1914 / 50 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

Auédruck zu geben. Jh babe au keine Aktivlegitimation in der Sache mehr. Wenn die säsishe Regierung autoritativ verkündet batte, daß wir uns über Preußen nicht zu beklagen haben, fo kann die preußi’he Verwaltung 11olz sein auf dieses Zugeständnis, und sie kann alle Klagen der Herren zurüdckweis:n. Jch kann aber dech niht zugeben, daß alle Um -:ehungen in allen Purkten und Beziehungen vollitändig innerlich bearündet und sfachlich g reht- fertigt seien. Jh will zugeben, daß die Linie, - die von Birlin nah München über Probst;ella führt, gewisse Vorzüge gegen- über der Linie über Leipzig—München hat. Ich will auh weitec zu- geben, daß die Linie Bréeslau—München über Sagan—Halle auch ihre Vorzüge hat gegenüber der Linie Breelqu München über Dresden. Es läßt sch ferner kein Grund dafür an- führen, daß die Verbindung von Berlin nah Wien über Oder- berg - der über Tetsch.n—Bodenbah vorgezogen wird. Hier ist doch eine Umgehung vorhanden, die ich nur vom preußischen Stand- punkt verstehe, aber vom sächsischen nit gut versteben kann. Wie ist da abzuhelfen? Reichéeisenbahnen wollen meine politishen Freunde nah wie vor nicht. Hier deen sich die Ansichten Preußens und Sachsensvollständig. Der Abg List hat die Möaglickkeit einer Finanzgemeinschaft erörtert. Preußen hat keine Veranlassung, sh in diese Gemeinschaft zu be- geben, - und desha!b ist ihm au eive Betriebsgemeinschaft oder eine zu staike Ausdehnung der Betriebsgemeinschaft etwas unheimlich. Aber das ist eine Frage der Zwecmäßigkeit Wogegen ih aber Stellung nehmen möchte, ist, daß wir, etwa als irgendwie erstrebens- wertes Ziel, NRetichseisenbahnen ernstlich ins Auge fassen. Das wird weder innerhalb noch außerhalb der pieußishen Grenzptähle ge- wünscht. Ich möchte aber dem Präsidenten des Neichseisenbahnants eine Bitte vortragen. Nach Artikel 42 der Verfassung sollen die deutschen Eisenbabnsireck.n als ein einheitlihes Neß verwaltet werden. Wenn ich nun, von München kommend, im Speistwagen siße und nah eingenommenem Essen das Bedürfnis habe, eine Zigarre zu rauhen und damit ein Gespäh zu fördern, so muß ih, fobald wir über die preußishe Grenze kommen, die Zigarre weglegen. Unmigekehrt ist es, wenn ich von Berlin nah München fahre. Das wider)priht do dem Artikel 42 das ist doch keine Ginheitlichkeit. Nun fürchte ich aber, in ein Welpennest zu greifen. Man könnte vielleidt gerade im Interesse der Einheitlichkeit das Nauchverbot auch auf Bayern ausdehnen. Preußen könnte nun seine Liebe für Süddeutschland, speziell für Bayern, dadur bekunden, daß es das Rauchverbot in den preußischen Spetsewagen aufhebt (Zuruf: Das werden Sie niemals erreih.n!). Wir haben {on manches erreicht, wovon wir uns nichts träumen ließen. Jedenfalls ist der Geruch auh der \{lechtesten Zigarre tmmer noch angenehmer als der Geruch von Seefischen, die eben verspeist worten sind. Ich möchte deshalb den Präsidenten des Neichseisenbahnamts bitten, sich mit dem preußischen Eisenbahnminister in Verbindung zu segen und darauf hinzuwi1 ken, daß auf Grund der Reichsverfassung eine ein- heitlihe Gestaltung nah dem Muster Bayerns herbeigeführt wird.

Abg. Or. Haas - Baden (Fortschr. Volksp.) beschwe:t sich über Benachteiligung Badens dur die Einführung von Wagen 111. Klasse in die Schn:llzüge auf den linksrheinishen Bahnen, während die Züge auf dem reten Rheinufer südlich von Frankfurt nur Wagen I. und IT. Klasse führen.

Präsident des Neichseisenbahnamts Wackerzap p: Diese Etn- richtung ist in voller Üeberetnstimmung mit der badishen Regierung eingeführt worden.

Hiermit wird die Diskussion geschlossen und das Gehalt des Präsidenten bewilligt, ebenso der gesamte Etat für das Neichseisenbahnamt.

Es folgt der Etat der Reichseisenbahnen. Bei den Ausgaben (Chef der Verwaltung der Neichseisenbahnen, ohne Gehalt) bemerkt der

Abg. F u ch s (Soz.): Die Reichs-risenbahnen könnte man eigent- lih als einen Bestandteil der preußischen bezeihn-n, einmal wegen der Pitrfonalunion der Chefs, dann wegen etner ganzen Rethe von Einrichtu- aen. Desha!b exfahren die Wünsche der Landesverwaltung dieselbe Behandlung wie die des Neichêtags. Es ist ein direkt un- würdiger und unhaltbarer Zusland, daß der deutsche Volfestamm, der hier die gesamten Einnabmen und Ueberschüsse bringt, in der Ver- waltung nichts zu sagen hat. Diese Ueberschüsse streiht der Neichs- schaßsekretär s{munz-lnd ein. Ganz unglaublih ist es, daß hier- durch eine weitere Fütterung des Militarismus stattfinden kann. Man sollte die Ueberschüsse dem Lande zukommen lassen und zum Ausbau des Verkehrs und Besserstellung der Angestellten verw nden. Alle Wünsche, z. B. nach dem Ausbau der Kleinbahnen, bleiben unberüsihtigt, weil entweder die Mittel nicht da sind odec die Sache nicht rentabel genug erscheint. Baulihe Veränderungen werden nur gemacht, wenn fie fih absolut niht mehr aufschieben lassen. So ist es’ mit dem Ausbau der Linie Straßburg—Basel, deren endliche Jnangriffnahme wir toßdem mit Freude begrüßen. Man follte aber hierbei den Ried nit vergessen, dessen Erschließzung dur eine Reihe von Stich- und Nebenbahnen erfolgen könnte. Dieses Projekt haben wir ja {on vor Jahren empfohlen. Bei Vergebung von Arbeiten sollte man heimische Firmen berüdcksihtigen. Gibt man aber die Arbetten-fort, dann sollte man wenigstens verlangen, daß dieselben tarifmäßigen Löhne wie in den Net{slanden gezahit weiden. So hätten fih die Tumulte in Mülhausen vermeiden lassen. Die Forderung nah Freikarten für die reihsländishen Landtags- abg ordneten hat man s{roff abgelehnt. Gründe hat man nit an- geführt. - Man hat einfa in preußish-junkerlicher s{hneidiger Form, wenn ich unhöflih wäre, würde ih sagen in s{noddriger Form, erklärt: Dem Wunsche kann nicht entsprochen werden. ;

Präsident Dr. Kaempf: Dieser Ausdru ist unparlamentaris{ch ; ih rufe Sie zur D. dnung. |

Abg. F u ch s (Soz.) fortfahrend: Die Wünsche des Reichstags nach Befsserstellung der A1beiter hat man in einer zu nichts verpflichtenden Weise beantwortet. Auf jeden Fall muß man sich der Bahnsteig- pförtner, der Weichensteller und der Bahnwärter annehmen. Auch für Lokomotivführer ist in leßter Zeit fast nihts geschehen, noch weniger für die Lofomotivheizer, die noch dazu häufig Lokomotiv- führerdienste tun müssen. Die Wünsche der Arbeiter und Beamten gehen dahin, denen der Reichtpost gleichgestellt zu werden. (Fs ift unrichtig, daß die Betriebsverhältnisse die Verkürzung der Arbeitszeit auf 9 Stunden unmöglich machen. Diese Verkürzung wäre eine Wohltat für die Gesundheit der Arbeiter. In der Frage der Urlaubserteilung find unsere Eisenbahnbeamten s{lechter gestellt als ihre Kollegen in den süddeutschen Staaten. Selbst der be- scheidene Wunsch nach einem Erholungsurlaub von 4 Tagen schon nah kurzer Dienstzeit ist nicht erfüllt worden. Die Durchschnitts- lóhne der Cisenbahnarbeiter sind ja erhöht worden; wir erkennen das an, müssen aber feststellen, daß angeßichts der teueren Lebensmittel- preise in Elsaß-Lothringen die Erhöhung der Löhne nicht ausreichend ist. Der Höchstlohn muß noch erhöht werden. Immerhin ist es eine Genugtuung, daß doch so die shwerfällige preußische Verwaltung einen Schritt vorwärts gedrängt ist. Jn Baden und Württemberg werden höhere Löhne gezahlt. Die Rottenführer haben immer noch einen Durchschnittslohn von 3,30 4 bei uns. Mit solchem Verdienst kann sih eine Familie nicht ernähren, und es ist unwürdig, daß die Frauen mitarbeiten müssen. Auch die Güterlader sind unzureichend entlohnt. Sie haben eine unregelmäßige Arbeitszeit, bis zu 13 Stunden. Die Leute fordern die Abschaffung des Prämiensystems. Auch die Maschinen- und Wagenpuzer haben ebenfalls Grund zur Klage. Ferner müssen die Nottenarbeiter besser gestellt werden. Die Bezahlung der Wochenfeiertage soll angeblih dem Grundgedanken des Arbeitsvertrages widersprechen; das ist eine unbegründete Ausrede. Bezüglich der Ueberstunden ist in der leßten Zeit etne Wendung zum Besseren eingetreten dadur, daß man die Ueberstunden in der Haupt- sache beseitigt hat. Wir begrüßen dies und wünschen nur, daß dies nicht zu einer übermäßigen Ausnußung der Arbeitskraft des Ginzelnen führt. C8 muß vielmehr das Werkstättenpersonal vermehrt werden. Statt dessen ist eine Verminderung der Kopfzahl der Werkstätten- arbeiter eingetreten, in einem Jahre um 321, troß des Aufshwunges

des Verkehrs. Hieraus geht hervor, R die Arbeitskraft des Ein- zelnen -mehr- ausgebeutet wird. Dazu führt auch das System des Zeitakkordlohnes, wenn auch -das Stückakkordlohn s noch \{lim- mer ist. Leider wird die Zeitlohyarbeit nicht eingeführt. Das Ent- ¡tem mit seiner Einteilung in E Slallen ist viel u Tompliziert. Man sollte vielmehr die Löhne einteilen in zwei Klassen, in eine Klasse für gelernte und in eine Klasse für ungelernte Arbeiter. Ebenso tompliziert ift die Sendung în verschiedene Teuerungsklassen- in den verschiedenen Orten, Die Wünsche »der Ar- beiteraus\chüsse follen nah der vorjährigen Erklärung des Ministers in 76 Fallen Berücfsihtigung gefunden haben. Es kann sich dabei ledigli um Bagatellen gehandelt haben. Im übrigen sind die fundamentalen Wünsche ‘dêr Arbeiter bezliglich der Löhné, der Hygiene usw. unberüdlsichtigt geblieben, Die einzelnen E mussen das Necht haben, sih zu vereinigen in einem Hentralaus- {uß mit dem Siß in Straßburg. Wie das gefährlich fein soll, if unverständlih, da in Baden eine ähnlihe Ein- rihtung sih bewahrt hat. Es würde dadur ein ein- heitlihes Vorgehen der Arbeiterschaft ermögliht werden. In bezug auf die Pensionskasse wünschen die Arbeiter eine Pensionierung schon mit dem 66. Jahre, ohne Nücksicht auf die Invalidität. Die an- gehäuften Kapitalien der Pensionskassen sollten dem Bau von kleinen Wohnungen zugänalih gemacht. werden. Für die Staatsarbeiter muß das Koalitionsrecht genau #0 gelten, wie für die Privatarbeiter. Sie haben das gleiche Interesse wie die Privatarbeiter an einer genügenden Entlohnung. Ein besonderes Staatsarbeiterreht ist also nit nötig. Den Eisenbahnarbeitern wird ihr Koalitionsreht widerrechtlich und brutal genommen. (Präsident Dr. Kaempf: Jch bitte Sie, solche Ausdrücke, angewendet auf eine Verwaltung, zu unterlassen!) J werde mich den Wünschen des Präsidenten nah Möglichkeit fügen. Die Eisenbahnverwaltung will das Koalitionsreht der Eisenbahn- arbeiter niht dulden. Das Koalitionsreht der Aerzte dagegen wird nicht angetastet. Als neulich die Arbeiter übertriebene Forderungen der Aerzte nicht bewilligen wollten, wurde ihnen von autoritativer Seite gesagt, wenn die Forderungen nicht bewilligt würden, würden die Aerzte die Behandlung einstellen; das heißt doch, sie würden streiken. Daß die Gewährung des Koalitionsrehts den Staat ge- fährden würde, ist total unberechtigt, namentli, wenn die Verwaltung den berechtigten Wünschen der Arbeiter einigermaßen entgegenkommt. Niemand wird doch unnötig seine Cristenz aufs Spiel seßen. Die Verweigerung der Koalitionsfreiheit der Eisenbahnarbeiter ist eine Nechtsverleßung, die wir stets bekämpfen werden.

Abg. Schwabach (nl): Der Vorredner meinte, daß man die Ueberschüsse nicht dem Reich, sondern Elsaß-Lothringen zuwenden müßte. Er vergißt dabei, daß die Bahnen in Elsaß-Lothringen zum größten Teile vom Reich gebaut sind. Die Ueber|chüsse gehören also dem Reich für die Zuschüsse, die das Reich bisher an Elsaß-Lothringen gezahlt. hat. Wir wollen hoffen, daß das Verhältnis von Einnahme und Ausgabe sih auch in Zukunft günstig gestalten möge, und daß der Minister zu schwarz gesehen hat. Der Hauptgrund des günstigen Nesultates liegt in der innigen Verbindung zwischen den Meichseisen- bahnen mit der preußish-hessishen Eisenbahngemeinschaft. Wir wollen mit unserm Antrag nicht die Schaffung eines Staatsarbeiterrechts, fondern nur eine Denkschrift, die sih mit den rechtlichen Verhältnissen des außerhalb des Beamtenverhältnisses stehenden Angestelltenmaterials befaßt. Vor dieser Klärung können wir die Klinke der Geseßgebung niht in die Hand nehmen. Auch die Lohnverhältnisse der Arbeiter haben sich verbessert. Das haben auch die Mitglieder der Kommission anerkannt. Die neue Lohnordnung gibt dem einzelnen Arbeiter die Möglichkeit, für jeden Augenblick ih seinen Lohnañspruch ausrechnen zu konnen. Die Arbeiteraus\chüsse haben günstig gewirkt. Es handelt ih niht um Kinkerlißchen, die diese beschlossen haben. Ganz besonders nötig ist auch die Stellung der Altpensionare, wie die Festlegung der Dienst- und Nuhezeit, die bei der immer mehr und mehr zunehmen- den Verkehrsdichtigkeit auch im Interesse des Betriebes liegt. Hier- durch wird eine Ueberspannung der Kräfte des Personals vermieden. Fisfalische Nücksichten dürfen hierbei. nicht aus\hlaggebend sein. Dur eine weitere Vervollkommnung des Betriebsapparates läßt sich eine bessere Spannung zwischen Ein- und Ausgaben erzielen. Hierzu ge- hört in erster Linie die Erhöhung des Tonnengehalts der Güterwagen. Wir freuen uns, daß die Verwaltung dieser Frage nähergetreten ist. Vielleicht kommen wir dazu, auch größere als 15- und 20-Tonnen- wagen zu beschaffen, wie es in Amerika der Fall M Dadurch dürfen natürlich die Interessen der Bezieher kleinerer Mengen nicht leiden, was im Interesse des Mittelstandes zu bedauern wäre. Durch Er- höhung des Ladegewichts der Güterwagen wird die Wagenzahl geringer, ebenso auch die Anschaffungskosten. Einer allgemeinen Herabseßung der Gütertarife. kann ih nicht das Wort reden; sie würde verschiedene Fabrifationen s{hädlich treffen. Einer Erhöhung der Tarife müssen wir uns aber in jedem Falle widerseßen. Es ist be- dauerlih, daß. der Minister, troß seiner Abneigung gegen die Fahrkartensteuer hier noh feine Schritte getan hat. (&s kann den Interessenten nicht zugemutet werden, in der Form der Eisenbahnfrachten die Staatseinnahmen zu erhöhen. Der Minister nieinte im vorigen * Jahre, daß der Artikel 43 der Verfassung weit überholt sei. Jch gebe zu, daß man über die Auslegung des Artikels Zweifel hegen kann. Jn folchen Fällen greift man zu einer authen- tishen Interpretation. Fürst Bismark hat mit diesem Artikel be- zweckt, die Macht des Netches zu stärken. Die Vereinheitlichung der Neichseisenbahnen hat feine Fortschritte gemacht, weil Preußen diesem Gedanken widerstrebt. Eine Einheitlichkeit der Tarife ist nicht vorhanden, namentlich niht der Gütertarife. Wir sind nah wie vor der Ueberzeugung, daß der Gedanke, daß ein einiges Deutsches Reich auch ein einhettlihes Eisenbahnsystem fordert, sih immer mehr Bahn bricht. Preußen wird sich diesem Wunsche auf die Dauer nicht entziehen können. /

Präsident Dr. Kaem p f: Herr Abg. Fuchs, ich habe Sie während Ihrer Nede gebeten, Ausdrücke wie brutal und widerrechtlih nicht zu gebrauchen. Sie haben versprochen, sich nach Möglichkeit meinem Wunsche zu fügen. Leider ift Ihnen das nicht ganz gelungen. Sie haben am Schluß Jhrer Nede der Verwaltung der Neichseisenbahnen MNechtsverleßung vorgeworfen. Dieser Ausdruck ist unzulässig, ih rufe Sie daher nahträglih nochmals zur Ordnung.

Chef der Reichseisenbahnen, preußisher Minisier der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Jch bedaure, daß ih das hohe Haus noch in fo vergerückter Stunde in Anspruch nehmen muß. Da ich aber gleich- zeitig im preußishen Abgeordnetenhause tätig zu sein habe, muß ich meine Zeit ausnuken.

Gs hat mich gefreut, aus den Aeußerungen des Herrn Vorredners, des Herrn Abg. Schwdäbach, zu ersehen, daß er die Verwaltung der MNeichseisenbahnen als eine im Interesse des Landes Elsaß-Lothringen geführte anerkannt und gleichzeitig ausgesprochen hat, daß sie cine wirtschaftliche sei, also den Interessen des Reiches diene, wie es von einer Neichseisenbahnverwaltung vorausgeseßt werden muß.

Aus den einleitenden Ausführungen des Herrn Abgeordneten Fuchs habe ih den Schluß ziehen müssen, daß er si in einen unheil- baren Widerspruch mit den Grundausfassungen seiner Partei gesetzt hat (Hört, hört! und Heiterkeit rechts), die für Reichseisenbahnen cin- treten. Er hat die Personalunion zwischen den RNeichseisenbahnen und den preußischen Staatseisenbahnen, die sich in meiner Person verkörpert, lebhaft beanstandet. Er hat daraus niht nur den Schluß gezogen, daß die ganze Verwaltung der Neichseisenbahnen unter preu- gischen Gesichtspunkten geführt werde, sondern er hat auch genieint, sie” würde gerade deshalb in einer den besonderen Verhältnissen Elsaß-Lothringens abträglihen Weise geführt. Seinen Worten ent- nahm 1ch und derartiges habe ich \chon in früheren Jahren hier hören müssen —, daß cs für das Land Elsaß-Lothringen doch dien-

| licher wäre, wenn die Neichseisenbahnen Landeseisenbahnen wären,

(Hört, hört! rechts.) Meine Herren, eine solhe Auffassung halte ih für einen grundlegenden Irrtum. Ich glaube und wäre in der Lage, das zahlenmäßig zu belegen —, daß die Verwaltung der Reichs- eifenbahnen für das Land Elsaß-Lothringen von eminentem wirt- \chaftlichem Nußen gewesen ist. (Sehr richtig! rechts) Sie ist eine starke Verwaltung, viel stärker, als es eine Landesverwaltung sein könnte. (Zustimmung rets.) Jch bitte, sih doch zu erinnern, in wie s{rwierigen Verhältnissen zeitweilig die benachbarten süddeutschen Staaten si befinden, nämlih in Zeiten, in denen die Konjunktur heruntergeht; ich bitte Sie, si zu erinnern, wie {wer es das Land Württemberg und auch zeitweilig das Land Baden hat. Ich glaube daher, daß gerade die Aalehnung der Neichseisenbahnen an die Ver- waltung der preußishen Staatsbahnen, auf die der Herr Abg. Schwabach hingewiesen hat, für das Land eminente wirtschaftliche Vorteile gebracht hat. Jch will unter anderem nur darauf hinweisen, daß es unter den gesamten deutshen Eisenbahnen, außer in dem Großherzogtum Baden, kein einziges Bahnsystem gibt, das einen so dichten Perfonenzugverkehr führt wie die Reichseisenbahnen. (Hört, hört! rechts.) Man könnte einwenden, das ergebe sich eben aus der Dichtigkeit des Verkehrs, es sei also kein Verdienst der Verwaltung. Aber ich darf gleichzeitig anführen, daß es kein einziges Staatseisenz bahnsystem im Deutschen Reiche gibt, das, auf die Einheit des Zugkilometers und des Personenzugkilometers zurückgeführt, so niedrige Einnahmen erzielt, wie die Reichseisenbahnen. (Hört, hört! rechts.) Wir erzielen pro Zugkilometer im gesamten Personenver- kehr nur 1,60 M in Elsaß-Lothringen, während in Sachsen 2,75 M (Hört, hört! rechts), in Bayern und Baden auch nochch 1,75 4 erreicht werden. Es gibt auh feinen einzigen Bundesstaat, in dem pro Person und Kilometer ein \o geringes Erträgnis erzielt wird wie gerade in Elsaß-Lothringen. Diese Zahlen beweisen, daß die Neichs- eisenbahnen für ihren Personenverkehr Außertordentliches getan haben, Das Gleiche gilt für die Entwicklung des Güterverkehrs. Jch ver- walte in Elsaß-Lothringen die Bahnen nah ganz denselben wirtz \haftlihen Grundsäßen wie das preußisch-hessishe Neß. Wo das Bedürfnis erkennbar wird, durch Ausnahmetarife naczuhelfen, geschieht es in liberalster Weise. Kleinliche Gesichtspunkte sind ganz ausgeschloffen.

Da 1 einmal bei der Frage der Ausnahmetarife bin, darf ih anknüpfen an eine Aeußerung des Herrn Abg. Schwabach. Er suchte mich zu widerlegen mit meinen Ausführungen vom vorigen Jahre, wonach niht nur das Gütertarifsystem der deutschen Eisenbahnen als solches, sondern auch die Einheitssäße im wesentlichen und in dem Sinn die gleichen seien, daß keine nennenswerten Unterschiede be- stehen. Als Fachmann kann ih das erneut bestätigen. Er meinte aber, die Vielzahl der Ausnahmetarife auf den deutschen Eisenbahnen liefere den Beweis dafür, daß es an Einheitlichkeit fehle. Das ist ein grundlegender Irrtum. Ausnahmetarife sind solche Tarife, die den wirtschaftlihen Bedürfnissen angepaßt sind. Die Bedürfnisse können örtlicher Natur sein, sie können sih auf beschränkte, sie können sich auf weitere Gebiete ausdehnen, sie sind aber meist grundverschieden im Osten, im Westen und in der Mitte und wiederum verschieden innerhalb des Westens, des Südens und des Nordens. Diese Ver- schiedenheiten erfordern eine Durcharbeitung und Anpassung des Tarifs an die jeweiligen Verhältnisse; und so entstehen die Aus- nahmetarife, die ganz logisch und naturgemäß zu außerordentlichen Verschiedenheiten führen- müssen, Verschiedenheiten, die aber von den, für die Ausnahmetarife gelten, gerade als ein besonderer Vorzug anerkannt werden. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, ich muß weiter anknüpfen an einige Aeußerungen des Herrn Abgeordneten Fuchs. Er sagte, es ist doch ein unwürdiger Zustand, daß ein Volks\tamm, wie der elsaß-lothringishe, niht mit- sprechen darf bei der Verwaltung der Bahnen, die das Land dur- ziehen. Nun, die Eisenbahnen gehören eben dem Neich, und bei ihrer Verwaltung wird das Land unmöglich beanspruchen können, gehört zu werden. Wohl aber wird das Land gehört bei der Beurteilung der gejamtew Verkéhrsverhältnisse. Das geschieht sowohl durch die Ge- neraldirektionen der Reichseisenbahnen in Straßburg als auch durch die örtlichen Verwaltungsstellen, die enge Beziehungen zu den Handels- forporationen und zur Industrie des Landes unterhalten. Es geschieht weiter durch die Verbindung, die die Generaldirektion zweimal im Jahre mit dem Eisenbahnrate in Elsaß-Lothringen unterhält. Und es sind bisher in dieser Beziehung keine Klagen zu meiner Kenntnis ge- kommen; im Gegentêäil, ih habe feststellen können, daß die Wechsel- bezichungen zwischen der Verkéhrsbehörde und dem Beirate ganz aus- gezeichnet sind. (Sehr richtig! bei den Elsaß-Lothringern.)

Meine Herren, der Herr Abgeordnete Fuchs ist weiter dex Mei- nung, daß der Ueberschuß, den er auf 50 Millionen Mark bezifferte in der Tat beläuft sih der Nohübershuß der Reichseisenbahnen im Jahre 1912 auf 50 840 000 4 zum mindesten teilweise dem Lande zugeführt werden müßte durch Erbauung neuer Bahnen oder wenigstens durch Umsabß- bezw. Verkehrövorteile. Jh möchte kurz auf diesen Üebershuß eingehen. Es ist ein Rohüberschuß, auf den mindestens nochanzurechnen \ind die Ausgaben der Zentralverwaltung und die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats, die si ja alljährlich auf eine Reihe von Millionen beziffern, die man auch das Extra- ordinarium des Etats nennen kann, die aber aus den laufenden Cin- nahmen bestritten werden, ferner die Zinsen des auf die Neichsbahnen entfallenden Anteils an der Reichsshuld. Wenn man richtig, wenn man netto rechnen will, muß man aber auch noch eine Amortisations- quote für diesen Schuldanteil einstellen, Geschieht das aber, so wird der Ueberschuß außerordentlih viel geringer. Er wechselt in den eingelnen Jahren ganz erheblih, so erheblich, daß meines Ermesscns ein Land wie das Land Elsaß-Lothringen, wenn es die Bahnen als Landesbahnen betriebe, \{chwerlich imstande wäre, solhe ungeheuren Schwankungen auszuhalten, Jm Jahre 1908 betrug beispielsweise der Ueberschuß nach Abzug der Verzinsung und der Amortisations- quote nur 2/900 000 4 (hört, hört! rechts), und im Jahre 1912 betrug er das ist ein Jahr der Ho(konjunktur, wie wir es im Reichslande noch nit erlebt haben 23 Millionen. Das Bild wird aber ein vollständig anderes, wenn man das statistische Anlagekapital der Reichseisenbahnen auf die Passivseite stellt. Den von mir soeben an- geführten Ziffern lag nämli nur zugrunde dasjenige Anlagekapital, das das Neich nah dem Jahre 1870 in das Ney hineingesteckt hat; es ist aber nicht angerechnet der sehr erhebliche Kapitalbetrag von fast 274 Millionen, der für den Ankauf der elsaß-lothringisden Bahnen aufgebracht ist, Wenn wir die Nettorehnung unter Berücksichtigung

au dieses Kapitals aufmacen, dann haben wir seit 1903 und in den früheren Jahren ist es niht besser geworden nur 3 Jahre, wo überhaupt ein Ueberschuß erzielt worden ist (hört, hört! rechts); und zwar sind es die Jahre 1906, ein Jahr der Hochkonjunktur, 1910, ein Jahr einer beginnenden Konjunktur, und 1912, wiedérum ein Jahr der Hochkonjunktur. In allen anderen Jahren würde bei dieser Netto- berechnung ein Minusertrag herauskommen. (Hört bört! rechts.) Jch lege ja auf diese Rechnung gar keinen Wert, ih stelle sie Ihnen nur vor Augen, um dem Irrtum zu begegnen, als wenn die Rohüber- schüsse einfa in den Reichs\äel flössen, und als ob nicht die Zins- last und die Amortisationslast auch zu bestreiten wären. Es ist doch yon Interesse, festzustellen, daß, wenn ih von dem Amortisations- beitrage absehe, die. Reichseisenbahnen sich im Laufe der leßten zehn Jahre durchschnittlich mit nur 4,3 Prozent verzinst haben. Darunter sind Jahre, in denen die Verzinsung nur 2,65 Prozent betrug, darunter ist andererseits auh ein Jahr der Hochkonjunktur, das Jahr 1912, in dem die Verzinsung 6,5 Prozent betrug.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhange noch auf eins hin- weisen. Es gibt wohl keinen deutschen Staat, der \o billig wirt- schaftete, der in so geringem Maße Zubußen zu leisten hätte zu den Staatsbahnen, die ihn durdgziehen, wie das Land Elsaß-Lothringen. Aus einer Zusammenstellung, die mir hier vorliegt, ist zu entnehmen, daß, wenn man das Anlagekapital des Jahres 1912 zugrunde leat, für die Reichseisenbahnen 95,8 % -aus Mitteln des Reiches aufge- wendet worden sind, während der Beitrag des Landes und sonstiger Interessenten zu dem Bau des Neichseisenbahnneßes nur 42 % ausmacht. (Hört, hört! rechts.) Der Beitrag des Neiches beträgt also 99,8 % (Hört, hört! rechts), und auf die elsaß-lothringiscke Landesverwaltung entfallen von den 42 % Zuschüssen nur 2,9 % Jch glaube, mit meiner Behauptung ret zu haben, daß es kaum einen Bundesstaat geben wird, in dem die Interessenten für das Land das Land steht in diesem Falle dem Reich als Interessent gegenüber so wenige Aufwendungen zu machen haben. (Sehr richtig! rechts.) Jh darf beispielsweise bemerken, daß beim Ausbau des preußischen Nebenbahnnebes, das jeßt 15- bis 16 000 km be- trägt, die Gestellung des Grunderwerbs durch die Interessenten ich auf 9 bis 10 % btziffert. (Hört, hört! rechts.)

Der Herr Abg. Fuchs ist dann auf eine Frage zurückgekommen, die bereits in der Budgetkommission Gegenstand eingehender Ver- handlungen gewesen ist: die Frage, an wen die Reichseisenbahn- verwaltung ihre größeren Aufträge zu vergeben habe. Es ist heute von dem Herrn Abg. Fuchs die Auffassung vertreten worden, daß diese Vergebungen ganz überwiegend an elsaß-lothringishe Landesange- hôrige zu erfolgen haben. Jch habe schon in der Budgetkommission darauf hingewiesen, daß diese Forderung in Ansehung des Umstandes, daß die NReichseisenbahnen eine öffentlihe Anstalt des Reiches sind, unerfüllbar ist, Jch habe ferner darauf hingewiesen, daß diese Forde- rung unvereinbar mit dem Grundsaße ist, daß das Reich wirtschafts- politisch ein Einheitsgebiet darstellt. Endlich habe ih darauf hin- weisen müssen, daß diese Forderung höchst gefährlich für die Reichs- lande ist, weil von seiten der anderen Bundesstaaten in erster Linie von seiten Preußens außerordentlih umfängliche Aufträge nah Elsaß-Lothringen ergehen, nit bloß an die Waggon- und Loko- motivfabriken, sondern in noch weit höherem Maße an die lothringische Eisenindustrie. Diese Aufträge sind so umfassend, daß ein voll- ständiger Ausgleich eintritt, auch wenn Firmen zu den Aufträgen herangezogen werden, die niht elsaß-lothringisher Herkunft sind. Gs ist also eine Forderung, die mit den Interessen des Landes {wer vereinbar ist.

Nun hat der Herr Abg. Fuchs an den bekannten Mülhausener Fall angeknüpft. Es handelt sih dort um die Vergebung von Erd- arbeiten aus Anlaß cines Bahnhofsneubaus. Bei diesen Bauten kon- kurrierten als Mindestfordernde drei Firmen: zwei elsaß-lothringische Firmen, und eine Firma, die in- Preußen domiziliert, und die im ganzen Reich baut und auch außerhalb des Reiches sehr große Auf- trâge ausführt. Von den beiden elsaß-lothringishen Firmen \chied die eine aus, weil sie ein so geringes Angebot gemacht hatte, das dafür eine ordnungsmäßige Ausführung der Arbeiten nicht erwartet werden konnte, Die andere Firma mußte ausscheiden, weil si bei der Nach- prüfung ergab, daß eine Reihe von Positionen zu gering angeseßt wor- den waren, und die Firma selbst erklärte, sie habe si in der Preis- forderung geirrt. Hätte man nun diese Positionen auf den angemessenen Saß erhöht, so wäre diese Firma nicht mehr die Zweitmindestfordernde gewesen. Es blieb somit die dritte Firma übrig, die uns als durh- aus leistungsfähig bekannt war. Sie baut augenblicklih den Hauen- steintunnel in der Schweiz, eines der s{hwierigsten Werke der Technik. Diese Firma nun war nicht an dem Tarifvertrag beteiligt, der zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Mülhausen aufgestellt worden ist. Wir stellten fest, daß sie ihre Arbeiter durhaus angemessen entlohnte. Sie zahlte Löhne, die noch 50 bis 60 Pfennig höher waren als der für Mülhausen festgeseßte ortsübliche Tagelohn. Sie trug Bedenken, sich den Bedingungen des Tarifvertrags zu unterwerfen, einmal weil sie daran nit mitgewirkt hatte, und dann, weil die Löhne, die für diese einfachsten Erdarbeiten festgeseßt waren, ungeheuer hoh waren. Auch ih habe bei der Nachprüfung festgestellt, daß die Tariflöhne ganz außer Verhältnis zum Werte der Arbeit stehen. Sie sollen bis 1915 von Jahr zu Jahr ‘steigen und erreichen bei 10 stündiger Arbeitszeit es soll später eine 91s stündige sein einen Betrag von 6,10 per Tag. Leider haben si ja aus den Differenzen zwischen der Firma und den Arbeitern erhebliche Schwierigkeiten ergeben, die zu Exzessen führten, zu dem tragishen Unglü, auf das der Herr Abg. Fuchs hin- gewiesen hat. Er sagte aber und dagegen muß ich Einspruch er- heben, und darum erörtere ih die Frage hier —: wenn die Neichs- eisenbahnverwaltung rehtzeitig auf den Unternehmer gedrüdt hätte, dem. sie den Auftrag erteilte, wäre das alles vermieden worden. Meine Herren, die Reichseisenbahnverwaltung hatte absolut kein Recht, diesen Dru auszuüben. (Sehr richtig! rechts.) Sie konnte nux verlangen, daß die Landespolizei den Unternehmer bei Ausführung seiner Arbeiten shüßte und die Arbeitswilligen desgleichen. Der Ausgang ist ja der gewesen, daß sih der Unternehmer auf den Boden des Vertrags ge- stellt und \{ließlich die Arbeit ausgeführt hat.

So liegt der Fall, er hat viel Staub aufgewirbelt, und deshalb habe ih Anlaß genommen, ihn hier noch klarzustellen..

Der Herr Abg. Fuchs hat dann ein Mosaik von Wünschen und Beschwerden hier vorgetragen. Es ist sehr s{wer, im Laufe einer parla- mentarishen Debatte au nur einigermaßen vollständig auf diese Wünsche einzugehen. Jch beshränke mich daher auf einige derselben. Vie Frage der Beamtengehälter scheide ih vollkommen aus, Sie |

wird gelegentlih der Besoldungsfrage erörtert werden, Die Frage der Beamtenaus\chüsse ist für mein Ressort erledigt. Wir halten es nit für angängig, Beamtenausschüsse einzurihten, Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Beamtenschaft zu ihren Vorgeseßten in so naher und unmittelbarer Beziehung steht, daß das Verhältnis zwischen Beamtenschaft und Verwaltung ein so vertrauensvolles ist, daß es dieser Mittelstellen niht bedarf. (Bravo! rets.)

Nicht ohne Interesse waren die Ausführungen des Herrn Abg. Fuchs über die Cinkommensverbesserungen, die die Eisenbahnverwaltung ihrer Arbeiterschaft in der leßten Zeit hat zuteil werden lassen. Er erkannte an, daß manches geschehen sei. Er nahm freilich für seiñe Partei in Anspruch, daß das, was geschehen wäre, lediglich unter ihrem Druck und ihrem Drängen geschehen sei. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Lachen rechts.) Meine Herren, gegen diese Auffassung muß i unter allen Umständen Einspruch erheben. Der Chef der Reichseisenbahnen, gleichzeitig in seiner Eigenschaft als Chef der preußischen Staatsbahnen, ist der größte Arbeitgeber im Lande, und zu seinen ersten Pflichten gehört es, für das große Per- sonal, das ihm anvertraut ist, rechtzeitig zu sorgen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)

Wenn ih Ihnen, meine Herren, die Entwiklung der Löhne und

des Lohneinkommens unserer Arbeiterschaft bei den Neichseisenbahnen

befanntgeben würde, würden Sie ohne weiteres ertennen, daß diese Auffassung niht nux in Worten besteht, fondern auch dur die Taten bewiesen ist. Es ist außerordentlih, was hier geschehen ist, und zu meiner Freude geschehen fonnte angesichts der großen Leistungsfähig- keit, die die Neichseisenbahnen auch in finanzieller Beziehung besitfen. Wir haben unsere Werkstättenarbeiter daß sind Handwerker und handwerksmäßig vorgebildete Vollarbeiter von einem Lohnein- fommen von 1098 M im Jahre 1902 auf 1573 Lohneinkommen im Jahre 1913 gebracht. Dieses Lohneinkommen wird in den Etatsonsäßen für 1914 auf 1675 M gesteigert. Das sind die best- bezahlten Arbeiter, weil sie Handwerker sind. Aber auch die Bahn- unterhaltungsarbeiter, die auf den Strecken verteilt sind, zum größten Teil in ländlicher Umgebung und auf den Dörfern wohnen, haben sich erhebli® verbessert. Im Jahre 1902 betrug das Einkonimen eines solchen Arbeiters 714 Æ, im Jahre 1913 dagegen 1030 M, und es wird im Jahre 1914 auf 1090 4 steigen.

Nicht \slechter sind die Betriebsarbeiter gefahren. Sie sind von 1050 M im Jahre 1902 auf 1425 im Jahre 1913 gestiegen, und der Etatsansay für 1914 rechnet mit 1544 4. Diese Lohn- steigerungen haben sich unter keinem Dru, sondern ganz regel- mäßig unter Anpassung an das Bedürfnis und unter Anpassung an die Löhne vollzogen, die Handel und Industrie zahlen. Hierbei sind die Löhne zu verstehen, die in den Städten und in der Landwirtschaft bezahlt werden. Der Chef einer großen Verwaltung kann nicht den Ghrgeiz haben ich befinde mi bier in Widerspruh mit den Verren von dev Linken —, in Lohnfragen vorwegzugehen. Der Staatsarbeiter hat eine so bevorzugte Stellung (Sehr richtig! rets) ih befinde mi hier wieder in Widerspru mit den Herren der Linken —, daß es vollkommen genügt, wenn wir uns mit unseren Löhnen den örtlichen Verhältnissen anpassen (Sehr richtig! rechts), wenn wir dem Lohnmarkt in gewissen örtlichen Bezirken folgen.

Jch kann noch einige Mitteilungèn machen, aus denen ih noch viel markanter ergibt, wie grundlegend sich die Verhältnisse zugunsten der Arbeiterschaft gestaltet haben. Jm März 1910 hatten noch 59 % unserer Arbeiter bei den Reichseisenbahnen ein Lohneinkommen bis zu 3,90 Æ. Jm Jahre 1913 waren es nur noch 34 2. Demgegen- über hatten im Jahre 1910 40 % ein Lohneinkommen von 3,55 M bis 7 M 50 %, im Jahre 1913 aber waren es bereits 65 %, und es treten jeßt bereits Löhne bis zu 8 X und darüber auf. (Hört, hört! rechts.) Löhne von über 5 M wurden im Jahre 1910 nur an 7 % der Leute bezahlt, im- Jahre 1913 aber an 18 %. Diese Zahlen sind so überzeugend und beweisend, daß ihnen gegenüber eine Beanstan- dung unseres Lohnsystems in sich zerfällt.

Herr Abg. Fuchs hat ferner von einer starken Ausbeutung der Arbeitskräfte gesprochen, und zwar in unmittelbarem Zusammen- hang mit der Akkordarbeit, der Akkordarbeit, deren wir nicht glauben entbehren zu können, sowohl im Interesse der Verwaltung in den Werkstätten und auf den Güterböden, als auch in dem Interesse der Arbeiter selbst. Jch bin fest überzeugt, daß, wenn wir eine unbeein- flußte Abstimmung unter unserer im Akkord tätigen Arbeiterschaft vornehmen würden, sih niemand finden würde, der für die Beseiti- gung der Akkordarbeit wäre. Jch, betone ausdrücklih, wenn eine solche Abstimmung unbeeinflußt geschehen könnte. Wir wissen ganz genau, daß die Arbeiterschaft in dieser Frage unter \{chwerstem Drucke steht. (Sehr richtig! rechts.) Es ist dies eine ‘prinzipielle Frage, die die Sozialdemokratie mit Vorliebe behandelt (Widerspruch bei den Sozialdemokraten), weil sie weiß, daß die Arbeiterschaft durch das Akkordlohnsystem stärker an die Verwaltung gefesselt wird. Darum bekämpft sie das Akkordsystem. Der Arbeiter aber, der ein- sichtig ist, stellt die Erwägung an, ob es nicht berechtigt ist, daß der fleißige und geschickte Arbeiter auf Grund seines Fleißes und seines Geschickes im Akkordlohn höher bewertet wird als der unfleißige und minder geschickte. (Sehr richtig! rechts.)

Der Herr Abg. Fuchs ist zum Schluß auf die Rechtlosigkeit der Arbeiterschaft eingegangen MRechtlosigkeit um deswillen, weil ihr das Koalitionsrecht geraubt sei. Jch bestreite diese Vorausseßung in jeder Beziehung. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Wir rauben unseren Angestellten, mögen sie Beamte oder“ Arbeiter sein, das Recht der Vereinigung durchaus nicht. Wir sind in diesen Fragen ganz außer- ordentlich weitherzig. Wir stellen nur die bekannten Forderungen: daß unsere Arbeiterschaft von der Beamtenschaft rede ih \elbstverständ- lih erst gar niht si nit, auf die Sozialdemokratie einschwört (Beifall rets); wir stellen die bestimmte Forderung, daß sie sid niht auf den Streik einschwört; und selbstverständlich stellen wir die Forderung, daß sie die Disziplin hält. (Bravo! rechts.) Das sind die drei prinzipalen Forderungen. Wenn diese drei Forderungen erfüllt werden, ist es uns völlig gleichgültig, ob der Arbeiter diesem oder jenen Verein angehört.

Der Herr Abg. Fuchs hat auch auf den großen Verband der elsaß-lothringishen Arbeiter Bezug genommen. Wird dieser Verband irgendwie in seiner Wirksamkeit gehindert? Der Herr Abg. Fuchs meint, er wird kontrolliert. J habe bei anderen Gelegenheiten darauf hinweisen können, daß ein großer Teil der Arbeiterschaft wünscht, daß die Verwaltung von ihren Wünschen Kenntnis nehme (Zurufe von den Sozialdemokraten); und diese Wünsche im wesentlichen haben uns dazu veranlaßt, daß wir unsere Beamten bei wichtigeren Versamm-

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lungen anwesend sein lassen. Von einer Ueberwachung der Versamn=- lung, von einem Schnüffelsystem kann gar nit die Rede sein. (Zu- rufe von den Sozialdemokraten: Doch!) Wir ziehen manchen Nußen und manche Anregung aus dem, was unter der Arbeiterschaft ver- handelt wird. Wir find gar nicht ängstlich und gar nicht zu feinfühlig. Wir verlangen nur, daß die Arbeiter in ihren Versammlungen nicht gegen die Verwaltung heben, und daß sie die Verwaltungsmaßnahmen nit geflissentlih herunterseßen. (Bravo! rets.) Und das ist ein bere(- tigtes Verlangen, ein Verlangen, das jede Verwaltung, die einen ordnungsmäßigen Betrieb führen will, stellen muß. (Beifall rechts.)

: Nach einer persönlichen Bemerkung des Abg. Schwabach wird die Fortseßung der Beratung auf Freitag, 1 Ühr pünktlich, vertagt. Vorher kurze Anfragen.

Prenfßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 36. Sizung vom 26. Februar 1914, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sizung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus sett die zweite Beratung des Etats der Bauverwaltung und zwar zunächst die Diskussion über die Einnahmen aus den Verkehrsabgaben fort.

Abg. Graf von Moltke (freikons.): Die Kanäle sind vom strategishen Gesichtspunkte für die Versorgung des Heeres im Kriegs- falle von der hôhsten Bedeutung; und ebenso ist eine gute Volks- ernährung überhaupt nicht denkbar, wenn nit die Eisenbahnen durch Wasserstraßen ergänzt werden. Wenn aber im Falle der Mosel- und Saarkanalisfierung der Generalstab \ich gegen das Kanalisierungs- projekt ausgesprochen hat, fo hat er nur der rheinisch-westfälischen

s geleistet. Ih verkenne nicht, daß

n Vorspanndktenste der senbahnminisier hier und da finanzielle O ann,

wegen der Eisenbahneinnahmen gegen einen Kanal haben aber schlteßlich ist doch - das Allgemeinwohl maßgebend. Uebrigens können wir uns nit alle Tage mit großen Dingen be- schäftigen, sondern auch der Kleinkram des täglihen Lebens und die lofalen Bedürfnisse erfordern ihre Befriedigung. (Die weiteren längeren Ausführungen des Redners find auf der Berichterstatter- tribüne vollständig unverständlich.)

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Den Mittelpunkt der Ausführungen der beiden Herren Vorredner bildete eine Frage, die uns {hon in der letzten Sitzung beschäftigt hat, nämlich die Frage der Kanalisterung der Mosel. Jch habe in den leßten Jahren {on häufig zu dieser Frage Stellung genommen und die Auffassungen der Königlichen Staats- regierung bekannt gegeben, und ich habe mih au in der leßten Sitzung darüber verbreitet, sodaß ih mi beute ganz kurz fassen kann. Aus den Ausführungen des Herrn Abg. von Schuckmann habe ih entnommen, daß er mit seiner Partei im wesentlihen den Auffassungen der Königlichen Staatêregierung zustimmt, die sich ja in vieler Beztehung mit den Anschauungen der Gegner decken. Die Königlihe Staatsregierung ist fich über die wirtschaftliche Bedeutung der Frage durhaus im klaren. Nur eins möchte ih noch betonen, was bei der vorgestrigen Verhandlung von mir nicht genügend herausgehoben worden ist, aber allgemein bekannt sein dürfte, daß die Lage der Großeisenindustrie sowohl in Lothringen wie an der Saar eine Aktion der Regierung zur Unterstüßung dieser Industrie keinenfalls erfordert. Davon ist auszugehen, meine Herren. Die Lage der Großeisenin»uslrie in beiden Industriegebieten ist, ich will nicht fagen: eine glänzende, aber jedenfalls eine sehr gute; und wenn die Königliche Staatsregierung \ih ents{chlossen hat, troß dieser günstigen Lage der Industrie diesen Gebieten ein großes Opfer zu bringen in Gestalt von Tarifermäßigungen mit den Wirkungen, die ih ziffernwäßig neulich bekanntgab, fo ist es ja nur geschehen, um einen Auegleih für die Nichtkanalisierung der beiden Flüsse zu . gewähren.

Herr Graf Moltke hat noch einmal die militärishe Seite der Frage berührt. Er hat meinen Ausführungen nicht folgen können, weil er nicht anwesend war. Ich möchte eins vorweg feststellen. Die Ausführungen des Herrn Chefs des Generalstabes sind nicht an mi erfolgt, ih habe ihn auch gar nicht provoziert; er ist provoziert worden dur den Verein, der sich für die Kanalisierung der Mosel einsett, und der Herr Chef des Generalstabes Hält es für angezeigt, seiner Auffassung dem Verein gegenüber dahin Ausdruck zu geben, daß ihm vor allem an dem Ausbau des Eisenbahnnetzes gelegen sei, und daß er sfich nit vorspannen lassen wolle von einem Verein, der si aus- \{hließlih für die Kanalisierung der Flüsse einseßt. Ich meine, der Herr Chef des Generalstabes befindet fich auch fkeinenfalls im Wider- pru mit der Auffassung seines großen Herrn Vorgängers, die ja in damaliger Zeit durchaus berechtigt sein konnte. Der Ausspruch datlert aus einer Zeit, wo wir nicht einmal eine Moselbahn hatten, wo das ganze westlihe Revier durch das Moseltal mit dem rechtsrheinischen Netze nicht verbunden war. Außerdem haben sih ja die Verhältnisse der Mobilmachung und des Aufmarsches der Armee völlig verschoben. Das Staatseisenbahnneyz hat eine außerordentliheAusdehnung erfahren, freilich und das wird wohl immer der Fall sein noch nicht in solhem Umfange, wie es ih die Heeresverwaltung ebenso wie die Heeres verwaltungen aller Länder, denn in anderen Ländern liegt es ebenso wünscht. Also, meine Herren, ih habe dem Herrn Generalstabs- hef weder ein belegtes noch ein unbelegtes Butterbrot serviert. (Heiterkett.)

Herr Graf Moltke meinte dann, es wäre doch sehr sorgfältig nadzuprüfen, ob die lokalen Interessen, wie er sich ausdrückte, einen folhen Etnfluß ausüben dürften und sollten, um ein Projekt von so großer wirtshaftliher Bedeutung wie das der Moselkanalisierund zurückzuschieben oder abzulehnen. Ja, meine Herren, kann man hier noch- von lokalen Interessen sprehen? Sind die Interessen des rheinish-westfälishen Industriegebie!s mit allen ihren ungeheuren wirtschaftlihen Konsequenzen lokale Interessen. Das, meine ih, trifft keinesfalls zu. Hier kann man sagen, die überwiegenden Inter- effsen eines großen Wirtschaftsgebiets, welhes auf die wirtschaftliche Bedeutung und Geltung von Deutschland einen ungeheuren Eir fluß ausübt, sind so große, daß die wirtschaftlichen Interessen eines anderen Gebiets zurückstehen müssen. (Sehr rihtig!) Darauf kommt es an- meine Herren. Und dieser Gedankengang is uns kein fremder. Jch habe mich in der legten Sizung berufen auf die Vorgänge bet Eina