werks- und Gewerbekammertag in Halle geht hervor, daß man nur die Arbeiter treffen will. Das Handwerk hat kein Recht, Zwangs- mittel zu empfehlen, da es ja selbst solhe anwendet. Es soll nichts unternommen werden, um terroristishe Maßnahmen der Unternehmer zu verhindern. Es wird auf Sabotage der Arbeiter hingewiesen. Aber gerade die Gewerkschaften bekämpfen diese auf das energisste. Jch will auch auf den Terrorismus binweisen, unter dem die Staats- arbeiter zu leiden haben. Kommen einmal bei Streiks Ausschreitungen vor, dann sind sie infolge der Hebe der bürgerlichen Presse erfolgt. Die Arbettswilligen fühlen sih als Herren der Situation und gehen auf das rücksihtsloseste, selbst mit Revolvern und Messern, vor, Da man diese dann freispriht, so s{chwindet bei den Arbeitern immer mehr das Zutrauen zur Justiz. Dieses Mißtrauen muß noch wachsen, wenn dem Antrage Irl stattgegeben wird. Die Innungen sollten zudem ja auch nit vergessen, daß das sie zusammenhaltende Band der Zwang ist. Die Innungen haben nach einer amtlichen Statistik in einem Jahre in 10 309 Fällen Mitgliederbeiträge zwangsweise einge- trieben. Können Sie unseren Organisationen einen gleichen Terroris- mus nahweisen? In der Arbeiterbewegung ist die Anwendung eines solchen Terrorismus einfah niht möglich. Jn dem gleichen Jahre wurden von Mitgliedern der Innungen in 112 715 Fällen Strafgelder erhoben. Der größte Teil der Strafen fällt auf unentschuldigtes Fehlen in Innungsversammlungen. Können Sie das gleiche Mittel des Zwanges gegenüber unseren Arbeitern nahweisen? Wieweit der Terrorismus der Bäckerzwangsinnungen geht, beweist der Beschluß Der Zwangsöinnung in Magdeburg über das Verbot, mit dem Verband der- Vacer in Verhandlungen zu treten zwecks Vereinbarung eines Lohntarifs. 10 4 Strafe wurden jedem Bäder aufgebrummt, falls er Einzelverträge mit den Mitgliedern des. Verbandes abschließen würde. Die Aufsichtsbehörde hat sih s{üßend vor die Zwangsinnung gestellt und die Einziehung der Strafen für zulässig erklärt. Einzelne Backermeister haben Gesamtstrafen bis zu 1900 Æ zahlen müssen. Der Terrorismus der Bäckerinnungen hat sich auch bei dem Abtreiben von Mehllieferungen gegenüber gewissen Fabrikanten gezeigt. 1907 er- schien beim Lohnkampf der Bäcker ein Flugblatt, in welchem die Meister, die sih mit dem Arbeiterverbande eingelassen hatten, als charakierlose Wichte bezeichnet wurden. Die Verhängung der Hefe- sperre durch gewisse Bäckermeister ist gerichtlich erhärtet worden. Diese Leute haben wahrlich den Befähigungsnahweis für die Forderung eines solchen geseßlichen Vorgehens nicht erbracht. Die Petenten sitzen so sehr im Glashause, daß sie keine Veranlassung hätten, den Reichs- tag mit solchen Eingaben zu belästigen. Die Großunternehmer be- dienen sich ja des gleichen Terrorismus, thr Vorgehen spielt sich aber mehr in der Oeffentlichkeit ab, sodaß ih darauf mcht näher einzugehen brauche. “ Jch verweise nur auf das Vorgehen des Zementsyndikats gegen die Fabrik „Meteor“. Diese wurde mit 90000 4 Strafe belegt, weil sie eine Preisvereinbarung nicht gehalten hatte. Was würde einer Arbeiterorganisation in einem aleihen Falle passieren? (Sie würde vor Gericht geschleppt werden. Jeder Versuch einer Ge- féßesvers{hlechterung zu ungunsten der Arbeiter muß energish zurüdck- gewiesen werden. Darum bitte ih auc, den Antrag Jrl abzulehner und den Antrag der Kommission anzunehmen.
Abg. I rl (Zentr.): Wenn wir über jede Petition so lange ver- handeln würden, wie es der Abg. Brey getan hat, so würden die anderen Petenten nicht zu ihrem Necht kommen. Ich bitte Sie, meinen Antrag anzunehmen, nachdem der Reichskanzler eine Denk- \hrift über die Falle des Terrorismus in Aussicht gestellt bat. Die Petitionen bringen ja eigentlih nihts Neues. Eine Petition des Schneiderinnungsverbandes stellt dieselben Forderungen wie die der Zwangsinnung „Germania“. Die Frage des Arbeitswilligenshußes in der Industrie will ih nicht berühren, obwohl es der Vorredner getan hat. Für die Sozialdemokraten sind ja große und fleine Unter- nehmer Ausbeuter. Die Petitionen kommen aus den Kreisen der fleinen und mittleren Unternehmer, die haben unter dem Terrorismus der freien Gewerkschaften viel mehr zu leiden als die großen; diese konnen fih besser wehren. Fast täglih fann man in den Zeitungen Fälle lesen, wie sie von den Petenten behauptet werden. In der württembergischen Kammer hat der Justizminister gesagt, daß der Terroriómus besonders in kleinen Betrieben geübt werde; Arbeiter, die nicht dem freien Verbande angehörten, würden aus den Betrieben hinauëgeefelt und find in vielen Fällen längere Zeit arbeitslos ge- blieben, Die Kriminalstatistik Württembergs zeigt, daß allein 1910 nicht weniger als einige 80 solcher Terrorismusfalle vor den Gerichten zur Aburteilung gelangt find. Besonders zahlreich find die Fälle; in dénen die Christlih-Organisierten zu leiden haben. Ein Spezial- fall7 der immer haufiger wiederkehrt, ist die Niederlegung der Arbeit durch die sozialdemokratish organisierten Arbeiter, um die Entlassung anderweit organisierter Arbeiter aus dem Betriebe zu erzwingen, micht also, um bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erreichen. (Der Redner führt eine Rethe derartiger Fälle an.) Ein Arbeiter, der sich niht Ihrem (zu den Sozialdemokraten) Willen beugt, wird be- {chimpft und aus der Arbeit gebracht; naher aber wird die Sache ganz anders hingestellt und die Schuld der anderen Seite zuge- schoben, was dann aber vor Gericht glücklicherweise niht immer gelingt, Auch vor den Tarifämtern, so des Malergewerbes, sind die gleichen Verfehlungen festgestellt worden. In Nürnberg haben si 1911 innerhalb 9 Monaten nicht weniger als 31 krasse Terrorismus- falle herausgestellt; Christlih-Organisierte, die \{on 14 und 15 Jahre auf threr Arbeitsstätte tätig waren, mußten sie verlassen, es waren Verheiratete und Familienvaäter mit 7 Kindern darunter. Es wird eine Hebjagd getrieben, für die man kaum Worte findet, und über die man niht einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Die Wortführer der sozialdemokratischen Fraktion verurteilen hier ein solches Vorgehen, aber draußen machen es ihre Genossen ganz ent1- gegenaeseßt, und Sie (zu den Sozialdemokraten) rühren keinen Finger, um Nemedur zu schaffen. Jn einem Falle, wo der Terrorist zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, bezahlte diese Geldstrafe der be- treffende Berband. Die freie Bäckergewerk\schaft denkt aub keincs- wegs daran, den Terrorismus zu verwerfen. Nach ihrem Organ ist er „hoch moralisch". Gerade weil die sozialdemokratisben Ge- werkschaften diesen Terrorismus begünstigen, deswegen muß man da- gegen einschreiten. D Strafgeseßbuch wird im *Neiche sehr un- gleih angewendet. Milde Urteile, ganz besonders bei Rohbeitsver- gehen, kfönnen diese nur fördern. ie Gewerkschaften wollen dur thren Terroriêsmus nur alle auf ihre Seite bringen. fich widerseßt, ganz glei ob r oder Arbeitnehmer, den ver- sucht man un\schädlih zu machen. T rismus müssen auf jeden Fall einge!
Fälle von Boykott und Terro- rankt werden, mag die Soztial- demokratie auh noch so sebr Zetermordio den ftleinen Industriellen
19 lLL
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schreien. Der Weg der Selbithilte ift gerade für den fle
lein oft nicht gang- bar. Ein Meister Nahbrungsmittelgewer in etner von vielen Arbeitern bewohnten Gegend würde da Petitionen sind ein Notschrei aus dem Handiwverkerstande. jolche großen Verbände an den Reichstag wenden, dann kann dieser nicbt so ohne weiteres si darüber hinwegs (Fs ist vor allem nötig, die persönliche Freiheit des Arbeiters zu {üben und die Selbstbestimmung, wo und wann er arbeiten will. Die Freiheit der Koalition wollen wir nicht angetastet wissen. Wir wollen aber den Zwang beseitigen, daß ein Arbeiter einer bestimmten Organisation angehören muß. Es muß verhütet werden, daß ein Arbeiter auf diese Weise brotlos gemaht wird. Es muß deshalb ein Weg geschaffen werden, auf dem der Geschadigte zu seinem Rechte kommen ftann. Den Terrorismus der Arbeitgeber kann ih auch nicht billigen, aber man. daxf. nit vergessen, daß es sich dabei häufig nur um Abwehr- maßregeln handelt.
Aba. Giesberts (Zentr.): Wille, den Te:rorismus zu bekämpfen, nicht lien Gewerkschaften haben ja unter dem liftischen Gewerkschaften am meisten zu leiden. Solange der Partei- vorstand und die Generalfommission gemeinsam und grundsäßlih nicht den eigenen Terroriämus bekämpfen, solange alaube ih nicht an
die (önen Worte, die hier sozialdemokratis@e Redner aussprechen. Jch bin jedech der Meinung im Gegensaß zu dem Abg. Irl, daß die bestehende Gesetzgebung vollständig ausreicht, um hier Wandel zu [haffen, Die Petitionen enthalten aber au Stellen, die zu starkem Protest
ausrihten. Die Wenn sid
In der Sozialdemokratie ist der allzu fark. Die christ- Terrort8mus der foita
herausfordern. Der politische Terrorkêtmus ist für-miG ter rerwerf- liste, under ist für das Handwerk besonders verbängniévell. Das beste Mittel dagegen ift aber, daß man bei Kowmunal- und Landtags- wahlen das geheime Wahlrecht einführt. Cinen Druck auf Arbeiter auszuüben, einer bestimmten Organifation anzugehören, halte ich für unmoralish. Deshalb haben ja auch die christ!ihen Arbeiter niemals Zwangsmaßregeln des Staates in dieser Beziehung gutgeheißen. Wir beschränken uns darauf, den Terrorismus in der Sozialdemokratie zu brandmarken, der ja zu den eigentlihen Zielen der Partei in direktem Widerspruch steht. Hinter dem großen Geschrei nach Verstärkung der Strafen stehen aber ganz andere Interessen, „nämlich die Ab- neigung gegen die Organisationen und gegen die Tarifverträge. Gerade die legteren haben viele Kämpfe verhindert. Das schen selbst die Arbeitgeber in ihrer Mehrheit ein. Es genügt, über die Petitionen zur T2gefordnung hinwegzugehen. Ach hoffe, daß die angekündigte Denkschrift der Regierung vollständige Klar- heit schafft.
Abg. von Graefe (dkons.): Das Petitionsrecht wird proble- matisch gemacht, wenn in einer Sigzung nur eine oder höchstens zwet Petitionen erledigt werden, deren Gegenstand {hon beim Etat er- örtert worden ist. Jch werde mich auf ein paar kurze Erklärungen beshränken. Unsern grundsäßlihen Standpunkt zu dieser Frage haben wir wiede holt dargelegt. Wir können die Ausrwührungen des Abg. Irl zu den unserizen mahen. Wir hatten auch die Absicht, zu be- antragen, die Petition als Material zu überweisen. Schon die Achtung vor den Einfendern der Petition erheisht es, daß wir nit über die Petition einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir werden deshalb für den Antrag auf Ueberweisung als Material stimmen.
Abz. Bre y (Soz.): Die Konservativen sind am allerlegten be- rechtigt, sih über Terroriêmus zu beklagen. Bet der Neichsgründung haben sie den politishen Terrcr in die Wahlbewegung eingeführt, das war im Scleswig-Holsteinishen. So is der politishe Terror bis in die leßten Ze-iten geblieben, wie die Wahlakten dieses Hauses nach- weisen. In wirtschafilihen Dingen machen sie es genau so. Jch verweise auf die Drohungen der Spiritusinteressenten gegen die- jenigen, die sich ni&t gefügig zeizen. Der Abg. Giesberts sagte, es helfe hier kein Maulspißen, es müsse gevfiffen werden. Herr Giesber1s, Sie sind unser Kapellmeister nicht. Ich habe Ihnen hon in der Kommission gesagt, ich warne Sie davor, Terrociémusfälle an- zutühren: wir wären sonst in der Lage, Ihnen Terrorismus- falle aus Ihren Reihen anzuführen ; wir haben nicht die Aufgabe, den Scharfmachern ins Konzept zu reden. Heute sage ih Ihnen, mir zuckt es in den Zähnen und in den Fingern, Ihnen solche Terrorismusfälle vorzufübren. Verlegen bin ih darum nicht. Auch als Wahrer der Loyalität und Toleranz ih aufzuspielen, ist aerade der Abg. Gieóberts und das Zentrum am allerwenigsten berufen. Veber die Herren, die dem Grafen Dppersdorff so mitspielen und uns Toleranz predigen, lachen ja die Hühner. Vorläufig haben diese Herren es viel notwendiger als die Gewerkschaften und die General- tommission, dem von dem Abg. Giesberts gegebenen Rate zu folgen. Hat nicht an dieser Stelle der Abg. Behrens gestanden und {were Klage über den Bergwerksunternehmerterrorismus geführt? In der leßten Zeit überschreitet er geradezu alle Grénzen; jeder Arbeiter, der den Werkvereinen sih als Mitglied nicht anschließt, wird entlassen; und die Neichs- und Staatsbetriebe gehen darin voran, die Groß- betriebe, so die Essener, folgen nah. Gerade die hier in Rede stehen- den Petenten sind Wirtschaftsterroristen ärgster Art. Die organisierten Arbeiter haben ihre Forderungen in maßvollen Grenzen gehalten, bei vernünftiger Würdigung ihrer Forderung brauct es zu Streiks nicht zu tommen. Der Zentralverband Deutscher Industrieller hat eine Statistik über den Gewerkschaftsterrorismus über 7 Jahre, von 1904 bis 1910, aufnehmen lassen; diese ergibt im Durchschnitt für das Jahr 17 Fälle, wo Streikpostenstehen zu Verstößen gegen die Gesetze führte; in der gleihen Zeit aber fanden 12 500 Streiks statt. Die Gewerkschaften haben am stärksten zugenommen, die Zahl in Streik- vergehen ist aber zurückgegangen. Wir verbitten uns eine solche Ein- \chaßung unserer gewerk\chaftlichen und. politishen Tätigkeit, als ob die freiorganisierte Arbeiterschaft zu Gewalttätigkeiten und zur Ge- seßesübertretung neigte.
Abg. Giesberts8 (Zentr.): Sie (zu den Sozialdemokraten) können doch nit leugnen, daß Sie uns die Christlih-Organisierten, vom ersten ‘Tage unseres Bestehens an,- verfolgt, unsere -Versamm- lungen gesprengt und jeden -tenkfbaren Schaden zugefügt ‘haben. Ohne Ghristlih-Drganisièrte und bhne, Hirsch - Dunckershe Gewerkschaften sind heute keine gewerkschaftlichen und au keine Tarifbertträge “mebr mögli. Ausfchreitungen bedauern - wir auch: aber Sie (zu! den Sozialdemokraten) wollen niht wahr haben, - daß Ihretseits gewerk- schaftlicher Terrorismus ausgeübt wird. Das sollten Sie endlich ein- mal ehrlih anerkennen, sonst kommen wir nit zum Ziel. Sie wollen doch eine Partei der Freiheit fein; wenn Jhnen folche ernsten ¿Falle von Terrorismus nachgewiesen werden, wie sie der Kolleae Irl vorgeführt hat, dann erkennen Sie die Situation niht, wenn Sie auf Ihrem Standpunkt beharren. ;
Abg. H o ch (Soz.): Ausschreitungen kommen vor, überall und bei jeder Gelegenheit. Die christlihen Gewerkschaften haben si dabei keineswegs passiv verhalten; das Material dafür liegt überreich vor. In einem Falle droht ein christlibes Gewerk\chaftskartell den ÜUnter- nehmern mit der Entziehung von Lieferungen für Kirche und kirchbliche Vereine, wenn sie fortfahren würden, Arbeiter zu beschäftigen, die nicht christlich organisiert seien. Sehr bösartige Ausschreitungen und Beschimpfungen sind auch von den Mitgliedern der katholisben Facb- abteilungen gegen unsere Genossen verübt worden. Welchen Zweck tann es aber haben, für Üeberweisungen von Petitionen an die Ne- gierung einzutreten, die einen fo arbeiterfeindlichen Geist atmen. Es tritt hier geradezu Heuchelei zutage. (Präsident: Ih nehme an, daß sih dieser Ausdruck nicht auf cin Mitglied des Hauses beziehen soll. Zustimmung des Abg. Hoch.)
Abg. Giesberts (Zentr.): Den angeführten Fall aus Gnesen kenne ich niht, werde ihm aber nachgehen; übrigens trifft er nit das, was wir hier verhandeln, nämlich den Terrorismus, der Arbeiter von einer Werkstelle in die andere treibt, weil sie sih nit dem gewerkschaftlichen Zwang unterwerfen wollen, weil sie niht aus der christlichen Organisation austreten wollen. Auch hat ich der Kollege Irl nicht mit scharfmacherishen Tendenzen in den Petitionen einverstanden erklärt; ih meinerseits verurteile durchaus die gehässige Art der Heßarbeit der „Germania“ gegen das Tarifwesen.
Damit schließt die Diskussion; die Abstimmung wird bi Dienstag ausgeseßt.
Hierauf vertagt sich das Haus.
Schluß gegen 614 Uhr. Nächste Sizung Montag 2 Uhr. (Kleinere Vorlagen; Nachtragsetat: Rechnunassachen: Etat des Reichsschaßzamtes.)
Preußzifcher Landtag. Haus der Abgeordneten.
Sißung vom 21. März 1914, Vormittags 11 Uhr.
(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. i
Das Haus fett zunächst die erste Beratung des Gesetßent- wurfs über Teilung land- oder forstwirtschaftlicher Besißungen (Grundteilungs gesetz) fort in Verbindung mit der Beratung der Anträge der Abgg. Freiherr von Zedliß (freikons.) und Boisly (nl.), betreffend Erhebungen über die Zusammenlegung von bäuerlihem Grundbesiß mit Großbesigz, und in Verbindung mit der ersien Beratung der von den Abg. Ecker Winsen (nl) und Genossen eingebrachten GBesezentwürfe
Allmenden, wegen Schaffung von klein- und mittelbäuerlichen Betrieben und wegen Förderung der inneren Kolonisation durch provinzielle Ansiedlungsgesellschaften, sowie des von dem Aba. Aronfohn (fortsczr. Volksp.) eingebrahten Geseßentwurfs wegen Förderung der inneren Koloyÿation.
Auf Bemerkungen des Abg. Nissen (Däne) erwidert der
Minister des Junern Dr. von Dallwißt:
Der Herr Vorredner hat soeben den Entwurf als Ausnahme- geseß {limmster Sorte bezehnet und der Befürchtung Ausdruck ge- geben, daß dies Geseß in erstex Linie gegen Dänen und Polen An- wendung finden werde. Unter einem Ausnahmegeseß versteht man nach deutschem Sprachgebrauch und auch in ftaatsrechtlihem Sinne ein Geseß, welches ein Sonderrecht für bestimmte Kategorien der Be- völkerung schaffen soll. Den Beweis dafür, daß das Geseß diesen Vorausseßungen eines Ausnahmegeseßes entspreche, ist der Herr Vor- redner \chuldig geblieben.
Ich glaube aber auch, daß die Befürchtungen, die er an die Aus- führung des Geseßes geknüpft hat, schon nah der ganzen Güterstruktur, der Verteilung des Grund und Bodens und nach der Lage des Güter- Handels in der Nordmark teils unbegründet, teils außerordentlich übertrieben sind. Es ist bekannt, daß Parzellierungen in den nörd- liben Teilen Schleswigs in verhältnismäßig seltenem Maße vor- fommen, daß mithin die Anwendung der 8§§ 1 bis 4 im al.gemeinen in nur geringem Maße si als notwendig erweisen dürfte, und daß im übrigen gerade solche Parzellierungen, die auch jeßt in der Nord- mar stattfinden, d. h. durch den Eigentümer des Gutes selbst, o insbesondere Verwandten und Erben gegenüber, durch dies Gesetz in ‘ciner Weise betroffen werden. Es ist also unrichtig, zu behaupten,
af: die Parzellierung als solhe durch das Geseß aus8geschlossen werden ftöonnte. Sie soll nur dann nicht stattfinden, wenn sie von Güterhäandlern gewerbémäßig betrieben wird, und wenn der geirerbsmäßige Betrieb der Gütershlächterei in einer Weise s\tatt- findet, die den öoffentlihen Interessen widerspriht. Ist das leßtere nicht der Fall, so wird auh der Zerstückelung von Gütern durch Güterhändler durch dies Geseg in keiner Weise Abbruch getan, ganz abgesehen davon, daß das Gewerbe der Güterhändler — soweit es ih nicht um Parzellierungen handelt — ganz unberührt bleibt. Es ift also anzunehmen, daß die §S§ 1 bis 4 eine verhältnismäßig geringe Nolle in der Nordmark spielen werden.
Nun hat der Herr Vorredner aber seine Hauptangriffe gegen das Vorkaufsreht gerichtet. Das Vorkaufsreht ist auch gestern von ver- schiedenen Seiten als das Bedenklichste in dem Entwurf hingestellt worden; es ist verglichen worden mit der Enteignung (Sehr richtig! bei dem Dänen und den Polen), und es ist behauptet worden, es fei \{limmer als die Enteignung. (Sehr richtig! bei dem Dänen und den Polen.) Dieser Vergleih hinkt nit nur, sondern ist in jeder Beziehung unzutreffend; denn bei der Enteignung handelt es si darum, einem Eigentümer, der nicht verkaufen will, gegen seinen Willen seinen Besiß abzunehmen, und zwar unter Bedingungen, mit denen er nit einverstanden ist. Hier aber handelt es sich darum, daß der Eigentümer verkaufen will, und daß der Staat ihm die Be- dingungen kTonzediert, die er sih selbst ausbedungen hat. Wie man diese beiden Sachen, die so heterogen liegen, \fowohl in - rechtlicher Beziehung alF in ihren wirtschaftlichen . Folgen für die Beteiligten, vergleichen kann, ist mir nit verständlich.
Nun ist aber: gerade mit Rücksicht darauf, daß in der Nordmark größere Besißungen nur in_ verhältnismäßig geringem - Maße vor- handen - sind, ; auch die Möglichkeit, / daß größere - zu Parzellierungs- zwecken geeignete walzende Güter in großer Anzahl in der Nordmark zum Verkauf kommen, jedenfalls nicht groß. Es wird also auch dieses angeblich so gewalttätig eingreifende Vorkaufsreht- in der Nordmark voraussihtlih in “nicht “allzu weitem Umfange angewendet werden konnen. Wenn aber tatsäblich walzenden Gütern gegenüber auch dort bisweilen das Vorkaufsreht im Junteresse der inneren Kolonisa- tion ausgeübt werden sollte, obwohl diese Güter sih vorher in dä-
scher Hand befunden haben oder soeben an einen Dänen veräußert worden sind, so liegt meines Dafürhaltens darin kein Grund zur Klage und kein Anlaß, eine Maßnahme zu verwerfen und gegen sie zu stimmen, die nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern im Interesse der Kolonisation in der ganzen Monarchie für erforderlih zu erachten ist.
Wenn nun gestern oder heute von einigen der Herren Redner behauptet worden ist, daß das überwiegende, wenn nicht das einzige
þ Motiv, das zu diesem Geseß geführt habe, nationalpolitishe Er-
wägungen gewesen seien, so ist aub das tatsählich unzutreffend: denn es ergibt sih aus den einzelnen Bestimmungen wie auch aus den Motiven ganz deutli, daß dies Geseß seine Entstehung der Not- wendigkeit, dem dringenden Bedürfnis, verdankt, im Interesse ciner gesunden Bodenverteilung innerhalb der ganzen Monarchie eine ra- tionelle und planmäßige innere Kolonisation, wie sie teils vom Staat, teils mit staatliher Unterstüßung jeßt {on in einer Neibe von Provinzen in Angriff genommen ist, in wirksamerer und umfassenderer Weise als bisher zu fördern und zugleich die den Zielen einer ratio nellen Kolonisation vielfa oder bisweilen widerstreitende wilde und pglanlose Zerstückelung land- und forstwirtschaftliher Grundstüte durch gewerbsmäßige Gütershlähter unter staatlibe Kontrolle zu stellen und auf das im öffentlihen Interesse notwendige Maß zurücf= zuführen. Wenn nun diese Bestimmungen vielleiht den Erfolg haben werden, oder dazu geeignet sind, Mißstände, wie sie sih auf dem Gebiet des Parzellierungswesens namentli in der Ostmark infolge des natio- nalen Konkurrenzkampfes um den Grund und Boden in besonders [cbarfer Weise herausgestellt haben, abzuschwädthen, so ist das nicht nur an sich erwünscht, sondern dringend geboten; denn nirgends in der ganzen Monarcie hat ein so blindwütendes Parzellierungsfieber um i gegriffen, und Schaden angerichtet, wie in den leßten 20 Jahren gerade in den Provinzen Posen und Westpreußen, wo si eine über- große Anzahl von Gütershlächtern und eine Reihe von Parzellierungs- banken, deren Zahl meines Wissens auf 31 angeschwollen ist, jahraus, jahrein damit beschäftigt hat, um jeden Preis alle nur irgend ver- fäuflihen deutshen Besißungen und Grundstüke ohne Rücksicht auf Bodenbeschaffenheit, Größe und Lage anzukaufen, um sie in tunlichst zahlreiche Teilstücke zu zershlagen und diese dann wahllos an polnische Neflektanten abzugeben, umd zwar vielfach unter Bedingungen, die ein wirtscaftlihes Gedeihen ausges{lossen ersheinen ließen. (Sehr richtig! rechts.) Die Folge war und ist, daß sehr häufig die Erwerber,
r I
( D
Fortseßung in der Dritten Beilage.)
wegen Ansiedlung von Landarbeitern und Schaffung von
zum Deutschen Neichsa
2 O.
(Fortseßung aus der Zweiten Beilage.)
die zu hohen Preisen auf mäßigem Boden in dieser Weise angeseßt worden sind, bestenfalls in armseliger Weise sib durhgesleppt haben, vielfah aber eine ersprießlihe Arbeit nicht leisten und wirtschaftlich nicht vorwärts kommen konnten, weil der Bodenertrag und der Ar- beitsverdienst zum großen Teil, wenn ait überwiegend, aufgesogen wurden dur die hohen Tilgungs- und Zinsraten, die von den Par- zellenerwerbern an die Parzellanten entribtet werden mußten, Meine Herren, daß solche Parzellierungsmethoden auf die Dauer zu unhalt- baren Zuständen führen müssen, das liegt auf der Hand. Sie kommen aber auch in anderen Landesteilen leider Gottes nit selten vor.
Nun, meine Herren, haben diese Methoden aber aub noch den Nachteil, daß durch die damit verbundene wirtscaftlih ungesunde und unberectigte Steigerung der Bodenpreise jede planmäßig innere Kolonisation beeinträchtigt, wenn nicht unmöglih gemacht wird, wie sie in den Ostmarken dur die Ansiedlungskommission, in anderen Provinzen durch staatlih fkontrollierte Siedlungsgesellschaften jeßt schon betrieben wird. Das Vorkaufsrecht, das im Geseß vorgesehen ist, foll daher dem Staat und den staatlih fkontrollierten Stellen lediglih die Möglichkeit geben, unter annehmbaren Bedingungen eintretendenfalls den Bedarf an geeigneten Grundstüden für die innere Kolonisation in leihterer Weise als bisher zu decken. Meine Herren, daß diefe Wirkung des Vorkaufsrehtes auch der Ansiedlungskommission zugute kommen wird, das ist nur zu begrüßen (Rufe bei den Polen: Natürlich!) angesihts der Schwierigkeiten, welche der Ansiedlungs- kommission daraus entstehen, daß notorisch die polnischen Par- ¿cllierungsbanken, abgesehen von Erwerbszwecken, in erster Reihe das Ziel verfolgen, alle Maßnahmen der Staatsregierung zum Schuße des deutschen Besißes zu durchkreuzen und den deutschen Besißzstand in den Ostmarken planmäßig zurü{zudrängen.
Meine Herren, angesihts dieser Tendenz und angesichts de: Terroriómus gewisser polnischer Kreise (Lachen bei den Polen), die es den einzelnen polnischen Besißern geradezu unmöglih machen, Grundstücke an Deutsche, geschweige denn an die Ansiedlungskommission abzugeben, fann es nur erwünscht sein, wenn das Vorkaufsrecht und die damit zusammenhängenden Bestimmungen des Geseßes nit nur eine gesunde und zielbewußte innere Kolonisation fördern, sondern auch dazu beitragen, den deutschen Besißstand in national umstrittenen Gebieten zu erhalten. Das scheint mir sogar eine durchaus im deutschen Interesse liegende und erfreuliche Nebenwirkung des Gesetzes zu sein. Wie demgegenüber von deutscher Seite gestern behauptet werden tonnte, daß diese Folge ein Grund sei, gegen das Geseß zu stimmen, und wie diese Folge sogar als ein Mangel des Geseßes bon deutscher Seite bezeihnet werden konnte, das ist mir allerdings nicht verständlih. Jh kann gerade umgekehrt aub im nationalen Interesse die tunlichst unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs nur dringend empfehlen. (Bravo! rechts. — Zischen bei den Polen.)
Abg. Weissermel (kons.): Wir begrüßen es, daß durch die Vorlage Land für die Zwecke der inneren Kolonisation gewonnen werden foll. An der Nordsee wird die Landgewinnung bereits praktis ausgeübt; ih möchte auf die großen Landgewinnungsarbeiten an der Westküste von Schleswig-Holstein hinweisen. Dieses Land kann sehr gut für Bauernstellen verwendet werden. Der Staat muß das Land, das er für die innere Kolonisation braucht, nehmen, wo er es befommen kann. Der Grund der starken Auswanderung deutscher Landarbeiter in früheren Jahren lag in der {lechten Lage der Landwirtschaft. Ich habe es mit großer Freude begrüßt, daß hier erklärt wurde, daß der Großgrundbesiß erhalten werden müßte. Dadurch wird natürlich eine zweckmäßige Aufteilung von Domänen nicht unmöglich gemacht. Es fam hier gestern zum Ausdruck, daß die Ausführung der inneren Kolonisation dur staatlihe Behörden überwacht werden muß. Ja, es wurde vorgeschlagen, diese Ueberwachung von den Generalkom- missionen und Spezialkommissionen ausführen zu lassen. Darüber habe ich mich außerordentlich gefreut. In den General- kommissionen sißen fultürtehnisch gebildete Beamte, welche die innere Kolonisation sehr gut überwachen fönnten, Mit unserer Ansiedlungspolitik in der Ostmark befinden wir uns lediglich in der Abwehr. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hatten die Bauern kein Grundeigentum; das wurde ihnen erst durch die Stein-Hardenbergsche Geseßgebung von 1805 gewährt. Das ging natürlich nit, ohne daß die bisherigen Grundeigentümer dafür ent- \chadigt wurden. Von 1816 bis 1850 sind dann wieder 300 000 kleine, nicht gespannhaltende Stellen eingezogen worden. Diese Einziehung veruhte auf der geseßlichen Grundlage von 1816. Wenn demgegenüber gestern von sozialdemokratischer Seite von „zusammengeraubtem Groß- grundbesiß" gesprohen wurde, so muß i dagegen auf das s{ärfste Protest erheben. Jch kann das nur als Agitation bezeihnen. Das Aufsaugen des kleinen Grundbesißes war bedauerlich, hat aber mit dem Bauernlegen nichts zu tun. Wie geschieht es denn in der Industrie? Man ehe si nur die Leipziger Straße an. Dort sind die kleinen Ge- \chäfte derartig aufgesaugi worden, daß nicht eine einzige Säule mehr von entschwundener Pracht zeugt. Mit der Anforderung größerer Mittel für die Zwede der inneren Kolonisation sind wir au voll- Tommen einverstanden, ebenso damit, daß die Beleihung der kleinen Stellen auf neun Zehntel des Tarwertes bemessen wird. Das ist eine erfreulihe Maßnahme, die wir durchaus begrüßen. Bei den größeren Stellen möchte ih aber diese hohe Beleihung nicht vorshlagen. Auch bei den kleineren Stellen bitte ih niht weiter mit der Beleihung hinauf zu gehen, sonst kann es vorkommen, daß bei zeitweiser wirt- schaftlicher Schwierigkeit der Besißer die Stelle einfa im Stich läßt. Das Interesse des Besißers an der wirtschaftlihen Entwickelung seiner Stelle muß unter allen Umständen wacgehalten werden. Der Besißer barf nicht ein reiner Staatspensionär werden, sondern er soll, wie alle übrigen Menschen im Leben, auf seiner Stelle arbeiten. Für die Gestaltung der Kurse unserer Staatspapiere, besonders unserer Renten- briefe ist es schr viel besser, wenn wir schrittweise das Bedürfnis nah Anlegung von Stellen befriedigen. Wenn wir jeßt auf einmal 300 Mil- lionen Schaßanweisungen heráuéêgeben, so wird es nicht dazu beitragen, die Kurse der Staatópapiere auf der jeßigen Höhe zu halten. Es besteht ein Unterschied zwischen der Kolonisation der Ansiedlungs- fommission und der der großen Landgesellshaften. Die Ansiedlungs- Fommission hat sehr viel Geld zur Verfügung und mat damit, was sie will, sie baut S(ulen usw, Die Landgaesell\haften und die General- kommission fönnen das nit alles tun, weil sie nit die nötigen Mittel zur Verfügung haben. Gegen die innere Kolonisation sind niht nur bie (Broßgrundbesißer, sondern auch die kleineren Bauern gewesen, weil siè befürhteten, daß dadurch die Kommunallasten zu sehr wachsen würden, Man kann es den fleinen bäuerlihen Gemeinden gar nicht verdenken, wenn sie Maßnahmen gefordert haben, die cine zu hohe Be- Jastung unmöglih machen. Die Schaffung von Allmenden gereicht
“listish sei, werden wir uns nicht abhalten laffen, die innere Koloni-
Dritte Veilage nzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
23. März
1994,
Berlin, Montag, den
zweifellos den fleineren Leuten zum großen Vorteil. Ueber die Er- böbung des Zwischenkredites freuen wir uns. Ich bitte aber den Minister, daß mit diesem Zwischenkredit nit nur die großen Genofsen- schaften, sondern aub die kleineren Genossenschaften bedaht werden. Mit der beabsihtigten Bauernansiedlung sind wir einverstanden. Wir verlangen aber, daß auch Arbeiteransiedlungen dabei berücksichtigt werden. Auf keinen Fall dürfen aber Ansiedlungsstellen geschaffen werden, die nicht lebensfähig sind. Es ist ja ridtig, daß die Preise für Land _jebt sehr hoh sind. Die Lurxusgüter spielen dabei ja auc eine gewisse Nolle. Man foll aber auf der anderen Seite nicht i daß auch zu niedrige Preise für die Ansiedler ihre Bedenken Wenn der Preis zu sehr unter dem wirklichen lieat, d
dings die erste Generation sehr billig angeseßt, es [iegt
vor, daß dann die späteren Generationen, weil der frübere
jo viel verdient hat, das Land wieder zu einem höheren Preise taufen. ß vermiede!r
HhoTADi Or DeTAef en,
Ein solcher sneller Stellenwe{sel muß
Der Minister hat durblicken lassen, daß du as Geseß eine gute Mischung zwischen größerem und kleinerem Besiß, also eine gewisse soziale Stufenleiter geschaffen werden soll afür habe ich mi selbst son vor einem Jahre ausgesprochen.
Seite ein zu großer Einfluß des Landrats und des Regierungévräs- denten befürchtet wird, so weise ich nur darauf hin, daß man auc
wo Stadtbehörden Einfluß haben, viele ungünstige Erfahrungen ge- macht hat. Berücksibtigt man dasjenige, was die Generalfommifs seit 1891 getan hat, und stellt in Vergleich dazu die Tätig
da keit der An nedlungskommifsion, dann wird man finden, daß die Generalfommisston
mindestens dasselbe geleistet hat. Es wird Schuß des Privateiaentums verlangt. Man verlangt aber gleichzeitig ein Eingreifen gegenüber den Fideikommissen. Man darf da nicht vergessen, daß es sich aud bier um Privateigentum handelt. Von einem Ausnahmegeseßz darf
hier natürlib nit reden. as Parzellierungsgeseß ist ja
deshalb gemacht worden, weil man die Tätigkeit der Änsied kommission auf die ganze Monarcbie ausdehnen - wollte.
eben dieser den Charafter eines Ausnahmeaeseßes nehmen.
von Trampczynski führte dann an, daß die Bestimmungen Geseßes auf eine Abschneidung des Kredites berauéfomm
werden gerade hierin Kredite b1s zu einer Grenze gewährt
haupt beinahe über die Grenze des Beleihungsfähigen
Wollte man mehr tun, dann könnte man nur von einem
Kredit sprechen. Das Vorkaufsreht s\oll eine Schädigung
kaufers in sih s{ließen. Das ist aber vollkommen unzutreffend. L Staat müßte doch in diesem Falle immer das zahlen, was der Käufer geboten hat, Der Besißer ist ja gar nit verpflichtet zu verkaufen. Der Abg. Braun hat sih auf Aeußerungen der Kre1 itung vom Jahre 1871 berufen. Die Konservativen haben aber inzwiscen zU- gelernt und Tönnen doch nicht mehr dafür verantwortlich aemacr werden, was einmal von ihrer Seite vor 40 Jahren ausgesprochen worden ist. Da könnte man ja s{ließlich bis auf den Alten Friten oder vielleicht sogar auf Albrecht den Bär zurückgreifen. Dem Gesetz wird vorgeworfen, daß damit ländlite Mittelstandsrettere trieben werden soll. Es handelt f bierbei ‘aber
Schaffung von neuen Bauernstelle; Anseßkung Landarbeitern. Und diese sollen lebensfähig gemacht werden.
tann doch von Mittelstandsretterei gar feine Rede
Jeder Landwirt ist bestrebt, eine möglichst gute Ytente aus seinem Vesiß zu erzielen. Man darf deshalb nicht sagen, daß es dem Besitzer überlassen ist, ob er gut wirtschaften will oder nicht. Gewiß gibt es auch Luxusgüter, aber wenn der Besitzer jahrelang zugeseßt hat, dann wird er {on anfangen, besser zu wirt\chaften. Einzelfä!le von \{chlech- ter Behandlung der Landarbeiter dürfen nicht verallgemeinert werden. Die innere Kolonisation hat sehr gute Ergebnisse gehabt: allerdings geht es nit so nell damit, wie mancher wohl meinen mag. Durch den Einwurf von sozialdemokratischer Scite, daß dieses Gesek sozia-
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sation zu fördern. Die Sozialdemokratie will, daß der Staat seinen Grund und Boden behalten soll. Wir wollen mit ihr darin zusammen- gehen, daß der Staat seine Domänen nicht parzelliert. Einen Anspruch oder ein Recht auf Anseßung kann es nicht geben. Die staatlich \ub- ventionierten und fontrollierten Gesellschaften müssen das Necht haben, sih geeignete Personen zum Ansiedeln aussuchen zu können. Die Sozialdemokraten meinen: Wenn Sozialdemokraten vom Anseten aus- geschlossen werden, müssen sie auch ausgeshlossen werden vom Steuer- zahlen und vom Militärdienst. In beiden Fällen sind sie aber nicht zu entbehren. Wie wäre es aber, wenn die Sozialdemokraten aus- geschlossen würden vom Parlament? Sie fühlen sib do in diesem verrotteten Klassenstaat und Parlament ohnehin niht wohl. Wir 1nd bereit, auf dem Wege der inneren Kolonisation weiter zu arbeiten, und hoffen, daß unsere Bedenken in der Kommission beseitigt werden.
Abg. Nhiel (Zentr.): Der Entwurf gibt in einer ganzen Reihe von Punkten zu Beschwerden Anlaß. Die Zuständigkeit der Landes- geseßgebung ist durch das Einführungsgeseß zum Bürgerlichen Geseß- buch gegeben. Der § 1 des Entwurfs zieht die Kausalgeschäfte in seinen Bereich, was nicht zulässig ist nach der bestehenden Gesetzgebung. In diesem Punkte schließt sih der Entwurf dem bayerischen Geseß an. Jn Bayern hat das aber einen Sinn, in Preußen dagegen nicht. Das Fücktrittsrecht scheint uns eine Absurdität zu sein, deren wir uns nicht {huldig machen wollen. Der gewerbsmäßige Vermittler wird genau denselben Bestimmungen unterstellt, wie der Güters{hlächter. Ich muß den Abgg. Baerwald und von Trampczynski darin reckcht geben, daß das Vorkaufsrecht eine Einschränkung der Freizügigkeit bedeutet. Der Justizminister hat gestern eine andere Auffassung geltend gemacht, aber ih kann nicht finden, daß er die Ausführungen dieser Herren widerlegt hat. Er hat ausgeführt, es werde lediglih der Veräußerer getroffen, und wenn dadurch der Crwerber am CGrwerb gehindert würde, so sei das nur etne Folgeersheinung. Nun hat aber gerade der Landwirt- \chaftsminister vorgestern hier gesagt, daß nicht der Beräußerer, \on- dern nur der Erwerber durch dieses Geseß getroffen werde. Fch glaube, daß der Landwirtschaftsminister mit seinen Ausführungen ret hat. Wenn nun das Vorkaufsrecht geltend gemacht werden soll, fo erhebt sich wieder die Frage, wann dies geschehen soll. Die „Veräußerung“ ist erst vollendet, wenn die Auflassung erfolgt und der Erwerber zum Cigen- tumer geworden ift. Gegen den Entwurf müssen so viele Einwände rechtliher Art geltend gemacht werden, daß ich nur glauben kann, den Berfasser des Geseßentwurfs hat der Mut der Verzweiflung gepackt. Er mußte eben durch. Es wird nötig sein, das Geseß in der Kom- mission sehr gründlich zu prüfen.
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Gestatten Sie, daß ih mit ein paar Worten gleih auf die Bedenken eingehe, die der Herr Vorredner vorgebracht hat! Der Herr Vorredner ist ja sehr gründlih zu Werke gegangen, und das verdient alle Anerkennung. Aber ih glaube, daß die vielen Fragen, die er angeregt hat, sih im einzelnen doc nur bei der Koms- missionsberatung näher werden erörtern lassen: es ist wohl kaum mög- lih, alle die verschiedenen rechtlihen Erwägungen hier im Plenum von allen Seiten und nah allen Richtungen hin ‘zu erörtern. Aber ich gebe ohne weiteres zu, daß alles, was er gesagt hat, der gründlichen Nachprüfung bedarf, und dazu wird die Kommission der geeignete Plaß sein. Jh möchte mich deshalb hier nur auf ein paar ganz kurze Bemerkungen beschränken, ungefähr anknüpfend an den Gang der Nede
Er bat zunächst ausgeführt, daß unter der im Art. B.G.B. erwähnten „Veräußerung“ nur tragung des Crwerbes zu verstehen, daß daher dor 3
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Artikel 119 doch nicht aufgefaßt
zu verstehen das ganze Veräußerungsge\chäft, also nicht \
lassung selbst, sondern
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t pr TomtTt hon Monritndunræ 0 7 Int amurtgotat4 vmorh der recmtlichen Oegrundung ermangeind aussesaßi l
ragung des der Eigentumsübergang gültig sei oder nit. indessen na der Auffassung der Staatsregierung 1 in dem § 9 des Entwurfs das Wort „darf“
E t ar l Hy “o a e DL N Bork nach dem Sprachgebrauche des
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richtige hingestellt
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auch der Herr Vorredner als die L de 0s: E v die Fassung 5weifeln Anlaß wUrden diele
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bet den Polen und im Zentrum.)
3 Borkaufsrechts der Erwerber getroffen
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\chränkung der Veräußerung regelmäßig zugleich eine oa MormmiGovor2 C! Mt. des Veräußerers sein wird: und nicht zuglei der Verkäufer
L e L O M N E R j 1 pl mchts gegen die Änwendbarkeit des Art. 119 Nr.
U Q! m F Ee S c E A W. V. W.-V. von der „ZYSerauerung
Nr. 1 „We
l gu! T A „El c außerer die Fh bemerkte \cho
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t 49 G S et Sh B adi ck44 A011 A rig, daß bet der Zwangsversteigerung nicht der
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vorgenommen wird. 5 L, v G) r T Y Nun hat der Herr Vorredner besonders eingeben
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auc der Negierung vollfommen Flar: aber der
. des B.G.B. übereinstimme. Das 1
und weil diese weitere Ermächtigung erteil
daß die Ausübung
zu unterhalten haben (Lachen im Zentrum und bei den
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zu jen. (Sehr richtig! bei den Freikonservativen.) U WaPh orde Wette U S Sor Staaten von Amerika wohnen heute auf dem Lande ¿Farmer und Bauern deuts{her Abstammung
ese erheblichen Bedenken des näheren einzugehen bereit
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beiten wollte und fonnte, wurde aufgenommen. Es 1
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und nur die einzige Bedingung daran geknüpft daß er
Dadurch ist es der Nation“ möglich _geworden, sich Yauernstand anzueignen, um den heute {hon die alten K Amerika beneiden. Auch beute noch gehen. U nach dem Auslande. Nach der deutshen Neichss\tatisti lich durbschnittlih etwa 20 689 Menschen sein. Nach der
C - © wu — ' F. Veut|che aus. Nach Professor Sering sind wäl det hunderte im Osten etwa eine Million Hektar deutschen verloren gegangen. Professor Sering sagt, daß wir noch innere Kolomsation treiben, Jch bin auch dieser Mein
Po San rend
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diese eine Million Hektar deuten Bauernlandes, das
Menschen im Lande besser zu verteilen. Heutzutage der Stadt, besonders nah der Großstadt und na
zweifellos stellenweise höhere Löhne gezahlt werden.
Kolonisation wollen wir den Teßhaften Bauernstand den wieder einführen, wo er heute vers{wunden ist. die innere Kolonisation zunächst eine bessere Verteilung rung erreichen, so kräftigen wir au damit d
\
Wir verkennen sicher niht den großen Wert Aber ein guter Inlandmarkt ist auc heute heimi}che industrie 1ch wunschen kann, und }
L unseren nneren Markt zu stärken. Durch die & Vauernland entsteht au eine intensivere Ausnußnng è Bodens, denn es liegt auf der Hand, daß der Kleinbet1
weit intensiver ausnußen kanù, als der Großbetrieb.
| viel erheblicher ist, als die des Großarundbesikes. Jahren der Uebernahme des Bodens durch den Ans erheblihe Produktions\teigerung zu wverzeid Schweinen war sogar etne Produktionszun statiern. J bin fest davon überzeuat, daf
ua Ai auch tn der Provinz Sachsen, die Produktic
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des Herrn Vorredners.
ly r hp; M s A v3 Cort L LLCD dagen wrd,
dem Wugenblicke «n
glaube ich nicht, daß {on aus dieser Erwägung der Ges
n, daß damit das
außerung8geschaft betroffen werden soll. Beisptelsweise
troffen wird; aber das ganze Veräußerungsge\{äft ist L L A C, Q S T4! C DadUrck, daß das geleBlihe Bortaufsreht bestehen bleibt,
d ct es mcht ohne Wirkung auf einen zwangsweisen Verkauf, der etwa
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Yeint mir, wie gesagt, eine Kommissionsberatung am
-- ° » e diejem ge]chenktten Grund und Boden wohnen und arbc | diesen ] ulturnationen zahlreiche deutsche Baut
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jollen es jäbr
heute noh lange nit so weit im Osten unseres Baterlan
119 Nr. 1 E.-G.
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Sen E AT a de und dto - Auflassung und die Ein-
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zu weit gefaßt jer. Aber, meine Herren, fo eng dar] der
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gebraucht ist, und dieses U At De D I P S U E M 4E S P leBung eines Verbots nit die Wirkung hat, daß das Geschäft un- R LHR T LEL E t E S L O E verbindlich 1st. Jedenfalls it die Meinung des W&ntMmurlo wie
ck7 A4 Lot Moratiinag Sor Am n I lo M eit bei der Beratung der Kommission behoben werden
x + DyY A ian CUA D Av L L y ofn c 2 t hat der Herr Vorredner darauf hingewiesen, daß bei Aus
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x» Moa d ho {t or 417 Ina 70 R N 9 ) der Verkäufer. Jch habe gestern darauf hingewiesen, daß eine Be-
Beschränkung
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wenn aber nur die Veräußerung als folche getroffen wird, so ift damit noch 1 gesagt.
heißt dort eben nit, daß der Verkäufer eingeschränkt,
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Na ê n10 Ny Co 2 D ACL Ew Ñ T S D 1 as ganze BeraußerungöSge]chaft getroffen werden soll: es ist in Art. (S ; ] l
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und infofern
wie es dieser Geseßentwurf fonstruiere, mit ist ganz rihtig und Vorbehalt aus dem Art. 119 deckt eben auch diese abweichende Regelung. I ei liche Vorkaufsrecht eine Veräußerungsbeschränkung im Sinne des Art. 119 ist, so ist es bei seiner Aus3gestaltung an die B welche im B.G.B. für das Vorkgufsrecht gegeben sind, nicht gebunden, è worden ist, so rehtfertigen sih auch vom. geseßgeberis{en Standpunkt aus die Bestimmungen die hier in dem Entwurf für das Vorkaufsrect gegeben sind.
Gndlich hat si der Herr Vorredner noch in dem Sinne geäußert,
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stimmungen,
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es Borkaufsrechts bei der Zwangsversteigerung shwierig sein und zu Mißverständnissen führen könne. eine Lücke im Gesetz sein sollte, so wird man sih hierüber weiter Polen.), und es wird hierzu die Kommissionsberatung besser als das Plenum ¿u wählen fein. Jh kann für die egierung erklären, daß sie |
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in jenem Lande noch einmal das Nückgrat der politischen und wirtschaft lichen GEntwicklung sein wird. Die Vereinigten Staaten haben eine großzugige Politik der inneren Kolonisation getrieben. Jeder, der a1 G 1 s wurde ihm ein Ureal von Alerland gesenkt und Steuctfreiheit für 10 dal
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Ur b Statistik GBereinigten Staaten aber wandern allein nach Amerita über 3 l
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Zahrhunderten verloren gegangen ist, wiedergewonnen babe! : mussen wir heute eigentli kolonisieren? Aus dem Grunde,
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rung n, O U en inneren Mar [Ur die deutsche industrielle Produktion von erbebliber Wichti
Fommission teilt uns in der Jubiläumsdenk\crift Zahlen denen hervorgeht, daß die Produktion des kleinbäuerlichen
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