1914 / 54 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Mar 1914 18:00:01 GMT) scan diff

sondern Viertel- und halbe Stunden sich über eine Gesellschaft urterßält, die am Abend vorher stattgefunden hat (sehr richtig! rets) und nicht taran tenkt, doß nun zehn andere Menschen dringend darauf warlen uxd immer wieder abzewotescen werden. (Sehr richtig! rechts.) Das ijt der Uebelstand des jeßigen Tarifs sprechen wir das ofen aus —, und als er abgeändert werden sollte- ten Sie (nach links): wte kann man auf die Idee kommen, für ein 1zelgespräch eine Taxe zu erheben? So mar doch die Sache. Sie sagten: Wie kann man dem ZigarrenHändler sein Telephon abschneiden und mehr von ihm verlangen, er muß seinen Kunden tas Telephon umsonst geben können. Das waren Ihre Einwände (nach links), daran ist die canze Sache gesckeiter. Nun maten Sie uns doch keine Borwürfe darüber. (Heiterkeit linke.)

Wenn dann ter Herr Abg. Kiel gemeint hat, daß die Paket- deförderung \chlecht sei, weil wir keine Wagen cinstellten und keine Postzüze abließen, so ist das unrichtig, so hat er mih gestern auch voUlsiändig unrichtig verstanden. Ich habe gestern nur von \{chne!l- fabrenden Zügen gesprochen, daß in denen die Paketbeförderung be- {ränkt sei, weil dort nicht mehr Wagen eingestellt werden fónnen. Aber selbstverständliß stellen wir zur Beförderung der Pakete schr viel BVeiwagen cin und haben auch Postzüge für die Be- förderung.

Wenn tann aber der Herr Akgeortnete hervorg-Foben kat, daß es ibm so seine, als wenn die Einnahmen künstlih etwas niedrig be- rechnet wären und zwar in der Absicht, um die Wünsche der Beamten nach Gehaltserhöhung nicht aufkommen zu lassen, so muß ich dem ganz entschieden entgegentreten. JIch wundere mich, daß er gerade in diesein Jahre den Mut hat, das zu behaupten, wo wir beinahe mebr, als die Steigerung der Einnahmen des Etats beträgt, zur Ver- wendung der Beamten bestimmt haben. Wie der leßte Herr Vor- cedner angeführt hat, werden in dicsem Jahre 41 Miklionen mehr an Perfonalausgabzn angefordert, und da darf man einen folchen Vor- wurf, wenn auch nur verhüllt, nicht aussprechen ; denn das find fest- stehende Tatsachen.

Wenn dann der Herr Abg. Kiel gemeint hat, die Petitionen seien ein Zeiten dafür, daß noch nit genug für die Beamten ge- heben sei, fo gratuliere id ihm dazu, wenn er als Echo auf diese Ausführungen nech recht viele Petitionen erhält. Jedenfalls hat der Herr Abg. Kiel auch die Sache ganz falsch aufgefaßt, wenn er gesagt hat, daß die Absendung von Petitionen verboten set oder

daß man die Erlaubnis dazu erst von der vorgesetzten Behörde einholen fol. Davon ist nie die Rede gemesen, ebensowenig

davon, daß die Herren Abgeordneten nicht in die Versammlung gehen sollen. Ich hindere die Herren Abgecrdneten gar nicht, dies zu tun. (Zuruf.) Das ist ja Geshmacksache, aber ich habe mich ge- wundert und wundere miß noch, daß Mitglieder dieses hohen Hauses dorthin gegangen sind und nah ten Wünschen, die ihnen dort vorgetragen worden und ohne Kenntnis, wie die Verwaltung zu diefen Wünschen steht, also nur nah Anhörung des einen Teils, ein Urteil über die Berechtigung dieser Wünsche ausspreWßen. Jh wundere mich darüber, weil das weder im Interesse ter Abgeordneten, noch im JInteresse der Beamten liegt.

Dann ist weiter von dem Herrn Abgeordneten der Wunsch betreffs ciner telepbonisGen Verbindung mit England ausgesprochen worden. Diese Frage b:\ckäftigt uns {on seit Jahren, da sie außerordentli wißtig ist. Dea Herren wird auch bekannt sein, daß man längst \choa Versuhe damit gema@t hat, aber bis vor kurzer Zeit ist die Legung von Unterseekabeln von wenig Erfolg gewesen, weil sie nicht gut funktionierten. Erst vor einigen Jahren hat man von Calais nach Dover, also auf einer verhältnis- mäßig kurzen Stcecke, ein Kabel gelegt, das auch gut funktioniert. Aber der nötige Einbau von Pupinspulen ershwert doch die Legung sehr. Dann ist ein Kabel zwischen England und Belgien gelegt, und ¡war auf eine Entfernüng von 90 km, während es kei dem Kabel zwoischen Frankreichß und England nur 40 km gewesen find. Auch dieser Versuch ist gut gelungen. Auch wir haben Versuche mit Eng- land gemadt, aber es hat sih dabei herausgestellt, daß dieses Kabel dur den belgish-englis@en Verkehr fo stark benußt ist, daß eine

große Beteiligung unsererseits nicht möglich ist. , Jeßt wird zwishen England und Holland ein Kabel gelcgt, und wir

sind mit beiden Ländern in Verbindung getreten, damit wir dieses Kabel mitbenutzen dürfen. Hier handelt es sih aber hon um fast 200 km. Sollte dieser Versu auch gelingen, so wind man dazu übergehen, auch ein direftcs deutsches Kabel zu legen, wobei man

allerdings mit der Schwicrigkeit zu rechnen hat, daß es sich da um 450 km hantelt. Man muß vorsichtig vorgehen, da bei einem sfsolGhen Kabel große Summen in Betracht kommen.

Darüber aber möchte ih gar keinen Zweifel lassen, daß die Telephon- gespräche nah England recht kostspielig sein weiden; tenn da wird es ch wabrscheinlich um Beträge von 10 oder 12 bis 15 4 handeln, die jedes Gespräch von drei Minuten kostet.

Dann möchte ih noch einmal auf die Postagenten kemmen, die aub in dem Herrn Abg. Mertin einen so beredten Vertreter gefunden haben. Ec führte aus, daß die Postagenten noch immer nicht gut genug gestellt seien. Mir liegt nun daran, die Sache so zu klären, daß feine unrihtige Auffassung darüber besteht, was wir be- zahlen. Meine Erklärungen sind dahin aufgefaßt worten, als wenn wir für die Hergabe von Näumen und die Lieferung von Amtsbedürf- nissen nichts zahlten. Das ist nicht der Fall, sond:rn wir zahlen für alles, was der Agent leistet, aber wir zablen für alles in einer Summe. Wenn ein Agent, der eine Postagentur mit garz geringem Verkehr

val 500 # ronnt, 0 E di Sl vavon für die Hergabe von Raum und für de Leferung -der L'cht, Bindfaden usw., bestimmt. Nur

Amtébeckürfnisse, alfo wenn die Agentur so groß ist, daß {hon der Höchstbetiag von 1200 4 gegeben wird, dieser aber k.ine ausreichende Entshädizung für die persönliGßzn Diensileistungen und für den Dienflraum und die Amts- bedürfnisse bildet, so wird für diese leßteren eine Vergütung aus einem besonderen Fonds bewilligt, den wir vor einigen Jahren mit Ihrer Zustimmung gc\chazffen haben. Infolge dieser Regelung entsteht nun

bei den Agenten vielfah die Meinung, daß einem Teil von ibnen für Raum und die fonstigen - Dlensturkosten nichts be-

zahlt würde. Das ist aber irrig; denn w:nn der Betrag für diese Nebenleistungen auh bei den Postagenten, die dafür keine Ver-

gütung aus ten bescenderen Mitteln erhalten, besonders aufgeführt würde, dann würde eben für ihre etgentliße persönlihe Leisturg

reeniger zu rcchnen sein.

\prätbe nit cinzeln bezahlt werden, mander nicht Minuten,

“F möchte au darauf aufmerksam mae, daß die Agenten die Agenturen uit gern aufgeben. SJedesmal, wenn infolge zu starken Verkehrs die Umwandlung eixer Agentur in Frage sieht, dann wird von den Agenten die dringende Bitte an uns gerihtet, dec davon. Abstand z14 nehmen, da sle auch der vermehrten Tätigkeit noch vorsiechen könnten. Das ist auch ganz erflärll. Wenn wir uns die Verhältnisse einmal an- sehen, dann ist auf dem Dorfe oder in einem kleinen Ort eine Neben- einnahme von 1400 oder 1500 4 doch eine Einnahme, auf die ein kleinerer Ges{äftstreibender oder ein Lehrer niht vezrzihten möchte.

Also zwischen dem hohen Hause und der Verwaltung besteht Ein- verständnis darüber, daß wir die Agerten fördern wollen, soweit es geht. Wir können aber {leßlih nicht etwas für fie verlangen, was üter die Bedürfnisse hinausgeht und dem Unterschiede, dec zwischen einem Beamten und einem Agenten besteht, nicht Rechnung trägt. (Bravo! rechts8.)

Abg. Brand ys (Pole) bittet die Verwaltung, dafür Sorge zu tragen, daß bei dem Verladen und bei dem Transport der Pakete mit diesen vorsihtiger umgegangen werde, damit Beschädigungen und andere Unzuträglichkeiten vermieden werden. Der Anfkunft- und Aus- gabestemvel sollte wieder eingeführt roerden. Im vorigen Jahre habe das Haus eine Resolution angenommen, den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß das Porto für Soldatenpakete bis zu 5 Kilo- gramm in Forifall kommt. Der Bundesrat hat das abgelehnt. Der Hinweis auf die Finanzlage kann aber doch hier unmöglich den Aus- schlag geben. Die russischen Ortsbehörden haben Briesschaften ange- halten und nicht bestellt, in welchen sie eine Aufforderung zur Aus- wanderung an russische Untertanen erblicken. Jch ersuche die Ver- waltung, diesen Uebelstand abzustellen. Als gerecht anerkennen und befürworten muß ih die Wünsche wegen Besserstellung der Post- agenten. Schon mancher Agent i} später Postbeamter im Haupt- amte geworden. Ihr Verlangen höherer Entschädigung der Leistung und die Forderung eines Urlaubs sind durchaus berechtigt. Auf dem Lande muß der Telegraphendienst mindestens bis abends 7 Uhr ver- längert werden. Der Postdienst muß sfih nach den ankommenden und abgehenden Eijenbahnzügen richten; die Regelung des Dienstes nach einer bestimmten Schablone is auf dem Lande nicht angebracht. Beschwerde führen müssen wir abermals wegen der Zurücksezung und \hlechten Behandlung des polnischen Volksteiles auch auf dem Ge- biete der Postverwaltung. Die Klagen über scikanöse Behandlung und verspätete Bestellung polnisch ädressierter Briefschaften bestehen noch immer fort; wenn ihre Zahl auch geringer geworden ist, fo hat die ungerechte Behandlung der polnischen Sprache deshalb nicht auf- gehört. Die Post ist keineswegs frei von dem System der Nadel- stihpolitik gegen die Polen. (Der Nedner führt dafür Beispiele an.) Auch im Punkte der Anstellung werden die Polen nicht gerecht behandelt. Ein Beamter polnischer Nationalität wird, wenn er irgendwie an den Tag legt, daß er auf seine Nationalität etwas hält, gemaßregelt und in deutsche Gegenden verseßt. _Im preußischen Abgeordnetenhause ist konstatiert worden, daß der Ostmarkenverein in dieser Beziehung eine denunziatorishe Tätigkeit verwerflichster Art entfaltet hat. Jeßt ¿ehört nur ein ganz geringer Teil der Beamtenschaft in den polnischen Provinzen der polnishen Nationalität an. Die in deutsche und pro- testantishe Gegenden verseßten polnischen Beamten flagen, daß ihre Frauen und Kinder sich in der neuen Heimat höchst unglüdlih fühlen. Gesuche um Wiederverseßung in die alte Heimat werden aber prompt abgelehnt. Die Beamten dürfen gar nicht polnisch sprechen, sie dürfen auch nit einmal polnisch verstehen; sie haben also einen {weren Dienst. Die Ostmarkenzulage ist seinerzeit in Preußen aus politischen Gründen eingeführt worden und das Meich hat sih 1908 dem ange- \{lossen. Jeßt sind die Ostmarkenzulagen durch die Budgetkommission estrichen worden, und wenn jeßt die Wiederherstellung beantragt ist, Ñ werden wir dagegen stimmen. Damit treten wir nicht gegen die Beamten auf, sondern wir wollen damit die preußische Antipolen- politik verurteilen, und wir bitten den Reichstag, wie im vorigen Jahre, auch diesmal wieder die Ablehnung auszusprechen.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Ich folge dem Herrn Vorredner nicht in seinen Betrachtungen über die Ostmarkenzulagen, weil sich dazu b." dem be- treffenden Titel im Etat noch Gelegenheit bieten wird. Jh möchte nur einige Bemerkungen des Herrn Vorredners trichtigstellen.

Der Herr Vorredner hai hier ausgesührt, daß ich vom Ost- markenverein eine Liste von Beamten bekommen bätte. Ich bin noch nie mit dem Ostmarkenverein in Verbindung getreten (hört! hört! rechts), habe nie eine Liste bekommen. Die Behauptung ist also nit zutreffend.

Ich muß ferner anführen, daß bei Verseßung:n von Beamten stets darauf Nücksi{t genommen wird, daß sie ihrem religiösen Be- dürfnis Nechnung tragen fönnen. Ich würde es für falsch halten, wern ein Beamter, ein böherer Beamter oder Unterbeamter, an einen Ort verseßt würde, wo er nicht seinem religiösen Bedürfnis nach- fommen kann. Das würde \ofort von der Zentralstelle abgestellt werden. Llo auch das ist nicht zutreffend.

Wenn der Herr Abgeordnete gesagt hat, daß Verseßzung8gesuchen von Bean1ten nicht entsproGen werde, fo kann ich ihm nur sagen, daß jedes Gesuh eines Beamten von der betreffenden Oberpost- direktion geprüft und daß ihm möglichst entsprochen wird, wenn keine Bedenken dagegen obwalten. Es ist auch vorgekommen, daß folhe Gesuche an das Reichspostamt gegangen sind. Sie sind geprüft worden, und es find mir Fälle bekannt, wo diesen Wünschen von der Zentralbehörde entsprohen worden ist. Also auch dieser allgemeine Vorwurf kann nicht als zutreffend anerkannt werden.

Wenn der Herr Abgeordnete angeführt hat, daß Briefe nach Nußland, die Russen zur Auswanderung angeregt haben, nit bestellt worden seien, so kann ih ihm darauf erwidern: mir ist es bekannt, daß solhe Fälle vorliegen. Die russishe Regierung kann ihre innere Gesetzgebung nach eigenem Ermessen gestalten, darauf haben wir keinen Einfluß. Das russische Reich ordnet seine Verhältnisse, und wenn im Innern cin Gesetz besteht, daß Briefe, die zur Auswanderung auf- fordern, nicht bestellt werden dürfen, so ist die rufsische Postverwaltung bere&tigt und verpflichtet, tiese Briefe anzuhalten. Nur wenn deren Zurückseudung niht erfolgt oder zu spät erfolgt, können wir Vor- stellungen erheben, und das ist, glaube ih, au in einzelnen Fällen gesckWehen.

Wenn der Herr Vorredner seiner Meinung Ausdruck gegeben hat, bet der Bestellung von Sendurgen würde gegen Polen anders ver- fabren als gegen Deutsche, so ist das cin ungerechtfertigter Vorwurf- Wenn Zhnen zerrissene Briefe oder Sendungen zugegangen sind, fo deutet das niht darauf hin, daß etwa eine Kontrolle stattgefunden kat, das licgt ter Herr Akgeordnete wird das felbst zugestehen, wenn er h die Sendungen ansieht vielmehr häufig niht an {lechter Be- handlung dcr Briefe dur die Postverwaltung, sondern an der Ver- wendung s{lechter Umhüllungen, schle{chten Papiers. (Sehr richtig! reHts.)

Aba. Dr. Werner - Gießen (wirts{h. Vgg.): Die Ostmarken- zulage ist keine Korruptionszulage. Sie war notig, weil die preu- kischen Beamten sie erhalten haben. Es ist deshalb ungeretfertigt, den NReichébeamten jet auf cinmal diese. Zulage wieder zu nehmen.

am Main und Cöln haben die Postbeamten je 50 F Zulage erhalte!

Hoffentlich stimmt die bisher. ablehnente Mehrheit den Maßnabmez zu, die diese Zulage auf alle gemischtsprachigen Gebiete ausdehne; wollen. Die Geheimakten sind imfofern schon niht wünschenswert, weil der Beamte sih nit gegen darin enthaltene pngerehte Vorwürf verteidigen kann. Er untersteht also gewissermaßen einem - doppelt», Necht. Den Wünschen der Beamten nah Umordnung der Perfonz, ordnung nah preußishem Muster muß zugestimmt werden. Di, Schaffung der Postgehilfinnen bei den Postämtern 3. Klasse halte is für einen Versuch mit untauglichen Mitteln zu untauglihem Zwet Wenn der Staatssekretär auf sremde Länder hinweist, die sogar böber weibliche Postbeamte haben, dann können wir es ja vielleicht einm mit einer Staatssekretärin versuhen. Den Beschwerden über djs Laoe der Postagenten will ih nichts hinzufügen. Ich bin aber neu. gierig zu erfahren, wie das Verhältnis der Gehilfen der Postagentez ift, und wer sie bezahlt. Bei der Neujahrs- und Weihnachtsgratif;. kation sollte gleichmäßig verfahren und niemand ausges{lofsen werdey Es muß auch den pensionierten Postbeamten ermögliht werden, in dez Postkrankenkassen zu bleiben. Jch war erstaunt, als ih erfuhr, dz es in einer Reihe selbst größerer ländlicher Orte keine Sonntags: bestellung gibt. Bei den Postlagerbriefen spielt die Post bäufig die Nolle der Marthe Schwertlein. Man sollte es mit einer Erfschrwerüng des Legitimationszwanges versuhen. Es liegt nit im Interesse doz Mittelstandes, wenn die Postreklame in den Dienst von Waren- häusern und mittelstandsfeindlichen, ja sogar sozialistishen Blättern gestellt wird. Hier sollte der Staatssekretär mit einem quos egcg dazwischenfahren. Bei den Postzeitungsbriefen wird nicht übergl[ gleichmäßig verfahren. Die großen jüdischen Berliner Zeitungen bs, rußen diese Gelegenheit, um ständig sofort ihren Einfluß noch am selben Tage Abends von Berlin ab auszudehnen. Die „Schlesische Zeitung“ hat bloß auf Widerruf die Erlaubnis erhalten, sol Zeitungsbriefe abzusenden. Ich meine: Was dem einen recht if muß dem andern billig sein.

Mehr und mehr hat \sih ein Zerfallen des Zeitungêwesens in Berlin vollzogen; auch die „Vossische Zeitung“ ist in den Besiß von Ullstein übergegangen. Man sollle dafür sor daß die kleinen Zeitungen niht durch die großen aufgesogen we und man sollte die großfapitalistischen Wünsche niht berüksichtigen, die das Auffaugen der Éleineren Zeitungen nur begünstigen würden, In der Anerkennung der Leistungen der Reichspostverwaltung sind wir mit anderen Parteien einig.

__ Abg. Zube i l (Soz.): Der Staatssekretär hat im Falle Zabermn Bestrafungen der Beamten in Aussicht gestellt. Er hat sich über die Ausführungen des Abg. Cbert stark entrüstet und auf uns losgesc!lagen. Gr sagte, von unserer Seite würden {hwere Beschuldigungen gegen Be- amte erhoben und unwahre Behauptungen würden nicht zurückgenommen Es wird ihm {wer fallen, zu beweisen, daß wir unwahre Behauyp- tungen machen. Wo wir falsch berichtet waren, haben wir unsere Be- hauptungen zurückgenommen. Ich möchte den Staatssekretär fragen, ob fich die Portofreiheit auh auf den Aerzteverein bezieht. ein Kuriosum anführen. Im Ortsverkehr kostet eine Kilodrud sache als Paket 30 5; mache ih daraus vier Briefe zu 250 g, so kostet das Kilo bloß 20 §. Dem Wunsche des Abg. Werne auf Beseitigung der Frauenarbeit im Postdienst kann ih mi nicht anschließen, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse die Frau nötigen, den Mann im Erwerb zu unterstüßen. Fast

Frauen der Unterbeamten sind in Berlin gezwungen, im Erwerb? tätig zu sein, -weil die Gehälter ihrer Männer niht ausreichen, Mit der Einstellung von Beamtinnen, sollte die Verwaltung weiter vorgehen. Wir halten es auch für keine Herabseßung der Beamten, wenn eine Beamtin als Vorgeseßte funktioniert. Die Unterbeamten werden sich mit der Zeit damit abfinden; der Ton unter den Beamten wird auch dadurch gebessert werden. Nur müßten auch die Anstellunge und Besoldungsverhältnisse der Beamtinnen verbessert werden. Vor einer Vorgeseßten, die nur ein Gehalt von 75 M hat, können die Unterbeamten keinen MNespekt haben. nur im Falle Zabern geneigt, nah oben hin zu entschuldigen. Post- übertretungen werden mit dem Vierfachen des Portos und nit unter 3 H bestraft. Gegen einen reichen Fabrikbesißer van der Bosch, der Fernsprechnebenanshlüsse benußt und, als sie beseitigt waren, wieder hergestellt hatte und sich wiederholt der Gebührenhinterziehung \huldig gemacht hatte, ist die Postvèrwaltüng selbst bei der zweiten Gebührenhinterziehung micht eingeschritten, sondern es wurde ihm nur mitgeteilt, es liege wohl ein Mißverständnis vor. Das kann man bei einem Fabrikbesißer doch. niht annehmen. Nach unten geht die Ver- waltung sehr scharf vor und bestraft die armen Teufel sehr arf. Wird dagegen ein Beamter von einem reihen Manne beleidigt, so steckt der Beamte die Beleidigung ruhig ein, weil er gesellschaftlid mit ihm verkehrt. Jn bezug auf die Brieftelegramme bestehen leb- hafte Klagen über den langsamen Verkehr mit dem Rheinland un) mit Rußland, der auf Mangel an Personal und auf mangelhaft! Apparate zurückgeführt wird. Unsere Posiverwaltung spart imme an unrehter Stelle. Die Beamtenverhältnisse leiden ganz gleid- mäßig darunter, während sich, besonders in Berlin, das Aufsichts: beamtenpersonal in einer Weise häuft, die man als Arbeitsfraft- vergeudung bezcihnen muß. Die meisten dieser Aufsichtsbeamten ver- rihten lediglih Polizeidienste für die Verwaltung. Eine Verfügung, die die Bestallung eines „Verkehrsprüfers im Haupttelegraphenam begleitete, hat das cinwandsfrei bestätigt. Jn Berlin, in Frankfu

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in allen anderen Orten ist die Zulage geringer, in vielen kleineren Orten beträgt die Zulage bloß 10 =; auch in Groß Berlin bestehen zwischen Berlin und den Vororten die größten Unterschiede, indem in den Vororten nur 30 «5 gezahlt werden. Wozu überhaupt diese Differenzierung bei den untersten Schichten des Neichspostverwa tungspersonals, die doch z. B. bei den nichtangestellten Assistenten vorgenommen wird? Auch in Hamburg, Bremen, Altona sowie dem teuren Ort Kiel haben die Postboten nur 30 „5 oder noch wenig! Zulage erhalten. Ob man vor 1909 \chon den Dienst verri- tete oder erst nach 1909 ihn zu verrihten anfing, muß do gleihgültig sein; aber auch hier wird ein Unterschied gemacht. D ersteren bekommen 59 -95, die leßteren nur 30 «5 Zulage. Die Aus- helfer bekommen in Berlin die Stunde mit 30 5 vergütet, also : täglich; faum irgendwo gibt es eine \{lechtere Entlohnung vo! Arbeitskräften. Ein s\taatlihes Monopolinstitut wie die Post sollte sich nicht solhe Ausnußung des Arbeitsmarktes zushulden komme lassen; es ist auch keineswegs richtig, daß es sih dabei nur um aa! junge Leute handelt; es sind solche darunter, die schon 5 oder 10 Jah! Aushelferdienste leisten. In Stralsund und anderen Orten erha ten die Aushelfer nur 2,50 4, und dieser Diätensaß erhöht sich au nah 10 Jahren nicht; dabei müssen sie bei starker Inanspruchnahme des Unterbeamtenpersonals sehr oft auch deren Dienst versehen. Den Landbriefträgern 1n Ostpreußen ist neuerdings verboten worden,

ihre Bestellgänge Näder mitzunehmen, ein Erschwernis der \{limmst Art. Das Schaffnerpersonal der Bahnposten bittet um eine endlid Nevision der seit 30 Jahren unverändert gebliebenen Fahr- u Vebergangsgebühren. Dieses Personal ift außerordentlih überangt- itrengt; die Nervenkranktheiten haben bei den Bahnpostschaffnern aanz bedeutend zugenommen. Die Beiwagenbegleiter müssen im Winte: selbst in bitterster Kälte 6 bis 12 Stunden in ungeheizten Waagen ausharren. Jch hoffe, wenn es auch nicht gleich geschieht, daß in dieter Beziehung Remedur geschaffen wird. Jch denke dabei an meine (r fahrungen mit den Postillonen; ih habe jahrelang dafür plädiert, da? die Postillone zum Schuß gegen die Witterung warme Kleidung erbalten: ih wurde oft mit einer Handbewegung von dem Staat fekretär abgefertigt, aber die Postillone haben bekommen, was verlangte, und was sie noch mcht bekommen haben, werden sie b

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fommen, denn ih fomme wieder, ih habe ein ziemlich dies Fel Die Telegraphenarbeiter wird ciner meiner Parteigenossen morge? behandeln. Ich gehe darauf heute nicht ein, ih brauche sowieso nos ziemlich viel Zeit. Mit den 81 % aller Postbeamten, die schon den Postkrankenkassen beigetreten sind, sollte der Staatssekretär hier m! paradieren, denn es is von den Oberpostdirektionen ein direk! Zwang ausgeübt worden, und diejenigen, die nicht beigetreten smn? müssen im Crkrankfungsfalle ein Gesuch an die oberste vorgeseßte B: hörde richten und können lange ‘warten, bis! sie eine Unterstüßung

erhalten. Die Beiträge sind zuvem viel zu niedrig bemessen worden;

Die Postverwaltung i nicht

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fie Rassen habêéñ {Gon bt ein, Defizit. Es steht eben alles anterë als wie uns der Staatssekretär in der Kommission gesagt hat. Nach dem Statut werden uur die kleinen Mittel bewilligt, die nicht viel helfen. Hier kann nur Wandel geschaffen werden, wenn Beitrag und Zuschuß in einem richtigen Verbéltis zueinander stehen. Der Zusbuß muß sofort erhöht werden, damit diese Krankenkassen in ibrer Leistungsfähigkeit erweitert werden können. Die Post erkennt nur die Atteste ihrer Vertrauensärzte an. Jch bitte bier den Staaté- sekretär um Aufklärung, wie es kommt, daß der eine Vertrauensarzt einen Oberschaffner für erholuñgsbedürftig, der andere aber nit dafür erklären konnte. Wollte ih alle Klagen der Telegraphen- mechaniker hier vorbringen, dann stände ih bis morgen früh hier. Gerade hier wird eine unerhörte Sparsamkeit getrieben. Die Ver- waltung s{lägt hier jeden Rekord der Lohndrüderei. Ebenso ist es bezüglih der Arbeitszeit. Notwendig ist auch das Verlangen, daß die auégewecselten Telephonapparate, ehe sie von den Arbei- tern repariert werden, einer gründlihen Desinfektion unter- wocfen roerden. (Lin bezeichnendes Licht auf die s{hlechte Bezahlung der Landbriefträger wirft ein Prozeß vor der Strafkammer in Meiningen, wo ein Landbriefträger wegen Unterschlagung verurteilt wurde, der durch Not und falsche Maßnahmen der Verwaltung sich zu seinem Vergehen hat verleiten lassen. Der Redner bringt dann eine Nethe von Beschwerden aus einzelnen Berliner Postämtern vor, in denen die Unterbeamten überanstrengt und \ch{leckcht behandelt werden sollen. Es gebe schwarze Listen für die Unterbeamten, auf Grund deren die verseßten Unterbeamten \{chlecht behandelt würden. Die Unterbeamten erbielten feine Kenntnis von dem Inhalt dieser \{warzen Listen und wüßten nicht, woher die shlechte Behandlung käme. Auf dem Post- amt 40 würde NRaubbau mit der Gesundheit der Unterbeamten ge- trieben, diese würden im Kasernenton vom Postdirektor behandelt. Bei diesem Direktor mußten die Beamten \ih persönlih melden, obwohl sie frank waren, und ihm das ärztlihe Zeugnis überreichen; stundenlang ließ er sie dabei auf dem Korridor warten. Der Direktor müßte sich dessen s{chämen. (Präsident Dr. Kaempf ersucht den Redner, sich in seinen Ausdrücken zu mäßigen.) An Stelle der Gratifi- kationen jollte die Ueberarbeit berechnet und entsprechend bezahlt werden. Damit würde dem Denunziationswesen ein Riegel vorge- \hoben werden, denn die Gratififationen kommen meist den Unter- beamten zugute, die sie niht verdienen. Von Auéschüttungsgeldern habe der Direktor jenes Amtes über 600 4 erhalten. Bedürftige Unterbeamte erhalten feine Unterstüßung, obwohl Ausschüttungsgelder in ausreihendem Maße vorhanden sind. Das Postamt 40 habe fast den shlechtesten ‘Nuf aller Postämter in Berlin. Dagegen habe sih Direktor Wegner vom Postamt 68 erheblich gebessert. Er freue s, daß ein alter Herr, der noch älter sei als er (Redner), sich gebessert habe. Hoffentlich werde er sih auch in Zukunft in einem Falle bessern, wo er einen alten Schaffner s{hlecht behandelt habe. Der Schaffner war öfters frank, der Direktor konnte ihn nit leiden, stellte fich mit der Uhr in der Hand hinter ihn und stellte ibn zur

Nede, wenn er nicht {nell genug die Briefe sortierte. er Schaffner sei herzkrank geworden und Pplößlich gestorben. er Direktor Wegner hätte an dem Begräbnis teilgenommen und der Frau die Hand gedrückt mit den Worten: Jhr Mann sei viel zu früh abgerufen worden, er hätte an thm einen feiner besten Unter- beamten verloren. Wie könne jemand in einer solhen Stunde fo die „Wahrheit“ sagen, wie es hier geschehen sei! Der Nedner führt dann Beschwerde über die Ueberanstrenaung der Unterbeamten beim Post- amt 2 in Charlottenburg. Die Post, die in Berlin zwischen 4 und 5 Uhr Nachmittags aufgegeben werde, komme infolge der Ueberlastung des Postamts in Charlottenburg erst am Nachmittag des folgenden Tages in Südende an. Der Direktor des Postamts 2 habe einem Unterbeamten aufgegeben, feinen Weder abzustellen, weil eine Mieterin, die unter ihm wohnt, sih über das Geräusch des Weckers beschwert hatte! Beim Postamt in Neukölln habe der Direktor einen Briefträger, der auf der Straße zusammengebrohen und am nächsten Tage niht zum Dienst erschienen sei, in eine Ordnungs- strafe genommen. Auf demselben Amt bestehe ein unwürdiges Spionagesystem gegenüber den Briefträgern. Drohe dagegen eine Inspektion durch einen höheren Beamten, so spiele das Telephon, und alles sei in Ordnung. In Groß Strehliß seien die Gratifikationen ganz abgeschafft worden, die ÜUeberstunden würden aber nicht bezahlt. Auch über das Postamt in Ziegenhals werde geklagt, ebenso über das in Stralsund, ‘wo ‘die Unterbeätnten ‘vom Direktor so \{lecht be- handelt würden, daß sie sich zum Teil vorzeitig pensionieren lassen. Der Redner, der über 21s Stunden gesprochen hat, {ließt mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß er sih im nächsten Jahre werde kürzer fassen können, falls Abhilfe seiner Beschwerden einträte; freilich [ei dazu wenig Aussicht vorhanden.

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke :

Meine Herren! Während der Rede des Herrn Abg. Zubeil babe ih das tief niederdrückende Gefühl gehabt, daß hier das höchste Necht des Abgeordneten, die Nedefreiheit, auêgenußt wird (erregte Zurufe von den Sozialdemokraten: Geht Sie nickts an!), um pflichtgetreue Beamte (lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten: Kein Zenfor !) um pflihtgetreue Beamte unter voller Namenétnennung der Ver- leßung ihrer Pflicht in s{chwerster Weise zu beschGuldigen. Es ist dies um fo bedauerliher, als diese Beschuldigungen auf einseitigen Zu- tragungen beruhen, und als dadur versioßen wird gegen den vor- nehmsten Grundsaß, daß man den andern Teil auch kören soll. Mir bleibt nur übrig, gegen tiese Angriffsweise in {chärfster Weise zu protestieren und au daçcegen, daß der Herr Abg. Zubtil sich er- laubt hat, die von ihm beschuldigten Bcamten als seine (Stürmische Zurufe bei den Sozialdemokraten) daß der Herr Abg. Zubeil die von ihm beschuldigten Beamten als feine alten Freunde hier bezeihnet hat. Damit {ließe ich. (Bravo rechts. Lachen und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Hierauf vertagt sih das Haus.

_ Abg. Bran dys (Pole) stellt in persönlicher Bemerkung ein Mißverständnis richtig, das dem Staatssekretär bei seiner Erwiderung auf die Nede des Abg. Brandys untergelaufen ist. Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke :

äIch danke dem Herrn Abgeordneten für diese Erklärung. Erwiderung hat darn auf einem Mißverständnis beruht.

Damit i} die Diskussion wieder eröffnet; Präsident Dr. Kaempf beantragt aber sofort wieder die Vertagung, und sie wird vom Hause beschlossen.

Schluß 7 Uhr. Nächste Sißzung Mittwoch 1 Uhr. (Jnier- pellation, betreffend das OÖffiziersduell in Met, Fortseßung der Etatsberatung der Post, Reichsdruckerei, Postscheckgesez, Etat für das Reichskolonialamt.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 40. Sipung vom 3. März 1914, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sißzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus seßt zunächst die erste Beratung des Gefe b-- entwurfs zur Abänderung des Kommunalabgaben- geseßes- und- des Kreis- und Provinzialabgaben geseßes fort.

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Meine

T Abg. Schtka®de k (freikons.): Jch bin mik bem Minister bes Innern dahin einverstanden, daß das Geseß von 1893 sih bewährt und sowohl den Verhältnissen der aroßen wie den Bedürfnissen der kleinen Gemeinden Nechnung getragen hat. Bei der jeßt in Aussicht genomme- nen Regelung wird eine Neihe von Fehlern und Mängeln zu beseitigen sein, die sih in der Praxis berausgestellt baben. Dem in dieser Be- ziehung bisher Gesagten kann ih mich nur anschließen. Sehr zu be dauern ist es, daß der Industrie, dem Hauptsteuerzahler in der Ge- meinde, nicht rechtzeitig elegenheit gegeben worden ist, sih über den Gntwourf zu äußern: 1ch bitte die Negierung dringend, in Zukunft bei derartigen Vorlagen den Körperschaften, welche die Industrie vertreten, die Möglichkeit zu verschaffen, sich auch mit den Einzelheiten der neuen Vorschläge zu beschäftigen, und dazu gehört vor -allen Dingen Zeit. Jeßt muß diese Arbeit erst in der Kommission nahgeholt werden. Der neue Vorschlag der Heranziehung der Grundstücke nah dem gemeineu Wert steht zu der bisherigen Praxis in direktem Gegensaß; würde man die Vorschriften des B. G.-B. in bezug auf den Begriff des Grund- stücks und seiner Bestandteile zugrunde legen, so käme man tatsächlich, wie {on dargelegt worden ist, zu unhaltbaren Konsequenzen. “Die Rücksicht auf die Verpachtung, die doh auch eine sehr große Rolle spielt, ist bei dieser neuen Vorschrift nicht genügend gewahrt. Wie schwierig die Verhältnisse bei der Gewerbesteuer liegen, hat der Vor- redner bereits ausführlich geschildert; ih hoffe, daß es gelingen wird, zu einer angemessenen, alle Beteiligten befriedigenden Megelung zu fommen. Ob man in der Befreiung der Gemeinden von der Aufsit so weit gehen darf, rie der Gntwurf will, wird erst noch gründlich zu prüfen sein. Auch wir sind mit der Verweisung der Vorlage an eine Kommission von 28 Mitgliedern einverstanden, find bereit, dort mit- zuarbeiten und ein Geseß zustande bringen zu belfen, welches einen wirklichen Fortschritt gegen den jeßigen Zustand bedeutet.

Abg. Baerwald (fortsch. Volksp.): Gewiß, die Industrie ist stark belastet. Jst dies aber ein Grund, das Genehmiaungsverfahren beizubehalten? Troß dieses Genehmigungsverfahrens sind große Un- gerechtigkeiten in die Steuerordnungen hineingekfommen. Daraus muß man den Schluß ziehen, daß das Genehmigungsverfahren in der Regel nichts nüßt und nicht geignet ist, einer einseitigen Besteuerung einzelner Betriebe entgegenzutreten. Es wird Sache der Kommission sein, Be- stimmungen in das Geseß hineinzuarbeiten, die nach dieser Nichtung hin einen genügenden Schuß für die gewerblihen Betriebe gewähren. Der vorliegende Geseßentwurf trägt ja im allgemeinen den Wünschen der kleinen Gemeinden Rechnung. Allerdings glaube ih nit, daß si die Stadtgemeinden entschließen werden, bei der herrschenden Teuerung noch eine Grhöhung des Marktstandgeldes herbeizuführen. Andere Vorschriften aber begrüßen wir in dankenéwerter Weise, fo z. B. die bezüglich der Heranziehung der Gesellshaften m. b. H. und der Berg- werksgesellshasten zu den Kommunalabgaben. Auch wir halten eine Neform der Gewerbesteuer für wünschenswert in dem Sinne, daß die tleineren Betriebe mehr entlastet werden. Auch sind wir der Meinung, daß man die Staatsbetriebe, insbesondere die Gisenbahnbetriebe zur Gewerbesteuer heranziehen sollte. Das würde der Gerechtigkeit mehr entsprechen. Die Beseitigung des kommunalen Steuerprivilegs Offiziere und Geistlichen 1} dringend notwendig. Der bisherige ge- seßlihe Zustand in dieser Beziehung entspricht durchaus nicht der Ge- rehtigkeit. Jh muß mich dagegen wenden, daß den Kommunen Steuern entzogen werden, die sie bereits haben, z. B. die Grundwert- steuer. Diese Steuer i} für die Kommunen unentbehrlich, wenn sie auch von einzelnen Kommunen nicht eingeführt ist. Daß diejenigen Hausbesißer, die durh (rbschaft in den Besiß von Ackerland gekommen sind, nicht übermäßig hoch durch Steuer herangezogen werden, ift nur zu begrüßen. Wenn zwei Drittel aller Gemeinden mit über 5000 Ein- wohnern mehr als 200 % Steuerzuschlag erheben, so ift das ein be- dentlihes Zeihen. Wodurch ist nun diese erhebliche Steigerung der Kommunallasten hervorgerufen worden? Einmal durch den Luxus, den die Städte treiben. Viele kleinere Gemeinden sind durch die bitterste Not gezwungen worden, sih diesen Luxus wieder abzugewöhnen. züglich der Bodenpolitik liegen in den verschiedenen Städten auch die Verhältnisse sehr verscbieden. Aber gerade die kleinen und mittleren Städte müssen sih die Ländereien an den Grenzen der Stadt sichern, von denen man annehmen darf, daß diese Ländereien demnächst der Bebauung erschlossen werden. Dadurch wird die ungesunde Bau- spekulation verhindert, bei der doch immer die Handwerker und der Mittelstand die Leidtragenden sind. Eine gesunde Bodenpolitik der Städte kann für diese nur von Nuten sein. Die Städte“ würden dadurch in der Lage sein, besonders für gute Arbeiterwohnungen zu

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sorgen. Die Belastung is ferner hervorgerufen durch Kanalisation, Wasserleitung, Kindererholungsstätten, Schaffung großer Pläbe, Er- . \ x e " 6 e 5 s =-

rihtung von Volts\chulgebäuden und Krankenhäusern. Das kostet

alles Geld und muß aus den Mitteln der Steuerzahler aufgebracht werden. Das kann man natürlih nicht alles als Luxusausgaben betrachten. Durch die soziale Fürsorge der- Gemeinde ist eine Ak- nahme der Kindersterblichkeit hervorgerufen, wodurch allerdings die Gemeinden wieder größere Schullasten bekommen. Manche kleinere Städte haben auch Theater gebaut. Durch die Einführung des Kinderprivilegs und das Vorgehen. des Staates bei der (Frhöhung der Beamtenbesoldung wird die Kasse der Gemeinden ebenfalls er- heblich ges{mälert; dazu kommen nocch die erheblichen Polizeilasten. Die kommunale Polizei ist eigentlich nicht dazu da, die Aufgaben des Staates mitzuerfüllen. Es wird ein ungesunder Wettbewerb dadurch hervorgerufen, daß der Staat luxuriöse Bauten errichtet, welchem Vorgehen dle Gemeinden folgen mussen. Endlich werden von den Kommunen Beiträge gefordert, die das Maß der Gerechtigkeit bei weitem überschreiten. : Éleine und mittlere Städte lebensfähig zu erhalten, damit sie die kulturellen Aufgaben erfüllen können, die ihnen zugewiesen sind. Es wird daher Aufgabe des Staates sein, daß die Kommunen Einnahme- quellen erhalten, die geeignet sind, die Entwicklung der kleinen und mittleren Städte zu fordern.

Der Geseßentwurf wird einer Kommission von 28 Mit- gliedern zur Vorberatung überwiesen.

Es folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines Ausgrabungsgesétßes.

Die 88 1 bis 4, welche die Bestimmungen über die Aus- grabungen enthalten, werden ohne Debatte unverändert an- genommen.

Die 88 5 bis 7 behandeln die Gelegenheitsfunde. Nach 8 5 sind Gelegenheitsfunde von fulturgeschichtliher Bedeu- tung spätestens am nächsten Werktage der Ortspolizeibehörde anzuzeigen.

Der Abg. Lin z (Zentr.) beantragt mit Unterstüßung von 25 Bentrumsmitgliedern den Zusaß:

_" „Die Frist gilt als gewahrt, wenn die Benachrichtigung an den

nächslen Werktag nach dem Fund zur Post gegeben ist." L Ca D Antrag entspricht den Wünschen, die im vorigen Jahre in der Kommission zum Ausdruck gebracht sind. Der Finder wird nicht immer in der Lage sein, der Ortspolizeibehörde so rechtzeitig Mitteilung zu machen, wie es der Entwurf verlangt. Die Post ist die gegebene Znjtitution zur Vermittlung der Anzeigen, und aus diesem Gesichtspunkte heraus haben wir die Fassung des Antrages gewählt.

Minister der geistlihen und Unterrichtsangelegenheiten D Don Dort zu Soli

Meine Herren! Jh möchte Sie bitten, diesen Antrag ab- zulehnen. Ih halte ihn nicht für erforderlich. Wie der Herr Artragstell-r selbst angeführt hat, hat nirgends ein Streit darüber bestanden, daß die Bestimmung, um welche es si hier handelt, in dein Sinne aufzufassen ist, wie er in dem Antrag noch besonders zum Auddruck gebraht wird. Man wird berücksihtigen müssen, daß es sih darum handelt, baß tnnerhalb einer gewissen Frist eine bestimmte Handlung ausgeführt sein soll, nämli die Anzcige des vorgekommenen

Der Staat hat ein großes Interesse daran,

Fundes, und es kann kein Zweifel darüber befleben, daß der Ver- rflihtete damit, daß er diese Auzeige rechtzeitig zur Post gibt, der Verpflichtung eutsprochen hat, die ihm durH diese Bestimmung auf- erlegt werten foll. (Zurufe im Zenirum: Wo steht da8?) Ich glaube, daß es nit notwendig scina wird auch nach dén Er- klärungen, die id jcht Hier abgebe (Abg. Eickhof: Sehr gut !), dieses Bedenkcns wegen eine Abänderung des Entwurfs herbeizuführen. Meine Herren, das würde ja dazu führen, daß der Entwurf ncchmals wieder an das Herrenhaus kommen müßte, und dazu ist in der Tat diese Sache nit wihtig gerug. (Sehr richtig! rcchts und bei der Fortschrittlihen Volkspartei.) Sie verliert, wie mir \{hetint, j-de Wichtigkeit, wenn Sie berüdcksihtigen, mas ich hier eben au®geführt h2be. (Erneute Zustimmung.)

Im übrigen würde au ter Wo:tlaut des Anirags in der Form, wie er bier vervielfältigt vorliegt, niht ia das Gesct aufcenommen werden fönnen, weil er in Widerspruch mit Bestimmungen des Gesetzes stände. Es heißt in dem Antrage :

Die Frist gilt als gewahrt, wenn die Benathrichtigung an nächsten Werktage nah dem Funde zur Poft gegeben wird. (Abg. Linz: Nein, das ist abgeändert worden !) Dos ift mir n'cht mitgeteilt worden. Dann fallen diese meine Ausführungen weg.

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Im übrigen aber

bleibt es bei dem, was ich soeb-n ausgeführt babe. (Sehr richtiz! vnd Bravo! bet den Konservativen, den Nationalliberalen und der Fortschritilihen Volkspartei.)

Abg. Weisfermel!l (kons.): Namens meiner Freunde bitte ich, den Antrag abzulehnen. Nach den Erklärungen des Ministers können wir mcht einsehen, daß er notwendig ist. Der Mann wird immer in

| vermeiden, | 1twurf j as Herrenhaus zurückgeht, sonst komme ir mit diesem Geseß vielleicht überhaupt niht zu Nande. Aba. Dr. Gottschalk - Solingen (nl.): Wenn de notwendig wäre, würde er in den § 3 hineingearbeitet werden müssen. Wir sind aber der Ansicht, daß er vollständig überflüssig ist, Minister soeben eine entgegentommende Erklärung abgegeben hat. Abg. Lippmann (forts{hr. Volksp.): Ich {ließe mich den Ausführungen der Vorredner an. Der Antrag ist überflüssig, sein t liegt bereits in dem Sinne des Geseßes. Er bedeutet vo:

fein, das Geseß zu erfüllen. Wir wollen

x Entwurf nochmals

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r D! : , 1 - allen Bingen eine unnötige Verzögerung des Zustandekommens des Gesetes. Cas L R A A Ls 4 ae D » C B da Cl Fp Der Antrag Linz wird zurückgezogen. Die 8 5 bis werden unverändert angenommen. S R : ; A Lee 4 P , ( Die S8 8 bis 21 treffen Bestimmungen über die Ab

lieferung der ausgegrabenen oder gelegentlich Gegenstände, sowie über die Entschädigung dafür. S8 enthält u. a. die Bestimmung: „Als Entschädigung ist Ersaß des gemeinen Wertes (das Wort „gemeinen“ ist vom Herrenhaus in die Regierungsvorlage eingefügt worden) des Gegenstandes zu leisten. Bei Bemessung des Wertes bleibt die Möglichkeit einer Veräußerung des Gegenstandes in das Reichsausland oder an einen Reichsausländer unberücksichtiat. __Der Abg. Lin z (Zentr.) beantragt mit 30 anderen Mit gliedern des Zentrums, den leßteren Satz zu streichen.

Abg. Linz (Zentr.): (Œs ist durhaus richtig, daß solche wert- vollen Gegenstände dem Inlande erhalten werden müssen. Für diese Geg-nfstäne, z. B. Vasen, werden meist nur sebr ceringzge Summen gezablt. Für diese Gegenstände zahlt man a*er im Auslande, z. B. bei Chrisiy in Londoa, sehr hohe Beträze. Deswegen ist es not- wendig, dafür zu sorgen, daß der Finder niht benatteiligt wird,

sondern den wiklihen Wert des Gegenstandes bekommt. Minister der geisilihen und Unterrichtsangelegenheiten

Die Don Dot u Sol

Meine Herren! Ih muß Sie bitten, auch diesen Antrag ab- zulehnen. Die Bestimmung, die mit ihm beseitigt werden soll, hat bereits in dem ersten Entwurf der Regierung gestanden, ist durch alle Stadien der Beratung und Beschlußfassung des crsten und zweiten Entwurfs hindurchgegangen und hat bisher nirgends einen Widersyruc erfahren. Es ist heute das erste Mal, daß gegen diese Bestimmung polemisiert wird. Sle hat den Zweck, übertriebene Forderungen, wie wir sie in den leßten Zeiten erlebt haben, zurückzuweisen, Preise, die namentlich von Amerika aus gezahlt worden sind, niht maßgebeud sein zu lassen sür die Festseßung des Preises auf Grund dieses Ge seßes. Selbstverftändlih übt der im Ausland für Kunstwerke gezahlte Preis scinen Einfluß auch auf den inländischen Markt aus (sehr richtig! rechts), und insofern wird auch der im Aus"land gezahlte Preis von

gefundenen

Bedeutunz für dée Bemessung unserer inländischen Preise sein, au für die Bestimmung ter Preise nah diesem Geseg. Bei der zur Erörterung stehenden Bestimmung ist z. B. an einen

amerikanishen Milliardär gedacht, für den das Geld für solche Dinge nit in Betracht kommt ; der jeden Preis zahlt, um einen bestimmten Gegenstand aus Deutschland nah Amerika zu entführen. Solche Preise sollen im Inlande nah diesem Gese bei der Bemessung des Preises nicht berüdsihtigt werden. Jch glaube, meine Herren, das ist durchaus berchiigt und im Juteresse der Erkßaltung unserer Kunslwerktgegensiände für unser Vaterland.

Es ist auch durchaus keine fo exozbitanle Bestimmung, wie sie vom Herrn Antragsteller bezeihnet worden ift, gegenüber den Bestim:nungen, die in anderen Staaten bestehen. (Sehr ri&tig !) Cine ganze Reiße Staaten haben einfa ein Ausfuhrverbot erlassen ; es darf dort überhaupt nicht ins Ausland verkauft werden, und deshalb wirken die von dort gezahlten Preise auch nit auf das Inland. Das ist elne sehr viel härtere Bestimmung als diese hier. Jch kann irgend eine Härte hicr nicht erkennen; {ch kann auch nit zugeben, daß mit dieser Bestimmung irgend welche billige Nächten verleßt würden.

Es kommt das will ich in Parenthese noch hervorbeben ja bei dieser Bestimmung nur auf diejenigen Gegenstände an, die in der Zukunft etwa entdeckt werden. Also die drei Vasen des Herrn Vor- redners Tönnen sehr wohl auf den Londoner Markt gebracht und dort zu einem hoben Preise v:rkauft werden.

Was die Ausführungen des Herrn Vorredners über den „gemelncn Wert“ anlangt, so glaube ih, mich auf meine Ausführungen bei der ersten Lesung des Gesetzes beziehen zu dürfen. Auch die Kenno zeihnung des Wertes als „gemeinec Wert® wird durchaus nichts Neues bringen. Auch {hon biéher und neh der Relchsgerichtsent scheidung ergab si, daß kei dem Verkauf ven Kunstgegenf‘ änden der gemeine Wert zugrunde zu legen |st, und dieser gemeine Wert sehr wohl gefunden werden kann entweder durch Vergle!hung, mit arderen Verkäufen oder, wenn solhe Verkäufe von ähnlichen Gegenständen nicht stattgefunden haben, durch Schäßung von Salh- verständigen. Das wird unker Umständen sckwierig sein; aber dtefe

Schwicrigkett wird uicht daturh erhöht, -daß Sie in dem Eesetz-