1895 / 107 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 04 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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nügend informiert sei. Der urlueingne Tine habe eine Be- deutung gewonnen, mit der auch die iffeisen’shen Darlehns- kassen nit einverstanden sein würden, die irgendwelhe Geschenke des Staats und auf solche laufe es doh hinaus aufs bestimmteste zurückwiesen. „Menasten aften dürften sih auf Staatshilfe nit ver- lassen, das sei immer bedenklich und verwerflich. Das Ministerium von 1865 sei nicht so geneigt - gewesen, Staatshilfe zu derartigen Dingen in Arfpruch zu nehmen, wie das jeßige, wie die damals abgehaltene Konferenz erwiesen habe. Die Verbände der Duo T L M hen Genossenschaften seien darum aus niemals auf die Staatshilfe zurückgekommen. Das neue Genossenschaftsgeseßz sei gewiß ein Fortschritt gegen das frühere, wenn auch die Hoffnungen auf Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht, die auch nur von dem Broich’shen Verbande gegründet worden seien, si nit erfüllt hätten. Er fenne sehr wohlhabende Männer, die Mitglieder von

Genossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht seien.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein-Loxten:

Meine Herren! Ich halte niht gern unnöthige Reden, und das würde ich in diesem Falle thun, wenn ih auf eine materielle Er- örterung der hier vorliegenden Frage noch weiter einginge; ih habe keine genügende Veranlassung, das zu thun : einmal, weil ich meinen Standpunkt in Bezug auf die Frage des Personal- wie des Real- fredits bei der Generaldiskfussion über den landwirthschaftlißen Etat ausführlich vorgetragen habe, sodann deshalb, weil ich im wesentlidjen alles wiederholen müßte, was vom Herrn Finanz-Minister bereits und wahrscheinlich viel besser vorgetragen ist, als wie ich es könnte. Nur auf einen Gesichtspunkt möchte ih noch hinweisen.

Je intensivet die Landwirthschaft wirthshaftet, desto mehr stellt sich für sie das Bedürfniß heraus, den Personalkredit weiter auszu- bauen. (Sehr rihtig! rechts.) Daraus, meine Herren, erklärt es sich au, daß, weil die Landwirthschaft im Westen zuerst mit der inten- siven Wirthschaft begonnen hat, dort auch zuerst das Bedürfniß nah Ausbau des Personalkredits hervorgetreten ist, und daß jeßt, wo auh im Osten die größeren und mittleren Wirthschaften dazu übergehen, auch hier dasfelbe Bedürfniß hervortritt.

Zu einigen Bemerkungen des Herrn Vorredners gestatte ih mir eine kurze Erwiderung. Er bemängelte, man gehe hier ohne die nöthigen statistishen Unterlagen vor. Ich glaube versichern zu können,

daß, soweit \tatistishes Material nothwendig ist, dasselbe bei der landwirthschaftlihen Verwaltung bereits vorliegt. Es ist in den Geschäftsberihten derjenigen landwirthschaftlichen Zentralvereine vorgelegt, mit denen Kreditgenossenshaften, Darlehnsvereine u. st#. w. in Veïbindung stehen; auch find wiederholt Anträge auf Förderung derartiger Genossenschaften an die landwirthschaftliße Verwaltung herangetreten, was natürlich Berichte über den Stand der Ver- hältnisse veranlaßte. Ich glaube, wir besigen statistisches Material in demselben Umfang, wie der Herr Vorredner das Vorhändensein solchen Materials für die Schulze-Delißs{’\{chen Kassen behauptet.

Der Herr Vorredner sagt, Staatshilfe sei verwerfliß. Jch will das zunächst aus der Geschichte des Realkredits widerlegen. Vllein durch die Initiative des Staats sind in Preußen Realkreditinstitute entstanden, landshaftlihe oder Landeskreditanstalten, und zwar mit direkter Staatsbeihilfe. (Sehr rcihtig!) Daß dieselben segensreih ge- wirkt haben und noch wirken, das wird auch der Vorredner an- erkenuen. Noch in neuester Zeit find verschiedene Landschaften mit Rücksicht darauf, daß sie ih herbeiließen, auch für den früher lascitishen, jeßt freigewordenen Grundbesiß Realkredit zu ge- währen, direkt aus Staatsmitteln mit Beihilfe erfolgreih ver- sehen. Auh zum Ausbau von Personalkrediteinrihtungen ist ftets Zuschuß aus Staatsmitteln gewährt. Ich erinnere daran, daß der Lond&Wgenossenschaftskasse in Westfalen aus dem Kaiserlichen Dispositionsfonds sehr erheblide Mittel gewährt sind; daran, daß alle auf dem Gebiete des Personalkredits entstandenen Organisationen für ihre Organisationskoften stets aus Staatsmitteln Unterstüßungen bekommen haben und noch erhalten; daran, daß das Abgeordnetenhaus alljährlih, auch in dem Etat dieses Jahres, für diesen Zweck Mittel zur Verfügung gestellt hat ; daran, daß, wo der Staat nicht direkt den Landesgenossenschaftskassen Zushuß gewährt hat, die Provinzialverbände eingetreten sind. So ist z. B. in Han- nover der Landesgenossenschaftskasse ein Kredit bis zu 500 000 eröffnet; sie zahlt nur den Zinsfuß, den die Provinzialverwaltung für die von ihr vorübergehend bei Bankinstituten belegten verfügbaren Gelder erhält. Der Zinsfuß reguliert sh also immer hierbei nach dem Geldüberfluß und Geldbedürfniß, und die Provinz macht keinen Schaden dabei, aber auch keinen Vortheil. Und ähnliche Einrichtungen find bei anderen Provinzialverbänden auch getroffen. Jch glaube, daß damit der als so bedenklich bezeihnete Schritt, daß das Eingreifen der Staatshilfe in das genofsenschaftlihe Wesen die Entwicklung shädigen werde, im wesentlichen widerlegt ift, weil, so lange Staatshilfe gewährt ift, daraus nachtheilige Folgen nicht hervorgetreten sind. Andererseits, meine Herren, bin ih mit dem geehrten Herrn Vorredner darin einverstanden, daß es verkehrt sein würde, wenn der Staat zu tief in das Geschäfts- gebahren der Genossenschaften, der einzelnen Kassen u. \. w. eingreifen würde. Eine folhe zu weitgehende Einmishung in diese Geschäfte würde für die Entwicklung des Genossenschastswesens lähmend ein- wirken. Das foll aber auh nicht geshehen, man will nur im öffent- lichen Interesse die Errichtung solher Anstalten durch Gewährung staatliher Zushüsse fördern.

Nun möchte ich noch zum Sch(luß auf einen Gesichtspunkt auf- merksam machen. Ich glaube, daß es zweckmäßig ist, daß durch die Errichtung einer staatlichen Zentralkasse der Staatsvekwaltung die Möglichkeit und die Befugniß gewährt wird, da, wo man unvorsihhtig vorgeht, befsernd und hemmend einzugreifen, aber auch fördernd ein- zuwirken. Denn ih nehme an, daß, wenn die Zentralkafse als Staats- einrihtung aufgebaut wird, ihr nach dieser Richtung hin auch weit- gebende Befugnisse gewährt werden, zu jeder Zeit, wo sie es für nöthig erachtet, sich einen Einblick in die gesammte Verwaltung der mit der Zentralkasse in Verbindung stehenden unteren Kassen zu ver- {afen und auf eine gesunde, vorsihtige Entwicklung hinzuwirken, als wie das jeßt möglih, weil die Verhältnisse sich sehr verschieden- artig entwickelt haben. Es ift ja eine bekannte Thatsache, daß Dar- lebhnsfassen mit provinzieller Organisation bestehen, daß theils Bauern- verefne die Angelegenheit in die Hand genommen haben, daß theils landwirthschaftliche Zentralvereine die Kasse organisieren, daß theils die sogenannte Neuwieder Organisation sih vollzieht. Kurzum, bis jeßt ist es shwer, nah allen Richtungen bis in die unterste Inftanz

binein einen vollen flaren Ginblick zu gewinnen.

Nun fragt es sich zum Schluß: welches ist bei der gegen- wärtigen Lage der richtige Weg, um rasch zum Ziel zu kommen? Der Herr Finanz-Minister hat bereits eingehend dargelegt, in welher

Lage \sih zur Zeit bei der Staatsregierung die Verhandlungen über |

die Organisation und Einrichtung einer solchen Landes-Zentralkasse befinden. Die Berathungen sind sehr weit vorgeschritten, und ih gebe mi der Hoffnung hin, daß wir in ganz kurzer Zeit in der Lage sein werden, dem hohen Hause eine entsprechende Vorlage zu machen. Meine Herren, letztere werden Sie zweifellos in eine kommissarische Berathung verweisen wollen. Wenn nun so die Sache liegt, fo möchte ih do dringend bitten, daß Sie hon im Interesse der Gr- leichterung der Staatsbeamten, sowohl der Minister wie der vor- tragenden Räthe, die einer 21gliedrigen Kommission vielleicht 8 Tage lang beiwohnen müssen, heute die kommissarishe Berathung nit beschließen, dagegen abwarten, bis daß die Vorlage der Staatsregierung vorliegt. Ein diesen Zweck verfolgender Geshäftsordnungsantrag liegt ja bereits vor; ih bitte dringend, ihn anzunehmen.

Fch will zuglei anerkennen, daß die heutigen Verhandlungen fruhtbringend gewesen sind, weil dieselben zweifellos die Staats- regierung darüber informiert haben, ob sichere Aussicht auf Annahme unserer Vorlage vorliegt. Auch haben sie mir eine Reihe praktischer Gesichtspunkte für die einzubringende Vorlage gegeben, welche die Staatsregierung bei weiterer Bearbeitung der Vorlage berücksihtigen wird. Ich wünsche nicht, daß schon jeßt in eine kommifsarishe Be- rathung eingetreten wird, die uns unbequem ift und die wirklih zur Förderung der Sache nihts Wesentliches beitragen wird. (Lebhaftes Bravo.)

Abg. von Werdeck (kons.): Jch bin hier der einzige Vertreter der Neuwieder Organisation. Ih habe den Antrag des Herrn von Mendel unterschrieben, gestehe aber zu, daß seine Fassung Miß- deutungen erwecken konnte, wodur Abg. Parisius zu seiner Ansicht ebracht wurde. Jedenfalls aber sind wir nie dagegen, wenn der

taat den Bestrebungen, den Personalkredit zu verstärken, entgegen- fommt. Wenn wir z. Z. kein Geld gebrauchen, fo können doh auch andere Zeiten kommen. Jh will fogar verrathen, daß die Zentralkasse in Neuwied im vorigen Jahr so knapp an Geld war, daß wir von der Reichsbank eine Million borgten. Ebenfoweni wie

- die Herren von Rothschild und von Bleichröder ein Almosen nehmen,

wenn sie den Kredit der Reichsbank in Anspruch nehmen, ebenfo- wenig nehmen die Landwirthe ein Almosen, wenn sie den Kredit des Staats in Anspruch nehmen. Daß die genannten Herren bei den Bankinstituten einen geringeren Zinssay zu zahlen haben als alle anderen Sterblihen, wird auch nicht einmal als Almosen auf- gefaßt, und fie brauheri es doch weniger als alle Anderen. (Sehr richtig !) Oft haben große Landwirthe den kleineren geholfen und keinen Vortheil für ih davon gezogen, wie das bei den Genossenshafts- organisationen der Gegner wohl vorgekommen ift. (Sehr richtig! rets.) Ich glaube nicht einmal, daß wir den Kredit von 20 Millionen brauchen werden, jedenfalls nicht für lange; aber wir brauchen die fri inge die sonst nah jeder Richtung hin unserem Gia A De ehnung zu tragen geeignet ist. Meine politishen Freunde und i glauben, sowohl der Regierung wie auch dem Hause für das ein- müthige Entgegenkommen danken zu können.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Nur ein kurzes Wort. Herr von Werde glaube ih, hat die Bedenken der Herren Parisius und Schenck {on wesentli zerstreut. Ich glaube sie dadurch noch mehr beheben zu können, daß ih mir gestatten werde, den beiden Herren Gelegenheit zu geben, da sie doch im Genossenshaftswesen zweifellos sehr erfahren und verdient find, in den Konferenzen im kleineren Kreise mit andecen sahkundigen Männern die hier erörterten Fragen zu besprechen (Sehr gut! rehts), und wir werden dann hoffentlih viel eher zu einer vollen Einigung gelangen, als das hier im Plenum des Hauses mögli ist. (Bravo !)

Hierauf wurde der von den Abgg. von Mendel und Frei- herrn von Zedliß beantragte motivierte Uebergang zur Tagesordnung angenommen.

Es folgte die Berathung des Geseßentwurfs, betreffend Bereitstellung von Staatsmitteln zur Herstellung von Wohnungen für Arbeiter in Staatsbetrieben und kleine Beamte.

Die Vorlage stellt einen Kredit von 5 Millionen für ihren Zweckck boreit.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Die Vorlage, welche zur Diskussion steht, ersucht das hohe Haus, eine Anleihe im Betrage von 5 Millionen Mark zu be- willigen, um dem Wohnungsbedürfniß bezw. der Wohnungsnoth der Arbeiter in den staatlichen Betrieben und eventuell au der geringer besoldeten Beamten an den Orten, wo ein besonderer Mangel besteht, abzuhelfen. Von vornherein kann es ja auffallend ersheinen, daß wir für diesen Zweck von Ihnen eine Anleihe fordern. Man könnte sagen: die Ausgaben für die Wohnungsverhältnisse der Arbeiter müssen ge- wissermaßen aus dem Betrieb entnommen werden; fie müssen aus laufenden Staatsmitteln fließen; sie können nicht dur eine Anleihe gedeckt werden.

Meine Herren, diese Auffassung hat ja für den ersten Augen- blick viel Bestechendes, aber nach der Art und Weise, wie wir hier

diese Kapitalien verwenden wollen, wäre dies doch niht begründet.

Bis auf eine gewisse Grenze hat der Unternehmer ein eigenes wirth- \haftlihes Interesse, aber auch eine moralische Verpflichtung wenigstens, ein moralishes Interesse aus der Menschenfreund- lihkeit fließend, dem Wohnungsbedürfniß seiner Arbeiter mög- list abzuhelfen und ungesunde zu theure Wohnungen möglichst dur gesunde, Sittlichkeit und Familienleben föôrdernde und niht zu theure Wohnungen zu erseßen. In einem gewissen Umfange hat der Staat au hier sich an die Seite vieler, auf diesem Gebiete hochverdienter Privatunternehmer, Aktiengesellshaften und sonstiger Gesellschaften gestellt. Wir haben namentlich in der Bergwerksverwaltung seit längerer Zeit sowohl durch Vorshüsse zum Zweck des Bauens an die Arbeiter als auch durch Erwerb eigener Gebäude oder durch die Her- stellung derselben aus den laufenden Mitteln der Bergwerksverwaltung in dieser Richtung gewirkt. Auch die Eisenbahnverwaltung hat {hon manches in dieser Richtung geleistet. Aber doch haben alle Ermitte- lungen, die in neuerer Zeit angestellt worden sind, bewiesen, daß noh längst nit genug geschehen ist, ja, daß der Staat hier in seinen eigenen Betrieben vielfa weit hinter den Leistungen der Privatindustrie zurückgeblieben ist.

Meine Herren, nun könnte man ja allmählich nah und nah aus den laufenden Mitteln des Etats einwirken, aber wir halten gerade in der gegenwärtigen Zeit das ermittelte Bedürfniß für \o dringlich, daß wir glauben, eine erheblihere Summe für diesen Zweck zur Dis- position stellen zu sollen, und zwar in der Weise, daß nur an den Orten eingeschritten wird, wo die Wohnungen, besonders gute Wohnungen, selten, erheblih theuer und vielfach durchaus ungenügend find ungenügend in der Einrichtung, ungenügend in der Zahl, namentlich aber an denjenigen Orten, wo ein plößliher starker Zu-

sammenfluß von Arbeitern durch Die eigenen Unternehmungen des Staats herbeigeführt ift, beispielsweise in einem kleineren Orte, wo plöglih eine große Maschinenwerkstatt eingerihtet wird und nun die Arbeiter von. allen Seiten zusammenkommen, keine genügenden Wohnungen finden, zusammenkriehen in ganz ungenügende, mangel- hafte, ungesunde Wohnungen, die sie obendrein sehr theuer bezahlen müssen, und ihre Sittlichkeit, ihre Häuslichkeit und ihr Familienleben auf. das shwerste gefährden. In solchen Fällen ift es geradezu

‘moralische Pflicht des Staats, {nell und entschieden einzuschreiten.

Meine Herren, untersucht man die wirthschaftlihen Verhältnisse in einem folhen Orte, namentlich denjenigen Ortschaften, wo wir große Betriebe haben, so wird man finden, daß in manchen Orten und sogar in überwiegender Zahl die Arbeiter {hon heute ganz gute Wohnungsverhältnisse haben, auch nicht zu theuer wohnen, ja, daß, wenn man neue Wohnungen für diese Arbeiter bauen wollte, man auf eine Verzinsung des aufgewendeten Kapitals niht rechnen könnte, auh nicht auf eine mäßige Verzinsung, weil die Miethen als zu hoh gegen- über den betreffenden Miethsverhältnissen des Orts sein müßten. Da, wo Wohnungen für die arbeitenden Klassen im Ganzen genügend sind, muß man nit eingreifen, da ist es sogar bedenklih einzugreifen zur Belastung dann in künstlicher Herabdrückung der Miethspreise, der Hausbesißzer und zur Hemmung privaten Unternehmungsgeistes. Wo aber die Verhältnisse umgekehrt liegen, wo die private Bauthätigkeit dem Bedürfniß in keiner Weise genügt hat oder durch besondere Um- stände die Wohnungen an sich zu theuer sind, da allerdings muß der Staat mindestens dieselbe moralische Verpflihtung anerkennen, die aus freien Stücken eine so große Anzahl von Privatunter- nehmern und namentlich auch die landwirthshaftlihen Unternehmer anerkennen. Allein in der Eisenbahnverwaltung sind auf Grund ge- nauer Ermittelungen, wenn ich nit irre, 53 Ortschaften ermittelt, wo cine bedeutende Verbesserung in gesundheitliher Beziehung, in der Lage und in der Ueberfüllung herbeigeführt werden sollte durch Neu- bauten seitens des Staats oder seitens vom Staat zu unterstüßender Baugenossenschaften und eine Verbilligung der gegenwärtigen Miethen für \{chlechte Wohnungen herbeigeführt werden kann und trog allem eine mäßige Verzinsung des Anlagekapitals mögli ist. Jn solchen Fällen i die rihtige Veranlassung gegeben, seitens des Staates einzugreifen.

Meine Herren, ich bin ja auf diesem Gebiet ih möchte sagen seit 30 Jahren thätig gewesen, und ih kann wohl sagen, ich habe viele Erfahrungen gemaht. Wir haben z. B. in Frankfurt eine Baugenossenschaft gegründet, welche sich genau dieselbe Aufgabe stellt, welche nit, wie die meisten gemeinnüßigen Baugesellschaften, für kleine Beamte, besser situierte Arbeiter, Vorarbeiter u. \. w. bauen wollte, sondern für die allergeringstbelöhnten Tagelöhner, und sich do vorseßte, 34 Prozent Zinsen netto herauszubringen. Das ist vollständig ge- lungen; mehrere 100 Wohnungen sind auf die Weise hergestellt, außerordentli gesucht, alle Bewohner empfinden die große Wohlthat, die Wohnungen sind gesund und zweckmäßig eingerichtet, irgend welche Nachtheile sind nicht entstanden, selbst nicht durch die Konkurrenz, die wir dadur indirekt den Grundeigenthümern machten.

Wenn der Staat nach diesen Gesichtspunkten verfährt, braucht er gar fein erhebliches finanzielles Opfer zu bringen, er intecponiert ge- wissermaßen nur seinen Kredit, den ihm zu Gebote stehenden billigen Kredit, genau nah denselben Gesichtspunkten, über die wir soeben debattiert haben bei der Frage der Errichtung einer Zentralstelle für die Genossenschaft. Die Eisenbahnverwaltung vielleiht wird mein Herr Kollege später noch ersheinen und nähere Details geben hat ermittelt, daß sie nach diesen Gesichtspunkten, sei es durch eigenes selbstständiges Bauen des Staates, sei es durch Unterstüßung von Baugenossenschaften ih komme darauf später noch zurück —, etwa noch für die ständigen Arbeiter ein Kapital von 6 Millionen gebrauhen wird. Mit 5 Millionen würde sie 1649 Wohnungen, darunter 477 größere, 834 mittlere und 338 kleinere, in 311 Häusern herstellen können. Wenn das nun ausgeführt wird, und wenn wir dabei gar feinen finanziellen Schaden haben, die Miethspreise herab- drücken, die Wohnungen verbessern, die Dertlichkeit günstiger geftalten zur Arbeits\telle, was häufig auch für den Unternehmer selbst fehr werthvoll ist, so ist das doch eine große Wohlthat.

Der Herr Minister für öffentlihe Arbeiten hat sich sehr lebhaft bemüht, die Bildung von Baugenossenschaften der Arbeiter selbst zu fördern, namentlich auch der kleineren Beamten. Das ift vielfa auch mit gutem Erfolge gelungen. Aber immer noch fehlt diefen Baus- genossenschaften das nöthige Kapital, sie müssen zuviel Hypotheken auf- nebmen, und diese hohe Hypothekenbelastung kostet ganz außerordent- lihén Zins. Der Staat würde solche Baugenossenschaften fördern können dadur, wenn er wobei meistens gar kein Risiko besteht ihnen Kredit gewährt. Das würde ih persönlih für außerordentlich zweckmäßig halten, weil wir dadur das eigene Interesse der Arbeiter selbs und das Gefühl der Verantwortlichkeit wahrufen, und anderen- theils au, weil ih überzeugt bin, daß diese Baugenossenschaften weit billiger bauen als der Staat selbst. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, die Bergwerksverwaltung der Herr Minister wird das wohl noch näher darlegen hat auf diesem Gebiete vieles gethan, aber das Bedürfniß ist doch noch ermittelt zum Mindest- betrage, wenn ih mi recht erinnere, von etwa 2 Millionen, und auch da kann, wenn auh nit so leiht als in den Städten da ja die Bergwerke meist mehr auf dem Lande gelegen sind sehr wohl ohne einen Druck der Arbeiter eine mäßige Rente herausgewirthschaftet werden.

Unter diesen Gesichtspunkten, um ras zu helfen, um ausgiebiger zu helfen, und da hon bei angemessener Verzinsung eine bedeutende Erleichterung der Arbeiter in staatlihen Betrieben eintreten muß, haben wir geglaubt, zu dem Weg der Anleihe übergehen zu können. Dies is eine produktive Anlage, bei welher nur Personen, die in staatlichen Betrieben dauernd arbeiten, der billige Staatskredit zu gute gebracht wird. Í

Meine Herren, ich brauche nicht zu fürchten, daß ih in der Haupt- rihtung, die der Staat hier: verfolgt, auf Widerspruch stoße; jeder von JIhnen weiß, welches vitale Interesse für die Menschen es ift, eine gesunde, niht zu theure, gut gelegene Wohnung zu haben. Es ist dies nah meiner Meinung die brennendste aller sozialen Fragen in wirthschaftliher und in moralisher Beziehung. (Sehr richtig! rets.)

(S{hluß in der Zweiten Beilage.)

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zum Deutschen Reichs-A

107.

Zweite Beilage

nzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 4. Mai

1895.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Was man hier, ohne zu große Opfer zu bringen, irgendwie leisten kann, das sollte man nit versäumen. Die Gemeinden sind ja au in dieser Beziehung mannigfach mit gutem Beispiel voran- gegangen. Es ist neuerdings das Bauen billiger Wohnungen auch vielfa gefördert worden durch Verwendung von Mitteln der großen Versicherungsgesellshaften; aber es kann da noch unendlich viel ge- hehen. Es handelt si hier niht das möchte ih noch sagen um eine fünstlihe Verbilligung der Wohnungen in den Städten, es handelt sh nur um die Herstellung von Wohnungen für dauernd beschäftigte Arbeiter, die do nicht anderswo wohnen können als in den Städten. Jch gehe noch weiter und ih muß darauf noch mit zwei Worten fommen, weil die Vorlage das Beziehen solher Wohnungen von Beamten niht aus\{ließt ih sage, vielfach sind die kleinen Beamten mit geringen Besoldungen durchaus nicht besser daran als die befser gelohnten Arbeiter, vielfa, möchte ih sagen, noch \{chlechter. (Sehr richtig!)

Diese Beamten haben einen bestimmten Wohnsitz; sie können niht frei wählen wie der Arbeiter, der do \{ließlich von einem Ort nach einem andern gehen kann. Sie sind meist angewiesen auf eine feste Arbeitsstelle, namentli in wirthshaftlihen Betrieben. Sie fönnen niht eine halbe Stunde entfernt im nähsten Dorfe wohnen, denn dann haben sie oft noch mehr Kosten. Daß man ihnen auch den Bezug solcher gesunden Wohnungen freistellt, das halte ih für durchaus ¡zweckmäßig und richtig rihtig nah allen Richtungen, auch richtig nah der Seite der Beamtendisciplin. Denn in welche Gesellschaft sind solche Beamte heute, namentli in den großen Städten, tägli zu kommen oft geradezu gezwungen, weil sie andere Wohnungen nicht finden?! Man hat gesprohen hon früher, denn ih habe hon im Jahre 1890 über diese ganzen Verhältnisse Ermittlungen anstellen lassen; damals trat aber das Unterbringen gering besoldeter Beamten in gesunden Wohnungen, wie das manhe Kommunen mit Erfolg ge- than haben, beispielsweise mehrere süddeutsche Städte, auc darunter Frankfurt, in den Vordergrund da wurde sehr behauptet: ich wolle die unglücklichen Beamten kasernieren, ih wollte ihnen gewissermaßen Kasernements anweisen nah Art der Gefängnisse. Das ist ja eine ganz läherlihe Behauptung. Der Bezug dieser Wohnungen ist ab- solut frei. Der Arbeiter oder der gering besoldete Beamte kann hereinziehen, kann herausziehen. Es giebt gewiß Orte, darunter auch sogar Berlin, wo die Beamten sehr geringe Neigung haben, in folche guten Wohnungen hineinzuziehen. Wenn man nachfragt, fo ist der Grund meistens, weil sie oder ihre Frauen an den Orten, wo sie wohnen, Nebenverdienst haben und sie daher nicht ge- neigt sind, aus der Gegend wegzuziehen, wo ihnen folhe Neben- einnahme erwächst. Allein der Beamte, der aus Familienverhältnissen es giebt die allerverschiedenartigsten Gründe, aus denen ein solcher Beamter in einem solchen staatlichen Hause niht wohnen mag ; etwa weil seine Frau mit anderen Frauen sich nit vertragen kann (Heiter- fit), weil er eine billige Wohnung oder einen Nebenverdienst hat, oder Familienverhältnisse ihn abhalten der zieht einfa nit hinein, uind, wenn er nicht wohnen bleiben will, zieht er wieder her- aus. Er is ein freier Mann und bleibt ein freier Mann. Aber ih sage Ihnen voraus ih weiß das aus Fuank- furt —, geben Sie den Beamten Wohnungen, die etwa um ein Viertel billiger sind, als sie bisher zahlen ist die Wohnung gesund, find die Familien genügend getrennt, sind alle Einrichtungen ' zweckmäßig für Kochen, Waschen, Heizen, so werden Sie sehen, es wird in den meisten Orten eine sehr starke Nachfrage nach diesen Wohnungen sein. Ich halte also diese Einwendung, daß man gewissermaßen für die Beamten Kasernen bauen wolle, für ganz haltlos; sie sieht ganz {ón aus in einem radikalen Blatte viele Menschen glauben es au —; kriegt man aber den Schreiber dazu von Angesiht zu An- gesiht zu \prehen, so wird er solhe Behauptungen nicht aufrecht zu erhalten vermögen, und ih glaube daher niht, daß dieser Einwand hier in diesem hohen Hause gemacht werden wird.

Meine Herren, wenn irgendwo, so ist auf diesem Gebiet ein Ein- \hreiten des Staats für seine eigenen Arbeiter und Bediensteten ge- rehtfertigt. Die Statistik lehrt, daß das Verhältniß der Ausgaben für die Wohnungen zu der Höhe der Einnahmen steigt. Das Schwabe’she Gesetz, daß, je geringer die Einnahme, desto höher die Ausgabe für das Wohnungsbedürfniß, ist absolut rihtig. Man kann behaupten nach meinen eigenen perfönlihen Ermittlungen und nah einer ausgiebigen Statistik, die darüber vorhanden ist —, daß in den großen Städten Deutschlands die arbeitende Klasse zwischen 30 und 40 Prozent ihrer ganzen Einnahme verwohnen muß und dafür oft sehr mangelhafte Wohnungen erhält. So ist es denn, glaube ih, die Pfliht des Staats, das, was in seinen Kräften liegt, hier zu thun, und ih hoffe, das hohe Haus wird die Staatsregierang bei diesem Bestreben unterstüßen. (Bravo!)

, Abg. Kircher (Sen) Wir begrüßen freudig den Gedanken, daß für die Arbeiter gute Wohnungen beschafft werden sollen. Jch glaube aber, daß andere Wege geeigneter sind als der hier borgeshlagene. Nah der orlage bleiben die errichteten Vohnungen stets Miethswohnungen. In großen Städten, wo er Baugrund sehr theuer is, mag das ja seine volle Berechti- A haben. Aber es is do bekannt, daß man es vorzieht, lieber n feinen eigenen Wohnungen, als in großen Miethswohnungen zu ifhen. Es muß daher ‘dafür Sorge getragen werden, m die Ar- eiter die Möglichkeit erhalten, die Häuser zu erwerben. Änderwärts sind solche Ee mit großem Erfolge gemacht worden.

bg. Köhlichen (kons.) erklärte ich gleihfalls mit der Idee des Geseßzes durhaus einverstanden und befürwortete au seinerseits, 8 den Mbeitern die Möglichkeit gegeben werde, die Häuser zu eigen

erben.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Von denjenigen Verwaltungen, die am Zustande- fommen des vorliegenden Geseßentwurfs hervorragend betheiligt sind, ist jedenfalls diejenige, die ih zu vertreten die Ehre habe, am meisten interessiert. Das Bedürfniß, für die Arbeiter und geringer besoldeten Beamten der Eisenbahnverwaltung Wohnungen herzustellen, ist bereits in früheren Jahren sehr lebhaft empfunden worden. Es sind mehr-

fa in den Etat Mittel aufgenommen, um. diesem Bedürfniß wenig- stens theilweise nachzukommen; diese Mittel waren aber gegenüber dem großen Umfange des Bedürfnisses bisher durchaus unzulänglich.

Indessen ist doch im Laufe der Jahre niht Unerhebliches ge- \{hehen. Es waren am 1. April 1890 innerhalb der Eisenbahn- verwaltung an Wohnungen, die in den Rahmen des gegenwärtigen Gesetzentwurfs fallen, 316 Arbeiterwohnhäuser mit 965 Wohnungen; es sind hinzugekommen bis zum Schluß des Jahres 1893/94 noch etwa 80 Wohnhäuser, sodaß die Wohnungen auf 1205 gestiegen sind. Es ist vorhin erwähnt worden, eine gewisse Gefahr bestehe darin, daß man durch den Bau dieser Wohnungen die Arbeiter vom Lande in die Städte ziehe. Demgegenüber kann ih do darauf aufmerksam machen, daß das wenigstens für die Eisenbahnverwaltung nur in ganz geringem Maße zutrifft. Was wir gebaut haben, if bisher in der Hauptsahe gebaut in Neumünster, Schneidemühl, Nippes, Speldorf, Osnabrück, Dortmund, Deuger Feld, Langenberg, Betdorf, Arnsberg, Witten, Stendal und Leinhausen. Es befindet fih darunter an großen Städten eigentlich nur Dortmund. Im übrigen sind jedenfalls viele Orte darunter, die selbst Einer, der erst kurze Zeit aus der Schule ist, aus seiner Geographie noch nit kennt. Es geht daraus hervor, daß das Bedürfniß für die Eisenbahn- verwaltung nicht so sehr in den großen Städten hervortritt, wo immerhin eine Möglichkeit unterzukommen, wenn niht ganz be- sonders ungünstige Verhältnisse obwalten, vorhanden ist, sondern daß das Bedürfniß in weit \{härferem Maße da hervortritt, wo der Betrieb und der Verkehr der Eisenbahn ein großes Personal am Orte zusammenruft, wo dem Wohnungsbedürfniß an sih durch die natürlihen Verhältnisse niht entsprochen werden kann, wo die Eisen- bahnverwaltung aus Betriebsrücksichten Werkstätten, größere Rangier- oder Verkehrsbahnhöfe einrihten muß. Dort is ein \o lebhaftes Bedürfniß vorhanden, Wohnungen zu schaffen für die gering be- soldeten Beamten und Arbeiter, daß dem aus dringenden dienstlichen Rücksihhten sowohl, als aus Rüsichten auf die Arbeiter und Beamten entsprohen werden muß.

Meine Herren! Es ist zur Motivierung des Geseßentwurfs vom Herrn Finanz-Minister {hon darauf hingewiesen worden, daß seitens der Eisenbahnverwaltung das Bedürfniß in den einzelnen Direktions- bezirken näher festgestellt worden ist. Es ist bei der Gelegenheit kon- statiert worden, daß, wenn nur dem dringendsten Bedürfniß nach- gekommen werden soll, dann etwa 3300 Wohnungen zu beschaffen wären, und zwar etwa 1200 größere, die aus einer Stube, zwei Kammern und Küche bestehen, 1700 mittlere, aus einer Stube, Kammer und Küche bestehend, und 400 kleine mit einer Stube und Küche. Diese Eintheilung in drei Kategorien hat sich nach unseren Erfahrungen durchaus bewährt. Die erste Kategorie giebt die Mög- lichkeit, stärkere Familien auch dann unterzubringen, wenn sich er- wachsene Kinder in denselben befinden, oder aber die weitere Möglich- keit, einem Bedürfniß zu entsprechen, das der Herr Vorredner angeregt hat, nämli unverheirathete Arbeiter in die Familie des verheiratheten aufzunehmen, ohne dadurch Gefahren für Gesundheit und Sittlichkeit hervorzurufen, andererseits aber die Oekonomie des Arbeiterhaushalts dadurch erheblich zu fördern.

Wir haben sehr ausreihende Erfahrungen gesammelt in der Eisenbahnverwaltung in der sogenannten Kolonie Leinhausen, die bei der großen Hauptwerkstätte Leinhausen in der Nähe von Hannover aufgeführt worden ist. Dort is in einem großen, von seiten der Eisenbahnverwaltung angekauften Areal eine vollständige Kolonie, die au eine selbständige politishe Gemeinde bildet, erbaut worden, die ihre kommunalen und Schulbedürfnisse selbst befriedigt. Dort hat es sih als durchaus nothwendig erwiesen, niht {chablonenmäßig, wie aus der Schachtel heraus, die Wohnungen hinzufeßen, sondern dem verschiedenartigen Bedürfniß auch in verschiedener Weife Rechnung zu tragen. Dort hat sich herausgestellt, daß die von mir angegebenen drei Kategorien den Wünschen und Bedürfnissen der Arbeiter am meisten entsprechen.

Meine Herren, es if vorhin der Zweifel aufgeworfen worden, ob, wenn der Staat in größerem Umfange mit dem Erbauen von Arbeiter- wohnungen vorginge, dann \sih genügende Nachfrage bei den betreffenden Arbeitern und Beamten finden würde. Auch hier darf die Eisenbahn- verwaltung auf ihre Erfahrungen ih beziehen. Das vorerwähnte Leinhausen liegt insofern ungünstig, als die Entfernung zwischen Lein- hausen und der Stadt Hannover etwa } Stunden beträgt und im Anfang es mancherlei Schwierigkeiten machte, nicht sowohl die Arbeiter, aber ihre Frauen zu bewegen, in die Wohnungen zu ziehen. Die meisten Arbeiterfrauen ziehen es vor, ihre Bedürfnisse in der Stadt einzukaufen. Es is das -weit angenehmer für sie. Sie haben eine größere Auswahl, es fällt manhmal eine kleine angenehme Unter- haltung dabei ab u. \. w. (Heiterkeit.) Außerdem kommt hinzu, daß namentlich für die jüngeren Arbeiterfrauen \sih häufig Gelegenheit findet, wenn der Hauéstand nicht rasch zu groß wird, noch einen Neben- verdienst sich zu erwerben. Alles das fällt in der ifolierten Kolonie weg. Troßdem is der Andrang zu diesen Wohnungen wegen ihrer gesunden Lage, des Besites eines kleinen Gartens, der billigen Miethe ein so großer gewesen, daß die Anwärterliste regelmäßig Bogen füllte und wir den Wünschen der Arbeiter bei weitem niht in dem Maße haben entsprehen können, wie es auf beiden Seiten als nothwendig anerkannt wurde. :

Meine Herren, der Umstand, daß die Finanzlage des Staats es nicht ermöglihte, größere Summen in dem ordentlichen Etat für diefen Zweck vorzusehen, hat mich veranlaßt, darauf Bedacht zu nehmen, daß die großen Kapitalien, welche in ein- zelnen, der Eisenverwaltung unterstehenden genossenshaftlichen Kassen ih befinden, also namentlich das große Kapital, welches in der Arbeiterpensionskasse sich befindet, theilweise zu dem Zweck verwendbar gemacht werden. Diese Absicht ist auch erreicht worden. Der Vor- \tand der Arbeiterpensionskasse hat sih bereit erklärt, natürlich unter Reserve aller der Solidität, einen Theil seiner Gelder an Bau-

genofsenshaften darlehnsweise hinzugeben, bei denen die Eisenbahn- arbeiter betheiligt sind. Es sind infolgedessen hypothekarishe Dar-

lehen theils hon ausgezahlt, theils wenigstens den betreffendene Bau- genossenschaften in Aussicht gestellt, in Höhe von etwa 1 200 000 (A an 16 verschiedene Baugenossenschaften gegeben, und zwar in den ver- schiedensten Theilen des Landes. Die Zahl der aus diesen Mitteln bereits hergestellten Wohnungen beträgt nun etwa 250. Die Be- dingungen, unter denen diese Darlehne seitens der Arbeiterpensions- kasse gewährt werden, sind solhe, daß die Baugenossenschaften sehr wohl dieselben tragen können, und daß eine mäßige Amortisation der- selben stattfindet.

Meine Herren, in demselben Rahmen bewegt sich -der Geset- entwurf. Er will nicht einseitig damit vorgehen, auf Kosten des Staats auf staatlihem Eigenthum Häuser zu erbauen und dieselben unter Aufrechterhaltung des staatlihen Eigenthums [lediglich an Arbeiter zu vermiethen, sondern er hat, wie wieder- holt {hon hervorgehoben worden ist, auch dahin Fürforge getroffen, daf, Darlehne und Bauprämien an einzelne Ar- beiter, die eigene Arbeitshäuser erwerben oder erbauen wollen, ge- geben werden können, und daß ferner auch die Möglichkeit vorhanden ist, in ähnlicher Weise, wie hier das genossenschaftlihe Kapital ver- wendet wird, au \taatlihes Kapital an Baugenossenschaften darlehns- weise zu gewähren.

Meine Herren, ih brauhe nicht nohmals hier hervorzuheben, was der Herr Finanz-Minister und was alle Herren Redner bereits ausgeführt haben: Die größte Wohlthat, die wir unseren Arbeitern und gering besoldeten Beamten in den staatlichen Betrieben erweisen können, is die, daß wir ihnen gesunde, angenehme und billige Wohnungen verschaffen und sie dadur vor manchem bewahren, dem sie sonst verfallen, und das ihr körperlihes und ihr moralishes Wohl beeinträhtigt. Ih möchte daher bitten, daß das hohe Haus dieser Vorlage der Staatsregierung einmüthig seine Zustimmung ertheilt. (Bravo!)

Abg. Gerlich (fr. kons.): Meine politishen Freunde und ih stimmen dem Gesetze zu. Die Begründung des Gesetzes ist sehr knapp, aber die Herren haben sie ja ergänzt. Gleichwohl sind wir nit ohne Bedenken. Wenn die Leute nihts wollen als gesunde Wohnungen, P mögen sie bei uns auf dem Lande bleiben. Bei uns tehen wegen des Zuzugs der Arbeiter nah JIndustrieorten die Wohnungen leer, und in den Städten sollen folhe ge- baut werden. Das sind Bedenken, die meine Parteigenossen äußern zu müssen glaubten. Viele davon werden ja in der Kommissions- berathung hwinden. Der Tendenz des Geseßentwurfs stehen wir S gegenüber. Ich beanträge Ueberweisung der Vorlage an die

udgetkommission.

Um 41/2 Uhr wurde die weitere Berathung auf Sonn- abend 11 Uhr vertagt. (Außerdem Geseß, betreffend Ver- pflegungsstationen.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Meschede erfährt die „Köln. Volksztg.*, daß am 2. d. M. auf der Zehe „Juno“ in Elpethal bei Ramsbeck ein Ausstand der Bergarbeiter ausgebrochen ist; 279 Mann find ausständig, 7 Mann wurden gehindert, die Arbeit wieder aufzunehmen. Ein Rädelsführer wurde verhaftet. -

In Elmshorn is, wie der „Vorwärts“ mittheilt, in der Lederfabrik von I. Pining der Lohnstreit der Gerber durch Be- willigung der Arbeiterforderung beigelegt worden. (Vgl. Nr. 104 d. Bl.)

In Nürnberg haben nach einer Mittheilung desfelben Blattes die Arbeiter der Firma Marshüßt u. Co. den Ausstand aufgeben müssen, weil alle Pläße der Ausständigen durch andere Arbeiter, 0 Bu aus Nürnberg und Fürth, beseßt worden sind. (Vgl. Nr. 74

Hier in Berlin is die Arbeitseinstellung in der meha- nishen Schuhfabrik der Firma Hirsch u. Gebhardt im Sinne der Arbeiter beendet worden. (Vgl. Nr. 103 d. Bl.)

Aus Verviers wird der „Köln. Ztg.“ berichtet: Die Arbeiter der Wollkämmerei von Dröze, Hifon find wegen der Ent- lassung eines Arbeiters aus\tändig; ferner haben die Fadner der Tuchfabrik von Hauzeur in Ensival, die niht dem Syndikat aer die Arbeit eingestellt. Diese Ausständigen verweigern die Arbeit für Spinnereien, deren Arbeiter ausftändig find. Hauzeur ree seine Fabrik, die 300 Arbeiter beshäftigt, einen Monat zu

ießen.

n Arboleda bei Bilbao befinden sich die Bergarbeiter im Ausftande, weil man ihnen die Forderung des achtstündigen Arbeits- tages abgeshlagen hat. Es kam, wie dem „W. T. B." aus Madrid gemeldet wird, zu Unruhen, bei denen ein Bergarbeiter getödtet M es verwundet wurden. Die Polizei \tellte- die Ordnung wieder her.

Nach Mittheilung des Statistishen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der L vom 21. April bis inkl. 27. April cr. zur Anmeldung gekommen : 884 Lebendgeborene, 420 Cheschließungen, 31 Todtgeborene, 649

Sterbefälle.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperruugs- Maßregeln.

Nachweisung

über den Stand yon Thierseuchen im Deutschen Reich am 30. April 1895.

(Nah den Berichten der beamteten Thierärzte zusammengeftellt im Kaiserlichen Gesundheitsamt.)

Nachstehend sind die Namen Fecjenigen Kreise (Amts- 2c. Bezirke) verzeichnet, in welchen Nes Maul- und Klauenseuche oder Lungen- seuhe am 30. April herrshten. Die Zahlen der betreffenden Ge-

*meinden und Gehöfte find leßtere in Klammern bei jedem

Kreise vermerkt. A. Not (Wurm).

Preußen. Reg.-Bez. Marienwerder: Tuchel 1 (1). Stadt- kreis Berlin 1 Ge: egel. Potsdam: Stadtkreis Charlotten- burg 1 (1), Beeskow - Storkow 1 (1). Reg. - s Ma: Landkreis Landsberg 1 (1). Reg.-Bez. Köslin: Belgard 1 (1).

Reg.-Bez. Stralsund: Greifswald 1 (1). ddg dw a osen: Sarsotshin 1 (1), Rawitsch 2 (2), Koschmin 1 (1). ae rom- berg: Inowrazlaw 2 (2), Znin 1 (1). eg.-Bez. Breslau :