1895 / 120 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

leiten; fie werde ri auch bezüglih der auswärtigen A durch diese inzipien leiten lassen und er, der Minister, rene auf Erfolg, wenn die Partei ihm volles Vertrauen und volle Unterstüßung gewähre. Der Unterrichts-Minister Wlassics meinte, das Unterhaus werde die beiden Nuntien des Magnatenhauses betreffs der beiden kirchenpolitischen Vorlagen einem Ausschuß zur baldigsten Berichterstattung zu- weisen; die Regierung halte unbedingt an der Jntegrität der Prinzipien der beiden Vorlagen fest und wünsche dieselben mit Aufrehterhaltung der Jntegrität zu Gesezen zu erheben.

Bei der Ea Tay zum Reichstag in Altsohl wurde vorgestern der Regierungskandidat Staatssekretär F! ilinsky mit großer Majorität gegen den Kandidaten der

olfspartei gewählt. Frankreich.

Der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg ist, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern incognito in Paris ein- etroffen und stattete dem Herzog von Aumale in hantilly, wo sich die Prinzessin Clementine bereits befand, einen Besuch ab. _

Bei der geftern in Thuin vorgenommenen Stichwahl zur Deputirtenkammer wurde Bailly (Katholik) mit Unterstüßung der gemäßigt Liberalen gewählt; er erhielt 22188 Stimmen, sein Gegenkandidat Leken. (Sozialifst) nur 22183 Stimmen.

Rußland.

Die Kaiserin-Wittwe ist, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern Abend von Gatshina nach dem Kaukasus abge- reist. Der Kaiser und die Kaiserin sowie die nächsten Familienangehörigen hatten die Kaiserin-Wittwe, in deren Ge- olge sih der Hof - Minister Graf Woronzow-Daschkow be- findet, zum Bahnhofe begleitet.

Ftalien.

Der frühere Minister Luzzatti hat, wie „W. T. D meldet, an seine Wähler ein Schreiben gerichtet, worin er sich über die Finanzlage verbreitet und zum Schluß den Wunsch ausspricht, daß die R pr “die Militärfrage und die Finanzfrage bis nah den Wahlkämpfen zurückgestellt werden

möchten. Schweiz.

Gestern wurde bei der kantonalen Abstimmung in Zürt1ch das Geseg über die Erbschafts steuer mit obligato- risher Jnventarisation bei jedem Todesfall und Besteuerung auch des elterlichen Erbtheils mit 34 190 gegen 21 378 Stimmen verworfen.

Türkei.

Aus Konstantinopel meldet ,„W. T. B.“, in unter- rihteten Kreisen daselbst werde versichert, daß die Mittheilungen der auswärtigen Presse über den Jnhalt des von den Bot- shaftern Rußlands, Frankreichs und Großbritanniens überreichten Memorandums, betreffend die Reformen in Armenien, nur auf Muthmaßungen beruhten, da die Berichte der Kommission noch nicht vollständig vorlägen. Der am Freitag erfolgten Ab- reise des Zweiten Sekretärs der englishen Botschaft Lister werde Bedeutung beigelegt, da dieselbe auf Berufung der englischen Regierung erfolgt sei, was mit der englischen Meetingsbewegung in der armcnischen Angelegenheit, die in Konstantinopel ebenso sehr verstimmt habe wie die Erklärungen des Parlaments-Sekretärs des Auswärtigen Amts Sir E. Grey, in Zusammenhang gebracht werde. *

Das zur Theilnahme an der Kanaleröffnungsfeier in Kiel bestimmt gewesene türkishe Kriegsschiff „Heibet Numa“ kann wegen Seeuntüchtigkeit nicht abgehen.

Griechenland.

Der König eröffnete gestern Vormittag im Palast Zappein zu Athen die regionale Jnd ustrie-Ausstellung. Gestern Nachmittag wurde im Piräus ein Standbild des griechischen N Karaiskakis feierlih eingeweiht. Der

ónig wurde bei seinem Erscheinen lebhaft begrüßt.

Der Großfürst-Thronfolger von Rußland hat an Bord des „Polarstern“ gestern Nachmittag den Piräus ver- lassen. Die Königliche Familie hatte ihn an Bord begleitet.

E Munizipalwahlen sind auf den 14. Juli festgeseßt worden.

Amerika.

Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ aus Rio de Janeiro hat die brafilianishe Regierung der italienischen Gesandtschaft ein Transaktions- Projekt über die schwebende Frage in Betreff der Reklamation italienisher Unter- thanen überreiht. Darnach wird die brasilianische Regierung die Gesammtentshädigung in baar erlegen. Die Vertheilung wird von der ilatienilcben Gesandtschaft vorgenommen werden.

Aus Buenos Aires wird berichtet, daß auf cine im Senat eingebrachte Jnterpellation über das Verhältniß Argentiniens zu Chile der Minister des Auswärtigen seine frühere Versiherung wiederholt habe, wonach das friedliche Verhältniß beider Staaten nicht bedroht sei.

Afien.

__ Wie der „Times“ aus Tientsin von gestern gemeldet wird, ist der Vize-König Lio, der Sohn Li-ts ing:fang's, zum Kommissar für die Uebergabe der Jnsel Formosa an die Japaner ernannt worden.

Aus Yokohama berichtet das „Reuter he Bureau“, dic Minister befänden sih auf dem Rückwege nach Tokio, wo der Kaiser nächsten Freitag erwartet werde. Vor seiner Ankunft werde der Kaiser ein Reskript erlassen, worin die Wieder- abtretung der Halbinsel Liautong mitgetheilt wird.

Graf Komatsu, der japanische Oberbefehlshaber, ist von Port Arthur nah Japan abgereist. Von den sieben Divisionen der auf der Halbinsel Liautong befindlihen Armee werden nur zwei dort verbleiben. Eine Brigade dieser beiden Divisionen wird in Wei-Hai-Wei garnisonieren. Die Kaiser- liche Garde geht nah Formosa. Der Admiral Kabayama ist zur Uebernahme seines Postens als General-Gouverneur der Znsel Formosa abgereist.

Der russishe Konsul in Yokohama hat bekannt gemacht, daß am Eingang des Hafens von Wladiwostok Torpedos gelegt worden sind.

Afrika.

Aus Majunga ist dem „W. T. B.“ zufolge die Nach- riht eingetroffen, daß die sakalavischen Schüßen, aus denen das erste Bataillon des Kolonial-Regiments bestehe, südöstlih von Marovay auf eine starke Abtheilung Hovas gestoßen seien, die sie lebhaft mit dem Bajonett angeariffen hâtten. Die» Hovas seien mit einem Verlust von 60 Todten

geflohen. Auf französisher Seite seien ein Lieutenant und Et Schügen, davon vier schwer, verwundet worden. Nach- er

er hätten die Schüßen ein Lager der Hovas bei Ambademonte eingenommen.

t

Parlamentarische Nachrichten.

In der Jagen (96.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär, Staats-Minister Dr. von Boetticher, sowie die Staatssekretäre Nieberding und Dr. Graf von Posadowsky beiwohnten, wurde zunächst der Geseßzentwurf, betreffend die Bestrafung des Sfklavenraubs und Sklavenhandels, berathen.

Abg. Mimpau (nl.) erkannte an, daß der Gesetzentwurf eine ee F der Geseßgebung ausfülle, und erklärte seine. Zustimmung zu

emselben. ¿

Abg. Groeber (Zentr.) gab der Ansicht Ausdruck, die Haupt- sache sei, au die außerhalb der deutschen Schutzgebiete vorgenommenen Sfklavenjagden zu bestrafen. Es empfehle sich, neben der im Gesetzentwurf vorgesehenen Freiheitéstrafe auch eine bobe Geldstrafe einzuführen, wie sie {hon in der Geseßgebung anderer Länder bestehe.

Abg. Graf von Bernfstorff-Lauenburg (Rp.) bedauerte, daß man nit jeßt shon einen Termin sestgeseßt habe, bis zu welchem die Sklaverei in den deutshen Schußgebieten aufgehört baben müfse. Sietanoe man den Sklavenkauf nicht verbiete, werde man nit zum

iele gelangen. Hierauf nabm der Direktor der Kolonialabtheilung im Aus- wärtigen Amt Dr. Kayser das Wort.

(Schluß des Blattes.)

Die Schl ußberichte über die vorg feigen Sizungen des Herrenhauses und des Hauses der Abgeordneten befinden fih in der Ersten Beilage.

Die geubge (17.) Sißung des Herrenhauses, welcher der Justiz-Minister Schönstedt beiwohnte, wurde um 11/4 Uhr vom Präsidenten Fürsten zu Stolberg eröffnet.

Neu eingetreten in das Haus ist Ober-Bürgermeister Haken (Stettin), neu berufen Bürgermeister Adolf (Frank- furt a. O.).

Die zu erwartenden Gesegentwürfe über Stempelsteuer undErbschaftssteuer wurden einer besonderen Kommission von 15 Mitgliedern, die Geseßentwürfe über Verpflegungs- stationen, Jagdscheine, über Abänderung des Kommunal- Steuergeseßes der Gemeindekommission, der Geseßentwurf über Wohnungsverhältnisse der Arbeiter und unteren Beamten der Finanzkommission überwiesen.

__ Eine Petition von Weser - Schiffahrts inter-

essenten, betreffend die gleihmäßige Verticfung der Oberweser, wurde der Regierung als Material über- wiejen, nahdem Landgraf Alexis von Hessen und E Westerburg die Petition befürwortet atten. __ Der Geseßentwurf, betreffend die Fischerei der Ufer- eigenthümer in den Privatflüssen der Nheinprovinz, wurde auf Antrag des Berichterstatters Herrn von Bem- berg-Flamersheim in einmaliger Schlußberathung en bloc angenommen.

(Schluß des Blattes.)

_ Das Haus der Abgeordneten verhandelte in seiner heutigen (68.) Sißung, in welcher der Minister für Yandel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch und der Finanz-Minister Dr. Miquel zugegen waren, über den Antrag der Abgg. Dr. Arendt u. Gen. :

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen :

, Die Königlihe Staatéregierung aufzufordern, den Herrn Reichskanzler zu ersuhen, ungesäumt und nachdrüdcklich alle dic- jenigen Schritte zu thun, welche geeignet sind, zu einer inter- nationalen Regelung der Wähbrungsfrage mit dem Endziel eines internationalen Bimetallismus zu führen.

Der Abg. Dr. Rintelen (Ztr.) beantragte, für den Fall der Annahme dieser Resolution darin die Worte „mit dem Endziel eines internationalen Bimetallismus* zu streichen.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukir ch (frkons.) stellte den Antrag, nach diesen Worten einzushalten: „ecinschließlich Englands“. |

Aba. Arendt (fr. kons.) führte aus: Der Reichskanzler babe im Reichêtag im Februar erflärt, er wolle in dieser Frage mit den verbündeten Regierungen in Erwägungen eintreten. Na seiner im Verrenbause abgegebenen Erklärung sei nun an die verbündeten Regie- rungen ein Screiben ergangen. Da erscheine es angemessen, daß die preußishe Volksvertretung Stellung zur Währungsfrage nehme. In den drei Monaten fei weiter nihts ges{ehen, als daß jene Zuschrift an die verbündeten Negierungen ergangen sei. Der vorliegende Antrag solle naGdrüdlid darauf binweisen, daß die erforderlihen Schritte mög- list {nell gethan werden müssen. Der Antrag wolle durchaus nichts Anderes, als der Reichétagsbe\{luß: denn eine internationale MRegelung der Währungsfrage ohne das Endziel des inter- nationalen Bimetallièmus sei eine Unmöglihkeit. Der Antrag Rintelen sei nur ein taktishes Manöver der Goldwährungs- partet, die zu \chwach sei, um mit offenen Waffen zu kämpfen. Der Staatsrath sei über die Haltung des Reichskanzlers im Reichstag binausgegangen ; denn er habe nit, wie dieser, gewünsht, daß man vorgebe, ohne der Reiswährung zu präjudizieren. Im Herrenhause sei der gleihe Antrag, wie der Abg. Rintelen ihn gestellt babe, troß der Befürwortung dur den Minister-Präsidenten, gefallen. Es sei im Herrenhause das erste Mal passiert, daß ein vom Minister-Prä- 1identen empfoblener Antrag abgelehnt worden fei.

(Schluß des Blattes.)

—: Die XV, Kommission des Reichstags zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Branntwein- steuergeseßes vom 24. Juni 1887, hat ihre Berathungen beendet und den Bericht darüber dem Reichstag vorgelegt.

Amtliches o der Neihstags-Stihwahl im 14. Württembergischen Wahlkreise [Geidlinten-Beides heim-Ulm): Jnsgesammt wurden 17 250 Stimmen abgegeben : davon erhielten: Haehnle (Dem.) 9626, Ehmann (fr. kons.) 7624 Stimmen. Ersterer ist somit gewählt. :

__— Im Hause der Abgeordneten is von dem Abg. Dr. Rintelen folgende Interpellation eingebraht worden:

Der Unterzeichnete ftellt an die Königliche Staatsregierung die Anfrage, ob dieselbe beabsichtigt, den Erlaß des Ministers der atist- lichen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenbeiten Dr. Falk, betreffend den katholishen Religionéunterriht in den Volksschulen, vom 18. Fe- bruar 1876, aufzuheben und bezügli der Ertbeilung des katholischen Religionsunterrichts in den Volksschulen eine anderweite Regelung unter Berücksichtigung des Dogmas der rômisch - katholishen Kirche herbeizuführen ?

Entscheidungen des Reichsgerichts, Nach § 361 1 21 des preußischen Allgemeinen Landrehts kann

feine Zuziehung, erfolgten freiwilligen Veräußerun des Pacht- oder Mietkbsgrundftücks von dem Kontrakt a lemai ab, geben. Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht V. Zivilsenat, durch Urtheil vom 22. Dezember 1894 ausgespro, ¡zwar der Miether nicht verpflihtet ift, fofort nach erlangter Kenntniß von der freiwilligen Veräußerung deg Grundstücks sich für die weitere Geltung oder für die Aufbebung des Miethsvertrags zu entscheiden, vielmehr diese Entscheidung sich bis zu dem für den Antritt der Miethe bestimmten Tage vorbehalten kann, daß aber der Miether, sobald er si ente schieden bat, von der Entscheidung niht wieder zurüdtreten kann. Ferner hat das Reichsgericht dur dasselbe Urtbeil in- Bezu auf die gedachte Bestimmung ausgesprohen, daß der Miether dur thatsählihes Einziehen in die Wohnung vor vem Beginn der Miethszeit oder dur eine shriftliße oder mündliche Erklärung für die weitere Geltung des Miethsvertrages sih seines Rüdtritts. rechts vom Vertrage begiebt. „Der durch den Verkauf der vers mietheten, dem Miether aber noch niht übergebenen Sache für den Käufer, der um den Miethsvertrag weiß, eintretende Rechtszustand ist nicht, wie der Nevisionsbeklagte ausgeführt hat, der, daß zwischen ibm und dem Miether noch kein Vertragsverhältniß besteht, sondern er ist an den Miethsvertrag gebunden, während es von dem Willen des Miethers abhängt, von ihm die Erfüllung des Miethsvertrags zu verlangen oder nicht. Dieser Zustand der Rechtsunsicherbeit des Käufers muß aber sein Ende erreichen, sobald der Miether ih dur§ rechtsverbindlihe Erklärung, fei es für den Rücktritt, sei es für die

dur den Vertrag erworbenes Recht zur Sache nicht bestehen kann obne die entsprehenden Vertragëpflichten, so liegt in der verbindlichen Erklärung, von dem Rechte Gebrauhß machen zu wollen, auch die Vebernahme, und in der Erklärung, von dem Rechte niht Gebrau machen zu wollen, die Ablehnung dieser Pflichten. Damit würde ein Necht des Miethers, auch noch von der dem Käufer gegenüber einmal abgegebenen Erklärung wieder zurückzutreten und jeßt noch seinen Entschluß über Erfüllung des Vertrages oder Rücktritt zu wehfeln, nicht vereinbar sein, und ein solches Recht ist auch dur die geseß- lihen Vorschriften dem Miether niht gegeben. Zu entscheiden ift alfo nur, welhe Form die Erklärung des Mietbers, und zwar bier die Erklärung, daß dem Käufer gegenüber der Miethsvertrag gelten solle, haben muß, um rechtsverbindlich und damit unwiderruflich zu E Das Berufungêgericht verlangt für diese Erklärung die Schrift- orm wenigstens dann, wenn es sih, wie bier, um eine Erklärung vor dem für den Antritt der Mietbe festgestellten Tage handelt. . Eine mündl ie Erklärung muß überall da als ausreichend gelten, wo eine stillschweigende Erklärung genügt. Nun kann es aber, womit au das Berufungsgericht übereinstimmt, gewiß nit als die Absicht des § 361 1 21 A. L.-R. angesehen werden, daß der Miether einer Wohnung auch dann no von dem Vertrage solle zurücktreten dürfen, wenn er, nahdem zwishen dem Abschluß des Miethsvertrags und dem Antrittstermine der Eigenthümer der Wohnung gewechselt bat, that- sählid in die Wohnung eingezogen ist. Und doch kann die biermit cintretende Gebundenbeit des Mietbers an den ganzen Vertrag nur aus der in dem Einziehen liegenden stillschweigenden Vertrags- genehmigung gegenüber dem neuen Eigenthümer erflärt werden. Die Annahme, daß eine mündliche Erklärung des Miethers bindend fei, entspriht übrigens auch allein dem prafktis@en Be- dürfnisse. Der Käufer cines Grundstücks, welcher weiß, daß es zu einem späteren Termine vermiethet oder verpachtet ist, ist an den Mieth- (Pacht-) Vertrag gebunden, sobald der Miether (Pächter) es will. Eine Frist für seine Entsheidung stellt das Gese dem Mietber niht. Der Käufer ist also gezwungen, niht nur das Grundtstück zur Verfügung des Miethers zu halten, somit jeder anderen Dieposition über die Benußung des Grundftücks fur die vertragêmäßige Mietbzeit sich zu begeben, sondern er muß auch alle - Veränderungen an dem Grundftück vornehmen, die ih der Mietber etwa ausbedungen hatte, alles auf die Gefabr bin, daß {ließli der Miether do zurücktritt. Es ist eine unerläßlihe Aus- gleihung dieser Härte, daß man den Miether mindestens dann für gebunden erachtet, wenn er sich auch nur mündli für die Geltung des Vertrages entschieden hat.“ (245/94)

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

kommersteuergeseßes v m 14. Juni 1891: _ »Die Vermehrung des Einkommens während des laufenden Steuerjahres begründet keine Veränderung in der schon er- folgten Veranlagung. Tritt die Vermebrung infolge eines Erbanfalls ein, so sind die Erben entsprehend der Ver- mehrung ihres Einkommens anderweit zu veranlagen und zur Entrichtung der Steuer von dem Beginn des auf den Anfall ___ der Erbschaft folgenden Monats ab vervflihtet* auf das Gebiet der Kommunalbesteuerung ist, nach einem Urtheil des ODber-Verwaltungsgerihts, 11. Senats, vom 31. Oktober 1894, mit Rücksicht auf die noch in Geltung stehenden SS 6 und 14 des Geseßes über die Verjährungsfristen bei öffentlichen Abgaben vo:a 18. Juni 1840 unzulässig. X. wurde infolge eines im Februar 1893 eingetretenen Erbanfalls in seiner pro 1892/93 veranlagten Staats - Einkommensteuer nahträglih um 143,67 erbobt, und die Stadtgemeinde erhöhte dementsprechend für die gedachte Zeit die Gemeinde - Einkommensteuer. Der bieraegen von X. erhobenen Klage wurde vom Bezirks-Auss{chuß entsprohen, und auf die Revision der beklagten Stadtgemeinde wurde die Vorentsheidung vom Ober- Verwaltungsgeriht bestätigt, indem es begründend ausführte: „In dem dieëseitigen Bescheide vom 15. September 1894 if näher aué- geführt worden, daß der Versu der Beklagten, den î 57 des Ein- kommensteuergeseßes vom 24. Juni 1891 auf das Gebiet der Kem-

Uebertragung die noch in Geltung stehenden §8 6 und 14 des Gesetzes bom 18. Juni 1840 entgegenständen. Bei diesem Bescheid bat 1ich die Beklagte indessen nit beruhigt, sondern den Antrag auf An- beraumung der mündlihen Verhandlung gestellt und dabei geltend gemacht, daß infonsequent scheine, einerseits dem C 57 a. a. V. die Anwendbarkeit auf die Kommunalbesteuerung zu versagen, anderer- seits diefelbe wie in der Judikatur des Ober - Verwaltungsgerichte feststebe den §8 18 und 19 des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891 (betreffend die Ermäßigung der Steuersäße mit Rücksicht auf die besonderen Verbältniffe des Steuerpflichtigen) zuzuerkennen. Diefer Angriff ist nit begründet. Es ist den Stadtgemeinden im allgemeinen unbenommen, die Veranlagungégrundsäte der Staaté- Einkommensteuer im Wege regulativmäßiger Sazungen auch für die Gemeinde - Einkommensteuer als bindend zu erklären. Doch findet diese Befugniß ihre Grenze in denjenigen positiven Bestimmungen der Gesezgebung, die sich als Kautelen zu Gunsten der Zenfiten quali- fizieren. Eine solhe Kautel ist in dem, für die Stadtgemeinden zur Zeit noch maßgebenden § 6 des Geseßes vom 18. Funi 1840 zu ecblicken, und aus diesem Grunde erscheint auc die Beklagte, obschon nah Inhalt des örtlihen Regulativs die Veranlagung der physischen Personen ¿ur Gemeinde-Einkommenfsteuer unter Raimauiriaa der fur die „Einshäßung“ zur Staats - Einkommensteuer geltenden Grundsätze zu geschehen hat, niht befugt, den § 57 des Gesezes vom 24. Juni 1891 dem Kläger gegenüber zur Anwendung zu bringen, während es nur dem lofalen Recht entsprechen würde, gegebenenfalls die §S 18 und 19 a. a. O. anzuwenden.“ (II. 1473.)

Statiftik und Volkswirthschaft.

S Zur Arbeiterbewegung. Í Aus Kaiserslautern wird der „Köln. Ztg.“ über den Auf- stand in der Kammgarnspinnerei (vgl. Nr. 119 d. Bl.) weiter

der Pächter oder Miether bei ciner, vor der Uebergabe, ohne

-

berichtet: Von 1500 Arbeitern sind 700 in den Ausstand eingetreten ;

Erfüllung des Vertrags mit dem Käufer, entschieden hat. Weil sein .

Eine Uebertragung der Bestimmung des § 57 des Ein-

munalbesteuerung zu übertragen, deshalb Le sei, weil einer solhen

zer Betrieb E jedoch weiter. Ein gleichzeitig ausgebrohener Aus-

ftand in der mwollspinnerei zu. Lampertsm ü hle wurde dur Androbung fofortiger EntlaFung beigelegt.

In Ellrich ist, wie der „Magdb. Ztg.“ aus Nordhausen ge- schrieben wird, am Een Montag ein Auéstand sämmtlicher Maurer und Zimmerleute ausgebrochen, weil die Meister die verlangte Lohn- erhöhung von 3 „§ für die Stunde nicht bewilligt haben.

Bauten,

Einen Wettbewerb um Pläne für ein neues Provinzial- Museum in Hannover schreibt dem „Zentr.-Bl. der Bauv.“ zu- olge das Landeë-Direktorium daselbst unter den deutschen Architekten aus. Die Arbeiten find bis zum 15. September einzureihen. Im Preisgeriht fißen der Geheime Regierungs-Rath a. D. Professor

se in Hannover, der Geheime Regierungs-Rath Professor Ende in Berlin, der Landes-Direktor Müller, der Landes-Baurath Franck, der Museums- Direktor Dr. Reimers, der Stadt-Direktor Tramm, der Stadt - Baurath Bokelberg, der Baurath Professor Köhler, der Senator Baurath Wallbrecht, leßtere sieben sämmtlich in Hannover, sowie der Baurath Professor Giese in Dresden und der d-o Martin Haller in Hamburg. Außer dem Lageplan (1 : 500) find sämmtlihe Zeichnungen im Maßstabe 1: 200 verlangt, auch ein Schaubild foll nach diesem Maßstab ge- fertigt werden. Zusammen stehen 14 000 4 zur Verfügung, welche pertheilt werden follen in Preisen von 6000, 4000 und 2000 4 Außerdem können einzelne weitere Entwürfe für e 1000 4 angekauft werden. Die Unterlagen versendet das Landes-Direktorium in Han- nover fostenlos.

Gesundheitêwesen, Thierkraukheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Ind ten.

Durch Verfügung der Lokal-Regierung in Bombay vom 29. y. M. ift bis auf weiteres in den Häfen von Aden, Perim und der Somali- füste vom 24. v. M. ab gegen Herkünfte aus den Rothen Meer-Häfen des Hedjaz wegen Cholera und vom 15. v. M. ab gegen Herkünfte aus den Häfen des Rothen Meeres zwischen Lith und Lohaya wegen Pest Quarantäne angeordnet worden.

Handel und Gewerbe.

Das auf Grund einer T eearung msGen dex Kolonial- Abiheilung des Auswärtigen Amts, der eutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft und der Deutschen Bank zu bildende Comité für den Bau einer ostafrikanishen Zentralbahn hat sich in einer am 17. April d. J., in Gegenwart des Direktors der Kolonial-Abtheilung, Wirklihen Ge- heimen Legations-Raths Dr. Kayser abgehaltenen Sißzung fonstituiert. Dem Comité gehören nachstehende Been als Mitglieder an: Geheimer Kommerzien-Rath Dr. Öechel- tue aus Dessau, Seine Durchlaucht Prinz zu Arenberg, Reichstags-Abgeordneter, Wirklicher Legations-Rath Hellwig, Direïtor der Deutschen Bank Dr. G. Siemens, Eisenbahn- Direktor a. D. Bormann, Ober-Regierungs-Rath Magnus, Banquier Karl von der DeDd Direktor Rlüpfel aus Essen a. R., Direktor der Ostafrikanishen Gesellschaft Assessor a. D. Lucas.

Der Borsig in dem Comité is dem Geheimen Kommerzien- Rath Dechelhäuser übertragen worden ; zum stellvertretenden Vorsißenden wurde Direktor Dr. Siemens und zum Geschäfts- führer des Comités der Mas anwesende, mit Führung des Protokolls betraute Rechtsanwalt Dr. ander ewählt. Nah Fassung verschiedener, den Eintritt des Comités in seine eigentliche Thätigkeit vorbereitender Beschlüsse wurde auf Vor- shlag des Vorsißenden für die nächste Comité-Sizung der Monat Zuni d. J. in Aussiht genommen.

Verdingungen im Auslande.

Itiederlande :

28. Mai, 12 Uhr. Bureau des Fortifikations-Aufsehers zu Roermond: Lieferung der Materialien für Ausbesserung der Militärgebäude zu Roermond und deren NO Lag Schätzung 3450 Fl. Bedingungsheft liegt vom 20. Mai ab im affeehaus von Th. Hermens, Hamstraat, zur Einsicht aus. Auskunft if beim Fortifikations-Aufseher zu Noermond zu erfragen, bei welchem auch vom leßtgenannten Tage ab gestempelte Einschreibeformulare erhältlich snd. fertenabgabe bis zum 27. d. M., 3 Uhr. ;

28. Mai, 93 Uhr. Bureau des Fortifikations-Hauptaufsehers zu Venlo: a. Lieferung der Materialien für Ausbesserung der Militär- gebäude auf dem Schießplay bei Venlo und Auéführung der erforder- lihen Arbeiten. (Schäßung 5130 Fl.) b. Herstellung und Ausbesse- rung der Dâcher, sowie Erneuerung des Fußbodens der Cuure in den Kasernen und Ställen zu Venlo. (Schäßung 3270 Fl.) Bedingungs- befte liegen vom 20. d. M. ab im Kaffeehaus Beel, anf der Parade, ¡ur Einsicht aus. Auskünfte ertheilt der Sn Ter zu Venlo, bei welhem auch vom leßtgenannten Tage a „gestempelte Einschreibeformulare erhältlich sind. Offertenabgabe bis zum 27. d, U d r.

Rumänien.

9. Juni. General - Direktion der Posten und Telegraphen in Bukareft : Lieferung von 4000 Elementen Callaud.

_ 13, Juni. General-Direktion des Sanitätsdienstes in Bukare|: Ueferung von 280 eisernen Betten. Dänemark. ; j

__ 29. Mai, 1 Uhr. Staatsbahnverwaltung (Maskinafdelingens Contoir, Colbjörnsenêgade 6) So E Lieferung von: (000 Pfund trockdenem Bleiweiß, 200 Pfund Eisenmennige, 1100 Pfund Kienruß, 300 Pfund heller Umbra, 15 000 Pfund Soda, 4000 Pfund weiher grüner oder brauner Seife, 150 Pfund Leim, 2500 Pfund Potashe, 200 Pfund Borax, 1000 Pfund Terpentinöl, 500 Pfund Spiritus vini, 1009 Pfund Putpulver. Bedingungen und Angebots- sormulare an Ort und Stelle und beim „Reichs-Anzeiger“ (in dänisher Sprache). , 28. Mai. Directionen for Sindssygeanstalten (Jrren-Anstalt) in Viborg: Lieferung von : 700 Ellen halbwollenem Zeug, 1950 Ellen Baumwollenzeug, 200 Ellen Flachsleinewand, 3000 Ellen Dowlas, 400 Ellen A wilileinewand, 400 Ellen Sir, 180 Ellen Möbelsirß, 1650 Ellen Wergleinewand, 500 Ellen Nankin, 700 Ellen Stout, 1645 Ellen Drillih, 100 Ellen pommerischer Leinewand, 200 Ellen Polster, 50 Ellen Bombasin, 50 Stück Halstüchern für Männer, 50 Stúck Halstüchern für Weiber, 100 Stü Taschen- tühern, 1000 Ellen ungebleihten Lißen, 1000 Ellen do. Drillich-

nd, 1000 Ellen do. Schürzenband, 1500 Ellen weißem Band, 10 Päckchen weißen Ae 30 ädckchen weißem MNRollgarn, 20 Päkchen schwarzem ollgarn, 10 Rollen s{warzem Maschinen- ivirn, 10 Rollen ungebleichtem Maschinenzwirn, 20 Groß kleinen Zinkknöpfen, 20 Groß s{chwarzen fnöhernen Knöpfen, 1000 Paar lhwarzen Hefteln, 200 Paar Luhe Bedin Lnge zur Ansicht an Ort und Stelle. Schriftliche Angebote mit der Aufschrift: „Leve- ’ance af Alenvarer m. v.“

Verkehrs-Anstalten.

t Die „Zeitschrift für den internation'alen Eisenbahn- hat coport*, die von dem Zentralamt in Bern herausgegeben wird, Aa in der Nr. 5 des 111. Jahrgangs für Mai 1895 folgenden Inhalt: gntliher Theil. Sesebe und Vollzugs-Verordnungen. Lieferfriften. vere Qniß der Zuschlagfristen ; Desinfektion der zum Viehtransport mar? endeten Wagen 2c., Bestimmungen hinsihtlih derselben in Dâne- in Le talien, den Niederlanden, Rußland; Vermerke und Erklärungen

ên Frachtbriefen, Aus dem Geschäftskreise des Zentralamts.

Nichtamtli Theil. Rechtsprehung; Verschiedene Mittheilungen. Berichti der internationalen Tarife. Bücherschau. x

Der Schnelldampfer ,Veenda m“ der Niederländish-Amerikanischen Dampfschiffahrts - Gesellschaft ist am 18. Mai in New-York an- gekommen.

Neumühblen i. Holstein, 18. .Mai. (W. T. B.) Der neue, von der Firma Sartori und Berger in Kiel auf dem Howalds- werke erbaute Dampfer if heute Mittag vom Stapel gelaufen. Der Ober-Präsident von Steinmann _ taufte das für den b stdienst von Kiel nah Korsör bestimmte Schif mit Allerhöchster

enehmigung „Prinz Adalbert“.

Aschaffenburg, 19. Mai. (W. T. B.) In der General- versammlung des Bayerischen Kanalvereins, welche beute in Gegenwart des Prinzen Ludwig und unter dem Vorsitz des Bürgermeisters von Shub-Nürnberg stattfand, hielten Professor Loh- München und der Sekretär des Vereins Dr. Zoepfl - Nürnberg Vor- trâge. Anwesend waren etwa 250 Theilnehmer, darunter der Vorstand des Deutschen A lnereins für Binnenschiffahrt, Ober - Regierungs- Rath Wittich-Berlin. Es wurde beschlossen, im nächsten Jahre die Generalversammlung in Nürnberg abzuhalten. Morgen findet eine pahet nah Frankfurt a. M. statt zur Besichtigung des Untermain- anals.

Bremen, 19. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Poftdampfer „Wittekind“ is am 17. Mai Morgens in New-York angekommen. - Der Reichs - Postdampfer „Prinz B ist am 17. Mai in Aden angekommen. Der Reichs-

ostdampfer eMrina «Degen Luitpold“ ift am 17. Mai Abends auf der Wefer angefommen. Der Postdampfer „Oldenburg“ hat am 17. Mai Abends Dover passiert. Der Postdampfer eEndeavour* is am 18. Mai Morgens in Gravesend e: kommen. Der Reichs - Postdampfer „Bayern“ if am 18. Mai Nachmittags auf der Weser angekommen.

: gm ur ge 18. Mai. (W. T. B.) Hamburg-Ameri- kanishe Padcketfahrt-Aktiengesellshaft. Der Postdampfer „Phöônicia“ und der Scnelldampfer „Columbia“ find gestern Abend und der Postdampfer „Suevia* ift heute früh in Curhaven angekommen.

_… Triest, 19. Mai. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Electra * ist, von Konstantinopel kommend, beute Mittag bier eingetroffen.

St. Petersburg, 18. Mai. (W. T. B.) Zu dem binnen kurzem in London stattfindenden internationalen Eisenbahn- Fon ares wird die russishe Negterung drei Delegirte entsenden.

ofta, 19. Mai. (W. T. B.) In einer Konferenz von Delegirten der ungarischen, serbischen, bulgarishen und orientalischen Babnen wurde nach beendeter Berathung ein alda “a das Einvernebmen über Reformen des Dienstreglements unterzeichnet.

Theater und Musik.

: Königliches Opernhaus. G Obschon sich die Theatersaison dem Ende zuneigt, hat die Leitung des Königlichen Opernhauses dem Kienzl’shen „Evangelimann“ am Sonnabend noch eine zweite neue Oper folgen lassen: die mit An- lehnung an G. von Amyntor’s gleihnamigen Noman von Fus Koppel-Ellfeld dramatisierte und von Reinhold Becker in Dresden komponierte dreiaktige Oper „Frauenlob“. Nah dem ersten Akt war der Beifall warm und eht; der Komponist konnte mehrere Male erscheinen, und auch nach den beiden folgenden Akten ab es, obwohl die Stimmung matter wurde, noch Beifallsfreudige genug, _ die den Komponisten zu sehen wünschten. Dennoch is die Oper textlich wie musikalish nur eine Alltagser|heinung. „Frauenlob“, wie der Beiname des 1318 gestorbenen Minnesängers Heinrih von Meißen (zur Meise) lautet, war ein fahrender Sänger; seinen Beinamen hat er von einigen Streitgedihten, in denen er das Wort „Frau“ dem Worte „Weib“ vorzieht. In der Oper ersheint er zu Mainz in der Iobannisnaht , obgleich der Blutbann über ihn verhängt ist, denn er hat in ebhrlihem Zweikampf den Vater Hildegund's erschlagen. Jett, nach zehn Jahren, ist er beimgekehrt und sieht Hildegund beim Tanz. Sein Herz wird entzündet, und auch sie liebt ibn wieder. Da erkennt eine Zigeunerin, Sizyga, die von eds Vater entehrt worden ift, den jungen Heinrich und theilt ihre Entdeckung dem Italiener Servazio mit, der um Hildegund freit. Dieser will Frauenlob gefangen nehmen: doch widerfegen sich dem Anschlag sein reund Wolf von Thurneisen und die Steinmeßgilde, die e Lieder liebt und fingt. Endlich wird die Entscheidung über Frauenlob?s Schicksal dem Kaiser Ludwig übertragen. Die Schaar der Steinmetzen bittet um Gnade für den Sänger, und Edelfrauen erscheinen in langem Zuge, um für sein Leben zu fleben. Scließlih überläßt der Kaiser Hildegund die Entscheidung, ob der Mörder ibres Vaters den Tod verdient. Sie aber verzeiht ihm. Unter dem Jubel des Volks segnet der Kaiser ihren Bund und ladet ganz Mainz zur Hochzeitsfeier ein. Nun kommt ein theatralisher Coup, der im Publikum Kopf- schütteln, fogar Lächeln bervorrief: die Zigeunerin erscheint und reit Servazio ein Fläshhen Gift. Dieser \{chüttet es in einen mit Wein gefüllten Pokal und reiht ihn Frauenlob dar. Hildegund trinkt zuerst und dann der Sänger. Sofort tritt die Wirkung ein, und beide sterben. Den Sänger aber tragen, was auch historisch beglaubigt ift, rauen zu Grabe, während der Kaiser Ludwig der ayer dem rauerzuge folgt. Der farblosen, manchmal sogar dilettan- tishen Dichtung entsprah die physiognomielose Musik. Von Reinhold Beer sind eine Reibe hübscher Gesänge bekannt, und sein Frühlings- lied („Wenn der Frühling auf die Berge steigt*) gehört zu den be- liebtesten Liedern gesangpflegender Familien. Der Komponist ist seit Jahren Dirigent eines Dresdener Gesangvereins, und so besteht denn auch seine Oper lediglich aus einer Reibe mehr oder weniger hübscher Lieder, die selten Originalität zeigen. Servazio , der Intrigant, wird sentimental, nur damit der Komponift ein entsprehendes Lied einfügen kann. Gleich darauf spielt eine Balkon - Scene wie in „Romeo und Julia“, und wiederum folgen Lieder. So rankt sich der Cpheu volks- thümlih gedachter Gesänge dur die ganze Oper und giebt ihr einen ziemlih eintönigen Charafter. MReizend war der Reigen im ersten Akt: er weckte die Hoffnung, daß Becker aus dem Schaß des volksthümliGhen Lebens im Mittelalter eshôpft habe. Aber nah und nach verlor sih das nationale, frische lement, und Gesangvereins-Motive machten \ih in den tragischsten Scenen allzubreit. Die Instrumentation ist voll und sanft je nah der Situation, aber nur fo einfach gedacht und erfunden, wie dies jeder gute Musiker leisten würde. Charakteristisch für die lyrische Begabung Becker's ist seine Vorliebe für die Harfe; indes so süß ihre perlenden Töne für die Balkonscene passen, so unmöglih erscheint ihre Verwendung in tragishen Augenblicken. Wenn der Komponist nah jedem Akt erscheinen durfte, so verdankte er diese Ehre nicht zum eringsten Theil der stimmungsvollen Ausstattung und der fein- innigen Leitung der Aufführung durch den Kapellmeister Weingartner. Den „Frauenlob“ sang der Gast der Königlichen Bühne, Herr Kraus vom Mannheimer Hoftheater. Während aber sein in der Höhe geradezu mächtiger Tenor den vollen Beifall des Hauses gewann, erwies sih seine shauspielerische Begabung auch diesmal als gering; man begnügt ih auch in der Oper nit mehr mit drei bis vier stereotypen Gesten. Lobenswerth waren Fräulein Hiedler als Hildegund und Fräulein Dietrich als deren Freundin Tilda. Ihre glockenhellen Sopranstimmen gaben manchem harmlosen Liede eine poetische Weihe, die den Zuhörer mit unwiderstehliher Gewalt fesselte. Königliches Schauspielhaus, 4 | Gestern Abend ging unter lebhaftem Beifall der Zuschauer ein neues vaterländisches Schauspiel „AÄlt-Berlin“ von Wilhelm Wendlandt zum ersten Mal in Scene. Inhaltlih \{chließt das Stü, das den Kampf des Kurfürsten Friedrih's II. mit der troßigen Macht der Städte schildert, an Wildenbruh's Schauspiel „Die Quißows“" an, das die Unterwerfung des märkishen Nitterthums unter die fkurfürstlißhe Gewalt durch Friedrih 1. behandelt. Als Hauptträger des Konflikts stellt Wendlandt Vater und

Sohn gegenüber: Berend Rieke, den Ober - Bürgermeister von Berlin-Kölln und sein einziges Kind Joachim. Die Liebe Joachim's zu einem Nitterfräulein, Irmgard, deren Vater in fkurfürstlichen Diensten steht, entzündet die Fackel der Zwietraht im Hause des felbstherrlihen, ftarrköpfigen Bürgermciiters und treibt den Sohn, bei dem gerechten und ftarken Kurfürsten Schuß zu suchen. Berend Rieke’s eisenhartes Herz kommt nah langen Kämpfen zu der Einsicht, daß das kleinere Gemeinwesen, die Stadr, sih zum Wohle des größeren, des Staats, unter den gerechten und gnädigen Willen des Staatshauptes zu beugen habe, und mit einer allgemeinen Versöhnung, die auch“ die Liebenden zusammen- führt, {ließt das Schauspiel ab. Die größere Zahl der Scenen bietet eine wild bewegte Handlung dar; die Gemüther der Hauptpersonen befinden sich in steter gewaltiger Erregung, die zwischen weicher Empfindung und leidenschaftlihem Troß hin und her wogt. Stimmungsvoll ist be- sonders die Gerichtsscene des zweiten Akts und die Begegnung zwischen Vater und Sohn im vierten Akt. Daß troßdem die Wirkung des Schauspiels keine tiefe ist, liegt an der mangelhaften Begründung der wehselnden Seelenregungen, die der Verfassæ nicht klar gegliedert und entwickelt hat. Als Folge dieses Mangels prägt \sih den Zuschauern kein festes Charakterbild der handelnden - Per- sonen ein, und die Theilnahme bleibt - mehr auf die rein äußerlihen Vorgänge, auf das bewegte Volksleben im Ratbskeller und vor dem Rathhause, auf die stimmungsvoller fcenischer Bilder und auf einige kleine, bumoristisch durchgeführte Scenen beschränkt. Echt vaterländishe Gesinnung tritt in dem ganzen Stü hervor und bekundet sich niht. nur in dem Gang der Handlung, fondern auch in der treuen Schilderung altberlinischer Bürgersitten sowie in der Darstellung der ersten Kapitelversammlung des vom, Kurfürsten Friedrih T1. begründeten SHwanenordens. An mübevollêh, fleißigen Vorstudien für fein Schauspiel hat es der Ver- fasser erkennbar nit fehlen laffen, aber seine dichterishe Schaffenskraft weist nicht die völlige Sicherheit und Entschiedenbeit auf, die zur einbeitlihen und lebens8vollen Geftaltung eines bedeutsamen, dramatisch abges{lofsenen Bildes aus der Geschichte nöthig ist.

Die Darstellung war lebendig und abwechfe[ungsreih, besonders dur die häufigen Volksscenen. Unter den Einzelleistungen ragte die des Herrn Molenar in der Rolle des bis zur Grausamkeit eigenwilligen Ober-Bürgermeisters Rieke hervor ; für die Wiedergabe solher Cisenköpfe ist des Künstlers Wesen und Organ besonders geeignet. Herr Matkowsky (Ioachim) konnte Leidenschaft und Feuer in seine Sohnesrolle legen, und Herr Arndt stellte den statt- lichen, ernsten und würdigen Kurfürsten wirkungsvoll dar. Einen frohgelaunten, s{chlagfertigen wendishen Fischerkneht spielte Herr Vollmer mit vielem Humor, und Frau Schramm weckte in ihrer kleinen Rolle. als Rathskellermeisterin laute Heiterkeit. Die Frauen- rollen find im übrigen nicht von hervorragender Bedeutung; die Damen Lindner, von Hochenburger und Seebach führten aber mit ihren reihen \hauspielerishen Mitteln ihre Aufgaben erfinderish

dur. Neues Theater.

Das Ensemble - Gastspiel der Mitglieder des Carl Schulge- Theaters in Hamburg begann gestern mit der Aufführung des Vaude- villes „Tata -Toto“, das von Léon und Zekl nah dem französischen Text von Bilhaud und Barré bearbeitet worden is, und zu dem Antoine Banés die Musik geschrieben hat. Das Vaudeville stellt ein Mittelding zwischen Posse und Operette dar, in welem der lodckere Gang der Handlung mit derbkomischen Situationen und D rei verbrämt ist. Die kecken Gelüste und Einfälle eines jungen Militär- zöglings Toto, der seine Zwillingsshwester Tata vor einem verhaßten Ebebund shüßen und ihrem s{chmachtenden Liebhaber Gaston zuführen will, gewinnen dur das Vielerlei des Beiwerks ers Humor, wenn auch nicht Originalität. Ein besonderer Reiz schien für die Zuschauer in dem Umstande zu liegen, daß das Zwillingspaar Tata und Toto von einer Person dargestellt wurde; allerdings löste Fräulein Leona Bergère, welche diese beiden Gestalten verförperte, ihre schauspielerishe Aufgabe mit bewundernswerther Natürlichkeit. Man s\taunte über die Schnelligkeit des \teten Kleiderwehsels der Dovppelfigur, und als im leßten Akt die Umkostümierung in immer shnellerem Zeitmaß vor sih ging, geriethen die Zuschauer dur diese Leistungsfähigkeit in lauten Lachjubel. Die Künstlerin be- sißgt aber außer dieser körperlihen Gewandtheit noch viele andere Vorzüge; sie charakterisiert treffend die beiden En die sie darzustellen hat: den kecken ungezogenen Schüler Toto und die zierlihe mädhenhafte Tata, den jungen Burschen in Mädchen- fleidern und das Mädchen in Knabenkleidern; sie besißt anmuthiges Wesen und trägt mit Geshmack und guter Schulung den gesanglihen Theil ihrer Nolle vor; besonders zierlich und pikant gelang ibr eine Romanze im altfranzösishen Stil. Auch Fräulein Liuhardt (Kranfkenwärterin Césarine) “ift als Darstellerin bemerkenswerth; sie spielte mit frischer Laune und natürlicher Zurühal- tung. Von ftark fomisher Wirkung war die Leistung des Herrn Deutsch, der einen alten hageren Sulinspektor Blanchard gab. Herr Worliß\ch war als Schulaufsehber Cabestan ebenio erbeiternd, wie Herr Kaiser in der Rolle des Gaston elegant und zärtlich. Die musikalishe Bearbeitung des Vaudevilles erscheint manchmal zu fein und zart für die Handlung, die sch fast durhweg auf dem Gebiet der niederen Komik bewegt. Die Romanze und das Fluchtduett des zweiten Akts zeugen von einer reihen Erfindungsgabe, überragen aber in Stimmung und Melodik den Rahmen und den Ton der Pofsenbaftigkeit, der dem Stück im Ganzen eigen ist.

Im Königlichen Opernhause findet morgen die erste Wiederholung von Reinhold Becker's „Frauenlob“ unter Kapell- meister Weingartner?'s Leitung ftatt. Die Damen Hiedler, Dietrich, Göôgze, die Herren Beß, Stammer, Fränkel treten darin auf. Herr Kraus vom Hof- und National-Theater in Mannheim singt den Ritter Frauenlob als Gast. j

Im Königlichen Schausptelhause gelangt morgen Nicolay Gogol’s Lustspiel „Der Revisor* (Herren Vollmer, Klein) zur Auf- ührung.

M Der Leiter der General-Intendantur der Wiener Hoftheater, Geheime Rath Freiherr Dr. von Bezecny hat, wie „W. T. B.“ meldet, den Titel General-Intendant erhalten.

Das neue Chorwerk „Krösfus* von rof Lorenz in Stettin wird im nächsten Winter in einer ganzen Neibe von deutshen Städten

zur Aufführung gelangen.

Mannigfaltiges.

Die am Sonnabend im Konzerthause (Leipzigerstraße 48) eröffnete Ausstellung der Geschenke, welhe dem Fürsten Bismarck zu seinem achtzigsten Geburtstag aus allen Theilen der Welt dargebracht worden find, umfaßt im Ganzen nicht weniger als 930 Nummern und dennoch nur etwa die Hälfte der dem Jubilar gewid- meten Gaben, weil naturgemäß nicht alle Geschenke für die öffentliche Aus- stellung geeignet ershienen. Unter den zahlreichen Kunst- und Erinnerun o gegenständen von hervorragendem Werth, die zum theil {on bei Gelegenheit der Ueberreihung erwähnt wurden, sind für den Be- suher von besonderem Interesse der von Seiner Majestät dem Kaiser und König dem Fürsten gewidmete Ehrenpallasch und das leihfalls von Allerhöchstdemselben ges{enkte, aus Gold und Lapis- unl gefertigte Petschaft vom Schreibtish des Hochseligen Kaisers Wilhelm T.; fie haben ihren Plaß in dem kleinen Saal erhalten. Der große Konzertsaal ist im wesentlißen den unzähligen Adressen, Ehrenbürgerbriefen, Votivtafeln, Gemälden, Bronzen, Vasen, Pokalen und ähnlichen Kunst- und kfunstgewerblichen Arbeiten vorbehalten. Der Saal if geshmackooll dekoriert: Gruppen von Fahnen in blau-weiß (den Bismarck'schen Farben) werden an den Galerien durch des gén Wappenschild zusammengehalten. Die Musiktribüne if durch eine grüne Wand von Palmen und Lorbeeren verdeckt, von welcher sich die Büsten der drei Kaiser und die- jenige des Fürsten Bismarck abheben. Von besonderer Schön- heit unter den vielen, dem deutshen Kunstgewerbe zur Ehre gereihenden Arbeiten is der erst vor wenigen Tagen von der

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