1895 / 119 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

wo Röbenbau getrieben wird, gestalten werden. Dieser ist do viel- fah ungünstiger situiert als der Domanialbesiß. Leßtere Besitzungen sind na allen Regeln des jeßigen Standes der Wissenschaft bewirth- haftet, mit allen möglihen M-fkiorationen ausgestattet, die Be- triebseinrihtungen sind mustergültig; das fann i dreist behaupten. Es sind nur intelligente Wirtbe, die auf diesen großen Domanial- besißzungen wirthsckaften, weil die preußisbe Verwaltung Werth dar- auf legt, nur tüchtige Pächter anzunehmen, und es sind kapitalkräftige Leute, weil jeder, der zur Pat zugelassen werden will, den Nacf- weis erbringen muß, daß er im Verbältniß zu dem Umfang der Pachtung das nöthige Vermögen besißt.

Wenn fon bei diesen Wirthschaften eine gefahrdrobende Krisis in Auésickt fteht, meine Herren, fo vergegenwärtigen Sie sch, wie viel akuter die Krisis beim Privatbesik sein muß, wo mitunter die Intelkigenz der Vewirthschafter nicht so groß ist, wo dieselben ab- bängig sind von ibren Inspektoren, wo die Besißer öfter mit ges liehenem Gelde die großen Fabrifen gebaut baben, wo ße an sh shon durch die gegenwärtige Krisis in eine bedrängte Lage gekommen sind, und wo sie vielfah noch mit erheblichen Schulden wirth- schaften müssen. Zweifellos ist die Behauptung, die ih im Abge: ordnetenbause aufgestellt babe, zutreffend, daß, wenn die Agrarkrisis sih auf den Rübenbau, auf die Zuckerindustrie ausdehnt, sie einen gefahrdrohenden, akuten Charakter annehmen wird, daß dann ein gewaltiger sozialer und wirthschaftliher Schaden eintreten muß.

Meine Herren, eine Bemerkung des Herrn Vorredners giebt mir zu einer Erwiderung Veranlafsfun2. Er hat scharf das Vorgehen der Reichsregierung in der Richtung fkritisiert und rehnet sh zum großen Verdient an, dagegen Front gemacht und immer darauf * bingewiesen zu baben, daß die Materialsteuer das Allerverkehrtcste sei, was man si denken fann. Jch bin gerade gegentheiliger Ansicht. Unsere Zuckerrübenindustrie, unfer Rübenbau ift gerade dur die Ma- terialsteuer zu der Höbe und Bedeutung gebraht, welche derselbe jeßt besißt (Sehr richtig! rechts); und daß das richtig ist, dafür ann ih den Beweis antreten.

Frankreih hat seit Jahren dur Emissäâre sh bemüht, festzu- stellen, woran es liegt, daß der deutshe Rübenbau, die deutshz Zuer- industrie der französishen überlegen sei, obgleid die flimatischen Und Bodenverbältnifse mindestens gleih günstig sind. Frankreich hat ih schließlich überzeugt, daß wir groß geworden sind durch die Materialsteuer. Und was haben die Franzosen gethan? Während die. Franzosen das Ideal des Herrn Meyer batten, die Fabrikatsteuer, haben fie neuerdings, um die Rübenindustrie der unsrigen eben- bürtig zu machen, die Materialsteuer eingeführt. (Hört, hört! rechts.) Aber nichtsdestoweniger bin ih mit dem Herrn Meyer darin einverstanden, daß, wenn wir erst unsere Nübenindustrie auf dem Welimarkt wieder fonkurrenzfähig gemaht haben dadurch, daß alle Staaten die Exportprämie abschaffen, dann haben wir rihtig ge- handelt, zur Fabrifkatsteuer überzughen. Die Fabrifatsteuer ermöglicht, daß auch auf den ärmeren Böden Rübenhau ftattfinden kann, daß demselben größere Futtermittel zur Verfügung gestellt werden, die dazu dienen, die Viehzucht zu heben und zu verbessern, und die dazu dienen, die ganze Wirthschaft zu heben, und den ärmeren Böden es er- möglichen, zur intensiven Tieffultur mit Kunstdünger überzugeben, wcdurch die reiheren Böden, welche - biéher vorneiml:ch Rüben trugen, groß geworden sind. Also was Herr Meyer will, erreihen wir am allerersten, wenn er mit der Reichsregierung dahin strebt, daß wir auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben, und wenn er zum Ausdruck bringt, daß wir jedenfalls auch fonkurrenzfäbig bleiben wellen; und das if nur zu erreichen, wenn wir zunächst wenigstens, soweit möglich, die Industrie im Weltkonkurrenzkampf s{hüten. Wenn das Ziel nicht erreicht wird, daß die mit uns konkurrierenden Staaten mit uns gemeinsam die Erportprämien aufheben oder gleichstellen, dann müssen wir den Konkurrenzkampf gegen daë Ausland aufnehmen, unsere Landwirthschaft auf der Höhe erbalten, auf der sie #ch jetzt befindet, und die nah Millicnen zählenden Kapitalien der Lands wirthschaft erbalten und sichern, die jeßt von der Landwirtbschaft in der Industrie angelegt find. Dadurch allein werden wir die übrigen Staaten zwingen und veranlassen schließlich hat ja jeder derartige Konkurrenzkampf für alle Kämpfenden große Nachtheile —, dadurch allein werden wir es erreichen, daß wir zu gesunden Zuständen kommen nit dadurch, daß wir, während wir zur Zeit auf dem Weltmarkt noch die Konkurrenzfäbigsten sind, wir jegt die Flinte ins Korn werfen, unsere gute Waffe bei Seite legen und uns einfach von den übrigen bei Seite schieben und ruinieren lassen; dazu kann ich als Vertreter des größten Bundeëstaats im Deutschen Reich unmöglich rathen.

Von diesen Erwägungen beraus, die niht bloß maßgebend für die vreußishe Landwirthschaft, sondern au für einen großen Theil der Landwirthschaft der übrigen Bundesftaaten, bitte ih dringend das hohe Haus, einstweilen das Nothgesez anzunehmzn und unwider- sprohen zu lassen, wenn ih bestimmt erkläre, das Notbgeseß foll nur Geltung haben bis zum Jahre 1897. Die Zwischenzeit soll benußt werden, um ein materielles Gese zu stande zu bringen, wenn es noch nothwendig is, und zwar ein solhes Gesez, dem die zunächst betheiligten Interessenten zustimmen. Wenn die Verband- lungen, die jeßt mit Desterreich und Frankreih geführt werden, niht zum Ziele führen, dann müssen wir unsere Konkurrenzfähigkeit dadur aufrecht erhalten, daß wir in den sauern Apfel beißen und größere Erportprämien wie jeyt gewähren.

Im übrigen mih noch tiefer auf eine Begründung des Stand- punktes der verbündeten Regierungen einzulassen, dazu liegt wobl gar keine Veranlassung vor, weil das in viel geshickterer und vollkommenerer Weise von dem Herrn Reichs-Schaysekretär bercits geschehen ist. Ich habe dessen Ausführungen nichts zuzuseßen. Nur eine Bemerkung will ih noch machen. Jn der Beziehung stimme ih mit Herrn Meyer überein: Das Ziel, was erreiht werden muß, ist, daß allmählich mit der Zunahme der Bevölkerung au entsprechend die Konsumtion zunimmt, und daß die Produktion zugeshnitten wird auf die steigende Konsumtion. Das sind ideale Ziele, die Sie aber auch nur tann erreichen werden, wenn Sie unseren Rübenbau und unsere Zucker- industrie am Leben erbalten. Lassen Sie dieselbe zu Grunde geben,

o wird Deutschland in seinem Konsum abhängig vom Auslande werden, was doch an sich ein großes wirths{aftlihes Uebel sein würde. Während wir jeßt große Einnabmen aus unseren Rüben- fabriken baben, müßten wir vom Auslande kaufen, au darin vom Auslande abhängig werden. Aber glauben Sie denn, daß, wenn ein Konkurrent auf dem Weltmarkt verschwindet, daß dadurch der Zucker-

giebt do zu denken, wie die Verbältniffe sich für den Privatbesiß, j preis im Inland billiger werden wird? Im Gegentbeil, er wird

i steigen, und wenn er fteigt, wird das niht dazu dienen, die Konsumtion

zu erweitern ; eher das Gegentheil von dem wird eintreten, was mit mir Herr Dr. Meyer berbeiführen will. Jh will au, daß die Konsumtion fteigt. Kurzum, wenn wir alle diese Dinge in ihrem inneren Zusammenhang, in ibrer logishen Folgerihtigkeit vrüfen, fo ift es nothwendig, daß wir in der augenblicklihen Lage zunächst wenigstens das Nothgeses machen, daß wir darüber klar sind, daf, wenn bis zum Jahre 1897 die Verhandlungen mit dem Auslande zu einem befriedigenden Ergebniß nicht geführt haben, wir dann ein ma- terielles Gesez machen müssen, das unsere Industrie im Korkurrenz- fampfe {ügt und die großen deutschen Kapitalien sicher stellt, welche in der Industrie angelegt sind. Ih gebe mih der Hoffnung bin, wie ih das im Abg-rordnetenhause auch hon autgesprochen babe, daß der Reichstag, welcher auf diesem Gebiete der Reichs- aes‘ßgebung allein mitzuwirken hat, patrictisch genug denkt, um die Existenz eines der wichtigsten Zweige unserer deutschen Landrirtk schaft nicht nah Theorien zu behandeln, scndèrn nach rein praktishen Gesichtépunkten das Bedürfniß und die Art der dur Gefeß zu g-währenden Hilfe zu bemessen. Ich bitte Sie, zunächst das Nothgeseg zur Verab’chiedung zu bringen. Was weiter kommen wird, wird die Zukunft lehren. (Lebhafter Beifall rechts und in der

Mitte.)

Abg. Spahn (Zentr.): Jh kann die Grklärung abgeben, daß wir dem Geseß zustimmen werden. Ein Theil meiner politischen Freunde ift von vornherein der Meinung, daß auf die Ausfubrprämien nit verzichtet weroen kann; aber auch diejenigen von ibnen, welche dem Geseg von 1891 in der Ueberzeugung zugestimmt baben, daß die deutsche Aucktrinbustele auch obne Auéfuhrvrämien fkonfurrerzfäbig wäre, erkennen an, daß dies normale Verhältnisse vorauëseze, daß solche aber niht vorliegen. Wir baben jedo den Wuns, daß, wenn die Verbandlungen mit anderen Ländern zu einem Ergebniß führen sollten, der Bundesrath {on vor Ablauf dieses Geseßes zu LVeseiti- gung der Auzfubrprämien schreiten möhte.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Wenn dezr Staatésekretär sagt, der Reichstag ci nur gewillt, platonish für die Landwirthschaft vor- zugeben, und wenn es sch um positive Maßnahmen handle, dann versage die Kraft, so will ih daran feine Kritik üben, sondern seine Mahrung nur unterstüßen. Aber wznn bier dem Reichêtag Vorwürfe gemacht werden soller, so fann man ties2 au den verbündeten Regierungen machen, daß sie das Geseg erst im allerlegten Augenblick eingebraht haben, erst wenige Tae vor dem Schluß der Session zu einer Zeit, wo das Haus oft nicht mebr beschlußfähig ist. Jch glaube, die Uneinigkeit in der Zucker- industrie war nur s{einbar. Aber wenn auch die Meinungen wirklich auSeinandergingen, so hat das die Regierungen niht abhalten brauen, ibrerseits die Sache energisch in die Hand zu nehmen, und thatsäblich hat die Lardwirtbshaft monatelang ausgeschaut, ob die in Aussiht gestellte Hilfe nicht bald kommen würde. Erf in allerleßter Zeit hatte man die Sach? in die Hand genommen. Erst vor 14 Tagen hat man daven gehört. Warum hat man nit eber versucht, eine Einiguag mit den anderen Staaten zu finden? Fch will dem Staatssekretär und dem preußischen Landwirtbschafts-Minister keinen Vorwurf maten. Sie baben si eifrig bemüht und den Dank der Zuckerindufstrie verdient. Aber ih bedaure, daß die Widerstände niht überwunden werden fonnten, uad daß es niht mögli war, den Widerstand eber zu bescitigen. Meiner Ansicht nah müßten die verbündeten Regterungen daran denfen, baldmöalihit ein definit- tives Geseß zu schaffen. Mit einem Notbstandégesez kann man so viel nidt erreihen. Es ift von den kleinen Mitteln das kleinste. Das läßt sich nicht bestreiten. Selbstverständlih wird meine Partei das Gese annehmen mit Rücksicht auf die Ausführuncen der Negierungs- vertreter und namentlich mit Rücksiht auf die Motive, in denen die Nothwendigkeit von Maßregeln anerkannt ist, um einer Ueberproduftion, einer erneuten Krise entgegenzutreten. Wenn der Abg. Dr. Meyer voraussehen zu fönnen glaubt, daß in kurzer Zeit alle Prämien beseitigt werden würden, indem eine Konfumvermehrung eintrete, so meine ich: So weit sind wir noch niht. Die Zuckerindustrie if eine große Wesltinduftrie: sie stebt und fällt beute mit der Steuergescgebung nit in Deutschland, sondern allenthalben in den Konfurrenzländern : und diese Korkurrenz- länder zwingen uns, an den Prämien noch festzuhalten, um uns kfonturrenzfähbiz zu erbalten. Ich gebe aber zu: das Beste wäre es, alle Prämien zu beseitigen, und ih bin erfreut darüber, daß die Ver- treter der Regierungen mit Nacbdruck erklären: Es wird gelingen, die Prâmien dur internationale Verhandlungen zu beseitigen. Vielleicht hâtte man den Weg {hon früber betreten fönnen: dann wäre man über ernste Sorgen hinweggekommen, und wir hätten vielleiht bessere Zustände. Ih hoffe, daß es mögli sein wird, dieses Ziel zu erreichen; aber vorläufig hat man noch das Recht, Bedenken zu äußern, und ih glaube, es wird nur ôglich sein, von Franfreih Zugeständnisse zu erlangen, wenn wir die Waffen tie wir haben, behalten und eventuell verstärken. Jh habe zur ¡weiten Lesung eine Resolution vorbereitet, dahin gebend :

Der Reichstag wolle beschbließen: den Herrn Reichékanzler zu ersuhen: baldigst ein neues Zudersteuergeses vorzulegen, in dem böbere Ausfubrprämien gewährt werden, falls es nicht gelingt, durch internationale Vereinbarungen eine Beseitigung der Prämien in den Hauptexportländern berbeizuführen.

Vir müssen in den sauren Apfel beißen und no& vorläufig unsere eigenen Prämien erhöhen, um der deutschen Zuecindustrie in diesem Kampfe zu helfen. Trogdem die Regierungen cine solche Resolution nicht für nothwendig halten, wäre es vielleidt beser, daß der Reichêtag dieser Resolution zustimmte, als daß er sazte: Wir sind niemals für eine Erböbung der Prämien zu haben. Die Zucker- industrie würde shwer geshädigt werden, wenn Deutschland nit mehr die führende Rolle auf dem Zuckermarkt einnähme. Wenn wir aber die Waffen aus der Hand geben, so wird Deutschland vom Zudcker- marft verdrängt werden. Deshalb müfsen wir diefe theoretisch gewiß nicht anzuerkennenden, aber in der Praxis doch bestehenden Prämien vorläufig no ertragen, und ih bitte Sie daber, der Resoluticn in der zweiten Lesung Ihre Zustimmung zu geben.

Abg. Schip pel (Soz.): Wir vertreten genau den Standpunkt, den die Regierung 1896 eingenommen bat. Die Motive des Gesetzes von 1891, als dessen Urheber wobl der Finanz-Minister Dr. Miquel bezeichnet werden fann, [auten denn do ganz anders als die Motive deé jeßt vorgelegten Geseßes, und id muß mich wundern, wie die Regierung in der Zwischenzeit ihren Standpunkt verändert bat. Wir ändern unsere Stellung so leiht niht und müssen uns daber gegen das vorliegende Gefcy erklären. Warum sollen wir die Zueerprämien nicht vermindern? Hat doch au Frankreich seine Ausfuhrprämien berabgesezt. Das Ausfuhrprämiensystem hat ja die Ueberproduktion

erst herbeigeführt und gesteigert.

Abg. von Staudy (d. kons.): Ich sprehe im Namen meiner politischen Freunde den beiden Herren Regierungsvertretern den leb- haftesten Dank aus für das Interesse, das sie dieser Angelegenheit entgegenbringen. Möge uns die Hoffnung nicht täuschen, daß dieses Interesse sich au auf den Körnerbau in dem Umfange, wie wir es wünschen, ausdehnen möchte. Wenn der preußische Landwirtb \chafts- Minifter die Interpellation der Domänenpächter betonte, so möchte ih, um ein Mißverstehen dieser Bemerkung zu verhüten, aus- sprehen, daß der Großgrundbesiß überall durch seine Intelligenz eine führende Rolle \pielt und den Bauern als Vorbild dient. Der A ist eine Nothwendigkeit und hat eine Aufgabe glänzend erfüllt. Frankreich seine Prämie herabgemin- dert habe, wie der Abg. Schivppel behauptete, ist fals. Mit Genug- thuung haben wir vernommen, daß eine internationale Vereinbarung betreffs Abschaffung der Prämien Aussicht bat : denn wir sind prinzipiell

Gegner der Ausfuhrprämie und würden dieselben am liebsten verwissen. i S j an, _Abg. Roesidcke (b. k. F.): Auf allen Seiten des Hauseg

konstatiert worden, daf man der Abschaffung der Zuerausfubrprämizz auf internationalem Wege zustimme. In einem Augenblick, wg B verbündeten Regierungen im Begriff find, in dieébezügliche int nationale Verhandlungen“ einzutreten, wäre es verfehlt, ibnen dady,e die Hände zu binden, daß man ohne Rücksicht auf die korfurrieren Staaten und den Weltmarkt die deutshen Prämien ermäßigt bezw abschaffflt. Gegen den Autrag Paasche erkläre ih mit bu das bestimmteste, weil er ähnli dem Antrag Kaniß auf „j, Monopolisfierung abzielt. Die Notblage ift dur Ueberproduktioy entstanden. Läßt man den Dingen den _natürlichen Lauf, so wird d, Produktion des Zuckers und infolge dessen au die der Rüben dos selbst eingeshränft werden. Die Hauptsache ift, daß die Zuter, industrie nicht durch neue Steuerprojefte beunrubigt wird.

Staatssekretär des Reichs - Schaßamts Dr. Graf von Posadowsky:

Ich muß einige Worte erwidern auf die Auéführungen des Herra Abg. Schippel.

Zunätst verzichte ih felbstverftändlih darauf, bier im Plerum des Hauses mich in eine Erörterung einzulafsen, wie sich seit 1891 die Zuckersteuergesezgebung in den einzelnen Konkurrenzstaaten ent. wickelt hat. Jch glaube, daß bei einer diffizilen Materie, die so ge naue Rechnungen erfordect, das hobe Haus kaum geneigt sein würde weiteren Erörterungen zu folgen. E

Wenn dann der Herr Abg. Shippel behauptet kat, daß ih mit

meinen jeßigen Ausführungen in geradem Gegensaße stände zu den! jenigen Auëführungen, die den Motiven des Geseyes von 1891 bei, gefügt waren, so bedauere ich behaupten zu müssen, daß sih de: geehrte Herr Abgeordnete im Irrthum befindet; ih bätte gewünsdt, er bâtte die Motive, von denen er nur einen Theil vorgelesen bat ganz zur Verlesung gebracht. Mit Genehmigung des Herrn Pré, fidenten möchte ih den entscheidenden Passus mir erlauben vorzulesen, Er heißt :

„Denn die Konkurrenzfähigkeit unseres Zuckers hängt davoz ab, wie sih die gesammten Bedingungen feiner Produktion und Ausfuhr im Verbältniß zu den Bedingungen der Zuckerproduktion und -AuFfuhbr der übrigen betbeiligten Länder stellt. Eine Unfähig- feit zur Konkurrenz gegenüber dem Zucker von Prämienländer: könnte füc unsere Industrie nur in foweit eintreten, als die Zuder: industrie jener Linder obne die Prämien oder obne deren vollen Betrag ebenso günstig produziert und exportiert, wie die prämier, lose deutshe Zuckerinduftrie. Nur eine derartig s\ituierte fremde

Zuckcrindustrie würde in dem vollen Betrag der Prämien oder einem-

Theil derfelben einen reinen Vorsprung vor der deutschen Zur,

industrie genießen.“

Wenn der Herr Abg. Schippel meinen vorherigen Ausführungen

gefolgt ift, so wird er wissen, daß i erklärt babe, andere Konkurrenz staaten bâtten sowobl im Bau der Zuckerrübe, wie in ibrer Zudckzr- tehnik so erhebliche Fortschritte seit 1891 gemacht, daß jeßt die Voraus seBungen, von denen damals die Motive auësgingen, erfüllt seien, ta jeßt jene fremden Staaten uns eine ebenbürtige Konkurrenz matter und doch noch eine wesentli höhere Ausfuhrprämie genössen wie wir. (Sebr richtig! rechts.) Diese Reserve ist demnächst dur bekannte Erklärung meineë Herrn Amtsvorgängers noch festgelegt, in tresder er bétont: die Ermäßigung der Prämien und die event. Auf- bebung derselben findet nur unter der Vorauéseßzung statt, daß die anderen Staaten unserem Beispiel folgen.

Ich kann ferner den Ausführungen des Herrn Abg. Roesid: darin Recht geben, daß, wenn \ch die Preise niht beben, der Bau der Rüben zurückgehen wird, es würde infolge dessen ein geringere Angebot an Zuckerrüben ftattfinden und damit auch die Zuter- produktion zurückgehen und folglich der Zuckerpreis sleigen. Aber wer ist der Geshlagene? Die Landwirthschaft. Sie braucht ebe zu ihrer Prosperität die Kultur der Zuterrüben.

Dem Herrn Akg. Dr. Meyer gegenüber möchte ih bemerken, daß seine Wünsche zum theil bereits durch die Ausführungen zu dem S 6 vom 31. Mai 1891 erfüllt sind. Wir erstatten bereits die Zuckersteuer zurück für Chokolade für verzuckerte einbeimisdhe Früchte u. s w.,, und es wird fortgeseßt das fann ich ihn versihern erwogen, ob man nit die Vergütung der Zukersteuer au auf weitere zuckerhaltige Fabrikate autdehna fann. Wz:nmn das biéher nit im weitefen Umfange schieht, so liegt das daran, daß es zum theil technisch sckwer nad weisen ist, in welhem Prozentsaß \sich Zuder in den einzelne Fabrikaten befindet. Jch glaube, Herr Abg. Dr. Meyer verwehselt diese Steuerrergütung mit etwas Anderem. Die Chokolade- ur Konservenindustriellen verlangen, daß ihnen auch tie Ausfuh:prämi prozentual gewährt werde für den in den ausgeführten Fabrifaten ent haltenen Zudcker, und das ift bisher allerdings niht in Aussicht genommex.

Wenn dann \{lißlich Herr Abg. Dr. Meyer mir gegenüber tin [iterarisches Bild aus dem Leben Sghiller's angewandt bat, so farn ih ibm erklären: wenn ich in meiner Stellung etwas dazu beitragez fönnte, daß alle Erwerbsstände in Deutschland ihr reihlihes Bret erhielten, würde ih sehr zufrieden sein. (Bravo!)

Abg. Leuschner (Rp.): Es kann kein Zweifel darüber bestebez, daß die Zuerindustrie von besonderer Bedeutung für die Landwirt?» schaft ist. Daraus folgt, daß wir alles aufbieten müssen, um oe Industrie lebensfäbig zu erhalten. Jch habe namené meiner polit? qm Freunde die Erklärung abzugeben, daß wir mit der Vorlage der ver- bündeten Regierungen einverstanden find, und daß wir au dem Bor [lage des Abg. Dr. Paafche freundlih gegenüberstehen.

Abg. Loßzte (d. Refp.) erklärt sih für die Vorlage. e ___ Abg. Szmula (Zentr.): Wir können der Regierung dankt dafür sein, daß sie in Auésicht gestellt hat, daß cin definitives Ses? in den nächsten Jahren vorgelegt werden soll, und bätten nur wünscht, daß ein soldes schon früber gekommen wäre: 1897 E Z boffentlid angenommen werden. Ohne einen fteuerlihen Schug tar unsere Zukerindustrie mit Frankrei und Amerika nicht fonfurr! Tciár

Abg. Dr. Meyer (fr. Vg.): Wenn ih mit dem Staatsse ari von Pofadowéky in einem Punkt übereinstimme, so ist es darin, Le die Berechnung der Durchschnittsdividenden von Aktiengesell|%2 R müßig ift. Ih stelle diesen Ausspruch hier fest, um mi darau e rufen zu können. Soeben erbielt ich ein Telegramm aus London, 2 dem hervorgeht. daß die Zukerpreise eine steigende Tendenz E a

__ Abg. Dr. Paasche (al.): Der Abg. Roesicke hat verfu#t, pa niht auf der TageZordnung \tedenden Antrag dur eine erm mit dem Antrage Kanig zu verdächtigen. Ich glaube, er hat S Antrag nicht durchgelefen, sonst bâtte er nit von einer Monope sierung gesprochen, von der darin gar keine Rede ift. 2 1

Damit schließt die erste Berathung, und das Haus sofort in die zweite Berathung ein. 2 der _ Abg. Spahn (Zentr.) beantragt die Einfügung folgenden Bestimmungen : - pufsége

Der Bundesrath ift ermächtigt, die vorstehenden Zuschuß!

bis

* U

vorúbergebend oder dauernd zu ermäßigen oder die Bestimmung ¿ber die Zablung von Zuschüssen vollständig außer Kraft zu segen, sobald in anderen Rübenzudcker erzceugenden Ländern, welche gegen- rártig für die Zuckererzeuçung oder Zuckerauéfuhr eine Prämie ge- währen, diefe Prämie ermäßigt oder beseitigt wird. Der bezügliche Beschluß des Bundesratbs ist dem Reicbetag, sofern er versammelt ¡ff, fofort, andernfalls aber bei seinem nähften Zusammentreten vor- legen Derselbe ift außer Kraft zu seßen, soweit der Reichstag dies vertang.- :

Abg. Richter (fr. Volkép.): Ich bâtte keine Veranlassung, mi teutz bier nobmalë über die Zudckerprämienfrage- auszusprechen, da ih meinen Standpunft bereits früber dargelegt babe; aber die Erklärun dez Regierung und der Antrag des A g. Dr. Paasche bestimmen ad doch dazu, denn sie eröffnen eine bedenflihe Perspektive. Meiner An- iht nab thut der Zuckerindustrie vor allen Dingen eine Stabilität der Gesetzgebung notb, denn sie bat durch die S{wankungen der Ge- jeggebung sehr gelitten. Durch die künitliben Dtaßnabmen, ihr sofort cixe Rentabilität zu vershafen, hat man sih gewöhnt, seine Erwar- tungen auf gefeßlihe Maßnahmen zu stellen, statt auf das Verbältniß zwischen Angebot und Nachfrage. Fürft Bismarck hat seiner Zeit die ZéuBzollgese8gebung damit befürwsrtet, daß dur die Erböbung der ZénBziélle die anderen MäPte veranlaßt werden würden, ihre Zölle terabzusepen. Genau das Gegentheil ist eingetreten. Oesterreich- üngarn beabsichtigt, wie aus der uns geg:benen Erklärung zu {ließen ff, nidt die Abschaffung, sondern die Normierung von Marximal- igen für Prämien; es ist daber zu befürchten, daß, wenn wir hier egt Sápe feststellen, diese leiht als Marimal- und damit Normal- spe statuiert werden könnten, während wir do die vollständige Ab- ihaffflung anstreben. Daher scheint es mir nüzliher, wenn wir jeßt bier nihts an der Sache rühren.

Abg. Dr. von Paasche (nl.) bringt die von ihm ange- fündigte Resolution ein, die Erhebung höherer Ausfuhr- prámien im Falle des Scheiterns der internationalen Ver- handlungen betreffend. Es wird beschlossen, diesen Antrag erft nah Beendigung der zweiten Berathung der Geseßvorlage ge- sondert zur Verhandlung zu bringen.

Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky:

Ih glaube, zur Abkürzung der Diskussion den Antrag Spahn mvfeblen ynd erklären zu können, daß die verbündeten Negierungen

fine Bedenken gegen denselben begen dürften.

Der Antrag des Abg. Spahn (Zentr.) wird hierauf mit großer Mehrheit angenommen.

Die Abstimmung über den so erweiterten Gesezentwurf

ine namentliche.

Für den Gesegentwurf stimmen 140, dagegen 46 Abge- ordnete. Es sind mithin nur 186 Mitglieder anwesend und das Haus nicht beshlußfähig.

Präsident Freiherr von Buol beraumt die nächste Sizung auf Montag, 1 Uhr, an mit der Taaesordnung: Gesetzentwurf, betreffend Sklavenraub und Sklavenhandel, Geseßzentwurf über die Shußtruppe, Fortsezung der zweiten Berathung des Ent- vurfs eines Geseßes wegen Abänderung des Zuckersteuergeseßes, erste Berathung des von den Abgg. von Dallwiß, Baron von Gustedt, Graf von Holstein, von Ploet, von Podbielski, Rettih eingebrahten Gesegentwurfs, betreffend die Herstellung, den Handel und Verkehr mit Butter, Buttershmalz, Schmalz, Margarine, Kunsispeisefetten und Käse.

Schluß gegen 5 Uhr.

Breußischer Landtag. Herrenhaus. 15. Sißung vom Freitag, 17. Mai.

Ueber den Beginn der Sißung ist gestern berichtet worden.

Zur Berathung gelangte zunächst der Entwurf eines preußischen Gerichtsfostengeseßes, dessen unveränderte Annahme der Wirkliche Geheime Ober-Postrath Dambach namens der Justizkommission empfahl.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Im Anschluß an die Bemerkungen des Herrn Referenten bitte ib, mir au nur einige wenige Worte zu gestatten. Vie schon von dem Herrn Referenten hervorgehoben worden ift, bat das vorliegende Gerichtéfkostengeseß wesentlih den Zweck, auf einem Vebiet, auf dem außerordentlih große Verschiedenbeiten und Mannig- faltigkeiten bizher bestanden, eine Einbeitlichkeit des Rechts innerhalb Preußens herbeizuführen.

Es ist als ein nicht wünschen8wertber und auf die Dauer nicht trträgliher Zustand angesehen worden, daß innerbalb der Monarchie in versbiedenen Provinzen dieselben Recbtsakte mit ganz verschiedenen Koften belastet werden, sodaß die eine Provinz bevorzugt, die andere benatheiligt ersheinen fönnte. Das Gefeß hat aber nit nur diesen Zweck verfolgt, sondern es hat auch in Uebereinstimmung mit den Grundsätzen, die in den leßten Jahren für andere Geseßze maßgebend #wesen find, erstrebt Entlastung der s{wäheren Bevölkerungsklassen dur Ermäßigung der Kosten für geringere Objekte. Für Vormund- \hafts- und Grundbuchsahen hat die Ermäßigung durhgeführt werden fönnen bis zu Objekten von 4500 # Allerdings ist es niht mögli wesen, die dadurch der Staatskasse entgebenden Einnahmen vollständig “allen ¡u lassen; es hat ein Ausgleih gesuht werden müfsen in der Er- bung der Gerichtskosten für höhere Objekte, die dann aber auf leistungs- ‘îbigere Schultern gelegt werden. Auch das entspricht der Auffassung,

die namentlich in diesem hohen Hause immer befolgt worden ift, daß

die [eistungéfähigeren Schultern in erhöhtem Maße herangezogen verden müssen, als die ärmeren Kreise der Bevölkerung.

__ Ih glaube deshalb, auch in dieser Rihtung wird der Entwurf Lt Widerspruch nicht wohl begegnen. Es is nun das Abgeordnetenhaus in wesentliGen Punkten weiter gegangen, è bat eine Reihe weiterer Kostenherabsezungen beschlossen : um theil, wie bereits hervorgehoben, unter ausdrüdckliher Zustim- mung der Staatsregierung, zum theil gegen gewisse Bedenken, zum

gegen ausdrüdcklihen Widerspruh der Staatsregierung.

_ Meine Herren, ih erkläre biermit in Bestätigung dessen, was be- [uné in der Kommission von den Kommissarien gesagt worden ist, daß e Staatsregierung darauf verzichtet, in irgend einer Richtung die Wie- ‘erderftellung der Regierungsvorlage in Anregung zu bringen, unter der Vorausseßung, daß niht von anderer Seite eine weitergehende Herab- bung in Antrag gebraht und vom Hause bes{chlofsen werden möchte. N finen folhen Fall würde die Königliche Staatsregierung sich ihre ‘tere Entschließung vorbehalten müssen. snd Lie Ermäßigungen, -die im Abgeordnetenhause beschlossen wurden, i mum theil von sehr erhebliher, wenn auch nicht ganz genau zu über- uis Tragweite. Es ist mit ziemliher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, F Ld einen Theil der vom Abgeordnetenhause beschlossenen B ein recht umfangreiher Ausfall eintreten wird für die

Me. Es wird, wie gesagt, davon abgesehen, in dieser Be-

ziehung eine Remedur herbeizuführen. Ich will bemerken, daß Kosten- gefege unter allen Umständen niht überall sich einer freund- lichen Aufnahme erfreuen; sie theilen dieses Schickfal mit den Steuergesezen, und es is auch auf diesem Gebiet niht mögli, allen Anforderungen und Wünschen gleibmäßig gerecht zu werden. Ich balte die Möglichkeit nit für auëgeshlossen, daß auch in der Anwendung des beute zu Ihrer Beratbung ftebenden Kostergeseges in Zukunft Beschwerden werden erboben werden, wie sie {Gon im Ab- geordnetenbaus2 in Ausësicht gestellt worden sind von einzelnen Interessentengruppen. Tret alledem darf uns das nit abhalten, das Gesez zu verabshieden. MöHten spätere Erfahrungen ergeben, daß die Anwendung des Gesetzes Unzuträglichkeiten oder Härten mit sih bringt, die nicht wobl ertragen werden können, dann wird die Königliche Staatsregierung immer ih bereit finden laßen, die bessernde Hand anzulegen. Ih halte es für im boben Grade wünschenswerth, daß das Geses jegt unverändert zur Annahme komme damit eine Geseßgebung, die vieljährige mühsame Vorarbeiten zur Vorautseßzung gehabt hat und der es nur mit erbeblicer Anstrengung gelungen ift, die von ibr erstrebte Einbeitlihfkeit und Gleihmäßigkeit auf dem Gebiete der Kostengesezgebung zu erreichen, damit diese Geseßgebung auch in der That heute zum Abschluß komme, und niht etwa dur Beschlieÿung neuer Aenderungen die Nothwendig- keit berbeigefübrt werde, das Geseß noch einmal an das Abgeordnetea- haus zurückgeben zu laffen.

Von den Petitionen, die seitens des Herrn Referenten erwähnt find, geht die eine, wie ich hôre ausgegangen von rheinischen Hausbesizern, dahin, die Ermäßigung der Kostensäße in noch höherem Maße auszudehnen, als die Regierungsvorlage und das Abgeordnetenhaus es bisher zugestanden - baben. Solche Wünsche sind shon im Abgeordnetenhause vorgebracht und lebhaft vertreten worden, haben aber dort feine Zustimmung gefunden. Es handelt sib um spezifishe Interessen des rhernischen Grundbesißes, dessen Verhältnisse allerdings etwas von den?n der östlichen Pro- vinzen abweich:n, insofern als der Grundbesig dort in hohem Maße zersplittert ist, und deshalb Veräußerungen häufiger vorkommen, sodaß vielleitt unter Umständen die Kostenfrage dort lebhafter empfunden wir dwie anderswo. Ih möchte Sie aber bitten, auc bier sih auf den Standpunkt des Abgeordnetenbauses zu stellen und nicht auf Aenderungen in der angestrebten Rihtung einzugehen, um so weniger als bestimmte Vorschläge, in welher Richtung, welchem Umfange und welcher Art solche Aenderungen in das Gese einzu- fügen wären, nidt gemacht sind.

Eine Petition der Berliner Notare bat zum Gegenstand eine Erhöhung der Wegegebühren für Wechselproteste. Ich enthalte mich, in diesem Augenblick darauf einzugeben, und behalte mir vor, wenn die Sache bei der speziellen Berathung zur Sprae kommt, mich darüber zu äußern.

Das Haus trat sodann in die Spezialberathung ein.

Nach § 76 Absagz 2 des Entwurfs soll für beglaubigte Abschriften oder Auszüge aus dem Handelsregister ein Zehntel der für die Eintragung der Firma erhobenen Gebühren, mindestens aber 1 M erhoben werden.

Ober-Bürgermeister Struckmann hielt diese Gebühßren für zu bech bemessen, besonders da in Prozessen die Zablung der Gebühr öfter dem prozessierenden Kreditnehmer zur Last fallen würde. Auch werde bäufig von den Richtern im Laufe eines Prozesses eine erneute Beglaubigung verlangt, wenn der Prozeß längere Zeit dauere. Er ersue den Justiz-Minister, bier, wenn möglich im Verwaltungêwege, Abänderung zu treffen.

Justiz-Minister Schönstedt:

Meine Herren! Den thatsächlihen Angaben des Herrn Ober- Bürgermeisters Struckmann kann ich in keiner Weise widersprechen. Die Gebühr für Bescheinigungen und Auszüge aus dem Handels- register, die nah dem bestehenden Reht im Höchstbetrage si ein- ließli eines Stempels auf 3 # belaufen fonnte, kann nach dem vorliegenden Gesegentwurf unter Umständen, wenn es #ich um größere Gewerbebetriebe, große Gesellshaften u. |. w. handelt, eine Höhe von 10 Æ erreihen, und ih gee dem Herrn Ober-Bürger- meister Struckmann au das vollständig zu, daß diese Gebühr nicht immer den Inhabern derartiger Firmen und Gesellsbaften zur Last fallen würde, sondern daß se vielfah in Prozeßsachen dem unter- liegenden Gegner, im Hypothekenverkehr dem Kreditnehmer endgültig aufgebürdet werden wird. Das kann allerdings zu erheblichen Be- {werden führen, und ih würde meinerseits nichts dagegen zu er- innern gehabt baben, wenn im Abgeordnetenhause eine Ermäßigung dieser Säge beschlossen worden wäre. Daß das nicht der Fall ge- wesen ist, beruht allerdings auf einem Versehen oder einem Miß- verständniß. Es war in der dritten Lesung ein entsprehender Antrag von dem Abgeordneten Hartmann gestellt worden, der dann von ihm zurüdckgezogen wurde. Er sollte von einem anderen Herren wieder auf- genommen werden. Dieser batte aber den rihtigen Augenblick verpaßt und kam zu spät. Deshalb ift es dabei geblieben. Troß alledem und obgleih ich anerkenne, daß eine Ermäßigung des Satzes niht un- erwünscht wäre, möchte ich doch im allgemeinen Interesse Herr Struckmana ist ja damit einverstanden bei der jeßigen Geschäfts- lage bitten, davon abzusehea und die Bestimmung nicht zu ändern. Ihre Tragweite ist doch nicht so groß, wie es vielleiht scheinen könnte. In dieser Beziehung darf ih zunächst darauf aufmerksam machen, daß es einer folhen Bescheinigung über die Legitimation einer Firma überhauvyt niht bedarf, wenn die Sache bei demselben Gericht \{chwebt, wo auch das Handelsregister geführt wird. Da hat der Richter die Pflicht, sich durch Einsicht tes Handelsregisters selbt die nöthige Kunde zu vershaffen. Im übrigen darf angenommen werden, daß im großen Hypothekenverkehr der Hypothekenbanken und fonstigen Kredit- gesellshaften sich doch wohl Wege finden lassen werden, daß nicht für jeden einzelnen Fall die Gebühr erhoben wird. Es wird sh bei einer verständigen Geschäftêverwaltung erreihen lassen, daß diese Gesell- schaften cine Zahl von Akten zusammenkommen lassen, die dann zusammen mit einem für alle ausreihenden Attest aus dem Handelsregister dem Gericht überreiht werden. Die Praxis der Gerichte Herr Struckmann hat das auh er- wähnt is vershieden. Hier und da soll regelmäßig eine Bescheinigung allerneuesten Datums gefordert werden. Mir ift es in meiner Praxis niht vorgekommen, daß ein Auszug aus dem Handelsregister, der etwa im Beginn eines Prozesses überreicht wurde, im späteren Verlauf des Prozesses irgendwie beanstandet und, etwa im Falle einer Eidesleistung von dem Inhaber der klagenden Firma der Gesellshaft ein neues Attest gefordert worden wäre. Im Verwaltungswege in diefer Beziehung einzuwirken, würde allerdings

schwierig fein ; denn es handelt sich da immer um Akte des erkennenden Richters, die sh der Beeinflufsung dur die Justizverwaltung entziehen. Aber ih glaube, bei verständiger Erwägung und praktisher Handhabung der Geschäfte wird vielfa, wo gar kein Zweifel vorliegt, daß eine Aenderung in dem Bestande einer Firma eingetreten sei, der praftishe Richter sich auch mit einem Attest älteren Datums begnügen und niht darauf bestehen, daß: ein für den Augen 5lick, für den Tag selbst ausgestelltes neues Atteft über- reibt werde. Dies wäre ja auch prafktisch undurchführbar, namentlich wenn es sich um eine auêwärtige Firma handelt, wo ja immer Tage ¡wischen der Azsftellung des Auszugs und seiner Vorlegung bei einem vielletht weit entfernten Gerichte vergehen können, sodaß die Möglich- keit ciner inzwischen eingetretenen Aenderung au hier gegeben wäre. Ich glaube also, in der Praxis wird sich die Sache nicht so gefährlich geftalten, wie es, vom rein theoretishen Geßhtspunkte aus betraGtet, vielleiht ersheinen fönnte. A

S 93 verlangt für die Beaufsichtigung von Fidei-

fommissen und Stiftungen jährlich nach dem Betrage des Vermögens 2/19 der Gebühren für gerichtliche Beurkundungen und Bestätigungen. _, verr von Wiedebah wünschte, daß eine wirklihe Beauf- sichtigung stattfinde. Es seien Fälle vorgekommen, in denen das ganze Jahr hindur feine Beaufsichtigung eingetreten sei; auch in folchen Fâllen Gebühren zu verlangen, fei ungeredt.

JustipMinister Schönstedt:

Zu meinem Bedauern bin ib nit in der Lage, eine bestimmte Erklärung in der von dem Herrn Vorredner gewünfhten Richtung abzugeben. Es läßt sih eben nicht genau definieren, worin die Be- auffihtigung eines Fideikommifses bestebt. Vielfah kann es aub dem Fideifommißbesizer so erscheinen, als“ wenn die Aufsihtëbebörde vollständig untbâtig gewesen wäre und nihts geiban bâtte, als die Aufstellung einer Kostenrechnung am Schluß des Jahres zu veranlassen, während vielleicht eine stille Thätigkeit stattgefunden hat, die niht obne weiteres in die äußere Erscheinung getreten ist. Im übrigen beziehen sich die Gebühren auf die Vderaufsicht im allgemeinen, die vielfah überhaupt nicht akten- mäßig ist. Im Abgeordnetenhause war ein Antrag gestellt dur Verrn von Bülow; dieser Antrag wollte bestimmte äußere Voraus- seßungen festgestelit wiffsen, unter denen allein Gebühren zur Erhebung fommen sollten: müsse wenigstens eine Verfügung erlassen sein im Laufe des Jahres. Man überzeugte sih aber, daß ¡es außere Merîmal auch niht durchgreifend sein würde, max damit nicht weiter käme und der eigentlißbe Zwet, man zu erreihen wünschte, doch nicht erfüllt werde. Meine Herren, ih will aber bemerken, herabgeseßt ist die Gebübr son, unzt von fünf Zehrtel auf drei Zehntel, also insoweit bat diz #5ni-[: Staatsregierung auch in diesem Punkt ein weitgebendeës Ent: kommen bewiesen. Jh möchte bitten, es dabei zu belassen, wer id die von Herrn ven Wiedebach gewünschte Erklärun außer stande bin.

Graf von der Shulenburg-Beetzendorf schloß id den Auséfübrungen des Herrn von Wiedebach an.

Der Geseßentwurf wurde in seiner Gesammtheit un- verändert angenommen, desgleichen der Entwurf einer Gebührenordnung für Notare gemäß dem Antrage der JZustizkommission in der vom Abgeordnetenhause beschlossenen Fa)ung, und die zum Gerichtskostengesez und zur Gebühren- Bepiude eingegangenen Petitionen wurden durch die Beschlußfassung für erledigt erklärt. :

_ Die Petition des Magistrats zu Schönsee wegen Er- richtung eines Amtsgerichts daselbst wurde gemäß dem Antrage der Justizkommission der Staatsregierung als Material überwiesen. :

Vom Grafen von Klinckowstroem war sodann, unter- ntüßt von zahlreichen Mitgliedern des Herrenhauses, folgender Gesegentwurf beantragt : i Wir Wilbelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c., verordnen mit Zustimmung der beiden Hâuler des Landtags Unserer

Monarchie für den Umfang derselben, was folgt: Artikel 1. Der

S 4 des Jagdpolizeigese es vom 7. März 1850 erhält hinter :

„Alle anderen Grundstücke eines Gemeindebezirks, welche nit zu

den im § 2 gedachten gehören, bilden der Regel nah einen ge-

meinshaftlichen Jagdbezirk“ folgenden Nachsaß: „ausgenommen sind die Grundstüe, insbesondere der Bahnkörper der Eisenbahnen, auf welhen die Ausübung der Jagd ruht. Auf Eisen- bahnterrain berendetes (übergefahrenes 2x.) Wild gehört dem Jagdberechtiäten, dessen Jagdbezirk durch die Bahn durchschnitten wird Bildet die Bahn die Grenze zwischen zwei

Jagdbezirken, so gehört das Wild demjenigen, auf dessen Seite, von

der Mitte des Bahnkörpers an gerehnet, das Wild liegt.“

Artikel 11. Dem § 11 desselben Geseßes wird am Schluß hinzu-

getngs: „Besißer der Grundstücke von Cisenbabnen und Kunststraßen

aben einen Anspruch auf diese Pachtgelder und Einnahmen nicht.“

Herr von Alvensleben beantragte, in der Einleitung statt der Worte „für den Umfang derselben“ zu sagen: „für den Geltungs- bereid) des Jagdpolizeigeseyes vom 7. März 1850“,

Graf von Klinckowstroem: Nah einer Entscheidung des Dber-VerwaltungEgerihts gehören die eisenbahnfiskalishen Grund- stücke, insbesondere auch der Bahnkörper, niht zu den einen eigenen Jagdbezirk bildenden Grundstücken. Der Königliche Eisenbahnfiskus hat nun verschiedene Klagen gegen Stadt- und Landgemeinden an-

gestrengt: anzuerkennen, daß die Sa enbazugrundstüe, insbesondere der

Bahnkörper, mit den übrigen Grundstücken des (Semeindebezirks, in dessen Grenzen der betreffende Theil des Bahnkörvers liegt, einen gemeinshaftlihen Jagdbezirk bilden. Ebenso verlangt ter Eisenbahn- fisfus, an den Erträgen der Jagdnußgung nah Verhältniß des von ibm besessenen Areals theilzunehmen. Nun sollen aber die Pacht- gelder resp. Einnabmen der Jagd nach dem Gese an die Besitzer derjenigen Grundstücke vertheilt werden, auf welchen die ge- meinschaftlihe Auéübung der Jagd stattfindet. Da nun das Betreten des Bahnterrains für Privatpersonen unter Strafe gestellt ist, können diese auf diesem Terrain auch die Jagd niht auëüben. Da aber obne Aenderung des Geseges das Ober-Verwaltungsgeriht die Ansprüche des Eisenbabnfiskus anerkennen müßte, bitte i, unseren Antrag an- zunehmen, und hoffe, daß die Regierung, wenn sie au beute noch keine bindende Erklärung abgiebt, sih der Sache freundlich gegenüber- stellen wird. Es würden sonst zahllose Prozesse entstehen, zumal der Eisenbahnfiskus auch hinsichtlih der früher aus den Jagderträgen ge- flofsenen Einnahmen bis dreißig Jahre zurück klagbar werden könnte und dadur Unzufriedenheit im Lande erweckt würde.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich bin nicht in der Lage, heute namens der Staatsregierung eine Erklärung auf den vorliegenden Jnitiativantrag abgeben zu können ; dagegen möchte ih mir gestatten, an die Ausfüh- rungen des Herrn Grafen von Klinckowstroem einige thatsählihe Bemer - tungen anzuknüpfen. Meine Herren, der Herr Graf von Klinckowstroem hat {hon darauf Hingewiesen, daß der Eisenbahnfiskus außer dem eigentlihen Bahnkörper noch einen niht unerheblichen Besiy an Grundstücken hat, welcher mit den Grundstücken der übrigen Fluren