1895 / 107 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 04 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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eine An militärisher Meldungen entgegen und ritten sodann an der Spiße der Truppen nach Spandau, woselbst Seine Majestät im Kreise des LAPPENLENE frühstückien. Jm Laufe des Nachmittags gedachten Allerhöchstdieselben nach Potsdam bezw. dem Neuen Palais zurüczukehren.

sekretär des Reichs - Schaßamts, Grafen von Posadowsky bei der zweiten Lesung des Tabacksteuergeseßes in der Reichstagskommission abgegebene Erklärung lautet nah dem Kommissionsbericht wie folgt:

„Die verbündeten Regierungen forderten bei der Tabackfabrikat- fteuervorlage des Jahres 1893/94 aus dem Taback einen reinen Mehr- ertrag von 45 Millionen. Für die damalige Ster Beers war der Wunsch der verbündeten Regierungen maßgebend, den Einzelstaaten wenigstens einen Theil der H E zu erhalten, welche den-

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Die bereits in der Presse Grafen von dem Staats-

selben in den leßten zehn Jahren durhschnittlich zugeflofsen waren. Diese Absiht sien innerlih um so gerechtfertigter, als die Einzel- staaten auf jene Mehrüberweisungen ihren Haushalt eingerichtet hatten, indem sie in Erwartung der fortdauernden Zahlung der- selben theils auf bisherige Einnahmen verzichtet, theils neue dauernde Ausgaben übernommen hatten. Bei dem Widerstand indeß, welcher sich in der vorigen Tagung «des Reichstags gegen die geseßliche Zu- sicherung fester Ueberweisungen an die Einzelstaaten geltend machte, S liAlosen ih die verbündeten Regierungen, unter grundsäßlicher Wahrung ihres sachlich berechtigten Anfpruhs auf Mehrüber- weisungen, den Mehrreinertrag aus der Tabakfabrikatsteuer zu beshränken und zwar auf die Summe, um welche, nah wesentliher Abminderung der Etatsanmeldungen der einzelnen Rcssorts, die Matrikularforderung des Reichs für 1895/96 noch die den Einzelstaaten zufließenden Ueberweisungen überstieg. Schon gegen die Mehrforderung aus der Tabasteuer in der Tagung des Reichstags 1893/94 wurde - der Einwand erhoben, daß man fih Steuern „auf Vorrath“ bewilligen lassen wolle, d. h. Einnahmen fordere für zur Zeit noch nicht feststehende oder wenigstens noch nicht ôffent- lih sichtbare Ausgaben. Dieser Vorwurf hätte thatsählich nur dann seine Berehtigung haben können, wenn die Bundesstaaten gegen- über wahsenden Ausgaben der Zukunft geneigt gewesen wären, auf die ibnen durch ein eventuelles Finanzreformgeseß zugesicherten festen Mehrüberweisungen ganz oder theilweise zu verzichten. In Er- wägung indeß, daß eine auf einen bestimmten Zeitraum berechnete Finanzreform fich nicht auf den Etatzabschluß eines Jahres stüßen e würde fih gegen die jeßt vorliegende, auf 32 Millionen ab- geminderte Mehrforderung aus der Tabackfabrikatsteuer der Vor- wurf vorrath8weiser Forderung von Steuern nur begründen lassen, nidt nur wenn diese Mehrforderung von 32 Millionen aufrecht er- halten würde gegenüber der durch die Beschlüsse des NReichs- tags für 1895/96 auf 6} Millionen abgeminderten Spannvng zwischen Ueberweisungen und Matrifularbeiträgen, E wenn es außerdem auch nur einigermaßen wahrscheinlih erschiene, daß inner- halb ter folgenden fünf Jahre, für welche die Geltung des Finanz- reformgeseßes vorausgesehen war, sich die Spannung zwischen Matrifularbeiträgen und Ueberweisungen nicht weiter erhöhen werde. Eine solhe Wahrscheinlichteit ist indeß von keiner Seite behauptet worden. Obgleih hiernah der Vorwurf, daß die verbündeten Regierungen durch Festhalten an der Mehrforderung des vorliegenden Fabrikatsteuergesetzes zur Zeit eine ‘Veberforderung an Steuern erböben, im Hinblick auf die im Plenum erörterte vorauésihtlihe Etatélage des Jahres 1896/97 niht stichhaltig erscheint, haben sich die verbündeten Regierungen in ihrer Mehr- heit doch entschlossen, ihre Mehrforterung aus der Tabadcfabrikat- steuer auf denjenigen Betrag zu ermäßigen, um welchen inhalts des festgestellten Etats und der noch zu beshließenden Nachtrags-Etats die Matrikularbeiträge für 1895/96 die Ueberweisungen übersteigen werden, d. h. auf eine Spannungssumme voa rund 105 Millionen. Ih erkläre jedo dieser Abminderung gegenüber ausdrüdlich, daß auch jeßt noch die verbündeten Negierungen an der Ueber- zeugung festhalten, daß der Taback ohne Herbeiführung der behaupteten sozialen - Folgen sehr wohl eine Mehrbelastung von 32 Millionen Reinertrag zu tragen vermag. Wenn troßdem die Mehr- forderung auf etwa 104 Millionen beschränkt wird, so geschieht dies nicht. unter Aufgabe irgend einer grundsäßlichen Auffassung, sondern E in der Erkenntniß, daß die Durhführung der Finanz- reform cine politishe Nothwendigkeit allerersten Ranges für die inneren Verhältnisse Deutschlands ist, und in dem Wunsche, selbst mit diefer Beschränkung das vorliegende Finanzreformgesez ohne weiteren Auf- {ub mit- dem Reichstage zu vereinbaren. C : Bei der Generaldebatte über das fraglihe Gese ist eigentli von keiner Seite die Nüßlichkeit einer Finanzreform bestritten, welche das Reich grundsätlih auf die Summe seiner eigenen Einnahmen verweist und welche jedenfalls geeignet ist, auch steigenden Ausgabe- forderungen gegenüber auf eine vorsihtige Beschränkung hin- zuwirken. Wer deéhalb jenes Ziel für ein erstrebenswerthes hält, sollte den verbündeten Negierungen wenigstens durch Bewilligung der derzeitigen geringen Mehrforderung die Pittel zu feiner Er- reihung gewähren. Gegen die hierzu vorgeshlagene Taback- fabrikatsteuer sind eigentlich nur zwei Cinwände erhoben worden: Der zu befürhtende Konsumrücckgang mit den für die Tabal- arbeiter angeblih hieraus folgenden umfangreihen Entlassungen und die lästige Schwere der Kontrolen. Berehnet man die reine Mehrforderung aus der Tabafabrikatsteuer auf rund 10 Millionen eine gegenüber der voraussichtlihen Span- nung von 107 Millionen im einzelnen niht ins Gewicht fallende Differenz und nimmt man ferner für die Zigarren bis 5 . ein- \chließlich einen Steuersay von 15 9/% des Werths und für die böherwerthigen Zigarren einen Steuersag von 18 % an, so ergiebi ih, daß die 3 Pfennig - Zigarren im Fakturapreis von 18 # pro Mille um 1,181 46 oder im fünftigen Cinkaufs- preis des Detailhändlers um 6,56 9/0, die 4 Pfennig-Zigarren im Fakturapreis von 25 #4 pro Mille um 0,131 #4 oder 0,52 9% billiger wie gegenwärtig sih stellen würden. Die 4 Pfennig-Zigarre im Fafturapreis von 29 46 pro Mille wird nur um 0,469 Æ oder 1,62 9% theurer werden wie bisher. Die 5 Pfennig-Zigarre im Fafturapreise von 30, 32, 36 und 39 würde pro Mille nur um 0,619, 0,919, 1,519 und 1,969 / oder um 2,06, 2,87, 4,22 und 5 05 9/6 theurer wie zur Zeit, d. h. der Preis der mittleren 5 Pfennig-Zigarre_ erhöhte sih_ um 0,152 & oder um 15 Zehntel Pfennig für das Stück oder 10 Stück 5 Pfennig-Zigarren würden 15 mehr fosten. Ebenso würden die Zigaretten in den billigsten Preis- lagen von 5 und 8 M pro Mille nur etne Vertheuerung von 0,08 9/6 be- züglih 6,06 9/9 erfahren. Die billigste Sorte Kautaback, im Werthe von 1 4 pro Pfund oder 137,87 Æ pro 100 kg, würde für dieses Quantum um 1213 #A oder 809 9% billiger; ebenfo ermäßigte sh der Preis des Schnupftabacks in seiner billigsten Sorte. Der Rauchtaback, mit nur 30 °%/ feines Werthes belastet, würde in allen Preitlagen von 0,55 A4 bis 1,30 Æ pro Pfund um 16,599 #4 bis 4,93 4 pro 100 kg oder um 20,74 9% bis 2,42 9% billiger als bisher. Nimmt man indeß auh an, daß von den in die Schnupf- und Rauchtaback- fabrikation übergehenden Abfällen der Zigarren- und Kautaback- fabritation gar feine fteuerlihe Belastung des MRohtabacks ge- tragen wird, so würde sih die zukünftige Belastung der Zigarren nod geringer herausftellen als oben ausgeführt, der Rauchtaback dagegen etwas höher belastet sein, aber immer noch wesentlich geringer wie unter dem gegenwärtigen Steuergeseßs. Die An- lagen A und B ergeben im einzelnen, wie sich die Belastung der Tabadckfabrikate, je nahdem man einen Theil von Steuern und Zoll als auf den Abfällen der Zigarren- und Kautabackfabrikation r 1hend annimmt oder nicht, bei einer reinen Mehrforderung von rund 10 Millionen stellen würde. Die Anlagen C und D weisen nah,

wie \ih bei einer reinen Mchrforderung von 10 Millionen der Gesammtertrag der künftigen Tabacksteuer auf die einzelnen Tabackfabrikate und den Import vertheilen würde. Bei einer so wesentlihen Verminderung des Mehrertrags aus der Tabadckfabrikatsteuer dürfte ein Am Stan mit seinen sozialen Folgen auch von den Gegnern der orlage nit mehr behauptet werden können. Hierzu kommt, daß durch die Zoll- erhöbung auf fremde Tabackfabrikate namentlich die billigeren Zigarren “von der Einfuhr ausgeschlossen und der Herstellung E dem heimishen Arbeitsmarkt zugeführt würden ; ferner haben sich die verbündeten Regierungen bereit erklärt, im Bedarfsfalle die Ds von Tabackfabrikaten in den Strafanstalten zeitweilig ein- ustellen.

M Aus der Anlage E ergiebt si, daß dur jene beiden Maßnahmen 4491 bis 5223 Arbeiter auf dem heimishen freien Arbeitsmarkte voraussihtlich mehr erforderlich werden würden. Würde abweichend von der Vorlage der Mehrreinertrag aus der Tabacksteuer auf etwa 104 Millionen abgemindert, so würde sih, gegenüber der geringeren Steuerbelastung der einheimischen p der in der Vorlage angenommene Zollschug noch wesentli erhöhen und dadur die Nalhfrage nach Arbeit: kräften im Inland in noch weiterem Umfange wachsen. Der Haupteinwand gegen das Geseß, daß dasselbe zahlreiche Arbeiterentlassungen zur Folge haben würde, er- scheint unter diesen Verhältnissen entkräftet. Aber au der fernere Einwand, daß es sih nit lohne, wegen einer Mehreinnahme von 10 bis 11 Millionen ein neues Steuersystem einzuführen, welches 4 Millionen Verwaltungskosten erfordere, kann als maßgebend nicht anerkannt werden. Man kann nicht diese Verwaltungs- kosten nur der Mehreinnahme gegenüberstellen, sondern muß sie ver- gleichen mit der veranschlagten gesammten Brutto-Einnahme in Höhe von 68 983 920 4, welche aus einem rationelleren und gerehteren Steuersystem wie dem gegenwärtigen gewonnen werden follen. Die neu- einzuführenden Kontrolen würden \ich der Tabackindustrie, gegenüber ihrer bisherigen Bewegungsfreiheit, während des Uebergan sftadiums gewiß lästig béinerkber machen; die Betriebe werden si aber darauf einrihten, und es scheint auch die weitere Vereinfachung mancher Kontrolen niht ausgeschlossen. Die Tabakindustrie wird fich aber auh im Interesse des Gemeinwohls den Kontrolen zu fügen haben, welhe andere Fabrikationsbetriebe bereits tragen und welche im Inter- esse einer objeftiven Sicherung der Steuereingänge geboten erscheinen.

Das Tabackfabrikatsteuergeses mit einer so geringen Mehrforde- rung von 105 Millionen erfüllt in agrarpolitisher und fozialpolitischer Beziehung alle die Wünsche, die seitens der Interessenten und aus der Mitte des Neichstags geäußert sind. Die Tabackbauern werden von der Inlandsstcuer und damit von einer Anzahl durch dieselbe bedingter Kontrolen befreit. Der Rauchtaback wird steuerlich wesentlich geringer belastet wie nah dem geltendcn Gesetze. Gerade das shwere fettige Schneidegut findet vielfa nur \{chwierigen Absatz; dur die geringe steuerlihe Belastung des Rauck- tabacks wäre wenigstens die Möglichkeit geboten, demselben einen er- weiterten Kreis von Konsumenten zuzuführen und so den durch die gegenwärtigen Lebens8gewohnheiten der Bevölkerung drohenden weiteren Rückgang seines Konsums wenigstens aufzuhalten. : :

Der Gesetzentwurf in der angedeuteten Fassung würde aber außer dem Rauchtaback auch alle anderen Tabakfabrikate der ärmeren Volks- klassen wesentlidegzeringer belasten wie diejenigen Tabakfabrikate, welche von dem zahlungsfähigeren Publikum genossen werden, und damit dem Gedanken einer geringeren Belastung der ärmeren Volksklassen entschie- denen Ausdruck geben. Die Befürchtung, daß die Staffelung für Zigarren zu zahlreihen Defraudationen Anlaß geben könnte, erscheint nicht be- gründet; die Steuer soll auf Grund der Fakturen erhoben werden, deren Nichtigkeit in Zweifelsfällen nah den Fabrifations- und Kalkulations- büchern nahzuprüren ift. Wer sih unredliche Vortheile verschaffen will, kann diesen Versuch durch Ausstellung falscher Fakturen ebenso gut bei der Einheits- wie bei der Staffelsteuer unternehmen.

Endlich würde ermöglicht, im dringenden finanzpolitischen Inter- esse des Reichs eine klare finanzielle Regelung zwischen dem leßteren und den Einzelstaaten wenigstens auf cine beschränkte Anzahl ahre herbeizuführen. Es liegt den verbündeten Regierungen fern, lediglich aus gourernementalen Gesichtspunkten an der Tabacsabrikatsteuer fest- zuhalten und dadur mittelbar zur Beunruhigung des Gewerbes bei- zutragen ; die verbündeten Regierungen sind aber der Ueberzeugung, taß die Forderung höherer Einnahmen aus ‘dem Taback im Hinblick auf die wahsenden Ausgaben des Reichs niht zu umgehen sein ird, insoweit sh niht im Reichstag eine Mehrheit für eine höhere Be- steuerung des Biers finden sollte, und daß deshalb jeder ablehnende Beschluß des NReichétags keine Lösung der Steuerfrage, sondern nur eine Verzögerung ihrer Entscheidung bedeuten kann.“

Der General-Lieutenant Edler von der Planiy IL, General-Inspekteur der Fuß-Artillerie, hat Berlin verlassen.

Nach telegraphischen Meldungen an das Ober-Kommando der Marine ist S. M. S. „Sperber“, Kommandart Korvetten - Kapitän Walther, am 1. Mai in Libreville an- gekommen und am 2. Mai nach Kamerun in See gegangen; S. M. S. „Wolf“, Kommandant Korvetten-Kapitän Kret] ch- mann, beabsichtigt heute von Hongkong nah Tamsui (Znsel rena in See zu gchen; S. M. S. „Prinzeß Wilhelm“,

ommandant Korvetten-Kapitän von Holßendorff, ist am 3. Mai in Gibraltar angekommen und beabsichtigt heute nah Port-Said in Sec zu iben: :

Württemberg.

Seine Majestät der König empfing vorgestern den zum niederländishen außerordentlichen Gesandten und bevollmäch- tigten Minister am Königlichen Hofe ernannten R Boe van Tets van Goudriaan in Audienz, um dessen Be- glaubigungsschreiben entgegenzunehmen.

Die Zweite Kammer nahm gestern nah längerer Be- rathung den von der Volkspartei eingebrahten Antrag gegen die „Umsturzvorlage“ mit 56 gegen 24 Stimmen an. Gegen den Antrog stimmten die Zentrumsfraktion und vier Mitglieder der Ritterbank. Der Minister - Präsident Dr. Freiherr von Mittnacht erklärte dem „W. T. B.“ zu- folge: Die Regierung könne sich bezüglih ihrer künftigen Abjtimmung im Bundesrath nicht öffentlich binden; sie verhchle aber nicht ihre shwersten Bedenken, wenn der Reichstag die Vorlage in der Kommissionsform annehme. Auf eine Be- merkung des Abg. Hausmann über die Entlassung des Grafen Caprivi erklärte der Minister des weiteren: Die Ernennung und Entlassung des Reichskanzlers stehe ausshließlich dem Kaiser zu. Niemand habe sonst darein zu reden. Man solle die Rechte des Reichs-Oberhauptes achten, wenn man gegebenen Falles seine eigenen Rechte gewahrt sehen wolle.

Hefen. Die Zweite Kammer bewilligte gestern zur Unter- stüßung der Landwirthschaft 12000 F für die landwirth- {haftlihen Provinzialvereine und 15 000 4 für die Landes-

ausstellung in Gießen. Betr

der Rücckäußerung der Ersten Kammer, Über den vom Ministerium der Finanzen vorgelegten Geseßentwurf wegen Abänderung des Einkommensteuer geseßes, beshloß die Kammer, auf ihren alten Beschlüssen u beharren. «Ebenso beharrte die Kammer auf ihren früheren Beschlüssen über den Gesehentwurf wegen Ab- änderung des Kapitalrente n-Steuer-Ges eßt es und ver- tagte sich sodann bis Ende Mai.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin haben si gestern Vormittag von Weimar nah Eisenach begeben, um daselbst der Enthüllung des Luther- Denkmals beizuwohnen.

Lübe.

Die zur Beilegung der Meinungsverschiedenheit zwischen Senat und Bürgerschaft über die Deckung des Fehlbetrags im Budget für 1895/96 eingeseßzte Entscheidungskommission, bestehend aus sieben Mitgliedern des Senats und sieben Mit- gliedern der Bürgerschaft, ist am 1. d. M. beeidigt worden und dann sofort zu ihrer- ersten Sizung zusammengetreten. Die Verhandlungen sind streng geheim.

“Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser wird, wie „W. T. B.“ aus Wien berichtet, am 7. d. M. Nachmittags zu dreistündigem Besuch in Laibach eintreffen.

Der „Neuen Freien Presse“ zufolge hat das Subcomité des Wahlreform-Aus)husses des österreichischen Ab- geordnetenhauses gestern seine Arbeiten abgeschlossen.

Die „Politishe Korrespondenz“ von gestern veröffentlicht folgendes Communiqué: Die Form und der Jnhalt der vom ungarischen Minister-Präsidenten Baron Banffy dem Ab- geordneten Perenyi auf scine Jnterpellation über die jüngste Reise des apostolishen Nuntius Agliardi nach Ungarn ertheilten Antwort haben, wie überall, so au im Kreise des Winisteriums des Aeußern über- rasht. Es hat niht wenig Befremden erregt, daß in mehreren wesentlihen Punkten die Erklärungen des Barons Banffy unrichtig sind und sih daher mit den An- sichten des Ministers des Acußern nicht decken. Dies gilt sowohl von der Motivierung wie von den Konklusionen der ministeriellen Erklärungen, und es ist hier auch nit bekannt, wieso Baron Banffy berechtigt war, ausdrücklih zu erklären, daß der Minister des Aeußern den dargelegten Standpunkt der Königlich ungarishen Regierung zu dem seinigen ge- macht habe. Hierüber waren die Akten nicht geschlossen, ebensowenig wie über die eventuelle Frage, inwieweit und in welher Form in Rom vertraulihe Bemerkungen über das Auftreten Agliardi’s gemacht werden sollten. Dics müsse von den - dem Minister des Aeußern noch nicht voriiegenden Daten abhängen, welche eine Einmishung des apostolischen Nuntius in innere Angelegenheiten nahzuweisen vermöchten. Wenn also Baron Banffy im ungarishen Parlament die Er- flärung abgegeben habe, daß die Démarche erfolgt sei, so könne dies seiner Unvertrautheit mit diplomatishen Geschäften zu- geschrieben werden, die wohl auch die Schuld daran trage, daß der Minister - Präsident auf eigene Verantwortung und ohne Rücksiht auf unsere freundschaftlihen Beziehungen zum Heiligen Stuhle eine wie ein Schlachtruf tönende Er- flärung im Parlament abgegeben habe, was für die Sache selbst nur schädlihe Folgen haben fönne. Es dürfte also diese JInterpellationsbeantwortung des BaronsBanffy noch zu weitercn Erklärungen und Konsequenzen führen. Das Wiener „Fremden- blatt“ bespricht diese Mittheilung der „Politischen Korrespondenz“ und meint, manche Punkte seien noh nit aufgeklärt; ein objeftives Bild der Sache sei daher nicht zu gewinnen. Jmmer- hin stehe folgendes fest : Jm Ministerium des Aeußern sei Bereitwilligkeit zu einer eventuellen Aktion bei der rô- mischen Kurie vorhanden gewesen; die Aktion selbst sei als cine vertrauliche gedaht gewesen. Die Interpellation und die Antwort des Minister-Präsidenten Baron Banffy im Ab- geordnetenhause aber hätten die Sache in die laute Oeffentlichkeit gebracht und dem Heiligen Stuhle gegenüber eine schwierige Lage geschaffen. Die Behandlung der unzweifelhaft wichtigen Angelegen- heit sei wesentlich ershwert, ja theilweise kompromittiert, was sicherlich cine bedauerlihe Thatsache sei. Jedenfalls könnten weitere eingehende Aufklärungen nicht ausbleiben, die nur im ungarishen Parlament erfolgen könnten, da dem Minister des Neußern ein hierfür kompetentes Forum fehle.

Der ungarishe Minister-Präsident Baron Banffy ist heute früh aus Budapest in Wien eingetroffen.

Jn der gestrigen Sißung des ungarischen Unter- hauses crklärte der Handels-Minister Daniel, daß die Ver- handlungen über die Verstaatlihung der Südbahn fortgeseßt würden und ein günstiges Ergebniß zu erhoffen sei, wenn Ungarns Jnteressen dabei gewahrt werden könnten. Jm anderen Falle werde er mit der Südbahn selbst einen Tarif- vertrag abzuschließen versuchen, damit der längs der Südbahn geregene Landstrih Ungarns in eine vortheilhaftere Situatio::

elange.

q Der vercinigte Dreieraus\huß des Oberhauscs beschloß bezüglich der von dem Unterhause zurückverwiesenen Geseßentwürfe über die freie Religionsübung und Ne- zeption der jüdishen Religion bei dem Hause dic Aufrechterhaltung beider Geseßentwürfe zu beantragen.

Der Ausschuß des Unterhauses zur Vorbereitung des Gesehes über die Gerichtsbarkeit in Wahlsachen sehte gestern seine Berathungen fort. Am Donnerstag is dem Ausschuß cin neuer Antra g zu dem Geseßentwurf zugegangen, wonah jede Abgeordnetenwahl für ungültig erklärt werden sol, wenn der Kandidat in einer geistlihen Ver- sammlung oder in einem fkirhlihen Lokal seine Wahl betreibt, ferner wenn in Wählerversammlungen oder bei MWähleraufzügen fkirhlihe Geräthe oder Embleme benußt oder wenn decn Wählern mit kirchlichen Strafen oder der Verdammniß gedroht wird oder ihnen kirch- lihe Gnaden versprohen werden. Geistliche, die den Wahl- fandidaten ähnliche Dienste leisten, sollen mit Gefängniß bis zu einem Jahre oder mit 1000 Kronen Geldstrafe und Sus- pendierung der politishen Rechte bestraft werden.

Großbritannieu und Jrlaud.

Die Königin und dieKönigin-Regentin der Nieder- lande begaben sih gestern nah Windsor zum Besuch der Königin Victoria.

_ Jm Unterhause erklärte gestern der Parlamentssekretär des Kolonialamts Buxton, seit langer Zeit gehörten die fleinen im Norden von Zululand belegenen Territorien der Häuptlinge Mahlaleni,, Sambaan, Umbegesa und Anderer klar und bestimmt zur britischen JInteressen- phâre. Da wegen des Anwachsens der Geschäfte da- Ton für die E ernstlihe Schwierigkeiten be- fürhtet würden, jei beschlossen worden, diese Terri- torien dem Gouverneur oon Zululand zu - unterstellen. Der Republik Transvaal seien durch den Vertrag von 1884 Eingriffe in diese Territorien sowie das Abschließen von Ver- trägen mit den Häuptlingen ohne Englands Zustimmung ver- boten. Das gegenwärtige Vorgehen sei nicht von irgend welchen unfreundlihen Gesinnungen gegen Transvaal hervorgerufen ; von Transvaal seien Einwendungen erhoben worden, die Regierung beharre aber bei ihrem Vorgehen. Alphons Morton beantragte eine Resolution, worin erklärt wird, da der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha die Souverä- netät eines fremden Landes übernommen habe, sei es wünschens- werth, daß die Zahlung seiner Apanage von 10 000 Pfund ein- gestellt werde. Dieser Antrag wurde von Lab ouchère unter- E: Der Schaßkanzler Sir W. Harcourt bedauerte es sehr, daß diese die Königliche Familie betreffende Frage nohmals aufgeworfen werde, nahdem sie das legte Mal mit ent- scheidender Majorität verworfen worden sei. Der Herzog habe freiwillig auf 15000 Pfund verzichtet. Die 10 000 NVfund seien bewilligt worden, als sich der Herzog mit einer russischen Dieseive verheirathet habe, um den Hofhalt

zu ermöglichen. Dieselben sollten gleichzeitig eine Versorgung für die Prinzessin sein, wenn sie ihren Gemahl überlebe. Die Einziehung der Apanage von 10 000 Pfd. würde für das Unterhaus ein unschickliher Aft sein. Der Herzog habe nicht aufgehört, englisher Prinz zu sein, und er, Redner, bedauere tief die gegenüber dem Herzog in seiner Eigen- haft als deutsher Fürst gemachten unehrerbietigen Aeußerungen. Nur auf die Jnitiative der Krone stehe dem Hause das Recht zu, die Apanage zurück- zuziehen; diese Junitiative könne aber nur auf Antrag der verantwortlichen Minister ergriffen werden, und ein solcher Antrag sei der Königin nicht unterbreitet worden. Die Re- gierung bleibe bei ihrer Ansicht, und er hoffe, das Haus werde die Aas unterstüßen. Balfour unterstüßte die Erklä- rung Sir W. Harcourt's. Der Antrag Morton's wurde darauf mit 193 gegen 12 Stimmen abgelehnt.

Frankreich.

Aus Ter do Ri wird berichtet, die rumänischen Kriegsschiffe „Elisabetha“ und „Mircea“ würden auf der Fahrt nah Kiel Ajaccio, Algier, Brest und Cherbourg an- laufen, Der Marine-Minister Admiral Besnard habe auf Ersuchen des rumänischen Gesandten in Paris angeordnet, daß der rumänishen Schiffsmannschaft in den Häfen ein freund- schaftliher Empfang bereitet werde.

Nufßland.

Der Kaiser hat, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern Nach- mittag 2 Uhr in Zarskoje Sselo den neu ernannten deutschen Botschafter Fürsten Nadolin in feierliher Antrittsaudienz empfangen. Nach Entgegennahme der Accreditive ließ der Kaiser sich die Mitglieder der Botschaft vorstellen. Dem Empfang wohnten der Hof-Minister Graf Woronzow-Daschkow, der General-Adjutant Richter und die obersten Hofchargen bei. Später wurde der Botschafter von der Kaiserin empfangen, 0% ogt a er die Mitglieder der Botschaft ebenfalls vorj|tellte.

Á Q „Journal de St. Pétersbourg“ bringt folgenden rtikel:

Schon bei Beginn des cinesish. japanischen Krieges bezeichnete das „Journal de St. Pótersbourg* bei Besprechung der durch die Inter- essen Rußlands gebotenen Haltung die Aufrechth altung desterri- torialen status quo auf dem chinesischen Kontinent als eine an erster Stelle stehende politische Nothwendigkeit, welches auch der Ausgang des Kampfes sein möge. Seitdem haben die Ohnmacht Chinas ges den militärischen Erfolgen Japans, Japans überwältigende Er- olge und die dur dieselben hervorgerufenen Bestrebungen der Frage cine Wichtigkeit beigelegt, die der Vertrag von Simonoseki deutlich sehen läßt. Niemand kann es entgangen sein, daß Japan dadurch, daß es ben südöstlihen Theil der Mandschurei annektiert, und dadur, daß es Korea zwischen diese seine Besißung und das zukünftig seiner Herrschaft unterworfene Meer einschließt, die fifktive Unabhängigkeit Koreas auf ein Nichts beschränken würde. Aber außerdem würde Japan auch als

err des Golfes von Petschili und der die Ebene von Peking beherr- schenden firatentben B den Schlüssel zur chinesishen Hauptstadt in Händen halten. Man kann daher hon jeßt mit Sicherheit be- haupten, daß die ehrgeizigen Bestrebungen Japans die Frage des Gleichgewichts im fernen Osten, die Europa nit gleichgültig fein kann, auf das Spiel seßen. Die Beziehungen dieses Theils Afiens zu den euro- päischen Nationen mehren ih von Tag zu Tag. Für Nußland, dessen Besitzungen im Stillen Ocean in nädter Nähe des streitigen Terrains liegen, in einer Nähe, welche durch den Bau der Sibirischen Eisen- bahn bald noch vermehrt werden wird; für Frankreich, dessen indo- hinesishe Kolonien an der Grenze Chinas liegen, ist es wesentli, von ihren Grenzen jeden dauernden Grund zur Unsicherheit und zu heftigen Krisen fernzuhalten. Deutschland endlich liegt die Entwi- lung seiner Handelsbeziehungen zu diesen Gegenden zu sehr am Herzen, um ruhig zusehen zu können, wie diese Beziehungen stets einer Be- unruhigung ausgeseßt wären, welhe unablässig die emporkeimenden Niederlassungen deutsher Staatsangehöriger bedrohen würde. Dieser Zu- stand aber würde sehr bald eintreten, wenn die Japaner am Tage nah ihren Triumphen auf dem cinesishen Festlande festen Fuß faßten und jenen Eroberungsgeist dort einführten, der sie stets allem Hasse der gegenwärtigen Besitzer ausseßzen würde. Es E nit in der Absicht der drei Mächte, welhe ihre Ansichten in Tokio zum Ausdruck brahten und denselben auch Achtung zu verschaffen wissen werden, Japan der Früchte seiner Siege zu berauben; ja, es fönnte ihnen sogar niht mißfaällen, diesen Staat, der seine Häfen der europäischen Kultur eröffnet hat, in unwiderlegliher Weise die leben- spendende Kraft der Zivilifation darthun zu sehen, der es seine in fo kurzer Zeit erzielten unendlihen Fortschritte verdankt. Diese Fortschritte würden aber nichtsdestoweniger früher oder später der Vernichtung preis- gegeben sein, wenn sie nicht auf jenen Grundsäyen “beruhen, welche die Grundlage des Konzerts der zivilisierten Nationen bilden. Diese Grundsäße verlangen vor allen Dingen, daß jeder. Staat, ohne seine legitimen Interessen zu opfern, sie doch in verständigem Maße dem Interesse Aller unterordne der Bürgschaft des allgemeinen Friedens nämlich. Dieser Geist hat sich in dem Maße entwielt, in welchem der Fortschritt der Arbeit und die wachsende Aufklärung diese Inter- essen mehr und mehr folidarisch machten. Rußland besonders hat davon denkwürdige Beweise gegeben, die seinem leßten Herrscher den glorreihen Namen eines Friedensfürsten einbracten. Rußland, das fest entshlossen ist, auf diesem Wege zu beharren, fühlt ih um so mehr berechtigt, auch von anderen jene Mäßigung zu ver- langen, deren Beispiel es zuerst gegeben hat. Indem Rußland so im Einverständniß mit Deutschland und Frankreich handelt, schädigt es in keiner Weise die wahren Interessen Japans, mit dem es freund- \haftlihe und gutnahbarlihe Beziehungen zu unterhalten wünscht.

Wenn der erste Slegeurauls erft vorüber sein wird, wird dieses Land, defsen Souverän noch in seiner n Proklamation eine weisheits- volle Spe führte, sehr bald erkennen, daß die Mächte, die es zur rihtigen Ne auf einem Wege aufgehalten haben, auf welchem es seine Macht und seine Zukunft auf das Spiel seßte, ihm einen ganz besonderen Dienst erwiesen haben.

Ftalien.

__ Verschiedene Blätter melden, der 26. d. M. könne als sicheres Datum für die allgemeinen Wahlen angesehen werden. Die Stihwahlen würden am 30. Mai oder 2. Juni stattfinden. Das betreffende Dekret, dem ein Bericht an den König vorausgehen werde, solle am 9. oder 10. d. M. veröffentliht werden.

__ Der siamesishe Justiz-Minister Prinz Swasti und der siamesishe Gesandte in Paris sind in Genua ein- En, um den König von Siam, dessen Ankunft auf em Dampfer „Bayern“ erwartet wird, zu empfangen.

Spanien.

Das Panzerschiff „Pelayo“ und die Kreuzer „Jnfanta Maria Teresa“ und „Marquis Ensenada“, welche an den Kieler Festlichkeiten theilnehmen werden, versammeln sich am 8. d. M. im Hafen von Marin (Galizien) unter dem Kommando des Kontre-Admirals Martinez Espinosa.

Schweiz.

Die vom Bundesrath angenommeaen neuen Militär- artikel der Bundesverfassung enthalten der „Köln. Ztg.“ zufolge im wesentlichen folgende Bestimmungen: Weder der Bund noch die Kantone sind berechtigt, stehende Truppen zu halten; vorbehalten sind die für die Befestigungswerke er- forderlihen Mannschaften. Das Heerwesen ist Sache des Bundes. Wehrmänner, welche im Militärdienst das Leben verlieren oder Schaden an der Gesundheit erleiden, haben für sich und ihre

amilien Anspruch auf die Unterstüßung des Bundes. erwaltung, Unterricht, Bewaffnung, Bekleidung und Aus- rüstung des Heeres sind Sache des Bundes. Der Bund über- nimmt die kantonalen e N gegen Entschädigung. Den Kantonen verbleibt die Auswahl der zu Offizieren auszu- bildenden Unteroffiziere, Ernennung und Beförderung der Offiziere der ausschließlich aus Mannschaften eines und des- selben Kantons gebildeten Truppeneinheiten, sowie die Wahl der unteren Beamten der Divisionskreise.

Serbien.

Wie „W. T. B.“ aus Nisch meldet, hat der König die Demission des Finanz - Ministers Petrowic angenommen und den Minister der öffentlihen Arbeiten Zdrawkowic provisorish mit der Leitung des Finanzressorts betraut. Die Skupschtina wird am 7. d. M. geschlossen werden; an dem- selben Tage wird der König nah Belgrad abreisen.

b nd König Milan hat sich von Belgrad nach Jtalien egeben.

Schwoedeu und Norwegen.

Infolge der von den Kammern des s{chwedischen Reichstags gefaßten entgegenstehenden Beschlüsse wegen des Handelsvertrags zwischen Schweden und Norwegen hat jeßt der Bewilligungsaus\schuß einen Vermittelungsvor- \chlag vorzulegen, der geeignet ist, von beiden Kammern an- genommen zu werden.

Das Storthing hat, einer Meldung des „W. T. B.“ aus Christiania zufolge, gestern die Erhöhung des Branntweinzolls auf 50 Oere per Liter angenommen. Die Erhöhung tritt sofort in Kraft. Jm weiteren Verlauf der Sizung führte der Abg. Engelhard von der Linkenpartei aus, das Storthing habe keine offizielle Nachricht erhalten von dem Beschluß der Regierung, vorläufig niht zu demissionieren. Das Storthing und die Nation könnten mit Recht be- anspruchen, vollige Auskunft über die in den Blättern veröffentlichten dahingehenden Mittheilungen zu erhalten. Er beantrage: sämmtlihe im Staatsrath aden Protokolle nebst den eventuell dazu gehörigen, dem Staatsrath vorgelegten öffentlihen Papieren oder verifizierte Kopien derselben, soweit sich diese auf das leßteingereihte Demissionsgesuh der Regie- rung bezichen, sollen dem Verfassungsgeseß gemäß dem Stor- thing vorgelegt werden. Die Verhandlung über diesen An- trag wurde bis zu einer späteren Eng aufgeschoben.

Heute Nachmittag 2 Uhr soll cine Adresse an die Führer der drei Fraktionen des Storthing überreicht werden, worin das Storthing aufgefordert wird, den Weg der Ver- handlungen Schweden gegenüber einzuschlagen. Die Adresse ist von sechzig einflußreihen Personen unterzeichnet, tue denen sih, wie verlautet, zwanzig Angehörige der Linken efinden.

Amerika.

Im Unterhause von Kanada brachte der Finanz- Minijter Foster gestern das Budget ein und theilte mit, das Defizit für das laufende Finanzjahr betrage 41/2 Millionen Dollars. Der Minister spra dabei die Hoffnung aus, daß durch eine Herabschung der Ausgaben um illionen Dollars und E allgemeinen Aufshwung im Handel das Defizit im nächsten Jahre nur 1 700 000 Dollars betragen werde. Um dem Defizit abzuhelfen, soll auf Rohzucker, der jeßt zollfrei ist, ein Zoll von einem halben Cent per Pfund gelegt und der SURE auf raffinierten Zucker entsprehend erhöht werden.

le Regierung von Nicaragua hat einer in New-York eingetroffenen Nachricht zufolge das Mosquito-Terri- torium als Staat einverleibt und demselben den Namen

Zela ya beigelegt.

Amtlih wird aus London gemeldet, die britische Regierung habe eingewilligt, das britishe Geschwader aus den Gewässern von Nicaragua zurückzuziehen, vorausgeseßt, daß die Regierung von Nicaragua dem britischen Admiral mittheile, daß sie die Bedingungen des britishen Ultimatums annehme und sih unter Bür g- schaft der Republik San Salvador verpflichte, die ge- forderte Entschädigung in London innerhalb 14 Tagen zu zahlen.

Asien.

Wie dem „Reuter shen Bureau“ aus Yokohama ge- meldet wird, wurde Graf Jto Miyoji, der sih behufs der Auswechslung der Ratifikationsurkunden auf dem Wege nach Chefoo befindet, angewiesen, in Port Arthur zu warten, bis er benachrichtigt sein werde, daß China den Friedens- vertrag ratifiziert habe.

Der „Times“ wird aus Shanghai von gestern gemeldet, der Kaiser von China habe am 2. d. M. den Friedens-

vertrag ratifiziertl. Li-Hung- Tshan che na Chefoo, um die Ratisikationsurkundew auszutau A m „Reuter'shen Bureau“ zugegangene direkte Nachrichten be- stätigen die Meldung, daß der Kaiser von China in die Rati- fikation des Vertrags von Simonosceki eingewilligt habe.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schhlußberichte über die Fenrigen Sitzungen dcs Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Jn _ der heutigen (84.) Sißung des Reichstags- welcher der Staatssekretär, Staats-Minister Dr. von Boetticher sowie der Staatssekretär Nieberding beiwohnten, wurde zu- nächst in dritter Lesung der Geseßentwurf, betreffend die privatrehtlihen Verhältnisse der Binnenschiff- fahrt, berathen. N 7

In der Generaldiskussion erklärte der Abg. Dr. Meyer (fr. Vg.), seine rien éa betrachteten das Geseß als einen Ausgleich der vershiedenen VMeeinungen über die einschlägige Materie. Auch die E der Arbeiter fönnten das Gese als einen Fortschritt an-

ennen.

Der Abg. Gamp (Rp.) wies die Angriffe zurück, welche in erster Lesung der Vorlage der Abg. Zimmermann gegen die Firma Caesar Wollbeim gerichtet hatte.

Der Abg. Ger i\ch (Soz.) erkärte namens der Sozialdemokraten, aas E das Gesetz in der vorliegenden Fassung nit annehmen

nnten.

In der Spezialdiskussion wurden die drei ersten Para- graphen des Geseßentwurfs ohne Debatte angenommen.

(Schluß des Blattes.)

In der heutigen (62.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, in welcher der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berleps\sch, der Finanz-Minister Dr. Miquel, der Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen und der Minister des Jnnern von Köller zugegen waren, wurde zunächst die Berathung über den Geseventwurf be- treffend die Bereitstelung von Staatsmitteln für Arbeiter- und Beamtenwohnungen, fortgeseßt.

Abg. Bueck (nl.): Meine politischen graue und ich stehen der Vorlage sympathisch gegenüber, obglei ih für meine Person be- kennen muß, daß ih die sozialen Verhältnisse niht für fo s{limm halte, wie sie mit Vorliebe geschildert werden. Freilich ist be- züglich der Arbeiterwohnungen bisher verhä!tnißmäßig wenig ge- schehen. E sind hier verschiedene Bedenken gegen das Geseg verlautbart worden, die aber durch die Er- flärungen der Herren Minister abgeschwäht worden sind. So wurde namentlih hervorgehoben, daß durch die Bauthätigkeit des Staats die private Unternehmungslust bedrückt werden würde. Diefe Gefahr ist aber dadur beseitigt worden, daß, nah den uns gewor- denen Erklärungen, die Bauthätigkeit des Staats nur da eintreten foll, wo die private Bauthätigkeit niht genügend rege ift, sowie daß der Staat Darlehen an private Bauunternehmer oder Genossenschaften er- theilen soll, die den Bau von Arbeiterwohnungen unternehmen wollen. Die Regierung verfolgt damit ein durhaus ribtiges Prinzip, indem sie auf diesem Wege einem dessen bedürftigen Stande eine Wohlthat angedeihen lassen will, ohne den übrigen Stenctiaßtern eine Last auf- zuerlegen. Die Frage entsteht nur noch, ob dies sih praktis wird durchführen lassen. Der Staat baut zu luxuriës. Es ift ja gewiß ein idealer Zustand, wenn der Arbeiter sich ein eigenes Haus erwerben kann, aber wenn man Jdealen nah- strebt, verliert man leiht den festen Boden. Die private Bau- thâtigkeit hat die Ideale von vornherein fallen lassen. Sie hat sih darauf beschränkt, Praktishes und Nüßliches zu schaffen. Aus diesem Grunde haben z. B. die Baugenossenschaften vielfah, wenn auh in beschränktem Maße, das Kasernensystem beibehalten. Der Staat würde daher gut thun, fih gleihfalls zu Gunsten der praktishen Durchführbarkeit Beschränkungen aufzuerlegen. Nach den Aut- führungen des Herrn Ministers der öffentlihen Arbeiten scheint man in dieser Beziehung schon auf dem richtigen Wege zu sein. Die hier erörterte Frage bezüglih der Schwierigkeiten, Wohnungen für unverheirathete Arbeiter zu schaffen, ließe sich wohl am besten durch Ueberweisung von ganzen Häusern an_ ledige Arbeiter lösen, in der Weise, as; diese einen kleinen Staat mit Selbstverwaltung in ihrem Hause bilden. Ich kann niht umhin, zu erklären, daß cs uns sehr befriedigt hat, dieser Vorlage zu entnehmen, daß der Staat ein Prinzip anerkennt, welches unsere Fraktion stets für richtig gehalten hat, daß nämlich der Staat, wo es noth thut, mit seinem Kredit eintritt, um zu helfen, ohne den übrigen Steuerzahlern neue Lasten aufzuerlegen, und daß er der arbeits- freudigen Bevölkerung zu einer Zeit Arbeit zuweist, wo sie sie sonst niht findet. Ich ftelle den Antrag, die Vorlage nit, wie vor- geshlagen, der Budgetkommission, sondern im Interesse der shnellen und guten Erledigung ver Sache an eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen.

(Schluß des Blattes.)

—- Die XV1. Kommission des Reichstags zur Vorberathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des O ver es es vom 8. Juli 1867, hat sich kon- tituiert und zu ihrem Vorsißenden den Abg. Dieden, zu defsen Stellvertreter den Abg. von Staudy, zu Swhriftführern die Abgg. Dr. Goerßy und Dr. Pichler gewählt.

Kunst und Wissenschaft. Die Curtius- Feier in Olympia.

__Die Enthüllung der von Professor Schaper ausgeführten Büste von Ernst Curtius im Syngros - Museum zu Olympia am 19. April hai sich zu einer reichen Feier Gefialtet, über deren Verlauf jeßt aus die besonders ausführlichen Berichte der griechischen Zeitungen vorliegen. Olympia hat seit der Zeit der großen Spiele kaum wieder eine so ansehnliche Fest- Peri Rg auf seinem Boden gesehen, wie bei died Ge- egenheit.

_ Die Freunde und Verehrer des Gefeierten hatten die Leitung des Festakts in die Hand des Ersten Sekretärs des Kaiserlichen archäologischen Instituts, des Herrn Prof. Dörp- feld gelegt, welcher selbst an -den Ausgrabungen in Olympia einen hervorragenden Antheil genommen ‘mo Dieser ver- anstaltet jährlich in günstiger Frühlingsjahreszeit Studien- reisen durch Griechenland, und auf einer dieser Reisen wird auch Olympia besucht, um dessen Denkmäler, wie sie unter dem PoG Ce Kaiser Wilhelm 1. auf Kosten des Deutschen Reichs nah Anregung und unter Leitung von Curtius wieder- ewonnen sind, zu betrahten und zu erläutern. Die

eier war auf einen Tag gelegt, an welhem eine solhe Reise- gesellshaft in Olympia sein sollte. Zu ihr gesellten sih dort