1895 / 114 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

- Vorredner sagen, daß diese Faffung, wie sie fich in dem Kommisfiontvorshlage befindet, zum theil aus der FJnitiative der Vertreter der Regierung hervorgegangen sei (Widerspru), oder do die vorbehaltlose Zustimmung der Vertreter der verbündeten Regierungen gefunden habe, oder aber, daß die Vertreter der ver- bündeten Regierungen \fih anheishig gemaht haben, die Zustimmung der verbündeten Regierungen zu den Vorschlägen zu erwirken (Zuruf links) bitte, meine Herren, lassen Sie mich aussprehen, Sie können \fih ja dann auch darüber äußern —, die Zustimmung der Regierungen zu erwirken, und daß sie dieser Verpflihtung sih nah- träglih entzogen haben. Nun, meine Hercen, gestatten Sie mir, Ihnen kurz dazulegen, wie die Verhandlungen in der Kommission ge- wesen sind.

Von seiten des Zentrums wurde uns kein Zweifel darüber gelaffen, daß man niht bereit sei, die Faffung der Re- gierungsvoxlage zu § 112 anzunehmen. Es wurde aber die Geneigtheit ausgesprohen, #sch auf einer mittleren Linie zwischen vollständiger Verneinung und vollständiger Zustimmung zu verständigen, und es wurde unsere Mitwirkung in Anspru genommen, um diese Linie zu finden. Wir haben diese Mitwirkung gern gewährt. Die Vertreter der verbündeten Regierungen haben aber sowohl bei den Besprehungen darüber als auch vor der Abstimmung in der Kommission nie einen Zweifel darüber gelassen, daß sie mit der Fassung, die {ließlich der § 112 gefunden hatte, niht einverstanden seien. Ich berufe mich dafür auf die \rift- lihen Protokolle. (Hört! hört! rehts.) Sie haben ferner keinen Zweifel darüber gelassen und das versteht sih ja eigentlih von selbst —, daß alle ihre Erklärungen über die eventuelle Fassung, die den Wünschen der Herren vom Zentrum etwa entsprechen möchte, nur dann Bedeutung haben könnten, und nur dann später diskutierbar sein würden, wenn die verbündeten Regierungen nah der Gesammtlage der Kommissionsbeshlüfse bereit sein würden, auf die ursprünglihe Fafsung der Vorlage selbft zu verzihten. Dar- über ift kein Zweifel von unserer Seite gelassen worden.

Nun, meine Herren, kam ein Drittes hinzu. Als wir über eventuelle Fassung des § 112 verhandelten, standen wir im Beginn unserer Berathungen bei dem zweiten Para- graphen der ersten Lesung der Vorlage. Wir hatten Grund zu der Annahme, daß es gelingen werde, nicht bloß bezüglih des § 112, sondern au bezüglih der übrigen Bestim- mungen der Vorlage zu einer Formulierung zu gelangen, die erwarten ließ, daß die verbündeten Regierungen ihr würden zustimmen können. Wir hatten insbesondereGrund anzunehmen, daß es bei den weiterenBerathungen bezügli des § 111, oder wie er damals hieß § 111a, gelingen würde, die Zustimmung der Majorität der Kommission und des Hauses dafür zu gewinnen, daß der Widerstand gegen die Staatsgewalt, also §8 113 und 114 des Strafgesezbu{s, unter diejenigen Vergehen würde auf- genommen werden, deren Verherrlihung strafbar sein sollte. Meine Herren, im Rahmen einer Vorlage, die nah anderen Richtungen hin den Wünschen der verbündeten Regierungen zu entsprechen geeignet war, unter der Vorausfeßung insbesondere einer Fafsung des § 111, die auh dem Heer einen gewissen Schuß gewährte, indem er verbot, Strafthaten zu verherrlichen, die, wenn sie angepriesen werden, bei- tragen könnten, die Gefahr der Demoralisation in das Heer zu tragen unter dieser Vorausseßung haben wir bei der Formulierung des Kommissionsvorschlags zu § 112 mitgewirkt, wie das übrigens regel- mäßig der Fall und natürlich is, wenn eine Bestimmung eine solhe juristish - technische Form und einen solchen materiellen Inhalt erhalten soll, daß diese für den eventuellen Fall ernsthaft in

Betracht kommen könnten. Nun hat der Herr Kriegs-Minister vorhin erklärt, daß ex seinerseits an der ursprünglihen Fassung des § 112

festhält. Damit fällt die Vorausseßung weg, unter welcher

die Herren Vertreter des Kriegs - Ministeriums in eine Dis- kussion der jeßigen Kommissionsvorlage zu § 112 einge- treten sind, und ich kann mir nicht erklären, weshalb

* der Herr Abg. Spahn jeßt noch auf jene frühere Erklärung der

Herren Vertreter des Kriegs-Ministeriums zurückgreift.

Auf der anderen Seite, meine Herren, haben die weiteren Ver- handlungen ergeben, daß alle die Hoffnungen, die wir unsererseits an die Kommissionsverhandlungen glaubten anknüpfen zu können bezüglich der Gestaltung der Vorlage, namentlich und vor allem bezüglich des § 111 a, eitel gewesen sind. Damit sind die Vorausfetzungen gefallen, unter denen auch ich in der Lage war, mich an den Ver- handlungen über eine andere Fassung des § 112 zu betheiligen, und ih kann wieder niht erkennen, weshalb der Herr Abg. Spahn jeßt hier die Verhandlungen, die ih die Ehre hatte, mit den Herren von der Kommission zu pflegen, als ein Moment bezeichnet, das einen Wechsel in der Auffassung der verbündeten Regierungen hervortreten läßt. Das ift niht der Fall, das weise ich zurü.

_General-Auditeur Ittenbach: Ich hatie in der Kommission erklärt, daß die verbündeten Regierungen in erster Linie an der Re- gierungsvorlage festhalten. Jh war gar nit befugt, wie ih auch in

den Kommissionsverhandlungen bemerkte, irgendwie bindende Er- klärungen abzugeben.

Abg. S pahn (Zentr.): Der Kommissionsberiht sagt über die zweite Lesung: „Der Kommissionsbeshluß erster Lesung wurde ohne Debatte mit 20 gegen 6 Stimmen angenommen.“ Die Regierung bätte eine Erklärung, daß sie niht damit einverstanden sei, abgeben müssen ; das hat sie niht gethan. Der Kriegs-Minister ist in der Sißung der Kommission gar niht einmal zugegen gewesen. '

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Nicberding:

Meine Herren! Der Herr Abg. Spahn hat jeßt seine Bedenken dahin formuliert und ih lege Werth darauf, das zu konstatieren und au gegen diese Formulierung Einspruch zu erheben —, daß er sagt, wir hätten zwar in erster Lesung der Kommissionsberathung Be- denken gegen die Fassung des § 112 erhoben, wir hätten aber diese Bedenken bei der zweiten Berathung niht mehr geltend gemacht ; zwischen der ersten und zweiten Berathung hätte Zeit genug gelegen, um sich über diese Bedenken an der entscheidenden Stelle zu orientieren. Daraus, daß das niht geschehen sei, und daß von unserer Seite in der zweiten Lesung kein Einspruh mehr erhoben worden sei, folgert der Herr Abg. Spahn, daß wir unsere Zustimmung zu dieser Formu- lierung gegeben hätten. Ja, meine Hern, der Herr Abg. Spahn ist doch lange genug im parlamentarischen Leben, um \ih sagen zu müssen, daß eine solhe Folgerung absolut unzulässig ist. Wenn von seiten der Regierung in der ersten Lesung der Kommission Einspruch erhoben worden is und dieser Einspruch wird in der zweiten Lesung niht wiederholt, dann haben die Herren Mitglieder der Kommission wohl Veranlafsung anzunehmen, daß der Einspruch aufrecht erhalten

diese

wird ; aber sie haben keine Veranlafsung anzunehmen, daß er fallen gelaffen ift. Jch muß Verwahrung dagegen einlegen, daß Sie von unserer Seite verlangen, daß wir einen Widerspruch immer wiederholen sollen, wenn er Anspru auf Beachtung be- haupten soll. :

Wenn dann der Herr Abgeordnete weiter gesagt hat, zwischen der erften und zweiten Lesung der Vorlage in der Kommission sei für uns Zeit genug gewesen, um uns über die Auffassung an maß- gebender Stelle zu orientieren, so will ich darauf. zweierlei erwidern. Erftens begreife ih niht, wie ein Mitglied des Zentrums nach dieser Richtung wegen Säumigkeit gegen uns Vorwürfe erheben kann, während diejenigen Herren, die dem Verlauf der Verhandlungen in der Kommission beigewohnt haben, sich wohl erinnern verden, wie oft und wie lange wir unsererseits auf die Entshließungen des Zentrums haben warten müffen, obwohl, soweit wir erkennen konnten, Zeit genug gewesen wäre, sie herbeizuführen.

Zweitens muß ih durhaus ablehnen, irgend eine Verpflichtung dahin gehend anzuerkennen, daß die Vertreter der Regierungen im Laufe der Kommissionsberathungen zwischen zwei geshäftlihen Zeitpünkten, die lediglich die Kommission nah ihrem Ermessen bestimmen kann, eine maßgebende und bindende Erklärung der Regierungen herbeizu- führen haben. Sie haben nur die Pflicht, im ganzen Laufe der Kom- missionsverhandlungen die Vorlage nach Pflicht und Gewissen und nah ihrer Kenntniß von den eventuellen Jntentionen der verbündeten Regierungen zu vertreten. Sie haben aber nicht die Aufgabe, während der Dauer der Kommissionsverhandlungen irgend eine Beschlußfassung der verbündeten Regierungen herbeizuführen.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußisher Kriegs- Minister Bronsart von Schellendorff: L

Den Angriff des Herrn Abg. Spahn muß ich mit der allergrößten Entschiedenheit zurückweisen. Jch kann gar niht gezwungen werden, zu jeder Kommissionésißung zu ersheinen. Es macht mir viel Ver- gnügen, den parlamentarischen Verhandlungen beizuwohnen und die hier gehaltenen interessanten Reden zu hören, auch eventuell einen Strauß mit irgend einem der Herren auszufehten. JIch gehe auh mit einem gewissen Vergnügen in die Kommission. Aber wenn die Budgetkommission tagt und zugleich die Kommission für die Umfturzvorlage, kann ich mich nit theilen, i kann nur bei der einen fein. Bei der anderen müssen Kommissare oder Vertreter der Negierungen mich erseßen. Im übrigen muß ich erflâren, daß ih mit bewußter Vorsiht aus manchen Kommissions- sfißungen fortbleibe. Denn ih bin nicht in der Lage, im Namen der verbündeten Regierungen Erklärungen abzugeben ; ih kann immer nur meine Meinung als preußisher Minister äußern und die ist nachher im Bundesrath nicht allein maßgebend.

| ER von Kardorff (Np.): Im Namen meiner Partei habe ih die Erklärung abzugeben, daß wir, nahdem der Kriegs - Minister sich fo entschieden für die Aufrehterhaltung der Regierungsvorlage ausgesprochen hat, gegen die Vorschläge der Kommission und nur für die Regierungsvorlage stimmen werden.

h: Graf von Roon (dkonf.): Nach der Erklärung des Kriegs-Ministers ift es mir sehr zweifelhaft, ob dieser Paragraph in irgend einer Faffung zu stande kommen wird. Der Abg. Haußmann hat heute, wie die Freisinnigen es immer thun, die Ge châfte der Sozialdemokratie besorgt. Der Abg. Bebel hat, wie der Abg. Auer es hon gethan hat, versichert, daß die Sozialdemokraten einen Auf- stand in Waffen niht wollen. Und doch hat er am 9. Mai die März- Revolution von 1848 in deutlihen Worten glorifiziert. Das Jahr 1848 bleibt ein Jahr der Schande, die Märztage sind die \chimpflichsten Tage in der deutschen Entwickelung. Das hätte nicht im Reichstage wiederholt werden follen, was in Ihren Zeitungen fort- während zu lesen ist. Jch will annehmen, daß Sie wirklih keinen Waffenaufstand wollen; wer bürgt uns aber für Ihre Genossen, für Ihre anarchistishen Brüder und Kinder? In der Nationalversammlung hatten die demofratishen Führer eben folhe feierlihe Erklärungen abgegeben, daß die Revolution niemals auf die Straße kommen würde. Und doch if es geshehen. Zum Glück ist konstatiert, daß die Mannschaft niht zum Aufftande geneigt war, daß die Schuld an der Shwäche des sie kommandierenden Offiziers lag. Als ihnen aber ein anderer begegnete und die Mannschaft aufforderte, das Zeug- haus zurück zu erobern, geschah dies sofort. Ich habe dieses a Beweis dafür angeführt, daß die Führer oft die Tragweite der Be- wegung nicht bemessen könnten, und daß, wenn die Woge einmal in das Rollen kommt, auch die Führer sie niht mehr einzudämmen ver- mögen. Wenn die Sozialdemokraten auch noch so sehr betonen, daß ihnen jede Gewalt fern liegt, so können fie doch niht voraus wissen, was kommen kann.

_ Abg. von Leveßow (dkonf.): Ih habe im Namen meiner poli- tishen Freunde eine Erklärung abzugeben. Der § 112 nah der Kom- missionsvorlage gefällt uns wenig, uns war die Regierungsvorlage weit genehmer. In Ermangelung eines Bessern hätten wir aber dennoch für die Kommissionsvorlage gestimmt, wenn Aussicht vor- handen gewesen wäre, daß der § 112 ein Theil eines den Bedürfnifsen entsprehenden Geseßes würde, andererseits, daß dem Bundes- rath die Kommissionsvorlage annehmbar erscheine, Diese Hoff- nung hat sich nunmehr nach beiden Richtungen hin nicht er- füllt, wir glauben nicht mehr, daß ein genügendes Geseg zu stande kommen fann, nadem der § 111 abgelehnt ist. Wir glauben auch nit, daß die Fassung der L tona die Zustimmung des Bundesraths nah der Erklärung des Kriegs-Ministers finden wird. Denn wenn der preußishe Kriegs-Minister fih direkt gegen einen auf das Militär bezüglichen Paragraphen ausgesprochen hat, so wird der Bundesrath ihn wohl nicht annehmen können. Wir werden daher segen die Kommissionsvorlage und für die Regierungsvorlage immen.

Es wird zur Abstimmung geschritten. Für § 112 nah dem Kommissionsvorschlage stimmt nur das Zentrum mit den Polen, für die Vorlage die Konservativen, die Reichspartei und die Nationalliberalen.

Der Paragraph is damit in beiden Gestalten abgelehnt.

Zur Geschäftsordnung nimmt das Wort der

Abg. Richter (fr. Volfsp.): Bei dem gegenwärtigen Stande der Verhandlungen {eint auf keiner Seite des Hauses mehr Interesse vorhanden zu sein, über irgend einen der folgenden Paragraphen noch zu diskutieren. Wir find bereit, auf jede Diskusfion zu verzichten, und wenn die anderen Parteien dazu ebenfalls bereit sind, so fann durch eine Reihe von aufeinanderfolgenden Abstimmungen binnen wenigen Minuten diese Vorlage aus der Welt geschafft werden.

bg. preipere von Manteuffel (dkons.): Ich befinde mich in der angenehmen Lage, mit dem Vorredner übereinzustimmen.

Das Haus stimmt nunmehr über die folgenden Para- graphen ohne Diskussion ab. Nachdem die konservativen An- träge sämmtlich zurückgezogen sind, vollzieht sich die Abstimmung in der Weise, daß sih für die Kommissionsbeshlüsse nur das Zentrum nebst den Polen erhebt, während die Regierungs- vorlage völlig fallen gelassen wird.

in vom Zentrum zu § 210 eingebrachter Antrag gegen das Duell erhält wiederum nur die Stimmen der Zentrums- partei und der Polen. Jn der Einleitung zu Artikel T wird

Sáluß 51/2 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

65. Sißung vom Sonnabend, 11. Mai.

e den Beginn der Sitzung is vorgestern berichtet worden.

Auf der Tagesordnung stand zunächst die erste Berat des Sn, E Ja df A Try is hung

Nachdem Abg. Jm Walle ( entr.) die Ueberweisung der Vorlage an die um sieben Mitglieder zu verstärkende “Ms kommission beantragt hatte, nahm das Wort der i

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer- stein-Loxten: i

Meine Herren! Ih hatte die Absicht, zu allererst das Wort zu dieser Vorlage zu ergreifen; ih kam leider zu spät und darf das jeßt nahholen. Jh werde -mich dabei auf Darlegungen allgemeiner Natur beschränken, da ih annehme, daß die Vorlage an eine Kommission verwiesen werden und dort die Staatsregierung Ge- legenheit finden wird, die Bestimmungen der Vorlage im einzelnen zu rechtfertigen.

Zunächst muß ih darauf hinweisen, meine Herren, daß die Vor- lage ihre Entstehung “der Junitiative des hohen Hauses verdankt. (Sehr richtig!) Diese Initiative if ergriffen durch einen Beschluß vom 6. Februar 1891. Bei Gelegenheit der Berathung über ein zu erlafsendes Wildschadensgeseß wurde auch dargelegt, ‘daß das Recht über die Ertheilung und Versagung der Jagdscheine u. st. w. und auch über die Höhe der Gebühr in der preußischen Monarchie ein so verschiedenartiges sei, daß es dringend wüns\chens- werth erscheine, darin gleihmäßiges Recht herbeizuführen; es wurde dann ein entsprehender Antrag an die Königliche Staatsregierung beschlossen.

Eine fernere Veranlassung für die Prüfung der Frage, ob ein Bedürfniß zum Erlaß des hier vorliegenden Geseßes vorhanden sei, gab ein Beschluß des Landes-Dekonomie-Kollegiums und ein Antrag, welcher vom Pro- vinzial-Landtag in Hannover ausging. Jh will bei der Gelegenheit bemerken, daß es bezeihnend ift, daß gerade von der Provinz Hannover ein solcher Antrag ausgegangen ist, weil das werde ih späterhin noch darlegen in Hannover z. Z. die Jagdscheingebühr die höchste ist. Es ist doch beahtenswerth, daß gerade derjenige Landestheil, wo im Interesse der Kommunalkafsen hon eine außerordentlih hohe Jagd- scheingebühr besteht, doch dur, soweit ih mich erinnere, einstimmigen Beschluß des Provinzial-Landtags beantragt wird, die Jagdscheingebühr zu erhöhen.

Selbstverständlih hat nun die Staatsregierung zunächst die Frage prüfen müssen, ob für den Erlaß einer geseßlihen Vorlage ein Be-

. dürfniß vorliege, und aus folgenden Gründen bejaht die Staatsregierung diese Frage übereinstimmend mit dem Beschlusse des hohen Hauses, mit *

dem Antrage des Landes-Oekonomie-Kollegiums und mit dem Antrage, den der Provinzial-Landtag für Hannover gestellt hat, und zwar, weil die geseßlihen Bestimmungen über die Ertheilung der Jagdscheine, über deren Versagung, über deren Wiederentziehung, über das Strafreht und über die für den Jagdschein zu entrihtende Gebühr innerhalb des preußishen Staatsgebiets so mannigfaltige find und fo erheblih von einander abweihen, daß {hon allein aus diesem Grunde für die Staatsregierung es geboten ershien, wenigstens den Versuch zu machen, gleihmäßiges Necht für diese „Verhältnisse herbeizuführen. Eine einheitlihe und gleihmäßige Regelung erkennt also die Staats- regierung für nothwendig an, aus denselben Gründen, welche

- das hohe Haus zu dem Beschluß von 1891 veranlaßten, und

weil sie sich in Uebereinstimmung befindet mit den Darlegungen, die in den Anträgen des Landes-Oekonomie-Kollegiums und in dem Antrag des hannoverschen Provinzial - Landtags vorgetragen find, und endlih weil sie selbs aus eigener Prüfung zu der Ansicht gelangt ift, daß der gegenwärtige Zustand ein zweckmäßiger nicht sei.

Nun darf ih darauf hinweisen, wie sich die gegenwärtige Vorlage zu dem bestehenden Recht verhält. Der Grundsaß, der au je{!t hon bestand, daß die Jagdscheingebühr den Kreiskommunalkafsen oder anderen an ihre Stelle tretenden kommunalen Kassen zu belassen sti, soll aufrecht erhalten werden. ,

Dann ist neu aufgenommen die Bestimmung über die Zulaffung von Tagesjagdkarten. Während in anderen Ländern folche Tagesjagdscheine ausgestellt werden, sind dieselben bisher in keinem Theile der Mon archie zulässig. Gleihmäßig soll dann geordnet werden 1) die Geltungsdauer der Jagdscheine, welhe in der preußischen Monargie verschieden geordnet ist. Jch will darauf hinweisen, daß beispielsweise in der Provinz Hannover der Jagdschein immer beginnt vom ersten September und endet am ersten September des folgenden SFahres, während in den verschiedenen anderen Landestheilen der Jagdshein zwar auch ein Jahr, aber vom Tage der Ausftellung auf die Dauer eines“ Jahres gilt. Dann soll 2) gleihmäßig geordnet werden die Gebühr für die Jagdscheine. Fh werde mir naher noh erlauben, auf die vershiedenartige Höhe der Gebühr hinzuweisen, welche übrigens eingehend in der Begründung dargelegt ist. Dann foll 3) gleihmäßig geordnet werden das Gel- tungsgebiet der Jagdscheine, ferner 4) gleihmäßig das Recht der Versagung und Entziehung, auch 5) das Recht zur Ertheilung, das zur Zeit sehr bestritten ift, jedenfalls ganz verschieden gehandhabt wird; dann soll 6) ferner gleihmäßig geordnet werden die unentgeltliche Ver- abfolgung der Jagdscheine. Während in den alten Provinzen Jagdbeamte, Forstbeamte u. \. w. einen Anspruch darauf haben, unentgeltliche Jagd- scheine zu bekommen, giebt es andere Landestheile, namentli sind es die neuerworbenen Landestheile, wo die unengeltlihe Ertheilung yon Jagdscheinen nit zulässig is. Es foll 7) ferner gleichmäßig ge“ ordnet werden, in welchen Fällen die Jagd ohne Schein ausgeübt werden kann; da kommen namentlich Partikularrehte n Betracht, ih will auf das Recht zur Ausübung der Jagd auf Wasser- vögel in Ostfriesland hinweisen, das Recht soll aufrecht erhalten werden. Und 8) foll vor allen Dingen das Strafrecht gleichmäßig geordnet werden.

Meine Herren, das sind im wesentlichen die Gesichtspunkte, von denen die Staatsregierung ausgegangen ist. I habe dargelegt dasjenige, was sie aus dem bestehenden Recht unverändert aufrecht erhalten will, auch dasjenige was gleichmäßig geordnet werden soll. Nun, meine Herren, glaube i

die Aufhebung des Kanzelparagraphen gestrichen und demnächst auch die Einleitung abgelebut I AOERS M

annehmen zu dürfen, daß nah dem Beschluß des hohen Hauses von?

Damit ist die Vorlage in allen Theilen abgelehnt | j und dem hohen Hause

Zahre 1891 son g zwishen der Königlichen Staatsregierung

dniß besteht, daß es dringend er- wünsht und nothwendig ift, gleihes Recht für dieses Ver- hältniß in der ganzen Monarchie zu schaffen, damit das faleidoskopishe Verhältniß, das bisher besteht, das dauernd zweckmäßig nit aufrecht erhalten werden fann, aufhört. Meinungsverschiedenheit kann möglicherweise auch darüber bestehen, ob es richtig ift, wie es die Regierung gethan hat, die Jagdschein- gebühr überall für - die ganze Monarchie gleihmäßig zu erhöhen. Einmal ist die Regierung zu der Meinung gelangt, daß das zweck- mäßig sei, weil shon aus den Kreisen der Betheiligten heraus, und zwar gerade aus dem Bezirk, wo die höchste Jazdschzingebühr zur Zeit besteht, ein Antrag auf Erhöhung der Jagdscheingebühr vorliegt. Zwsitens glaubt die Staatsregierung, daß die Erhöhung der Gebühr deshalb erheblichen Bedenken nicht unterliegt, weil die Gebühr auch nach oer neuen Vorlage in die Kreis-Kommunalkassen fließen soll und dort zweifelsohne im Interesse der Gesammtheit der Steuerpflichtigen des betreffenden Kreises verwendet wird, Und drittens möchte ih darauf hinweisen, daß, soviel ich weiß, darüber ein Einverständniß zwischen der Königlichen Staatsregierung und dem hohen Hause bestehen wird, daß die Ausübung der Jagd keine gewinnbringende Beschäftigung, son- dern ein Vergnügen, ein Luxus ist. Zum Erwerb Jagd auszuüben, ist ein verfehltes Unternehmen. Wer glaubt, aus der Jagd einen Erwerb machen zu können, irrt und täusht sih gründlih. Ist aber die Jagd ein Luxus, kein Gewerbe, so liegt kein Grund vor, daß man demjenigen, der \sih diesen Luxus gestatten will, auch im Interesse des öffentlißen Wohls eine ziemli hohe Gebühr auferlegt. Und, meine Herren, follte wirkli die Erhöhung, der Gebühr dazu führen, daß eine Reihe von Leuten, weil sie niht die Mittel haben, sih den Luxus zu gestatten, fernerhin die Jagd niht ausüben, so glaube ih, ift das im wirthschaftlihen Interesse derer, welche die Luxusausgabe nicht leisten können, nur zweckmäßig und er- wünsht. Es dürfte nahweisbar sein, daß eine große Zahl von niht günstig situirten Landwirthen wesentlich der Jagdpassion den Rückgang in ihrer Wirthschaft zu verdanken haben. Sollte also in dieser Richtung eine Einschränkung der Jagd stattfinden, so wäre das aus sozialen und wirthschaftlihen Gründen fein Unglüd. Beabsichtigt ist das aber nicht. Wer \sich den Luxus erlauben kann und will, der is durch die Erhöhung der gegenwärtigen Jagdschein- gebühr von der Ausübung der Jagd niht ausgeschlossen.

Meine Herren, ih möchte dann noh“ hervorheben, in welhem Umfange eine Verschiedenartigkeit in der Höhe der Jagdscheingehühr zur Zeit vorliegt. In den neun alten Provinzen, in der Provinz Schleswig-Holftein (ausshließlich des Kreises Herzogthum Lauenburg) und in dem pormaligen Herzogthum Nassau wird eine Jagdgebühr von 3 M erboben, in dem Kreise Herzogthum Lauenburg eine solche von 6 4, in der Provinz Hessen-Nassau, mit Auss{chluß des vor- maligen Herzogthums Naffau, 7,50 4, in den Hohenzollernschen Landen 8,50 und in der Provinz Hannover 9 4 Das sind doch sehr wesentliche Verschiedenheiten, für welche ein innerer Grund nicht vorliegen dürfte, die aber wegen ihrer Verschiedenartigkeit zu allerlei Miß- und Uebel- ständen führen. Während es doch zweifellos die Absicht ift, daß in der Provinz Hannover zu Gunsten der Kreis - Kom- munalkasse an die Kreis - Kommunalkasse von dem, der inner- balb des betreffenden Kreises die Jagd ausübt, eine Gebühr von 9 M bezahlt werden soll, entziehen \fih oft die die Jagd aus- übenden Eingesessenen der Kreise dieser Gebühr dadur, daß sie vorübergehend mal eine Jagd in den altpreußishen Provinzen mit- maden, sih dort einen Jagdschein für 3 X geben lassen, der dann Gültig- feit für die ganze Monarchie hat. Ein Korrelat gegen die Erhöhung des Jagdscheins finden Sie darin, daß einzelne Personen, welche nur vor- übergehend auf die Jagd gehen, die nur mal eine Treibjagd mit- machen, in der Lage sind, sich durch Entnahme einer Tages-Jagdschein- farte der zu hohen Jagdgebühr zu entziehen.

Endlich weise ich noch darauf hin, daß die Angehörigen des Deutschen Reichs gleihmäßig behandelt werden sollen, für Ausländer die doppelt hohe Gebühr erhoben werden soll. Das ift nach meiner Kenntniß der Verhältnisse niht ohne Bedeutung, weil an den Grenzen der Monarchie öfter Jagden auf preußischem bezw. deutschem Gebiet gevachtet werden; das sind meist reiche Leute, die hohe Pacht bezahlen. Da scheint es auch kein Unrecht zu sein, daß man von ihnen eine höhere Jagdscheingebühr im Interesse der Kreise erhebt.

I enthalte mi, auf einzelne Bestimmungen der Geseßesvorlage jeßt näher einzugehen. Sollte im Laufe der Diskussion noch Anlaß dazu gegeben werden, so bin ih zu antworten bereit. Ich nehme an, daß die Vorlage einer Kommission überwiesen werden wird. Ih bitte das Haus, die Vorlage einer loyalen und objektiven Prüfung zu unterwerfen, und hoffe auf Annahme derselben.

; i: , daß Einzelheiten am beften in der Doi L E N eaieudeat sei es, daß die agdsheingebühr den Kreis-Kommunalkassen zufließen solle. Eine chöbun der Gebühr auf 20 A würde allerdings für diejenigen

recht ho erscheinen, die auf eigenem Grund und Boden die Jagd ausübten. Es sei deshalb vielleicht eine Einführung von zweierlei Arten Jagdscheinen angebracht : die einen für den ganzen Umfang der Monarchie, die anderen für einen enger Mee Bezirk. Redner

Eattiepgte Ueberweisung an eine besondere Kommission von 21 Mit- gliedern.

Abg. N oelle (nl ) erklärte sich mit den Ausführungen des Vor- redners t uu bat aber, die Kommission auf 14 Mitglieder F beschränken. Gegen die Erhöhung der Gebühr auf 20 4 lasse Ge manches einwenden. Gerade dadurch sei es möglih, daß viele

eineinden einen Mindererlös aus der Jagdpahtung haben würden. Gebühr von vielleicht

Deshalb sei wohl ein Jagdschein zu einer vielli 8 bis 10 E für Une I Bezirk, vielleicht einen landräthlichen Kreis, angebracht. _ Abg. von Bül o w- Wandsbek (fr. kons.) {loß sich namens der lfte seiner Freunde dem Vorschlag an, einen billigeren und theureren

agdschein zu bestimmen: den ersteren für die, welhe in ihrem eigenen kleinen t s jagen wollen; der leßtere kann nit theuer genug sein. Auf die Sonntagsjäger braucht man keine Rücksicht zu nehmen. Wenn der Schein für die ganze Monarchie 20 M fostet, darf der Fretsjagdschein höchstens 10 M fosten. ir beantragen gleichfalls die Vorberathung der Vorlage in der verstärkten Agrar- kommission. Dem Ausländer muß der Jagdshein auch ohne nd n E es L enn e nach ogs pr Y agen mög —, dami aiger Spionage an de überaus wird. ost Jagdstrafgelder sollte man ebenfalls den Kreisen en.

Abg. Kir ch (Zentr.) erklärte mit der Ueberweisung der Vorlage an die Seiéette Anreekommission einverstanden. Gegen

e Bestimmungen der Vorlage habe er Bedenken, so müßten namentlih die Bedingungen, unter denen der Jagdschein zu gewähren oder zu verweigern sei, genau geprüft werden.

von Woyna (fr. kons.) befürwortete die Erböbung der Jagd» 7 oyaa os: Elemente von der Ausübung dr Ee

ferubaltor: bielt eine ôrtlihe Begrenzung der Jagdscheine für ver- rch zu fehr ershwert werde,

kehrt, weil die polizeilihe Kontrole dadu : und empfahl die Notmerime des Jahresjagdsheins auf 15, des Tages- jagdscheins auf 5 Die Ausländer dürften nit so glimpflich be- andelt werden ; wer die Gesellschaft kennt und weiß, wie sie bei uns die Jagd betreibt, muß dem zustimmen. Die Ausländer müssen mindestens 30 #4 _ für den Jagdschein bezahlen. Die zweifelhafte Frage, wer die Strafen festzuseßen habe, muß in der Kommission Aba. S (Zentr.) beklagte die im Ges seh z warze entr. lagle die Im Geleÿ vorgesehene Höhe der Jagdscheingebühr und erklärte fh mit einer Kommissions- berathung einverstanden. 2 :

Abg. Martens (nl.) hielt es für das Beste, im Geseß für die Jagdscheingebühr eine Grenze von etwa 6 bis 20 #4 feftzulegen, die Festseßung der Gebühr selbst aber den einzelnen Kreisen zu überlassen.

Der Gesegentwurf wurde einer. besonderen Kommission von 14 Mitgliedern überwiesen.

__Es folgte die Berathung des folgenden, Jürgensen (nl.) eingebrahten Geseßentwurfs: S 1. Die 88 18 bis 27 des Gesetzes wegen Aufhebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 (Geseßz-Samml. S. 119) werden aufgehoben? § 2. Die auf Grund dieser Paragraphen erfolgten Rüdzablungen der Grundsteuer-Entshädigung werden aus der Staatskasse zurückerstattet.

Abg. Jürgensen (nl.) begründete den Gesetzentwurf damit, daß zahlreiche mittlere Grundbefißer namentlich in der Provinz Schleswig- HELES dur die infolge des Geseßes vom 14. Juli 1893 geforderte

üdckzahlung der Grundsteuer-Entshädigung chwer getroffen würden. Die Grundsteuer-Entshädigung fei bei Einführung der staatlichen Grundsteuer bedingungslos gewährt worden, und es sei eine Rüdck- zahlung der Entschädigung um so s{chwerer für den Betroffenen, als die Grundstücke zum größten Theile hon auf andere Besiger über- gegangen seien.

Abg. Sattler (nl.) erklärte, dem Antrage niht zustimmen zu können. Es solle einer Anzahl von Grundbesißern hierdurch eine Ver- günstigung gewährt werden, die ihnen niht zustehe. Da jeßt keine staatlihe Grundsteuer mehr gezahlt werde, könnten die früher von der Grundsteuer befreiten Grundbesißer auch feinen Anspruch mehr auf die Entschädigung machen, die ihnen seiner Zeit gewährt worden sei. Man werde es im Lande Ar p verstehen können, wenn auf die Rück- zahlung der Grundsteuer-Entshädigung verzihtet würde. Jch würde es für das Beste halten, den Antrag abzulehnen, würde aber einer kommissarishen Berathung niht widerstreben

Abg. von Kröcher (konf.): Meine Fraktion steht dem Antrag freundlich gegenüber. Wir haben seiner Zeit für die Rückzahlung gestimmt, wir baben aber eingesehen, daß hier nicht nur juristische Gründe zu beachten sind. Der Staatskasse bringen die Nükzahlungen keinen besonderen Nugen, die Grundbefiger aber werden {wer davon betroffen. Ih beantrage Ueberweisung des Antrags an die Budget- kommisfion. ;

Abg. Im Walle (Zentr.) erklärte sh gegen den Antrag, der im Widerspruch mit dem Rechtsbewußtsein des gesammten Volks stehe. (Widerspruch rets.) Zu beachten fei auch, daß das Geseß vom 14. Juli 1893 zwar schon in Kraft, aber niht {on in Wirksamkeit getreten sei. Daß eine Befreiung in eminentem Sinne bei der Auf- hebung der Grundsteuer eingetreten sei, sei niht zu leugnen. Daß die Kommunen die Grundbesizer zur Steuer heranzögen, sei eal da sie die größten Vortheile von den kommunalen Einrichtungen hätten. Das hänge mit der Wohlthat der Aufhebung der Grund- steuer garnicht zusammen. Gut sei es allerdings, den Geseßentwurf einer Kommission zu überweisen, die feststellen könne, ob in Einzel- fällen unbillige Härten vorgekommen seien. Da könne man Remedur schaffen, vom Prinzip der Rückzahlung dürfe man aber nicht abweichen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ich bin nit in der Lage, die Stellung der Staatsregierung zu diesem Antrag {hon jeßt bestimmt zu bezeihnen. Es handelt \sich hier um einen Jnitiativantrag des Hauses, und das Staats-Ministerium wird wohl zu demselben erst dann Stellung nehmen, wenn der Antrag überhaupt angenommen worden ift. Ich fann also nit bestimmt sagen, wie die Staatsregierung sich stellen wird nah Maßgabe der Ergebnisse der Berathung über diesen Antrag.

Aber ih möchte doch darauf hinweisen, was wohl niemand bestreiten wird, daß es höcst bedenklih. und, wie auch der Herr Vorredner richtig gesagt hat, höchst ungewöhnlich ist, wenn der Landtag und die Regie- rung sih über eine Geseßgebung von großer prinzipieller Bedeutung, von welcher diese hier vorliegende Frage nur ein kleiner Theil, aber ein integrierender Theil ist, nah langen, eingehenden Verhandlungen im Jahre 1893 geeinigt haben, daß nun, nahdem nichts Neues seit der Zeit dazwishengekommen iff, auch keine neuen Gründe für und wider dargelegt sind denn alles, was für und wider gesagt ist, haben wir damals schon ausführlich er- örtert —, plößlih das Haus eine ganz entgegengefeßte Stellung zu seinem eigenen früheren Beschluß nehmen sollte. Da müssen doc, meine Herren, um einen solchen Schritt zu rechtfertigen, ganz ent-

\cheidende und besondere Gründe und neue Verhältnisse vorliegen, die damals noch nit existierten. So liegt hier aber die Sache nicht. Allerdings kann es ja sein, daß der Eine oder der Andere die Aus- dehnung der Steuerfreiheit in einem einzelnen Kreise nicht so genau gekannt hat, wie er sie nun jeßt aus der Erfahrung kennen gelernt hat. Aber das if doch für die Grundfrage, um die es sich hier handelt, gar nit ents{eidend. Wir find mitten in der Ausführung dieses Geseßes. Ein Theil der zurückzuzahlenden Entschädigungen ift bereits im Finanz-Ministerium festgestellt; im übrigen sind die Feststellungen schon sehr weit vorbereitet, die meiste Arbeit und die meisten Kosten sind bereits entstanden bei der Durchführung dieser allerdings fehr \chwierigen geseßlihen Bestimmungen.

Was mich persönlich betrifft, so werden Sie sih wohl noh er- innern, daß ich immer anerkannt habe, daß für die Rükforderung der gezahlten Grundsteuerentshädigungen sehr viel, aber auch viel da- gegen angeführt werden könnte, daß man aber anerkennen müsse, daß allerdings die Rückforderung, wie sie auch Herr Im Walle geschildert hat, dem natürlichen Rehtsgefühl entspricht. Und darauf- hin das war für das Haus durhslagend, das war für das Herren- haus dur{shlagend if die betreffende Bestimmung beschloffen. Wenn der Herr Haus-Minister von Wedell im Herrenhause betont hat, welhe fatalen Agitationen \sich an die Frage knüpfen könnten, so fonnte er das nur sagen, wenn er *der Ueberzeugung war, daß der Verziht. auf die Rückforderung der Ent- schädigungen eben dem allgemeinen Rechtsgefühl im Volk zuwiderlaufe, und unter diesem Gesichtspunkt, den viele der Herren, namentlich auch von der Rehten, in der Kommission besonders und auédrücklih anerkannt haben, is eben auch diefe Entscheidung des Hauses getroffen. ;

Meine Herren, die finanzielle Seite hat allerdings eine so große Bedeutung niht. Ih werde Ihnen gleih einige Zahlen geben; aber gerade daraus geht doch hervor, daß ein angeblich großer Bedruck dur diese Forderung ebensowenig eintreten kann.

vom Abg.

Ursprünglih sind an Grundbesizger auss{hließlich der Städte an Entschädigungen gezahlt worden 29 087 233 4; die Städte haben erhalten Entschädigungen von 6119558 ÆA Nach den bisherigen Ergebnissen nehmen wir an, daß von dieser mehr als 35 Millionen betragenden Summe zur Staatskasse thatsählich zurückfließen werden zwischen 9 und 10 Millionen, also noch nit einmal ein Drittel des ganzen ursprünglihen Betrags. Das liegt in den Bestimmungen, die hier mildernd in das Gesetz hineingebraht sind, welche nit bloß bei verkauften Gütern die Rückforderung ausschließen, sondern namentli vorschreiben, daß nur von dem Besißer gezahlt werden soll nah Maß- gabe des Erbtheils, der auf ihn gekommen if seit Empfang der Entschädigung.

Meine Herren, was die Städte betrifft, so sind bis jeßt von uns festgestellt zum Wiedereinziehen 1 884059 4; dagegen find bereits erlassen und die Frage des Erlasses schwebt zum Theil auch noch bei der eben genannten Summe 1258 833 Æ, alles auf Grund einer Bestimmung, die hier ih glaube, mich recht zu erinnern von Herrn von Buch keantragt: wurde, daß in denjenigen Fällen, wo die Städte nicht eine Untervertheilung unter die einzelnen Grundbefißer vorgenommen, sondern die empfangenen Entshädigungsbeträge in die Kämmereikafse gezogen hatten, sie von der Rükforderung befreit fein sollten, wenn sie den Nachweis führen könnten, daß fie die empfangenen Entshädigungsbeträge zu gemeinnügigen, keine Mente gewährenden Zwetten verwendet haben. Die Rüforderungsbeträge der vertrags- mäßig Entschädigten das sind also im wesentlichen die Standes- herren betrugen 669 855 M

Ich glaube, shon aus diesen Zahlen und aus dem Ergebniß der bisherigen Ermittelungen geht hervor, daß es si im Ganzen niht um große bedeutende Finanzfragen handelt, aber nicht bloß für den Staat nicht, sondern ebensogut für die Bezahlungépflichtigen in den aller- meisten Fällen niht. Wenn jemand das Neunfache der ursprünglich ibm auferlegten Grundsteuer als Entshädigung bekommen hat, aber ich will ein Beispiel nehmen, die - Grundsteuer, die dem Pflichtigen auferlegt wurde, betrug 1 A \o empfing der Entschädigte 9 A Dieser Mann zahlt, wenn diejenigen Fälle, die den Betrag nah Maßgabe des Gesetzes vermindern, nicht vorliegen, 36 4 zurück. Diese 36 4 bilden die Rente, die er 694 Jahre lang zu zahlen hat. Also seine Lage wird unter allen Umständen besser; denn er wird befreit von einer Grundsteuer von 1 und zahlt statt defsen 604 Jahr lang 36 4. Ich kann also nicht zugeben, daß ein schwerer Bedruck, der die Existenz gewisser Personen, kleiner Leute, kleiner Bauern in Frage telle, hier vorliege.

Nun sagt allerdings und das hat ja etwas für sich der Herr Antragsteller: ja, die Grundsteuer und das wurde auch dort ge- rufen ist gar niht aufgehoben, sie wird weiter erhoben in den Kommunen, und darin liegt der Hauptnachtheil für die Rückzahlungs- pflihtigen. Allerdings sagt das Geseß nur: die Grundsteuer wird außer Hebung geseßt, und ih habe anerkannt, daß, sollte sie mal staatlicherseits wieder in Hebung geseßt werden, was ich für völlig unmöglih halte, daß dann das alte Privilegium wieder aufwachen würde. (Hört, hört! rechts.) Das habe ich schon früher ausdrülih anerkannt, und das erkenne ih auch heute an.

Nun allerdings können die Kommunen die Grundsteuer nah Maßgabe des Gesetzes ihrerseits heranziehen. Aber das fonnten sie auch {on vorher, das ift gar nihts Neues. Die Hauptklage über die Grundsteuer war die je verdreifahte und vervierfahte sogenannte Doppelbesteuerung, die durch die Zuschläge in den Kommunen vor Erlaß des fraglihen Gesetzes stattfand. In dieser Beziehung ift nichts geändert worden. Aber noch mehr und das sage ih den Herren aus Schleswig-Holstein bei Jhnen trifft das am allerwenigsten zu. Denn erstens die ländlihen Gemeinden in Schleswig-Holstein besiehen fast aus\{ließlih aus wirklichen bäuerlichen Besißern; was sie an Grund- steuer übernehmen, ersparen sie an der Einkommensteuer. Wo ift da von einem großen Druck die Nede? Aber noch mehr. Die Grund- steuer wurde gerade in den Kommunen von Schleswig-Holstein {hon früher \harf herangezogen, wie das überhaupt im Westen der Fall war. In Hannover beispielsweise, wie verläuft dort vielfa die Kommunalsteuersahe in den Städten? Es war dort üblich, Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und Einkommensteuer gleihmäßig heran- zuziehen. Wenn nun in einer Stadt diese gleihmäßige Heran- ziehung einfah aufrecht erhalten wird, so kann die Auffichts- behörde dagegen nah dem Kommunalfsteuergeseß, wie es hier geändert ist, nichts machen, und da \tecken einfach die Grund- und Gebäude- besizer die ganze erlassene Staatsfteuer vorerst in die Tashe. Es - ergiebt sih so aus der Veranlagung des neuen Konimunalsteuersystems doh auch eine wesentlihe Entlastung der Grundbesißer. Wenn ih die bisherige kommunale Grundsteuer und die Staatssteuer zusammen- rechne, dann wird durchgängig eine sehr erheblihe Entlaftung zurüdck- bleiben. Das werden mir, glaube ih, alle diejenigen Herren, die in der Kommunalverwaltung thätig sind, bier bestätigen. Jch glaube also, der angeführte Grund ift in keiner Weise maßgebend.

Nun sagt Herr von Kröcher: für mich war das früher etwas Verlegenes, da ih selbs zu den Entschädigungspflihtigen gehören sollte, mich gegen das Geseg zu erklären; nahdem ih aber gesehen habe, wie gering der Betrag ist, fällt diefer Gesichtspunkt für mih weg. Das kann do eigentlih nicht zutreffen. Jh bin überzeugt: Herr von Kröcher hat sih gesagt, in seinem Rechtsgefühl: es ift do eigentlich nicht richtig, daß ih eine erheblihe Entschädigung, die meine Vorfahren empfangen haben, behalte und außerdem frei werde nux durch die Staatsgeseßgebung und also die Freiheit genieße wie früher und die Entschädigung behalte. Wenn ex von diesem Gesichtspunkte \ih damals, wie ih glaube, hat leiten lassen und er selbs oder einer seiner Vorfahren bei der Berathung eines früheren Antrags ich glaube, es war {hon in den fünfziger Jahren sich selbs genau so ausgedrückt hat —, \o kommt es darauf niht an, ob man viel oder wenig Vortheil von einer Maß- regel hat. Wenn die Last, die auf den Einzelnen gekommen. ift, gering ist, wenn ein wesentliher Bedruck für die Existenz. des Einzelnen- niht vorliegt, dann is um so weniger Grund, an einem solhen Gesetz hinterher wieder zu rütteln.

Es sind das nur alles persönlihe Erwägungen, die ih ausspreche. Jch kann die Stellung der Staatsregierung hier nicht näher bezeichnen. Ich bin aber der Meinung, daß man in diesem Augenblick, wo noch gar nit zu übersehen is, wie groß die Gesammtsumme der rückzuzahlenden Entshädigungen sein wird, auf welhe Klassen der Bevölkerung sie sih vertheilt, wie die betreffende Lage dieser Be- völkerung ift, ob {were und die Existenz gefährdende Nachtheile für

einzelne eintreten können, wie das Verhältniß der Grundbesißer. auf