1914 / 51 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Feb 1914 18:00:01 GMT) scan diff

R EE E T N S R ERGE L Pee ERELSRIA

E Sag S S R Wern

S E E E

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 6. Sigung vom 27. Februar 1914, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Eingetreten ist in das Haus das neu berufene Mitglied Herr Generalfonsul a. D. Otto Meyer. Auf der Tagesordnung steht zunächst die erneute Be- Lang über den Entwurf einer Novelle zum Landesverwaltungsgese ß und die Abänderungs-

vorschläge der XT. Kommission. Die Generaldiskussion ist

bereits in der 5. Sigung beendet worden: in dieser hat das Haus den Antrag Körte auf Bildung von Abgabensenaten als dritter Junstanz der Verwaltungsgerichtsbarfeit der Kommission Die Kommission hat diesen

zur Vorberatung überwiesen. Antrag abgelehnt.

Bei der nun statifindenden Debaite über § 7 des Gesetzes [lehnt auch das Plenum den Antrag des Herrn Dr. Körte ab, nachdem der Antragsteller auf eine Wiederholung der Gründe für seinen Antrag bei der Geschäftslage des Hauses und angesichts des Ergebnisses der Kommissionsberatungen ver- gichtet hat.

S 7 wird darauf in der Fassung der Vorlage einstimmig angenommen, die lautet:

, „Die Verwaltungsgerihtsbarkeit (Entscheidung im Verwaltungs- streitverfahren) wird durch die Kreisauss{üfse, die Bezirksausschüsse und die Kammern für Abgabensachen als Verwaltungsgerichte sowie durch das in Berlin für die ganze Monarchie bestehende Oberver- waltungs8geriht ausgeübt.“ Ie weiteren von Herrn Körte beantragten Ab- änderungen, soweit fie ih als Konsequenz des Antrages zu S 7 darstellen, werden damit für erledigt erklärt. Ohne Dis- tussion werden die Kommissionsvorschläge bis einshließlih §8 62 angenommen.

Die 88 63 ff. regeln das Verwaltungsstreitverfahren in erster Jnstanz. Die Vorlage bestimmt in § 63, den die Kom- mission unverändert angenommen hat:

„Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht {riftli einzureichen. Gebt sie bei einer anderen Behörde ein, so ist sie unverzüglih an das zuständige Gericht abzugeben. Die Klage muß erkennen lassen, daß eine Cntsheidung im Verwaltungsstreitverfahren begehrt, von wem ite erhoben wird, gegen wen sie sich richtet und was der Gegenstand

des Streites ist.“

Herr Dr. Loeniîing befürwortet einen Abänderungs- antrag, nah dem die Klage einen bestimmten Antrag ent- halten, den Gegenstand des Sireites sowte die Person des Klägers und des Bekiagten angeben muß. Der Antrag solle im Verwaltungs- streitverfahren eine reformatio in pejus aus\{ließen, das sei eine Forderung der Gerechtigfeit. Mit der Verringerung der Formen- vorschriften {chäzige man die Nechte der Parteten mehr, als man für die Vereinfachung des Verfahrens gewinne ; damit höre das Streit- verfahren ater auf, ein gerechtes zu sein. Die Gefahr einer Ver- ichleppung des Verfahrens werde dadurch in keiner Weise herbei- geführt.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt:

Meine Herren! Ih bitte, den Antrag des Herrn Professor Dr. Loening abzulehnen. Er ist meines Dafürhaltens einmal über- flüssig, zweitens würde er eine Erschwerung zuungunsten der Partei herbeiführen, und drittens sind die bon ihm befürhteten Gefahren tat- fächlich nicht vorhanden. Dex Antrag ist überflüssig, weil § 63 b die Bestimmung enthält, daß ter Vorsitzende des Gerichts bereits bet Eingang der Klage und sodann n jeder Lage des Verfahrens dahin wirken folle, daß der Sachverhalt vollständig aufgeklärt und die sa&- dienlihen Anträge von den Parteien gestellt werden. Das entspricht dem Schlußsaÿ des zweiten Saßes des Antrags des Herrn Professor Loening, der den Vorsitzenden veranlassen will, binnen einer bestimmten Frist einen entsprechenden Antrag einzuholen. Diese Bestimmung ist in § 63 b, abgesehen von dem Erfordernis der Frist, bereits enthalten. Es wird mithin jede Klage, die etnen Antrag nicht enthält, während des Verfahrens, zunähst alsbald bei Eingang der Klage und dann erforderlihenfalls auch in jedem weiteren Stadium des Verfahrens, auf Einwirkung des Vorsizenden dahin ergänzt werden, daß die nötigen Anträge auch der Klageantrag ist darunter zu verstehen gestellt werden. Nun befürchtet Herr Professor Dr. Loening, das Oberverwaltungs- gerlcht könnte feine langwierige Praxis, daß eine reformatio in peinus nicht eintreten darf, verlassen, weil in der Novelle von dem Erfor- dernis etnes Klageantrages in der Klageschrift abgesehen worden ift. Es ist lediglich aus dem Grunde davon abgesehen worden, weil die Möglichkeit besteht, daß die Innekaltung der zweiwöchigen Frist ver- fäumt werden könnte. Wenn die Parteien, wie sie es bisweilen tun, namentli die mindérgebildeten —, zwar eine Klage einbringen, aber keinen bestimmten Klageantrag stellen, so würde, wenn der An- trag des Herrn Professor Dr. Loening angenommen würde, eo ipso nach zwei Wochen die Frist versäumt sein. Denn tie Klage müßte ab- gewesen werden, wenn binnen zwet Wochen zwar cine Klageschrift eingereiht wird, sie aber keinen Antrag enthält. Dieser Härte, die ih für die Partei aus der Versäumnis einer rein formellen Bor- {rift ergeben würde, foll nah dem Entwurf dadurch abgeholfen werden, daß das Erfordernis eines bestimmten Antrages in der Klageschrift nicht vorgesehen wird. Es soll mithin die zweiwöchige Frist gewahrt sein, wenn eine Klageschrift auch ohne bestimmten Antrag eirgeht und nur die Bitte enthält, im Verwallungssireitverfahren zu entscheiden. Die Möglichkeit, den Antrag nachker einzubringen, ist ohne weiteres gegeben, und die Partei ist davor bewahrt, daß wegen des rein for- mellen Versehens die Fristversäumnis eintritt und die Klage zurüdck- gewiesen wird. Eine reformatio in peius das hatte t wohl vorher {on erwähnt ist nit zu befürhten, weil im Laufe des Berfahrens jederzeit ein Antrag gestellt werden kann und vom Vor-

sißenten gefordert werden soll, sodaß irgend eine Unterlage für eine Aenderung der Auslegung, die das Oberverwaltungsgeriht den te- treffenden Bestimmungen bisher gegeben hat, niht vorliegt. Wenn in Sachsen wenn ich mich nicht irre, hat Herr Professor Loening Sawhfen erwähnt nah der Richtung hin, daß dort eine positive Be- stimmung set, daß eine reformatio in poeius eintreten könne eine solche Bestimmung enthalten ift, fo spricht das gerade für meine Auf- fassung, daß, wenn das Gericht überhaupt in die Lage kommen soll, etre resormatio in peius eintreten zu lassen, dies im Gesetz aus- drücklih ausgesprochen sein müßte. Das ist hier niht der Fall, und das Oberverwaltunasgeriht hat daher niht dea mindésten Anlaß, von seiner bisherigen Praxis abzugehen. Ich glaube daher, daß die Be- fürchtungen des Herrn Professor Dr. Loening unbegründet sind, daß der Antrag überflüssig ist, und- daß: er-einé zwvecklose Erschwernis für

Herr Dr. Loenin g: Durch diese Ausführungen sind meine Be- denken nit zersireut worden. Wenn wir die reformatio in pejus in unser Verwaltungéstreitverfahren nicht einfüßrcn wollen, ift mein Antrag und seine Annahme eine Notwendigkeit.

Minister des Junern Dr. von Dallwißt:

Ich glaube, daß die Ausführungen des Herrn Dr. Loentng doch nicht zutreffend sind. In § 79 des bestehenden Geseßes ist von An- trägen überhaupt nit die Rede, sontern nur von den in dem Ver- fahren erhecbenen „Ansprüchen“ und in de: Begründung des Entwurfs ist gesagt: der Ausdruck „Anspruch" ist durch „Gegenstand“ ersett- weil der Autdruck „Anspruh* un?kar ist. Hieraus ergibt ih keine Handhabe für das Oberverwaltungsgericht, um aus dieser Aenderung einen anderen Stantpunkt einzunehmen, als ten b!sherigen, nämli ten, daß eine reformatio in peius nicht zuläsfig sei.

Was den Antrag des Herrn Dr. Loening zu § 63 Abs. 2 betrifft, so hat Herr Dr. Loening focben ausgeführt, daß durch den zweiten Satz seines Antrags die Wahrung der Frist auch dann ermöglicht werden folle, wenn dite Klage einen Antrag nicht enthalten habe. Ja, dann muß ich gestehen, verstehe ih den ganzen Antrag nit, denn dann widerspricht der zweite Satz dem ersten. Herx Dr. Loening verlangt im ersten Satz, daß die Klage cinen Antrag enthalten müsse, und sagt im zweiten Saße, wenn fie troßdem keinen Antrag enthält, dann foll eine Frist noŸ gelassen werden, damit der Antrag gestellt werden kann. Nach dem ersten Satze ist es aber überhaupt keine Klage, wenn der Schiiftsaß keinen Antrag enthält, und er müßte dann zurückzewiesen werden. Hiernach glaube ih, daß der Antrag in der Tat keine Verbesserung enthält, sondern eher zu Schwierig: keiten Anlaß geben wird. Jedenfalls würde er für die Parteien die Sache umständliher machen, da er auch kleinere Leute zroiagt, wenn sie sich über den Begriff Antrag" nicht recht klar sind, einen RNechts- anwalt zu nehwen, während fie jeßt einfach ihren Schriftsaz cin- reihen und die Sicherheit haben, daß er ihnen zu ihrem Anspruch verhelfen wtrd, gleihviel, ob er von vornherein einen im juuistischen Sinn dur haus korrekten Antrag enthält oder nicht.

Graf von Behr-Behrenhoff: Im Shlußsaß sagt der Antrag: „Enthält die Klage einen bestimmtea Antrag nicht, so soll er binnen einer vom Vorsißenden zu stellenden Frist gestellt werden.“ Damit wird für das rehtsuch¿ende, aber minder rechtsfundige Publikum nur eine Ershwerung geschaffen. Jch kann nur drin end davor warnen, dem Antrag |\tatizugeben. Von einer Gefatr der Ein- führung der reformatio in pejus in unser Verwaltungsstreitverfahren kann keine Rede sein.

Herr Dr. Loen ing ändert seinen Añtrag dahin um, daß der

Elngang lautet: „Die Klage soll einen bestimmten Antrag ent: halten“ usw.

Minister des Junern Dr. von Dallwißt:

Nach der sachlichen Aenderung, tie Herr Dr. Loening jett in seinem Antrage angebracht hat, enthält der Antrag niht mehr eine Mußz-Vorschrift, sondern eine Soll-Vorschrift. Also hat er nur cine rein inftruktionelle Bedeutung. Da glaube ih aber, daß die Fassung: die die Novelle der Regierung dem § 63 b gegeben hat, entschieden vorzuziehen ist:

Der Vorsitzende des Gerichts oll bereits bei Cingang der Klage und sodann in jeder Lage des Verfahrens dahin wirken, daß der Sa@verhalt vollständig aufgeklärt, und die sachdienlihen Anträge von den Parteien gestellt werden.

Diese Vorschrift ist vollständiger und besser als der Antrag, den Herr Dr. Loening gestellt hat. Ich kann also nur biiten, seinen Antrag abzulehnen. (Bravo !)

Der Antrag Loening wird abgelehnt, § 63 unverändert angenommen.

Nach § 75 der Vorlage ist „über die mündlihe Verhand- lung eine Niederschrift aufzunehmen. Diese muß den wesent- lichen Hergang der Verhandlung enthalten. Sie wird von dem Vorsißenden und einem Mitgliede des Gerichts oder an Stelle des Mitgliedes von einem vereidigten Protokollführer unter- zeichnet“.

Herr Dr. Loening hält es im Iuteresse der Nechtésicherheit für notwendig, daß das Protokoll von einem vereidigten Protokoll- führer geführt wird, der niht zugleich Mitglied des Gecichtes ist. Der Nichter habe der ganzen Verhandlung seine Aufmerksamkeit

zuzuwenden und könne sih niht fo ausschließlih auf das Protokoll fonzentrieren. Er beantragt eine entsprehende Aenderung.

Minister des Innen Di von Dallwit!

Der Antrag ist ja von ketner großen Tragweite, aber er kompliziert das Verfahren gegenüber den Vorschlägen ter Novelle. Die Vorschläge der Novelle beruhen auf einer Anregung ter Mit- glieder des Oberverwaltung8gerihts, die bei den Vorberatungen darauf hingewiesen haben, daß sch ab und zu in ter Praxis bet Kretisg- aus\hüssen Schwierigkeiten daraus ergeben hä!ten, daß nach dem bestehenden Recht die Zuziehung eines vereideten Protokollführers obligatorisch sei. Es wurde daraufhin angeregt, die Notwendigkeit eines vereideten Protokollführers im Geseß nit mehr vorzusehen, damit unter Umständen auch ein landrätliher Privatgebilfe, Kreis- assistent oder eine andere nicht als Protokollführer vereidete Persönlichkeit das Protokoll aufnehmen könne. Ich glaube, daß dieser Erleichterung irgendwelche Bedenken nicht entgegenstehen dürften. Ich halte tarum den Antrag des Herrn Professors Loening nit für zweckmäßtg.

Herr von Dziembow ski erklärt sich gegen den Antrag.

Der Antrag wird abgelehnt, § 75 unverändert an- genommen.

S8 93 f. regeln das Verfahren in der Revisionsinstanz.

8 93 bindet in Streitigkeiten über Geldleistungen für Gemeindezwecke usw. die Zulassung zur Revision an einen Be- schwerdegegenstand von über 500 1, bei periodish ver- anlagten Abgaben . an eine Summe von 100 6. Nach einem Antrag Loening soll diese Vorschrift keine Anwendung finden, sofern die Revision ausschließlich darauf gestüßt wird, daß die angefochtene Entscheidung beruht auf der Annahme der Rechtsgültigkeit oder Rechts- ungültigkeit des gesamten Jnhalts oder einzelner Vor- \chriften der Steuerordnung, Abgabentarife, Gebührentaxe, Statuten oder sonstiger eine Heranziehung. allgemeiner Art în sich schließenden Gefeße, Observanzen oder Beschlüsse, auf Grund deren die Geldleistungen gefordert werden.

Herr Dr. Loen ing befürwortet diesen Antrag, wenngleich seine Hoffnung auf Annahme fehr gering sei. Die Einfühuung einer Nevisionssumme habe in weitesten Kreisen der Bevölkerung * Be- unruhigung hervorgerufen. Hier handle es sich um das Recht des einzelnen, hier müsse ntchtbloß dem Vertreter des öffentlihen Inter-

die Partei enthält.

der steuerzahlenten Bevölkerung die Möglichkeit der Revision obne Rücksicht darauf gegeben werden, ob tin Betrag von 100 4 als Streitgegensland nahgewiesen werden könne. Wenn fomit auch die Entlastung des Oberverwaltungsgerihts nibt in dem gewünschten Maße eintreten werde, fo stehe die Rechtssicherheit und das NeÞt des einzelnen doch höher. :

Minister des Jnunern Dr. von Dallwih:

Ich muß wiederum bitten, ten Antrag abzulehnen. Jn § 93 wird eine Nevisionssumme eingeführt zu dem Zwedcke, das Ober- verwaltungs8geriht zu entlasten. Wenn Sie den Antrag des Herrn Dr. Loening annehmen, würden Sie die Besiimmungen des § 93 Abs. 2 wieder illusorisch machen und die Erkeichterung, dle dem Oberverwaltungegericht zugedaht ist, in Fortfall bringen. Wede Revisions\chrift kann in der Begründung fo gefaßt sein, daß sie die Rechtsgültigkeit einer Steuerordnung, Gebührentaxe usw. anzweifelt, jedes Erkenntnis der Berufungsin\stanz kann mit der Maßgabe an- gefohten werden, daß das Erkenntnis auf eine ungültige Steuer- ordnung zurückzusühren sei. Wenn also dem Antrag des Herrn Loening stattgegeben würde, würde auch in jedem cinzelnen Falle, in dem der Gegenstand unter 500 oder unter 100 4 liegt, also unterhalb der NRevisionssumme, doch Revision eingeleat werden können und das Oberverwaltungsgericht würde prüfen müssen, ob tatsählii) der Entscheidung des Vorderrißters eine EStever- ordnung zugrunde gelegen hat, die rechtsgültig ist oder nit. Damit würde die Minderarbeit für das Oberverwaltungsgericht an sich \chon auf ein Minimum reduziert sein. Nun würte aber das Oberverwaltungsgerid)t, weil es nach dem § 97 an die Recisiong- gründe der Partei nit gebunden ist, darüber hinaus verpflichtet \-in, die Nechtsanwendung des Vorderrihters nach allen Richtungen bin zu prüfen, würde sih also nit nur auf die Prüfung zu besch1änken haben, ob eine güllige oder ungültige Steuerordnung der Ents(eidung zugrunde liegt. Wenn der Antrag des Herrn Dr. Loen!ng ange- nommen wütde, fo würde also stets eine volle Neviston zugunsten der Partei herbeigeführt werden können.

Es würde sich aber noch folgendes ergeben: Eine Partei, die nicht das Revifionsre{t hat, weil der Gegenstand nur eine Bagatele ist es handelt fich vielleicht um einen Betrag von wenigen Mark —, die aber troß der Revisionsfumme den Fall zur Kognltion des Oberverwaltungsgerihts bringen will, kann zunächst die Nevisions- {ift mit der nach dem Antrage des Herrn Professor Loening zu- lässfigen Begründung einretchen, daß der Vorderrichter seiner Ent- {eidung eine rechtsungültige Steuerordnung zugrunde gelegt habe. Die Partei würde dann ferner, wenn auf Grund dieser Begründung die Nevision als zulässig angesehen werden müßte, \tets in der Lage sein, nahträglih noch alle möglichen anteren Nevisionegründe geltend zu machen und damit eine volle Nahprüfung der RNevistonsinstanz ihrer- seits zu erzwingen. Es würde daher jeder Nechtsanwalt und jede Partet in der Lage sein, jeden einzelnen Streitfall, der dur die Fest- sezung etner Revisionssumme im Abs\. 2 des § 99 der Revisicn des Oberverwaltung8gerihts entzogen werden foll, trotzdem vor das Ober- verwaliungsgeriht zu bringen und das Oberveiroaltungsgeriht zu zwingen, ihn nach allen Nichtungen hin zu prüfen. Wenn ter Antrag angenommen werden sollte, würde mithin die Einseßung etner Nevisionssumme eine praktische Bedeutung kaum mehr haben.

Der Antrag wird abgelehnt, § 93 unverändert an- genommen.

Ein von Herrn Dr. Körte zum vierten Titel „Rechts- mittel gegen polizeiliche Verfügungen“ beantragter § 130 a, der für die Erteilung oder Versagung der Genehmigung zur Ausführung von Bauten und baulichen Aenderungen, durch welche Straßen oder Pläße der Gemeinde oder Fluchtlinien 9der von der Gemeinde beanfpruchte Bauverbotsrechte be- troffen werden, ein besonderes Verfahren vorschreiben will, wird ohne Diskussion abgelehnt.

Der Nest der Vorlage gelangt in der Fassung der Kom mission ohne Debatte zur Annahme, ebenso einstimmig der Entwurf im ganzen.

Darauf berichtet Graf von Ballestrem namens der X1I. Kommission über den Geseßentwurf, betreffend die Bearbeitung der Auseinandersezungsangelegen- heiten. in den Provinzen Ostpreußen, West- preußen und Posen. Die Kommission hat die mit der Novelle zum Landesverwaltungsgeses in engstem Zusammenhange stehende Vorlage mit wenigen Modi fikationen angenommen. Die Vorlage spricht die Aufhebung der Generalkommission in Königsberg aus und überträgt die dieser bisher üderwiesenen Obliegenheiten auf den Spezial fommisfsar und den Regierungspräsidenten als Auseinander sezungsbehörden ; in Streitigkeiten entscheidet in erster Jnstanz der Spezialkommissar, in zweiter der Bezirksaus\chuß, in leßter das Oberlandeskulturgeriht. Wie der Berichterstatter aus- führt, ist weder eine Ueberlastung des Regierungspräsidenten, noch aus dem Fortfall der Kollegialberatung ein Nachteil zu besorgen, da nur noch kleinere Auseinandersezungsangelegen heiten zu bearbeiten sein werden.

Minister für Landwirtschast, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Der Ihnen vorgelegte Gesezentwurf hat mit verhältnismäßtg wentgen Aenderungen die Zustimmung Jhrer Koms- mission gefunden. Jch kann namens der Staatsregierung erklären, daß die von Ihrer Kommisston beschlossenen Aenderungen auf seiten der Staatsregierung keinerlei Bedenken kegegnen.

Meine Herren! Der Herr Berichterstatter hat bercits darauf hingewiesen, daß die Generalkommissionen troy der Größe und Wichtigkeit der ihnen gestellten Aufgaben keine Behörden von ewiger Dauer find, und so ereilt auch die Generalkommission in Königsberg das Schicksal ihrer Auflösung. In dem Augenblick wo Sie im Begriff stehen, zur Aufhebung der Generalkommission in Königsberg den ersten entscheidenden Schritt zu tun, balte ih es für meine Pflicht, auch bei diesem Anlaß und von dieser Stelle aus dankend und anerkennend der largjährigen und erfolgreichen Tätigkeit der General- kominisfion Königsberg und ihrer Mitglieder zu gedenken.

__ Herr von Batockti- Friebe: Die Provinz Oslpreußen ist hier gewissermaßen Versuchskanincken, wir aeben uns aber kciner Täuschung hin, weil wir von der Aufhebung Vor- teile erwarten. Die Generalkommission Fat sid als ein Fremd- förper in der Provinzialverwaltung erwiesen, weil ihre Kompetenz außerordentlich weit ging; nachdem ihre Aufgaben in der Haupí- sadhe erledigt sind, soll fie aufgehoben werden. Bewährt sich diefer Versuch, so soll mit der Aufhebung weiter vorgegangen werden. Die

Tätigkeit der Generalkommission muß durchaus anerkannt werten ; sie bildet ein Ruhmesblatt in der preußischcn Verwaltutgôsgeschichte. *

effses, sondern au jedem kleinen Manne, hier müsse der großen Masse

An der Ausführung der Gemetinheitsteilung muß Kritik geübt werden.

M ndesverwaltungsnovelle zusammenhängend von der Xk. Kom-

M fussion roi: d die Vorlage

Wz ist kein Vorwurf gegen die Generalkommissionen, denn sie haben Eh den geseßlihen Beitimmungen gehandelt. Es werten manche curitte zurüczetan werden müssen, um wieder zu normalen Berhâlt- en zu kommen. Namentlich, ist man in der Tetlung der Ge- ‘indeweide zuweit gegangen; man wird durch Scaffung vou [menden noch Mietsland für die kleinen Leute auf dem Inde schaffen müssen. Die Generalkommission in Ostpreußen wurde en deu Wilen der meisten maßgebenden Personen der Provinz be- indet, und bie Entwicklung hat diesen Perjonen recht gegeben. Die nere Kolon'sation* wird in der Provinz dur die Aufhebung der ¡neraifommi}fion gefördert werden. : Damit schließt die Generaldiskussion. Jn der Spezial- bjaile gelangt das Geseß im einzelnen und {ließlich bei der (,samtabstimmung im ganzen nach den Kommissionsvorschlägen 1c Annahme. A | | Es folgt der Gesegentwurs über Zuständig- heiten in S chulsachen, der ebenfalls als mit der

nision vorberaten worden ist. - Referent Graf von der Schulenburg-Angern: Der (ntwurf bezwedt, namentli auf dem Gebiete des Schulbautvesens für Pie Rechtskontrolle gegenüber den Maßnahmen der Schulyerwaltung (rleichterungen und Bereinfachungen herbeizuführen und die auf tem (ebiete des Privatunterrihts und des Privatschulwesens bis jeut pblenden Nechtskontrollen neu einzuführen. i Fine Generaldebatte findet nicht statt. Jn der Spezial- nach dem Kommissionsantrag h ihren einzelnen Bestimmungen ebenfalls ohne Debatte (genommen, ebenso bei der Gesamtabstimmung das Geseß im ganzen. i Darauf berichtet Herr Kühn a st - Graudenz bei der ein- maligen Schlußberatung über die Denkschrift Der De Le Gift tert aus Ana des agelwetters in" Kreuznach n Jah e O1. die Denkschrift wird durch Kenntnisnahme für erledigt erflärt. Jn einmaliger Schlußberat ung wird von der Ministerial- erfügung wegen nderweiter Festsezung der Fahrkosten für jie Beamten der Auseinandersegungsbehörden, von der Aller- h¿chsten Verordnung, betreffend die Reisekosten Der Offiziere ind Mannschaften der Landgendarmie, sowie von dem Sîaats- ninisteralbeshluß vom 24. Juli 1913 zu den Ausführungs- estimmungen für die Vorschriften über die Reisekojien Der cinatsbeamten" vom 24. September 1910 Kenntnis genommen. SŸhluß gegen 3, Uhr. Nächste Sißung unbestimmt.

Haus der Abgeordneten. 37. Sihung vom 27. Februar 1914, Vormittags 11 Uhr. (Berit von Wolffs Telegraphischem Bureau.) ; ét a m v

Veber den Beginn der Sihung jt in der gestrigen Nuinmer d, Bl. berichtei worden.

Das Haus seßt die Spezialberalung des Etats der Yauverwaltung, und zwar zunächst die allgemeine Besprechung m Anschluß an den ersten Titel der dauernden Ausgaben Gehalt des Ministers“ fort. :

Abg. Geisler (Zentr.): Bet den Staatsbauten wird eine große nzahl von Arbeitern beschäftigt. Es muß aber auch daraus gesehen verden, daß bei ibnen die heimische Industrie zu ihrem Rechte fommt. Das gilt ganz besonders für meinen Wahlkreis, wo eit Jahren die Steinarbeiter fich in einir besonders mißlichen Lag? befinden. Wenn hier Feine Aenderung eintcitt, dann müßten die Leute auswandern oder h minderlohnenden Industriezweigen zuwenden, wie der Weberei, dle fie früber ausgeübt haben. Gerade hier macht fich das Darnieder- liegen der privaten Bautätigkeit bescnders bemerkenöwert. Pter hat der Staat zuerst die Pflicht, einzugreifen. Dazu kommt, taß uns eitens Scwedens und Norwegens im Steinmaterial etne große Kon-

furrenz gemalt wird. Der Staat sollte hier darauf sehen, daß möglichst einbeimi!ches Matertal benußt wird. Hier sind andere Staaten wie 2. B, Württemberg und Baden vorbildlih vorgegangen. Auch in Sachsen baben in leyter Zeit Ausfchreibungen sta1tgefunden, in denen besonders hervorgehoben worden ist, daß Anerbietungen von ndustrien außerhalb Sachsens keine Berüdcsichtigung finden werden. Was dort geschicht, sollte auch für Preußen möglich sein. Das liegt au im Interesse des Mittelstandes, da in den betreffenden Gebieten, wo unsere heimi!he Industrie unterstüßt wird, auch die Kaufkraft der Bevslkerung wächst. Minister der öffentlichen Arbeiten von Breiten ba h: Meine Herren! Ueber die Frage der Verwendung heimischer Baustoffe habe ich mich bereits gestern des Näheren ausgelassen, ins- besondere über die Verwendung \chlesisher Steine. Cs besteht die ausdröckl:che Vorschrift, und sie wird auch im ganzen Osten ange- wendet, daß bei Ausführung von Staatsbauten das {ch{lesische Stetn- material vorzugsweise Verwendung finde. (Bravo !) Das g?:schieht aud), soweit wir nit mit ven Anregungen in Konflikt geraten, ite Herr Freiherr von Maltzahn soeben hinsihtlich des Luxus der Staats- bauten gegeben hat. C ie Anschauungen in diesem hohen Hause über die Auss\taitung der Staatébauten haben- im Laufe der Jahre außerordentli ge- weGselt. Es hat cine Zeit gegeben sie liegt noch nicht sehr weit zurück —, ln welcher der Staatsbauverwaltung ter Vorwurf gema§ßt wurde, daß sie thre Staatsbauten zu ärmlih ausftatte ; sie würten nicht nur sür die Gegénwart gebaut, sondern fie sollten gewissermaßen Denkmäler sein, an denen fih noch die Zukunft erfreut. Dann trat im Jahre 1907/08 in diesen Auffassungen ein starker Wandel ein, 1.nd der Staattregierung wurde der Vorwurf gemacht, das fie bei Ausführung der Bauten zu opulent sei. Daraus hat die Staatsbauverwaltung die Lehre gezogen, daß sie sich auf der mittleren Linie zu bewegen babe. (Heiterkeit. ) Die beiden Bauten, deren Herr Fretherr von Malyahn eben GErwähnurg getan hat, das Oberpräsidium in Stettin und der Er- veiterungsbau des Oberpräsidiums in Breélau, bewegen sich auf dieser mittleren Unie. Der Erweiterungséau in Breslau um das glei verweg zu nehmen ist nur ein Erweiterungsbau für Bureau- ¡wecke des Oberprästdiums und wird ganz im Sinne der Sparsamkeit ausgeführt, wie dies hier soeben betont worden ift. Daß die Grund- erwoerbskosten crbeblich sind und stark zu Buähe lagen, wird in heutiger Zeit nicht wverwunderlih sein, ‘da die Obe1präsidien meist im Brennpunkt des Verkehrs gelegen sind. (Sehr richtig!) Aber auch das Oberpräsidium in Stettin wird fich nach den mir vor- geleaten Bauvlänen durchaus innerhalb der Grenze bewegen, die Herr Fretßerr von Malhzahn gezogen hat. i, Herr Abg. Geisler hat eine andcre Frage berührt, der ganz ¡weifellos eine erheblide Bedeutung betzumessen ift. Gr hat im Hin- blick auf das Vorgehen anterer Staaten, auch Bundesstaaten, den Wuns geäußert," daß bei den Vergebungen diejenigen aus-

deren Heimatstaaten ih gegenübec der Verwendung preußischen Materials ablehnend verhielten. Meine Herren, ih möchte dec Meinung Ausdruck verleihen, daß Preußen als größter Bundesstaat die Verx flichtung hat, auf alle Bundetstaaten, die eine solhe Praxis befolgen, dahin einzuwirken, daß fie mehr sich unjerer Praxis an- schließen, die dahin geht, die Erzeugnisse aller’ anderer Bundesstaaten auch in Preußen zuzulassen. Es ift selbsiverftändlich für uns ret \hwierig, an unserer Uebung auf die Dauer fesizuhalten, wenn wir

bei anderen Bundesstaaten einer entgegengeseßten Praxis begegnen. Aker wir dürfen uns nicht irre machen und -nicht von dem Wege ab- lenken lassen, den wir für den rihtigen halten: Beeinflufsung der Bundesstaaten in unserem Sinne. Ih meine, das entspricht der Stellung Preußens im Reiche.

Jh wende mi dann zu den Ausführungen des Herrn Akg. Freiherin von Malgahn, die ja ein sehr weites Gebiet betrafen und eine Reihe von erheblichen Fragen berührten.

Die Frage des Küstenshuzes will ih auch nur streifen. Sie ist in der Sonderkommission, die si mit der Vorbereitung der Not- standsaktion beschäftigt, behandelt worden, und fovtel mir bekannt, hat der Herr Minister des Innern bereits ausgesprochen, daß eben

Frage, die : Freliberr von Malyzahn berührte, die Frage, die Frage, die Herr Frelh Bz / 0 inwieweit der Staat in Zukunft mit eigenen Mitteln an der Her- tellung dieser Bauten beteiligt roerden solle, einer weiteren Prüfung unterworfen werden foll. : e : Die Frage der Anlage von Fischereihäfen habe id geftern {on berührt; ih babe meine Bereitwilligfeit ausgesprochen, dieje Frage mit den beteiligten Ressorts allgemein zu prüfen.

Was die Ablagerung von Baggererde betrifft, die im Zus sammenhang mit der Förderung der Fischerei erörtert worden E fo darf ich feststellen, daß die Wasserbauverwaltung in dieser Frage sehr vorßicitg vorgeht. Die Ablagerung ton Baggererde bei den binnen- ländischen Wasserstraßen erfolgt meist erst nach Anhörung von Sach- verständigen, und so soll auch in Zukunft vorgegangen werden.

Herr Abg. Freiherr von Malyahn wünfcht dann weiter, ih möge darauf hinwirken, taß in die Bauordnüngen eine GBeneraldispen®t- flausel aufgenommen werden möge. Meine Herren, ich hake bereits im Jahre 1909 einen Ezlaß herausgehen lassen, der diesem Wursche Rechnung trägt. (Bravo!) Nach den Fesistellungen meines Vessorts ift der Anregung dieses Erlasses vom Jahre 1909 auch bereits in weitem Maße entsprohen worden. Die Konservierung des Strohdaches findet au bei der Stiaatsbauverwaltung lebhafte Sympathien (Bravo), und es ist auch in demselben Jahre 1909 ein hicrauf bezüglicher Erlaß hingus- gegangen. - Freilich find einige Fragen noch imnier ungeflärt 0e- blieben, namentlich was diz dauernde Feuersicherheit der imprägnierten Strohdächer betrifft. 5 : i

Daß die Staatsbauverwaltung mit allen Kräften bemüht sein muß, die heimische Bauweise zu fördern, versteht sih in heutiger Zeit bei den Auffassungen, die jeßt in Geltung sind, ganz von selbst. Die Einwirkungen, die in den leßten Jahren von meinem Ressort ausgegangen sind, bewegen sich in dieser Nichtung, und i kann mich ten Ausführungen des Herrn Freiherrn von Maltzahn nur anschließen,

2 R ! J D R ck u“ daß an so prominenten Orten, wte es unsece wundervollen Städte an der Seeküste find, dieser Frage ganz besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden muß. (Bravo!) Fch darf hierzu bemerket, daß die Bauberatungsstclen tn allea Provinzen durch mein Ressort leb-

4 Res A E A hafte Förderung erfahren, nicht nur durch Grlofse und freundliche Worte, sondern au durch gelt lihe Unterstüßung, So soll auch in Zukunst verfahren werden. (Lebhafter eifall.)

Abg. D r. Ke il (nl.): Die Handhabung der Bestimmungen über den Heimaishuß dur die Baupolizei hat vielfa zu einer weren Schädigung der Allgemeinheit und der Industrie geführt. S es mit Freuden zu begrüßen, wenn man den historischen SYara uar einer Gegend zu erhalten sucht, aber man sollte do in diesem Be- streben niht zu weit gehen. Die Rücksicht auf wirtschaftliche Inter- essen sollte beim Heimatshuß nicht ganz außer aht gelassen werden. Fn meiner Heimatstadt wurde ein Bau, dessen Fundamente son längst gelegt waren, auf Anregung der Heimatschußleute durch den Regierungspräsidenten einfach sistiert. Grst durch etne Gntscheidung des Oberverwaltungsgerichts wurde der Bau wieder freigegeben. Der- artige Auswüchse der an sich sehr shönen und berechtigten Bestrebungen des Heimatschußes können durch eine zu weitgehende Ausge taltung und Anwendung des Gefeßes zu einer schweren Schädigung der Diegelei- industrie führen. Durch die einseitige Bevorzugung der hohen Diegel- dächer ist eine derartige Ueberprodukttion hervorgerufen worden, daß darin eine neue Gefahr für die Ziegeleiindustrie liegt. Auf die be- troffenen Industrien hat ein Wort des Ministers 1m vorigen Sommer wahrhaft erlösend und befreiend gewirkt, als er die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen betonte. Ich habe den Auftrag, im Namen der beteiligten Kreise den wärmsten Dank hierfür auszusprechen, Wir boffen, daß das Wort des Ministérs auch in der Praxis von den nach- geordneten Organen befolgt werden wird. Wenn es dazu kommt, daß man das Heimatschußgeseß revidieren muß, dann empfehle ih der Negierung die württembergische Bauordnung vom Jahre 1910 in thren Artikeln 97 und 98. Auch die eht preußischen Leute können von ihren süddeutschen Bundesbrüdern noch etwas lernen.

Abg. Flathmann (nl.): Ih möchte dem Hause im Interesse der Gemeinde Lehe dew? Antrag meiner Fraktion ans Herz legen. Ein “ganz besonderes Hemmms- fux eine zukünftige CEntwick- luna Lehes is, daß Lehe durch die Vereinbarung mi! Bremen vollsländig von der Weser abgedrängt worden ist. Der Bremer Senat konnte mit Mecht darauf Hinweisen, daß dieser Nertrag das Größte gewesen ist, was Bremen in den leßten hundert Jahren erreiht hat. Die wirtschaftliche Lage der Gemeinde Lehe wird von Tag zu Tag unerträgliche«. Besonders sind es die hohen Volks- {hullasten, die Lehe drücken. Mehr als die Hälfte der Kinder, die dort eingeschult werden müssen, sind Kinder von Eltern, die in Bremer- haven beschäftigt sind. Lehe hat sih immer mehr zur Arbeiterstadt ent- widelt. Die Einwohnerzahl von Lehe hat seit dem Jahre 1907 um ctwa 20 % zugenommen. Die Steuerkraft hat eine Steigerung von 33 % erfahren. Die Volks\cullasten aber sind, auf den Kopf der Be- völkerung berechnet, troßdem sehr gestiegen. Die Gemeinde kann die Steuershraube niht weiter anziehen, sonst würde „uo „mancher fräftinge Steuerzahler nab Bremerhaven übersiedeln. Von einer An- siedlung von Industrie würde Lehe wahrscheinlich wirtschaftlich keinen Norteil haben. Die Auslegung der Bestimmungen des Staatsöver- trages vom 21. Mai 1904, die die Verteilung der Schullasten be- treffen, wona ein Teil auch von Bremerhaven getragen werden soll, ist jeßt cine einseitige zuungunsten der Gemeinde Lehe. Jch bitte des- halb, unseren Antrag einer Konmission von 28 Mitgliedern zu über- weisen, damit wir dort noch im ien die Dinge besprechen können.

Unterstaats\sekretär Dr. a herr von Goels von der Brügghen: Die hier angeschnittene Frage betrifft nicht allein das Ressort der Bauverwaltung, es haben da auch andere Ressorts mit- zusprechen. Die beteiligten Ressorts sind gewillt, das Znteresse der Stadt Lehe zu wahren, und es is an die Provinzialbehörden sowie den Regierungsprästdenten der Auftrag ergan e L En Grund- lagen zur Vertretung des Standpunktes der Stadt Lehe estzustellen. Dann erst wird es möglich sein, mit Bremen-{zu-verhandeln und die

dem leßten Bericht fehlen zum Teil diese Grundlagen noch. Che diese beschafft sind, kann ein Erfolg der Verhandlungen mit Bremen nicht in Aussicht gestelli werden. Jn der Kommission wird es 1a möglich fein, den neucsten Stand der Sache mitzuteilen. Mit bezug auf die Ausführungen des Abg. Dr. Keil möchte_ih die Erklärung wieder- holen, die con früber einmal an dieser Stelle abgegeben worden ist, daß es die Ansicht des Ministers ist, daß selbstverständlih bei der Handhabung des Heimatschußes alle wirt\chaftlichhen Interessen ge- \hüßt werden müssen, Er würde es mt billigen, wenn von irgend einer Seite grundsäßlih gegen das fläde Dah Stellung genommen werden würde. Das Heimaischußgeseß hat schon jeßt gute Folden ge- zeitigt; ih kann eiwähnen, daß fast alle landshaftlih s{chönen Wege unseres Landes durch Polizeiverordnungen geshüßt worden sind, Wenn Neklameschilder verboten wérden, so kann nicht von der einjettigen Schädigung einzelner Industrien - die Rede sein, denn dieses Verbot trifft ja alle gleichmäßig. Sollten sih aber Auswüchse des Heimat- \chubes ergeben, wie fié ja tatsählich in einzelnen Fällen vorgekommen sind, dann wird der Minister einschreiten. Mehr aber kann der Minister nicht zusagen. Abg. Dr. Jderho f f (freikons,): Der Antrag hat bereits im vorigen Jahre der Unterrichtskommission vorgelegen. (&s wurde be- chlossen, den Antrag von Lehe in dem Sinne der Hegierung zu überweijen, daß das im Artikel 27 vorgesehene Schiedsgericht an erfannt werden möge. Das Haus ift damals dem Antrag einsttmnug beigetreten. Die Regierung hat diefen Beschluß jedoch nicht zu ihrer eigenen gemat, deshalb ift die Angelegenheit in diejem Jahre wieder aufgerollt worden. Wir sind. den Antragstellern dantbar dafur, um |o mebr, als wir vom Regierungsvertreter gehört haben, daß doch Aus- sicht auf eine günstige Erledigung -der Angelegenheit vorhanden ist. Der Antrag ijt deshalb an eine Kommission zu verweijen. Jch zweifle nicht, daß für die Stadt Lehe etwas herausfommen muß. Auf Grund des Vertrages, den die Regierung mit Bremen abge|chlosien hat, ist für Lehe geradezu eine Notlage vorhanden. Wir mussen ent- weder vom Staate Bremen mehr erreichen, oder es muß durch Preußen für Lebe etwas geschehen. Wenn der Abg. Flathmann unjere Stel- lungnahme wegen des Mittellandkanals als verfehlt bezeichnete, jo möchte 1ch thn doch darauf aufmerksam machen, daß unsere Stelung- nahme einem Kompromiß entspricht, das damals zustande gekommen ijt. Die Diskussion wird geschlossen. Der Titel des Minister- aechalts wird bewilligt. Der Antrag Flathmann wird der Ünterrichtskommission überwiesen. Beim Kapitel „Bauverwaltung“ führt S Abg. Conrad t- Breslau (kons.) aus: Die Handwerker wunschen, daß die Vergebung der Bauarbeiten mehr als bisher in kleineren Lojen ge\chehen soll. Das geschieht in dankenswerter Weise, soweit es }1ch um Schulbauten handelt. Die Schleusenmeisterhäuser werden zedoch an Generalunternehmer vergeben. Jh möchte die Negierung bitten, auch hier die Handwerker durch Vergebung der Arbeiten in kleineren Losen zu berückhchtigen. Die Handwerker dürften dafur der Negterung fehr dankbar sein. Es kommen hier namentlih die Handwerker kleinerer Städte in Frage. Wenn es möglich ist, die Arbeit bei großen Arbeiten in kleineren Losen zu vergeben, fo sollte das auch bei weniger umfangreichen Arbeiten möglich sein, z. B. bei Buhnenbauten uw. In Striegau haben sich die Handwerker zu einem Lieferungsverbande zusammen geschlossen und nehmen felbst eine Verteilung in kleineren Losen vor. Die städtishen Behörden in Striegau snd mit der Ausführung der Arbeiten stets zufrieden gewesen. In ähnlicher Weise fönnte auch bei den Staatöbauten verfahren werden. Vie Handwerker flagen jedo weniger über die Vergebung der Arbeiten bei den Staats bauten, als vielmehr über die Vergebung dur die städtischen Kom- munen. Sollte es niht möglich sein, die städtishen Körperschaften zu bewegen, dem Vorgehen der Regierung zu folgen? “Das wäre für den Handwerkerstand von außerordentlich großer Bedeutung.

Abg. Hasencleve r (nl.): Jh möchte die Anregung geben, das neuzushaffende Kanalamt zur Regelung der Schlepptarife, für welche

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bereits drei MNäte angefordert werden, in eine der Kommunen am Nhein—Herne—Kanal zu verlegen. “«Jeh: möchte bitten, ‘die Stad? Gelsenkirchen zu berücksichtigen. Dieser Drt würde am besten geeignet ein. | Abg. Hu e (Soz): Bei dem Bauarbeiterschuß handelt €s fi um die Gesundheit von Tausenden von Arbeltern, und man sollte diese Frage nicht vom Pauteistandpunkte aus behandeln. Allerdings ift die 2ahl der Unfälle in Bayern höher als in Preußen, ober es ist au nicht zu verkennen, daß seit der Anstellung der Arbeiterkontrolleure Tie Zahl der Unfälle ganz erheblich zurückgegangen ist. Diese Bau- fontrolleure haben au ganz wesentlich zur Verbesserung ter bygienischen Einrichtungen beigetragen. Das darf man au nicht unterschäßen. Abg. von Bülow - Homburg (nkl.): Das Anwachsen der vier- und fünfstöckigen Mietskaserncn ist nibt nur in den Vororten von Berlin zu konstatieren, sondern die Mietskascrne ist auch schon auf das Land binaus gedrungen, z. B. ist sie in cinem fleinen Orte von 10 009 Einwohnern ‘im nliedèrschlcsisWen Kohlenrevier zu finten. Durch die Bauordnung follte die zulässige Geschoßzahl nah dec Ein- wohnerzahl der Orte abgestuft werden. Ich halte es für dringend notwendig, daß das sächsische Gese, das diese Frage regelt, auch in Preußen Nachahmung findet, zum Wohle unserer Bevölkerung. Unterstaats\ekretär Dr. Freiherr von Coels von der Brügghen: Wir treten gern der Ausnußung des Grund und Bodens durch Errichtung von vter- und fünfsiökigen Häusern, foweit dies wirtschaftlich mögli ist, entgegen. Die Polizeiverordnungen find aber Sache der Selbstverwaltung, und der Minifter muß auf diesem Gebiete einen mittleren Weg gehen. Ueber die Arbeiterbau- fontrolleure hat si der Minister schon gestern cinleuhtend ausgesprochen. Eine Statistik des Neichsversicherungsamtes weist na, daß durch die Einführung der Baukontrolleure die Zahl der Unglückefälle in Preußen ebenso wie in Vayern zurückgegangen ist. Die darin mit- getetlten Zahlen spreben niht zu Ungunsten der Baukontrolleure. Bet den Häusern der Schleusenmeister find zum Tell {on die Hand- werker berüdsihtigt worden. Der Minister wird auch in Zulu f dafür Sorge tragen, daß den Wünschen der Handwerker nah Mög- lichkeit Nechnung aetragen wird. Eine Entscheidurg über den S1 des Kanalamtes ist bisher noŸH nicht getroffen worden. Ob dem Wunsche des Abg. Hasenclever stattgegeben werden wird, kann ih jeßt noch niht sagen, denn es haben fh selbsiverstäntlih um dieses Kanalamt auc andere Pläße beworben. i E Abg. H u e (Soz.) bemerkt, daß, wenn 1n Bayern dîe Zahl der Unglücksfälle höher is als in Preußen, dies auf die Gewohnkeit der Bevölkerung, namentlih auf den stärkeren Alkvholgenuß zurü zuführen set. , i Bei den Ausgaben für die Unterhaltung der staatlichen Dienstgebäude tritt , e Abg. Linz (Zentr.) füt den Bau eines neuen Regier 1ngsgebäudes in Wiesbaden ein und \chcildert die mißlihen räumlicwen Verhältnisse des jeßigen Regierungsgebäudes. : Geheimer Oberbaurat Saran: Es ist richtig, daß der baulidhe Zustand des RegierungLgebäudes in Wiesbaden durchaus nicht mehr etnwandsfrei ist. Cs tit der Stadt Wieebaden auch ein Bauplan vorgelegt worden, er hat aber nicht die Zustimmung der Stadt ge- funden, weil er niht den modernen Anschauungen der Städtebaulunst genügte. Die Stadt Wiesbaden hat dann mit Zustimmung der Re- gierung einen Wettbewerb ausgeschrieben, und es siad zwet Baupläne eingelaufen, die für geeignet befunden wurden. „Die Negterung wrd dafür sorgen, daß der Bau so bald wie möglich in Angriff genommen wird. A L Bei der Unterhaltung der Seehäfen und Seeschiffahris- straßen bemerkt l n von Wenden (kons.): Die Hafeneinfohrt von _Kolberg muß unter allen Umständen vertieft werden. Der jegige Zustand be- deutet eine erheblide Schädigung der Kolberger Kaufmannschaft. Mir müssen diesen Wunsch hter so lange vorbringen, bis er bei der Regierung Gehör findet. Den Einwand der Regierung, daß fich die erbebliden Mittelz"die dazu! aufgewendet werden müßten, nicht ren- tieren würden, kann ich nit als zutreffend anerkennen. Könnten die

ländischen Bewerber vom Zuschlage ausges{lossen werden sollten,

Wünsche Lehes auf das nachbrüclichste zu

vertreten. Nach