1895 / 106 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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E Blumen haben. Dazu kam, daß das Tempo der Dar- ellung niht flott genug war und die Kraft der Darsteller durchaus nit ihren Rollen entsprach. Der Hauptgrund für die geringe Wärme und Theilnahme, die das Sheridan’she Stück erweckte, liegt aber in der Technik desselben. Man vergesse nicht, daß Sheridan ein hervorragender Politiker war, dessen Reden zu den Mustern oratorischer Kunst gehören, daß er unter Pitt zur politishen Oppo- fition gehörte und der Regierung viel zu schaffen mate. Zu dieser politischen Opposition gesellte sich bald die ethishe und gefell- schaftliche, und aus diesem Milieu heraus ist seine „Lästerschule“ ent- standen. Er war kaum ein Dichter, nur feine Entrüstung und sein Aerger über die Heuchelei haben ihx1 den Text zu seiner berühmten Komödie diktiert. Und wenn auch ein Mann wie Lord Byron ihn als Dichter s{häßte, die heutige Kritik sieht in ihm nur den M Kulturhbistoriker, der mit erbarmungslofer Schärfe auf die Wühlarbeit der Lästershulen innerhalb der englischen Gefellshaft hinwies. „Wider die Heuchelei !" kann als Motto diefes feines bekanntesten Stücks gelten. Um diesen Kampfruf in die Wirk- lihkeit zu überseßen, gruppiert er seine Geitalten: links die Ehr- lichen, rechts die Heuchler, die Mitglieder der Lästershule, in der Mitte die hin und her \{chwankende Gestalt der Lady Teazle, die sich \cließlich reuevolder Partei der Guten zuwendet. Um die Guten und die Schlehten zum Sprechen zu bewegen, d. h. die Heuchelei aufzudecken, fommt ein reidher Onkel aus Indien, Sir Oliver Surface, der in dem übelbeleumdeten, leihtsinnigen Neffen Charles Surface einen braven Kerl, in dem tugendhaften Joseph Surface einen Schurken entdeckt. Verwechselung folgt auf Verwechselung, Mas- ferade auf Maskerade, und dazwischen wird in einigen glänzenden Auftritten die chmachvolle Thätigkeit der Lästershule und ihrer vor- nehmen Mitglieder enthüllt. Wenn au hin und wieder ein treffendes Wißwort P wenn auch eine glücklihe Bosheit die ganze gesell- \hastlihe Heuchelei aufdeckt, fo ist do andererseits die Tendenz des Stücks allzusehr und aufdringlich zu \püren: cine Tendenz, die sch zum Schluß sogar zu einer rihtigen „Moral“ trivialisiert. Ein galliger und graufsamer Witz durchzieht das Stück, und nur in einer Scene redet Sheridan nicht Moral, fondern formt Menschen. Das geschieht in einer Scene, in welcher der leichtsinnige, ewig geld- bedürftige Charles Surface die Bilder seiner Ahnen verauktioniert. In den marktschreierishen Anpreisungen, mit denen er jedes einzelne begleitet, in dem frischen Tempo seines Naturells liegt eine so ete Komik, daß man diese Scene als die originellste des ganzen Werks“ bezeihnen muß. f Leider wurde das Stück durch die Aufführung niht unterstüßt, leider war auch die neue Uebersezung des Herrn Hans Meery nicht fließend genug. Mit einer korrekten Ueberseßung is noch nicht genug gethan. Die deutsche Konverfation hat andere rhythmische Gefetze als die englische, und so hätte Herr Meery aus vielen lang- athmigen Saßverbindungen, die auf der Bühne undeutsch wirkten, einzelne gute Säße machen müssen. An der Aufführung war kaum etwas zu loben: nit ein einziger Darsteller hien fich ehrliche Mühe zu geben; man merkte, daß die Direktion müde ist und die Ferien nahen.

Im Neuen Theater findet am Sonntag Nochmittag eine Aufführung von Alexandre Dumas? Sittenbild „Demi-Monde“ zu halben Preisen statt.

Mannigfaltiges.

Auf der Tagesordnung der gestrigen Stadtverordneten- Versammlung stand u. a. die hon erwähnte Vorlage des Magistrats, betreffend die Bewilligung von 300 000 # zur Voll- endung des Thurmes der Kaiser Wilhelm-Gedächtnißkirche und eines weiteren Beitrags von 50000 4. zur Vollendung der Kaiser Friedrih-Gedächtnißkirche Der Stadtverordnete Spinola beantragte, die Vorlage einem Ausfhuß zu überweifen ; dieser Antrag wurde jedoch mit großer Majorität verworfen und hierauf el aaa selbst mit allen gegen zwei Stimmen ab- gelehnt.

Der Verein Berliner Presse hat für das Grab Gustav Freytag’s einen prachtvollen Widmungskranz nach Wiesbaden- gesandt. In der nähsten Woche wird der Verein für den verstorbenen Dichter eine große Todtenfeier veranstalten, deren Einzelheiten noch bekannt gegeben werden sollen.

Für die Versammlung des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes am Montag, den 6. Mai, Abends 7 Uhr im Kaiserlichen Postgebäude, Artilleriestraße 4B I., ift folgende Tages- ordnung festgeseßt: 1) Bericht über die Berathungen, betreffend den Entwurf zu einem Geseß über den unlauteren Wettbewerb, Bericht-

erstatter: Herr Rehtsanwalt Dr. Edwin Kaß. 2) Herr Ingenieur P. oppe und Herr Astronom F. S. Archenhold: Ueber große aftronomische ernrohre, besonders über das für die Berliner Gewerbe-Ausftellung

projektierte 30 zöllige Aequatorialinstrument. 3) Herr Handels-Attaché

beim Kaiserli deutshen Konsulat in Chicago Carl Haller: Ueber amerifanishe Handels- und Industrieverhältnisse, besonders in Bezug auf den Waarenaustausch Deutschlands mit den Vereinigten Staaten.

In der Urania wird morgen Abend Uhr Herr Dr. P. Schwahn zum ersten Mal feine Erlebnisse in der vom Erdbeben heimgesuhten Stadt Laibach in einem längeren Projektionsvortrag schildern. Eine große Anzahl- von Originalaufnahmen der verwüsteten Stadt, von Professor Dr. Lubarsch unter den \{chwierigsten Verhält-

__ Krossen, 3. Mai. Das Dorf Pommerzig, das größte im Kreise Krossen, ist gestern dur eine Feuersbrunst zum größten Theil zerstört worden. Infolge des starken Nordwestwindes brannten in zwei Stunden 65 Wohngebäude und über 150 Scheunen und Ställe nieder; au viel Vieh is verbrannt. Einige Personen erlitten Brand- wunden. Das Pfarr- und das Schulhaus wurden mit Mühe er- halten. Den meiften Leuten ift alles verbrannt, da sie bei Ausbruch des Feuers auf dem Felde waren. Das Feuer soll, dem „Krossener Wochenblatt“ zufolge, durh das Spielen von Kindern mit Zünd- hölzern entstanden fein.

Dresden. Bekanntlich tritt im September d. I. in Dresden unter dem Protektorat Seiner Majestät des Königs Albert von Sachsen die Association Littéraire et Artistique Inter- nationale zu ibrem 17. Kongreß zusammen. Das Festprogramm für den vom 21. bis zum 28. September dauernden Kongreß dücfte ih nah den vorläufigen Beschlüssen des Dresdner Zentralausschufses, wie folgt, gestalten: Am Sonnabend, den 21. September, feierliche Eröffnungssizung im Saale des Gewerbehauses, der zu diesem Anlaß vom Festaus\{uß entsprehend dekoriert werden foll. Der Eröffnung geht im Kurländer Palais ein Rendezvous der Theil- nehmer voraus. Am Abend: Galavorstellung im Königlichen Hof- theater in der Altstadt. Am Sonntag, den 22. September, findet ein Ausflug nah Meißen statt, und zwar zu Schiff und mit der Bahn. In Meißen felb|: Konzert im Dom, Besichtigung der Albrehtsburg, am Abend A der Burg und Rückfahrt nah Dresden. Am Montag, -23. September, versammelt \ich die Affsoziation im Saale des Kurländer Palais zur Berathung. Auch Dienstag, 24. Sep- tember, is der Arbeit gewidmet. Am Nachmittag findet ein großes Bänkett im Gewerbehaussaale statt. Der Mittwoh, 25. Sep- tember,- ist Arbeitstag. Am Donnerêtag wird ein Ausflug nah der Bastei unternommen. Auf der Rückfahrt zu Schiff werden die Elbufer von Rathen bis Dresden beleuhtet werden. Freitag, den 27. September, ift Arbeitstag. Für Sonnabend, den 28. September, is ein Auéflug nah Leipzig geplant. Dort findet der Schluß des Kongresses statt. Die Mitglieder der Affsoziation sind Gäste der Leipziger Buchhändler. In der Buchhändlerbörse findet e Diner statt. Das Königliche Finanz-Ministerium hat für die

ahrten der Fee iee drei Sonderzüge, die Sächsish-Böhmische

ampf\chifahrts-Gesellshaft zwei Dampfer, die Direktionen beider Dresdner Straßenbal,nen für die auswärtigen Gäste Freifahrt- heine, die Kaiserlihe Ober - Postdirektion Erleichterungen im Fernschreib- und Fernspreh- wie im Postverkehr zugesagt. Die Königliche General - Direktion der Hoftheater bethätigt ihr Interesse durch Veranstaltung einer Galavorstellung, die General- Direktion der Königlichen Sammlungen gewährt den auswärtigen Gästen freien Eintritt bezw. Führungen in den Sammlungen. Daß die Stadt für den Kongreß die Summe von 6000 bewilligt hat, sowie daß zahlreihe Herren durch Zeichnung eines Garantiefonds die finanziellen Grundlagen des Unternehmens gesichert haben, bietet die Gewähr dafür, daß Dresden die Ehre des ihm bevorstehenden Besuchs hervorragender Vértreter der Literatur, Kunst und Wissenschaft aus allen Kulturstaaten Europas zu würdigen weiß.

Friedrichroda i. Th. Noch in keinem der Vorjahre sind zur jezigen Zeit hier {hon so viele ständige Gäste anwesend gewesen, wie in diesem Jahre. Auch der verflossene Winter brachte uns eine größere Anzahl von Gäften, weil Friedrihroda vor s{hädlichen Winden ges{chüßt ist. Besonders Hals- und Brustleidende empfinden hier den Segen der klimatishen Verhältnisse wohlthuend. Um den Sommergâsien ihren Aufenthalt hier fo angenehm wie mögli zu ge- stalten, wird u. a. die Oberbüchigsstraße, eine 2 km lange, durch \hônen Hohwald führende Promenade, gebaut. Die ekteftrishe Be- leuchtung geht ihrer Vollendung entgegen. Die Fernsprechleitung ver- bindet Friedrichroda mit allen größeren Städten Thüringens, sowie mit

iht vom -3. Mai

T LaA e

Wetter

nissen an Ort und Stelle photograyhiert, wird den Vortrag illustrieren.

eipiig und demnächst auch mit Berlin. Das Kanalisationswerk wird noch in diesem Frühjahr vollständig beendigt. Ferner besißt der Ort zwei vorzügliche Wasserleitungen, ausgiebig gespeist durch hochgelegene E Die Luft, welche über die meilenweit ausgedehnten Nadelholzwaldunger streicht, ift staubfrei, ozonreih, und infolge ihres relativ hohen Feuchtigkeitsgehalts ist das Klima mild und cleimäßig. Woblgepflegte Promenadenwege in einer Gesammtlänge von etwa 70 km mit 340 Ruhebänken führen zu \{önen Aussichtspunkten. Das Lusischloß Reinhardsbrunn ift nur 1 km entfernt, und der Insels- berg, Thüringens s{önster Berg, is zu Wagen und zu Fuß in wenigen Stunden zu erreichen, ebenso die Lutherstadt Cisena

mit der romantischen Wartburg. 27 Züge der Friedrih- rodaer Eisenbahn vermitteln den Verkehr. Von Berlin, Magdeburg, Leipzig, Halle und Cassel werden Saisonbillets mit 45 tägiger Gültig- keit auêgegeben. Die Frequenz betrug im Jahre 1894 9562 Perfonen

—Baulust der vergangenen Jahre und das neuerbaute Kurhaus, die ge-

räumigen Hotels und zahlreihen Villen beugen, auch während der Höhe der Saison, jedem Mangel an Wohnungen sowie UVebertheue- rungen vor. Die mäßige Kurtaxe berechtigt zum Besuch der Spiel-, Musik- und Lesezimmer, sowie der täglihen Konzerte am Kurhausfe, Jlluminationen, Róéunions und Kinderfeste. Für die Unterhaltung der Kurgäste ist außerdem E durch ein vorzügliwes Badethe.ter, unter der Direktion des Herrn Becker aus Erfurt, gesorgt.

__ Leipzig, 2. Mai. Wie der „Leipziger Börsenhalle“ mitgetheilt wird, ist die Leipziger Wollkämmerei niht total nieder- gebrannt (vergl. Nr. 104 d. Bl.), sondern nur der Lagershuppen der- felben, in welchem. fich Wollvorräthe im Betrage von 400 000- bis 500 000 M befanden.

„Laibach, 2. Mai. Der gestrige Tag und die heutige Nacht verliefen ruhig. Um 10 Uhr Vormittags wurde ein kurzer vertikaler und um 12 Uhr 25 Minuten Mittags ein ziemli ftarker Erdsto § in der Dauer von 3 Sekunden verspürt. Jn Mannsburg (Krain) wurde ein Tagelöhner s{hwer verleßt. Die Sicherungsarbeiten s{hreiten ras fort. Das Wetter ift \{ön. -

_ Florenz, 2. Mai. Heute begann vor dem biefigen Schwur- geriht der Prozeß gegen Lucchesi und Genossen wegen Ermordung des Journalisten Band i. Lucchesi bekennt sich, wie „W. T. B.“ berichtet, als Anarchisten aus Noth und gesteht, Bandt auf Anstiften eines andern Anarchisten Namens Romiti ermordet zu haben.

Konstantinopel, 2. Mai. Bei einer gestern im armeni- \chen Viertel ausgebrochenen Feuersbrunst sind laut Meldung des „W. T. B.“ 150 aus Holz gebaute Häuser niedergebrannt. Ein Verlust an Menschenleben i|t nicht zu beklagen. 500 Perfonen wurden obdahlos. Der Schaden wird auf 25 000 Pfd. geshägßt.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Budapest, 3. Mai. (W. T. B.) Die hiesigen Blätter fahren fort, die Erklärungen des Minister - Präsidenten Barons Banffy über die Reise des päpstlihen Nuntius A gliardi in Ungarn zu besprehen, und heben die außer- ordentliche Bedeutung dieser Erklärung hervor, welche insbesondere dadurh, daß der Minifter - Präsident sein Einverständniß mit dem Grafen Kálnoky betonte, er- kennen läßt, daß die klerikale Agitation, wie sie in Ungarn in lezter Zeit zu Tage getreten ist, und in deren langer Kette die Reise des Nuntius in Ungarn nur einen Ring bildet, auch in den maßgebendsten Hofkreisen mißbilligt wird. Allgemein wird zugegeben, daß die Erklärung des Minister - Präsidenten nicht ohne Folgen auch auf das innere Parteileben Ungarns bleiben könne. Vielfach wird auh angenommen, die Opposition des Ober- hauses werde in diesem Vorgange einen Fingerzeig dafür er- blicken, daß die Perennierung des kirchenpolitishen Konflikts den Klerikalen nur weitere Verlegenheiten beceiten könne. Jm Lichte dieser Erwägungen erscheinen die Aussichten der nächsten firhenpolitischen Berkaüdlunten: welche für den 10. d. M. anberaumt sind, günstiger.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

aus\chließlich der Passanten und auswärtigen Villenbesißer. ie rege -

d D

r Morgens.

Stationen.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeres\p red. in Millim.

Wind. Wetter.

in 9 Celsius

Temperatur 59G, = 49 R.

Belmullet . . ‘Aberdeen

Christiansund | Kopenhagen . | Stockholm

paranda . osfau . ..

775 3 halb bed.

778 heiter

779 roolkenlos

773 bededckt

773 ill wolkenlos

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778 3 heiter

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ire E at E Karlsruhe . . Wiesbaden . München Chemniy .. Berlin. . Wien ..….. Breslau . ..

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774 heiter 773 i heite12?) 770 2 Regen 772 l Regen

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772 wolkig 766 | roolfig 767 | 3\bedeckt

1) Gestern Regen. 2?) Gestern Regen.

Uebersicht der Witterung.

Ganz Europa steht unter dem Einflusse

d fat ori dessen Kern über den Britischen Ft: Eine flahe Depression über dem

deutschen Nordseegebiet verursaht im nordwestlichen Deutschland mäßige südlihe Winde mit Regenfall, während im übrigen Zentral-Europa nördliche bis östlihe Winde vorherrschend sind. ist das Wetter kühl, im Norden trübe, im Süden heiter; nur in dem nordöstlihen Gebietstheile liegt die Temperatur über dem Mittelwerthe, sonst allent-

nseln lie

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In Deutschland

eines

balben unter demselken, im westdeutshen Binnen- l nde bis zu 7 Grad. Fast allenthalben ift Regen efallen. Friedrichshafen hatte Nachmittags Gewitter. L ortbimee der kühlen Witterung wahrscheinlich. Deutsche Seewarte.

Bi H R T D C E E S E S R E I T E P E F PE I Theater- Anzeigen.

Köuiglihe Schauspiele. Sonnabend: Opern- haus. 112. Borstellung. Zum ersten Male: Der Evangelimann. Musikalisbes Schauspiel in 2 Auf- zügen. Dichtung und Mu*k von Wilhelm Kienzel. Nah einer von L. F. Meißner erzählten wahren Be- gebenheit. In Scene geseßt vom Ober-Regiffeur Teßlaff. Dekorative Einrichtung vom Ober-Inspektor Brandt. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. An- fang 74 Uhr.

Schauspielhaus. 118. Vorstellung. Zum 50. Male: Wie die Alten sungen. Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl Niemann. In Scene geseßt vom Ober- Regisseur Max Grube. Anfang 74 Vhr.

Sonntag: Opernhaus. 113. Vorstellung. Der Evangelimaun. Musikalisches SgHauspiel in 2 Aufzügen, nach einer von Dr. Leopold Flor. Meißner erzählten wahren Begebenheit, vor Wilhelm Kienzel. Anfang 7# Uhr.-

Schauspielhaus. 119. Vorstellung. Walleusteius Lager. Schauspiel in 1 Aufzug von Friedrih von Schiller. Die Piccolomini. Schauspiel in 7 Uglonden von Friedrih von Schiller. Anfang

1

Deutsches Theater. Sonnabend: Neu cin- M: Prinz Friedrih von Homburg. Anfang r

Sonntag, 2x7 Uhr: Die Weber... 7# Uhr: Priuz Friedrich vou Homburg. Montag: Das Lumpengesiudel.

Berliner Theater. Sonnabend: Heimath, Anfang 7ck Uhr.

Sonntag, 24 Uhr: Der Herr Seuator. 7} Uhr: Die Läfterschule.

Montag: Die Lästerschule:

. Lessing-Theater. Sonnabend: Zum ersten Male: Madame Bouivard. Schwank in 3 Akten von Alex. Bisson und A. Mars, deutsch von E. Neu- mann. Aufang 7# Uhr.

Sonntag: Madame Bonivard.

Montag: Der Herr Seuator.

Friedrich - Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25/26.

Sonnabend: Der Oberfteiger. Operette in 3 Akten von L. Held und M. Weft. Musik von Carl Zeller. Regie: Herr Unger. Dirigent: Herr Kapellmeister Ferron. Ermäßigte Preise der Plätze. Anfang 74 Uhr. :

Sonntag: Der Obersteiger.

Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a./. Sonnabend: Im Forsthause. Schausviel in 4 Akten von Richard Skowronnek. Anfang 72 Uhr. Sonntag: Der felige Toupiunel. S{chwank in Le E von Alexandre Bisson, deutsch von G. von oser.

Refidenz - Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Sonnabend: Fer- nand’s Ehekoutrakt. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Fevdeau, in deutscher Be- arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7# Uhr.

Sonntag * und folgende Tage: Feruaud’s Ehekontraft.

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion : Julius Fritsche. Sonnabend: Mit voll- tändig neuer Ausstattung: Rund um Wien.

antomimishes Ballet in 9 Bildern von Franz

aul und A. M. Willner. Mußk von Iosef Beyer. Der -choreographishe Theil von Josef Haßreiter. Dirigent : Herr Kapellmeister Baldreih. Vorher : Dorothea. Operette in 1 Akt von Jaques Offen- bah. fang Uhr.

Sonntag: Rund um Wien. Dorothea.

Pentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Richard Sitte Sonnabend: Zum ersten Male: Unter artistisher Leitung des Herrn Adolf Brakl vom Königl. Gärtnerplaßz-Theater in München: Figaro bei Hof. (Nokoko.) Operette

in 3 Akten (nah Beaumarchais? Memoiren) von Bohrmann-Rieger. Musik von Alfred Müller- Norden. Anfang 75 Uhr.

AdolphErnsl-Theater. Sonnabend: Madame Suzette. Vaudeville-Posse in 3 Akten von Ordonneau. Musik von Edmond Audran. Jn Scene gesezt von Adolph Ernst. Anfana Uhr. .

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zum Besten der Hilfsbedürftigen in Laibah. Bei halben Preisen. Einmalige Aufführung: Charley’s Taute.

(RECIE NAODLOE MRLE S T E I E R C I E A

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Margarete Haupt mit Hrn. Gym- nasial-Oberlehrer Dr. Ernt Fiebiger (2 rieg . Frl. Else Beckh mit Hrn. Rittergutsbesiger Rudolf Welter (Frankfurt a. O.).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Noel- dechen (Pr. Stargardt). Hrn. Pastor W. Budy (Arensdorf, Kr. Lebus). Hrn. Hauptmann Hans Schah von Wittenau (Berlin), Hrn. Hauptmann von Busse (Brandenburg a. Si

rn. Regicrungs-Assessor Frhrn. von Salmuth Homburg v. d. H.). Eine Tochter: Hrn. Hauptmann Wilhelm von Stosch (Angermünde).

Gestorben: Hr. Gymnasial-Direktor Dr. Carl Kunze (Lissa i. P.) Hr. Amtsrath und Ritter- gutébesißer Gustav Schol (Korschliß). “Frau Major Elise Dorothea Minor, geb. Zumpt (Burk- stetten, Ober-Bayern). Hr. Sanitäts-Rath Dr. Wilhelm Sue (Swinemünde). Frl. Char- lotte von Plüskow (Kowkälz). Verw. Frau Regierungs-Rath Marie von Bassewit, geb. von NRanyau (Dobbertin i. M.). Hr. Landrath a. D. August von der Osten (Wißmißz). Verw. Lu Landrath Jeanette von Mensenkampff, geb. Baronesse Krüdener (Berlin).

Verantwortlicher Redakteur : Siemenroth in Berlin.

Verlag der Expedition (Scho lz) in Berlin.

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags- Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (einshließli4 Börsen-Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

.A¿ 106.

Berlin, Freitag, den 3. Mai

1895.

I

Deutscher Reichstag. 82. Sigung vom Donnerstag, 2. Mai.

Ueber den Beginn der Sißzung ist gestern berichtet worden.

Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die dritte Be- raieg des Gesetzes, betreffend die Abänderung des Zoll- tarifs.

Nachdem der sächsishe Bevollmächtigte zum Bundesrath, Geheime Man al Dr. von Koerner sich gegen die in weiter Lesung gefallene Behauptung, es seien seine in der

ommission hinsichtlih des Honigzolls gemachten Angaben un- rihtig gewesen, verwahrt hat, erhält das Wort der

Aba. Wurm (Soz.). Redner hält dem Vorredner gegenüber seine Zweifel an der Richtigkeit jener statistischen Angaben aufrecht.

Sähhsisher Bevollmächtigter zum Bundesrath, Geheimer Finanz- Nath Dr. von Koerner verwahrt sih hiergegen nochmals.

Darauf wird die Position genehmigt.

Den in zweiter Berathung auf 200 A festgeseßten Zoll n alkohol- und ätherhaltige flüssige arfümerien,

und- und Kopfwässer beantragt Abg. We r ner (Refp.) auf 300 M zu erhöhen.

Der Antragsteller bemerkt, er begreife niht, wie gerade die Sozialdemokraten sh am heftigsten gegen diefen Antrag wenden fönnten; sie würden doch nit behaupten, daß der arme Mann ge- \{chädigt werde, wenn die ausländischen Parfümerien theurer würden.

Abg. Möller (nl.): Die Mehrzahl der Fabrikanten selbst hat sich gegen die Erhöhung des Zolls auf ausländishe Parfümerien auGge Pran : warum soll man ihnen Wohlthaten aufdrängen, gegen die sie sich selbs \träuben? Man würde ftatt ihre Interessen zu wahren, sie shädigen.

Abg. Dr. Schaedler (Zentr.) befürwortet den Antrag.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Fabrikanten wehren sich gegen den Zoll, weil sie fürchten, das Vierzehnfache zu verlieren, wenn das Ausland diesem Beispiele folgen und gleichfalls den Zoll auf Par- fümerien erhöhen sollte. Die ganze Mehreinnahme, die diefer erhöhte Zoll gewähren werde, ist auf nur 130 000 4 berechnet, die Regierung dat aber selbst zugegeben, daß die Einfuhr durch die Erhöhung des Zolls bedeutend eingeshränkt werden dürfte; infolge dessen kann man wohl sagen, daß der erhöhte Zoll dem Staat gar keinen Nußen, den Interessenten aber Schaden bringen würde.

Der Antrag des Abg. Werner wird angenommen.

Ohne Debatte stimmt das Haus ferner einem Antrage des Abg. Grafen von Kaniß (dkons.) zu, nah welchem das Gesetz am 1. Juli 1895 in Kraft tritt.

Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Hammacher erklärt der

Staatssekretär des Reichs - Shaßamts Pr. Graf von Posadowsky:

Meine Herren! Nachdem diese Tarifnovelle die Genehmigung des hohen Hauses gefunden hat, werden die Aenderungen, die aus dieser Tarifnovelle sich ergeben, in das amtliche Waarenverzeichniß mit möglichster Beschleunigung verarbeitet werden. Ich bemerke aber, daß, wenn es auch nicht geseßlihe Vorschrift ist, es doh in der Billigkeit liegt, auch beim amtlichen Waarenverzeichniß, welches die Positionen des Zolltarifs deklariert, die Bestimmung des § 12 des Zollvereinsgescßes Anwendung finden zu lassen , wonach alle Zoll- tarifveränderungen in der Regel 8 Wochen vor ihrer Gültigkeit öffentlich bekannt gemacht werden sollen. Jedenfalls wird mit der größten Beschleunigung auf Fertigstellung des amtlihen Waaren- verzeichnisses hingearbeitet werden; aber am 1. Juli kann nur unter der Vorausseßung die Inkraftsezung erfolgen, daß diese ahtwöchent- lihe Frist eingehalten wird. Wäre die Einhaltung diefes Termins niht möglich, so hoffe ih, wird es sich doch nur um eine 14 tägige Differenz handeln.

Im allgemeinen erkenne ih die hohe Bedeutung des amtlichen Waarenverzeichnisses für die handeltreibende Bevölkerung an, und ich gedenke zu veranlassen, daß in Zukunft alliährlih die Abänderungen im Wege des Nachtrags oder im Wege von Tekturen zur weitesten Kenntniß des betheiligten Publikums gelangen.

Es folgt sodann die nohmalige Berathung des in zweiter Lesung gefaßten Beschlusses :

An den Neichskanzler das Ersuchen zu richten, die Einführung eines wirfsamen Schugzolls auf Quebracho holz und die daraus hergestellten Extrakte und Präparate, sowie auf andere über- seeishe Gerbstoffe, soweit sie zur Gerberei von Leder Ver- wendung finden, mit Ausnahme derjenigen, welche für die Färberei und für die hemische Industrie erheblih in Betracht kommen, bald- thunlichst herbeiführen zu wollen.

Abg. von Kardorff (Rp.) richtet an die Negierung die Anfrage, ob die Yorte „chemishe Industrie“ eventuell fo aufgefaßt werden fönnten, als ob damit auch die Gerbereien betroffen würden. Es seien ihm bereits mehrere Zuschriften zugegangen, die große Bedenken gegen eine derartige Auffassung geltend machten.

Staatssekretär des Reihs-Schazamts Dr. Graf von Posadowsky:

Meine Herren! Welches Schicksal diese Resolution haben wird, fann ih heute nit erklären, da der Bundesrath zur Sache noch nit Stellung genommen hat. Ich muß aber ofen gestehen : der Gedanke, daß eine Gerberei eine chemische Industrie ift, ift mir bisher noch nicht gekommen. Unter chemischen Industrien versteht man doch Industrien, die Komponenten schaffen, welhe nothwendig sind zur Herstellung von Ganzfabrikaten. Die Gerberei stellt aber felbst Ganzfabrifate her, wenn auch unter Benußung von Chemikalien. Ich kann also ohne weiteres erklären: die verbündeten Regierungen werden eventuell die Gerberei unter den Begriff „chemishe Industrie“ nicht subsumieren.

Abg. Möller (nl.) {ließt sih dieser Auffassung an.

Darauf wird die Resolution angenommen, ebenso in der Gesammtabstimmung die Zolltarifnovelle.

Das Haus geht demnächst über zur ersten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Zoll- vereinigungsvertrags vom 8. Juli 1867. Der Entwurf bestimmt, daß den Kommunen die Erhebung einer Verbrau ch s- abgabe von Wein (Most), Shaum- und Kunstwein aus- ländishem wie inländishem bis jur Höhe von 10 Proz. des Werths oder von 5 # für das Hektoliter gestattet werden kann.

Staatssekretär im Reichs - Shaßgamt Dr. Graf von Vosadows ky:

Meine Herren! Dieser G«seßentwurf entfpriht nicht nur den Wünschen, die in einzelnen Landtagen, insbefondere im preußischen Abgeordnetenhause, geäußert sind, sondern au einer Refolution, die seitens eines Mitglieds diefes hohen Hauses eingebraht ist. Die Reichs-Finanzverwaltung - steht zu dem Geseßentwurf eigentlih in einem sehr losen Zusammenhange. Sie hat ledigli das Interesse, daß die Kommunalbesteuerung niht eine Höhe erreiht, durch welche das bisherige Soll des Weinzolls, d. h. des Zolls auf eingeführte fremde Weine, beeinträchtigt wird. Thatsächlih hat bereits seit dem Jahre 1890 ein nicht unwesentliher Rückgang im Ertrage des Weinzolls stattgefunden. Die Zolleinnahme für Weine aller Art betrug im Jahre 1890 18,7 Millionen Mark, im Jähre 1893 nur noch 16,3 Millionen. Immerhin liegt aber der Schwerpunkt des Gesetzentwurfs lediglih auf dem Gebiete der Kommunalbesteuerung.

Das Motiv, aus welchem die verbündeten Regierungen den Entwurf eingebraht haben, war das Gefühl, welches ja in diesem hohen Hause {on wiederholt Ausdruck gefunden hat, daß, wenn man das Bier der Kommunalbesteuerung unterworfen hat, man den Wein, ter in dem überwiegenden Theile Deutschlands doch den Charakter cines Luruêgetränks trägt, von diefer Besteuerung nicht frei laffen föônne.

Meine Herren, man wird den Kommunen, die für eine Erweite- rung der kommunalen Besteuerung des Weins agitiert haben, darin niht Unrecht geben können, daß diese Besteuerung eine nicht unerheb- liche Einnahmequelle für den belasteten Kommunalhaushalt eröffnen fann. Bekanntlich besteht ja fast ausnahmslos in den französischen Städten ein Oktroi auf Getränke. Aus dem Bulletin des französischen landwirthschaftlihen Ministers von 1892 geht hervor, daß z, B. in Paris in dem genannten Jahre 4498 752 hl, in Lyon 669 335 h1 Wein dem städtischen Oktroi unterlagen, und selbst in Mittelstädten wie Roubaix, einer Stadt mit 104000 Seelen, wurden noch 16 609 h1 Wein von der Kommune besteuert. Es ist ja freilih unzweifelhaft, daß Frankrei in einem ganz anderen Sinne ein Wein- land ift als Deutschland; aber immerhin bieten diese Zahlen einen An- halt für die Annahme, daß auch in Deutschland die Kommunalbesteuerung des Weins nicht unerheblihe Beträge den Kommunen zuführen kann.

Nimmt man in Frankreich die Städte, die über 100 000 Seelen zählen, so *

variiert pro Kopf der Bevölkerung der Konsum an Wein in diesen Städten zwischen 0,15 h1 bis 2,34 hl. Wenn in Frankreih der Weingenuß vielleicht allgemeiner is als in Deutschland, fo steht uns doch der Vorzug zur Seite, daß wir jedenfalls mehr verzehren, während der Franzose in seinem Quantum wesentlich knapper ist.

Wir wollen also gegenüber den Bestimmungen des Zollvereins- vertrages von 1867 der fommunalen Besteuerung des Weins freiere Bahn geben: erstens in räumlicher Beziehung und zweitens in Bezug auf die zu erhebende Steuerguote. In räumlicher Beziehung erinnere ih daran, daß bis jeyt nux der Wein besteuert werden darf in den eigentlichen Weinländern, zu denen eigenthümliherweise die Rheinprovinz nicht gerechnet ist. Es soll aber auch die zulässige Quote nit unwesentlich erhöht werden. Nah dem Gefeß von 1867 kann die Staatsfteuer einen Höchstbetrag von 10,91, wenn nach dem Werth besteuert wird, oder von 6 #4, wenn eine Einheitsfteuer erhoben wird, betragen. Die Kommunalsteuer soll nicht mehr als 90 9% der Staatssteuer betragen und darf felbst in Weinländern bödhstens 2,18 odér, wenn ein Einheitssay erhoben wird, 1,21 ausmachen.

Der Gedanke, die kommunale Besteuerung des Weins für Deutsch- land zu erweitern, hatte bereits Ausdruck gefunden in dem Wein- steuergesez seligen Angedenkens, das Ihnen in der vorigen Tagung vorgelegt war. Es war dort angenommen, daß der der Reichs- besteuerung nit unterliegende Wein mit höchstens 159/60 des Werths, glei 7,50 M pro Hektoliter, für die Kommunen besteuert werden dürfe, sofern unter Hinzurehnung der Staatssteuer niht mehr als 18 0/9 des Werths oder 102 F pro Hektoliter erhoben würden. Jeßt schlagen wir Ihnen vor, den Kommunen das Recht einzuräumen, für die Zwecke der Kommunalbesteuerung 10/6 des Werths oder in maximo 5 Á pro Hektoliter zu erheben.

Au gegen dies Weinsteuergesey, dem wie gesagt die verbün- deten Regierungen ziemlich unparteiisch gegenüberstehen , sind von einzelnen Interessentenkreisen dieselben Einwände erhoben worden, wie seiner Zeit gegen das Reichs-Weinsteuergeseß.

Vor allen Dingen is auf die Lästigkeit der Kontrole hingewiesen worden. Ih habe nun bei der Lektüre der Nede eines Abgeordneten, gebalten gelegentlih der Branntweinsteuergeseßnovelle, leider erst, nachdem das Reihs-Weinsteuergesey hier im Hause begraben war, die Aeußerung gefunden: Die Zirkulationssteuer für Wein fungiert in Elsaß-Lotbringen ganz ausgezeichnet. (Oho ! links.) Das ist nicht meine Auffassung, sondern die cines Abgeordneten, die ih in einem stenographischen Bericht gelesen habe.

Ich glaube in der That, daß, wenn au, wie ih zugestehen will, nicht leihtwiegende Bedenken gegen das Reichs-Weinsteuergeseß geltend gemacht wurden, doch diese Bedenken die gleihe Schwerkraft gegen- über einem Kommunal-Weinsteuergeseß nicht haben. Zunächst foll ja den Kommunen nichts ertheilt werden als eine F akultät, und die Kommunen werden selbs zu erwägen baben, ob es ihren wirthschaftlichen Jateressen entspricht, eine folche Steuer einzuführen, vor allen Dingen, ob der Ertrag, den sie sih aus der kommunalen Besteuerung des Weins versprechen dürfen, im Verhältniß zu der Last der Kontrole und namentlich zu demjenigen Betrage, den die Er- hebungskosten in Anspru nehmen werden, stehen wird.

Meine Herren, der Satz, den wir Ihnen vorgeshlagen haben in maximo, ist, wie ih gleich bemerken will, diskutabel. Holland und Frankreih besteuern ja bekanntli, wenn man nah dem Kopf der Bevölkerung geht, ihren Wein ganz erheblich höher noch, als hier vorgeschlagen is. Klagen werden Sie in den Petitionen gefunden haben namentlich von badischen Interessenten , die auszuführen fuchen,

daß, wenn ein Maximalsay von 5 #4 erhoben würde, in Baden die billigen Weine, die bis zu 23 Æ pro Hektoliter heruntergehen sollen, etwa mit 50% des Werths belastet sein würden. Wie gesagt, die verbündeten Regierungen halten eben die Frage des Maximalfaßes für diskutabel. :

Weiter is eingewend?t worden, daß in dem Gefeß keine Be- stimmung dafür sich fände, wie der Werth im einzelnen zu berechnen sei. Jch bemerke, daß man auch in dieser Beziehung dem Vorgang des Zollvereinsgeseßes von 1867 gefolgt ist. Auch dort ist bestimmt, daß die Kommunalbesteuerung einen bestimmten Prozentsahß, Höchstens 20 9/6 der Staatsfteuer, betragen darf, und daß die Staatsfteuer nur erhoben werden fann entweder nah dem Maximaleinheitsfaß, oder au nach dem Werth. Auch dort is nicht festgestellt, wie im einzelnen der Werth zu berechnen ist. Wir sind mit diesem Geseß dem, gleichen Wege gefolgt, indem wir von der Ansicht ausgingen, es solle hier nur eine gewisse Freiheit von beschränkenden Bestimmungen geschaffen werden; wir wollen nicht in das Selbstbestimmungsrecht der Kommunen und der Aufsichtsbehörden eingreifen, die die Kom- munalbeschlüsse zu bestätigen haben werden. Wie alfo im einzelnen der Werth zu berehnen is, wird Sache der Beschlüsse der Kommunen selbst und ihrer Aufsichtsbehörden sein. Hätten wir in das Gefeß spezielle Bestimmungen über diesen Punkt einführen wollen, so hätten wir eine Art Kommunalweinsteuer machen müssen, was wir

für unseres Amtes nicht hielten.

Sch fann zum Schluß nur die eine Bemerkung wiederholen : Es soll den Kommunen nur ein Recht gewährt werden, ein Recht, das eine große Anzahl von Kommunen, namentlih auch am Rhein ich bemerke, daß der Vorftand des Rheinischen Städtebundes sh auch dafür erklärt hat —, für ein fehr werth- volles zu halten geneigt ist.

Ich bitte Sie zum Schluß, meine Herren, dieses Gefeß etwas glimpflicher zu behandeln wie \. Z. das Reichs-Weinfsteuergeset!

Abg. Dr. Schaedler (Zentr.): Wenn die Vorlage auf eine scharfe Besteuerung des Kunstweins hinaus ginge, um der Weinver- fälshung ein Ende zu machen, so würde sie auf mehr Erfolg rechnen dürfen. Um das Gese auszuführen, würden die Gemeinden neue Beamte anstellen müssen, denen die Kontrole obliegt. Ich fürchte, daß die Kosten dafür in vielen Fällen größer sein würden als der Gewinn aus der neuen Steuer. Nur die großen Gemeinden, welche fo wie so eine Oktroi-Kontrole haben, werden Vortheil davon haben. Ein weiteres Bedenken gegen die Vorlage liegt für mih in dem Um- stande, faß die Kommunen durch das ihnen gewährte Reht der Wein- besteuerung zu unnöthigen Ausgaben veranlaßt werden können. Wenn nur die „feine Flasche“ des Wohlhabenden besteuert würde, so würde man dagegen wenig einwenden fönnen. Aber wie steht es mit dem Kranken-Weine? Wie sfoll es mit dem sogenannten Haustrunk ge- halten werden? In leßter Instanz wird auch die kommunale Wein- steuer stets von den Weinbauern getragen werden. Dieser Umstand und die Thatsache, daß der Weinbau auf kleineren Parzellen durch- \chnittlich nur noch mit 29/9 rentiert, muß meine Bedenken gegen die Vorlage verstärken. Die Steuersäßze müssen entschieden niedriger ge- griffen werden, als es in der Vorlage geschieht. Jch beantrage, die Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu verweisen.

Abg. Sch midt- Elberfeld (fr. Volksp.): Die Erfahrungen, die wir mit dem neuen preußischen Kommunalsteuergeseß gemacht haben, sollten uns davon entschieden abhalten, das Necht der Kommunen zur Einführung indirekter Steuern zu erweitern. Reihe Einnahmen würden wohl nur dann zu erzielen sein, wenn die billigen Weine besteuert würden. Der Weingenuß ist, im Süden und Westen wenigstens, cin allgemeiner, als Luxusgenuß ift er im Ganzen nur ein sehr beschränkter. Jn früheren Handelsverträgen mit Spanien war auch die innere Besteuerung von aus dem Auslande eingeführten Weinen untersagt. Dieses Hinderniß fällt ja jeßt fort; es ift aber dot fraglich, ob die Erhebung dieser geplanten fommunalen Wein- steuer nit für den Abschluß späterer Handelsverträge hinderlich sein könntc. Die Steuererhebung selbs wäre auch mit großen Schwierig- feiten und Belästigungen verbunden. Wir würden es für das Beste balten, die Vorlage abzulehnen; da aber die großen Fraktionen des Hauses sih auf eine Kommissionsberathung geeinigt haben, wollen wir einer solhen nit entgegen sein.

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Die Stadt Wiesbaden erhebt eine Weinsteuer von 8,5 4 pro Hektoliter. Die Verwaltung is} bisber bei Erbebung dieser Steuer noch auf keinerlei Schwierigkeiten gestoßen, man hat sih an sie {on vollkommen gewöhnt. Und diese Steuer bringt der Stadt den Betrag von 120 000 A. jährlih ein. Straßburg erhebt 10 # pro Hektoliter, und ih habe bisher niht gehört, daß dort Schwierigkeiten entstanden seien. Dabei wird dort eine Steuer von Getränken im allgemeinen, also auch von Bier erhoben. Die Weinsteuer repräsentiert aber für Straßburg jährlih eine Einnahme von 650000 A Die Stadt Osnabrück, in der auch eine Biersteuer erhoben wird, erzielt dur die Weinsteuer eine Jahreseinnahme von 35 000 Æ. Mit Necht wies der Abg. Schmidt auf den Unterschied der Bedeutung der Steucr in den Weinkreisen und anderswo hin. Während dort der Wein ein allgemeiner Verbrauchsartikel ist, ist er anderswo mehr oder weniger ein Lurxusartikel. Aber gerade dort, wo der Wein kein Luxus- artifel ist, wird die Weinfteuer ja {hon erhoben. Wenn die Gegner aus den Weingegenden also wirklih mit ihrem Bedenken Recht haben, warum seßen sie niht in erster Linie alle Hebel in Bewegung, um zunächst bei sich zu Hause die Aufhebung dieser Steuer zu be- wirken? Aber dort macht sie, wie gesagt, keinerlei Schwierig- keit. Es ist eben eine Uebertreibung, wenn behauptet wird, die Steuer werde auf den Weinbau \{ädlich einwirken. Es verhält sich hiermit niht anders als mit dem Bier. Wo wird das Bier am meisten besteuert? In Bayern. Und wo ist es am besten und billigsten? Jn Bayern. Es spielen eben dabei ganz andere Faktoren mit. Daß dur die Einführung der Steuer der Konsum abnehmen würde, muß ih bezweifeln. Ebenso kann ih nit einsehen, welher Zusammenhang zwischen der Weinsteuer und den etwa abzuschließenden Handelsverträgen bestehen fol. Jm Rheinlande wünschen die Kommunen die Steuer schr. In einer Denk- christ über die Städte des Rheinlandes wird dargelegt, daß diese sch auf die Dauer niht mehr halten können, da bereits in vielen Gegenden 250 bis 400 0/0 direkte Kommunal- steuern erhoben werden. Selbst auf dem flachen Lande wird man der indirekten Steuern nit entrathen können. Jch muß sagen, daß bei dem jeßigen Steuerzustande die Gemeinwesen in Westfalen, der Rhein- provinz, einem Theil Sachsens, in der That dem Zustand entgegen-

chen, daß fie ohne Staatshilfe niht mehr werden auskommen können.

arum follte die RNeichsgeseßgebung der Entwickelung der indirekten fommunalen Besteuerung keine Hindernisse in den Weg legen. Der Abg. Schmidt stellte die Sache so dar, als würden nun in Zukunft alle Gemeinden gezwungen sein, eine solche Steuer einzu- führen. Das ist ja aber gerade der Vorzug der Vorlage, daß sie den Gemeinden ofen läßt, die Steuer einzuführen oder nit. Die Wein»

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