1914 / 44 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

welche die Einführung des Burezusystems, das gegenwärlig nur bet den ehemaligen Präfidialabteilungen zur Durchführung gelangt ift, au bei den zurzeit noch kollegialisch eingeriGteten zweiten und dritten Abtellungen der Negterung vorsehen. Sodann werden mehrfache Aente- rungen der inneren Organisation der Bezicksaut*hüfse und drittens die Einrichtung ‘eines Kollegiums von 7. Mitgliedern - eingeführt, das an Stelle des Plenums der Regierung dessen Funktionen in Disziplinarsachen versehen soll.

Meine Herren, die Einsührung des Bureausystems in allen Geschäftszweigen der Regierungen hat zur Vorausfetzung die Ab- shaffang der zurzeit noch in fi abgeschlofsenen kollegialisch ein- gerichteten Abteilung für - Kirchen- und Schulwesen und für direkte Steuern, Domänen und Forsten sowie dzn Nebergang der grund{äßlichen Verantwortlihkeit für alle Negierungsgeschäfte auf den Regierungs- prâsidenten, an den zuglei die entsprechenden Befugnisse übertragen werden sollen. Der Regierungépräsident soll alle Geschäfte der Negterung mit Hilfe der thm beigegebenen Oberregierungsräte, Räte und ter sonstigen Hilfsarbeiter künftig unter eigener Verantwortung verwalten mit alleiniger Auenahme der allerdings ret zablreichen Angele gens- heiten, für welhe dur besondere geseßlihe Bestimmung oder auf dem Wege Allerhöchster Verordnung die Mitwirkung aller in dem be- treffenden G: \chäftsbereih der Regterung beteiligten Regierungémit- glieder vorgesehen ist. Ohne jeßt {on im Moment auf die Gründe erschöpfend eingehen zu wollen, welhe es geboten erscheinen lassen, au bei den follegialisch ‘eingeciteten Negierungsabteilungen an Stelle des Kollegialverfahrens das Bureausystzm zur Durchführung zu bringen, glaube ih doch darauf hinweisen zu sollen, daß die bei der Präsidialabteilung erfolgte Einführung des Bureausystems ih derartig bewährt hat, daß das prafktisch: Bedürfnis dazu geführt hat, daß die überwiegenve Mehrzahl der Geschäfte auch in den kollegialisch eingerichteten Abteilung-n niht mehr im Wege des Vortrages in dem Kollegium, sondern im Wege der mündlichen Besprechung erledtzt werden, daß mithin bei den zur Zeit nominell noch) fkollegial eingeriWieten Abteilungen de facto zum großen Teil das Bureausystem bereits fich eingebürgert hat. Das berubt nicht allein darauf, daß viele Ne- gierungen zu kiein find, um gut funktionierende Abteilungen mit Tollegialer Verfassung zu bilden, fondern auf den Vorzügen der größeren Schnelligkeit, Beweglihkeit und Energie, wclche in Ver- bindung mit der gesteigerten Verantwortlichkeit der leitenden Beaunten erfahrungsmäßig die besonderen Vorzüge des Bureausystems bilden. Von besonterer Bedeutung ift die Bildurg einer Kammer für Abgabesahen bei dén Bezirksausshüssen. Diese anscheinend niht ganz mit der Tendenz der Vereinfaßung und Bes \chleunigung des Verfahrens übereinstimmende Neuerung ver- folgt den Zwœeck, auh bei denjenigen strittigen Abgabesach-en bei denen gegenwärtig nur zwei Instanzen, nämlich der Bezirks- ausshuß in erster Instanz und als Nevisionsinstanz das Ober- verwaltungsgeriht geg2ben sind, drei Instanzen zur Verfügung zu stellen, analog dem Inslanzenzuge bei allen andeten streitigen Ver- waltungssachen. Diese Neuerung ist deshalb erfolgt, weil ohne sie die Cinführung einer Nevisionssumtne nicht mözlich sein würde, die ihrerseits wieder zur Entlastung des gegenwärtig unter der Last der Geschäfte beinahe erliegenden Oberverwaltungsgerihts unbe- dingt notwendig ist. Diese Regelung ift in Artikel 11 des Gesetz- entwurfs vorgesehen. Sie wird wefentlih zur Entlastung des Ober- verwaltungsgerihts beitragen und in Verbindung mit einer ganzen Neihe sonstiger Abänderungsvorshläge, welhe den Zweck verfolgen, das Verwaltungsstreitverfahren von allen unnöttgen Förmlichkeiten zu befreien, die notwendigen Formen einhbeitliß und übersihtlih gestalten und dahin wk:ken, daß verschentliche Verstöße gegen die bestehenden Formvorschriften nicht zu ciner unbilligen Benacteiligung der Parteien führen, wesen1lich zur Vereinfahung und Beschleunigung des Verfahrens dienen. i

Ih möchte dann ferner noch darauf hinweisen, daß durch Artikel 12 tes Entwurfs in gleihem Sinne auch auf eine Ver- einfahurg und Beschleunigung des Verfahrens vor den Beschluß- behörden hingewirkt werden foll unter gleichzeitiger Erleihterung der Nechtsverteidigung. Zur Vereinfachung dient sodann die in A: tikel 13 vorgeschene Neuerung, nah welcher als Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen in Zukunft unter Fortfall der bisherigen Wahlklaze nur die Beschwerde bei der übergeordneten Behörde gegeben sein soll, aber mit nachfolgender Anschlußklage beim Dberverwaltungszyeriht. Diese Regelung soll auch Anwendung finden auf die wasser- und wegepolizet- lichen Verfügungen, sodaß bei diesen das umständlihe und nah den gemachten Erfahrungen nit zweckmäßige Einspruchsverfahren in Fortfall kommen wird.

‘Meine Herren, auf weitere Einzelheiten der vorges{chlagenen Be- stimmungen glaube tch jeßt nicht eingehen zu sollen. Ih bitte aber, aus diesen kurzen, mehr andeutenden Ausführungen ersehen zu wollen, wie umfangreich und vielseitig tas Arbeitsgebiet gewesen ift, dessen Durcharbeitung in erster Reihe der Immediatlommission ob- gelegen hat, und welche Shwiertgk-iten vielfah der Bewältigung der ohnehin spröden Materie si entgezengestellt haben. Jh hofe, daß Sie, meine Herren, im Gegensaß zu manchen früberen Klagen, über ein allzu langsames T-mpo, das seitens der Immcdiatklommission eingeschlagen sei, heute threr fleißigen und eifrigen Arbeit Anerkennung zollen werden, und daß Sie mit Wohlwollen an die Beratung dieses in feiner praktischen Tragweite bedeutsainen und ganz überwiegend auf den wohldurchdachten Vorschlägen der Jmmediatkommission be- ruhenden Geseßentwurfs herantreten werden. (Bravo!)

Ver Dr. Wilms: Der Minister. hat uns in großen Zügen in die Neformideen eingeführt, bie für eine Berwaltungs- reform iu Frage kommen, und damit geschlossen, doß die Inmedtat- fommiision ihre Vorshläge auf dem bisherigen. Organismus des Behöôrdenaufbaues gemacht hat. Soweit i informiert bin, hat man der Fomutission eine viel zu enge Nichtshnur gegeben, fie Fat sih über diese große Frage nicht au: sprechen dürfen. Das ist z1 be- dauern. Ueber die Ardeit:n der Kommissioa find mir so absprechen de Urteile nit bekannt geworten, wie sie der Minister erwähnte. Die Fmmtision hat tatsächlich sehr lange mit ihrer Arbeit zugebracht. In vielen Punkten wird eine Erleichterung des Inflanzenzuges feeten, aber zahlreihz dringende Wünsche sind leider unerfüllt gc- lieben.“ Namentlich hätte die eine Frage eingehender behantelt werden müssen, ob die bisherigen Instanzen sämtlih beizubehalten waren, ob nicht di2 Möglichk. it der Ausschaltung einer Instanz, Landrat, Regierungspräsident, Oberpräsident, gegeben ft. Bot den Beratunrgen in den 70er Jahren haben h Männer wie Miquel, Lasker, Gneist für die Beseitigung der Jastanz des Negierunçs- präsiodenten ausgesproden, und die Megierung war tem selbst nir abgenetgt. Die Begründung der Vorlaze gleitet über diese Frage rah hinneg, sie beshränkt \ich auf die Be- merfung, daß dexr Oberprssident cine Fühlung mit der Be-

völkerung seines Amtski1cises nit mehr haben würde. Das trift in ‘unferem heutigen italter wit seiner Verkehrs- entwicklung, mit seinem telegraphischen und Teleyhonverkehr lange nit mebr fo zu als auf die Zeit vor 40 Jahren. In den 80er Jahren ift tenn die Frage der Beseitiaung der Oberpräfidialinstanz erörtert worden, ohne daß man zu einer Entscheidung gekommen wäre. Wenigstens follte man Jeßt auf die Schaffung einer selbständigen Steuerbehörde Bedckcht nehmen. In der Negierung?instanz soll jegt das bureaumäßige Sÿflem ‘zur Durchführung kommen. Bisher wurden die Schulsachen stets kollegialish erledigt; durch das neue Sysiem wicd der Schultechniker zurückgedrängt. Das ist im Interesse der Verwaltung vielleicht diskutierbar, im Interesse der Schule ist es zu bedauern. Und wenn das bezüglich der Volksschule nunmebr Nehtens werden soll, warum will man dann die Kollegialverfassung beim Provinzialschulkollegium für die höheren Schulen beibehalten? Man follte vielmehr eine gemeinsame Schulbehörde schaffen hon um die beiden Klassen von Schulen, die höhere und die Volksschule, in einen näheren Konner zu bringen. Von besonderen Nechten des Schulmannes war nur noch übrig geblieben die Zuziehung beim Kreis- und Bezirks8aus\huß ; leider hat unsere Kommission auch diese Zuztehung noch gestrihen. Alles in allem glaube ih trog aller An- erkennung des Entwurfs ihn nur als Abschlaaszahlung für die lünftige zwetmäßige Ce-taltung der Landesverwaltunz akz ytieren zu können,

Herr von Batockti: Große und umfassende Umänderungs- vors{läge haben nur diejenigen erwartet, die unsere Verwaltung für von Grund aus reformkbedürftig halten. Ob der Vorwurf, daß sie völlig veraltet sei, begründet ist, möhte ih doh fehr tn Zweifel ziehen, Kritik ist ja leiht geübt. Ih bin der Auffissung, daß die preußishe Verwaltung immer noch den Vergleih mit jeder Ver- waltung des Auslandes und der deutshen Bundesstaaten aufnehmen fann. Man hat die Verwaltung mit kaufmännishem Geist durch- drungen sehen wollen. Verwaltungsaufgaben sind anderer Natur als kfaufmännishe Aufgaben, anderseits sind im internen Dienstbetrieb schon eine Neihe von Verbesserungen in dicsem Sinne auf Anregung der Immediailommission im Verordnungswege eingeführt werden. Durch Verwendung moderner Verkehr8mittel wie der Automobile können, wie ih aus meiner eigenen Praxis bestätigen kann, für die Verwaltung ganz erheblihe Ersparnisse erzielt werden. Ge- seplich hat der Negierungspräsident cine sehr geringe Fühslung mit Land und Leuten im Gegensaß zum Oberpräsidenten. Das ist ein bedauerliher Mißssand, namentli angesichts ter zu- lünftigen Entwiflung. die den Kreis der ter Selbsiverwaltung zu- gewiesenen Aufgaben sicherlih erweitern wind. Es ist tatsächlich in den 70 er Jahren ein Fehler gemacht worden, entweder bätten die Provinzen verklelnert cder die Negterungsbezirke zusammengefaßt werden müssen, um tine größere Homogenität herbeizuführen. Aber der heuline Zeitpunkt ist nicht dazu geeignet, daß man das seit den 70er Jahren durchaeführte yrovinziale Selbslverwaltungssystem wieder exschüttert: ih halte es für sehr rihtig, daß der Entwu!tf bon ciner fo einschneidenden Maßnahme absießtt. Dann wäre es aber arch verfehlt, dem Regierungspräsidenten die Steuerverwal. tung, wie fie der Vorredner andeutete, zu entzieben. Gbenso sind die Schulverhältnisse zu beurteilen: das Bolksshulwesen darf nicht getrennt werden von der die Kommunalverwaltung be- aufsichtigenden Jostanz, dem Negierungspräsfidentcn. Bei den höheren Schulen liegt die Sache anders. Ich würde also in beiden INlchtungen die Anregun, en des Vorredners für sehr bedenklih talten. Etne ab- solute Bedeutung mcssen wir selbslverständlih den neuen Vorschlägen nicht bei; cs fommt nit sowohl auf die Vorschriften als auf die Menschen an. Es werden si hoffentlih immer Männer finden, die den Aufgaben, welche die Verwaltung an sie itellt, gewachsen sind.

Herr Dr. Kösrte - Königsberg: Es is doch nicht aus- ges{lossen, daß sh noch ein anderer Weg finden kann, um zu dem Ziele der Vereinfahung der Landeëvezrwaltüng zu gelangen. Wir haben einen Antrag eingebra{t, der diese Möglichkeit beweisen soll, und wi bitten, den Entwurf wit diesem Antrage an die Kommission zurückzuveiweisen. Wir holten die Einführung einer Nevisions\summengrene bei Abgaben- fachen für etwas Uunatürliches ; es würde dann eine aroße Fülle von Abgabensachen niht m-hr revisionsfähig sein. Hinzu kommt, taß jede Heraufseßzurg dieser (Grenze die Tendenz zu weiterer Heraufsetzung in sich trägt, sodaß nit abzusehen ist, ob nit cine weitere Beschränkung dieses Nechtsinteresses ch über kurz oder lang notwendig machen wird. Der Entwurf und der Kommissionsbes{chluß sehen vor, daß der Ver- treter des öffentlihen Interesses in den Abgabenstreitiateiten vom Negierung8präsfidenten aus der Zahl der ihm zur Verfügung stehenden Beamten ernannt werden soll. Das Abgabenwesen hat eine außerordent- liche Vielgestaltigkeit angenommen: wer nicht ständig damit zu tun hat, wird nicht genügend orientiert sein; aber selbst wenn dieser Vertreter dazu in der Lage wäre, fo bringt doch diese Maßnahme eine neue Instanz in das Verwaltungsstreitverfahren. Unser Vorschlag, der dem gegenüber auch eine wirkliche Enllastung des Oberverwaltungs- gerichts herbciführen würde, gebt dahin, neben den Kammern für Ab- gabensahen bei der Bezicksinstanz einen Senat für Abgabensachen am Siye der Oberpräsidialinstanz zu errichten. Es würde dadurch der grope Vorteil erzielt werden, daß durchweg Instanzen mit voller rickterliher Unabhängigkeit vorhanden sind und eine wirkliche Rechts- einheit gegeben wird. Als e:ste Instanz könnten die Bezirks8aus\hüsse ¡jeßt beslehen bleiben ; die Kammer für Abgabensfachen verdienen aber den Vorzug. Wir bitten, da sich vielleicht noch andere Wege finden lassen werden, die Vorlag? mit unseren Anträgen an die Kommission zurückzuwweifen, deren Bertcht uns erst vor wenigen Tagen zugekommen ist, zumal au die Vorlage felbst eine so aroße Eile nit hat.

Herr Dr. Sch{ olz - Charlottenburg: Ebenso wichtig wie die CGatlastung - des Oberverwaltungsgerichts ist die Sorge darum, daß der RNechts\chußz der einzelnen und der Gemeinden nit verkümmert wird. Der Entwurf sieht eine Nevisionssumme und den Vertreter des öffent- lichen Interesses, eine Persönlichkeit mit etwas zweifelbaften Umrissen, bei den Abgabersahen vor. Auch mir erscheint die Erseßung tieser Vorschläge auf dem Wege, den der Vorredner empfollen hat, als der einzig praktische Ausweg. So sehr wir anerkennen müssen, daß die Vorlage viel wesentliche Verbesserungen bringt, so wenig er- cheint sie uns als eine endgültige Frledigung der Verwaltungsreform ; follte sie do dafür gelten wollen, so ginge es gar nit ab obne das Zitat : Parturiunt montes . ….

Herr Dr. Ochler- Düsseldorf spriht ih ebenfalls für die Zurückweisung an die Kommission aus. Der Bericht ci erst seit turzer Zeit in den Händen der Mitglieder, man babe bis jeßt nur erkennen können, daß der Entwurf nebst den Kommissions- vo:schlägen doh nit so harmlos sei. Der Schuß der kommunalen Interessen fei nit genügend gewahrt, auch sri-n verschiedene Lücken in dem geltenden Verwaltunaétstreitverfabren nit auêgefúllt.

Graf von Bebhr-Behrenhoff: Ih halte dafür, daß die Fragen sämtlich geklärt sind, daß wir auch über die Frage, ob etn Senat für-Steuersahen konstrutert werden soll, heute im Plenum abstimmen können. Jch halte den vorges{lagenen Senat für Steuersach. n beim Oberpräsidium nicht für ¿weckmäßig. Es soll ja doch auch, wie uns zugesagt worden ist, der Vertreter des öffentlichen Interesses ange- wiesen werden, alc S teuerfragen dur Revisionsanfechtung vor das Oberverwaltungêgericht zu bringen, über welche das Oberverwaltungs- geriht noch nit entshieten hat. Wenn in die Senate auch Richter hincinkommen follen, so ist tas ein erster, wenn auch kleincr Schritt auf dem Wege, die Steuerfragen dem Verwaltungsstreitverfaßren zu entziehen und fie vor die ocdentlihen Gerichte zu bringen. Bei § 7 läßt ih bequem die Entscheidung darüber treffen, ob man die Steuersenate haben will oder nicht.

Herr Dr. Loenitng- Halle: Eine Verwaltungsorganisation wird ge*ckaff.n nit um ibrer felbst willen, sondern um die Staats- venwaitung zu fichern und die Nechtögleichheit und Nechtssicherheit der Staaltangehörigen zu wahren. Die preußische Verwaltungs- organftfalion zetgt eine drei- oder vierfahe Abt ufung der Verwaltungs- b. hörden, wte fie nur noch in Nußland und Oesterreich bestebt. Nach der Bero:dnuur.g von 1808 war dié Basis der Staatsvixwaltung die Bezirksregicrung. Oberpräsitenten wurden zwar ernannt, eine Instanz zwischen dem Vtegterungspräfidenten und dem Minister sollte nicht

existieren. Auch -1815 noch dachte mm nicht daran, taß der ODberpräsident eine Verwaltungéinstanz sein follte, sondern man hielt die Oberpräsideaten der Provinzftalstände wegen für nötig, wie fie au „gleichzeilig_ die NRegierungspräsidenten an ihrem Sie sein sollten. Inzwischen _hat nun dag Oberpräfidium geschichtlich einen ganz ayderen Inhalt erhalten, Heute lassen sih die Provinzialverbänte niht mehr auflöfen und die Dbeipräsidenten niht mehr beseitigen; wir müssen uns mit ter Tat- sache abfinden, daß wir groß+ Kommunalverbande baben mit weit au? gedehnten Verwaltungen. Haben wir sie, dann ift auch für sje ein bober Staatsbeamter notwendig, der die Verbindung ¿wischen der Regierung und der Provinzial- und Kommunalverwaltang her, stellt. Da wir also mit diesem Amte rechnen müssen, so darf g 1ch seine Zuständigkeit nicht beschränkt werden; es muß nit ploß das Verwaltungsgeriht , es müßen -auch die Ministerien , die Zentralinstanz entlastet werden. So wenig wie die Ober- prâfidenten, können wir au die Regierungépräsfidenten ent- behren. In den 70 er Jahren wurde prophezeit, das 19. Jahr. hundert werde nicht zu Ende gehen, obne entweder den Dberpräsidenten oder den Negierungöpräsidenten zu beseitigen; di-se Propbezeiung ist zu handen geworden. Die Rheinprovinz hat h'ute 73 Millionen Einwohner, das Königretch Bayern hat nur 6 wtillionen, ist aber in Negterungsbezirke geteilt; \chon dieser Vergleich ergibt, daß die Aufhebung der Negierungsöbezirke durchaus undurchführbar ist. Eine andere Frage ifi, ob nit eine Anzahl tleiner MNegierungs8bezirke zu einem größeren vereinigt werden fönnte. Für etnen Regierungsbezirk von 1 Million Einwohner müössea wir einen Staatsbeamten haben. Was die Koll-gtalabteilung für direfte Steuern, Domänen und Forsten, sowie für Kirhen und Schulen betrifft, so habe id gegen die Aufhebung der ersteren gar feine Bedenken, große Bedenken aber gegen die Aufhebung der tollegialen Abteilung für Kirchen und Schulsachen. Die Verwaltung hat früber, 1875 selbst die Aufhebung dieser Abteilung für unmögli erklärt. Die Trennung der Verwaltung der böberen und der ntederen Sulen ist ein großer Mißstand, wie die egierung ebenfalls {on 1875 zu- gegeben hat, eine Vereinigung sollte angestrebt werden, aber dazu ist die Provinz zu groß, es müßten Vezuksschulkollegien gebildet werden, Daß unsere höheren Schulen darin eine capitis diminutio erbliden würden, kann ih nit glauben. Auch für unsere Universitäten würde diese Vereinigung von der, größten Wihtlgkeit sein. Auch das Unter- richi8ministerium hat gegen die Aufhebung der Kollegialverfassung der Kirchen- und Schulabteilung shwere Bedenken gehabt. Das Verwaltungs- streitverfahren zu vereinfahen und das Oberyerwaltungsgericht mög- lichst zu entlasten, ist ein schr anzuerkennendes Streben ; aber einem viel höheren Zwecke dient nur die Nechtssicherung. Zh fürchte, daß die Vorschläge zur Bereinfachung und Entlastung diefen Gesichtspunkt nicht genügend beachten. Ich empfehle deshalb au die A:mahme des Antrages Ackermann, der bon Herrn Körte \d}on befürwortet worden ist ; die Erklärungen des Ministers in der Kommission drängen einen Teil unserer Bedenken zurück, bes seitigen fie aber nicht. Der Vergleich mit dem Neichêgericht ist nicht stichhalttg : beim Neichsgericht und bei der Revisionssumme von 4000 Mark handelt es sih um Zivilprozesse, im Verwaltungsstreitverfahren um öffentlidh-rechtliche ¿Sragen. Mit der Nevisionssumme könnte id) mich nur bet einmaligen Abgaben, nit aber bei den regelmäßig wiederkehrenden direkten Abgaben einverstanden erklären. Ich bitte daher auch meinerseits, den Antrag mit dem Gesetz in die Kommission zurückzuweisen. Vor der Einrichtung von Provinztalverwaltungs- gerihten oder Provinzialsenaten möchte ih, obwohl ih den Antrag Uckermann als Ganzes. mit unterschrieben habe, meinerseits warnen, weil eine folhe Fülle von Behörden \chließlich zu einer unlösbaren Verwirrung führen müßte ; die 1875 geschaffenen Vezirksverwaltungs. gerihte und Bezirksräte mußten ja au {hon nah turzer Wirksam- keit wieder vershwinden ; das Gesetz von 1883 zog fie in Bezirk aus\hüsse zusammen, die gleichzeitig Beschlußbehörde und Ge richt find. _ Minister des Junern Dr. von Dallwi ß: Meine Herren! Herr Professor Dr. Loenin hat zwar dem hier | g

vorliegenden Antrage über die Einführung neuer Senate wider- sprochen, hat aber anderseits dem Antrage zugestimmt, die Vorlage an die Kommission zurückzuverweisen, weil er nah wie vor Bedenkkn gegen die Einführung einer Nevisionssumme hegt, ferner, weil er über die Vereinigung des höheren und niederen Schulwesens Vor- schläge zu machen hat, und drittens, weil er die Be eitigung der follegialen Verfassung bei den Abteilungen für Kirhen- und Schul- wesen für bedenklih hält. Das find die drei Punkte, die im wesent- lichen seine Bedenken bilden und deretwegen er die Purüdckverweisung der ganzen Novelle in die Kommission beantragt. (Zuruf J Loening: Nicht au den zweiten!) Also nur den ersten und dritten.

Nun sind sowohl über die Revisionssumme als auch über die Beseitigung der kollegialen Verfassung der Abteilungen für Kirchen: und Schulwesen alle Gründe in der Kommission, die für und wider sprechen, ausgiebig erörtert worden. Jch glaube, es ist kein Mitglicd der Kommission zweifelhaft darüber gewesen, wie er sich na diesen eingehenden Erörterungen zu entscheiden hatte. Einzelne Herren sind dabei stehen geblieben, daß eine (Frhöhung der Nevisionésumme nich! ratsam sei, und daß die kollegiale Verfassung der Abteilungen für Kirchen- und Schulwesen nicht eintreten solle. Sie sind aber. über- stimmt worden, und auch eine Zurückverweisung der Vorlage in die Kommission würde kein anderes Nesultat zeitigen, weil alle Gründe schon auf das eingehendste erörtert worden find.

Sowêit es fich um die cinzelnen Gründe handelt, glaube ih dazu bet der Beratung der betreffenden Paragraphen Stellung nehmen zu sollen, jeßt, bei der Generaldisfussion glaube ih auch nicht nochmals darauf cingehen zu sollen, warum die Erhöhung der Nevisionssummec in der vorgeschlagenen Weise zweckmäßig ist, und die Aufhebung der tollegialen Verfassung, au für die Kirchen- und Schulabteilung, sich als notwendig erweist. Anführen will ih nur, daß die Denkschrift aus den 70er Jahren, auf welche Herr Professor Dr. Loening sich berufen hat und in der die Königliche Staatsregierung es nicht als angebracht bezeichnet hat, daß die Kollegialverfassung aufgehoben würde, unter ganz anderen Vorausseßungen niedergeschrieben is, Es waren damals nämli noch von den Abteilungen für Kirchen- und Schulwesen eine Menge Verwaltungsstreitigkeilen zu entscheiden, die inzwischen den Verwaltungsbehörden abgenommen und auf. die Verwaltungsgerichte übergegangen sind. Die Ausführungen, die damals in der Dentkschrift gemacht wurden, treffen auf die heutigen veränderten Verhältnisse nicht mehr zu.

Die Grüñde, welche gegen cine Vereinigung des höheren und des niederen Schulwesens, besonders gegen cine gemeinsame Aussicht über die höheren und die niederen Schulen bei der Negierungsinstanz sprechen, sind vom Kultusressort geltend gemacht worden. Es wird darauf hingewiesen, daß es technisch nicht angängig sei, für eine fo ge- ringe Anzahl von höheren Schulen, wie fie innerhalb der Megierungs- bezirke vorhandei sind, eine Aufsichtsinstanz einzuführen. Das wird aber wohl au noch demnächst bei der Beratung der Aufhebung der tollegialen Verfassung der Abteilung für Kirchene und Sgulwesen näber erörtert werden Fönnen,

_…… (Fortseßung in der Zweiten Beilage.)

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zum Deutschen Reichsanzeiger und K

M 44.

(Fortsehung aus der Ersten Beilage.)

Im übrigen kann ih nur dem Antrage des Herrn Grafen von Behr zustimmen, zunächst einmal bei & 7 abzuwarten, ob die Mehrheit des Hauses für den Antrag auf Einführung besonderer Senate stimmen wird, oder ob dieser Antrag abgelehnt werden wird. Wird er abge- lehnt, dann erübrigt ih wohl unter allen Umständen die Zurückver- weisung der Novelle an eine Kommission; wird er angenommen, dann muß natürli die Novelle an die Kommission zurü, damit, wie ih annehme, dort die Undurchführbarkeit und Unmöglichkeit dieses An- trages näher bewiesen werden kann.

Ich möchte gegen den Antrag auf Grrichtung neuer Senate für Abgabensachen in jeder Provinz zunächst geltend machen, daß irgendein Bedürfnis für die Einrichtung einer solchen neuen Behörde mir nicht zu bestehen cheint. Nach der Regierungsvorlage soll jeßt in zweiter Instanz in allen Fällen über die in erster Instanz vom Kreisaus\{uß oder von der Kammer für Abgabesachen getroffenen Entscheidungen der Bezirksaus\chuß zu entscheiden haben, eventuell als Nevisionsgericht das Oberverwaltungsgeriht. Der vorliegende Antrag will dagegen den Vezirksaus\chuß, eine seit 30 Jahren erprobte und bewährte Ver« waltungs- und Gerichtsinstanz, für alle diese Sachen aus\chalten. Ohne daß irgendwie nahgewiesen wäre, daß die Entscheidungen der Bezirks- ausschüsse ungenügend wären, daß sie si nicht bewährt hätten, foll eine neue Behörde an deren Stelle treten, die sih mit weiter nichts zu befassen haben würde als mit der zweitinstanzlihen Entscheidung über Abgabensachhen. Jch möchte in der Tat annehmen, daß das eine höchst tomplizierte, kostspielige und überflüssige Einrichtung sein würde. Die Idee, daß der Bezirksaus\chuß entlastet werden müßte, ist ja an si gerechtfertigt. Aber auch bei der Konstruktion, die die Novelle vor- schlägt, findet eine recht weitgehende Gntlastung statt, unter anderem dadurch, daß die Entscheidung über städtische Abgaben in erster Instanz den Bezirksaus\chüssen entzogen und den Kammern für Abgabensachen übertragen wird. Nun wird ja in vielen Fällen Berufung eingelFt werden, die an die Bezirksaus\chüsse gehen würde. Aber jedenfalls ift es do nur ein Bruchteil der Fälle, die im Verwaltungs\treitverfahren aur Entscheidung gelangen, gegen den Brufung eingelegt wird. Jeden- falls also werden die Vezirksausshüsse auch nach der Konstruktion der Novelle insoweit entlastet, als ein großer Bruchteil der in erster Jn- stanz von den Abgabenkammern entschiedenen Sachen nit an die zweite Instanz gelangen wird. Ein Bedürfnis der Gntlastung des Bezirk's- ausschusses über das von der Novelle gebotene Maß hinaus liegt nicht vor, und ein Bedürfnis, eine bessere Behörde an Stelle des Bezirk'3- ausschusses durh die Schaffung von Senaten bei den Oberpräsidien einzurichten, liegt eben so wenig vor.

Nun möchte ih doch au noch die Beseßung, dic die Senate nah dem vorliegenden Antrage erhalten sollen, zur Sprache bringen. Es müssen von den 5 Mitgliedern, die jedesmal entscheiden sollen, 3 zum Richteramt befähigt sein und entweder im Hauptamt zu Mitgliedern bestellt sein oder einem Oberlandesgeriht in richterlicher Stellung oder einem Landesgericht als Präsidenten oder Direktor angehören. F glaube nun, die Oberlandesgerichtsräte sind nicht in besonders hohem Maße berufen, um gerade über Abgabensachen zu entscheiden. In feinem Oberlandesgeriht werden Sachen in irgendwie nennenswerter Unzahl zur Entscheidung gelangen, die das Nechisgebiet des Kommu- nalabgabenwesens berühren. Zur Herausarbeitung der Nechtsgrund- jaße über die Steuerautonomie der Gemeinden bedarf es geschulter Verwaltungsjuristen, niht aber der Mitglieder von Zivilgerichtshöfen, die im übrigen mit solhen Dingen in keiner Weise befaßt sein werden. Ulso auch die vorgeschlagene Zusammenseßung dieser Behörde scheint mir ihre Einrichtung recht wenig zweckmäßig zu machen. Es würde mithin eine komplizierte, kostspielige und ih glaube au ziemlich wert- lose Neuerung geschaffen werden, wenn der Vorschlag, der in dem An- irage gemacht wird, die Zustimmung dieses hohen Hauses finden sollte.

Gin weiteres Bedenken ist, daß mit diesem Antrage in unsert Rechtspflege ein neues Prinzip eingeführt werden soll, nämli das Prinzip, daß das in zweiter Instanz angerufene Gericht entweder clbst entscheiden oder erklären soll: ih halte die Sache für so bedeu- tungsvoll, daß sie als Nevisionssae an das Oberverwaltungsgericht gelangen muß. Das ist eine Einrichtung, wie sie in England besteht, wie sie aber, glaube i, in unserem Verwaltungsstreitverfahren nicht angebracht ist. Wenn ih auch alles mögliche Gute an englischen Ein- rihtungen anerkennen will, so meine ih doch, man sollte niht unbe- sehen Dinge von dort berübernehmen, welbe mit unserer Praxis in Widerspruch stehen. Wir haben in allen Fällen der Zivilgerichtsbar= keit, wir haben bei Gewerbegerichten und Kaufmannsgerichten die Be- grenzung der Nechtsmittel nah der Höbe des Streitgegenstandes. Die Grenzsumme gilt stellenweise sogar shon für die Beschreitung der weiten Instanz. Das Gewerbegeriht entscheidet bei Objekten bis zu 100 A endgültig, das Kaufmannsgeriht bei Objekten bis zu 300 4. Aber die Einrichtung, daß cines der Gerichte eine Sache, die es für wichtiger hält, seinerseits an eine höhere Jnstanz abgibt, haben wir bisher weder bei den Zivilgerichten, noch bei den Gewerbe- gerihten noch bei den Kaufmannsgerichten. Der Gedanke ist noch neu, und es fehlt am Nachweis, daß er in unsere Einrichtungen hinein- paßt. :

Daun ift gesagt worden: Auch deshalb müsse na einer anderen Negelung gesuht werden, weil die Bedenken, welche vor zwei Jahren im Abgeordnetenhause gegen die Einführung einer Revisionsfumme geltend gemacht worden seien, in der Novelle nit ausgeraumt wären, weil mithin zu befürchten stehe, daß das Abgeordnetenhaus den jeßigen Vorschlägen ebensowenig zustimmen werde, wie das vor zwei Jahren der Fall gewesen ist. Jh möchte doch dem widersprehen. Gerade di Bedenken, die vor zwei Jahren im Abgeordnetenhause geltend gemat worden sind, sind sämtli in der Novelle berüdcksihtigt und ausge- räumt worden, Sie bestanden darin, daß bei städtishen Abgaben nur wei Instanzen zu entscheiden hatten, und daß bei CGinführung ciner Nevisionssumme die zwei Instanzen auf eine Junstanz | zusammen- {chrumpfen würden. Durch die Einrichtung der Kammern für Abgaben-

Zweite Beilage

Berlin, Treitag, den 20. Februar

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sachen ist gerade erreicht worden, daß in allen Fällen zwei Instanzen zu entscheiden haben werden.

Sodann war damals im Abgeordnetenhause moniert worden, daß bei Einführung der Revisionssumme einzelne Steuerarten überhaupt niht zur Kognition des Oberverwaltungsgerihtes kommen würden, so Lustbarkeitssteuern usw., Steuern, bei denen es sich in der Regel um geringe Objekte handelt. Auch dieses Bedenken ist durch das In- stitut des Offizialvertreters ausgeshaltet worden, der, wie ich in der Kommission erklärt habe, dahin angewiesen werden wird, daß er in allen grundsäßlihen Fällen Revision einlegen muß: in allen den Fällen, die nit bereits dur Entscheidungen des Oberverwaltungs- gerihts endgültig geksärt worden sind.

Weiter ist damals im Abgeordnetenhause gesagt worden, es sei unbillig eine Revisionssumme in der Höhe, wie sie damals vorges{la- gen worden war, einzuführen, weil bei periodischen Abgaben das Streitobjekt im einzelnen Streitverfahren sehr viel niedriger zu sein pflege, als der Gesamtwert der Leistungen, um die es sich handelt. Auch diesem Bedenken ift dadurh Nechnung getragen worden, daß wir für periodische Abgaben eine sehr viel geringere Revistionsfumme ein- gestellt haben als für einmalige Abgaben.

Nun hat der Herr Oberbürgermeister Scholz noch geltend ge- macht, daß die zweiwöchige Frist nicht daz1 ausreichen werde, um den Städten die Möglichkeit zu geben, den Öffizialvertreter zu instruieren. Das ist aber auch gar nit notwendig. Die binnen zwei Wochen ein- zulegende Nevision bedarf keiner Begründung; die Begründung kann jederzeit nachgeholt werden, fo daß auch nach dieser Nichtung hin irgendwelhe Gefahren für die Städte nicht entstehen werden.

Dann hat der Herr Oberbürgermeister Scholz sich auc daran ge- stoßen, daß unter Umständen gar nicht werde festgestellt werden können, welche Summe streitig sei, und ob sie die Nevisionsgrenze überschritte, weil nach der Bestimmung der Novelle, daß es eines bestimmten An- trages nicht bedürfe, der Fall eintreten könne, daß man nit wisse, in welher Höhe die Abgabenforderung bestritten werde. A Der streitige Geldbetrag wird doch durch das erstinstanzlihe Urteil fest- gestellt; wenn ein Streit über die Höhe von Abgaben in erster Instanz ¿ux Kognition eines Verwaltungsrichters kommt, so ergibt sich, auch wenn der Antrag nicht genügend präzis gefaßt sein sollte, doch jeden- falls aus dem Urteil, um welchen Betrag es si handelt.

Alle diese Bedenken, die gegen die hier vorgeschlagene Negelung und zugunsten der Einführung besonderer Senate bei den Ober- präsidien geltend gemacht worden sind, scheinen mir mithin nit durhschlagend zu sein, und jedenfalls nicht die Einrichtung einer neuen kostspieligen und in ihrer Zusammenseßung nicht rect zweckmäßig gedachten Behörde zu rechtfertigen. (Bravo!)

Herr Matting - Breslau: Allerdings ist der Bezirksaus\{uß von der ersten zur zweiten Instanz gemacht worden, aber er bleibt jegt in der Mehrzahl der Fâlle überbaupt die lebte Instanz, und es bleibt auh der Bezirksaus|chuß in der alten Kon\itruftion wie früber, und unter ihm und neben ihm besteht die Kammer der Abgaben- sachen, Es . ist zweifelhaft, ob wirklich in dieser Konstruftion dem Bezirkëaus\huß und seiner Entscheidung ‘eine solche Bedeutung beigelegt werden muß, daß man sagen kann : „leßt darf ich die Ent- scheidung des Bezirksausschusses zu einer endgültigen machen und jede Nevision durch das Oberverwaltungsgericht hintanhalten. Bei pberiodishen Leistungen sollen die Bedenken beseitigt sein, aber die Nevisionsfumme ist noch viel zu hoh, eine große Zahl der Sachen wird nicht an das Oberverwaltungsgeriht gebracht werden können. Die Bedenken sollen nun durch den Vertreter des öffentlichen Interesses beseitigt cin, es sollen diesen Beamten be- stimmte Instruktionen gegeben werden, wonach er alle grurid säßlihen Fragen vor das Dberverwalturgsgeriht bringen sol. Wenn diese Instruktion zwingend sein foll, wäre es zweckmäßig, fie in das Gesey hineinzuschreiben. Aber man wird. Bedenken tragen, sie in das Gese hineinzuschreiben, weil die Ausführung eines soldien Auftrags die allergrößten Schwierigkeiten bietet. Der Vertreter des - öffentlichen Interesses

wird in die allerpeinlihsle Situation gebracht, er foll, und zwar

allein, entscheiden, ob ein folhes grundsäßlihes Interesse vorliegt, daß eine Enticheidung des Oberverwaltungsgerichts herbeigeführt werden muß. Es handelt sih um zahlreiche Fälle auf Grund ganz ver scieden- artiger Steuerordnungen, die alle nach der einen oder anderen Nichtung anders gestaltet sind. Es ist nit richtig, daß, wenn das ODbe1verwaltungs- geziht eine Entscheidung gefällt hat, ohne weiteres bei einer ganz anders geartete# Steuerordnung der Einwand zulässig sein foll, das Oberverwaltungsgeriht habe {hon entschieden, es bleibe also bei der Entschetdung des Bezirksausschusses. ‘Der Umfang der Ent- scheidungen wird fo zahlreih sein, daß der Vertreter des öffentlichen Interesses in der kurzen Zeit gar niht entscheiden kann, ob schon eine Entscheidung durch das Dberverwaltungsgeriht stattgefunden hat; er wird zunächst, um seine Aufgabe zu ertüllen, überall Revision ein- legen und dann eventuell die Revision zurückziehen. Es ist uns geraten, erst die Abstimmung über unseren Antrag zu § 7 abzuwarten. Wir haben diesen Antrag aber lediglich als Unterlage zu unserem Prinzipalantrag, die ganze Sache nohmals an die Kommission zu verweisen, eingebracht. Wir wollten nur nit einen Antrag stellen, der vellständig un- substantiiert ist, sondern unsere fundamentalsten Bedenken formulieren, um zu zeigen, daß wir den Antrag durchdacht haben, ohne damit zum Ausdruck bringen zu wollen, daß dies die einzig mögliche Lösung ist. Wir beantragen ja Ueberweisung an die Kommi}sion, damit etwas Besseres daraus gemacht werden kann. Wenn ich insofern den Antrag pretsg- be, als ih ihn nit für unabänderlih halte, so mödte ih dech esnige Bedenken des Ministers gegea den Antrag zerstreuen. Der Minister meint, es sei aanz unmögli, daß ter Senat für Abgaben- sahen die Entscheidung dem Oberverwaltungsgericht überlasse, wo es sih um einen grundsäßlichen Fall handelt, der vom Dberverwaltungs- gericht noch nit entshicden worden is. Eine ganz ähn- lihe Bestimmung haben wir aber in der Metichéversicherung8ordnung. Es könnte sich nicht um eine sehr kostspielige Einrichtung handeln, denn ‘der Senat könnte das Obervekaltungsgeriht in hohem Maße entlasten. Das Oberverwaltunasgeriht wie von allen Abgaben- sachen entlasiet werden bis auf die wenigen Eile, die der Senat für Abgabensachen ihm überweisen würde. Die Unkosten des Senats würden also durch diese Entlastung immerhin reihlih gedeckt sein. Dieser Senat würde dann auch an die Stelle von_37 Beztrks- aus\chüssen treten, und zwar nur in vierzehn - Senaten. Durch diefe Dezentralisation würde also ebenfalls eine Ersparnis erzielt werden. Wir bitten, die ganze Angelegenheit an die Kommission zurückzuverweisen, weil die Zelt, * Die wir der Prüfurg des Gesetzentwurfs „, und des Kommissionsberihts haben zuwenden können, niht ausgereicht hat, um alle Bedenken -zu beseitigen. Wir müssen damit rechnen, daß auch das Abgeordnetenhaus den im Jahre 1911 eingenommenen Standpunkt nicht leichten Herzens auf-

öniglih Preußischen Staatsanzeiger.

1914

geben würde. Es wäre daher zu wünschen, daß das Herrenhaus die Sache fo funditus erörtern würde, daß das Abgeordnetenhaus nicht mehr viel zu erörtern haben würde. i

. Herr Dr. Körte: Es ist eine Verkennung, wenn man meint, daß nur die großen Städte hier ein besonderes Interesse hätten. Wir verzichten ja ebenso auf die Mitwirkung des ODberverwaltungs- geridt®. Hter liegt wirklich eine Sache vor, bei der eine Differenz der Jateressen nicht vorlieat. Wir tun es nicht der Verwaltung wegen, londern um der großen Menge des Publikums willen. Es wird ja nihts daran geändert, die Steüerordnungen bestehen bleibzn müssen durch die Bezi-ksausschüsse. Dann könnea die Bezirks- ausschüsse nit in derselben Sache Nichter sein. Wir tönnten damit zufrieden sein, aber das rech1suchende Publikum ist dann s{hlechter daran. Der alte Instanzenzug ist ja dur) die Vorlage selbst son gestört, wenn die Kammer füc Abgabensachen geschaffen wi-d. Eine Dur(s:-zung mit richter- lichen Beamten î1t ebenso, wie es für den Senat beantragt wird, au im Oberverwaltungégeriht vorhanden. Vier foll gar nihts anders gemacht werden. Es soll durch die Art und Weise der Zusammensetzung des Senats für Abgabensachen eine aewisse Gewähr dafür gegeben werden, daß eine Instanz in.t richterlicher Qualififation ta ist. Es ist dann gesagt worden, die Fülle der Behörden bringe Verwirrung. Aber auch die neue Vorlage bringt ja cine neue Instanz. Wir glauben gerade durch unseren Vorschlag zweter nur mit Abgaben- jachen beschäftigten Instanzen eine gewisse Vereinfahung zn bringen. Der Gesichtspunkt der großen Kostspieligkeit ‘trifft niht zu bei der Konstruktion, wie sie gedacht ift, wobei rihter- [iche Tätigkeit nebenber gehen fann. Wir bitten um Anerkennung defsten, daß unsere Gesichtspunkte immerhin erlassenswert sind, und sie nicht ohne weiteres abzutun, fondern sie ta der Kommission nochmals zu erörtern.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt:

Ih will nur kurz ein Mißverständnis au!klären. Ich babe kcines- wegs gesagt und auch nicht sagen wollen, daß ein Bedürfnis nah Entlastung der Bezirksausshüsse nicht vorliege, sondern habe ledigli ausgeführt, daß {on durch die Novelle eine ret erhebliWe Entlastung eintreten würde, und daß darum das Bedürfnis später niht in dem Maße vorhanden sein wird, wie es- augenblicklih der Fall ift. Die Gntlastung wird nämli eintreten einerseits durch den Unterbau der Abgabekammern und zwettens dur den Fortfall der Streitsachen über Polizeiverfügungen beim Bezirksaus\chu8. Also nah zwei Rich= tungen wird die Novelle eine wesentliche Entlasiung der Bezirks- ausshüsse bringen.

Herr Dr. von Dziemb owsk i: Gegen die Grrichtung auf Senate für Abgabensachen habe ih doch erheblihe Bedenken. Ihre Zusammensetzung soll eine rein bureaukratische sein. Jh halte aber die Zuziehung von Laken für die Entscheidung von Abzabensachen. für durchaus wertvol. Jch bitic, den Senat für Abgabeusachen in diescs Geseg nit aufzunehmen.

Perr Dr. Ackermann: Ich bitte, den Antrag do wenigstens einer genaveren Beratung zu würdigen, zumal da, wie mir mitgeteilt worden ist, die Arbeiten in der Kommission zuleßt sehr eilig gewesen sind.

Um 61/4 Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung auf Freitag, 12 Uhr (außerdem Vereidigung neuer Mitglieder ; Geseß über die Zuständigkeit in Schulsachen ; Ausgrabungs- geseß; Tleinere Vorlagen).

Haus der Abgeordneten. 31. Sigung vom 19. Februar 1914, Vormittags 11 Ube, (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus sezt die zweite Beratung des Etats des Ministeriums des Jnnern, und zwar zunächst die Besprechung des Kapitels der Polizeiverwaltung in Berlin und Um- gebung und des hierzu gestellten A ntrags der Abgg. Frei- herr Schenk zu Schweins berg (tons.) und Genossen, be- treffend Bekämpfung der Unsittlichkeit, forl.

Abg. Dr. Liebkneccht (Soz): Die Befürworter des An- trages, der mit allen geseßlihen Mitteln die Bekämpfung der zu- nehmenden Unsittlichkeit hauptsächlich in den Großstädten verlangt, sind mit einer erstaunlichen Oberflächlichkeit verfahren. Die Zunahme der Prostitution is noch nicht notwendig ein Beweis dafür, daß die Sittlichkeit gesunken ist. Es handelt fh um eine durchaus soziale Frage, um eine soziale Krankheit, um eine Erscheinung, die heraus=- wächst aus der Not der Ernährungs-, WoHhnungs-, Erziehungs- und Arbeitsverhältnisse im allgemeinen, die die Familie zerstören. Alle Holizeimaßregeln gegen die Zuhälterei sind ein Schlag ins Wasser. Wir müssen uns dagegen wenden, daß man die großen Städte als besonders unsittlih bezeichnet. In den großen Stadten tritt die Unsittlihkeit nur in etwas gröberer, plumperer Weise zu Tage, und das ist das relativ Harmlose; in London und Paris kennt man ein Nachtleben wie in Berlin nit, und will man etwa deswegen diese beiden Städte als weniger unsittlich als Berlin bezeiGnen? In unserer Sittenpolizei hat sich geradezu eine ¿âulnis herausgebildet ; Zeuanis dafür haben der Prozeß Thiede und andere in geradezu krasser Weise abgelegt. Die Polizei beschäftigt in Berlin Zuhälter für sh als Spibel. Wie der jeßt in Beuthen verhandelte Prozeß ergibt, ist der Mädchenhandel, der Mädchensklavenhandel, der in Myslowiß getrieben wird, für den Myslowiß das Einfallstor nah Deutschland bildet, von dem dortigen Polizetvertreter protegiert worden. Der Bekämpfung des wirklichen „Schmutes in Wort und Bild“ ist dur die verkehrte Art und Weise, wie in Berlin Staatsanwaltschaft und Polizeipräsidium gegen E rodutionen echter Kunstwerke einge- \chritten sind, ein kaum wieder gut zu machender Schaden zugefügt worden. Und wie reimt sih mit dieser durch ihre Uebertreibung allein schon wirkungslos gemachten Art der Bekämpfung der Unsittlichkeit jene Kabinettsorder von 1855 zusammen, welche den Polizeiorganen gegenüber Offizieren, die in Begleitung von Dirnen getroffen werden, ganz besondere Vorsiht und Rücfsicht zur Pflibt mat? Aus dex Selbstreinigung des Volkes allein ist eine Besundung von den Aus» wüchsen zu erwarten. Das Verhalten der Polizei- und Verwaltungs- organe aber gegen die in diesem Sinne arbeitenden Arbeiterjugend= und Arbeiterturnvereine ist niht geeignet, einen solchen Neinigungs- rozeß zu fördern. Dem Professor Irrgang machte es das Berliner Polizeiaräsidium im vorigen Due unmöglich, in cinem Bachkonzert mitzuwirken, das von einer Ar eiterorganisation veranstaltet war. So vetstopft man der breiten Masse die Quellen, aus denen sie Be» geisterung für deutsche Kunst \{öpfen soll. Anderseits ist auch in dem großen Polizeikörper Berlin mit seinen über 10 000 Beamten keineswegs alles in Ordnung. Die Schußkeute tagen über s{lechte Behandlung, über harte Bestrafungen, über die Aufrechterhaltung ber Arreststrafen, über Rechtlosigkeit. Da ist es kein Wunder, daß si kein Ersaß finden will. Noch heute fehlt eine Unfallfürforge für die Schußleute; mit dem Gnadenfonds ist ihnen nicht gedient, Die Teils