1895 / 104 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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elsaß-lothringische Volk keine Neigung hat, deutsh-patriotish “i E bebe Ld gelangen an den et Undine Klagen über die Anwendung des Geseßes; durch die Verhandlungen über die Gemeindeordnung zieht sich wie ein rother Faden die Angst vor der Sozialdemokratie; dieser Furt verdankt der Entwurf die Mehrheit, die er gefunden hat. werde für den Antrag der elsaß-lothringishen Partei stimmen, weil der M Re- ier einmal gezeigt werden muß, daß auch für sie Geseße vor- bantet find, daß es bee Pflicht und Schuldigkeit ist, nicht ungeseh- liche Ha

nd vorzunehmen. (Der Präsident Freiherr von Buol rügt diese Bezeichnung.) A / Staatssekretär in: Elsaß-Lothringen, Wirklicher Geheimer Nath von Puttkamer:

Meine Herren! Wenn man die Herren Preiß und Bueb über diese neue Gemeindeordnung sprehen hört, sollte man denken, die Régierung von Elsaß - Lothringen fühle fich in die : Noth- wendigkeit verseßt, an dieses Haus heranzutreten mit dem Antrage, ein neues Gesey zu schaffen, was ihr bisher von ihr nit besessene Vollmachten in die Hände gäbe. Wenn Sie aber die Wahrheit nehmen, wenn Sie Elsaß-Lothringen und seine Regierung beurtheilen und ansehen wollen wie fie sind, niht wie sie sh in den Köpfen einzelner Herren malen fern von jeder Wahrheit, so legen wir in der Gemeindeordnung einen Geseßentwurf vor, in dem die Regierung Gewalten und Vollmachten, die ihr jeßt zustehen auf Grund der bestehenden Geseßgebung, in weitestem Umfange von fich wirft. Jh habe im Landesausshuß von Elsaß-Lothringen gesagt und kann hier nur wiederholen ich fsprehe niht von Geseglosigkeit : das ist ja natürlich nichts weiter als eine façon de parler; das mat sih ja ganz gut und wird vielleiht im Lande eine gewisse Wirkung äußern ; darüber sind wir erhaben; das ift nur mit Lächeln anzuhören, aber ih sage: wenn wir den Wunsch hätten, in unseren Händen Gewalten fonzentriert zu haben, wie sie nirgendwo auf deutschem Boden gegenüber den Gemeinden in den Händen einer Regierung existieren, so könnten wir nur dringend bitten, lehnen Sie do, so- weit es an Ihnen liegt, diese Gemeindeordnung ab. Meine Herren, wir entäußern uns mit dieser Gemeindeordnung der allerweitgehendsten geseßlihen Vollmachten, die wir haben, und wenn die Herren Abgg. Preiß und Bueb meinen ih glaube, Herr Preiß spra das ganz gerade aus —, er ziehe den bisherigen Zustand der neuen Gemeindeordnung vor, ja, ein so übermäßiges Interesse haben wir nit daran, daß wir von Befugnissen entkleidet werden, wie wir sie jeßt in einer Weise besitzen, die meiner Meinung nah allerdings ganz unerhört is und die ich auch als völlig unfruchtbar bezeihnen muß. Die Herren haben fich ihre Argumentation bequem gemacht, indem sie nur von den Bürgermeistern gesprohen haben. Ich werde auf diese Bürgermeisterfrage noch mit einigen Worten eingehen müssen; nahdem die Diskussion aber nunmehr in einer gewissen Breite über manche Grundlagen der Gemeindeordnung sih ausgedehnt hat, was ih von vornherein niht annehmen konnte, liegt es mir doch ob, wenigstens die Gesichtspunkte hervorzuheben, in denen in der That das gegeben ist, was ich vorhin die Ehre batte zu sagen, daß diese Gemeindeordnung eine Selbständigkeit und Selbstverwaltung der Ge- meinden begründet, wie sie in Elsaß-Lothringen seit der Revolution, d. h. seit hundert Jahren, niemals auch nur annähernd vorhanden gewefen ift. :

Worin kennzeichnet sih denn in erster Linie die Selbstverwaltung einer Gemeinde? in der Stellung der gewählten Repräfentanten! nicht des Bürgermeisters das is nur von den Herren hervor- gesuht, weil das Wort „Bürgermeister“ klingt als eine Art Autoritätsmann —, nein, in der Stellung der gewählten Re- präsentanten, also um na altdeutschem Muster zu sprechen, der Stadt- verordneten, nach dem Muster des Westens der Gemeinderäthe. Wie ftebt es damit in der Geseßgebung jeßt und wie wird es künftig fein ?

Lafsen Sie mich eine kurze Parallele ziehen. Der Gemeinderath darf nah geseßlihen Bestimmungen bis jeßt nur viermal im Jahre in bestimmten Perioden #ch versammeln zur Erledigung der Ge- meinde-Angelegenheiten; will er es öfter, so muß der Kreisdirektor die Erlaubniß geben. Seine Versammlungen, die von ihm gefaßten Beschlüsse sind nichtig ohne. diese Erlaubniß. Nach der neuen Ge- meindeordnung tritt der Gemeinderath zusammen und wird vom Bürgermeister konvoziert, so oft es nöthig is; wenn außer- dem einige der Zähl nach bestimmt bezeihnete Mitglieder die Zusammenberufung verlangen, so muß er zusammentreten, während nah bisherigem Gefeß der Kreisdirektor es gestatten konnte, aber au ablehnen fonnte. Der Gemeinderath konnte \ih bisher eine Geschäftsordnung nicht geben, in einer geseßlihen Vorschrift wird so- gar bestimmt, in welcher Reihenfolge die Gemeinderäthe in den Sizungen Plat nehmen müssen. Der Gemeinderath übt keinerlei Disziplin über feine Mitglieder, sondern der Kreisdirektor, also Be- amte der Staatsverwaltung. Das Wichtigste ist : alle Beschlüsse des Gemeinderaths mit wenigen im Geseß vorgesehenen Ausnahmen unter- liegen der Genehmigung der vorgeseßten Aufsichtsbehörde, d. h. des Kreisdirektors; wann von dieser Genehmigung abzusehen ift, ist im Geseß angegeben, es sind nihi viele Ausnahmen. Die neue Gemeindeordnung dreht das Verhältniß geradezu um und schreibt vor: die Gemeinderäthe sind in der Beschlußfassung völlig fouverän, ihre Beschlüsse sofort rechtsverbindlih, ausgenommen das find nicht viele Fälle, besonders in den Städten wo eine Be- ftätigung der Aufsichtsbehörde vorgesehen ist.

Also die bisherige Geseßgebung stellt den Gemeinderath in seiner ganzen Thätigkeit und Beschlußfassung unter die Bevormundung des Kreis-Direktors, legt ihn gewissermaßen in dessen Hände; die neue Gemeindeordnung giebt ihm völlige Selbständigkeit in der Beschluß- fassung über Gemeindeangelegenheiten, unterwirft die Beschlüsse nur in seltenen Ausnahmefällen der Bestätigung der vorgesetzten Behörde. Ich frage Sie, meine Herren, is das Fortschritt oder Rück- \{chritt? Vom Standpunkt der Herren, die eben ge- sprohen haben, müßte es bezeihnet werden als Fortschritt erster Klasse; aber es paßt ihnen beffer, über diese Gesichtspunkte hinwegzugehen, während. für jeden Kenner des Gemeindere(ts klar ist, daß in der Stellung des Gemeinderaths die vornehmste Grundlage der Unabhängigkeit der Gemeinde liegt.

Weiter, meine Herren! Nah dem bisherigen Recht kann der Gemeinderath jeden Augenblick vom Bezirkspräsidenten auf eine Reibe von Monaten suspendiert werden, das Ministerium kann die Suspension ausdehnen auf ein Jahr. Nach der neuen Géêmeindeordnung findet eine Suspension der Gemeinderäthe nit mehr ftatt, einzig: und allein eine Auflösung, die auch jeßt vorgesehen ift dur landesherrlihe Verordnung. Daß-jede Regierung

vorsichtig sein muß, eiye solche Verordnung des Landesherrn zu er- bitten, liegt in dex Natur- der Säche; daß nur die dringendsten Gründe dazu führen können, ift selbstverftändlih. Die Beseitigung der Suspensionsbefugniß gegenüber den Gemeinderäthen ist mithin eine außerordentliche Stärkung in deren Stellung. Meine Herren von jener Seite, Sie thun so, als ob wir ein ungeheueres Interesse hätten, alle diese Bestimmungen los - zu werden. Gewiß! wir haben dies Interefse, aber werin besteht es? Weil wir der Ueberzeugung sind, daß in der Be- völkerung von Elsaß-Lothringen das Bedürfniß und der Wunsch nah einer freieren Gestaltung der Gemeindeverhältnifse lebendig if, weil wir der Ansiht sind, daß gewisse Befugnisse, die in die Hände der Regierung gelegt sind, und die sie als über das vernünftige Maß binausgehend nit brauchen fann, beseitigt werden können, weil wir der Ansicht sind, es ist in Elsaß-Lothringen jeßt der Augenblick gekommen, wo auf der Grundlage der bisherigen Gemeindeverhältnifse, wie siesich seit derRevolution entwickelt haben, in gleichzeitiger Anknüpfung an deutsh-rechtlihe Gesichtêpunkte eine Umformung des Gemeinde- rechtes stattfinden kann, welche die Grundsäße der Selbstverwaltung und Déezentralisation in einem in Elsaß-Lothringen bisher nicht erhörten Umfange in die Gemeindeverhältnifse einführt. Haben Sie von allen diesen Dingen, von der Stellung der repräfentativen Gemeindeorgane ein Wort von den Herren Vorrednern gehört? Kein Wort! Sie sprahen von den Bürgermeistern (Zuruf). Gut, nun komme ih noch zu den Bürgermeistern. Der Herr Abgeordnete für Colmar, Herr Preiß, machte sih die Sache sehr leiht; er ignorierte vollständig, daß ih von Berufsbürgermeistern gesprochen habe. Er sprach immer von allen Bürgermeistern der Zahl na, die auf Grund des Gesetzes von 1887 ernannt seien; er berief sih auf die Motive, übersah aber dabei, daß es in den Motiven ausdrücklich heißt :

Am 1. Januar 1895 gab es in den 1698 Gemeinden des Landes nur 91 Bürgermeister, welche nicht gleichzeitig Mitglieder des Ge- meinderaths waren.

Gewiß, meine Herren, ich habe die Zahlen auch vorhin gegeben. Das sind aber Ehren - Bürgermeister und keine Berufs - Bürgermeister, Der Herr Abgeordnete für Colmar scheint in der That niht zu wissen, was man eigentlich in Elsaß-Lothringen in der Geschäftssprache und in den Diskussionen des Landes- Ausschusses unter der Bezeichnung: Berufs - Bürgermeister versteht. Der geehrte Herr scheint zu glauben, daß jeder Bürger- meister, der außerhalb des Gemeinderaths genommen ift, Berufs- Bürgermeister ift. Davon if gar kein Gedanke. Diesen Begriff hat bisher niemand vor dem Herrn Abg. Preiß mit dem Wort Berufs-Bürgermeister verknüpft. Wie kann man jemand, einen Bürger aus der Gemeinde, der das Ehrenamt des Bürger- meisters, übernimmt, wenn er auch dem Gemeinderath nicht angehört, als einen solchen bezeihnen, der einen be- zahlten Lebensberuf aus der Gemeindeverwaltung maht? Jh halte die Ziffern, die ih gegeben habe und die ich nicht aus dem Kopf zitiert habe, sondern auf Grund einer amtlichen Zusammenstellung in der Abtheilung des Innern des Ministeriums von Elsaß-Lothringen, bis auf den J-Punkt aufrecht; nur der Herr Abg. Preiß. irrt sich und sollte in Zukunft vorsichtiger sein, ehe er Ver- treten der Regierung JIrrthümer vorwirft; er sollte vor allen Dingen erft versuchen, die Frage zu studieren und sich darüber zu unterrihten, was unter der Definition des Berufs- bürgermeisters überhaupt zu verstehen ist. Berufsbürgermeister nennt man eben einen folchen, der aus seiner Stellung an der Spitze einer Kommune einen Lebensberuf macht; und derartige Bürgermeister baben wir 19 im Lande. Dabei bleibe ih, und dabei bleibt es. Die übrigen Bürgermeister von den 91, die angeführt sind, find Ehren- bürgermeister, die lediglich genommen sind außerhalb des Gemeinde- raths, aber aus den Bürgern der Gemeinde.

Der Herr Abg. Preiß, meine Herren, glaubte dann noch, des näheren darlegen zu Tönnen, daß auch die Stellung der Bürgermeister nach der neuen Gemeindeordnung gegenüber der Geseßgebung von 1887 gar nicht geändert werde. Ih muß da von vornherein be- merken, daß die Stellung der Bürgermeister in Gemeindeangelegen- heiten nach der neuen Gemeindeordnung nicht mehr das- jenige Maß von Bedeutung hat, wie unter den jeßigen Verhältnissen. Die Gemeinderäthe sind eben nach der neuen Gemeindeordnung zum großen Theil souverän in ihren Entscheidungen. Nah dem jetzigen Gemeindereht dagegen unterliegen ihre Beschlüffe der Genehmigung des Kreis-Direktors. Es ist klar, daß ein Bürgermeister, der einen in der Beschlußfaffung sou- veränen Gemeinderath vor fih hat, eine viel \chwierigere Stellung bat und viel vorsihtiger operieren muß, als ein Bürger- meister, der einfah zum Kreis-Direktor geht und sfagt|: Der Beschluß des Gemeinderaths paßt mir nicht, Kreis-Direktor, versage deine Genehmigung. Ich glaube nit, daß folche Dinge viel vorkommen, allein nach der rechtlichen Stellung kann man es konstruieren, und ih babe deshalb Recht zu behaupten, daß der Bürgermeister nah der neuen Gemeindeordnung dem Gemeinderath gegenüber abbängiger ist wie bisher, und damit s{windet die Frage des Interesses an der Stellung des Bürgermeisters im gewissen Um- fange zusammen.

Meine Herren, ih kann es mir nit versagen, da ich hier über eine Materie spreche, die nah der Natur der Sache Ihnen ja mehr oder minder fremd i}, darauf aufmerksam zu mahen, daß nach der besonderen Konstruktion unseres Gemeinderechts der Bürgermeister eine doppelte Stellung hat. Er is keineswegs allein Vertreter der Gemeinde und deren Interesse, er hat in min- destens gleiher Weise in kleinen Gemeinden fast aus\{ließliß die Stellung eines unter eigener Verantwortlichkeit handelnden Ver- treters der Staatsinteressen. Die erste französishe Revolution hat einmal die Gemeinden in dieser Weise in Frankreih konftruiert und hingestellt, daß der Chef, der Bürgermeister, zu gleicher Zeit in einer Fülle von Angelegenheiten: Polizei, Justiz, Finanzen, Staatsverwaltungsvertreter ist. , Man nennt deshalb die Maires in Frankreih: agentes du gouvernement; au das ift nicht einmal ein genauer Ausdruck. Das. Richtige wäre zu sagen : ein unter eigexer Verantwortung handelnder Vertreter des Staats- interesses in der Gemeinde als der untersten organischen Abtheilung des Staats, in welcher ein Zusammensfließen der Staats- und Gemeinde- interessen stattfindet.

Nun hat man auch die Geschichte des französishen Gemeinde- rets weist das für jeden nah, der dieses kennt und -sih damit be- \{chäftigt hat in Frankrei oft gesagt: das giebt dem -Bürger-

meister eine Stellung, die zu mähtig if, wenn er zuglei überall den Staat repräsentiert, und man hat nah Mitteln zur Abhilfe gesucht: man hat versucht, den Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde allein hinzustellen, und daneben einen Staatsbeamten ¿u seßen, der mit den ftaatlihen Funktionen zu beauftragen wäre. Das läßt sih ja machen; allein auf der einen Seite kostet es viel Geld, während der Ehren-Bürgermeister, wie er bei uns besteht, dies Funktionen umsonst wahrnimmt. Außerdem“ man aber auch immer gefunden, daß maßgebende Gründe dafür sprechen, dieses Ver- hältniß in der Gemeinde, das Zusammenfließen der staatlichen und Gemeindeinteressen festzuhalten.

Nun, meine Herren, ist es ja klar, daß bei diefer Duplizität in der Stellung des Bürgermeisters, bei dem Umstande, daß derselbe berufen ift, der Bevölkerung gegenüber die Staatsinteressen, die Staatsgewalt und den Staat als solchen zu repräsenticren, die fran- ¿ôsische Gesetzgebung jederzeit das größte Gewiht hat legen müssen auf die Frage der Ernennung der Bürgermeister. Da sind sehr viel vershiedene Strömungen zum Ausdruck gekommen. Die Gesetzgebung hat seit der ersten Revolution bis zur Annexion im Jahre 1871 über diese Frage nicht weniger als zwölfmal gewehselt. Nur eins zieht sich als. rother Faden bindur, das ist, daß unter keiner Bedingung wegen der Stellung des Staats zu den Vürgermeistern der Staat darauf verzichten kann, einen maß- gebenden Einfluß auf deren Ernennung zu haben.

Ich kann-da vielleicht auf eine Thatsache, die historisch niht un- interessant ift, aufmerksam machen. Als die französishe National- versa—-mlung nah dem Jahre 1871 einen Beschluß faßte, wona die Bf germeister künftig gewählt werden sollten, erklärte der damalige C' f der Exekutivgewalt Thiers, ehe er einen solchen Beschluß zuließe, de nichts weiter bedeute als die Sanktionierung der Unordnung in allen Gemeinden. Frankreihs, eher würde er sein Amt als Chef der Ver- waltung niederlegen.

Dieses Wenige wird Ihnen, meine Herren, gezeigt haben, daß wir, obwohl die Stellung der Bürgermeister dem Gemeinderath gegenüber nah der neuen Gemeindeordnung niht mehr so mähtig ist wie bisher, doch das allerdringendste Interesse haben an der Er- nennung der Bürgermeister in den einzelnen Gemeinden, wegen der Vertretung der Staatsinteressen.

Meine Herren, der Herr Abg. Preiß wollte uns nun beweisen, daß in den Gemeinden von 25 000 Seelen alles bleibe wie bisher, auch nach dem Geseß vom Jahre 1887. Jch glaube doch, meine Herren, daß Ihnen allen, die Sie die deutshen-Gemeindeordnungen kennen, das nit so unerhört erscheinen wird, daß die Wahlen der Bürgermeister dur die Stadtverordneten in den Gemeinden der Bestätigung der Regierung unter- liegen. Ich glaube, es giebt sehr wenig deutsche Gemeindeordnungen, vielleiht nur die badishe, wo die Regierung verzichtet hat auf die Bestätigung der Bürgermeister. Nach der Städteordnung in Preußen siherlich niht. Jch nehme an, daß Ihnen allen der Berufs- bürgermeifter in der Stadt, d. h. der von den Stadtverordneten ge- wählte und von der Regierung bestätigte Bürgermeister eine durchaus geläufige, sehr wohl bekannte, sehr vertraute Erscheinung ift, und Sie nicht mit dem Namen eines solchen Bürgermeisters, wie er hier in Berlin und in allen größeren Städten Preußens if, von vornherein ein Bild verbinden, wie es nah den Aeußerungen des Herrn Winterer zu Anfang der Sitzung schien, daß dieser Bürgermeister gleihsam wie der schwarze Mann betrahtet wird. Der Berufsbürgermeister existiert eben in allen Städten Preußens und wohl überall nah den Städte- ordnungen im Deutschen Reich, und das ift nihts Anderes, als was wir kopiert nach diesen Städteordnungen im Geseßze niedergelegt haben. Der einzige Unterschied is der es if aber nur ein formaler, der an und für sih für die Stellung der Regierung keine Bedeutung hat daß in Deutschland es Rechtssitte ist und eine fast regelmäßige Bestimmung, daß die Stadtverordneten den Bürgermeister wählen, die Regierung ihn bestätigt, während nah dem elsaß-lothringischen Recht er vorgeschlagen und von der Regierung ernannt werden foll. Das kann man \ich doch, wie man im gewöhnlichen Leben sagt, an den Knöpfen abzählen, ob das Eine oder das Andere das Nichtige is. Wenn wir an der Ernennung festgehalten haben, warum haben wir es gethan? Weil es seit 100 Jahren Sitte in Frankrei gewesen ist und weil es seit 1870 bei uns Sitte war. Warum soll man eine Bestimmung, die auf Tradition beruht, gegen die niemand etwas einzuwenden hat, aus bloßer Sucht, zu reformieren, abshaffen? Jn der Sache selb wird jeder zugeben: ob ein Bürgermeister, der gewählt ift, bestätigt wird, oder ob er auf Grund eines Vorschlags ernannt wird, is vollständig dieselbe Ge- schihte. Es wird sih der Herr Abg. Preiß, glaube ih, selbft davon überzeugt haben, daß, wenn wir etwas geshaffen haben über die Er- nennung der Bürgermeister in den Städten, was von dem bisherigen Recht in Elsaß-Lothringen abweichend is, wir doch nichts geschaffen haben, was nit vollständig auf dem Boden des gemeinen Rechts in Deutschland steht, und was ‘nicht den Gewohnheiten und Rechts- bestimmungen in dem ganzen übrigen Deutschland entspricht.

Was nun die Bürgermeister in kleinen Orten betrifft, so hat der Herr Abg. Preiß unter besonders großem Aufwand von Emphase gesagt, da bleibt alles beim Alten. Die Regierung foll wobl den Bürgermeister aus dem Gemeinderath nehmen, aber fie kann aus- nahmsweise nah dem Geseße sogar einen Mann nehmen, der nit aus der Gemeinde ist. Das ist rihtig, solche Ausnahmen brauchen wir. Man ftann si{, wenn man hier auf der Tribüne steht oder in Colmar wohnt, die Verhältnisse der Gemeinden des Landes wohl als in idyllisher Ruhe befindlich vorstellen und daraus dann allerlei Swlußfolgerungen ziehen. Wenn man aber weiß, wie in kleinen Dorfgemeinden die Wahlen zum .Ge- meinderath, die zugleich eine Präsentation aller Gemeinderäthe zur Ernennung des Bürgermeisters find, dahin führen, daß die bitterften Geßässigkeiten entstehen, daß si. Partcien bilden, die niht immer wie Capuletti und Montecchi mit Romeo und Julie zu be- fänftigen sind (Heiterkeit !), sondern daß. Feindseligkeiten bestehen bleiben in der bittersten Weise, so kommt man einfah dahin, zu sagen, ja, es muß allerdings ein Ventil da- sein; es giebt Fälle, wo die Nothwendigkeit klar vorliegt, daß man hier einen der Gemeinde völlig fremden Mann hineinshickeu muß, weil sonft- die Gemeindeverhältnisse nicht in Ruhe zu bringen sind. Ganz eigenthümlih ift es nun Herr Preiß wird davon nihts wissen, er fennt Elsaß-Lothringen nicht genügend —, daß in fast allen diesen Fällen die Gemeinderäthe selbft darum einkommen, und angesehene Bürger der Gemeinde, und sagen : die Verhältnisse bei uns find so verfahren, daß wir niht mehr

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herauskommen können; wenn Ihr den Bürgermeister ernennt von der einen Partei, fo werden bei jeder Amtshandlung, die er vor-

nimmt, die anderen erklären, daß das nit ein Akt der Gere(tigkeit,

daß es ein Akt der Willkür sei; das geht nicht, wir müssen heraus aus diesen Zuständen; ernennt uns den Bürgermeister aus Ver- hältnissen, die den unseren fernstehen. Nun frage ih Sie, wie wollen Sie, wenn Sie ein folhes Ventil im Gefeze nicht haben, in solchen Fällen auskommen? Sie müssen einen ernennen, der einer der beiden Parteien, der berrshenden, der Majorität, oder der Minorität ange- hört, und Sie. werden dem Vorwurf nie entgehen, daß Sie ungerecht, ja geseßwidrig handeln, oder daß der Bürgermeister so handelt; und der Vorwurf, der beute gegen die Regierung erhoben ift, über den man nur lächeln kann, wie die ganze Bevölkerung in Elsaß-Lothringen thun wird, wird dann ein Fundament haben, wo man einen Bürger- meister wählt aus einer der Parteien, nicht einen objektiven, alle Interessen der Bevölkerung gleichmäßig prüfenden Mann, sondern einen Parteimann, der seine Aufgabe darin sieht, in der Gemeinde für seine Freunde zu forgen und seine Gegner zu unterdrücken. Darum muß man folche Bestimmungen haben; es ist keine Neuerung, das können nur Neuerungen sein für Herren, die nie- mals mit den Gemeindeordnungen anderer Staaten \ich be- schäftigt haben. So gut, wie Sie auG in den - repu- blikanishen Gemeindevertretungen die Vorsiht haben, daß die Geméeinderäthe unter Umständen aufgelöt werden können, ebenso gut, wie wir Vorschriften haben müssen unter Umständen, die wir gegen- über der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht entbehren können, fo ift es gerade auch mit diesen Bestimmungen. Wir müssen solche Be- \ftimmungen haben, font kann man einfach niht objektiv und gewissen- haft verwalten. Daß eine solche Bestimmung, wenn man will, miß- brauchfähig ist, kann nicht geleugnet werden; welches Gesez wäre nicht mißbrauchfähig? Man braucht aber nicht von vornherein an- zunehmen und darf es niht gegenüber einer loyalen Regierung, ohne sie zu beleidigen, daß sie darauf auêgeht, Mißbrauch mit dem Geseßz zu treiben. Wenn das Geseß vorschreibt: die Getineinde- Bürgermeister werden aus den Gemeinderäthen genommen, nur ausnahmsweise kann davon abgewihen werden, so können Sie ficher sein, daß eine sol&e Vorschrift gebraucht wird, wie sie gegeben wird, d. h. daß der Bürgermeister aus der Gemeindevertretung er- nannt wird, und nur, wenn wirklich zwingende Gründe vorliegen, davon abgewihen wird. Wir haben von dem Gesetz von 1887, dessen Aufhebung heute beantragt wird, das uns gar keine Schranken auf- erlegt, wir haben davon nur vorsihtigen Gebrau gemaht. Wie be- merkt in 19 Fällen unter . 1700 Gemeinden baben wir Berufs- Bürgermeister, und in 60 Fällen haben wir Ehren-Bürgermeister, die niht aus den Gemeinderäthen genommen find, aber keine Berufs- Bürgermeister.

Der Abg. Preiß glaubte dann, die Bemerkung machen zu können, daß es nicht zu verwundern sei, wenn der Landesaus\{uß einem solchen Gese zugestimmt habe. Ja, wenn der Herr Abg. Preiß \sich die Mühe gegeben bätte, uns doch einmal etwas näher darzulegen, in wie fern denn in den einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs ein Nückschritt zu finden sei gegenüber der geltenden Gemeindeordnung! Das hat er niht gethan; er beruft si, wie er es nennt, auf die un- abhängige Presse. Diese sogenannte unabhängige Presse lese ih au, so gut wie der geehrte Herr, aber ich muß ofen gestehen: ich bin nit fo leiht zufrieden zu stellen wie der Herr Abg. Preiß; ih verlange nit Phrasen und Behauptungen, sondern Gründe. JIch habe aller- dings massenhaft gelesen in Organen, die dem Herrn Abg. Preiß nahe stehen, und anderen, von einer redtktionären Gemeindeordnung u. f. w.; aber daß die Herren sih die Mühe gegeben hätten, nur im allermindesten den Versuch zu machen, den Nahweis zu führen, der nur zu führen if auf Grand einer genauen Vergleihung der geltenden Gemeindeordaung und derjenigen Bestimmungen, welche in der neuen Gemeindeordnung niedergelegt sind, davon habe ich nichts gelefen, und da ih, wie gesagt, gewohnt bin, nicht Behauptungen zu glauben, sondern nur Argumenten, so habe ih mich damit nicht be- gnügt, bin vielmehr der Meinung, daß troß dieser Aeußerungen in der, wie der Herr Abg. Preiß sie zennt, unabhängigen Presse, die Gemeindeordnung, die von unserem Landesaus\{huß votiert worden ift, ein gutes und ein Reformwerk is. Der Landesaus\{chuß ist, wie der Herr Abg. Preiß sagt, einer der wundesten Punkte im Lande, un- populär, der niht de: mindesten Einfluß hat. Behaupten kann man das’ natürlich; aber wie kommt es, daß bei allen Wahlen, die auch jezt neuerdings wieder gewesen find, diejenigen Richtungen und Herren, die im Landesaus\{uß maßgebend sind, immer wieder gewählt werden aus dem allgemeinen direkten Wahlrecht heraus? Die Bezirksräthe wählen den größten Theil der Mitglieder des Aus\{usses, und die Bezirksräthe ihrerseits gehen hervor aus allgemeinen geheimen direkten Wahlen. Woher kommt es, daß die Freunde des Herrn Preiß, ih kann wohl fo die Sozialdemokraten bezeihnen, die ih bei den Be- zirkstagswahblen zur Wahl stellen, von den Mitgliedern oder Anhängern des Landesausshusses immer geschlagen werden, wenn das Volk in der That die Meinung hâtte, die der Herr Abg. Preiß hier zum Ausdruck bringt ? Wöober kommt es zum Beispiel, daß in dem Wahlkreise des Herrn Bebel, wo vor ein paar Tagen bei den Wahlen zum Bejzirkstag ein Gesinnungsgenosse des Herrn Bueb aufgestellt worden war, derselbe in einer verschwindenden Minorität geblieben is? Meine Herren, ih lege auf diese Dinge nicht ein sehr großes Gewicht, weil ich weiß, daß öffentlihe Wahlen vielfach diktiert werden durch die Persönlich- keiten, die auftreten, daß die Rücksicht auf diese oder jene Intereffen vielfa entscheidend ist. Allein, ih lasse mir nicht von der Gegen- seite insinuieren, daß, wenn man bei verschiedenen Wahlen in der Minorität, in verschwindender Minorität bleibt, daß man dann sagen darf: ich bin der Vertreter der öffentlihen Meinung in Elsaß- Lothringen, und was die Herren im Landegausschuß thun und fagen, die ja auch alle ihre Wahlen dem allgemeinen Wahlrecht zu verdanken haben, is unpopulär. Die Krone aller Behauptungen war die des Abg. Preiß, daß die Mehrzahl der Mit- glieder des Landesausshufsses aus abhängigen . Regierungs- beamten besteht. Jch habe {on nah den Verhandlungen über den Diktatur-Paragraphen bemerkt, daß feine damaligen Bemerkungen im Landesausshuß nihts weiter erregt haben als Heiterkeit. Die ehren- werthen Herren, die im Landesaus\huß sitzen, die Bürgermeister das hat allerdings für Sie, die Sie die Persönlichkeiten niht kennen, nicht die gleihe Bedeutung diese Herren, die eine Macht darstellen dur ihre einflußreihe und hervorragende soziale Stellung, solche Persönlichkeiten als abhängige Beamte zu bezeichnen, ist in der That etwas sehr komisch. Meine Herren, wir sind diesen Herren dankbar,

daß fie ihrer Stellung als Ehren-Bürgermeister in den Gemeinden sfich unterziehen, fie haben garnihis davon, fie können uns jeden Tag den Stuhl vor die Thüre sezen; niht die Bürgermeifter find von uns abhängig, wenn man ja einmal von Abbängigkeit sprechen will, würde man mit viel mebr Recht fagen: die Regierung is abhängig von diesen Herren, weil fie so leiht keine anderen finden würde, die au diesen Posten annehmen wollten.

Auf die Staatsrathsfrage, glaube ih, brauhe ih hier nit noch einmal näher einzugehen. Die Herren mögen mir nur wiederholt gestatten, und der Herr Abg. Preiß hätte gut gethan, in seinen breiten Ausführungen über die Staatsrathsfrage darauf einzugehen, zu be- merken, daß der erste Entwurf des Gesetzes dem Staatsrath vorgelegt worden ist, wona kein Grund bestand, die Vorlage zu wiederholen, da eine Diskontinuität für die Verhandlungen im Staatsrath nit gegeben ist. Jch habe, als der jeßige Gemeindeordnungsgesezentwurf eingebraht wurde, ihn meinerseits eingeführt im Landesauss{huß und das Wort genommen, und habe in der Sißung vom 17. Februar 1894 ausdrüdlich gesagt :

Meine Herren, wir treten mit der Vorlage wieder an Sie heran. Dieselbe ist in den Grundlagen die gleiche, wie sie vor zwei Jahren Ihnen vorgelegt wurde.

Nun, meine Herren, jene Vorlage hatten wir mit dem Staatsrath nach allen Richtungen hin durchgesprohen in Betreff der Prinzipien hinsichtlih der geseßzgeberishen Be- dürfnifse ‘und in den Details nach allen Richtungen hin. Darauf wurden vom Landesausschuß auch in Bezug auf die Höchst- befteuerten einige Bemerkungen gemacht und einige Modifikationen ge- wünscht. Diese Modifikationen, die der Landesaus\huß gewünscht hatte, unterzogen wir einer neuen Berathung, führten sie zum theil in die neue Gemeindeordnung hinein, um den Wünschen der Landes- vertretung zu entsprehen, und da kommt nun der geehrte Herr und sagt: Das ist ja eine ganz neue Vorlage. Ganz und gar niht. Es ist das dieselbe Vorlage, nur mit einigen Modifikationen, und keine geseßlige Vorschrift besteht, daß dem Staatsrath die Vor- lage weiß Gott wie oft vorgelegt werden müsse, davon ist keine Rede. Für den Staatsrath existiert die Kontinuität der Geseßesvorlage, und wie ih bereits vorher bemerkt babe, ist es vor- gekommen, daß solhe Vorlagen dem Landesaus\huß erst nah ein oder zwei Jahren vorgelegt worden sind. Also Herr Preiß hätte vorsih- tiger sein sollen und hätte die Frage mehr sftudieren sollen, ebe er mi des Widerspruchs und ungeseßlihen Vorgehens in der Frage ge- ziehen bätte. :

Wenn der Herr Abg. Bueb weiter gesagt hat: aus dem Antrag mache ih mir nit viel; ih werde dafür stimmen, um der Regierung zu zeigen, wie wir gesetlich vorgehen müssen. Meine Herren, Sie verlangen dann von uns etwas, was wir bereits gethan haben. Macht es Jhnen besonderes Vergnügen, das zu thun, das ist Geshmaksahe, es macht aber einen etwas eigenthüm- lien Eindruck insbesondere aus der Erwägung heraus, daß die Mitglieder des Landesaus\{husses, welhe Staatsräthe sind, bereits über die Sache gefragt sind, und eine Verpflihtung der Regierung, dem Staatsrath immer die Sachen vorzulegen, besteht niht. Es werden aber thatfählich alle Entwürfe vorgelegt; jedo folgt daraus durchaus nicht, daß sie zu etwas Anderem dienen, als zur Information der Regierung, es heißt: zur Begutachtung sollen dem Staatsrath die Geseßentwürfe vorgelegt werden. Für wen, Herr Abg. Preiß? Für die Regierung natürliherweise; denn die Gutachten des Staatsraths werden fonst niemand mitgetheilt. Also für wen anders sollten die Gutachten sein als zur Information für die Regierung ?

Ih will die Zeit des Hauses für diese Frage nicht mehr in Anspru nehmen. Es kann ja das Interesse für die Gemeindeordnung, die eine Angelegenheit des Landes Elsaß-Lothringen ift, niht so groß sein. Ich hätte gewünscht, daß wir in diesem Hause bei dieser Berathung niht wieder Aeuße- rungen gehört hätten, die sich gegen den Landesausshuß von Elsaß- Lothringen, einen s\eine Arbeiten mit Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit erfüllenden Landtag, richteten. Wohin foll das führen, wenn ohne jéden Schatten eines Beweises hier ein Vertreter aus Elsaß-Lothringen auftritt und sagt: der ganze Landtag ist eine unpopuläre Gesellschaft; das ist ein wunder Punkt, mit dem kann man überhaupt nichts mahen, und wenn Ihr den Landesaus\huß für euch habt, dann beweist das noch gar- nihts? Nein, der Landesaus\chuß ist einer der gewissen- haftesten, gründlihsten und dabei am schnellsten arbeitenden Landtage, mit dem ich zu thun gehabt habe. (Lachen links.) Der Herr Abg. Preiß ift vielleiht anderer Meinung, er lat darüber, aber ih kann dem geehrten Herrn sagen, wenn er über den Landes- aus\chuß hier lat, fo thut er dasfelbe, was die Herren im Landesaus\chuß gethan haben, als fie seine Rede über den Diktaturparagraphen gelesen haben. Nein, meine Herren, damit kommt man nicht weite. Jch habe dem Hause das dargelegt. Ih will auf andere Fragen, die in der Gemeindeordnung stehen und großes Interesse ‘bieten, niht näher ein- gehen. Daß die Stellung der Gemeinderäthe als die eigentlichen Vertreter der Gemeinden durch die neue Gemeindeordnung eine der- artige ist, daß man in, der That das Recht hat zu sagen, was ih Ihnen vorher gesagt habe, daß in Elsaß-Lothringen niemals ein gleiches Maß von Gemeindefreiheit, Selbstverwaltung und Selbständigkeit der Gemeinde bestanden hat, wie es die neue Gemeindeordnung schafft, ist erwiesen, und ih glaube deshalb, das Recht gehabt zu haben, zu bitten, daß dem Inkrafttreten dieser Gemeindeordnung keine weiteren Hindernisse in den Weg gelegt werden, weil es ein Geseßgebungswerk ift, von dem alle, die damit zu thun gehabt baben und es näher studiert haben, überzeugt sind, daß es einen außerordentlichen Fortschritt in unseren Gemeindeverhältnissen bedeutet, daß es auch ein politisch hochbedeutsames Werk ift, weil es auf Grundlage und in Anpaffung an die hergebrahten Formen des französishen Rechts diese mit deutsh-rechtlichßem Geiste erfüllt, und somit auch auf diesem Gebiete der Gemeindeverhältnisse uns einem Zustande näher bringt, den wir alle wünschen müssen, d. h. der thunlihs rasen Ver- \{chmelzung Elsaß-Lothringens mit dem Deutschen Reich.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Die Geseßesvorlage muthet uns zu, das Geseß von 1887 aufzuheben und den Zeitpunkt des Inkraft- tretens des neuen Geseßes der Kaiserlihen Verordnung zu überlassen. Ich bin der Ansicht, daß die neue Gemeindeordnung für Elsaß-

Lothringen freiheitliher if als die Gemeindeordnung in Preußen . daß die Stellung der Bürgermeister für die Freiheit der Gemeinden?

unwesentlih sei, diefer Anschauung kann ih s\chon des-

halb nit der Stadtverordneten persönlich zu zu bedeuten hat, haben wir ja der Ober-Präsident den Bürgermeister von

ei

zustimmen, weil fie in den l Tagen gesehen, da erlin angewiesen hat, ne sehr verständige Aeußerung der Stadtverordneten nit abgehen

zu lassen. Hier ift vor allem die staatsrechtlihe Frage erörtert worden, ob der Staatsrath noch einmal gehört werden müßte. Der Abg. Winterer hat für die zweite Lesung einen Aritrag in Ausficht geste

Wir sind jedenfalls berechtigt dazu, Protest dagegen LPROE,

wenn die

gierung nicht den richtigen Weg einschlägt.

haben ein Reht dazu, danach zu fragen, ob ein Geseß ordnungs-

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äßig zu stande gekommen ist. Wäre das mit dem vorliegenden

Entwurf nicht der Fall, so könnten wir das Geseß von 1887 nit aufheben. Der frühere Entwurf ist dem Staatëcath allerdings vor- gelegt worden, nit aber der neuere, der Abänderungen entbält. Wir würden dem Gesezentwurf lieber zustimmen, wenn derselbe einer nochmaligen Begutachtung des Staatsraths vorgelegt würde, werden uns aber auch für den Fall nicht gegen das Gesetz erllären, wenn der Antrag Winterer in zweiter Lesung niht eingebraht wird, da wir

in

ftand erblicken können.

dem Geseß einen Fortschritt gegenüber dem jeßt bestehenden Zu-

Nachdem der Abg. Winterer (b. k. F.) unter Anschluß

an die Ausführungen des Vorredners erklärt hatte, er wolle, um nicht das ganze Geseß zu -gefährden; auf die Einbringung des von ihm angekündigten Antrags verzichten, wird die Berathung

in erster Lesung geshlossen und hierauf das Geseg in

zweiter Lesung angenommen.

A

Um 43/4 Uhr wird Vertagung beschlossen.

Der, wie bereits in Nr. 100 d. Bl. erwähnt, dem Hause der bgeordneten ¿ugegangene Entwurf eines Gesezes, betreffend

die Bewilligung von Staatsmitteln zur Verbesserung der Wohnungsberhältnisse von Arbeitern, die in staat-

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hen Betrieben beschäftigt sind, und von gering be-

soldeten Staatsbeamten, hat folgenden Wortlaut :

8 1, Der Staatsregierung wird der Betrag von fünf Millionen Mark

zur Verfügung gestellt, um damit eine Verbesserung der Wohnungs- verhältnisse von Arbeitern, die. in \staatlihen Betrieben beschäftigt sind, und von gernd besoldeten Staatsbeamten nah Maßgabe der nah-

ftebenden

er

estimmungen E Aus den bereit gestellten Mitteln (S 1) dürfen für Rechnung des

Staats Wohnhäuser, die im Af mf puice des Staats verbleiben,

richtet werden. Die in diesen Häusern enthaltenen Wohnungen

sind alsdann an Arbeiter, die in staatlihen Betrieben beschäftigt sind, oder an gering befoldete Beamte zu vermiethen.

Der Miethszins ist so zu bestimmen, daß er nach Deckung der

Kosten für die Verwaltung und die bauliche Unterhaltung der Gebäude eine angemessene Verzinsung des gesammten Anlagekapitals und die Amortisation der Baukosten gewährt.

8 4. Die bereit gestellten Mittel 1) dürfen ferner zur Bewilligung

von Bauprämien und Baudarlehnen verwendet werden.

8 5. Zur Bereitstellung der im § 1 gedahten fünf Millionen Mark

ist eine Anleibe durch Veräußerung eines entsprehenden Betrags von Schuldverschreibungen aufzunehmen.

Wann, durch welche Stelle und in welchen Beträgen, zu welchem

Finofuße, zu_ welchen Bedingungen der Kündigung und zu welchen rsen die Schuldverschreibungen veräußert werden sollen, bestimmt der Finanz-Minister.

Im übrigen kommen wegen Verwaltung und Tilgung der Anleihe

und wegen Verjährutg der Zinsen die Vorschriften des Geseßes vom 19. Dezember 1869 ( M, S. 1197) zur Anwendung.

Dem Landtag ist bei dessen nächster regelmäßiger ilamuetunft

über die Ausführung dieses Geseßzes Rechenschaft zu geben.

In der dem Entwurf beigegebenen Begründung heißt es: Die stetig wachsende Schwierigkeit für die in Staatsbetrieben be-

schäftigten Arbeiter und die gering besoldeten Beamten, an manchen Orten geeignete Wohnungen zu angemessenen Preisen zu erhalten, legt der Staatsregierung die Pflicht auf, eine Verbesserung der Lage dieser Arbeiter und Beamten nah der gedachten Richtung anzustreben, ohne deshalb zu ihren Gunsten die Allgemeinheit übermäßig zu belasten.

Nach den bei größeren Kommunalverwaltungen und au sonst

gemachten Erfahrungen kann angenommen werden, daß dem erwähnten Uebelstand in vielen Fällen durch Errichtung staatliher Wohnhäuser wirksam abgeholfen werden wird. Es wird deshalb beab- sichtigt, an Orten, wo die private Bauthätigkeit das Bedürfniß an kleinen Wohnungen nit befriedigt, wo die Miethen unverhältniß-

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äßig hoh oder gute Wohnungen zu angemessenen Preisen nicht zu

haben find, und wo ferner das Unternehmen eine mäßige Rentabilität verspricht, mit der Herstellung kleiner Miethswohnungen für staatliche Arbeiter und gering besoldete Beamte, vorerst versuchsweise, vorzu- gehen. Den Arbeitern und Beamtèn foll also die Möglichkeit eines angemessenen Unterkommens geschaffen, aber nicht wie bei Dienst-

w

lassen werden, ob sie von der

obnungen ein Zwang zur Benußung auferlegt, sondern ledigli über- Wohnung Gebrauch machen wollen ;

andererseits aber follen fe alsdann als Gegenleistung die dem Staat

erwachsenden billig beme

enen Selbstkosten tragen. Es wird vorausfihtlich möglich sein, da, wo geeignete Bauplägze

zu mäßigem Preise zu haben sind, besheidene Wohnungen besser und gesunder als die gewöhnlichen Hherzurihten und sie doch zu billigeren

etbspreisen abzugeben. Bauplan wird wie die Frage der Rentabilität von den

lokalen Verhältnissen abhängen. Während an seeberi Orten Doppel-

häuser zu 8 und auch mehr Wohnungen sich a

s zweckmäßig erwiesen

haben, werden an anderen Orten, wo billige Baupläße zur Ver- fügung stehen, Häuser zu nur 2 bis 4 Wohnungen fs mehr empfehlen. e

sonders dringend ist das Bedürfniß nach besseren und billigeren

A für Arbeiter und untere Beamte bei der Eisenbahn- und

bei der

erg-, HDütten- und Salinenverwaltung. Nach überschläglich angestellten Ermittelungen würden im Ressort

der Eisenbahnverwaltung allein zur Befriedigung des Wohnbedürf- niffses der Arbeiter in der gedahten Art insgesammt rund sechs Milliv- nen Mark aufzuwenden sein, und der Miethsertrag würde das Anlage- kapital zu einem mäßigen Saße verzinsen.

Im Ressort der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung - ist der

I für Herstellung von Miethswohnungen für Arbeiter

und gering be

w

gleiche Rentabilität des

in

oldete Beamte auf rund 2500000 A überschlagen orden; wegen der i Cic aben Verhältnisse aber würde auf eine

nlagekapitals niht zu rechnen sein. Es zan deß gehofft werden, daß die endgültigen Feststellungen vielfa

gere Resultate ergeben werden.

ah dem Gesagten reihen die geforderten 5 Millionen Mark zur

Befriedigung des Bedürfnisses zwar nicht aus; da aber mit den Bau- ausführungen nur allmählich und auf Grund sorgfältiger éctlicher Prüfung der ahe vorgegangen werden kann und es u zu-

nächst nur um einen

dr

ersuch handelt, wird der Betrag für die

ingendsten Fälle vorerst genügen.

mäßigen Ausübung seines

zu

B

Entscheidungen des Reichsgerichts,

Der Widerstand gegen einen Beamten in der es mtes ist aus § 113 des Strafgeseßbu

bestrafen. Rechtmäßig ist, nah einem Urtheil des Reichs

rihts, I. Strafsenats, vom 19. November 1894, die Handlung eines

eamten begrifflich nur dann, wenn sle zur Zuständigkeit des

berechtigt d, beanstanden, " Was das

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