1895 / 112 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

edelfte ensaß hierzu gelten. „Und wenn der Mensh in feiner L S ab mir ein Gott zu sagen, wie ih leide“, ruft Tasso, und bewundernde Andacht folgt diesem Ausdruck des Seelenlebens. Den vornehmen, gemessenen Stil der Goethe’shen Dichtung traf am Aarsten und wirksamsten Herr Ludwig in der Rolle des ogs von Ferrara; in seinem Vortrage kam Jever Gedanke, jede Silbe zu ihrem vollen Reht und erhielt die rechte Bedeutung. Herr Mat- kowsky enthüllte als Tasso seine große darstellerishe Kunst erst in den Scenen s{wermüthigen Grollens und anwachsender Leidenschaft. Dem klugen Antonio verlieh Herr Klein einen zu \pöttischen, fkalt- herzigen Ton und ein zu f\teifes Wesen, das niht im Ein- klang stand mit dem Bilde, welhes man \sich von dem edlen, feinfühligen Fürstenhof von Ferrara zu machen hat, an dem' Antonio nicht nur als Staatömann, sondern auch als Freund eshäßt wird. Fräulein Lindner (Leonore Sanvitale) hätte ihre fröhli e Weltlust etwas vornehmer gestalten dürfen: eine vollständig zwanglose Natürlichkeit paßt nicht in den Rahmen dieses Goetkte'’schen Schausviels. Ganz vorzügli sprah Fräulein Poppe die Rolle der Leonore von Este; die edle Fürstin und das tief empfindende Weib in ihrem sehnenden Verlangen und threr entsagungevollen Liebe kamen rührend zum Ausdru.

Konzerte.

Die Altistin Lina Rücker vom Königlihen Theater in Wies- baden gab gestern im Saal Bechstein ihr erstes eigenes Konzert hierselbst. Shre Stimme besißt einen Umfang von mehr als zwei Oktaven und ist in der höheren Lage kraftvoller als in der Tiefe, so- daß be eigentlih niht den Eindruck einer Altstimme maht. Dis Reinheit der Intonation und die Deutlichkeit der Aussprache lassen nichts . zu wünschen, auch ist die Vortragsweise eine verständnißvolle, oft leiden- * schaftlih belebte, wie dies in Shumann’'s „Widmung“, in Deffauer?s „Lokung“, in dem „Mignonliede“ von Thomas, in Leßmann's beliebtem Liede „Der Lenz“ und in Schubert's „Erlkönig“ wirksam hervortrat. Der Königliche Kammervirtuos Herr Felix Meyer unterstüßte die Konzertgeberin durch den gediegenen und glänzenden Vortrag einiger Violinstücke von Bohm, Nier und Ernst, die gleih den Leistungen der Sängerin von dem zahlreih ershienenen Publikum mit reichem Beifall aufgenommen wurden.

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Im Lessing-Theater wird zur Feier des 70. Geburtstages Gustav von Moser'ss am morgigen Sonnabend zum ersten Mal „Der Hypochonder“ in Scene gehen, und zwar in derselben Beseßung wie \. Z. im Berliner Theater; nur wird die Rolle des Sauerbrei von Herrn Claudius Merten dargestellt werden. Der Schwank aoame Bonivard" wird am Sonntag, Dienstag und Mittwoch gegeben.

Den Ertrag der morgen im Adolph Ernst-Theater statt- findenden Jubiläums-Vorstellung hat Direktor Ernst für einen wohl- thätigen Zweck bestimmt. An die Besucher dieser Aufführung ge- alen als Souvenir die in dem Repertoirestück „Madame Suzette" vorkommenden beliebtesten Gesangsnummern zur Vertheilung.

Am Mittwoch, den 15. Mai, Abends 74 Uhr, findet in der St. Georgen-Kirche am Alexander - Play zum Besten des seit mehreren Jahren erblindeten Familienvaters Hermann Werth ein

eistlihes Konzert unter gütiger Mitwirkung der Konzertsängerin Fräulein Helene Jahnke (Sopran), des Herrn C. Frülicher (Baß-

ariton), des Königlichen Kammermusikers Herrn J. Nieselt (Violine), des Kapellmeisters Herrn Finsterbush (Cornet à Piston), des Orga- nisten Herrn A. Friedrich und des aus ca. 100 Personen bestehenden Otto Schmidt’schen gemischten Chors statt. Billets zu 1 und 2 M 0 zu haben in der Hof - Musikalienhandlung von Bote und Bod, eipzigerstraße 37, und am Konzertabend am Eingang der Kirche.

Marinigfaltiges.

Unter dem arl Ius Majestät der Kaiserin und Königin fand heute Vormittag im Elisabethsaale des Königlichen Schlosses die siebente Jahresversammlung des Ausschusses des Evan- gelish-kirchlichen Hilfsvereins statt. Nach einleitendem Gebet des General-Superintendenten D. Dryander begrüßte der Vorsißende des Ausschusses, Wirkliche Geheime Rath von Leveyzow, Ihre Majestät und die Versammlung. Den Bericht erstattete Graf von

ieten-Schwerin. Der Ausshuß hat im Berichtsjahr aus den ihm zur

erfügung gebliebenen Beträgen Bewilligungen gemacht in Höhe von 74 266 4, davon für kirhlihe Versorgung 8650 4, für Stadtmissionen 49716 4, für außerordentlihe Beihilfen 15 900 Die Berliner Stadtmission erhielt von diesen Summen 40 000 Æ, davon 10 090 4 zur Deckung eines Defizits. Die Nettoeinnahmen in den Provinzial- und größeren Ortsverbänden betrugen 99 405 4 Berlin speziell ver- einnahmte 18 920 4, der Brandenburger Provinzialverein 14 380 A

An den Aus\{huß abgeliefert wurden 47 303 A, von den Vereinen selbft verwendet 52 102.46 Le drei Berliner Kirchen wurde der Ausschuß von Ihrer Majestät der Kaiserin zurn Bauherrn- bestellt, und zwar ‘für die Erlöserkirhe, für die Himmelfahrtskirhe und für die Gnaden- kfirhe. Durch die Hände des Ausschusses gingen Sl nccade Wohlthaten der Kaiserin, so die Stiftung für arme Wöchnerinnen. Demnächft erstatteten Propst D. Freiherr von der Goly als Vor- sißender des Berliner Ortsvereins, Superintendent Stranßtz-Koischwißz als Vertreter des \{lesishen Zweigvereins, Pfarrer Kayser-Frankfurt a. M. für den dortigen Zweigverein kurze Berichte. Der Sitzung im Schlosse folgte um 114 Uhr eine allgemeine Versammlung im Landes- hause der Provinz, in der über die Bedeutung der Lokalvereine für die Belebung des Evangelish-kirhlihen Hilfsvereins und über die Grund- säße für die Unterstüßungsthätigkeit des Vereins verhandelt wurde. Des ersteren Punkt sprah Pastor Lenz, über leßteren Professor Dr. eiß. :

Die Stadtverordneten-Versammlung hat sich in ihrer petogea Sitzung mit der Aufstellung des Standbildes der „Bero- ina“ auf dem Alexanderplay, fowie des Denkmals für Schulze - Delißsch auf dem dreieckigen Play an der Einmündung der Neuen Jakobstraße in die Köpenickerstraße einverstanden erklärt. Die Vor- lage wegen Vergebung einer Kleinbahnlinie von der Wiener- rale bis zum Ausftellungspark in Treptow wurde einem us\{chuß überwiesen. Angenommen wurde folgender Magistrats- Antrag: „Die Stadtverordneten-Versammlung erklärt sich mit der Ee der Stadtgemeinde an der Berliner Gewerbe- Ausstellung 18986 als Aussteller und der Errichtung eines eigenen Ausstellungsgebäudes einverstanden, genehmigt die Skizze dieses Gebäudes und bewilligt zu diesem Zweck 150 000 A" Nach- dem der Umfaßz-Steuer die Zustimmung der ftaatlichen Aufsichts- behörde versagt worden ift, legte der Magistrat eine anderweitige Ordnung für die Erhebung einer Gemeindesteuer bei dem Griverbe von Grundstücken im Bezirk der Stadt Berlin vor. Diese Vorlage wurde von der Versammlung genehmigt.

__ Am Mittwoch Abend hielt Herr R. Tabbert, der sih mehrere Jahre in Süd-Afrika aufgehalten hat, in der Urania in Anlehnung an seine Erlebnisse einen Vortrag unter dem Titel „Die afrikanische Schaßkammer. Schilderungen der Goldfelder Trans- yaals“. Der Vortragende besprah zuerst die Küstenflora Süd- Afrikas, die sich besonders durch harte, mit dichten Haaren beseßte Blätter- bildung auszeichnet, wodurch die Pflanzen befähigt werden, die Feuchtig- keit länger zu halten. Einen reiheren Charakter nimmt der Pflanzen- wuchs erft in Natal, dem Garten Süd-Afrikas, an. Die Hafen- ras Durban, die bedeutendste Stadt Natals, die man auch das üd-afrikanishe Neapel genannt hat, wurde genauer geschildert. Der Hafen if weit und groß, aber an vielen Stellen flah, nur durch die beftige Ebbe- und Fluthströmung werden einige Fahrrinnen ofen erhalten. Durban, das 20—30 000 Einwohner zählt, besißt 23 Kirchen, was von dem kirhlihen Sinn der Bewohner zeugt, und nur 12 Bars oder Schankstätten. Kein Farbiger erhält in einer Bar geistige Getränke verabreiht, wenn er nicht nachweisen kann, daß es im Auftrage seines weißen Gebieters geschieht. Das Leben in Durban ist wohlfeil, nur die Hausmiethen sind sehr hoh; Fleisch, Gemüse und besonders Obst sind niht theuer. Jn den Niederungen gedeiht Thee und besonders Zuckerrohr; im leßten Jahre sind dort 18000 t Zudcker fabriziert worden, Troß des üppigen Pflanzenwuchses Natals vermißt man eigentlihe Wälder, an deren Stelle der niedrige und diht verwahsene Busch tritt. Das Gebirge, die ODrakensberge, steigt in vier Stufen nah Transvaal hinauf ; an ihnen zieht sich die Eisenbahn zum theil mit reizvollen Ausblicken auf das Bett des Umgeniflusses mit seinen malerishen Wasserfällen in s{charfen Windungen und Schleifen und in \tarker Steigung empor. An dieser Bahn liegt auch Pieter-Marigburg, der Siß der Natalregierung. Der Pflanzen- wu{s auf den verschiedenen Stufen des Gebirges is \pärlicher, bietet auf weiten Strecken zumeist Gras und oft steinige s{chwach be- wachsene Flächen. Von den Berggebilden wurde ‘eingehen- der das berühmte Riesenshloß aescildect und Amajubakhill, durch den Kampf zwischen den siegreihen Boeren und den Engländern im Jahre 1881 bekannt geworden. Troß des üppigen Küstenlandes steht von Natal nur ein Viertel des Landes unter Kultur; den Haupt- werth der Ausfuhr bilden Wolle und Häute; die Einfuhr, welche die Ausfuhr um das E Meclelg weist viel Holz aus Norwegen auf. Kohlen besitzt Natal selbst, besonders reich in der Nähe von Dundee. Der Vortragende ging dann auf die Schilderung der Kaffern über, welhe die Bushmänner, die Ureinwohner, verdrängt haben. Von. der Transvaal- und Natalgrenze aus wird der Reisende nur mit Postwagen auf höchst beshwerlihen unebenen

Wegen befördert; solch ein Gefährt wird von zehn Pferden ge;

14 Stunden weder werden. Die E befördert man mit Ochfenwagen ; 16 en ziehen dann ungefähr 60 Zentner. Die Goldstadt Transyaals, Ichannisburg, die jeßt ungefähr 50 000 Ein- wohner zählt, besteht erst seit acht Jahren; es is eine große Geschäftsstadt mit eleganten Kaufhäusern und starkem Verkehr. “Der Redner beschrieb die Goldgewinnung aus dem goldhaltigen Quarz und fuhr dann fort: Neben Johannisburg ist in Transvaal noch Pretoria mit feinem s\chönen arlaments- gebäude sehen8werth. Die Münze in t a ist nah deuts

uster eingerichtet und mit deutschen Aen ausgerüstet. er portugiesische Hafen an der Delagoabai, der mit den beiden Trans. vaalstädten durch Eifenbahnen in Verbindung steht, wird nah des Redners Ansicht der einzige Hafenplaß fein, über den die deutsche Industrie ihre Handelsverbindungen mit Transvaal pflegen kann ; denn alle übrigen bedeutsamen nahen Hafenpläße sind in englischen änden. Von Deutschland find denn auh zum Bau der Bahn die okomotiven und Schienen bezogen worden.

Der Kaufmännische und gewerbliche Hilfsverein peiblihe Angestellte in Berlin, Oberwas ase 10, A L einem foeben ershienenen fünften Jahresberiht eine Uebersi Bereinsthätigkeit im abgelaufenen Geschäftsjahre. Die Bret ¿ahl ist danach von 5600 auf 6900 gestiegen. Die Gesammt- einnahme betrug 68600 Æ, das Veretnsvermögen erhöhte ih auf 44000 A Sehr stark wurde die Stellenvermittelung in nspruch genommen, sodaß über 900 Stellungen oder 65 %/ aller an- gemeldeten Vakanzen beseßt werden konnten. Die im Jahre 1893 neu eingeritete Lehrlings-Stellenvermittelung konnte im Jahre 1894 172 junge Mädchen in Hten Geschäften unterbringen. Die Kranken- hilfe des Vereins (aus\cließlih Krankenkasse) erforderte einen Aufwand von 2100 H, außerdem wurden 128 in Noth gerathene Mitglieder mit 2800 # unterstüßt. Ergänzt wurde die Krankenhilfe durch die Fürsorge des Vereins für eine zweckmäßige Sommererholung seiner Mit- lieder, dur einen organisierten Nachweis von Sommerfrischen und inrihtung von Ferienkolonien für Handlungsgehilfinnen. Es konnten dur Beihilfe des Vereins bezw. der Krankenkasse 130 bedürftige Mitglieder auf dem Lande und in Badeorten untergebraht werden ; zahlreide Mitglieder machten außerdem von den getroffenen Ein- rihtungen für eigene Kosten Gebrauh. Die Eingeschriebene Freie Hilfska}se des Vereins balanciert in Einnahme und Ausgabe mit 65000 M, ihr geseßliher Reservefonds beträgt 11300 Ein besonders erfreulihes Wachsthum is bei den vom Magistrat und dem Aeltesten-Kollegium der Kaufmannschaft subventionierten Kaufmännischen Bildungsanstalten des Vereins unter der Leitung des Realgymnásial-Direktors Professors Dr. B. Schwalbe zu verzeichnen. Die Handels\hule wurde von 369, die Fortbildungsanstalt von 652 Schülerinnen befuht, welche insgesammt 2725 Kurse belegten. Die neu eingerihteten gewerblihen Fortbildungskurse im Pana nah der Natur und Schnittmusterzeihnen von Damenkostümen und Wäschegegenständen erfreuten sih eines Besuchs von 81 Schüle- rinnen. Die Schreibmaschinen-Schule, welche durch Einführung aller gangbaren Systeme: Barlock, Caligraph, Hammond, Remington er- weitert wurde, bildete 121 Schülerinnen aus. Zur Belehrung der Mitglieder fanden 12 Vorträge statt, für gesellige Vereinigung forgten 3 Unterhaltungsabende, und diese sowie Theatervorstellungen in hiesigen guten Theatern, eigens für die Mitglieder des Bereins veran- taltet, hatten regen Zuspruch. Die Rechtshilfe wurde mehrfach in Anspruch genommen und konnte, dem Zweck der Einrichtung entsprechend, in den meisten Fällen einen gütlihen Vergleih herbeiführen. Die

Vereinsräume erfuhren in diesem Jahre eine bedeutende Erweiterung, -

ebenso auch die Bibliothek des Vereins, welhe von den Mitgliedern unentgeltlich benußt wird und jeßt 1300 Bände besißt. Bei der Reihs-Enquête im Handelsgewerbe wurde der Vorsitzende des Vereins als Auskunftsperfon vernommen und unterstützte die Forderungen des eits bezüglih einer Besserung der sozialen Lage der Handlungs- ehilfinnen.

Im Zoologishen Garten beginnen mit dem î Sonnabend die Minen Militär-Doppel-Konzerte. Der Anfana der Konzerte wird von diesem Tage ab bis auf weiteres für die U eine halbe Stunde später als bisher, also auf 4x Uhr, angesetzt.

Buenos Aires, 9. Mai. Morgen findet in der Argentinischen

Republik die allgemeine Volkszählung ftatt. Die Regi daher für morgen einen öffentlichen Felerlas angeordnet. gierung hat

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

ADUTAAG O I S E E I E I I I: M T E E G E S I E E S S ¿E E O O S A C I S IF G S E E P I VE S S S: P E

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Temperatur 59 C.— R.

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1) Thau. ftarkem Regen. Gewitter.

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Nebersicht der Witterung. Der Luftdruck if über dem

allenthalben

In

Luftdru [ anzen Gebiet

und e nagia vertheilt ; daher ist die Liekibewegung wach und der Richtung nah örtlichen

Schwankungen unterworfen.

das Wetter warm und vielfah heiter. Jn den

westlihen und füdöstlihen Gebietstheilen

zahlreiche

eutschland

2) Gestern Nachm. itt i ) Gestern u. Beni er mit

4 5) Gestern Gewitter. 4 B

ingen Gewitter nieder, meist mit Regenfällen. Die Nachmittagstemperaturen überstiegen gestern meist 20 Grad. Fortdauer der warmen Witterung

ist

ist wahrscheinli, wobei wieder zahlreihe Gewitter

zu erwarten find. Deutsche Seewarte. T

Theater- Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern- haus. 119. Vorstellung. Die Tochter des Re- iments. Komische Oper in 2 Akten von Gaëtano

onizetti. Text nah dem Französischen des Saint Georges. Dirigent: Musik-Direktor Wegener. Karneval. Ballet-Burleske in 2 Aufzügen von Emil Graeb. Musik von Adolf Steinmann. Dirigent: Musikdirektor Steinmann. Anfang 7{ Uhr.

Schauspielhaus. 125. Vorstellung. Der Biblio- thekar. Schwank in 4 Aufzügen von G. von Moser. Regie: Herr Plaschke. Militärfromm. Genrebild in 1 Aufzug von G. von Moser und Thilo von Trotha. In Scene geseßt vom Ober- ar Max Grube. L Uhr.

onntag : Opernhaus. 120. Vorstellung. Hänsel

und Gretel. Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humperdink. Text von Adelheid Wette. Tie Puppenfee. antomimishes Ballet- Divertifsement von Haßreiter und Gaul. Musik von Josef Bayer. Anfang 74 Uhr.

Schauspielhaus. 126. Vorstellung. Der Revisor. Lustspiel in 5 Aufzügen von Nicolay Gogol, deutsch von Elsa von Schabelsky. Anfang 74 Übr.

Deutsches Theater. Sonnabend: Weh dem, der lügt! Anfang 7# Uhr.

Sonntag: Das Lumpeugefindel.

Montag: Prinz Friedrih von Homburg.

Berliner Theater. Sonnabend: Fest - Vor-

ferung zur Feier des 70. Geburtstages Gustav von

oser's: Zum ersten Male: Der Lebemaun.

E in 3 Akten von Gustav von Moser. Anfang r

Sonntag, 24 Uhr: Madame Sans-Gêue. 74 Uhr: Die Ehre. e Montag: Der Lebemann.

Lessing-Theater. Sonnabend: Fest - Vor-

stellung zur Feier des 70. e R Gustav von

Moser’'s: Der Hypochonder. Lust

iel in 4 von Gustav von Moser, Anfang 74 üb «ufs iy

T.

Sonntag: Madame Bouivard. Montag: Der Hypochonder.

Friedrich - Wilhelmstädtisches Theater. Chaufseestraße 25/26.

Sonnabend: Der Eee: Operette in 3 Akten von L. Held und M. West. Musik von Carl Zeller. Regie: Herr Fredy. Dirigent: Herr Kapellmeifter Dahms. Ermäßigte Preise der Plätze. Anfang 7# Uhr.

Sonntag: Der Obersteiger.

Neues Theater. Schiffbauerdamm 43./5.

Sonnabend: Zur Feier des 70. Geburtstages Gustav von Moser's: Zum ersten Male: Ein HSusarenftreich. Schwank in 1 Akt von G. von Moser. Hierauf: Die zweite Frau. (The second Mrs. Tanqueray.) Schauspiel in 4 Aften von Arthur W. Pinero. Deutsch von Carl Lindau. Anfang 7# Uhr.

Sonntag, Nachmittag 3 Uhr: Zu halben Preisen : Demi-Monde. Sittenbild in 5 Akten von Alexandre Dumas. Abends 74 Uhr: Die zweite Frau. Vorher: Ein Husarenstreih.

Montag (33. Abonnements-Vorstellung) : Zum ersten ale: Die Wildeute. Schauspiel in 5 Akten von Henrik Ibsen, teutsch von Ernst Brausewetter.

Residenz - Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion : Sigmund Lautenburg. Sonnabend: Fer- nand’s Ehekontrakt. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutsher Be- E bon A Facobson. Anfang 74 L

onntag und folgen e: ern Ehekonutrakt.

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion : Julius Frißs{he. Sonnabend: Rund um Wien. Vorher: Pariser Leben. Operette von Offenba. Anfang 74 Uhr. gas: Rund um Wien. Pariser

en.

Pentral-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Richard it, Sonnabend : Zum 8. Male: Unter arti pi r Leitung des Herrn Adolf Brakl vom Königl. Gärtnerplagz-Theater in München : Figaro bei Hof. (Rococo.) Operette

in 3 Akten (nach Beaumarchais? Memoiren) v Bohrmann-Rieger. Musik von Alfred Müller- Norden. Anfang 7+ Uhr. :

Sonntag: Figaro bei Hof.

AdolphErnst-Theater. Leßte Woche. Sonn- abend: Zum wohlthätigen Zweck. FJubiläums- Vorstellung. Zum 50. Male: Madame Suzette. Vaudeville Gofe in 3 Akten von Ordonneau. Musik von Edmond Audran. Anfang 7x Uhr.

Sonntag Nachmittags 3 Uhr : Bei halben Kafsen- preisen : ‘Charley’s Taute.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Edith Fülle mit Hrn. Lieutenant Hans Buchholz (Ratibor). B

Verehelicht: Hr. Lieutenant Ernst von Eistedt mit Frl. Elisabeth Seidler (Berlin). Hr. Pastor I. Bamler mit Frl. Anna Garlipp (Osterburg, Altm.) Hr. Major Mar Frhr. Treush von Buttlar-Brandenfels mit Frl. Elsa Raulhausen (Altona).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Marine-Zahlmeister Feldmann (Kiel). Hrn. Oberst-Lieutenant von Kleist (Berlin). Eine Tochter: l Oberlehrer Dr. Bruncke (Wolfenbüttel). Hrn. Landrichter Spener ( erstadt). Hrn. Land- rath Frh nberg (Neurode). Hrn.

rhrn. von Re Landrath Hafsenkamp (Aschendork). Hrn. Berg- werks-Direktor Gloger (Birtultau bei Czerniß). Gestorben: Hr. Geh. Regierungs-Rath und Land- rath a. D. Hermann Ferno Berlin) Hr. Dr. elir Schütte (Tanga, Oft-Afrika). Verw. Fr. egiments-Arzt Dr. Hügel, geb. Donat (Pase- walk). Hr. Hauptmann a. D. Albreht von Neindorff (Kösen). Le Zahlmeister Chriftian Steh (Berlin). Hr. Ämtsgerichts-Rath Dencker (Göttingen).

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags- Anftalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (einshließlih Börsen-Beilage).

zum Deutschen Reichs-A M 112.

“Erste Beilage

nzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 10. Mai

1895.

A

Deutscher Reichstag. 88. Sißung vom Donnerstag, 9. Mai.

Ueber den Beginn der Sißung ift gestern berihtet worden. Das Haus seßt die zweite Berathung des Geseßes, be- treffend Aenderungen und Ergänzungen des Straf- esezbuchs, des Militärstra B O und des Geseges über die Presse, fort.

u den im gestrigen Bericht erwähnten E Leveßow und Barth zu § 111 if inzwischen ein neuer Antrag vom Abg. Grö ber (Zentr.) eingebracht worden, wonach die Änprei- sung oder Rechtfertigung eines thätlihen Angriffs gegen einen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung seines Amts unter Strafe gestellt werden soll.

Das Wort nimmt zunächst der Bevollmächtigte zum Bundesrath, preußische Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Zu dem Antrage der Herren Abgg. von Leveßow und Genossen auf Wiedereinfügung der Paragraphen 113 und 114 in § 111 der Vorlage möchte ih mir einige Worte gestatten.

Ich erkläre namens der Reichsregierung, daß dieselbe auf die Wiedereinfügung dieser beiden Paragraphen in die Vorlage das aller- größte Gewicht legt, und bemerke, daß es sich hierbei um einen derjenigen Punkte handelt, von deren Entscheidung voraussihtlich das endgültige Schicksal der Vorlage abhängen wird. Meine Herren, zu begründen, weshalb die Reichsregierung gerade auf diese beiden Paragraphen Gewicht legt, könnte beinahe überflüssig ersheinen; ih brauhe nur auf den Inhalt der beiden Paragraphen hinzu- weisen: Dieselben bedrohen mit Strafe den gewaltsamen Wider- stand gegen die zur Vollstreckung von Gesegen, Befehlen und Anordnungen der Behörden berufenen, in der reht- mäßigen Ausübung ihres Amts begriffenen Beamten und ebenso die gewaltsame Bedrohung von Beamten zu dem Zweck, um die- selben zur Vornahme oder Unterlassung von Amtshandlungen zu nöthigen. Die Paragraphen bewegen sich also auf demjenigen Gebiete, auf welhem nach den Wahrnehmungen der verbündeten Regierungen die Gefahr von Ausschreitungen am lebhaftesten hervorgetreten ift, wo die verbündeten Regierungen am dringendsten das Bedürfniß einer Stärkung der Staatsgewalt empfinden, um solchen Ausschrei- tungen entgegenzutreten, die von verheßten oder irregeleiteten Massea unternommen werden könnten. Die Reichsregierung ist der Ansicht, daß es ihre unabweisbare Pflicht sei, dem Umsichgreifen des Geistes, der zu solhen Handlungen, wie sie im § 113 und 114 mit Strafe bedroht sind, führt, im Keime entgegenzutreten, daß sie niht abwarten folle, bis es zu derartigen Ausschreitungen gekommen ift, sondern daß auch diejenigen mit Strafe zu treffen sind, die darauf ausgehen, in der in dem Gesetz bezeihneten Weise, also durch gefährliche Auf- reizung, zur Begehung von derartigen Handlungen anzureizen.

Nun, meine Herren, die Richtigkeit dieser Auffassung der verbündeten Regierungen if in der ersten Lesung eigentlih von der überwiegen- den Mehrheit des Hauses anerkannt worden; maßgebende Führer derjenigen Parteien, die sich heute einer großen Zurückhaltung be- fleißigen, sind für diesen Gedanken eingetreten. Nah dem Verlaufe der gestrigen Verhandlung glaube ih nit zweifeln zu dürfen, daß sowohl die nationalliberale Partei wie die freikonservative sich für den Antrag von Leveßow entsheiden und insoweit der Anforderung der Regierung entgegenkommen werden. Die Reichsregierung giebt aber auch die Hoffnung niht auf, daß sih auch das Zentrum mit auf denselben Boden stellen wird (hört! hört ! links), und glaubt, des- halb an dieser Hoffnung festhalten zu müssen, weil nach ihrer Mei- nung das Zentrum ih mit sih selbs in Widerspruch seßen würde, wenn es das nicht thäte. Meine Herren, der Kommissionsberiht enthält ja Andeutungen darüber, welhe Erwägungen für die ab- lehnende Haltung des Zentrums maßgebend gewesen sind, und ih kann mih dabei des Eindrucks niht erwehren, daß es Kulturkampf- erinnerungen gewesen sind, die den sonst so klaren Blick der Herren einigermaßen getrübt haben. (Heiterkeit.) Die Beispiele, auf die dort hingewiesen ist, die Möglichkeit, daß es durh die Abwehr von Gefahren, die ihnen ungerecht erscheinen, zu einem gewaltsamen Widerstand kommen möge, is es gewesen, die die Abstimmung der Zentrumsmitglieder bestimmt hat.

Nun, meine Herren, ih weiß nit, ob derartige Ausfchreitungen, auf welche hier von den Mitgliedern der Kommission exemplifiziert ist, während des Kulturkampfes thatsählich vorgekommen sind; das eine aber weiß ich bestimmt, daß der grundsäßglihe Standpunkt des Zentrums immer ein anderer gewesen is, daß nämli das Zentrum die Meinung vertreten hat, es würde auch den Geseßen, von deren Gerechtigkeit es niht überzeugt war, einen thätlihen Widerstand nit entgegenseßen dürfen, sondern nur einen passiven. (Sehr richtig! in der Mitte.)

Nun, meine Herren, ih weiß nicht, ob ein Kulturkampf, wie wir ihn durchgemaht haben, jemals wiederkehren wird; ih selbst glaube es nit, ih wünsche es nit: er hat niemand genußt und nur die Gemüther gegen einander verbittert. (Hört, hört! links. Sehr rihtig! in der Mitte.) Das eine, meine Herren, glaube ih aber annehmen zu können auch von den Mitgliedern des Zentrums und von denen, die hinter ihm stehen, daß, wenn es troy alledem zu einem neuen Kulturkampf kommen würde, sie au dann den grundsäßlichen Standpunkt nicht verlassen würden, von dem sie früher sich haben leiten lassen, und damit verliert die Gefahr, die zur Ablehnung des Antrags seitens der Kommissionsmitglieder geführt hat, ihre Bedeutung.

Nun, meine Herren, glaube ih, werden Sie sich doch darüber gar keiner Täuschung hingeben können, daß, wenn Sie auf Ihrer ablehnenden Haltung beharren, Sie dann die Geschäfte der Sozial- demokratie besorgen. (Unruhe.) Wenn Zweifel hierüber noch hätten bestehen können, so sind dieselben dur die gestrige Rede des Herrn Abg. Auer beseitigt. Meine Herren, die Palme des gestrigen Tages

Sie würde ihm auch in sahliher Beziehung gebühren, wenn feine Rede den Erfolg hätte, daß sie das Zentrum zum Beharren bei seiner bisherigen Haltung veranlaßte. (Zuruf.) Nun, meine Herren, die Taktik der Herren von der sozialdemokratishen Partei war ja nit un- geshickt, aber auch recht durchsichtig. Was wollen diese Herren und was war der eigentliße Zweck der gestrigen Rede des Herrn Abg. Auer? Es war der, das Zentrum festzunageln auf der unhaltbaren Position (schr richtig), auf die es sich durch seine Ab- änderungsanträge begeben hat. Meine Herren, wenn das den Sozialdemokraten gelingt, dann is ihrer der Sieg. Das Zentrum wird ih des Erfolgs nicht rühmen können; es wird das Opfer sein. Aber die gestern von dem Herrn Abg. Neindl verlesene Erklärung hat erkennen lassen, daß das Zentrum das leßte Wort in der Sache noch nicht gesprochen hat. Es hat sich die Entscheidung noch vor- behalten wollen bis zur dritten Lesung. Demgegenüber möchte ih mir aber gestatten, darauf hinzuweisen, daß es heute viel leiter ift, den bisherigen Standpunkt zu verlassen, als bei der dritten Lesung. (Sehr wahr!) Sie würden heute nur die Mitglieder der Kom- mission desavouieren, die nicht auf Grund einer bestimmten JInstruk- tion ihre Stimme abgegeben haben; halten Sie aber heute den Stand- punkt der Kommission aufrecht, dann seßen Sie sich in der dritten Lesung mit sih selbsst in Widerspru. Wenn Sie deshalb der Regierung das geben wollen, was sie fordert und was sie fordern muß, falls sie in dem Gefühle ihrer verantwortlichen Stellung die Ordnung aufrechterhalten foll im Lande, wenn Sie überhaupt etwas geben wollen: dann, meine Herren, rufe ich Ihnen zu: bis dat qui cito dat! (Bravo! rechts.)

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Es zeugt nicht von besonderer Stärke der Regierung, daß sie sich zunähst von äußeren Einflüssen zu einer Vorlage drängen läßt, und daß sie jeßt um einer Kleinigkeit willen, weil ihr in einer untergeordneten Frage niht der Wille gethan wird, die Vorlage aufgiebt. Der Abg. Dr. von Bennigsen hat bei der ersten R der Ee gesagt: Es muß etwas gesehen! Was ift denn vorgefallen, daß alle Rehtsgrundsäße auf den Kopf gestellt werden sollen? Im vorigen Sommer hat ein Mordbube den Präsi- denten der Französishen Republik ermordet. Bei uns hat man von derartigen Schandthaten nichts gehört. Thatfächlich begründet man denn auch die Nothwendigkeit der Vorlage nur mit einem Hinweis auf die allgemeine Weltlage, auf die Gefahr einer allgemeinen fozialen Revolution. Wir glauben nicht an diese Gefahr. Und wenn sie wirklich drohen würde, so wäre diese Vorlage die ungeeignetste zur Bekämpfung derselben. Die Strafvershärfung, welche der § 111 betreffs ter Aufforderung zu einem Verbrechen oder Vergehen vorschlägt, ist keineswegs so harmlos, wie fie mehrfah auf- Gefaßt wird. Die Verschärfung der Strafen beträgt 200 9/0. L einer folhen Verschärfung liegt niht der geringste Anlaß vor. Es ist kein ‘einziger Fall nachgewiesen, wo die bisherige Marxi- malstrafe bei der Aburtheilung wegen Aufforderung zu einem Verbrechen erreicht wurde. Wozu da eine Verschärfung ? Zu welchen Konsequenzen die Annahme des § 111 führen würde, ift bereits mehrfach dargethan worden. Ih will nur Eines erwähnen. Nach den bestehenden Geseßen if ein Staatsanwalt, der Kenntniß von einem Verbrechen erbält, verpflihtet, den Thäter zu verfolgen. Nun fan ih mir denken, daß ein Staatsanwalt, der wie ja vor- ekommen ift von der Aufforderung zu einem Duell Kenntniß er- ält, eine Verfolgung aus politischen oder anderen Gründen niht einleitet. Wenn jemand das entshuldigen wollte, so würde er si nah der Umsturzvorlage strafbar machen. Die Sahm des § 111 nach der Kommission is unmöglih. Der Antrag Barth ver- dient vor dem der Konservativen den Vorzug. Er will prophylaktis{ wirken, der Antrag der Konservativen wird nur eine pädagogische Wirkung haben. Zur Ausübung einer solchen sind die Gerichte aber niht da. Man braucht kein Mißtrauen gegen die Fähigkeit der Richter zu haben, und auch ih habe keins, aber ih meine do, daß man sie niht der Gefahr ausseßen muß, folche Kautschukparagraphen anwenden zu müssen. Der Begriff „Umsturz“ hat bis jeßt sogar auch nicht von den ausgezeihneten achtundzwanzig Juristen der Kommission festgestellt werden können. Ih warne Sie mit aller Entschiedenheit vor diesem Geseß. Dem § 111, welcher zugleich das Schiksal der

anzen Vorlage bedeutet, können wir niht freudig gegenüberstehen. Sh hoffe aber, die verbündeten Regierungen werden uns, wenn dieses Sgicksal entschieden ist, niht zwingen, uns mit dieser Vorlage noch weitere vierzehn Tage zu befassen. Die Vorlage, so heißt es, soll die Achtung vor der Staatsgewalt wahren helfen; nun, diese Achtung fann nur dur solhe Gefeß: geshüßt werden, die sich innerhalb der Grenzen des wirklichen Bedürfnisses halten. Hier aber liegt ein polizeilihes Ausnahmegeseß vor, wie bisher noch keins dagewesen ift,. und zwar niht etwa als Ausnahmegeseß, fondern als ganz regelmäßig anzuwendendes Geseß. ; A

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußisher Minister des Jnnern von Köller:

Wie der Herr Abg. Lenzmann dieses Geseß bezeihnen will, das ist seine Sache. (Heiterkeit links.) Ich will ihm auch auf die staatsrechtlihen Ausführungen, die er im leßten Theile seiner Rede machte, nicht folgen; denn ich hätte so viel zu widerlegen, daß ich mich genieren müßte, Ihre Zeit so in Anspruch zu nehmen. Ein Wort nur will ich sagen zu den leßten Ausführungen. :

Wenn der Herr Abg. Lenzmann sagte, die Regierung trüge die Verantwortung für diese Vorlage, und gewissermaßen den Re- gierungen damit hat einen Vorwurf machen wollen, so will ich ihm darauf erwidern, daß die verbündeten Regierungen jeder Zeit die Verantwortung für ihre Handlungen tragen werden, und ob Sie die Gründe richtig finden, welhe die verbündeten Regierungen leiten, oder niht, das wird den verbündeten Regierungen im Großen und Ganzen ziemlich gleichgültig sein. (Lebhafter Widerspruch und große

Unruhe links.)

Meine Herren, wir bedürfen Ihrer nur soweit, als Sie den Gesetzen zuzustimmen haben, die vorgelegt werden, oder die Gelder zu - bewilligen haben. Sie mögen Ihre Zustimmung zu - Gesetzen verweigern, dann werden es keine Geseße; ob die verbündeten Regierungen aber überhaupt Geseßentwürfe vorlegen oder nicht, haben diese zu ermessen.

Meine Herren, ih habe mich hauptsählich zum Wort gemeldet, um andere Ausführungen zu beantworten, die der Herr Abg. Lenz- mann zwar nicht in seinen staatsrehtlichen Auseinanderseßungen zum Sclufse, sondern im Anfange seiner Rede gemaht hat. Der Herr Abg. Lenzmann warf der Regierung vor, sie habe ja eigentli gar keinen Grund angegeben, welcher die Vorlegung eines solchen exorbi-

gebührt ja, abgesehen von dem Herrn Kriegs-Minifter (große Heiter- keit), dem Herrn Abg. Auer, mindestens in rhetorisher Beziehung.

tanten Geseßentwurfs rechtfertigen könnte; man müfse doch der Sozial-

demokratie glauben ; allerdings schaltet er dabei ein, er sei ein gut- müthiger Mens, woraus ih entnehmen zu dürfen glaube, daß er einen Charakter bezeihnen will, der redlich und ehrlich glaubt, was ihm seiner Ansicht nah redlih und ehrlih gesagt wird; und ih habe den Herrn Abg. Lenzmann in der langen Zeit, seit ich ihn kenne, auh nie anders kennen gelernt, ich habe immer gern mit ihm diskutiert. Aus seinem Appell an die verbündeten Regierungen, daß er uns nicht Glauben zu {enken vermöge gegenüber den Versicherungen der Sozial- demokratie, das sei eine harmlose (Widerspruch bei den Sozial- demokraten), ruhige Bürgerpartei, aus diesem Appell - an die ver- bündeten Regierungen entnehme ich die Verpflihtung, Ihnen noch einige Gründe für die Vorlage mitzutheilen, die vielleicht bisher nicht so in der Oeffentlichkeit besprochen worden find.

Vebrigens will ich von vornherein bemerken, daß die Behauptung, es sei in der Kommission wenig oder nihts mitgetheilt worden, auf einem Irrthum, vielleicht auf einer Vergeßlichkeit beruht. Den Protokollen der Kommission sind 26 Aktenstücke beigelegt worden, und aus jedem einzelnen sind die allergefährlihsten und allershlimmsten Erzeugnisse der Presse und der Reden in Volksversammlungen ab- geschrieben und abgedruckt worden (Zuruf Heiterkeit), welhe neuer- dings in der Presse und in den Schriften derjenigen Parteien, die \ih eben der staatlichen Ordnung nicht fügen wollen, enthalten „find. Daß wir diese 26 Schriftstücke niht vollständig in dem Bericht haben abdrucken lassen, das fam, glaube ih, aus dem berechtigten Gefühle, welches die Mitglieder der Kommission in ihrer Mehrheit hatten, daß man derartige Sachen wirklichß besser nit in die Oeffentlichkeit bringt (Heiterkeit links), und daß man sie namentlih niht durch den Dru verbreitet, womit man den Sozialdemokraten ihre Geschäfte besorgen würde. (Zurufe links.)

Also den Vorwurf des Herrn Abg. Lenzmann, es sei in der Kommission nichts vorgelegt, weise ih zurück mit der Behauptung, daß den Protokollen der Kommission 26 sehr bedenkliche (große Heiterkeit links) Aktenstücke beigelegt sind.

Meine Herren, weiter sagte der Herr Abg. Lenzmann : die Sozial- demokraten sind ja harmlose, ruhige Bürgersleute, die immer erklären, sie wollten garniht den gewaltsamen Umsturz, sie wollten gar keine Nevo- lution, das wären alles Phantasien der Herr Abg. Lenzmann wandtg sich speziell an mi den Herrn von Köller, der behauptete, das sei alles der Fall; er glaube aber den Sozialdemokraten mehr als den Behaup- tungen der verbündeten Regierungen das war ungefähr der Sinn, Herr Abg. Lenzmann, der in Ihren Worten lag. Nun glaube ih, der Herr Abg. Lenzmann hat sein Studium über die stillen und theil- weise verstohlen lautwerdenden Gedanken der Sozialdemokratie doch nur nach einer Seite hin gemaht; ih habe beinahe die Empfindung, daß der Herr Abg. Lenzmann seine Wissenschaft aus einem Volks- falender gesogen hat (Heiterkeit) —, welher, der „Schlesishe Land- bote“ betitelt, in Schlesien durch die Sozialdemokratie emsig ver- breitet wird. Darin steht nämlich zum Schluß nah vielen fehr hübschen und \{chönen Ausführungen folgende Kritik:

Die Sozialdemokratie is die Liebe, die Sozialdemokratie ift der Fleiß, der Wohlstand, die Gesundheit, das Leben und das Ges deiben aller, die in fleißiger Arbeit sih abmühen.

(Große Heiterkeit und Sehr richtig! links.) Meine Herren, Sie rufen anfangs: „Sehr richtig!" darüber, aber Sie überzeugen fich doch, daß in der großen Mehrheit dieses Hauses und, ih glaube, in ganz Deutshland Hohngelächter entstehen würde, wenn man mit solher Kritik an die Leute im Lande herantritt und denen weis machen will, was Sie, die Sozialdemokraten, für harmlose unschul- dige Leute sind. Meine Herren, ich will nit behaupten, daß der Herr Abg. Lenzmann nichts Anderes über die Sozialdemokratie ge- lesen hat; aber ih glaube, dieser Pafsus, wenn er ihn gelesen, hat ihm zu viel Eindruck gemacht, und ich würde es auf den offenen, ehrlichen Charakter des Herrn Abg. Lenzmann zurückführen, wenn er folhen Worten Glauben \{enkt. Ich glaube das den Sozial- demokraten nicht, sondern behaupte, daß es eine infame Lüge in diesem Kalender ist. Meine Herren, mahen wir einmal eine kleine Rundschau. Ich kann Ihnen ein außerordentlihes Material von Sachen vortragen, die theils in Volksversammlungen geäußert find, theils in Ihrer unübertrefflihen Presse dem Volke öffentlich und, meiner Meinung nah, in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise geboten find.

Da hat neulich in einer Versammlung, die in der Provinz Schleswig-Holstein stattgefunden hat, jemand gesagt: der Anarchist erlaube und entshuldige alles, was der Mensh zur Selbsterhaltung begehe. Bei der an diese Auslafsung sich knüpfenden Diskusfion sagte ein Herr Brendel, er sei Individualist, er habe nur sein eigenes Ich im Auge, er kämpfe für sein eigenes Fortkommen, er würde aber vor keinerlei Verbrechen zurückshrecken, auch wenn er den Revolver oder Dol dazu gebrauhen müsse, falls ihm jemand in seinem Kampfe hinderlih entgegentreten solle.

Das ist die Ansicht von Herrn Brendel die Sozialdemokratie ist die Liebe !

Weiter: In einer anderen Versammlung sagte ein Herr Will- mann zu jemandem, der ausführte, er wäre ja eigentlich au geneigt, alles Mögliche zu thun, könne aber kein Blut sehen Folgendes in öffentliher Versammlung: er rathe ihm, seine Hände mit Lappen zu umwickeln, damit er sich nicht in den Finger stehe; denn wer das Blut anderer nicht fließen sehen könne, könne sein eigenes erst recht nit sehen. Er sei jeden Tag bereit, mit dem Revolver oder Dolch in der Hand zu kämpfen und solchen Bourgeois das Lebenslicht auszublasen, welche durch ihre Produktionsweise die Arbeiter langsam hinmorden. Ja, die Sozialdemokratie ist die Liebe !

Fn Aachen wir kommen durch das ganze Deutshe Reih (Zurufe.) Ja, Sie haben immer die Gewohnheit, wenn man Namen nennt, zu rufen: Der is Anarchist! Ob Sie oder Ihre Brüder es sind, bleibt \sich ganz gleich! (Heiterkeit.) In Aachen sagte ein Herr Krehwinkel, als darüber diskutiert wurde, ob

man Leute wegen ehrloser Handlungen aus der Sozialdemokratie aus-