1895 / 105 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Magistrat 50 000, der Fiskus 100000, die Synode 600 000, die Ge- D 830 000 46, Seine Majestät der Kaiser, Allerhöchstwelcher au einen der Pläge schenkte und die Mittel zum Kauf eines zweiten hergab, 890 000 Æ, endlih Privatleute 1250000 Es habe sih gezeigt, daß eine allen modernen Ansprüchen genügende Kirche sih mit 300 000 M Kosten erbauen laffe; allerdings stelle sih der Bau kleinerer Kirchen verhältnißmäßig billiger. Die früher vielfach geäußerte Befürch- tung, es würden auf einmal zu viel Kirchen erbaut werden und sie würden leer bleiben, habe sich nit bestätigt ; sowohl die neuen wie auch die alten Kirchen seien stets gefüllt. Der Redner kam fodann eingehend auf den Bau der Kaiser Wilhelm-Gedächtnißkirche zu sprechen. Der Rohbau der Kirhe wird dem vorjährigen Anschlag gemäß 2 200 000 M nicht überschreiten; für die reicher als geplant zur Ausführung kommende innere Einrichtung sind, statt der früheren 500 000, 930 000 4 in Aussicht genommen; für das Pfarrhaus find 75 000, für sonstige Nebenausgaben 70 000 # erforderlich. Insgesammt wird der Kirch- bau 3275000 A fosten, von welher Summe noch 300000 4 fehlen.

Die unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin stehende Stiftung „Töchterhort“, welche für verwaiste Töchter von Reichs-Post- und Telegraphenbeamten be- stimmt ist, hat soeben den Geschäftsbericht für 1894 veröffentlicht. Danach hat das Kapitalvermögen der im Jahre 1890 aus freiwilligen Beiträgen von 57 852 Angehörigen der Reichs-Post- und Telegraphen- verwaltung mit einem Grundstock von 109 089 4 errichteten Stiftung gegen 1893 eine Steigerung um fast 60 000 M erfahren; es betrug Ende 1894: 348 418 #, worunter 107 849 46 Antheil der Unterbeamten. Die besonderen Zuwendungen aus Konzert-Einnahmen u. dergl. haben 1894 die Höhe von 7108 A erreicht, die weiteren einmaligen Spenden 5466 M (einshließlih 3000 A6 von Privatpersonen) ; an fortlaufenden Beiträgen sind 87 919 # aufgekommen, mithin an Spenden ins- gesammt 100 493 4 Die Zinseinnahmen der Hauptkasse von 10 068 M. treten hinzu. Die fortlaufenden Spenden rühren von 43 657 Personen her (1893: 40 425), und zwar haben 18 216 Beamte 55 141 ä ge- zahlt, 2% 441 Unterbeamte 32 778 M, in durhschnittlihen Monats- beträgen von 25 -& bezw. 10} K. Von den überhaupt vor- handenen Beamten (ohne Posthilfstellen-Inhaber) machte die Zahl der regelmäßig Spendenden 837,2 9% aus, von den Unter- beamten 38,0%. An Unterstüßungen sind 1894 aus Töchterhort- mitteln 1186 in Gesammthöhe von 48 251 Æ gezahlt worden, dar- unter 1019 mit 34738 4 auf Grund selbständiger Bewilligungen der Stiftungs - Bezirkéausshüsse. Einbegriffen finden sih 69 fort- laufende Unterstüßungen mit 9080 46 Auf verwaiste Töchter unter 18 Jahren famen 96 einmalige Unterstüßungen mit zusammen 4293 M, und hiervon 830 4 zur Unterbringung von 19 fränflihen Kindern in Sommerpflege. Für 1895 is} eine vermehrte Zuweisung von Schußbefoblenen an bestehende Ferienkolonien (auf dem Lande, în Sool- bädern oder an der See) für RNebnung des Töchterhorts in Aussicht genommen. Von den im Jahre 1894 gezahlten da ent- fielen auf Beamtenwaisen, und zwar unter haupts\ächli er Berück- sichtigung der Töchter geringer befoldeter Beamten, 470 mit 24 265 4, auf Ünterbeamtenwaisen über das für Unterbeamten in den Satzungen Gewährleistete erheblich hinaus 716 mit 23 986 M Die Gesammthöhe der seit Anbeginn der Unterstüpungsthätigkeit (März 1891) bis Ende 1894 aus Töchterhortmitteln erfolgten Be- willigungen beträgt 111 652 A

Infolge des feuchtigkeitsreihen Winters haben sich in diefem Frühjahr zwei der auffallendsten Pflanzen des Berliner Bota- nishen Gartens in prächtigster Weise entwickelt und stehen jeßt in vollster Blüthe, sodaß sie sich ausgezeichnet in ihrer Eigenart beobahten lassen. Es find dies die beiden Schuppenwurzarten, Lathraea squamaria und Lathraea clandestina, von denen die erstere auch bei uns hier und da im Freien vorkommt, während die andere eine Pflanze des Mittelmeergebiets darstellt und sich nur an wenigen Orten von ihrem Verbreitungégebiet nah Norden entfernt. Im Botanischen Garten finden wir die beiden Arten an mehreren Stellen, bcsonders schön aber beide in dem Weidengebüsch und den Wiesenflächen davor, in der Nähe der Chamissolaube. Die „Schupvenwurz“ gehört zu den pflanzlihen Parasiten, welche ihre Nährstoffe nicht selbst bilden oder sie dem Boden entnehmen, fondern die fich auf anderen Pflanzen festsegen und denselben Nähr- säfte entziehen. Die bei uns vorkommende Art (Lathraea squa- maria), die sch z. B. im Bredower Forst stellenweise findet, streck einen s\pargelähnlihen, weiß beshuppten, weißlichen, aber röôthlich überlaufenen und mit zahlreihen nickenden Blüthen beseßten Blüthenstand über den Boden und zeigt nirgends grüne Blätter oder auch nur einen grünlihen Anflug an ibren Stengelgebilden. Die andere Art tritt noch viel merkwürdiger auf und ist auch in manchen Punkten besser bekannt. Dicht neben einem kleinen Weg in der Nähe der Chamifsolaube bemerken wir plôößlih eine freisförmige, etwa einen Meter im Durchmesser be- tragende, schwach bügelartige Vorwölbung des Bodens, vollständig be-

deckt mit den fast fingerlangen, purpurrothen Lippenblüthen der Lathraea clandestina. ese . prächtigen . Blüthen seinen auf einem ziemlich langen Stiel direkt der Erde zu entspringen.

Wir bemerken jedoch bei näherem Zusehen, daß ‘diese Stiele von“

forallenartigen, gerade die Erdoberflähe erreihenden, schneeweißen Wurzelstöcken abgehen, und daß wie bei Lathraea squamaria an der ganzen Pflanze keine Spur von Grünfärbung nahzuweisen ist. Der „unterirdische Wurzelstock lg ein wunderlihes Gebilde von dicht verknäuelten, zapfenartigen Sprossen, das um die Wurzeln von Bäumen oder Sträuchern herumliegt und oft bei ausreichender Nahrung eine kolossale Größe und Schwere erreiht. Die Nahrungs- stoffe werden den befallenen Wurzeln dur eigenartige Saugorgane entnommen. Die Blüthen, welche an den Blüthensprofsen in großer zaul gebildet werden, erheben \sich nur sehr wenig über den Boden, wirken aber durch ihre Schönheit und auffallende Färbung, ihr herdenartiges Auftreten und ihren s{chwachen, aber angenehmen Geruch stark anzichend auf Insekten, durch welhe dann ihre Be- fruchtung vollzogen wird. Auch die Kapseln find biologisch hoch- interessant. Damit nämlich die Samen möglichst weit von der Mutterpflanze entfernt werden und die daraus hervorgehenden Stöe derselben keine Konkurrenz zu bereiten vermögen, sind die Kapseln mit einer Schleudervorrihtung versehen, welhe in ähnlicher Weise, aber viel intensiver wirkt als die bekannte der Balsamine. Kommt man einem Stock der Lathraea clandestina, welche reife Früchte enthält, vorsichtig näher und tritt dann plöglih stark auf den Boden, so wird man ftets bemerken, daß einige Samen fortgeschleudert werden. Und zwar geschieht dies meist mit folcher Gewalt, daß die Samen oft mehrere Meter entfernt von dem Mutter- stocke wieder niederfallen und der Beobachter leicht einmal dieselben in seinem Gesicht fühlen kann. Es ist klar, daß auf diese Weise die Samen unter andere Nährpflanzen gelangen, deren Wurzeln fie dann nah erfolgtem Auskeimen befallen und fo das Areal derart immer mehr auszubreiten vermögen. : i E

Beide Schuppenwurzarten können infolge ihrer parasfitishen Lebensweise nur sehr {hwer fultiviert werden, und es ist immer ein Zufall, wenn es gelingt, sie in einem Garten fest anzusiedeln. Die beiden Pflanzen gehören deshalb auch zu den botanischen Schägen unseres Gartens, welche eben fast nur ihm zu eigen find und nicht, wie die meisten anderen Pflanzen, durch den Handel bezogen oder mit einiger Vorsicht aus der Freiheit entnommen und in ihn verseßt werden Éöônnen.

Auf dem Schillerplaß ist man mit der Herstellung zweier Springbrunnen beschäftigt. Sie werden auf den Rasenstüken zu beiden Seiten der Schillerstatue angelegt und erhalten die Größe und Form der Fontaine auf dem Gartenplaßz vor der Heiligkreuzkirche.

Der Wasserfall im Viktoria-Park wird in diesem Jahre wegen der noch nicht beendeten Aufstellung des neuen großen Motors nicht früher als gegen Ende des Monats ‘Mai in Gang gefeßt werden fönnen. Der neu angelegte Spielplay an der LUchterfelderstraße foll in der nähsten Woche seiner Bestimmung übergeben werden.

Der Verein für deutsches Kunstgewerbe wird morgen, Abends 74 Uhr, einer Einladung der Direktion der Allgemeinen EGlek- trizitäts-Gesellshaft folgend, die elefktrishe Zentralstation am Schiff- bauerdamm 22 besichtigen. Die Mitglieder versammeln fich vor der Zentralstation. Nach der Besichtigung findet eine gesellige Vereini- gung im Leipziger Garten ftatt.

Von „Kießling's Berliner Verkehr", dem Kursbuh sämmtlicher Berliner Verkehrsmittel, ist die Sommer-Ausgabe zum Preise von 30 4 erschienen. Die übersihtlich nah den Bahnen geordneten Eisenbahnfahrpläne find in der neuen Ausgabe derartig er- weitert, daß sie für Touren in der Mark Brandenburg und den an- grenzenden Gebieten vollkommen ausreihen; die Pferdebahnfahrpläne weisen auf zwölf Linien - ganz bedeutende Kurs- und Tarifänderungen nach, ebenso die der Omnibusse, Dampfstraßen- und eleftrishen Bahnen ; auch die Fahrpläne der Dampferlinien find vollständig mitgetheilt. Ein Stundenplan der Sehenswürdigkeiten ist dem Büchlein wieder beigefügt worden.

München, 2. Mai. Wie das „Amtsblatt des Ministeriums des Innern® bekannt macht, hat Seine Königliche Hoheit der Prinz- Regent dem hiesigen „Bismarck-Verein“ die Genehmigung ertheilt, behufs Errichtung eines Denkmals für den Fürsten Bismarck eine Samulung freiwilliger Beiträge durch Aufruf in der Presse und Errichtung von Sáammelitellén auf die Dauer von zwei Jahren im Umfange des Königreichs vorzunehmen.

Eisenach, 1. Mai. Die Stadt Eisenah rüstet sh, um am 4. d. M. in würdiger Weise die Enthüllung des Luther-Denkmals zu begehen. Professor Donnsdorf leitet selbst die Aufstellung des

Denkinals, die Straßen der Stadt legen reihen Festschmuck an, und estaus\chüsse bereiten das Fest in seinen einzelnen Theilen vor. Jhre öniglihen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin: treffen zum Fest hier ein. Am Freitag Nachmittag findet unter Pro- fessor Thureau's Leitung eine Aufführung von Bach's H-moU- Messe in der Georgenkir&e statt, Abends is Begrüßungsfeier im Tivolisaale unter Mitwirkung der gesammten Gesangvereine der Stadt. . Zahlreihe Ansprachen sind bereits angemeldet : für das Comité (der N NeG Archidiakonus Kieser), für die Stadt (Ober- Bürgermeister Müller), für die Staatsregierung (Geheimer Staats- Nath von Boxberg), für die Synode (Präsident Appelius), der Bischof von Siebenbürgen, Graf Wintingerode (Evangelischer Bund), Ver- treter der Lutherstädte Erfurt und Wittenberg (Senior Dr. Bâärwinkel und Bürgermeister Dr. Schirmer), für die evangelische Kirchen- gemeinde Senat Superintendent Braash. Der Festtag selbst beginnt mit einem Festgottesdienst.

Hamburg, 1. Mai. Der „Hamb. Corr.“ veröffentliht die Antwort des Staatssekretärs Dr. von Stephan auf das Glüt- wunschschreiben des hiesigen Senats zu dessen Jubiläum. In dem- selben sagt der Staatssekretär : Er werde dur die ehrenvolle Kund- gebung und die goldene Hamburgishe Ehrendenkmünze, die ihm von Hamburg verliehen sei, mit Stolz erfüllt. Wenn die getroffenen Ein- rihtungen dem Weltverkehr Hamburgs zu Land und See förderlich ge- wesen seien, so sei dies nicht zum mindesten dem Gua ge Omen der Privaten, der thatkräftigen und verständnißfvollen Auffassung der Bürgerschaft und der Vertreter des Handels- und Gewerbestands zu verdanken. Seit 1864, wo er aus Anlaß des dänischen Krieges zum ersten Mal nah Hamburg gekommen, habe er in vielfachen Geschäfts- beziehungen zu dem Senat gestanden. Die nicht selten vor- handenen Schwierigkeiten hätten dur die Bereitwilligkeit und Weis- heit des Senats stets eine allen Bueretlen ges werdende Löfung

efunden. Der Staatssekretär gedenkt der verschiedenen öffent- ichen Gelegenheiten, die ihn nach Hamburg geführt hätten, und meint, es sei von ihm stets mit Genugthuung empfunden worden," wenn er der großen Meermetropole, deren Gedeihen von so hoher Bedeutung für das Vaterland fei, babe entgegenkommen können. „So sei es auch fürderhin.“ An die Verwaltung der Hamburg- A merika - Linie hat, nah dem Bericht des „W. T. B.*, der Staatssekretär folgendes Telegramm gerichtet: „Mit meinem besten Dank für das liebenswürdige Gedenken, das mich hoch erfreut hat, verbinde ih die herzlihsten Wünsche, daß das wichtige Unternehmen zum Nutzen und Ruhm des Vaterlandes weiter gedeihen möge. von Stephan.“

Laibach, 1. Mai. Gestern Abend 6 Uhr 57 Minuten erfolgte ein mäßig starker, zwei Sekunden dauernder Erdstoß, dem Nachts zwei {hwächere Stöße folgten. Infolge der Erdstöße der leßten Tage erweitern sich die Risse und Sprünge in den Mauern der Häufer.

Lowestoft, 1. Mai. Bei der heutigen Fortseßung der Ver- handlung des Leichenshaugerihts in Sachen des Zusammen“ stoßes der „Elbe“ mit der „,Crathie“ (vergl. Nr. 104 d. Bl.) rekapitulierte der Leichenbeshauer die gemahten Zeugenausfagen. Die Jury gab dem „W. T. B.* zufolge nah eindreiviertelstündiger Be- rathun ihr Verdikt dahin ab, daß nach ihrer Meinung dem Steuermann der „Crathie" und dem Mann auf dem Ausguck eine große Nachlässigkeit deshalb vorzuwerfen sei, weil sic nicht ordentliß Wache . gehalten hätten. In Anbetracht des Fehlens u Zeugenauss\age von seiten der auf der „Elbe“ befindlich gewesenen Personen war die Jury der Ansicht, daß kein genügender Beweis vor- handen sei, daß wegen der Kollision die „Crathie“ allein ein Tadel treffe. In der Frage der Hilfeleistung nah dem Zusammenstoß spra die Jury die „Crathie“ von jedem Vorwurf frei.

Paris, 1. Mai. Der im Suezkanal mit Truppen für Madagaskar auf Grund gerathene Dampfer „Chäâteau-Yquem" (niht „Tibet“) (vergl. Nr. 104 d. Bl. unter Port Said) ist, wie „W. T. B.“ meldet, alsbald wieder flott geworden.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen. Wiesbaden, 2. Mai. (W. T. B.) Seine Majestät der Kaiser hat befohlen, daß der Intendant des hiesigen oftheaters, Kammerherr von Hülsen Jhn bei den Leichen- Do lehkeiten für Gustav Freytag vertrete und einen Kranz an dessen Sarge niederlege.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

G

eriht vom 2. Mai Morgens.

Wetter 8

L f et e

etwa unter

Stationen. Wind. Wetter.

in 9 Celfius

In Deutschland is das Wetter warm, im Westen meist trübe, im Osten vorwiegend heiter; nur in den vordwestlihen Gebietstheilen liegt die Temperatur dem Mittelwerthe.

Mitteldeutshland ist vielfah Regen weise fanden daselbst auch Gewitter statt.

Anfang 7# Uhr.

Fn Nord- und Sonnabend: Zum

efallen, ftellen-

Deutsche Seewarte.

Lessing-Theater. Freitag : Der Herr Senator.

ersten Male: ( Bonivard. Schwank in 3 Akten von Alex. Bisson und A. Mars, deutsch von E. Neumann.

Sonntag: Madame Bouivard.

Dorothea. Operette in 1 Akt von Jaques Offen- tab. Anfang Uhr. : Sonnabend: Rund um Wien. Dorothea.

Madame ai n Bentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Richard Schul. Freitag wegen

Vorbereitung ges{lossen. is Scnnadend 2 Zum ersten Male: Unter artistischer

Bar. auf0Gr. u. d. Meeres\p ced. in Millim. 59 C.= R.

“Temperatur

S O

2\wolkenlos 2\halb bed. 6|bedeckt 4\vededckt

Belmullet . . | Aberdeen . . | Christiansund | Kopenhagen . | | Stockholm . | 2\wolkenlos aranda . | 2|wolkenlos Ut O 1/beiter

Cork, Queens- town [a TT9 Cherbourg . | 778 E «el 1A E s l 206 mburg . . | 769 winemünde | 769 Neufahrwasser| 771 Mil... 2

Bas L O Ki 4 2 Karlsruhe . . | 771 Wiesbaden . | 771 | halb bed. München . . | 771 |W 3/halb bed. Ghemnig .. | 770 | ftill heiter Berlin. . .. | 769 SO 2wolkigl) Wien .….. | 769 [NNW (4hhalb bed. Breslau... | 769 | till wolkenlos

Ile d’'Aix . . | 773 |[NO 4|wolfenlos8 Mila «« + «| 70-[W 1\heiter t ol 008 | still|halb bed.

1) Gestern Nachmittag Gewitter.

Uebersicht der Witterung.

Am böchsten, über 775 mm, ist der Luftdruck über England und Umgebung; ein anderes Maximum von geringerer Höhe liegt über Ostshweden und dem nordwestlichen Rußland. Zwischen beiden, über der jütishen Halbinsel, lagert ein Minimum, welches an der deutshen Nordsee \tark auffrishend west-

A I I N D Or 09

——_— ————

H I C M O0 M

wolkig wolkenlos wolkenlos bededckt bededckt heiter wolkenlos wolkenlos wolkig bededt bedeckt

A R E P P O O

Go

E E M a E Theater- Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Freitag: Opern- haus. 111. Vorftellung. Martha. Romantisch- komische Oper in 4 Akten von Friedrich von Flotow. Text (theilweise nah dem Plane des Saint Georges) von Wilhelm Friedrih. Dirigent: Musikdirektor Steinmann. Anfang 7# Uhr. Schauspielhaus. 117. Vorstellung. Der Revisor. Lustspiel in ® Aufzügen von Nicolay Gogol, deuts von Elsa von Schabelsky. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Max Grube. Anfang 74 Uhr. Sonnabend: Opernhaus. 112. Borstellung. Zum ersten Male: Der Evangelimann. Musikalisches Schauspiel in 2 Aufzügen. Dichtung und Mußk von Wilhelm Kienzel. Jn Scene geseßt vom Ober- Regisseur Teßlaff. Anfang 74 Uhr.

Schauspielhaus. 118. Vorstellung. Zum 50. Male: Wie die Alteu sungen. Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl Niemann. Anfang 7} Uhr.

Deutsches Theater. Freitag (32. Abonnements- O): Das Lumpenungefiudel. Anfang r. * Sonnabend: Neu einstudiert: Prinz Friedrich von Homburg von H. von Kleist. Sonntag, 24 Uhr: Die Weber. 7# Uhr: Prinz Friedrich von Homburg.

Berliner Theater. Freitag (33. Abonnements-

Vorstellung): Die Lästerschule. Anfang 75 Uhr. Sonnabend : Heimath. Sonntag, 24 Uhr: Der Herr Senator.

Friedrich - Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25/26.

reitag: Der Obersteiger. Operette in 3 Akten von L. Held und M. West. Musik von Carl Zeller. Regie: Herr Unger. Dirigent : Herr Kapellmeister Ferron. Ermäßigte Preise der Pläye. Anfang 7# Uhr.

Sonnabend: Der Obersfteiger.

Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a./5. reitag: Die Nervösen. (Les gens nerveux.) Sant in 3 Akten von Victorien Sardou, deuts{ von Alexander Rosen. Vorher: Die Maffage- Eur. Pater Nen in 1 Akt von Nobert Misch. Anfang r.

En obne Zum ersten Male: Die Wildente. Schauspiel in 4 Akten von Henrik Ibsen, deuts von Ernst Brausfewetter.

Sonntag: Die Wildente.

Sonntag Nachmittag: Zu Demi-Monde.

Residenz - Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Freitag: Fer- nand’s Ehekoutrakt. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutsher Be- arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 74 Uhr.

Sonnabend und folgende Tage: ernaud’s Ehekoutrakt.

halben Preisen:

Theater Unterden Linden. Ba E Direktion : Julius Frißshe. Freitag: Mit voll- tändig neuer Russtottung: Rund um Wien. Pantomimisches Ballet in 9 Bildern von Franz

ul und A. M. Willner. Musik von Josef Beyer.

lide und nordwestlihe Winde mit Regen- fällen und finkender Temperatur hervorruft.

7x Vhr: Die Lästerschule.

\ Der choreographishe Theil von Zgjel Haßreiter.

Dirigent : Herr Kapellmeister Baldrei orher :

Leitung des Herrn Adolf Brakl vom Königl. Gärtner- plag-Theater in München: Figaro bei Hof. (Nokoko.) Operette in 3 Akten (nach Beaumarchais Memoiren) von Bohrmann-Rieger. Musik von Alfred Müller-Norden.

AdolphErnst-Theater. Freitag: Madame Suzette. Vaudeville-Posse in 3 Akten von Ordonneau. Musik von Edmond Audran. Jn Scene geseßt von Adolph Ernst. Anfang 74 Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zum Besten der Hilfsbedürftigen in Laibah. Bei halben Preisen. Ginmalige Aufführung: Charley’s Tante.

FRSERL R E M E E I E E E R Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Helene Benner mit Hrn. Prem.- ti iun L L Moriß von Carnap (Frankfurt a. M.—Berlin). :

Verehelicht: Hr. Lieutenant Max Krell mit Frl. Otty Müller (Saarburg i. L.). ;

Geboren: EineToschter: Hrn. Prem.-Lieutenant von Zeshau (Berlin). Hrn. Wilhelm von Bandemer (Weitenhagen).

Gestorben: Hr. Gutsverwalter und Hauptmann a. D. Curt Boethelt (Haltauf b. Wangern). Hr. Bürgermeister Dr. G. Kulenkamp (Lübe).

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

ck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags- Drinstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage).

zum Deutschen Reichs-Anz

M 105.

Deutscher Reichstag.

81. Sitzung vom Mittwoch, 1. Mai.

Ueber den Beginn der Sißung ist gestern berihtet worden.

Zur ersten Berathung steht der von ‘den Abgg. Auer und Genossen (Soz.) eingebrachte Geseßentwurf über das Versammlungs-, Vereins- und Koalitionsrecht. Der Entwurf hebt alle Einschränkungen der Versammlungs-, Vereins: und Koalitionsfreiheit auf und stellt deren Hinderung E Strafe. Zur Begründung des Antrags erhält das or

Antrag unterbreitet, um ein freies und vor allem ein gleihes Vereins- und Versammlungsrecht für Deutschland zu schaffen. Wir haben zur Zit in Deutschland 26 verschiedene Vereinsrehte, sodaß in dem einen

taat verboten ist, was in dem anderen erlaubt if. Dazu kommt noch die verschiedenartige Ausführung der verschiedenen Vereinsgesege! Durch Art. 4 der Reichsverfassung ist die Regelung des Vereins- und Versammlungsrehts dem Rêich verbehalten. Zahlreiche Beis- spiele beweisen, daß die Vereins- und Versammlungsfreiheit, sowie die Koalitionsfreiheit für die Arbeiter nur auf dem Papier steht. Namentlich aus Sachsen und Bayern lassen sich dafür Bei|piele anführen. Das sächsishe Vereinsgesey muß die Handhabe bieten, die Sozialdemokratie fonderrechtlich zu behandeln. Der Minister des Innern in Sachsen hat seine Beamten angewiesen, das Vereinsgeseßz den Sozialdemokraten gegenüber s{ärfer zu handhaben. Auch die Gewerkschaften werden in Sachsen sonderrehtlich behandelt. Man hat sogar einen harmlosen Sängertag in Mittweida verboten, weil er von Sozialdemokraten veranstaltet werden sollte. In Bayern wandelt man auf den gleihen Wegen. Dort is nach einem Erkenntniß des Obersten Gerichtshofes jede gewerkshaftlihe Versammlung als sozial- demokratische zu betrahten. Der Abg. Dr. Pichler hat im bayerischen Landtag ein Referat über die Handhabung des Vereins- und Ver- fammlungsrets erstattet, welhes unsere Beshwerden gerechtfertigt ersheinen läßt. Ich hoffe, daß das ganze Zentrum auf den Boden dieses Referats tritt. Wer Gerechtigkeit walten lassen will, muß unserm Antr8We zustimmen. In Preußen steht es nicht anders als in Sachsen und Bayern. Es wäre an der Zeit, endlich geseßlich anzuer- kennen, was in anderen Staaten längst besteht, was ein natürlihes Recht jedes Staatsbürgers ist. Das König- rei Württemberg hat einen einzigen Vereinsparagraphen, nach diesem Éônnen alle Versammlungen ohne volizeiliche Anzeige und Aufsicht abgehalten werden, es genügt eine ordnungsmäßige Allerdings existiert da noch ein Artikel der Bundestagsakte von 1853, wonach Arbeiterversammlungen verboten sind ; aber dieser Artikel gilt nur auf dem Papier, er hat keine prafktishe Gültigkeit mehr. Ünd hat denn die Sozialdemokratie in Württemberg mehr überhand ge- nommen? Keineswegs. Dagegen wo, wie z. B. Sahsen, \trengere Bestimmungen bestehen, hat die Sozialdemokratie eine e ads Macht gewonnen.

Sächsischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Gesandter Dr. Graf von Hohenthal und Bergen:

Meine Herren! Das Königlich \sächsishe Gese, das Vereins- und Versammlungsgeseß vom 22. November 1857, ift, wie {on der Titel ergiebt, ein Landesgeseßy. Ih würde also an und für \ich, troßt- dem der Herr Vorredner eine gründlihe Erörterung der Handhabung dieses Geseßes in Aussicht gestellt hat, keine Veranlassung haben, heute mit ihm in eine Diskussion hierüber einzutreten. Die Hand- habung dieses Geseßes gehört vor das Forum des sächsishen Landtags, und nicht vor dieses Forum. Wenn ih mir gleihwohl das Wort er- beten habe, so geschieht es in der Hauptsache deswegen, weil ih es für erforderlih erachte, einen Angriff, den der Herr Vorredner gegen den Königlich sächsishen Herrn Minister des Innern gerihtet hat, ausdrücklih zurückzuweisen.

Der Herr Vorredner hat gesagt, der Königlih \ächsishe Herr Minister des Innern hätte sih dahin ausgesprochen, daß das Vereins- geseß der sozialdemokratishen Partei gegenüber anders zu handhaben wäre wie anderen Parteien gegenüber. (Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Diese Behauptung, die ih vor einigen Wochen schon im „Vorwärts“ gelesen habe, die auch im sähsishen Landtag wieder- holt ausgesprochen worden ist, stimmt mit den Thatsachen nicht überein. Ich werde mir erlauben, Jhnen den Passus aus der Rede des Herrn Ministers von Mebsch vorzulesen, und das Haus mag dann selbft entscheiden, ob Ihre Ansicht richtig ist oder nihcht. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Der Herr Minister von Nostißz-Wallwit, den der Herr Abg. Bebel mir gegenüber zitiert, ist {hon seit Jahren nicht mehr Minister des Innern.

Der Herr Minister von Meßsh hat in der Sitzung der Zweiten Kammer vom 16. März 1892 auf eine Rede des Herrn Abg. Geyer geantwortet und im Verlauf dieser Nede Folgendes gesagt :

Ich möchte bloß heute der Interpretation gegenübertreten, der Ansicht des Herrn Abgeordneten, wonach gegenüber der sozial- demokratischen Partei das Vereinsgeseß in anderer Weise gehandhabt werde, als gegenüber den Vertretern der Ordnungsparteien. Meine Herren, es ift dies thatsählich nicht der Fall

(Widerspruch bei den Sozialdemokraten) und die Regierung hat, wie Ihnen ja auch bekannt i}, Ver- anlassung genommen, in einer allgemeinen Verordnung auszusprechen, daß die allgemeinen präzeptiven Bestimmungen, wie sie im Vereins- geseß enthalten sind, gegenüber allen Parteien gleichmäßig zu handhaben seien ohne Rücksicht auf politishe Färbung der Partei. Meine Herren, ih möchte hier einshalten: die Verordnung, von der ih eben spra, ift auf die üblihe Weise auf den Nedaktionstisch des- „Vorwärts“ geflattert und in einer, Nummer vom Februar 1892 abgedruckt worden. Sie stammt vom 11. Februar 1891. Eine ganz ähnlihe Verordnung ist unter dem 6. August 1891 ergangen.

Nun fährt der Herr Minister von Meßsch fort: ;

Dieser Grundsay is ausgesprochen, und auf diesem Stand- punkte steht auch die Regierung und sie hält auch darauf, daß seitens der Polizeibehörden die Handhabung der präzeptiven Bes . stimmungen des Vereinsgeseßes nach vollständig gleihem Maße erfolgt. Neben den präzeptiven Bestimmungen des Vereinsgesetzes giebt es aber auch noch andere geseßlihe Bestimmungen, die ih mehr als dispositive bezeichnen möchte. Das sind diejenigen, die über das Aufsichtsreht der Polizeibehörden, sowie über das Gé- nehmigungsrecht zu Vereinsversammlungen n. \#. w. gegeben sind. In dieser Richtung muß selbstverständlih, wie dies bei jedem

ekanntmachung.

Abg. Grillenberger (Soz.): Wir haben dem Reichstag éa

Erste Beilage

Berlin, Donnerstag, den 2. Mai

Polizeigeseße der Fall ist, dem Ermessen, dem diskretionären Er- messen der Polizeibehörden ein gewisser Lauf, eine gewisse Latitude gestattet sein. Das geht niht anders. Und wenn von diesem Standpunkte aus die Polizeibehörden die sfozialdemokratischen Vereine und Versammlungen mit etwas s{härferem Maße mefffsen, (Ah! bei den Sozialdemokraten) so entspriht das allerdings, meine Herren, das erkläre ich ganz offen, auch den Intentionen der Regierung. Meine Herren, die \fozialdemokratishe Partei hat überhaupt ers dazu Veranlassung gegeben, daß das Vereinsgeseß jeßt {ärfer gehandhabt wird; sie hat Veranlassung dazu dadurch gegeben, daß sie in bisher ruhige Verhältnisse, in ruhige Vereine, auch Arbeiterversamm- lungen ihre gefährlihen Agitationen hineingetragen hat.

Meîne Herren, nun frage ih Sie, heißt das, was ich Ihnen eben verlesen habe, und der Herr Minister von Mebsh hat diese Aeußerung in einer späteren Sißzung und zwar in derjenigen vom 27. Februar 1894 nochmals wiederholt und erläutert heißt das, daß die Regierung sich dahin äußert, sie wolle dieses Gesetz, sie wolle die dispositiven Bestimmungen dieses Geseßes einer Partei gegenüber anders auslegen als einer anderen Partei? (Zuruf von den Sozial- demokraten.) Davon kann gar keine Rede sein. (Wiederholte Zurufe bei den Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.) Die Königlich \ächsishe Regierung wendet die Dispositivbestimmungen des Vereins- gesetzes allen Parteien gegenüber gleichmäßig an, mögen die Parteien konservativ, nationalliberal, freisinnig oder sozialdemokratisch sein. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Das versteht fich von selbst, meine Herren, und daß fozialdemokratische Versammlungen, in denen der Umsturz gepredigt wird (Lachen bei den Sozialdemokraten), anders behandelt werden als harmlose unpolitishe Vereinigungen oder politische Versammlungen von Parteien, die auf dem Boden unserer jeßigen Gesellshaftsordnung stehen, das werden Sie felbst gar nicht anders erwarten. (Lachen bei den Sozialdemokraten.)

Nun hat der Herr Vorredner ich werde auf einige Punkte, die ¡der Herr Vorredner vorgebracht hat, eingehen ; von allem kann ih selbstverständlih niht sprehen, einestheils aus dem prinzipiellen Gesichtspunkte, den ih vorhin {on hervorgehoben habe, und andern- theils, weil es selbstverständlih für mich unmöglich ist, alle diejenigen Fâlle zu kennen, in denen die sozialdemofratishe Partei in Sachsen si gegen das Vereinsgeseß vergangen hat (Zuruf von den Sozial- demokraten) Der Herr Vorredner hat unter anderem gesagt: die Gewerkschaften würden nach Anweisung der Unternehmer von der Polizei \{chlecht behandelt. Er hat hierfür niht einen einzigen Be- weis vorgebraht. Jch möchte das hier nur konstatieren.

Außerdem hat er noch verschiedene andere Punkte vorgebracht. Unter anderem hat er davon gesprochen , daß die Parteiorganisation als Verein erklärt worden wäre. Das if allerdings von einigen Behörden geschehen, und zwar mit voller Zustimmung der Negie- rung, die mit diesem Vorgehen vollständig einverstanden war.

Was den Sängertag in Mittweida anlangt, der verboten worden ist, so ist das gesehen auf Grund von § 5 bezw. 24 des sächsischen Vereinsgeseße8, und zwar, weil aus dem Programm dieses angeblich harmlosen Sängertags hervorging, daß aus Anlaß desfelben politische Versammkungen anderer Organisationen abgehalten werden sollten, deren Tendenzen mit den Tendenzen der sozialdemokratischen Partei übereinstimmten, und deren Abhaltung gerade damals mit Gefahr für die öffentliße Ruhe und Sicherheit verbunden war. (Lachen bei den Sozialdemokraten.)

Nun, meine Herren, es versteht fich ja von selbst, daß nicht alle Fälle, die der Herr Abg. Griklenberger aufgeführt hat, zur Kenntniß des Ministeriums kommen. Sehr oft beruhigen fi die- jenigen Personen, die von einem Versammlungsverbot betroffen worden sind, und gehen niht beschwerend an die oberen Be- hörden. (Zuruf) E wird mir eben zugerufen: „Das nüßt nichts.“ Ih könnte Ihnen eine ganze Menge Fälle anführen, in denen Remedur geschaffen worden ist. Ich will zugeben, daß ab und zu eine Polizeibehörde etwas über den Strang geschlagen hat, es ist das aber ganz natürlich (Lachen bei den Sozialdemokraten), wenn die Agitation in einer Weise getrieben wird, die jeder Beschreibung spottet.

Meine Herren, was das Verbot des Verbandes der \ächsishen Berg- und Hüttenarbeiter anlangt, so ift das nicht eine Maßregel, die von der Verwaltung beshlossen worden ist, sondern der Verband ist, soviel mir bekannt i, vom Gericht aufgelöst worden, was in der höheren Instanz bestätigt worden ist. Es ist dieser Beschluß darauf zurückzuführen gewesen, daß der Berg- und Hüttenarbeiterverband, entgegen seinen Statuten, Politik getrieben hat. Dasselbe gilt von dem Verband der Textilarbeiter, den der Herr Vorredner au erwähnt hat. Dieser Verband ift auf Grund von § 24 des \ächsishen Vereins- gesetzes aufgelöst worden, und zwar meines Wissens auch deswegen, weil er sich mit Angelegenheiten beschäftigt hat, die \statutenwidrig waren.

Im übrigen möchte ich noch zum Schluß Folgendes sagen: Die Königlich sächsishe Regierung würde meinen, die Pflichten, die sie gegenüber den friedliebenden Einwohnern des Landes hat, auf ‘das gröblihste zu verleßen, wenn sie von den Waffen, die ihr die Ge- seßgebung in die Hand gegeben hat, niht einen möglich\ ausgiebigen Gebrauch machen wollte. Sie ist der Meinung, daß die Handhabung des Vereinsgesetzes, so wie sie bei uns geschieht, ihre Pfliht und Schuldig- keit is, und möhte ih ähnlich, wie dies einmal in der sächsischen Zweiten Kammer geschehen ist, das Vereinsgeseß als ein Juwel unserer Gesetzgebung bezeihnen (Lahen bei den Sozialdemokraten), ja als ein Juwel in unserer Geseßgebung gerade in unserer heutigen Zeit. Meine Regierung wird an dem Geseß und seiner Handhabung fest- halten, solange fie die große Mehrheit des Landtags, wie es gegen- wärtig der Fall ift, hinter sich hat.

Meine Herren, Sie ersparen mir wohl, auf den Geseßentwurf ein- zugehen, den die Herren Abgg. Auer und Genossen hier eingebracht haben. Dieser Gesegentwurf if weiter nihts als die geseßliche Sanktionierung der Anarchie. (Lachen bei den Sozialdemokraten.)

eiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

1895.

Wenn einmal der {öne Zukunfts\taat ins Leben treten follte, defsen Vorfeier Sie heute begehen, glauben Sie, daß Sie mit solchen Gesetzen auskommen fönnen? Davon fann nun und nimmermehr die Nede sein. Sie werden keine Vereine gestatten, in denen die Wiederherstellung der Monarchie, in denen das Christenthum ge- predigt wird. Davon bin ih wenigstens ganz fest überzeugt. (Bravo! rechts.)

Bayerischer Bevollmächtigter Herrmann:

Meine Herren! Auh ich bin durch -die Rede des Herrn Abg. Grillenberger veranlaßt, meine Regierung und ihre Behörden in Schuß zu nehmen und fie gegen die chweren Angriffe zu verwahren, welche von feiner Seite in Bezug auf die Handhabung des Vereins- - geseßes erhoben worden sind. Herr Grillenberger hat gesagt, daß das Vereinsgeseß in mehreren deutshen Staaten, befonders auch in Bayern in widerrechtlicher und ungeseßliher Weise gehandhabt werde, daß Bayern insbesondere durch die Ausschließung von Frauen und Minder- jährigen aus den Versammlungen fich berüchtigt gemacht habe. Ich glaube, daß der Herr Abg. Grillenberger zu diesem Vorwurf um so weniger berehtigt gewesen ift, als er hat zugeben müssen, daß das Verfahren des bayerischen Ministeriums durch ein Erkenntniß des Obersten bayerishen Landesgerihts gebilligt worden ist.

Die hohen Herren haben aus der Rede des Herrn Abg. Grillen- berger entnommen, daß der Streit in Bayern fich hauptsählich um die Beziehung drehe, in welher der Art. 15 des bayerishen Ver- einsgeseßes mit dem § 152 der Gewerbeordnung steht, das heißt: wie das Koalitionsreht der- Arbeiter zu wahren sei gegenüber der landes- rechtlichen Bestimmung, wona Frauen und Minderjährige politischen Vereinen nicht als Mitglieder angehören und ihren Versammlungen nit beiwohnen können. In dieser Hinsiht hat Herr Abg. Grillen- berger vollständig Unrecht, wenn er der bayerishen Regierung vor- wirft, daß von derselben gewerkschaftlißhe Versammlungen mit sheeleren Augen angesehen werden als politische. Das is in der That niht richtig. Die bayerische Regierung fördert und unterstüßt alle Bestrebungen, welche dahin zielen, die materielle Lage der Arbeiter zu verbessern. Beweise dafür, daß sie derartigen Be- strebungen kein Hinderniß in den Weg legt, sind darin zu finden, daß eine große Anzahl von gewerkshaftlihen Fahvereinen in Bayern existiert. Obwohl dieselben, wie zugegeben werden muß, wohl zumeist unter sozialdemokratischer Kontrole stehen, legt die bayerishe Regierung derartigen Vereinigungen nicht das geringste Hinderniß in den Weg, auch nicht in Bezug auf di. Theilnahme von Frauen und Minder- jährigen an den Versammlungen derselben. (Zuruf bei den Sozial- demokraten.) Solche Vereine bestehen und sind speziell auch für Frauen gegründet. Der Herr Abg. Dr. Pichler, auf dessen Referat sih der Herr Abg. Grillenberger bezogen hat, führt in demselben aus- drücklih aus, daß von den Gewerkschaften Deutshlands auch in Bayern Zweigverbände bestehen, z. B. eine Zahlstelle des Deutschen Schneider- und Schneiderinnenverbandes in München. Nun gcht meine Regierung ganz zweifellos rihtig von der Ansicht aus, daß durch den § 152 der Gewerbeordnung doch nur diejenigen Be- strebungen geschügt sind, auf welhe {ih dieser Paragraph ausdrüdcklich bezieht, nämlich Bestrebungen zur Erzielung befsercr Löhne und Arbeitsverhältnisse. Sie ist aber der Meinuna, daß s\olche Ver- einigungen und Versammlungen, welche andere, insbesondere poli- tishe Zwette verfolgen, den Schuß dieses § 152 nit genießen. Die Regierung befindet si hierin in voller Uebereinstimmung mit ihrem Obersten Landesgericht. Ih zitiere hierfür aus dem von Herrn Abg. Grillenberger erwähnten obergerihtlihen Erkenntniß vom 29. De- zember 1894 folgende Stelle: Es if zwar durch § 152 der Reichs- Gewerbeordnung

die Koalitionsfreiheit der Arbeitgeber wie der Arbeiter innerhalb der gezogenen Grenze geseßlih anerkannt, in Beziehung jedoch auf sonstige” Verabredungen oder Vereinigungen, welhe andere Zwecke aus\shließlich oder nebenbei verfolgen, bleibt es bei den reihs- oder landesrehtlihen Bestimmungen über das Vereins- und Versaymlungswesen. :

Es ift ein verfehlter Gedanke, geführt —,

daß alles, was politisch oder wirthschaftliÞ irgendwie in inneren Zusammenhang gebraht werden kann mit der sozialen Lage der lohnarbeitenden Klafsen, alles, was in Geseßgebung, Verfafsung und Verwaltung darauf abzielt, die materiell wirth\haftlihen Ver- hältnisse des Arbeiterstandes, dessen Lohnverhältnisse aufzubefsern, also beispielsweise die gesammte neuere sozialpolitische Gesetzgebung Deutschlands und was fich an sonstigen Forderungen, z. B. eines erweiterten Arbeitershußes, daran anknüpft, von § 152 Gewerbe- ordnung betroffen werde.

Sobald vielmehr irgend welche gewerblihe Koalitionen zur Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen das Gebiet des gewerblichen Lebens mit seinen konkreten Interessen verlassen, sobald sie in das staatlihe Gebiet hinübergreifen, die Organe und die Thätigkeit des Staats für sih in Anspru nehmen, hören sie auf gewerblihe Koalitionen zu sein und wandeln \ich in politische Vereine um, die als solhe den Beschränkungen des Vereins- und Versammlungsrechts unterliegen.

Die Regierung hat also vollkommen Recht, wenn sie durchaus nit in allen gewerkshaftlihen Versammlungen die Theilnahme von Frauen und Minderjährigen duldet, insbesondere dann nicht, wenn nah dem Programm, sowie nah den Persönlichkeiten, welche derartige Versammlungen berufen, leiten und in demselben Referate erstatten, vorauszusehen ist, daß in diesen Versammlungen politische Gegenstände erörtert werden. Ob eine Versammlung auf rein gewerkshaftlichem Gebiet sih bewegt, oder ob ihre Thätigkeit auf das politishe Gebiet hinüberspielt, das is im einzelnen Falle natürli eine Frage des thatsählihen Ermessens; irgend welche generelle Anordnungen, wie die Behörden hierbei verfahren sollen, sind von seiten der bayerischen Re- gierung nit erlassen. Die einschlägigen Magistrate, welche derartige Ver-

zum Bundesrath von

wird hier weiter aus-

sammlungen verboten, beziehungsweise aufgelöst haben, baben sicher nah