof aufzutun oder neue Culpa zu be- zeugen; aber ich bin nicht seiner Ansicht, daß: er keine Veranlassung hat, fich an der. Diskussion zu beteiligen. Daß die allgemeine Nechts- [rage hier interessiert, haben beide Vorredner nachgewiesen. Der all ist wertvolles Matcrial für die Frage des Wiederaufnahmever- fahrens. Ein Jurist dieses Hauses, der Aba. Spahn, hat vor Jahren gesagt, wir dürfen uns das Necht nicht nehmen lassen, auch Nichter- sprüche hier zu erörtern, weun sie Aulaß geben, das Gesetz zu ändern. Zch erinnere aud an den Fall der Verurteilung der Meservisten in Grfurt, zu der auch der Reichskanzler Stellung nabm. Der Meichs- tag stimmte damals einem Geseßentwurfe zu, obwobl das Verfahren noch s{webte, Müssen wir denn warten, bis die Frau die Strafe verbüßt bat? Dieser Fall ist eine ernste Anklage gegen das poli- zeilihe Anklageverfahren, nicht gegen die Rechtspflege. Man fragt sich verwundert, wie auf das Gutachten eines Mannes wie Tresckow eine Verurteilung erfolgen konnte. Dieser Fall beweist die Not- wendigkeit, daß lünftighin niht mehr dieselben MNichter, die an der UÜrteilsfällung teilgenommen haben, beim Wiederaufnabhmeverfahren beteiligt find. Ich entscheide nicht, ob die Witwe Hamm schuldig ist oder nicht; î f

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ich betone nur die Notwendigkeit einer Reform.

Abg. Schul § - Bromberg (Rp.): Jch muß doch dagegen Ein- spruch erheben, zugleich auch im Namen der konservativen Partei, daß hier in cin s{webendes Verfahren îin einer Weise eingegriffen wird, wie cs von -dem ‘ersten Redner geschehen ist. Es liegt hier der erste Fall vor, daß ‘in cinem Verfahren, das soeben den Gerichten zur Prüfung und Aburteilung unterbreitet ist, hier im Reichstage chon im voraus cin Ucteil abgegeben wird. Der erste Redner hat nicht nur behauptet, daß die unm ordnungsmaßigen Verfahren vom Schwur- gericht verurteilte Witwe Hamm unschuldig verurteilt ist, sondern auch mit apodiftischer Sicherheit zwei andere Personen des Mordes bezichtigt. Wie fkann man es nux wagen, solche s{were Beschuldi- gungen von der Tribüne des Reichstags ohne jede nähere Kenntnis, ohne cinen Zeugen oder einen Angeklagten geschen und gehört zu haben, ins Land zu s{hleudern? Was wollen Sie mit dem, was Sie bier gesagt haben, erreihen? Der Fall unterlicgt den Elberfelder Richtern zur Aburteilung. Sollen diese Richter in einer Art Troß jagen, wir lassen uns vom Reichstage nichts vorschreiben, oder sollen fie ih gegen besseres Wissen dem MNeichstage fügen? Die Ungb- hängigkeit der Nichter ist doch das höchste Palladium, und mit Necht bat man si stets gegen die Kabinettsjustiz gewandt. Das, was Sie hier tun, is der s{chwerste Angriff gegen die Unabhängigkeit der Gerichte von oben; es steht auf derselben Linie, als wenn ein Monar oder der Deutsche Kaiser in einem \{chwebenden Verfahren erklären würde: Ich verlange, der Angeklagte foll freigesprochen oder verurteilt werden. Jch will hoffen, daß die Clberfelder Richter weder nach rechts noch nah links sehen, sih nit durch die Verhandlungen des Neichsiags, noch durch die Mitteilungen in der Presse beeinflussen lassen, fondern daß sie sich leiten lassen von dem hechsten Richter, der über jedem Richter steht, vom Gewissen.

Damit schließt die Diskussion. Das Gchalt des Staats- sekretärs wird bewilligt,

Es folgt die Abstimmung über die zu diesem Titel ge- stellten Resolutionen.

Von der Resolution Bassermann-Schiffer (nl.) über die Verbesserung einzelner Teile- und Bestimmungen des Reichêrechts wird zunächst der érste Vorschlag über die Be- handlung der Geisteskrankheit angenommen, die Vorschläge über den Schuß der Ehre, den Schug der Gläubiger, die über Ein- rihtvng einer Mobiliarhypothek, Einschränkung der Eides- leistung und die Beschleunigung des Verfahrens wurden ab- gelehnt.

Die Abstimmung über die Forderung der Ausdehnung der Ene Gle Zuständigkeit bleibt zweifelhaft. Ber ver Auszählung wird die Forderung mit 126 gegen 92 Stim- men angenommen. Ebenso wird angenommen die Zulassung der Volksschullehrer als Schöffen und Geschworene und die Forderung der religiösen Erziehung der Kinder aus Mischehen, abgelehnt dagegen die Einschränkung des Legalitätsprinzips im Strafprozeß.

Ferner wird abgelehnt die Resolutio n Basfser-

mann-Schiffer (nl.) auf Vorlage eines Gesezentwurfes, betreffend" Beschleunigung und Vereinheitlichung der Rechts- pflege. : Angenommen wird die R esolutionWarmuth (Rp.) auf Vorlage eines Geseßentwurfes, betreffend Beschleunigung der Verfügungen über den Miets- oder Pachtzins dem Hypo- thekengläubiger gegenüber auf das zur Zeit der Beschlagnahme laufende Garantievierteljahr.

Bei den Ausgaben für das Reichsgericht werden 94 500 # für 6 Reichsanwälte gefordert . Die Kommission be- antragt, die eine Reichéanwaltstelle zu streichen. Es liegen dazu je ein Antrag der Konservativen und der Nationalliberalen vor, die Regierungsvorlage wieder herzustellen,

Es ergreift dazu das Wort der

Abg. Dr. Jun ck (nl): Von der Notwendigkeit der Forderung der Neichéregierung is jeder überzeugt. Wichtige Gründe dagegen sind u der Aussprache nicht vorgebraht worden. Man hat sih auch gegen den (Charakter der Behörde als solcher gewandt, die man nicht noch stärken woile. Dieser Grund hat aber auch keine Berweiskraft. Wenn man der Neich8anwaltschaft und der Staatsanwaltschaft vorwirft, daß sie nicht unabhängig sei, so trifft das shließlich für einen Hilfsarbeiter in er- höhtem Maße zu. Solange wir diese Behörde haben, müssen wir doch dafür sorgen, daß sie vorschriftsmäßig beseßt ist.

Die Regierungsvorlage wird gegen die Stimmen des Zentrums, der Sozialdemokraten und der Polen wieder herge- stellt.

Der Rest der Ausgaben des Justizetats und die Einnahmen verden ohne Debatte bewilligt. Damit ist die Beratung des Justizetats zu Ende.

Das Haus wendet sich darauf der Beratung des Marineetats zu. Am Bundesratstische ist inzwischen der Staatssekretär des Reichsmarineamts, Großadmiral von Tirpi8, erschienen. Die Diskussion knüpft an an den Ausgabc- titel: Gehalt des Staatssekretärs. :

Abg. Dr. Pfleger (Zentr.) berichtet über die Verhandlungen der Kommission, insbesondere über die Verhältnisse der Dekoffiziere und über die Unfälle der Luftschiffe, über die der Staatssekretär in der Kom- mission befriedigende Aufschlüsse gegeben hat. Ferner berichtet ec über die Grklärung des Staatssekretärs über die Relation des Schiffsbaues von England und Deutschland und über das von englischer Seite un- perbindlih vorgeschlagene Flottenfecierjahr. Die Kommission habe es mit Freude begrüßt, daß das Verhältnis Englands zu Deutschland ein freundliches geworden ist. Sollte von englischer Seite ‘ein Angebot über Ubrüstung kommen, so dürfe dies na Ansicht der Kommission nicht ohne weiteres zurückgewiesen, sondern es. müsse ernstlich geprüft werden, Solange ein festes Angebot nicht gemacht werde, müsse Deutsch- land an dem Flottengeseß festhalten. Der Auregung, daß Süddeut|ch- land bei den Marinelieferungen erheblicher beteiligt werde, habe der Staatssekretär erfreulicherweise wohlwollende Erwägung zugesagt. Der Redner {ließt mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß die Marine, die im Inlande beliebt und im Auslande geachtet sei, zur Aufrechterhaltung des Friedens beitragen werde.

Ubg. No s ke (Soz.): Ueber mehr als {öne Worte ist die Dis- kussion über die Verständigung mit England, über die Abrüstung, nicht hinausgekommen. Das Wachsen der deutschen Flotte ist riesenhaft vor fich gegangen. Bemerkenswert ist die große Zahl der Offiziere und Unteroffiziere gegenüber der Zahl der Mannschaften. Auf 214 Mann kommt ummer ein Vorgeseßter. Die Besaßungsvermehrung der Flotte für 1914 beträgt 6191 Mann. Das ist dur die Neueinstellung DET Schiffe bedingt. Die fortdauernden Ausgaben für 1914 erfahren eine Steigerung von etwa 2314 Millionen. Die Ausgaben für Instand- haltung und Reparaturen haben sich ganz außerordentlich gesteigert. Die- Flottentreiberei beim Schiffsbau seßt jeßt au beim - Luftschiff- wesen ein. Neu ist im Etat die Forderung für cinen Marineattachs in Buenos Aires. Es soll nach der Darstellung in der Kommission eine Art AllerweltSerl sein. Ihm werden bald andere folgen, denn er fann unmöglich allein alles das machen, was ihm zugemutet wird. Wirtschaftlihe Interessen sollen der Hauptgrund für die- neue Stelle sein. Gewiß haben wir wirtschaftliche Jnteressen in Südamerika; aber das Marineamt hat nur ein Interesse daran, daß Deutschland dort Flottenaufträge erhält. (Es ist mit richtig, daß Deutschland keine Be- stellungen von Kriegsschiffen von Südamerika bekommen hat; aller- dings sind es wenige. Zur Förderung wirtschaftliher Interessen braucht man keinen Attaché, fondern eine andere Handelspolitik gegen- über Argentinien durch Befeitigung der schikanösen Bestimmunge Uber die Fleischeinfuhr. Statt eines Attahés würde ih mit VBerghnüaen ein halbes Dußend Konsuln oder Sachverständige bewilligen. Die Bermehrung des Marinegerichtspersonals notigt mich, ein Wort über die Rechtsprechung in der Marine zu ‘prechen. Die Personen in leiten» den Gerichtsstellen scheinen zu der Ueberzeugung gelangt zu sein, daß nur durch Furcht und Schrecken die Disziplin der Monnschaft aufrechbt=- erhalten werden kann. Urteile, wie das in Erfurt gefällie, sind in der Marine keine Seltenheit. Man denke an dice hohen Zuchthausstrafen, wie sie jüngst gegen Matvosen gefällt worden sind, die in der Trunken- heit sih an Unteroffizieren vergriffen haben. Man hat mir mitgeteilt, daz die Behandlung der Mannschaften der Flotte in einer ganzen An- zahl von Fällen s{limmer geworden ist, was man auf die schärfer werdende Militarisierung der Flotte zurückführen kann. Infolgedesfen war schon bei den leßten Manövern die Stimmung der Mannschaften zeitweilig höchst erbittert. Auch die Fälle von systematisher Soldaten- \chinderei nehmen zu. Ebenso wie im Heere wagen es die Mann- schaften nicht, sich zu beshweren. Durch die zu-erwartende Novelle zum Besoldungsgeseß werden ja auch die Gehälter einzelner Kategorien von Marinebeamten erhöht. Es if jedo nicht klar, ob in dieses Geseß cndgültige Bestimmungen über die Bordbezüge aufgenommen worden sind, Wie dur ein Urteil festgestellt worden ist, bestehen ja bisher dafür keine geseßlichen Regelungen. Der Prozentsaß der Unteroffiziere ist ja ein sehr hoher, da viele Leute 12 Jahre dienen, um cine sorgen- lofe Anstellung später zu finden. Bei der unzulänglichen Besoldung wird es aber immer {chwieriger werden, die nötige Anzahl zu beldiatfen.

Man hat si {on genötigt gesehen, die Prämie für 12jährige Dienst- zeit zu erhöhen. Es ist bedauerlich, daß nod immer der scharfe Trennungs- strih zwischen Dekoffizieren und den anderen Offizieren besteht. Die Deoffiziere sind nah wie vor weiter nichts als gehobene Unteroffiziere. Als der Kaiser sich in Kiel zur Rekrutenvereidigung begab und zwet Unteroffiziersfrauen zum Fenster hinausschautén, wurden ihre Gatten zu Arrest verurteilt, dabei wurde noch ein UntersGied zwisGen ten Chargen gemacht, der Feldwebel fam besser weg. Die Offiziors- frauen durften unbeanstandet zum Fenster hinaus\{hauen. Das sind